Im Land der räuberischen Nomaden?: Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener zwischen Seleukiden und Römern [1 ed.] 9783949189173, 9783949189159


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German Pages [444] Year 2022

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Im Land der räuberischen Nomaden?: Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener zwischen Seleukiden und Römern [1 ed.]
 9783949189173, 9783949189159

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Julia Hoffmann-Salz

Im Land der räuberischen Nomaden? DIE EIGENHERRSCHAFTEN DER ITURAIER UND EMESENER ZWISCHEN SELEUKIDEN UND RÖMERN

Studien zur Alten Geschichte

Studien zur Alten Geschichte Herausgegeben von Ernst Baltrusch, Peter Funke, Tanja Itgenshorst, Stefan Rebenich und Uwe Walter

Band 31

Julia Hoffmann-Salz

Im Land der räuberischen Nomaden? Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener zwischen Seleukiden und Römern

Verlag Antike

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2022 Verlag Antike, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike, V&R unipress. Umschlagabbildung: Eugen Prosper Bracht, In der Wüste Araba, 1882. Bild mit freundlicher Genehmigung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Umschlaggestaltung: disegno visuelle kommunikation, Wuppertal Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-949189-17-3

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure . . . . . . . . . 2.1 Handlungsoptionen der Herrscher und Beherrschten im Seleukidenreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Nutzung und Schaffung von Optionen . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Die Anfänge der Eigenherrschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Erste Quellenzeugnisse zu den Ituraiern . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Territorien der Ituraier und Emesener . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Siedlungsentwicklung der Herrschaftsgebiete der Ituraier 3.2.2 Die Siedlungsentwicklung der Herrschaftsgebiete der Emesener 3.2.3 Vergleich des Befundes mit den Nachbarregionen . . . . . . 3.3 Die Anfänge der Eigenherrschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48 55 55 91 102 108 132

4. Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften . . . . . . . . . 4.1 Die Herrschaften der Ituraier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die Dynasten von Chalkis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Die Dynasten von Arka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Lysanias von Abila . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Das weitere Schicksal der Territorien bis zur Provinzialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Herrschaft der Emesener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136 136 136 161 167

5. Herrschaftsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Herrschaftsstrukturen der Ituraier . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Herrschaftsorganisation und Administration der Ituraier . . 5.1.2 Territorialkontrolle und Ressourcenzugriff der Ituraier . . . 5.2 Herrschaftsstrukturen der Emesener . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Herrschaftsorganisation, territoriale Kontrolle und Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Ressourcen und Ressourcenzugriff der Emesener . . . . . . 5.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 187 187 198 221

21 34 46

169 171 183

221 227 234

6

Inhalt

6. Gemeinschaftsidentitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Identität und Ethnizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die frühen Araber in den antiken Quellen . . . . . . . . . . . . 6.3 Identität und Ethnizität der Ituraier . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Herkunft und Ethnizität der Ituraier . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Eine ituraische Religion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Identität und Ethnizität der Emesener . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

236 236 246 256 256 279 291 301

7. Herrschaftsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Repräsentation und Legitimationsstrategien der Ituraier . . . . . 7.2 Legitimationsstrategien und Herrschaftsrepräsentation der Emesener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Vergleich zu benachbarten Dynastien . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 310 331 343 359

8. Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener – Erkenntnisse . . 361 9. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Literarische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Inschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.3 Münzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.4 Papyri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

387 387 387 390 391 391 392

10. Karten- und Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenindex der literarischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . .

429 429 433 437

Antiocheia Seleukeia

Laodikeia am Meer

Chalkis am Belos

Apameia

Raphaneia Arados Tripolis

Epiphaneia Epiph

Arethusa Aret t thusa Khirbet Bilaas Mariamme Emesa Em E m Palmyra P lm Arka A rka k ka Laodikeia Laodik aaod od aam Libanon Hermel Nazala Qasr el -Heir el-Gharbi

Byblos Yabroud Yanouh Y anouh Qalaat Faqra ra Yan Heliopolis/Baalbek He H eliopoli lis/Baal /Baal aalb bekk Niha Berytos Hosn ech Chadoura Zebedani Z bedan edani edan Majdal Anjar dal A nja nj jar Ze Abila ila d il des L Ly Lysanias ysanias ys n Sidon Kamid el-Loz Abil Damaskos Dama D Tell Dan Har Sena‘im Tyros Paneion/Caesarea P anei ane an eeio iiooon/Caesar a eaa Paneas ar P SSanamein Sana aname mein Omrit Sahr al Leja TRACHONITIS ACHONITIS Ake Ptolemaïs BATANEIA A Atil ttiil Adraha Adr drah dr raha Kanatha Caesarea am Meer Bosra Umm al Jimal

Legende:

Jerusalem

Emesa – antike Stadt Atil – moderner Siedlungsname LIBANON – Landschaftsname

Petra

Karte 1: Karte des Untersuchungsraumes

Vorwort

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um einen umfangreich gekürzten und umstrukturierten Teil meiner Habilitationsschrift, die ich im Juni 2019 an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln eingereicht habe. Für die Betreuung und Unterstützung bei diesem Projekt danke ich insbesondere Peter Franz Mittag, der in den vielen vergangenen Jahren Beistand und Lehrer für mich war. Ich danke auch den weiteren Gutachtern Michael Heinzelmann, Karl-Joachim Hölkeskamp und Winfried Schmitz für ihre mannigfache Hilfe in der Realisierung dieses Projektes. Auch von Walter Ameling, Werner Eck, Sabine Schrenk und Werner Tietz habe ich wertvolle Anregungen erhalten. Viele Personen haben auf ganz unterschiedliche Weise dazu beigetragen, dass dieses Buch geschrieben werden konnte. Hier seien vor allem meine (teils ehemaligen) Kölner Kolleginnen und Kollegen genannt, mit und von denen ich so viel gelernt habe: Claudia Braun, Frank Bücher, Torben Godosar, Dagmar Hofmann, Sema Karataş, Michael Kleu, Andreas Klingenberg, Katharina Kostopoulos, Ralph Lange, Simon Lentzsch, Florian Sittig, Oliver Steinert, Manuel Stürmlinger, Stefan Wassermann. In Berlin danke ich Ole Siems für die Unterstützung beim Korrekturlesen und der Erstellung des Registers. Meine Habilitation ist auch möglich gemacht worden durch das ProfessorinnenProgramm der Universität zu Köln, durch dessen großzügige zweimalige Förderung mir wertvolle Unterstützung zuteilwurde. Uwe Walter, Ernst Baltrusch und den Gutachtern der „Studien zur Alten Geschichte“ bin ich für die Aufnahme meines Buches in die Reihe in besonderer Weise zu Dank verpflichtet. Dies gilt auch für Kai Pätzke und den Verlag Vanden­hoeck und Ruprecht sowie hier insbesondere Matthias Ansorge für seine viel strapazierte Geduld in der Herstellung dieses Buches. Am allermeisten danke ich aber meiner wunderbaren Familie für ihre – manchmal unwillige – Bereitschaft, mich in den vergangenen Jahren mit den Ituraiern und ihren Nachbarn zu teilen und – oft auch im genau richtigen Moment – mit viel wichtigeren Dingen abzulenken. Ihnen soll das Buch gewidmet sein. 

Bonn im Juli 2022

1. Einleitung

Μετὰ δὲ τὸν Μάκραν ἐστὶν ὁ Μασσύας, ἔχων τινὰ καὶ ὀρεινά, ἐν οἷς ἡ Χαλκίς, ὥσπερ ἀκρόπολις τοῦ Μασσύου· ἀρχὴ δ᾿ αὐτοῦ Λαοδίκεια ἡ πρὸς Λιβάνῳ. τὰ μὲν οὖν ὀρεινὰ ἔχουσι πάντα Ἰτουραῖοί τε καὶ Ἄραβες, κακοῦργοι πάντες, οἱ δ᾿ ἐν τοῖς πεδίοις γεωργοί· κακούμενοι δ᾿ ὑπ᾿ ἐκείνων ἄλλοτε ἄλλης βοηθείας δέονται. ὁρμητηρίοις δ᾿ ἐρυμνοῖς χρῶνται, καθάπερ οἱ τὸν Λίβανον ἔχοντες ἄνω μὲν ἐν τῷ ὄρει Σιννᾶν καὶ Βόρραμα καὶ ἄλλα τοιαῦτα ἔχουσι τείχη, κάτω δὲ Βότρυν καὶ Γίγαρτον καὶ τὰ ἐπὶ τῆς θαλάττης σπήλαια καὶ τὸ ἐπὶ τῷ Θεοῦ προσώπῳ φρούριον ἐπιτεθέν, ἃ κατέσπασε Πομπήιος, ἀφ᾿ ὧν τήν τε Βύβλον κατέτρεχον καὶ τὴν ἐφεξῆς ταύτῃ Βηρυτόν, αἳ μεταξὺ κεῖνται Σιδόνος καὶ τοῦ Θεοῦ προσώπου.

„Nach Makras kommt die Ebene Mas­syas, die einige gebirgige Teile enthält, darunter auch Chalkis, die Akropolis des Massyas. Diese Ebene beginnt bei Laodikeia am Libanos. Die gebirgigen Teile werden sämtlich von Ituraiern und Arabern, Übeltäter allesamt, bewohnt (die Ebene dagegen von Bauern, die teils dieser, teils jener Hilfe bedürfen.) Sie haben naturfeste Stützpunkte, ebenso wie die Bewohner des Libanos oben in den Bergen Sinna, Borrama und andere ähnliche Bollwerke haben, und unten Bortys, Gigartos, die Grotten am Meer und die auf das Gottesantlitz [Theuprosopon] gesetzte Festung, die Pompeius alle niedergerissen hat: von diesen Orten aus pflegten sie Byblos und das daran anschließende Berytos heimzusuchen, zwei Städte die zwischen Sidon und dem Gottesantlitz liegen.“1

Mit diesen Worten beschreibt Strabon die Gemeinschaft der Ituraier und ihre Herrschaft, die sich über mehrere Generationen im Raum von Libanon, Antilibanon, Beka-Ebene, Hauran und umgebenden Gegenden halten konnte. Strabons negative Bewertung dieser Eigenherrschaft, die auch von Josephos geteilt wurde2, ist von der älteren Forschung unkritisch übernommen worden. Jones nennt sie etwa „another backward people of Syria“.3 Für Schottroff waren die Ituraier zunächst noch nicht voll sesshafte Nomaden, die ihren Lebensunterhalt mit Raubzügen verdienten.4 Knauf glaubt ebenfalls, dass die Ituraier als Nomaden die Region zwischen Libanon

1

Strab. 16, 2, 18, Übersetzung von Radt. Hier wie im Folgenden werden die griechischen Texte den Loeb-Editionen der Werke entnommen, sofern nicht anders angegeben. 2 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1. 3 Jones 1931, S. 265. 4 Schottroff 1982, S. 137.

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Einleitung

und Antilibanon durchzogen hätten, bevor sie ihre eigene Herrschaft etablierten. Er bezeichnet ihre Gemeinschaft als „another bedouine state“.5 Diese Vorstellung von den Ituraiern als ‚räuberische Nomaden‘ ist Teil eines größeren Narrativs der in der Forschung lange vertretenen Einschätzung des Seleukidischen Reiches als eine Art ‚kranker Mann in Asia‘6: So eröffnete Bellinger seine 1949 veröffentlichte Darstellung der seleukidischen Herrschaft seit 162 v. Chr. mit folgenden Worten: „The history of the Seleucid empire is  a tale of general decline, interrupted by periods of recovery so impressive that it is only in retrospect that one recognizes them as merely interruptions.“7 Für diesen „general decline“ machte er die Thronstreitigkeiten innerhalb der seleukidischen Dynastie, den dadurch wachsenden Einfluss der externen Mächte der Arsakiden, der Ptolemaier und Rom sowie Abfallbewegungen bestimmter Reichsteile und Unabhängigkeitsbestrebungen der (griechischen) Städte verantwortlich.8 Im Kontext der Vorstellung eines dysfunktionalen seleukidischen Reiches fiel es dann nicht schwer, auch eine aus ihm hervorgehende Eigenherrschaft einer lokalen Gemeinschaft negativ zu bewerten – zumal die Quellen einen solchen Eindruck nahe zu legen scheinen. Der grundlegend negativen Sicht auf das Seleukidische Reich und seine Nachfolger setzten Sherwin-White und Kuhrt in ihrem 1993 erschienenen Band „From Samarkhand to Sardis. A new approach to the Seleucid empire“ die Frage entgegen, „why it held together for so long.“ Dabei konnten sie wichtige Impulse zum Verständnis dieses Reiches einerseits als Erbe einer langen nahöstlichen Tradition, andererseits aber auch als Innovator in der Überwindung von strukturellen Herausforderungen geben.9 Insbesondere die Vorstellung von der Schwäche des Reiches aufgrund seiner Größe und der daher nötigen Delegierung von Herrschaft an lokale Kräfte wird von Sherwin-White als im Gegenteil durchaus stabilisierender Faktor gewertet.10 Diese Überlegungen führten insbesondere auch zu einer veränderten Wahrnehmung des seleukidischen Königtums, da das Reich eben nicht mehr als ‚Territorialstaat‘ verstanden wird, dessen Stabilität auch von einer Stabilität des Reichsgebietes abhing. Vielmehr wird die Herrschaft der Seleukiden inzwischen vor allem als personelle Monarchie begriffen, deren Macht von König, Hof und Heer durch erfolgreiche Kriege und Wohltaten an die Untertanen legitimiert wurde.11 Die Ausdehnung des Seleukidischen Reiches war dabei eben keine konstante Größe, sondern das Reichsgebiet bestand aus den gerade vom aktuellen König 5 6 7 8 9

10 11

Knauf 1998, S. 273–276. Vgl. Kosmin 2014, S. 4. Bellinger 1949, S. 55. Bellinger 1949, S. 56. Sherwin-White / Kuhrt 1993, Zitat S. 4. Sherwin-White 2002, S. 47–48. Kosmin 2015, S. 4.

Einleitung

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gehaltenen Territorien, die erweitert oder auch verloren werden konnten.12 Aus dieser Situation heraus entwickelte sich das Seleukidische Reich für Strootman seit ca. 250 v. Chr. zu einem Hegemonialreich, dass eine Reihe von „multiple autonomous vassal monarchies and small princedoms around a more or less directly controlled imperial core“ beherrschte.13 Die Seleukiden konnten dafür an ein langes Erbe zentralistischer Reichstradition anknüpfen, da alle von ihnen beherrschten Räume zuvor bereits unter achaimenidischer Herrschaft gestanden hatten. Dies bedeutete insbesondere einen Rückgriff auf vorhandene lokale Strukturen, deren traditionelle Heterogenität nicht grundsätzlich als Problem verstanden wurde.14 Von allen hellenistischen Reichen, die aus den Eroberungen Alexanders des Großen im östlichen Mittelmeerraum hervorgegangen waren, hatte das Seleukidische Reich dabei die größten strukturellen Herausforderungen zu meistern – aber auch die größten Möglichkeiten zur Gestaltung. So betont etwa Lindsay Adams in ihrer Charakterisierung des Seleukidischen Reiches dessen territoriale Größe, immense ökonomischen Ressourcen, große aber sehr heterogene Bevölkerung und daraus rekrutierte umfangreiche militärische Basis.15 Teil dieser heterogenen Bevölkerung waren eine Reihe von Gemeinschaften, aus denen in der Spätphase des Seleukidischen Reiches regionale Eigenherrschaften entstanden.16 Einige dieser Gemeinschaften werden in den Quellen und / oder der Forschung als Araber bzw. als arabische Nomaden verstanden: die Nabataier, die Emesener, Edessa / Osrhoene, die Ituraier, die Palmyrener sowie kleinere kurzlebigere Herrschaften wie die des Azizos um Aleppo oder des Zenon Kotylas in Philadelphia sowie seines Sohnes Theodoros in Gerasa.17 Die durch die Arbeiten von Sherwin-White und Kuhrt einsetzende Neubewertung des Seleukidischen Reiches als Ganzes hat auch den Blick auf die sich von ihm emanzipierenden Gemeinschaften verändert. So betont etwa Strootman, dass die Verknüpfung von Autonomiebestrebungen lokaler Gemeinschaft und „Seleucid ‚decline‘“ heute nicht mehr gehalten werden könne. Stattdessen seien diese als Teil der „vassalization of empire“ des Seleukidischen Reiches zu verstehen, dass gerade dessen Resilienz zeige.18 Dies wird etwa auch deutlich an der Verheiratung seleukidischer Prinzessinnen mit den Anführern dieser neu entstehenden lokalen Eigenherrschaften.19 Damit kann nicht nur die ‚agency‘ der seleukidischen Könige in diesem Prozess der Wandlung des Reiches zur Hegemonialmacht herausgestellt werden. Auch den Anführern der lokalen Gemeinschaften wird in der heutigen 12

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Austin 2003, S. 122. Strootman 2020, S. 140. Vgl. Kosmin 2015, S. 4. Lindsay Adams 2006, S. 43. Vgl. auch van der Spek 2009, S. 103. Kasher 1988, S. 43. Gatier 2002, S. 120; Sartre 2001, S. 438 mit Quellenangaben; Ball 2000, S. 32. Strootman 2020, S. 140–141. Vgl. Gabelko / Kuzmin 2020, S. 203–204.

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Einleitung

Forschung eine solche ‚agency‘ jenseits der früheren Erklärungsmuster einer Ablehnung hellenistischer ‚Fremdherrschaft‘ zugesprochen.20 Dies kann etwa Versluys in einer neuen Arbeit für Kommagene augenfällig machen, wobei sich seine Studie insbesondere auf die kulturelle Entwicklung fokussiert.21 Für Pergamon und die Attaliden wurde dies z. B. an der Ausrichtung der großen Ausstellung „Pergamon – Panorama der antiken Metropole“ in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin 2011 deutlich.22 Trotz einiger neuerer Arbeiten konnten aber die Ituraier bislang nicht von diesem neuen Verständnis der aus dem Seleukidenreich entstehenden Eigenherrschaften profitieren. So bewertet etwa Sommer noch 2001 die Etablierung der Ituraier as „part of a whole series of rebellions of semi-nomadic mountain tribes against the settled population on the plains of the Levant.“23 Dabei konnten die Ituraier eine überraschend langlebige Herrschaft aufbauen, wenn es sich denn bei ihnen tatsächlich um ‚räuberische Nomaden‘ gehandelt haben sollte: Unter dem ersten Tetrarchen Ptolemaios, den Pompeius 64/3 v. Chr. bei seinem Zug durch Syrien als Klientelherrscher bestätigte, bedrohten sie Damaskos, unter Ptolemaios’ Sohn und Nachfolger Lysanias ging die Herrschaft 36 v. Chr. kurzfristig wegen angeblicher Ränke mit den Arsakiden an Kleopatra verloren, bevor Augustus mit Zenodoros 31 v. Chr. erneut einen Tetrarchen ernannte, der 20 v. Chr. starb. Offenbar parallel zur ituraischen Tetrarchie um die Hauptstadt Chalkis existierte eine weitere ituraische Eigenherrschaft um Arka. Nach der Auflösung der Tetrarchie von Chalkis bestand diese zunächst weiter und es gab darüber hinaus eine weitere kleine Tetrarchie um Abila im Tal des Baradas. In der ersten Hälfte des 1. Jhd. n. Chr. wurden die Gebiete dann zunächst verschiedenen Nachkommen des Herodes überlassen, bevor alle Territorien schließlich der römischen Provinz Syria zugeschlagen wurden.24 In der Forschung wird dabei auch die Vorstellung vertreten, dass es sich bei der Dynastie von Emesa um Ituraier gehandelt habe.25 Die Gemeinschaft der Emesener ist in den Quellen spätestens seit dem 1. Jhd. v. Chr. in einem eigenen Herrschaftsbereich zwischen Arethusa und Emesa / Homs zu greifen. Dort etablierten sich ihre Anführer zunächst als Phylarchen, konnten jedoch gegen Ende des Jahrhunderts sowohl das römische Bürgerrecht als auch den Königstitel erlangen.26 Erst in flavischer Zeit wurde das Königreich der Emesener aufgelöst und die Territorien der römischen Provinz Syria zugeschlagen.27 Die Emesener werden zwar nicht als ‚Räuber‘ bezeichnet, aber auch sie erfahren eine deutlich topische Charakterisierung bei Strabon. Dies wird etwa 20 21

22 23 24 25

26 27

Vgl. z. B. für die graeko-baktrischen Reiche Holt 2020, S. 458–460. Versluys 2017, S. 11–24. Grüßlinger et al. 2011. Sommer 2001, S. 83. Vgl. dazu das Kapitel 4. Kasher 1988, S. 85, F. 120. Vgl. Sullivan 1990, S. 201–202. Sommer 2005, S. 63.

Einleitung

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in dieser Stelle über die Nachbarlandschaften von Apameia am Orontes deutlich, in der mit Samsigeramos ein Emesener Anführer genannt wird: Ὅμορος δ᾿ ἐστὶ τῇ Ἀπαμέων πρὸς ἕω μὲν ἡ τῶν φυλάρχων Ἀράβων καλουμένη Παραποταμία καὶ ἡ Χαλκιδικὴ ἀπὸ τοῦ Μασσύου καθήκουσα καὶ πᾶσα ἡ πρὸς νότον τοῖς Ἀπαμεῦσιν, ἀνδρῶν Σκηνιτῶν τὸ πλέον· παραπλήσιοι δ᾿ εἰσὶ τοῖς ἐν τῇ Μεσοποταμίᾳ νομάσιν· ἀεὶ δ᾿ οἱ πλησιαίτεροι τοῖς Σύροις ἡμερώτεροι καὶ ἧττον Ἄραβες καὶ Σκηνῖται, ἡγεμονίας ἔχοντες συντεταγμένας μᾶλλον, καθάπερ ἡ Σαμψικεράμου Ἀρέθουσα καὶ ἡ Γαμβάρου καὶ ἡ Θέμελλα καὶ ἄλλων τοιούτων.

„Grenzland von Apameia gegen Osten ist das sogenannte Parapotamia der arabischen Stammesfürsten und auch Chalkidike, das von Massyas her reicht, und das ganze den Apameiern südlich gelegene und größtenteils Zeltbewohnern gehörende Land. Diese gleichen den Wanderhirten in Mesopotamien; immer aber sind die den Syrern näher wohnenden gesitteter und weniger Araber und Zeltbewohner, weil sie besser geordnete Verfassungen haben, wie Arethusa des Samsigeramos und das Gebiet des Gambaros, und das des Themellas, und andere dergleichen.“28

Die Emesener sind damit zwar ‚gesitteter‘ als andere lokale Gemeinschaften, dafür werden sie aber noch direkter als die Ituraier mit nomadischen Zeltbewohnern in Zusammenhang gebracht, obwohl ihre Dynasten ja offenbar in einer Stadt residierten. Ziel der vorliegenden Arbeit soll es daher sein, das vordergründig von den Quellen gezeichnete Bild der Ituraier und Emesener und dessen bisherige Interpretationen in der Forschung zu hinterfragen und damit zu einem neuen Verständnis dieser indigenen Eigenherrschaften zu kommen. Dazu wird der erste Teil zu Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure in die Möglichkeiten und Handlungsoptionen der seleukidischen Herrscher und ihrer lokalen Verhandlungspartner einführen, um den Aktionsrahmen für die Entstehung der lokalen Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener auszuloten. Im folgenden Teil zu den Anfängen der Eigenherrschaften sollen Überlegungen zur Genese der Gemeinschaften der Ituraier und Emesener und ihrer Eigenherrschaften angestellt werden. Dazu gehört auch eine Untersuchung der Siedlungsentwicklungen ihrer Territorien, um möglichen Veränderungen von Besiedlungsformen nachzuspüren. Vor dem Hintergrund dieser Betrachtungen sollen die Anfänge der Eigenherrschaften im historischen Kontext beleuchtet werden. Der nachfolgende Teil wird sich der aus den Quellen rekonstruierbaren historischen Entwicklung der ituraischen und emesenischen Eigenherrschaften widmen, bevor im Teil zu den 28

Strab. 16, 2, 11. Übersetzung nach Radt.

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Einleitung

Herrschaftsstrukturen die in meinen Augen bislang zu wenig berücksichtigten Hinweise auf die Herrschaftsorganisation sowohl der Ituraier als auch der Emesener thematisiert werden sollen. Der folgende Teil zu Gemeinschaftsidentitäten wird sich der schwierigen Frage nach der kulturellen und ‚ethnischen‘ Identität der Ituraier und Emesener widmen. Hier werden u. a. Überlegungen zur Zugehörigkeit der Ituraier und Emesener zu den frühen Arabern angestellt, aber auch die Problematik einer möglichen ituraischen Religion und materiellen Kultur angesprochen. Daran anschließend soll der Teil zu Herrschaftsstrategien zeigen, welche Repräsentationsund Legitimationsstrategien die ituraischen wie emesenischen Dynasten verfolgten. Um zu diesen Themenbereichen Erkenntnisse präsentieren zu können, muss an einigen Stellen eine umfangreiche Neuinterpretation der Quellen zu den Ituraiern – aber auch zu den Emesenern – vorgenommen werden. Beide Gemeinschaften haben keine eigenen erzählenden Quellen hinterlassen, wie dies etwa bei den Hasmonaiern der Fall ist. Dazu tritt das grundsätzliche Problem, dass sich keine durchgehende erzählende Quelle zur Geschichte des Seleukidischen Reiches aus seleukidischer Perspektive erhalten hat. Die erhaltenen Ereignisbeschreibungen bei Diodor und Polybios sind aufgrund ihrer Intention und / oder ihres Überlieferungszustandes nicht uneingeschränkt vertrauenswürdig und dies gilt umso mehr für spätere Überlieferungen etwa bei Appian, Strabon, Flavios Josephos oder Justin / Pompeius Trogus.29 Sie liefern teils ein verzerrtes Bild der seleukidischen Könige  – und ihrer jeweiligen Gegner –, da die Darstellung durch die Hofberichterstattung der Nachfolger und die moralisierende Verarbeitung der Informationen durch spätere erzählende Quellen verfälscht wurde.30 Die kritische Haltung der Quellen gegenüber den Seleukiden hatte auch Auswirkungen auf die Darstellung der Gemeinschaften, die auf dem Boden des Seleukidischen Reiches ihre Eigenherrschaften etablierten. Nur über den Aufstieg der Hasmonaier sowie ihre eigene Sicht auf ihre Herrschaft sind wir durch eine Reihe von Quellen aus hasmonaischer Perspektive unterrichtet, die in dieser Form für keine andere indigene Eigenherrschaft im seleukidischen Herrschaftsraum vorliegen.31 Da die Ituraier als direkte Nachbarn Judaias und der Hasmonaier mit diesen in eine Reihe von Konflikten gerieten, werden sie in einigen aus diesem Umfeld stammenden Quellen erwähnt32, wobei die Konkurrenzsituation den Tenor der Berichterstattung bestimmte. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

29

Vgl. Sherwin-White / Kuhrt 1993, S. 3–4; Engels 2011, S. 181–194; vgl. die Quellenanalyse bei Ehling 2008, S. 29–109. 30 Chrubasik 2016, S. 14–15: Bsp. Polyb. 33, 19, wo er die seleukidische Propaganda von Luxus als Erfolgsindikator im Gegenteil als Trunkenheit und Dekadenz brandmarkt. 31 Dąbrowa 2010, S. 13–16; Schwentzel 2013, S. 25–26. Zum historischen Wert des Daniel-Buches vgl. Millar 2006b, S. 65. 32 Vgl. Knauf 1998, S. 269–272.

Einleitung

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Neben einer Reihe vereinzelter Erwähnungen in griechischen wie römischen Quellen sind die zusammenhängendsten Informationen zu den Ituraiern, aber auch den Emesenern, aus Strabon und Flavios Josephos zu gewinnen. Strabon konnte auf seine eigenen Erfahrungen im östlichen Mittelmeerraum zurückgreifen.33 Darüber hinaus benutzte er zahlreiche auch hellenistische Quellen wie etwa Eratosthenes oder Poseidonios von Apameia.34 Gerade Poseidonios von Apameia, dessen weitgehend verlorenes Werk in das 1. Jhd. v. Chr. gehört, kannte die Nachbarschaft der Emesener und Ituraier aus eigener Anschauung.35 Hier wird zu fragen sein, ob mögliche Konkurrenzverhältnisse Auswirkungen auf die Berichterstattung hatten. Und dies gilt umso mehr für Flavios Josephos, dessen Werke in der 2. Hälfte des 1. Jhd. n. Chr. entstanden.36 Josephos schrieb mit der spezifischen Intention, der römischen Öffentlichkeit die Hintergründe des Jüdischen Aufstandes näher zu bringen und den ‚richtigen‘ Umgang mit Judaia zu vermitteln. Die entsprechende Instrumentalisierung der Fakten erschwert oft das Verständnis der Vorgänge besonders auch zu den Hasmonaiern, die Josephos zu seinen Vorfahren rechnete.37 Daraus ergeben sich insbesondere für die Darstellung der mit den Hasmonaiern rivalisierenden Ituraiern auch bei Josephos Bedenken, wie noch auszuführen sein wird. Nicht zuletzt ist dies auch ein Problem der Quellen des Josephos, der sich wohl in wesentlichen Passagen und gerade in den chronologischen Räumen, in denen es auch um die Ituraier geht, vor allem auf Nikolaos von Damaskos berief.38 Dessen Rolle am Hof des Herodes, der mit den ituraischen Dynasten um Territorien und Einfluss konkurrierte, macht ihn nicht unbedingt zu einem zuverlässigen Zeitzeugen. Dies gilt auch, wenn Josephos z. B. im Jüdischen Krieg weitere Quellen wie etwa eine Herodes-Biographie von Ptolemaios von Askalon nutzte.39 In der Forschung werden außerdem die oft unterschiedlichen Darstellungen von Ereignissen in den beiden Hauptwerken des Josephos, dem Jüdischen Krieg und den Jüdischen Altertümern, herausgestellt. Dies wird mit einer intensiveren redaktionellen Überarbeitung des Jüdischen Krieges im Vergleich zu den etwa 30 Jahre später entstandenen Jüdischen Altertümern erklärt, vielleicht standen 33

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Connors, 2011, S. 143–147; zur Datierung der Abfassungszeit vgl. Dueck 1999. Vgl. Clarke 2009, S. 295. Vgl. Villani 2009, S. 283. Zu seinen Quellen vgl. Schwartz 2016, S. 36–58; Gruen 2016, S. 226. Er faßt zusammen: „His chronicle of the Hasmonaeans as a whole contains inconsistencies and puzzles, admiring comments juxtaposed to disheartening narratives. The paradoxes in his presentation may be the best testimony to the discordant saga of the clan“ (S. 233). Vgl. Atkinson 2016, S. 4–22, 24, 177–178. In seiner Studie geht Atkinson auch auf die jeweiligen chronologischen Probleme der Herrschaftszeit der Hasmonaier ein, etwa S. 51–52 zu den Quellenproblemen für Johannes Hyrkanos; vgl. auch Schwentzel 2013, S. 26–28. Toher 2009, S. 70–72. Michel / Bauerfeind 1959–1969, S.  XXVI.

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Josephos für die Jüdischen Altertümer aber auch andere Quellen zur Verfügung.40 Auch die Passagen, die als Quellen für die Ituraier herangezogen werden können, unterscheiden sich teils in der Darstellung des Jüdischen Krieges und der Jüdischen Altertümer, worauf an den entsprechenden Stellen eingegangen werden wird. Ebenso problematisch ist die Überlieferungssituation der Texte des Josephos. Zwar haben sich durch die Bedeutung, die seinem Werk in Spätantike und Mittelalter beigemessen wurde, eine Reihe von Manuskripten seiner Texte erhalten, im Detail weichen diese aber an einer Reihe von Stellen voneinander ab.41 Die immer noch als Grundlage genommene Edition der Texte durch Benedikt Niese am Ende des 19. Jhd. ist heute umstritten.42 Die Loeb-Ausgabe durch Henry St. John Thackeray weicht hiervon nur geringfügig ab.43 Zwei neue Projekte haben mit der Erstellung einer neuen englischen Übersetzung und Kommentar unter der Federführung von Steve Mason und einer französischen Übersetzung mit neuer Textedition durch Étienne Nodet begonnen, beide Projekte haben aber noch nicht alle Werkteile bearbeitet.44 Diese Textunsicherheit betrifft auch Passagen, in denen die Ituraier Thema sind. Dies wird an entsprechender Stelle diskutiert. Hier ist es hilfreich, dass in den letzten Jahrzehnten insbesondere epigraphisch durch Editionen wichtiger Textgruppen und im archäologischen Bereich neue Entdeckungen einen ergänzenden Einblick in die seleukidische Geschichte gewähren45 und auch die Erkenntnisse zu den Ituraiern und Emesenern voranbringen. So wurden verschiedene Teile des Territoriums der Emesener durch Surveys erfasst46, während es im ituraischen Herrschaftsbereich Informationen aus kleinräumigeren Untersuchungen gibt.47 Bei den Inschriften tragen insbesondere die vielen schon vorliegenden bzw. noch in Bearbeitung stehenden Neuauflagen der „Inscriptions Grecques et Latines de la Syrie“ (IGLS) zu neuen Erkenntnissen bei.48 Numismatisch ist vor allem das mehrbändige Corpus der Seleukidischen Münzen zu nennen.49 Auch die Ituraier prägten eigene Münzen, die von Herman in einem neueren Katalog zusammengestellt wurden.50 40 41

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Schwartz 2020, S. 55–56. Leoni 2016, S. 307–320. Niese 1895. Thackeray 1927–1928; Thackeray et al. 1930–1965. Aus der Reihe von Mason ist vor allem Band 7B relevant, der das 15. Buch der Jüdischen Altertümer umfasst: van Henten 2014. In der Textedition von Nodet gilt dies vor allem für den 6. Band zu den Büchern 12 bis 14 der Jüdischen Altertümer: Villeneuve / Nodet / ​ Dan / Parmentier 2021. Sherwin-White / Kuhrt 1993, S.  3–4. Abdulkarim / Olesti-Vila 2006; Haidar Boustani et al. 2003–2004; Philip / Bradbury 2016. Gatier / Nordiguian 2005; Kulemann-Ossen, Leicht / Heinz 2007/2008. Neu ist z. B. der Band Sartre-Fauriat / Sartre, IGLS 14 2016. Houghton / L orber / Hoover 2008. Herman 2006, aufbauend auf der Zusammenstellung von Kindler 1993.

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Die fragmentarische Quellenlage hat die Forschung nicht daran gehindert, sich gerade in den letzten Jahrzehnten intensiv mit dem Seleukidischen Reich zu beschäftigen. Dabei entstanden sowohl neue Werke zur Geschichte des Reiches51 als auch spezifischere Arbeiten über Herrschaftsorganisation und Herrschaftsideologie der Seleukiden52 wie auch zu Administration und Organisation ihres Herrschaftsbereiches53. Andere Studien setzten sich mit ausgewählten Regionen des Seleukidischen Reiches auseinander.54 Dabei spielt auch immer wieder der Raum eine Rolle, der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist, nämlich der Großraum Syrien. Neben der kenntnisreichen Gesamtdarstellung der antiken Geschichte der Levante durch Sartre55, haben sich eine Reihe von insbesondere archäologischen und epigraphischen Arbeiten auch den Regionen und Völkern dieses Raumes gewidmet und die indigenen Eigenherrschaften untersucht, zu denen auch die Herrschaften der Ituraier und Emesener zählen. So sind sowohl vergleichenden Untersuchungen zu den lokalen Herrschern56 als auch zu verschiedenen Gemeinschaften erschienen. Herauszuheben sind hier etwa die Arbeiten von Honigman und Eckhardt zu Judaia57, eine große Fülle an neuen Arbeiten zu Petra und den Nabataiern58 sowie die neue Studie zur kulturellen Identität in Kommagene von Versluys.59 Auch die Emesener und Ituraier sind in der jüngeren Forschung untersucht worden: Neben einer archäologischen Studie zur Identität der Emesener60 gibt es mehrere Arbeiten, die sich mit den Ituraiern und ihrem Herrschaftsbereich beschäftigen.61 Die neue Forschung hat dabei gerade zu Judaia und Nabataia eine Reihe von älteren Postulaten teils deutlich verändern können, was Auswirkungen auf das Verständnis auch der Gemeinschaften der Ituraier und Emesener haben muss, wie zu zeigen sein wird. Daher möchten die vorliegenden Überlegungen auf dieser Grundlage eine Neubewertung der Eigenherrschaften versuchen. Ziel der Argumentation wird dabei sein zu zeigen, dass die Dynasten der Ituraier und auch der Emesener ihre Eigenherrschaften im Kontext der Thronrivalitäten des letzten Jahrhunderts des Seleukidischen Reiches etablieren konnten, weil 51 52

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Etwa Ehling 2008; Grainger 2014; Grainger 2015; Grainger 2015. Etwa Engels 2017; Chrubasik 2016; Panitschek 2016; Coşkun / McAuley 2016; Kosmin 2014; Mittag 2006. Capdetrey 2007; Aperghis 2004. Zuletzt Plischke 2014. Sartre 2001. Etwa Kropp 2013; Wright 2012. Honigman 2014; Eckhardt 2013. Stellvertretend hier etwa Mouton / Schmid 2013; Schwentzel 2013; Nehmé et al. 2012; Erickson-Gini 2010 sowie die zahlreichen Arbeiten von Graf. Versluys 2017. Konrad 2014. Myers 2010; Aliquot 2009; Aliquot 1999–2003.

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sie als lokale Herrschaftsträger die sich durch die Rivalitäten bietenden Handlungsoptionen ausnutzten. Durch die Aktivierung ihrer örtlichen Netzwerke gelang es ihnen dabei, ihren Zugriff auf die lokalen Ressourcen zu sichern und das beanspruchte Territorium auch militärisch zu halten. Die verschiedenen Dynasten verwendeten dann distinkte Legitimationsstrategien, die vor allem ihre auch intellektuelle Verortung im Umfeld der hellenistischen Levante zeigen. Daher sind die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener nicht als Landnahme ‚infiltrierender‘ arabischer Nomadenvölker zu verstehen, sondern als Folge der machtpolitischen Aushandlungsprozessen der seleukidischen Könige mit lokalen Herrschaftsträgern, wie dies etwa in Kommagene oder Judaia geschah. Ituraier und Emesener standen dabei in Konkurrenz zu anderen lokalen Akteuren und diese Konkurrenz bestimmte wesentlich ihre Darstellung in den Quellen. Deren Sicht hat die Forschung bislang zu unkritisch übernommen.

2. Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

Herrschaft war im Seleukidischen Reich Verhandlungssache. Daraus entstanden sowohl den seleukidischen Herrschern als auch ihren verschiedenen Verhandlungspartnern eine Reihe von Handlungsoptionen, die sich auf paradoxe Weise sowohl stärkend als auch schwächend auf das Reich als Ganzes auswirkten. Gleichzeitig waren es diese Handlungsoptionen, die einigen Regionen und Gemeinschaften im Seleukidischen Reich eine wachsende Eigenständigkeit ermöglichten – und damit sind sie der Referenzrahmen, in dem auch die Entstehung der ituraischen und emesenischen Herrschaften diskutiert werden muss. Dazu werden im Folgenden diese Handlungsoptionen sowohl aus Sicht der seleukidischen Herrscher wie aus der ihrer Verhandlungspartner beleuchtet, bevor der Blick auf die Ituraier und Emesener gerichtet werden soll.

2.1 Handlungsoptionen der Herrscher und Beherrschten im Seleukidenreich Das Königtum der Seleukiden war personal, also an die Person des Königs, nicht an ein Volk / eine Nation oder ein bestimmtes Territorium gebunden. Der König musste dabei die Legitimität seines Herrschaftsanspruchs vor allem durch militärische Erfolge beweisen.1 Der Sieg war Legitimationsgrundlage, Quelle von Charisma und gleichzeitig der Beweis göttlicher Unterstützung.2 Es kann daher nicht verwundern, dass die Seleukiden ihre Herrschaft ikonographisch mit militärischen Symbolen wie Rüstung, Lanze, Schild, Militärgewand und gleichermaßen auch mit göttlichen Attributen wie Adler, Löwenfell des H ­ erakles, Elefantenhaut, Strahlenkrone oder Sternen verbanden, die ihre Nähe zu den Göttern augenfällig machen sollten.3 Damit entstand mit Panitschek eine Notwendigkeit der Propagierung militärischer Erfolge ebenso wie der Deutung vergangener Siege als Zeichen göttlicher Zustimmung zu bzw. schicksalhaften Bestätigung von der eigenen Herrschaft.4 Mittelfristig musste auch Akzeptanz für die Nachfolger geschaffen werden, wozu relevanten Kommunikationsgruppen Angebote gemacht werden mussten.5 So wurden Freunden und Unterstützern Privilegien erteilt und Geschenke gemacht, die einerseits den König als Quelle von Wohltaten darstellten, andererseits die 1

Bikerman 1938, S. 8–9; Baker 2003, S. 376; Wiemer 2017, S. 308–318. Schwentzel 2013, S. 41–46. Vgl. auch Austin 2003, S. 124–126. 3 Schwentzel 2013, S. 41–46. 4 Panitschek 2016, S. 522–526. 5 Austin 2003, S. 126–127. 2

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Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

Unterstützer loyal halten sollten.6 In diesem Kontext förderten die Seleukiden auch aktiv lokale Traditionen, sofern diese zur Akzeptanz ihrer Herrschaft beitrugen, wie etwa in Babylon.7 Gerade gegenüber lokalen Kommunikationsempfängern betonten die Seleukiden dazu auch ihre Funktion als Herrschaftsnachfolger der Achaimeniden, deren Traditionen offenbar weiterhin große Wirkmächtigkeit zugesprochen wurde.8 Dabei wurde der König als Symbol des Staates insgesamt gesehen, dem entsprechend Dank für die Wohltaten seiner Herrschaft geschuldet wurde.9 Diese Wohltaten konnten für unterschiedliche Adressatengruppen unterschiedliche Formen annehmen, nämlich sowohl direkte materielle Zuwendungen wie auch ‚immaterielle‘ Privilegien, die dann häufig positive materielle Folgen für die Adressaten hatten. Allen war gemeinsam, dass der seleukidische König sie in Anerkennung von zuvor für ihn geleisteten Diensten vergab – oder in der Hoffnung, in Zukunft solche Dienste zu erhalten.10 Auch die überlieferten Schenkungen der Seleukiden an Heiligtümer sind in diesem Kontext zu verstehen, da damit den Göttern Dank für Erfolg und Schutz gezollt wurde.11 So privilegierte Seleukos I. etwa 281 v. Chr. das Plutonium von Nysa, weil es sein Grundsatz sei „den Bürgern der griechischen Städte durch Wohltaten Freundlichkeiten zu erweisen, nicht zuletzt auch in Verehrung mich an der Vermehrung der Ehren der Götter zu beteiligen.“12 Die erwiesenen Wohltaten konnten aber nicht nur eine Bereitschaft zum weiteren Engagement der Freunde und Untertanen der seleukidischen Könige für ihre Sache befördern. Die Untertanen waren nämlich keine rein passiven Rezipienten, 6 7 8 9

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Schwentzel 2013, S. 41–46. Vgl. Sherwin-White 2002, S. 55. Vgl. auch Funck / Gehrke 1996, S. 5. Funck 1996, S. 202. Lindsay Adams 2006, S. 46. So erhielt etwa ein Aristodikides aus Assos von Antiochos I. verschiedene Ländereien „weil er unser Freund ist und uns seine Dienste geleistet hat in aller Loyalität und Breitwilligkeit“: OGIS 221, deutsche Übersetzung HGIÜ II 317, Zitat: Text C. Die geschiedene Königin Laodike erhielt Landschenkungen bei Milet durch Antiochos II.: OGIS 225, HGIÜ II 335. Aber seleukidische Könige veranlassten auch Dritte, für ihnen selbst geleistete Dienste Ehrung zu vergeben, wie ein Beispiel aus Ilion zeigt: Hier hatte Antiochos die Stadt Ilion offenkundig ermutigt, einen Arzt, der ihn nach einer Verletzung in einer Schlacht erfolgreich behandelt hatte, Privilegien wie Bürgerrecht, Besitzrecht, Zugang zu den Institutionen der Polis und zu ihrem Kult zu verleihen, „in Würdigung seines Verdienstes und seiner Loyalität gegenüber den Königen Antiochos und Seleukos“: OGIS 220, deutsche Übersetzung HGIÜ II 318. So schenkte etwa Seleukos I. eine umfangreiche Sammlung von Gold- und Silbergegenständen sowie verschiedene Würz- und Räucherstoffe wie Weihrauch und Myrrhe als Weihgaben an das Heiligtum in Didyma, „während wir [Seleukos] gesund und erfolgreich sind und die Stadt heil und unversehrt bleibt, wie ich es wünsche und ihr es euch erfleht“: OGIS 214, deutsche Übersetzung: HGIÜ II 304. SEG 35, 1094, deutsche Übersetzung HGIÜ II 310.

Handlungsoptionen der Herrscher und Beherrschten 

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sie waren Verhandlungspartner, die den seleukidischen Königen sowohl über loyales oder illoyales Verhalten in Krisenmomenten wie aber auch durch eigene Wohltaten selbstbestimmte Optionen zur Interaktion boten. So ehrte 299 v. Chr. etwa die Stadt Milet die Königin Apame und den Thronfolger Antiochos (I.) für ihr Engagement für Milesier, die im seleukidischen Heer dienten, sowie das Heiligtum in Didyma. Die Ehrungen erhielt Antiochos als präsumtiver Nachfolger seines Vaters „damit auch andere es sich zum Grundsatz machen, sich einzusetzen für das Heiligtum in Didyma und für das Volk der Milesier – in der Erkenntnis, dass die Wohltäter des Heiligtums geehrt werden vom Volk.“13 Das hinderten die Milesier aber nicht daran, 260 v. Chr. auch vom ptolemaischen König Wohltaten anzunehmen. Ptolemaios appellierte daher ausdrücklich in einem Brief an die Stadt, sie möge sich auch in Zukunft ihm gegenüber loyal verhalten, damit er sich ihr weiterhin wohltätig erweise.14 Der mahnende Unterton unterstreicht die Rolle der Städte als Interaktionspartner, die sich selbst gegenüber militärisch überlegenen hellenistischen Königen Handlungsoptionen bewahren wollten. Erkennbar wird das etwa auch in einem inschriftlich überlieferten Brief der seleukidischen Königin Laodike an Iasos in Karien, in dem sie nach einer Darlegung von finanziellen Zuwendungen für Töchter der Stadt betont, dass ihre zukünftige Hilfe für die Stadt ganz wesentlich von deren loyalem Verhalten gegenüber ihrem Bruder und ihrer Familie abhänge.15 Auch diese Ermahnung der Laodike zeigt, dass die Städte für sich Handlungsoptionen in Anspruch nahmen, denen die seleukidischen Herrscher durch Wohltaten und Versprechen versuchten entgegenzuwirken. So hält Ma fest: „Seen at this level, the Hellenistic kings existed merely as a bundle of local commitments, a series of roles assigned by the subjects, an endless and ubiquitous process of exchange and negotiation to achieve acceptance by different constituencies.“16 Um den Untertanen Wohltaten angedeihen und Freunden und Unterstützern Geschenke und Privilegien überreichen zu können, musste der seleukidische König über Ressourcen verfügen, aus denen er verteilte.17 Dies gilt auch für Herrschaftsrechte, die als Privilegien z. B. an Städte gegeben wurden. Solche Privilegien 13

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Die vom Rat der Stadt beschlossenen Ehrungen für Antiochos bestanden neben einer Statue und einer Gründer-Inschrift für Antiochos aus einem ganzen Strauß von Privilegien, die in griechischen Städten als Ehrung vergeben werden konnten: Ehrensitze bei den Dionysien und Didymeia, Speisungen im Prytaneion, Atelie, Sicherheit „in Frieden und Krieg unter Unverletzlichkeit (des Eigentums) und ohne förmliches Abkommen“ sowie Promantie in Didyma: OGIS 213, Übersetzung HGIÜ II 301. Milet I 3, 139, Übersetzung HGIÜ II 331, Text B. OGIS 237, Übersetzung HGIÜ II 460, Text I. Ma 2003, S. 179; vgl. Chrubasik 2016, S. 9. Zur Bedeutung des makedonisch-griechischen Erbes in der Legitimierungsstrategie der Seleukiden vgl. Austin 2003, S. 128–131; Ma 2003, S. 185–192; Kosmin 2014, S. 113–115. Die Kontrolle über die Ressourcen war dabei eine der wesentlichen Aspekte des hellenistischen Herrschertums, vgl. Mileta 2008, S. 104–110.

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Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

konnten natürlich nur vergeben werden, wenn der König über eine ausreichende Territorialkontrolle verfügte, die den Verhandlungspartnern die Umsetzung der Privilegien garantieren konnte. Eine solche Territorialkontrolle erreichten die Seleukiden einerseits durch ihr Heer, in dem neben den regulären Rekruten aus dem eigenen Herrschaftsbereich auch Söldner agierten. Dadurch konnten z. B. auch Spezialisten für bestimmte Kampftechniken oder geographische Gegebenheiten je nach Bedarf angeheuert werden.18 Größere dauerhaft unter Waffen stehende Truppenkontingente standen in Apameia, dem Hauptquartier der Armee, sowie etwa in Antiocheia, Samaria, Kyrrhos, Dura, Beth Sour, Sidon, Gaza und Larissa am Orontes. Außerdem gab es zahlreiche strategisch gelegene Kastelle, die Gebiete und Kommunikationsachsen sicherten.19 Andererseits war das Seleukidenreich von einer komplexen Verwaltungsstruktur durchzogen, die ebenfalls den Herrschaftsanspruch des Königs über seine Territorien und seine Verfügungsgewalt über die dortigen Ressourcen garantierten sollte. Die Spitze der Verwaltung bildete der seleukidische König mit seinem Hof, zu dem neben Familienangehörigen auch die sogenannten Freunde, philoi, des Königs gehörten. Diese schon am makedonischen Hof angelegte Organisation entsprang aus der Tatsache, dass „even god-like kings could not rule alone.“20 Die Freunde des Königs waren dabei die prestigeträchtigste Gruppe im Königreich, aus deren Mitte der König nicht nur seine direkten Ratgeber, sondern auch die wichtigsten Verwaltungsmitarbeiter fand.21 Als Belohnung für geleistete Dienste erhielten loyale Mitglieder der königlichen Administration Landschenkungen, die ihren persönlichen Grundbesitz erweiterten. Gleichzeitig entstand mindestens in den östlichen Teilen des Seleukidischen Reiches wie Babylonien auch in den lokalen Eliten großer Landbesitz, wobei sich die Position der lokalen Eliten durch die Übernahme von Herrschaftsaufgaben für die Zentralmacht verstetigte.22 Diese Entwicklung war grundsätzlich im Interesse der Seleukiden, die damit loyale lokale Akteure an sich banden, denen ebenso viel an der Konservierung der lokalen Verhältnisse lag wie der Zentralmacht. Mittelfristig führte dies aber zu einer Institutionalisierung lokaler Führungspersönlichkeiten mit starker ‚Hausmacht‘ durch ihre Ressourcen und die damit mögliche Patronage, die Engels als „Feudalisierung“ des Seleukidischen Reiches bezeichnet.23 Dem scheinen 18 19

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Sartre 2001, S. 182–183. Sartre 2001, S. 181. Strootman 2014, S. 118. Zum hellenistischen Hof vgl. Weber 1997. Zwischen ihnen herrschte offenkundig auch große Konkurrenz: z. B. Polyb. 16, 22, 8. Egetenmeier 2021, S. 69–83 betont die schwierige Quellenlage zu den Königsfreunden, da diese nur bei Teilhabe an berichteten Ereignissen in den Quellen erscheinen und kein vollständiges Bild entsteht, da etwa die ‚zweite Reihe‘ dieser Freunde nicht genannt wird. Vgl. zu Babylonien Boiy / Mittag 2011, S. 121–122. Vgl. Engels 2011, S. 25.

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die Könige insofern entgegengewirkt zu haben, als ihre Landschenkungen einem städtischen Territorium zugeordnet werden mussten.24 Um die mächtigen Männer zu kontrollieren, etablierten die Könige ab dem 2. Jhd. v. Chr. ein System der Ehrentitel, Hofämter und militärischen Kommandostellen, die eine Hierarchie der Freunde schufen, auch wenn diese im Ideal als gleichrangig betrachtet wurden.25 Durch reale oder fiktive Verwandtschaft, Gastfreundschaftsbeziehungen, Geschenkeaustausch, Einbeziehung in öffentliche Auftritte, Ehrengaben oder Ehrenentzug versuchten die Könige und ihre Freunde Einfluss auf und Kontrolle über den jeweils anderen auszuüben.26 Die intensive Konkurrenz der Freunde miteinander sorgte dafür, dass vor allem die Freunde des vorherigen Herrschers potentielle Unruheherde darstellten, wenn sie sich vom neuen Herrscher nicht ausreichend gewürdigt fühlten.27 Dieses Problem steigerte sich durch die dynastischen Rivalitäten im 2. Jhd. v. Chr., weil mit den dann konkurrierenden zwei Linien der Dynastie entsprechend mehr Personengruppen mit dem Verlust ‚ihres‘ Herrschers konfrontiert waren. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die meisten Usurpatoren im Seleukidischen Reich mit dem Hof verbunden waren, da nur dieser Kreis von Personen im Reich überhaupt genug Einfluss und Ressourcen für die Option Usurpation hatte.28 Mit dem Hof verbunden waren auch die Satrapen, die den regionalen Verwaltungseinheiten des Seleukidischen Reiches vorstanden. Dieses Satrapie-System hatte schon Alexander von den Achaimeniden übernommen und auch die Seleukiden behielten es als oberste Administrationseinheit bei.29 Die Satrapen insbeson-

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OGIS 225: Brief des Antiochos II. an Metrophanes, er hatte Laodike Land mit Haus und Pächtern und deren Häusern verkauft und sie durfte entscheiden, zu welchem Stadtterritorium es gehören sollte; OGIS 223: Briefdossier von Antiochos I. an Ilion, er hatte Aristodikes aus Assos Land geschenkt und er durfte entscheiden, zu welcher Stadt das gehören sollte. Vgl. Egetenmeier 2021, S. 82 und 91–94. Strootman 2014, S. 118–135, 147–184. Zur Herkunft der Freunde aus dem griechischen Kulturraum auch Austin 2003, S. 129. So wechselte etwa Theodotos, der ptolemaische Statthalter von Koilé-Syrien und Phoini­ kien 219 v. Chr. die Seiten und bot Antiochos III. die Übergabe seiner Provinz an, weil er sich am ptolemaischen Königshof nicht ausreichend gewürdigt fühlte: Polyb. 5, 40, 1–4; 61, 4; dazu Weber 1997, S. 29 f. Chrubasik 2016, S. 206–207. Nach App. Syr. 62 hatte das Reich Seleukos’, I. 72 Satrapien, was für Sartre auf eine Aufspaltung größerer achaimenidischer Satrapien hinweist; Strab. 16, 2, 4 belegt für das seleukidische Syrien vier Satrapien mit den Hauptorten Antiocheia am Orontes für Antiochene, Apameia am Orontes für Apamene, Chalkis am Belos für Chalkidike und Cyrrhos für Cyrrhestike; ebenfalls bezeugt er, dass das von den Ptolemaiern eroberte Syrien in vier Satrapien eingeteilt wurde, aber ohne genauere Informationen. Allerdings weist OGIS 230 mit Ptolemaios, Sohn des Thraeas als Satrap von Koilé-Syrien und

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dere im Ostteil des Reiches verfügten über umfangreiche zivile wie militärische Kompetenzen, die sie zu essentiellen Repräsentanten königlicher Macht in ihren Satrapien werden ließen. Die Satrapien waren ihrerseits in kleinere Verwaltungseinheiten  – Hyparchien, Eparchien, Meris oder auch Phylakè  – unterteilt, die jeweils ebenfalls hierarchisch organisierte Amtsträger wie hyparchoi, strategoi und epistatai oder toparchoi hatten.30 Daneben zeigen Dokumente wie die HefzibahInschrift, das Olympiodoros-Dossier aus der Levante oder das Nikanor-Dossier aus Kleinasien, dass es ein dichtes lokales Verwaltungsnetz gab.31 Vermutlich wurde gerade auf diesen Ebenen verstärkt auf die lokalen Führungsschichten zurückgegriffen, weil die Größe des Reiches einen effektiven Ressourcenzugriff nur durch das Delegieren von Aufgaben an eine lokale Ebene möglich machte.32 Damit eröffneten sich für diese lokalen Eliten neue Handlungsoptionen sowohl auf lokaler wie reichsweiter Ebene. Die Seleukiden hatte dabei von Anfang an mit solchen lokalen ‚power-holders‘33 zu tun, die durch militärische Stärke, Androhung von Strafen und Angebot von Geschenken und Privilegien loyal zum Herrscherhaus gehalten werden mussten.34 Wichtig war dabei, dass der König weiterhin die Quelle der wichtigsten Ehren, Privilegien und Belohnungen blieb, um damit seinen Herrschaftsanspruch gegenüber diesen lokalen ‚power-holders‘ verteidigen zu können und ihre Handlungsoptionen einzuschränken.35 Von ähnlicher strategischer Relevanz bei der Herrschaftssicherung waren auch die Städte.36 Seleukos I. betrieb vor allem in Syrien eine aktive Urbanisierungspolitik, indem er sowohl neue Städte anlegen ließ, die dynastische Namen trugen, als auch indigene Städte als poleis bestätigte, die dann die Namen makedonischer oder griechischer Städte erhielten. Bei der Anlage neuer Städte erhielten die Kolonisten Landlose aus dem Königsland und die Städte wurden mit griechischen Institutionen ausgestattet.37 Das Ziel war die strategische Sicherung der neuen Herrschaftsbereiche und ihrer Kommunikationsachsen, die Sichtbarmachung dieser Herrschaft im Raum sowie die Verfügbarkeit einer aus der auch durch den

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Phoinikien auf eine Satrapie des ganzen eroberten Raumes unter Antiochos III. hin, so dass die Einteilung bei Strabon vielleicht erst spät umgesetzt wurde: Sartre 2001, S. 164–168. Plischke 2014, S. 315–316; Capdetrey 2007, S. 248–266. Liste der namentlich bekannten Satrapen und Strategen für Koilé-Syrien und Phoinikien S. 234. Sartre 2001, S. 164–168. Lindsay Adams 2006, S. 45; vgl. auch Taylor 2014, S. 225; Chrubasik 2016, S. 22–25. Siehe auch OGIS 229 . Dieser Begriff wird vor allem von Chrubasik für die lokale Herrschaftsebene geprägt, vgl. Chrubasik 2016, S. 11 ff. Austin 2003, S. 123–124. Vgl. Davies 2006, S. 86–88. Ramsey 2020, S. 260. Baslez et al. 2004, S. 184–189.

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Zuzug griechischer und makedonischer Siedler hervorgehenden Rekrutierungsbasis für das Heer.38 Die dynastischen Namen der Gründungen schufen dabei eine enge Verbindung des neuen Raumgefüges zum seleukidischen Königshaus, das gleichzeitig auch den unbedingten Herrschafts- und Besitzwillen des Königs über diesen Raum demonstrierte.39 Für die Städte des seleukidischen Herrschaftsbereichs bedeutete die direkte Kontrolle durch den seleukidischen König offenbar Tributpflichtigkeit, Garnisonsaufnahme sowie Unterwerfung unter die königlichen Befehle.40 Dabei sollte der Einfluss der Seleukiden auf ihre eigenen Gründungen, gerade etwa in der Tetrapolis, nicht unterschätzt werden, da z. B. auch ein Großteil ihrer Freunde aus diesen Städten stammte.41 Aber es gab für die Städte immer wieder Möglichkeiten, durch Verhandlungen mit dem König, z. B. nach erwiesenen Diensten in Krisenzeiten, Privilegien wie Steuerfreiheit, Garnisonsfreiheit oder ähnliches zu erwirken.42 So scheint etwa Antiochos III. den Städten in Phoinikien lokale Autonomie-Rechte eingeräumt zu haben, zu denen auch das Recht der Prägung royaler Münzen mit einem munizipalen Rückseitenmotiv etwa für Tyros gehörte.43 Anlass könnte hier 38

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Capdetrey 2007, S. 71–72. Vor allem in Kleinasien waren diese territorialen Aneignungsmaßnahmen durch Siedlungen entlang der großen Kommunikationsachsen von Ost nach West konzentriert. Dies geschah mehrheitlich durch die Anlage von Städten, während katoikoi die Kontrolle von sekundären Verkehrsachsen übernahmen. Auch die Sicherung von Grenzregionen scheint dabei durch solche katoikoi geschehen zu sein. Im Großraum Syrien geht Capdetrey davon aus, dass die Mehrheit der hiesigen Militärkolonien Stadtrecht hatte und insbesondere zur Sicherung der Außengrenzen auf Königsland angelegt wurde. Dieses gehörte aber weiter zur königlichen Domäne und die Kolonisten hätten darüber lediglich Verfügungsgewalt: Capdetrey 2007, S. 158–159. Nach Andrade übernahmen die Seleukiden dabei die indigene Bevölkerung eher nicht in ihre Städte bzw. bezogen sie nicht in deren Bürgerrecht mit ein, wohingegen dies in den Territorien des Ptolemaischen Reiches üblich gewesen sei: Vgl. Andrade 2013, S. 42–43, 47–48. Zur Siedlungspolitik der Ptolemaier vgl. Müller 2006, S. 158–160, 166–179. Wright 2012, S. 22 betont dagegen, dass die Seleukiden durchaus auch die indigene Bevölkerung in ihre Kolonien aufnahmen, aber „on disparate social levels“. Vgl. Kosmin 2014, S. 221. Chandezon 2004, S. 132–133, 138–142; vgl. auch Migeotte 2004, S. 213–218. Baslez et al. 2004, S. 184–189. Capdetrey 2007, S. 195–224; Engels 2013, S. 81–82. Aber mit Hoover ist das nicht automatisch ein Zeichen für eine volle Autonomie, denn: „The royal portrait on the obverse and the inscription on the reverse unambiguously indicated that the coin itself belonged to the king and made it clear that the Tyrians expressed their identity on it only through his dispensation.“ Auch das Erscheinen phoinikischer Buchstaben auf diesen Münzen könnte Indiz eines privilegierten Status sein und offenbar wurden diese Arten von Privilegien nur den phoinikischen Städten gegeben. Vielleicht ist das Ausdruck einer besonderen Bedeutung, die die Städte für die Seleukiden hatten, etwa als nach dem Frieden von Apameia 188 v. Chr. die seleukidische Marine deutlich reduziert werden musste. In der zweiten Hälfte des 2. Jhd. v. Chr.

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neben der Rolle der phoinikischen Flotten für das seleukidische Heersaufgebot vor allem auch die Gewinnung der Loyalität der gerade von den Ptolemaiern eroberten Städte gewesen sein.44 Die epigraphisch bezeugten Briefwechsel von Städten mit dem König haben in der Forschung allerdings zu einer Debatte darüber geführt, welche Art von ‚Freiheit‘ das gerne auf Münzen betonte Privileg der autonomia tatsächlich beinhaltete.45 Diese Diskussion wird etwa um Arados geführt, das Münzen mit einer eigenen Stadtära, die 259/8 v. Chr. zu zählen begann, prägte. Duyrat möchte hier von einer symmachia zwischen Arados und den Seleukiden ausgehen, die sich dadurch die Einbindung der aradischen Flotte in ihre Feldzüge sicherten. Als symmachoi wären die Aradier nicht zum Dienst im seleukidischen Heer verpflichtet gewesen, sondern zur Bereitstellung eigener Kontingente, womit sie ebenfalls eigene Truppen unterhalten durften und mussten. Durch diese Möglichkeit der eigenen Truppen gelang es Arados zwischen 151 und 83 v. Chr., weite Teile auch der Küste gegenüber der Inselstadt unter Kontrolle zu bringen.46 Inwiefern gerade die Münzprägung Zeichen einer Autonomie oder auch nur Unabhängigkeitsbestrebung war, ist umstritten. Unter Antiochos IV. prägten neunzehn Städte im Seleukidischen Reich Bronzemünzen mit dem königlichen

erhielten einige Städte ein Autonomie-Privileg, so entfernte Tyros nach dem Tod des Demetrios II. 126/5 v. Chr. das königliche Porträt von den Münzen, Sidon verfuhr nach dem Erhalt der Autonomie 111/110 v. Chr. ebenso und auch Askalon erhielt 103 v. Chr. die Autonomie: Hoover 2004, S. 487–496. 44 Wright betont, dass vor allem solche Städte Privilegien erhielten, die zuvor unter ptolemaischer Herrschaft gestanden hatten und die entsprechend mit diesen Privilegien loyal gehalten werden sollten: Wright 2005, S. 79. 45 Vgl. Debord 2003, S. 302; Baslez et al. 2004, S. 48: Entsprechend wird diskutiert, wie stark der Zugriff des Königs auf eine autonome Stadt eingeschränkt war – und auch, inwiefern die auf den Münzen angegebenen Privilegien sowie die Prägungen für bestimmte Herrscher Rückschlüsse auf politische Allianzen der Städte zuließen: Vgl. Chrubasik 2016, S. 136–137. Jüngst betont Egetenmeier 2021, S. 51–55, dass Freiheit und Autonomie vor allem Begriffe der Kommunikation und Aushandlung zwischen König und Stadt waren, mit denen Städte Selbstbestimmung und Privilegien einfordern und Könige diese gewähren konnten. Freiheits- und Autonomieprivilegien sind dabei selten, aber ein anderes Privileg wurde offenbar häufiger vergeben, nämlich die Asylie: Hierai kai asyloi werden Tyros 141/40, Seleukeia 139/8, Ptolemaïs 126/5, Sidon 122/1, Askalon 112/1, Laodikeia in Phoinikien / Berytos 110/9, Tripolis zwischen 105 und 95, Gaza 103/2, Damaskos vielleicht zwischen 96 und 88, Antiocheia 93, Larissa am Orontes 84/5, Laodikeia am Meer 81/80, Apameia 76/5 v. Chr., spätere Belege zeigen dieses Privileg dann auch in Gadara, Abila in der Dekapolis, Kapitolias, Antiocheia bei Hippos, Skythopolis, Gerasa, Dora, Samosata, Nikopolis, Dura-Europos, Sepphoris, Paneion, vielleicht auch Joppe und Byblos, außerdem Baitokaike. Vgl. Sartre 2001, S. 176–178, 379–380. 46 Duyrat 2005, S. 236, 255–256.

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Porträt auf der einen und einer ‚städtischen‘ Legende sowie ‚städtischen‘ Motiven auf der anderen Seite.47 Diese Münzen werden einerseits als Zeichen einer re­zi­ proken Akkulturation gesehen, bei der indigene Vorstellungen Eingang in die ‚Reichskultur‘ fanden48, andererseits als aktives „civic self-fashioning“ der Städte verstanden, die „the urban community visible and accessible to the imagination“ machten. Damit wären sie Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins der Städte gegenüber einem schwachen König.49 Dagegen hat etwa Chrubasik betont, die Prägung solcher (quasi)munizipaler Münzen seien „privileges of local power“, die keine Abspaltung von der seleukidischen Herrschaft bedeutet hätten. Im Gegenteil hätten sie eine administrative und vielleicht repräsentative Funktion in peripheren Regionen des Reiches gehabt, in denen der König nicht präsent hätte sein können.50 Auch Hoover hat jüngst noch einmal die Rolle munizipaler Münzstätten für die seleukidische Reichsadministration betont, wobei diese in seinen Augen je nach Bedarf munizipale oder königliche Münzen prägen konnten, ohne dass dafür eine vollständige königliche Typologie und Legende immer notwendig gewesen sei.51 Diese Deutung der munizipalen und vor allem quasi-munizipalen Münzen lässt sich auch mit Überlegungen von Meyer verbinden, die auf die geographische Verteilung der neunzehn unter Antiochos IV. mit der quasi-munizipalen Prägung beginnenden Städte hinweist, die in Syrien, dem benachbarten Ostkilikien, Obermesopotamien sowie den gerade den Ptolemaiern abgenommenen Regionen Phoinikien und der Küste von Koilé-Syrien lagen. Daher gehörten in ihren Augen diese Prägungen und die dafür verliehenen Privilegien in den Kontext des Konfliktes mit den Ptolemaiern.52 Die von ihr aufgeführten Regionen gehören aber nicht zu den Randgebieten des Seleukidischen Reiches, sondern müssen im Gegenteil als dessen eigentlicher Kernbereich gelten. Damit wären die (quasi-)munizipalen Münzen ein weiteres Element der Aushandlungsprozesse zwischen seleukidischen Herrschern und beherrschten Städten, mit denen einerseits Leistungen für die seleukidischen Herrscher erbracht und andererseits Handlungsraum zur Eigendarstellung für die diese Leistungen erbringenden lokalen Akteure geschaffen wurden. Weitere königliche Privilegien konnten auch Bürgergemeinden in kleineren Orten erhalten, wenn sie entsprechende Dienste geleistet hatten: Josephos überliefert eine Petition der Sidonier in Sechem an Antiochos IV., nicht wie die Judaier behandelt zu werden, was dieser geattete, weil sie nach griechischen Traditionen leben würden.53 Und die Sidonier in Jamnia-am-Meer erhielten auf Antrag hin 47

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Meyer 2020, S. 525–527. Ehling 2008, S. 104–109. Kosmin 2014., S. 239–242. Chrubasik 2016, S. 42. Hoover 2020, S. 773. Meyer 2020, S. 528–529. Jos. Ant.Jud. 12, 5, 258.

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163 v. Chr. offenbar Steuerfreiheit von Antiochos V., weil sie ihm und seinem Großvater Antiochos III. Flottendienste geleistet hatten.54 Damit erschlossen sich für den seleukidischen König neue Adressatengruppen für seine Wohltaten und Privilegien, während sich gleichzeitig neue Handlungsoptionen auch für kleinere Gemeinschaften und Einheiten ergaben. Privilegien ließen sich dabei besonders gut in Zeiten erwirken, in denen mehrere Prätendenten den seleukidischen Thron beanspruchten und jeweils um Unterstützung und Absicherung durch Städte und Gemeinwesen buhlen mussten. Das Seleukidische Reich bestand dabei aber nicht nur aus Städten. Ein Schreiben des Seleukos II. von 240 v. Chr. aus Smyrna nennt als Adressaten, die die dem lokalen Heiligtum verliehene Asylie beachten sollten, basileis, dynastes, poleis, ethnè.55 Capdetrey möchte zwar betonen, dass den Seleukiden eine Ideologie der Herrschaft über einen Vielvölkerstaat, wie dies noch die Achaimeniden praktiziert hatten, gefehlt habe, trotzdem werden hier aber die im griechischen Verständnis möglichen Organisationsformen politischer Gemeinschaften aufgezählt, die entsprechend auch im Seleukidischen Reich zu finden gewesen sein werden. In diesem Sinne werden für Capdetrey auch ethnè als Kommunikationsempfänger wahrgenommen, also als Einheiten, die auf vielerlei Weise mit ihren Nachbarn und dem Reich verknüpft waren, aber doch klar erkennbare Distinktionsmerkmale gehabt hätten. Sie hätten gerade an den Randgebieten des Reiches und in bergigen Regionen gelegen, in denen ein militärischer Zugriff schwierig war, oder in Räumen mit starker kultureller Eigenständigkeit wie in Judaia. In diesen Kontext ordnet Capdetrey auch die indigenen Gemeinschaften ein, auf die der Fokus der vorliegenden Arbeit gerichtet sein sollen. Für ihn sind etwa Nabataier und Ituraier arabische Nomaden oder Halbnomaden, die sich der Kontrolle der hellenistischen Zentralreiche entziehen konnten und vor allem durch eine Rolle im Handel mit wertvollen Produkten reich wurden.56 Gerade hier ist aber noch einmal auf Strootman zu verweisen, der das Seleukidenreich als Hegemonialreich versteht, welches neben einem direkt von den jeweiligen Königen beherrschten Raum auch Kontrolle über eine Reihe von lokalen Eigenherrschaften ausübte.57 Er verweist darauf, dass die Mehrzahl der lokalen Dynastien des hellenistischen Ostens auch erst in der hellenistischen Zeit in Erscheinung trat – und zwar als direkte Folge

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SEG 41, 1556, dazu B. Isaac 1998, S. 4–8. OGIS 229. 56 Sie alle mussten aber Abgaben zahlen und waren zur Heeresfolge verpflichtet, die Rekrutierung erfolgte wohl auch auf Basis der ethnè. Gerade die arabischen Nomaden konnten hier Hilfskontingente beisteuern, wie ein Zabdibel für Antiochos III. bei der Schlacht von Raphia: Capdetrey 2007, S. 91–93, 96–112. Die Juden sind nur das am besten dokumentierte Beispiel, es galt sicher auch für andere wie die Samarier, Idumaier etc. 57 Strootman 2020, S. 140. 55

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hellenistischer Herrschaftsausübung.58 Es wird Aufgabe der folgenden Kapitel sein, die Einschätzungen von Capdetrey und Strootman für die Ituraier und Emesener zu diskutieren. Dass der König trotz aller Privilegien den letztendlichen Zugriff auf seine Territorien beanspruchte, wird vor allem bei Führungswechseln an der Spitze dieser Gemeinwesen deutlich. Neben der bekannten Geschichte um die Hohepriester Jason und Menelaos in Jerusalem unter Antiochos III.59, zeigt sich dies etwa auch im Fall des Demetrios Soter, der in Kappadokien Ariarthes durch seinen Bruder Olophernes ablösen ließ, nachdem dieser ihm 1000 Talente gezahlt hatte.60 Es war also der König, der die Führer der Gemeinschaft bestätigte, ernannte oder austauschte und folglich seinen Herrschaftsanspruch über sie sichtbar machte. Um diesen Anspruch verteidigen zu können, musste der seleukidische König derjenige im Reich bleiben, der am meisten zu verteilen hatte, auch und vor allem auf materieller Ebene. Eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle für den König waren (erfolgreiche) Kriegszüge, die zum Beutemachen genutzt wurden.61 Die seleukidischen Truppen bestanden dabei nach Wright zu 50 bis 60 % aus „the Hellenized elements of the kingdom“, womit Soldaten aus den griechischen Städten und Söldner gemeint sein müssen. Die übrigen Kräfte wurden aus „non-Greek national contingents“, also den anderen Gemeinschaften im Reich, aufgeboten, welche in Krisenzeiten bis zu 70 % des Heeresaufgebotes ausmachen konnten.62 Die ständigen militärischen Herausforderungen an das Seleukidische Reich und die entsprechend häufigen Feldzüge der Könige hatten zur Folge, dass ihr Reich von einer permanenten Mobilisierung der männlichen Bevölkerung geprägt war. Dies muss einerseits zu einer Institutionalisierung von Mobilisierungsstrukturen geführt haben, die andererseits den dafür vor Ort Verantwortlichen die Möglichkeit zur Etablierung einer Prominenzrolle und zur umfangreichen Vernetzung in ihrem Zuständigkeitsbereich gab. Mit der Zunahme der militärischen Auseinandersetzungen im Zuge der dynastischen Streitigkeiten erlangten diese Verantwortlichen folglich ebenfalls wachsende Bedeutung, denn Krieg war das Mittel der Wahl zur Durchsetzung der jeweiligen Interessen. Je nach Organisationsform der Territorialeinheiten als Städte oder Gemeinschaften werden entsprechend die städtischen Magistrate oder gemeinschaftliche Amtsträger für die Mobilisierung 58

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Strootman 2020, S. 142: „It seems, however, that most of the lesser dynasties of the Hellenistic Near East came into being in the Hellenistic Period: during the upheavals of the wars of Alexander and the Diadochs (e.g. Bithynia, Pontos, Atropatene), in the context of Seleucid imperialism (e.g. Kappadokia, Sophene, Adiabene, Baktria, Parthia, Persis, Judea, Kommagene), or in the wake of Seleukid collapse in the 140s and 130s (Elymais, Osrhoene, Charakene, Emesa, etc.).“ Schäfer 2010, S. 46; Seeman 2013, S. 85; Honigman 2014, S. 380–404. App. Syr. 8, 47. Baker 2003, S. 376. Wright 2012, S. 20.

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der geforderten Kontingente zuständig gewesen sein, deren Führungsanspruch innerhalb der Gemeinschaft so gefestigt wurde. Insbesondere musste der seleukidische König aber massiv Zugriff auf die ökonomischen Ressourcen seines Reiches nehmen, Taylor nennt die seleukidische Herrschaft daher sogar „predatory rule“.63 Diese Ressourcen machte der König durch Landbesitz, Monopole und Abgaben für sich nutzbar. Die hellenistischen Könige erbten von den Achaimeniden große Krondomänen und bestimmte Monopole.64 Offenbar wurden sorgfältig Archive darüber unterhalten, welche Besitzungen dem König gehörten und wo die Grenzen der verschiedenen ihm unterworfenen Gemeinwesen lagen, um auf deren Grundlage dann Informationen über die Abgabenpflichten zu erhalten.65 Alle Gemeinschaften im Reich hatten den seleukidischen Königen außerdem Steuern und Truppen zu liefern.66 Je kleiner die von den Seleukiden gehaltenen Territorien wurden, desto stärker mussten die verbliebenen Gebiete genutzt werden – und dies bezog sich einerseits auf die Landwirtschaft zur Versorgung von Bevölkerung und Truppen und andererseits auf die Bereitstellung von Land zur Ansiedlung von demobilisierten Truppen. Auch hier wird die Detailorganisation der lokalen Verwaltungsebene überlassen worden sein. Für die ptolemaische Verwaltung wird dies am Beispiel der Tubiaden deutlich, denen nicht nur das Einziehen der Steuern, sondern auch die Administration einer katoikia von Soldaten oblag.67 Besonders relevant an Tubias scheint seine Funktion als eponymer Offizier für die Soldaten dieser katoikia, weil diese Funktion im Ptolemaierreich offenbar nur hochrangigen Mitgliedern der ptolemaischen Elite mit „engstem Kontakt zum Königshaus“ gegeben wurde.68 Für das Seleukidische Reich verwendet Capdetrey den Begriff der „colonie-katoikia“ für „communautés qui, tout en n’ayant pas le statue de cité, bénéficiaient d’une certaine identité face 63

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Taylor 2014, S. 224. Außerdem gehörten zu ihren Ressourcen die Paradiese, bei denen es sich ursprünglich um üppige Gartenanlagen zur Repräsentation der idealen Herrschaft des persischen Großkönigs handelte. In hellenistischer Zeit wurden damit dann große landwirtschaftliche Domänen bezeichnet, die teils direkt dem König unterstanden, teils auch an seine philoi und andere hohe Verwaltungsmitarbeiter ausgegeben werden konnten Capdetrey 2007, S. 140–145. Minen und Steinbrüche sowie die Balsamplantagen in Jericho, vielleicht der Asphalt des Toten Meeres und das Holz bzw. die Wälder des Libanon gehörten zu den königlichen Monopolen: Sartre 2001, S. 179–180; Capdetrey 2007, S. 140. Chandezon 2004, S. 142–144. Das an Freunde oder andere ausgegebene Land behielt im Grundsatz seine Organisationsform bei, aber die Einkünfte gingen lebenslang und manchmal sogar erblich in der Familie an die Beschenkten über: Baslez et al. 2004, S. 184–189. Ein mögliches Einfordern der Abgaben in Geld konnte die Metallmenge erhöhen, die dem König zur Verfügung stand: Aphergis 2004, S. 303. Zu der Einforderung von Einkünften vgl. 1 Makk. 15, 28–31. Vgl. Schwartz 2001, S. 27–28. Pfeiffer 2010, S. 245–255, besonders S. 251.

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au pouvoir royal.“ Diese Siedlungsformen wurden gemeinsam mit den von den Seleukiden gegründeten Städten zur strategischen Gebietssicherung angelegt als „un second niveau d’occupation de l’espace, fondé sur la densification de la présence séleucide et sur le contrôle de certains axes intérieurs.“69 Sie dienten aber ebenso der landwirtschaftlichen Inwertsetzung des Territoriums und ihre Anlage wie Verwaltung oblag der lokalen Administrationsebene. Als solche Siedlungen versteht Capdetrey etwa die für das Territorium von Apameia am Orontes belegten Orte Cassiana, Megara und Apollonia.70 Um die gelungene Ressourcenkontrolle und damit auch den Erfolg der Herrschaft zu beweisen, zelebrierten die seleukidischen Könige höfischen Luxus als zentrales Element ihrer Selbstdarstellung. Vor allem unter Antiochos IV. wurde diese Zurschaustellung von Luxus als Mittel der royalen Selbstdarstellung in der großen Prozession von Daphne nach dem Tag von Eleusis 168 v. Chr. sichtbar: Nach der beschämenden Abfertigung durch den römischen Gesandten C. Popilius Laenas und in der Vorbereitungsphase seiner anabasis sollte die große Prozession so wie andere von den Seleukiden zu Ehren Apollons in Daphne organisierte Feierlichkeiten und Prozessionen eine „imago mundi idéale séleucide“ darstellen und damit den universalen Herrschaftsanspruch der Seleukiden untermauern.71 Dass diese Intention dabei von den erhaltenen Quellen nicht immer honoriert wurde, zeigt etwa der Bericht des Polybios darüber: Ἐπιτελεσθέντων δὲ τῶν ἀγώνων καὶ μονομαχιῶν καὶ κυνηγεσίων κατὰ τριάκονθ᾿ ἡμέρας, ἐν αἷς τὰς θέας συνετέλει, πέντε μὲν τὰς πρώτας ἐν τῷ γυμνασίῳ πάντες ἐκ χρυσῶν ὁλκείων ἠλείφοντο κροκίνῳ μύρῳ. 2ἦν δὲ ταῦτα πεντεκαίδεκα, καὶ κινναμωμίνου τὰ ἴσα καὶ ναρδίνου. παραπλησίως δὲ καὶ ταῖς ἑξῆς εἰσεφέρετο τήλινον, ἀμαράκινον, ἴρινον, πάντα διαφέροντο 3ταῖς εὐωδίαις. ἔστρωτο δὲ εἰς εὐωχίαν ποτὲ μὲν χίλια τρίκλινα, ποτὲ δὲ χίλια πεντακόσια μετὰ τῆς πολυτελεστάτης διασκευῆς. Ὁ δὲ χειρισμὸς ἐγίνετο τῶν πραγμάτων δι᾿ αὐτοῦ τοῦ βασιλέως· […] ταῦτα δὲ πάντα συνετελέσθη ἐξ ὧν τὰ μὲν ἐκ τῆς Αἰγύπτου ἐνοσφίσατο,

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„Während der sportlichen Spiele, der Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen wurden in den ersten fünf der dreißig Tage, in denen der König diese Schaustellungen gab, im Gymnasion alle mit Krokosöl aus goldenen Gefäßen gesalbt, fünfzehn an der Zahl, und ebenso groß war die der Gefäße mit Zimt- und Nardenöl. Ebenso wurden in den folgenden Tagen Telis-, Amarakon- und Irissalbe hereingebracht, alles von feinstem Wohlgeruch. Zum Mahl waren bald tausend, bald fünfzehnhundert Speiselager aufgestellt, jedes mit kostbarem Tafelschmuck. Die Leitung der Festlichkeiten hatte

Capdetrey 2007, S. 160–161. Capdetrey 2007, S. 162 zu Strab. 16, 2, 10. 71 Iossif 2011, S. 125–134. Beschreibung bei Polyb. 30, 25–26. 70

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παρασπονδήσας τὸν Φιλομήτορα βασιλέα παιδίσκον ὄντα, δὲ καὶ τῶν φίλων συμβαλλομένων. ἱεροσυλήκει δὲ καὶ τὰ πλεῖστα τῶν ἱερῶν.

der König selbst. […] Dies alles wurde teils von dem Geld bestritten, das er sich in Ägypten angeeignet hatte, als er vertragsbrüchig König Ptolemaios Philometor, der noch ein Kind war, überfiel, teils aus den Mitteln, die seine Freunde zusammenschossen. Er hatte aber auch die meisten Tempel gründlich ausgeplündert.“72

Die als Bestätigung und Sichtbarmachung der vollen Ressourcenverfügung des Königs gemeinte Veranstaltung wird hier von Polybios als persönliche Übertreibung des Königs und Resultat der unrechtmäßigen Aneignung fremder Ressourcen abgewertet, die königliche Botschaft also in ihr Gegenteil verkehrt. Die große Bedeutung, die die Seleukiden dem Luxus in ihrer Selbstdarstellung zuwiesen, wird etwa auch an dem Usurpator Diodotos Tryphon deutlich, dessen Name genau auf diesen Luxus, die tryphé, anspielte.73 Dieser Luxus wurde aber von vielen griechischen Autoren wie Polybios oder Poseidonios und in seiner Folge Diodor und Strabon moralisch negativ als mitursächlich für den Untergang der Dynastie gewertet. Die Abwertung einer eigentlich als Tugend gedachten Vorstellung gehörte damit in den literarischen Topos von „decadence and decline“, der sich auch gerade in römischer Zeit großer Beliebtheit erfreute.74

2.2 Nutzung und Schaffung von Optionen Der Topos von „decadence and decline“ speist sich dabei einerseits aus der Betonung von Luxus als Beweis des Herrschaftserfolges durch die seleukidischen Könige und andererseits aus der Tatsache, dass das Seleukidische Reich seit seiner Etablierung durch Seleukos I. Nikator kontinuierlich mit militärischen Bedrohungen umgehen musste: Die Rivalitäten mit den Ptolemaiern und anderen Nachbarreichen, die wachsende Einflussnahme der Römer, interne Revolten und Abfallbewegungen sowie innerdynastische Auseinandersetzungen bedingten und verstärkten sich dabei gegenseitig.75 Die drei großen Konfliktregionen Kleinasien, Syrien und die Ostgrenze des Reiches waren alle von in diese Konfliktfelder eingeschriebenen Autonomiebestrebungen und Abfallbewegungen betroffen, bei denen sich von Anfang an zwei Muster zeigten: Einerseits militärische Opposition gegen die seleu72

Polyb. 30, 26, 5–6. Übersetzung von Drexler. Chrubasik 2016, S. 156. 74 Vgl. Engels 2011, S. 184. 75 Vgl. Taylor 2014, S. 241. 73

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kidische Herrschaft, andererseits Aufgabe von Herrschaftsansprüchen im Gegenzug für insbesondere militärische Hilfe. Die Möglichkeiten der seleukidischen Könige, Loyalität und Gehorsam von ihren Verhandlungspartnern zu erzwingen, waren dabei durch die langen Kommunikationswege und die endlichen militärischen wie ökonomischen Ressourcen begrenzt76, womit diesen Verhandlungspartnern verschiedene eigene Handlungsoptionen entstanden. Dies wird schon unter dem Sohn und Nachfolger des Seleukos, Antiochos I., deutlich. In der Folge der Auseinandersetzungen des ersten Syrischen Krieges 272–271 v. Chr., in dem Ptolemaios II. und Antiochos I. um Territorien in Kleinasien und Syrien stritten, konnten sich in Kleinasien die Galater zunächst als Plünderer festsetzen. Antiochos I. wies ihnen nach einem Sieg über sie 268 v. Chr. Siedlungsgebiete zu, aus denen heraus sie in den kommenden Konflikten aufgrund ihrer militärischen Leistungsfähigkeit fortschreitende Unabhängigkeit erlangen konnten.77 An der Ostgrenze des Reiches etablierten derweil die Arsakiden in Nord-Parthien 248/7 v. Chr. die arsakidische oder parthische Ära als Zeichen des Beginns ihrer Eigenherrschaft unter Arsakes I. Dieser versuchte zwischen 248/7 und 245 v. Chr., Margiana einzunehmen, wurde davon aber durch den seleukidischen Satrapen Diodotos abgehalten. Entweder aufgrund der Bedrohungslage durch die Arsakiden, auf die Antiochos II. aufgrund des zweiten Syrischen Krieges mit den Ptolemaiern nicht angemessen reagieren konnte, oder aber als Folge seines Erfolges rebellierte der Satrap Diodotos und auch der Satrap von Parthien, Andragoras. Diodotos gründete das sog. Graeko-Baktrische Reich, das unter Antiochos III. noch einmal für kurze Zeit nominell zum Seleukidischen Reich gehören sollte.78 Polybios berichtet von einer wachsenden nomadischen Bedrohung, die bei der Belagerung von Baktra durch Antiochos III. 206 v. Chr. als Grund für ein Abkommen mit Euthydemos, dem dann aktuellen Herrscher des Graeko-Baktrischen Reiches, und einer nominellen Anerkennung der seleukidischen Herrschaft angegeben wird. Dies könnte allerdings auch auf eine Bedrohung durch skythische Söldner hinweisen. Auch eine konstruierte Bedrohung zur Rechtfertigung eines politisch opportunen, aber propagandistisch fragwürdigen Bündnisses kommt in Betracht.79 In der Folge entwickelten sich auch Bithynien, Pontos, Pergamon und Kappadokien in Kleinasien zu zunehmend eigenständigen Gebieten, deren Anführer – teils durch Ehen mit Töchtern der Seleukiden – weiter an das Seleukidische Reich angebunden 76

Vgl. dazu Lindsay Adams 2006, S. 43. Vgl. Strobel 2009, S. 117–119. 78 Lindsay Adams 2007, S. 47–48. 79 Polyb. 11, 34, 1–14; vgl. Mairs 2014, S. 148–150. Bei Polybios ist es zunächst Euthy­ demos, der diese Bedrohung als Argument für ein Bündnis ins Feld führt. Auch dies spricht dafür, dass hier eine politische Argumentation zur Erleichterung der Anerkennung einer usurpierten Stellung vorgebracht wird. 77

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blieben.80 Diese Eheverbindungen sind dabei sicher im Sinne einer gegenseitigen Anerkennung der jeweiligen Position zwischen seleukidischem König und lokalen Dynasten zu verstehen.81 Die Überlassung von Herrschaftsaufgaben an lokale Dynasten war auch nötig, weil die Kräfte der Seleukiden wieder in einem anderen Konfliktfeld gebunden waren: Beim Tod Antiochos’ II. stritten zunächst seine Ehefrauen Laodike und Berenike um die Nachfolge ihrer Söhne, wobei Berenikes Seite von ihrem Bruder Ptolemaios III., der inzwischen auf Ptolemaios II. gefolgt war, unterstützt wurde. Nach ihrer Ermordung gelang es Ptolemaios III., weite Teile Syriens einzunehmen. Auf diesen dritten Syrischen Krieg, oder Laodike-Krieg, folgte ein Machtkampf zwischen Laodikes Söhnen Seleukos II. und Antiochos Hierax.82 Dieser Konflikt führte zum Erstarken des Pergamenischen Reiches in Kleinasien unter Attalos, der nach einem Sieg über Antiochos Hierax 238 v. Chr. den Königstitel annahm.83 Auch wenn sich Seleukos II. 227 v. Chr. gegen Antiochos Hierax durchsetzen konnte, hatte seine erste Niederlage in Ankyra 239 v. Chr. wohl den entscheidenden Auslöser für eine Invasion des Arsakes nach Parthien geboten.84 Beim Tod des Seleukos II. 226 v. Chr. befand sich das seleukidische Königtum also an vielen Fronten in der Defensive. Sein Sohn und Nachfolger Seleukos III. wurde bereits 222 v. Chr. ermordet, ohne diese Situation nennenswert verändert zu haben. Insbesondere der Verlust der wichtigen mittelmeerischen Operationsbasen wie Seleukeia Pieria an die Ptolemaier bedeutete für die Seleukiden einen enormen Prestigeverlust. So wendete sich Seleukos’ Bruder und Nachfolger Antiochos III. auch zunächst gegen die ptolemaischen Eroberungen in Syrien und konnte etwa Seleukeia Pieria 219 zurückgewinnen. In diesem vierten Syrischen Krieg nahm Antiochos III. erfolgreich die weiteren ptolemaischen Besitzungen in Syrien ein, der ptolemaische Statthalter trat auf seine Seite über. Überraschend gelang es dann jedoch Ptolemaios IV. bei Raphia eine Entscheidungsschlacht zu erzwingen und deutlich zu gewinnen. Im Friedensvertrag blieb Seleukeia Pieria in seleukidischer Hand, auch wenn Mittelsyrien wieder verloren ging.85 Antiochos III. hatte sich allerdings auch mit einer Reihe weiterer Probleme zu befassen: Schon zu Beginn seiner Herrschaft hatte der Satrap von Mesopotamien, Molon, revoltiert und konnte erst durch einen persönlichen Feldzug des Königs 221 v. Chr. besiegt werden. Ebenfalls abgefallen war sein Vetter und Vizekönig von Kleinasien, Achaios, dessen Soldaten allerdings den Kampf gegen Antiochos III. ablehnten. Um ihn zu besiegen, schmiedete Antiochos III. eine Allianz mit dem 80 81

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Grainger 2010, S. 171–172. Vgl. Strootman 2020, S. 144. Baslez et al. 2004, S. 194. Chrubasik 2016, S. 98–100. Lerner 1999, S. 29–31; Ager 2003, S. 45. Vgl. Baslez et al. 2004, S. 194–195.

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Dynasten von Pergamon, dessen Stellung damit weiter akzeptiert wurde. 209 v. Chr. gelang Antiochos III. die Unterwerfung Armeniens, in der Folge drang er in das von den Arsakiden kontrollierte Territorium ein, mit dessen König er einen Friedensvertrag schloss, der ebenfalls dessen Position faktisch anerkannte. Er zog nach Baktrien, mit dessen König Euthydemos I. er 206 v. Chr. Frieden schloss, bevor er weiter nach Indien gelangte und dort auch mit einem indischen König einen Vertrag schließen konnte. Als ihm dann auch noch im fünften Syrischen Krieg die Eroberung ganz Syriens mit Judaia und Palaistina durch den Sieg in der Schlacht am Paneion 198 v. Chr. gegen Ptolemaios V. gelang, hatte er die ursprünglich von Seleukos I. kontrollierten Territorien so gut wie wiederhergestellt.86 Aber die Vorzeichen waren nun andere: Hatte Seleukos I. diese Territorien noch direkt beherrscht, lagen sie nun vielfach in der Hand lokaler Kräfte, die die Anerkennung ihrer Position in der Folge zu einer weiteren Verfestigung ihrer Eigenständigkeit nutzen. Antiochos III. wandte sich erneut nach Kleinasien, wo er in die Konflikte der Griechen mit den Römern hineingezogen wurde. Diese führten zu einem direkten Krieg zwischen Rom und Antiochos III., der in der Schlacht von Magnesia 190 v. Chr. für Antiochos III. verloren ging. Im Frieden von Apameia 188 v. Chr. musste Antiochos III. harte Bedingungen akzeptieren – außer Kilikien verlor er alle Territorien in Kleinasien, er durfte dort keine Außenpolitik mehr betreiben, seine Flotte musste auf 10 Schiffe reduziert werden und wurde in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt, Kriegselefanten waren ihm verboten und innerhalb von 12 Jahren sollten 15.000 Talente Silber an Reparationen gezahlt werden. Bei der Plünderung eines Tempels in der Elymaïs wurde Antiochos III. dann 187 v. Chr. von der aufgebrachten Menge erschlagen.87 Gerade dieses Ende zeigt, wie stark der Vertrag von Apameia die Handlungsoptionen des seleukidischen Königs insbesondere auch in Bezug auf seine Ressourcenverfügung eingeschränkt hatte. Schon 193 v. Chr. hatte er jedoch seine Tochter Kleopatra als Ehefrau an Ptolemaios V. gegeben und ihr als Mitgift die Einkünfte aus den ehemaligen ptolemaischen Besitzungen in Syrien geschenkt. Nach dem Tod des Ptolemaios V. übernahm Kleopatra die Regentschaft für ihre drei Kinder, bis nach ihrem Tod 176 v. Chr. die Vormunde des Ptolemaios VI. sich wieder gegen die Seleukiden wandten. Hier war nach dem Tod des Antiochos III. zunächst sein Sohn Seleukos IV. König geworden, dem es insbesondere um die Restituierung der finanziellen Möglichkeiten des Reiches gehen musste. Nach seiner Ermordung 175 v. Chr. gelangte sein Bruder Antiochos IV. auf den Thron, da Seleukos’ Sohn Demetrios als Geisel in Rom war. Zunächst gerierte er sich als Vormund für seinen Neffen und heiratete dessen Mutter. Nach der Ausschaltung dieses Neffen konnte Antiochos 173 v. Chr. einen Freundschaftsvertrag mit Rom aushandeln, wobei ihm sicher die 86

87

Vgl. Heinen 2008, S. 433–440. Vgl. Derow 2003, S. 63–65.

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Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

Kontakte, die er während seiner eigenen 10jährigen Geiselzeit in Rom geknüpft hatte, hilfreich waren. Mit diesem Vertrag löste Antiochos die noch ausstehenden Reparationen ab. Kurz darauf begannen die Vormunde des ptolemaischen Königs mit einer Invasion Syriens, dem sechsten Syrischen Krieg, mit dem sie offenbar die verlorenen Gebiete zurückerobern wollten. Schon in Pelusion konnte Antiochos IV. das gegnerische Heer stellen und besiegen, in der Folge marschierte er in Ägypten ein und ließ sich dort als Vormund seines Neffen zum Pharao krönen. Weitere Aktivitäten in Ägypten wurden durch den sog. Tag von Eleusis verhindert, an dem ihm die römischen Gesandten unmissverständlich die Grenzen seiner Handlungsfreiheit aufzeigten. Um eine militärische Konfrontation mit Rom zu vermeiden, zog Antiochos IV. aus Ägypten ab. In der Folge führte er ein Heer in die östlichen Satrapien, um dort die von Antiochos III. restituierte seleukidische Herrschaft zu festigen. Auch er starb 164 v. Chr. auf dem Rückweg von diesem Zug bei dem Zugriff auf einen Tempel in der Elymaïs.88 Vor diesem Hintergrund war es im Jahr 167 v. Chr. in Judaia über Neuregelungen des jüdischen Kultes und Zugriffsrechte des seleukidischen Königs auf die Ressourcen des Tempels zum Streit gekommen, der in der Revolte des Judas Makkabaios und mittelfristig der Etablierung des Reiches der Hasmonaier mündete.89 Die Abfallbewegungen an den Rändern des Reichsgebietes ebenso wie die Auseinandersetzungen mit hartnäckigen Gegnern wie den Arsakiden zwangen die seleukidischen Könige dazu, lokalen Amtsträgern umfangreiche auch militärische Kompetenzen zu übergeben, die diese zum Aufbau einer eigenständigen Herrschaft nutzten.90 Dies geschah etwa in der Region Kommagene in Kleinasien, die sich unter ihrem Satrapen vom Seleukidischen Reich losgesagte und deren Anführer dort in der dritten Generation unter Samos, Sohn des Ptolemaios, um 130 v. Chr. den Königstitel annahm. Die Münzen zählten nach einer eigenen Ära, die 163 v. Chr. begann.91 Abfallbewegungen gab es aber auch in weiteren Kerngebieten des Seleukidischen Reiches. In Medien revoltierte der seleukidische Satrap Timarchos und beanspruchte 162 v. Chr. die Königswürde, er konnte von Demetrios I. vertrieben werden.92 In Susiana und Elymaïs etablierte sich ein elamischer Anführer, Kabneskir / K amnaskires, der 147 v. Chr. die Kontrolle über Susa übernahm. 145 v. Chr. musste der Satrap Babyloniens eine Invasion dessen Truppen in seine Satrapie bekämpfen, gegen die Demetrios II. 145 selbst erfolgreich ins Feld zog. Nach der Königserhebung Antiochos’ VI. konnte Kabneskir Susa jedoch zurückgewinnen.93 In der benachbarten Charakene schuf der von Antiochos IV. eingesetzte Satrap 88

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92 93

Vgl. die entsprechenden Kapitel in Mittag 2006, S. 97–326; Grainger 2010, S. 292–308. Vgl. 1 Makk. 2, 17–28; dazu Dąbrowa 2010, S. 19; Honigman 2014, S. 313–315. Schuol 2000, S. 268–269. Grainger 2015, S. 133–134. Schuol 2000, S. 269. Grainger 2015, S. 78–80.

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Hyspaosines ab ca. 140 v. Chr. eine Eigenherrschaft, die er durch Eroberungen benachbarter Territorien zu erweitern versuchte. Spätestens 127 v. Chr. nahm er den Königstitel an.94 Für Capdetrey bedeutete daher die Mitte des 2. Jhd. v. Chr. eine Zäsur für das Seleukidenreich, da nun zusätzlich zu den Zentrifugalbewegungen an den Grenzen auch Eigenherrschaften in eigentlichen Kerngebieten des Seleukidischen Reiches auftraten.95 Damit nutzten immer mehr Akteure die sich bietenden Gelegenheiten, um die eigenen Handlungsoptionen zu erweitern. Diese Entwicklungen wurden begünstigt durch dynastische Querelen. Nach dem Tod Antiochos’ IV. war dessen Sohn Antiochos V. mit neun Jahren auf den Thron gelangt, die Regentschaft seines Vormundes Lysias aber offenbar unpopulär. Entsprechend willig wurde daher Demetrios, der Sohn des Seleukos IV., in Syrien aufgenommen, dem nach langer Geiselzeit in Rom die Flucht gelungen war. Antiochos V. wurde getötet, Demetrios I. zum König erhoben. Ihm gelang die Rückeroberung des abtrünnigen Mediens, ebenso ein Sieg gegen Judas Makkabaios in Judaia. Mit der Unterstützung des Attalos II. von Pergamon, Ptolemaios’ VI. und auch Roms wurde gegen ihn jedoch Alexander Balas zum König erhoben, dessen Heer Demetrios I. 150 v. Chr. in einer Feldschlacht besiegen konnte. Demetrios I. wurde getötet. Gegen den siegreichen Alexander Balas agierte Demetrios II., ein Sohn des Demetrios I., der ab 146 v. Chr. die Unterstützung des Ptolemaios VI. gewinnen und so Alexander Balas besiegen konnte.96 Alexander Balas hatte sich zunächst noch zu einem lokalen Anführer Zabdibel flüchten können, der ihn jedoch ermorden und den Kopf an Ptolemaios schicken ließ.97 Trotz seines Erfolges war Demetrios II. offenbar in Syrien sehr unbeliebt, wozu auch seine Söldner und deren rigide Steuereintreibungspolitik beitrugen. In diesem Klima entschied sich ein ehemaliger Anhänger seines Vorgängers Alexander Balas, Diodotos, der aus Cassiana bei Apameia am Orontes stammte, den bei einem Iamblichos ‚verwahrten‘ Antiochos VI., Sohn des Alexander Balas, zum König auszurufen.98 Dieser Iam­ blichos wird mit dem späteren Herrscherhaus von Emesa in Verbindung gebracht. Für Ehling ist das als Hauptquartier des Diodotos genannte Chalkis das Chalkis in der Beka-Ebene und damit der spätere Hauptort des ituraischen Herrschaftsbereiches99, für Chrubasik handelt es sich jedoch um Chalkis am Belos.100 Daher kommen wir auf diese Ereignisse noch zurück.

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Schuol 2000, S. 291–299. Capdetrey 2007, S. 133. Chrubasik 2016, S. 129–135. 1 Makk. 11, 14 f.; Jos Ant.Jud. 13, 4, 8. Vielleicht war dies der gleiche Diodotos, der zuvor Antiocheia an Ptolemaios VI. übergeben hatte nach Diod. 32,9c: Chrubasik 2016, S. 135. Diod. 33, 4 a; dazu Ehling 2008, S. 166. Chrubasik 2016, S. 136.

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Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

Gegen Diodotos setzte sich Antiochos VII. letztlich erfolgreich durch, bediente sich dafür aber der Unterstützung einiger lokaler Gemeinschaften, wie etwa auch Simons in Judaia oder schon zuvor Arados, was mit Verhandlungen und daher sicher auch Privilegien für diese lokalen Gemeinschaften einher gegangen sein sollte.101 Antiochos VII., ein Bruder des Demetrios II., war König im Seleukidenreich geworden, da Demetrios II. im Zuge eines Krieges gegen die in Babylonien eingefallenen Arsakiden von diesen gefangen genommen wurde und 10 Jahre in Geiselhaft verbrachte. Demetrios II. hatte diesen Feldzug auch begonnen, um gegen die sich verselbstständigenden Regionen Charakene / Messene und Elymaïs Stärke zu demonstrieren.102 Kurz vor dem Tod des Antiochos VII. auf einem erfolgreichen Feldzug gegen die Arsakiden wurde Demetrios II. von diesen 129 v. Chr. jedoch freigelassen, um Zwietracht im erstarkenden Seleukidenreich zu sähen. Nach dem Tod seines Bruders konnte sich Demetrios II. als König wieder etablieren, bis sich mit Hilfe des Ptolemaios VIII. ein Usurpator mit Namen Alexander Zabinas zum König erhob. Dieser gewann schnell weite Teile Syriens und konnte Demetrios II. 126/5 v. Chr. in einer Feldschlacht besiegen. Demetrios II. wurde kurz darauf getötet. Aber auch Alexander Zabinas verlor die Unterstützung des Ptolemaios, da dieser ihn lediglich im Zuge seines Konfliktes mit seiner Schwester Kleopatra II. unterstützt hatte, welcher nun beigelegt wurde. 123 v. Chr. wurde Alexander Zabinas von Antiochos VIII. Grypos, einem Sohn des Demetrios II. und nach dem Tod seines älteren Bruders Seleukos V. dessen Nachfolger, hingerichtet.103 In diesen Konflikten sorgten die Versuche der Rivalen, möglichst viele der Städte und Gemeinschaften auf ihre Seite zu ziehen, für einer Reihe von Privilegien für diese. Besonders gut lässt sich dies aufgrund der Quellenlage für die Hasmonaier in Judaia nachvollziehen: Im Konflikt zwischen Demetrios I. und Alexander Balas konnte der Hasmonaier Jonathan sich zunächst als Unterstützer des Demetrios das Recht zum Aufstellen von Truppen und zur Kontrolle Jerusalems sowie zur Befreiung der unter seleukidischer Kontrolle stehenden judaischen Geiseln auf der Akra, der Burg von Jerusalem, sichern. Alexander Balas bot ihm daraufhin 153/2 v. Chr. die Ernennung zum Hohepriester und zum philos des Königs für seine Unterstützung (und militärische Hilfe) an. Daraufhin zog Demetrios II. ihn mit der Anerkennung als Hohepriester, Freistellung vom Tribut, Freistellung von der Salzsteuer, Asylrecht für den Tempel, Garantie der Anerkennung der Torah sowie Gebietsgewinnen wieder auf seine Seite, bevor Jonathan unter Diodotos Tryphon und Antiochos VI. erneut die Seiten wechselte.104 In diesen Ereignissen spielte auch die Unterstützung des Ptolemaios VI. Philometer zunächst für Balas und dann für Demetrios II. eine entscheidende Rolle, denn sein Seitenwechsel 101

Vgl. Grainger 2015, S. 89–90. Grainger 2010, S. 354. 103 Vgl. Grainger 2010, S. 370–384. 104 Sartre 2001, S. 366–367. 102

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und die folgende militärische Intervention durch Judaia für Demetrios II. machte auch den Seitenwechsel des Jonathan unumgänglich.105 Zur Absicherung seiner Position erneuerte Jonathan auch ein Freundschaftsbündnis mit Rom, das sein Bruder und Vorgänger Judas Makkabaios eingegangen war.106 Mit der erneuten Anerkennung der Stellung als Hohepriester, der Tributfreiheit, der Überlassung von Gebieten in Samaria und dem Recht zur Selbstverteidigung des Territoriums, die Demetrios II. Jonathans Nachfolger Simon 143 v. Chr. entgegenbrachte, war der Schritt zur faktischen Eigenständigkeit Judaias getan, weshalb wohl auch die hasmonaische Herrscherära ab diesem Jahr gezählt wurde.107 Nach der Vertreibung der seleukidischen Besatzung aus der Akra erhielt Simon von „den Juden und Priestern“ eine Reihe von religiösen, zivilen und militärischen Kompetenzen, die die Grundlage der weiteren hasmonaischen Herrschaft bilden sollten.108 Trotz späterer Versuche etwa unter Antiochos VII. konnte den Hasmoniaern in der Folge ihre Kontrolle über Judaia nicht mehr streitig gemacht werden.109 Indem dabei alle Prätendenten ihre Optionen zur Sicherung der Loyalität ihrer Verhandlungspartner ausschöpften, erweiterten sich für diese Verhandlungspartner die eigenen Handlungsmöglichkeiten: Allein in Südsyrien konnten die Hasmonaier ihren Einflussbereich vor allem in Richtung Osten und Süden ausdehnen, in Philadelphia und Umgebung etablierte sich eine Eigenherrschaft unter Zenon Kotylas und später seinem Sohn Theodoros, und auch die Nabataier scheinen ihr Herrschaftsgebiet in den Norden und Westen ausgedehnt zu haben. Arados, das schon zuvor den Status einer autonomen Stadt erhalten hatte, vergrößerte seinen Einflussbereich durch die Einnahme und Zerstörung der beiden Küstensiedlungen Marathos und Simyra. Auch Tyros, welches zunächst loyal zu Demetrios II. stand, wandte sich nach wiederholten Niederlagen von ihm ab und hier wurde der König 126 v. Chr. durch den lokalen Gouverneur getötet. In der Folge prägte die Stadt Münzen ohne königliches Porträt und scheint sich als eigenständig betrachtet zu haben. Vielleicht schon vor 128 v. Chr. konnte sich auch die Osrhoene selbstständig machen. Sidon prägte ab 111 v. Chr. mit einer eigenen Ära, womit vermutlich die politische Autonomie einherging.110 Die Privilegierungen bestimmter lokaler Akteure durch die seleukidischen Könige, die den verschiedenen Formen von Eigenständigkeiten der Städte und Gemeinschaften den Weg bereiteten, führten aber auch auf der Ebene dieser lokalen Akteure zu teils dramatischen Verwerfungen. In den Städten suchten rivalisierende Gruppen Unterstützung bei ebenfalls rivalisierenden Machthabern, 105

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Atkinson 2016, S. 29. 1 Makk. 12, 1–4. Zu den Privilegien 1 Makk. 11, 33–35. 1 Makk. 14, 41–44; Schäfer 2010, S. 74. Baslez et al. 2004, S. 200; Schäfer 2010, S. 81–84. Grainger 2015, S. 126–129; 137; 143.

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Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

was bis zum Bürgerkrieg führen konnte.111 Aus einem solchen ‚internen‘ Konflikt in der Jerusalemer Oberschicht entstand auch die Führerschaft der Hasmonaier in Judaia, die erst später eine religiös-‚nationalistische‘ Propaganda übernahmen.112 Ein weiterer Fall interner Konkurrenz, bei der sich eine Gruppe durch die Unterstützung eines seleukidischen Königs Vorteile erhoffte, könnte etwa die Petition aus Jamina-am-Meer zeigen, in der eine Gruppe von Sidoniern in dem Ort den König Antiochos Eupator 163 v. Chr. um Steuerfreiheit bat, als Gegenleistung für dem König und seinem Großvater geleistete Dienste.113 Städte und Gemeinschaften konkurrierten jedoch auch mit ihren Nachbarn, insbesondere um Territorien.114 So ist Arados, das zwischen 151 und 83 v. Chr. Teile der Küste gegenüber der Inselstadt eroberte, bereits angesprochen worden.115 Aber auch Gemeinschaften wie eben die Hasmonaier nutzten ihre militärischen Möglichkeiten zur Eroberung benachbarter Territorien: Bereits unter Jonathan begann eine aktive Expansionspolitik der Hasmonaier, die vor allem strategische Plätze entlang der Küste und der großen Handelsrouten im Binnenland betraf.116 Mit der Herrschaft des Johannes Hyrkanos wurde ab 129 v. Chr. die Expansion zunächst ins Ostjordanland fortgeführt. Damit kontrollierten die Hasmonaier nun nicht nur die Küstenstraße, sondern auch die Binnenroute vom Roten Meer nach Damaskos. Es folgten die Eroberung von Idumaia sowie von Samaria mit der Zerstörung des Tempels auf dem Garizim, der offenbar als Konkurrenz zu Jerusalem empfunden wurde. Unter Aristoboulos wurde diese Expansion dann vor allem in Galilaia vorangetrieben, er eroberte auch Gebiete der Ituraier.117 Weitere militärische Operationen führten etwa Alexander Jannaios in die Gaulanitis.118 Dabei kam es im Süden des hasmonaischen Gebietes auch immer wieder zu militärischen Konflikten mit den Nabataiern, die dort ebenfalls Territorialansprüche durchzusetzen gedachten.119 Die Hasmonaier eroberten auch griechische Städte in der Dekapolis, die nach der Eroberung durch Alexander den Großen im Nordosten der Peraia gegründet worden waren.120 Auch hier standen sie in Konkurrenz zu den Nabataiern, die in dieser Region ebenfalls um Einfluss bemüht waren.121 111

Vgl. Chaniotis 2005, S. 16. Honigman 2014, S. 313–315. 113 Isaac 1998, S. 4–8. 114 Vgl. Engels 2013, S. 82–83. Die Städte konkurrierten aber auch um Menschen und Humankapital: vgl. Oliver 2011, S. 358–359. 115 Duyrat 2005, S. 236, 255–256. 116 Atkinson 2016, S. 31–32. 117 Pastor 1997, S. 78; vgl. auch Schäfer 2010, S. 89–90. 118 Vgl. Schmitt 1995, S. 164–165 zu Jos. Bell.Jud. 1, 4, 4 und 1, 4, 8; Ant.Jud. 13, 15, 3. 119 Vgl. Vogel 2002, S. 145. 120 Vogel 2002, S. 145. Zum Verhältnis der Hasmonaier zu den Städten vgl. Dąbrowa 2020, S. 284–289. 121 Vgl. Graf 1986, S. 785–789; Healey 2001, S. 29. 112

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Diese Konkurrenz der Gemeinschaften untereinander wurde auch über die Position und Betitelung der diese Gemeinschaften beherrschenden Dynasten ausgetragen, wie auch die Städte die ihnen verliehenen Privilegien offensiv auf Münzen etc. zur Schau stellten. So ist es sicher kein Zufall, dass die Hasmonaier in der bereits beschriebenen Aushandlung von Unterstützung für seleukidische Prätendenten eben nicht nur Privilegien wie Steuerfreiheit, sondern auch besondere Positionen und Titel (wie Hohepriester, philos des Königs etc.) erhielten. Schon unter Antiochos III. hatten eine Reihe von lokalen Dynasten von ihm den Königstitel erhalten.122 Mit der Annahme des basileus-Titels durch den Hasmonaier Aristoboulos I. in seiner kurzen Herrschaftszeit von 104 bis 103 v. Chr. wird die Konkurrenz der lokalen Dynasten auch im Großraum Syrien noch deutlicher.123 Für Schwentzel ging es dabei insbesondere um den Anspruch der Gleichwertigkeit zu den anderen Dynasten in der Region.124 So ist etwa auch für den Herrscher der Nabataier ein Königstitel überliefert: Eine Inschrift aus Elusa nennt „Aretas, König der Nabatu“ und wird gelegentlich auf Aretas I. bezogen, andere Forscher halten einen Bezug zu Aretas II. (ca. 120–96 v. Chr.) für wahrscheinlicher.125 Mit der Eigenbezeichnung als König wurde hier vor allem die Eigenständigkeit der nabataischen Herrschaft und ihre ‚Gleichrangigkeit‘ im Kontext der hellenistischen Monarchien betont.126 Dabei schuf auch diese Konkurrenz der lokalen Akteure Handlungsoptionen, die von allen Beteiligten intensiv genutzt wurden: Die seleukidischen Könige konnten durch den gezielten Beistand für lokale Akteure einerseits Einfluss auf deren Gemeinschaften nehmen und sich dadurch lokale Unterstützung sichern. Dies stärkte wiederum die Verhandlungsposition des Königs gegenüber anderen Akteuren und Gemeinschaften und sicherte seine Ressourcen, weil ihm dann die Gemeinschaften etwa als Rekrutierungsorte für Soldaten oder auch ideell als Fürsprecher bei den Göttern zur Verfügung standen. Gleichzeitig verweist Strootman darauf, dass die lokalen Dynasten auch als Gegengewicht gegen die griechisch-makedonische Reichselite am Königshof und deren Eigeninteressen wirkten.127 Andererseits nutzten die lokalen Akteure die seleukidischen Könige als

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Strootman 2020, S. 143. Vgl. Seeman 2013, S. 181. 124 Schwentzel 2013, S. 68. 125 Healey 2001, S. 29; Sullivan 1990, S. 72; Lawlor 1974, S. 38. Sartre möchte diese Inschrift allerdings aufgrund paläographischer Kriterien ins 3. Jhd. v. Chr. datieren: Sartre 2001, S. 412. 126 Gegen Sullivan, für den unklar bleibt, ob mit der Bezeichnung tatsächlich ein Königtum im griechischen Sinne oder nur die ungefähre Umschreibung einer nabataischen Herrschaftsform gemeint war: Sullivan 1990, S. 72. 127 Strootman 2020, S. 144–145. 123

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Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

Ermöglicher ihrer eigenen Ambitionen im Konkurrenzkampf mit lokalen Rivalen und Nachbarn.128 Hier musste es aber für die seleukidischen Könige darum gehen, trotz der Privilegierungen lokaler Akteure weiterhin maximalen eigenen Zugriff auf die Ressourcen des Reiches zu gewährleisten, um die eigene Herrschaft zu sichern.129 Die Autonomie der phoinikischen Küstenstädte und auch von Seleukeia Pieria 109/108 v. Chr. könnte schwere ökonomische Einbußen für die Seleukiden bedeutet haben, da diese wichtigen Hafen- und Handelsstätten Steuer- und Zolleinnahmen einbrachten, die jetzt eben nicht mehr an den jeweiligen König flossen.130 Kosmin versteht allerdings die Gewährung der Autonomie an Seleukeia Pieria durch Antiochos VIII. oder Antiochos IX. nicht als ‚verzweifelten‘ Versuch, um um jeden Preis Unterstützung zu erhalten, sondern im Gegenteil als Beweis königlicher Gunst und Großzügigkeit gegenüber der ideologischen Heimat der Seleukiden.131 Damit wäre dann eben gerade die freie Verfügbarkeit der Ressourcen durch den König unterstrichen worden, die oben bereits als wichtiges Element der Selbstdarstellung der seleukidischen Könige betont wurde.132 Wohl 104/105 erhielt auch Tripolis das Privileg der Autonomie und nannte sich auf Münzen ieras kai autonomos. Damit waren die wichtigsten Küstenstädte autonom, wodurch für Grainger die Verkehrs­ trasse durch die Beka-Ebene sowie über Damaskos an Bedeutung gewannen. In dieser Zeit erschienen in der Beka-Ebene die Ituraier.133 Zwischen 96 und 83 v. Chr. konkurrierten sechs seleukidische Könige in teils erbitterten Auseinandersetzungen miteinander: die fünf Söhne des Antiochos Grypos und Antiochos X. Eusebes, Sohn des Antiochos IX.134 Dieser unterstützte eine Königin Laodike, Königin der Samenianer, gegen die Arsakiden. Ihr Einflussbereich muss in der Syrischen Wüste östlich oder westlich des Euphrat in Syrien oder Mesopotamien gelegen haben.135 Spätestens durch die Kämpfe der Brüder um Territorien, bei denen sie jeweils nur kleine Gebiete, teils sogar nur einzelne Städte, kontrollierten, zerbrach das seleukidische Kernland in sich gegenseitig 128

So betont etwa Engels, dass das Lavieren der Städte der Tetrapolis zwischen den verschiedenen Thronprätendenten von Demetrios I. bis Alexander Zabinas sowie ihre Seitenwechsel weniger durch Loyalität bestimmten Königen gegenüber als durch Eigeninteressen in der Rivalität mit den Nachbarn geprägt war: Engels 2013, S. 84. 129 Vgl. etwa Finkielsztejn 2020, S. 304 zur Rolle von Steuereinnahmen für die Seleukiden. 130 Grainger 2015, S. 150, zur ideologischen Bedeutung von Seleukeia für die Seleukiden auch S. 148–149. 131 Kosmin 2014, S. 111–112. 132 Dazu passen auch Überlegungen von Gabrielsen, dass Steuerprivilegien durchaus auch positive ökonomische Effekte für den damit auf Einkünfte verzichtenden König haben konnte, vgl. Gabrielsen 2011, S. 235–238. 133 Grainger 2015, S. 143–144; 147. 134 Sullivan 1990, S. 66–68. 135 Jos. Ant.Jud. 13, 13, 4.

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feindlich gesinnte fragmentierte Kleinräume, deren jeweilige Herrscher auch den Zeitgenossen als austauschbar erscheinen mussten. So sind die überlieferten Revolten der städtischen Bevölkerungen gegen die Könige für Kosmin Indikator, dass die Stadtbevölkerungen jetzt als unabhängige Akteure ihre Meinung kundtun konnten und damit neue Formen der Interaktion zwischen König und Stadt einforderten.136 In den 80er Jahren wurde Tigranes von Armenien durch die Einwohner von Antiocheia eingeladen, die Herrschaft nach dem Tod Philipps I. zu übernehmen, so wie Damaskos zuvor schon den Nabataier-König Aretas eingeladen hatte. Tigranes bemühte sich in der Folge, die verbliebenen Reste des Seleukidischen Reiches zu erobern.137 Wie seine Vorgänger gewährte er Städten und lokalen Gemeinschaften Privilegien, so begann Laodikeia am Meer 82/1 v. Chr. eine eigene Stadtära und nannte sich auf den Münzen ieras kai autonomos. Auch Apameia bezeichnete sich in einer Münzserie von 76/75 v. Chr. als ieras kai asylos, was zwar keine Autonomie aber doch eine Privilegierung bedeutete. Als Hauptquartier der seleukidischen Armee wird die Stadt wohl nicht in die Autonomie entlassen worden sein.138 Nach der Aufgabe Syriens durch Tigranes im Jahr 69 v. Chr. versuchten die letzten Abkömmlinge der Seleukiden, sich wieder zu etablieren. Ein Sohn der Kleopatra Selene ließ sich als Antiochos XIII. in Antiocheia zum König ausrufen und wurde dort auch von Lucullus nach seinem Sieg in Tigranocerta anerkannt. Offenbar schwand seine Akzeptanz jedoch, da es schon bald eine zunächst niedergeschlagene Revolte gegen ihn gab. Die erfolglosen Aufständischen fanden in Kilikien mit dem Sohn Philippos I. einen Gegenprätendenten, der als Philippos II. Barypous zum seleukidischen König gemacht wurde. Antiochos verband sich daraufhin mit Samsigeramos von Emesa, während Philippos eine Allianz mit einem Azizos einging. Während Antiochos XIII. von Samsigeramos gefangen genommen wurde, konnte Philippos II. zunächst die Unterstützung des römischen Prokonsuls von Kilikien, Q. Marcius Rex, gewinnen. Erst Pompeius’ Ankunft in Antiocheia im Sommer 64 machte der Herrschaft der letzten Seleukiden ein Ende, da er weder die Ansprüche Antiochos’ XIII. noch die Philipps II. anerkannte, sondern das gesamte zuletzt von Tigranes eroberte Territorium als römische Provinz beanspruchte.139 In diesem Zusammenhang nennt Appian als eines der eroberten Gebiete auch Ituraia im Verein mit Koilé-Syrien, Phoinikien, Palaistina und Idumaia.140 In diesem Raum mussten die Generäle des Pompeius nach dem Zeugnis des Appian dann auch die Attacken benachbarten Araber abwehren.141 Und Pompeius Trogus 136 137

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Kosmin 2014, S. 242–251. Ehling 2008, S. 250–252. Grainger 2015, S. 193–195. Plut. Pomp. 39; App. Mithr. 16, 106; Seeman 2013, S. 250–251; Vitale 2013, S. 29–30. App. Mithr. 16, 106. App. Syr. 8, 51.

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Handlungsoptionen lokaler und imperialer Akteure

formuliert sogar, Pompeius habe Syrien zur Provinz gemacht, um es nicht länger „dem Räubertum der Araber und Juden [zu] überlassen“.142 Pompeius zog damit den Schlussstrich unter eine bereits seit dem 3. Jhd. v. Chr. spürbare permanente Einmischung externer Mächte in die Geschichte des Seleukidenreiches: Von Beginn an hatten die Ptolemaier immer wieder durch die Unterstützung von Usurpatoren oder Autonomie-Bestrebungen von Städten und Dynasten versucht, die Seleukiden zu schwächen. Seit dem 2. Jhd. v. Chr. verstärkte auch Rom seine Einmischung, während gleichzeitig die Arsakiden eine permanente Bedrohung der Ostgrenze darstellten.143 Mit Engels spielten dabei die meist prorömischen Quellen gerade die Einflussnahme der Römer häufig herunter.144

2.3 Zusammenfassung Zusammenfassend lassen sich einige Punkte über die Handlungsoptionen im Seleukidenreich festhalten, die den Rahmen für die folgende Untersuchung bilden müssen. Zunächst einmal war das Seleukidische Reich ein durchaus strukturiert verwalteter Raum, in dem aufgrund der Größe des Territoriums sowie der sich daraus ergebenden personellen Anforderungen lokale Kräfte in die Herrschaftsausübung eingebunden werden mussten.145 Gleichzeitig kann gemutmaßt werden, dass die Seleukiden diese lokalen Herrschaftsträger auch in der Konkurrenz mit ihren mehrheitlich griechischen Hofeliten instrumentalisierten.146 Chrubasik betont, dass die Seleukiden abgefallene Satrapen und Dynasten nach der Rückeroberung mehrheitlich in ihren Positionen beließen. Er sieht darin einen Beleg dafür, dass deren lokale Ressourcen von den seleukidischen Königen als nicht essentiell bedrohlich eingeschätzt wurden, weshalb diese Politik auch kein automatisches Zeichen von Schwäche gewesen sein müsse.147 Im Gegenteil muss aber diese seleukidische Maßnahmen vor dem Hintergrund der oben betonten Bedeutung von demonstrativer Ressourcenverfügbarkeit für die seleukidischen Könige als Zeichen von Stärke gemeint gewesen sein. Diese Ideologie und ihre Handlungsfolge konnten einerseits den Zusammenhalt des Reiches stärken, weil eine Reintegration abtrünniger Gebiete problemlos möglich war. Andererseits musste die Option ‚Aufstand‘ für Satrapen wie lokale Anführer dadurch umso attraktiver erscheinen. Gleichzeitig betont Chrubasik, dass gerade in den dynastischen Querelen durch die Prätendenten eine „‚market situation‘ in the communication between the contenders for 142 143

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Just. Epit. 40, 2, 2–5. Sartre 2001, S. 372–374; Chrubasik 2016, S. 115; Ehling 2008, S. 280–282. Engels 2011, S. 187, 190–191. Zu den Attaliden: Strab. 13, 4, 2. Chrubasik 2016, S. 48. Strootman 2014, S. 54–57, 66–74. Chrubasik 2016, S. 57–60.

Zusammenfassung

47

monarchical authority and their audiences in the kingdom“ entstand.148 Damit boten sich diesen Empfängern  – ob Städte, Verwaltungseinheiten unter einem engagierten Amtsträger oder ‚Völkern‘ – wachsende Optionen, die eigene Position im lokalen, regionalen und überregionalen Kontext zu verbessern und schlussendlich sogar eine unabhängige Eigenherrschaft zu etablieren. Hier kam sicher den Zugriffsmöglichkeiten auf lokale Ressourcen als Grundlage von Macht, wie dies für die seleukidischen Könige aufgezeigt wurde, eine sehr wichtige Rolle zu. Es wird zu fragen sein, welche Bedeutung dies bei den Ituraiern und Emesenern hatte. Ebenfalls relevant ist aber, dass für die Usurpatoren eine Verortung im Umfeld des seleukidischen Königshofes oder eine Platzierung durch die Ptolemaier nachweisbar oder zumindest vermutbar ist. Anführer lokaler Unabhängigkeitsbewegungen entstammten dagegen offenbar aus den lokalen Eliten der Gemeinschaften, die in diesen bereits lokale Herrschaftsaufgaben für die Seleukiden ausgeführt hatten. Auch hier wird zu fragen sein, wie sich die Ituraier und Emesener in der Etablierung ihrer Eigenherrschaften in dieser Entwicklung verorten lassen. Ähnlich wie Versluys es für die Kommagene formulierte, sollen dabei auch die Ituraier und Emesener als Teil der „highly interactive network of city-states, kingdoms and empires covering large areas of the Mediterranean, Near East and Egpyt […], [a] polycentric and highly interconnected Hellenistic world“149 verstanden werden, deren politischer wie kultureller Gestaltungsraum von Konkurrenz und Wettstreit sowohl mit den Zentralmächten als auch den Nachbarn bestimmt war.

148 149

Chrubasik 2016, S. 198–199. Versluys 2017, S. 13–14.

3. Die Anfänge der Eigenherrschaften

Vor dem Hintergrund der im vorherigen Kapitel dargestellten Handlungsoptionen und Herausforderungen sowohl für die seleukidischen Herrscher als auch für die von ihnen beherrschten Gemeinschaften und ihre Anführer, soll in diesem Kapitel nach Informationen zu den Anfängen der Gemeinschaften der Ituraier und der Emesener gesucht werden. Nach einer Diskussion der (möglichen) ersten Quellenzeugnisse zu den Ituraiern wird dazu vor allem die Siedlungsentwicklung der Herrschaftsbereiche der Ituraier und Emesener in den Blick genommen. Dabei soll untersucht werden, ob und, wenn ja, wie sich Veränderungen der Siedlungs- und Raumnutzungsmuster in den Regionen ergaben, die Hinweise auf die Ursprünge der Gemeinschaften bzw. der Herrschaften geben können. Im dritten Teil des Kapitels sollen auf der Grundlage der zuvor zusammengetragenen Informationen Überlegungen zu den Anfängen der Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener angestellt werden.

3.1 Erste Quellenzeugnisse zu den Ituraiern Die Anfänge der Gemeinschaft der Ituraier liegen im Dunkeln, dennoch existieren eine Reihe von Überlegungen in der Forschung, über die aber noch kein Konsens erzielt wurde. So ist zunächst einmal umstritten, ob Gen. 25, 15 als erstes Zeugnis für die frühe Geschichte der Ituraier gelten kann. Hier heißt es: ‫ן־ַאב ָר ָ ֑הם ֲא ֨ ֶׁשר‬ ‫ִיׁש ָמ ֵ ֖עאל ֶּב‬ ְ ְ ‫וְ ֵ ֛אּלֶ ה ּתֹלְ ֥ ֹדת‬ ‫ַאב ָר ָ ֽהם׃‬ ְ ְ‫יָ לְ ָ ֜דה ָהג ַה ִּמ ְצ ִ ֛רית ִׁש ְפ ַ ֥חת ָׂשָ ֖רה ל‬ ‫ִיׁש ָמ ֵ ֔עאל ִּב ְׁשמ ָ ֹ֖תם‬ ְ ‫וְ ֵ֗אּלֶ ה ְׁשמֹות֙ ְּב ֵנ֣י‬ ‫ִיׁש ָמ ֵעאל ֙ נְ ָב ֹי֔ת וְ ֵק ָ ֥דר‬ ְ ‫לְ תֹולְ ד ָ ֹ֑תם ְּב ֹ֤כר‬ ‫ׂשם׃‬ ֽ ָ ‫ּומ ְב‬ ִ ‫ַאד ְּב ֵ ֖אל‬ ְ ְ‫ו‬ ‫ּׂשא׃‬ ֽ ָ ‫ּומ‬ ַ ‫דּומה‬ ֖ ָ ְ‫ּומ ְׁש ָ ֥מע ו‬ ִ ‫ימא יְ ֥טּור נָ ִ ֖פיׁש וָ ֵק ְֽד ָמה׃‬ ֔ ָ ‫ֲח ַ ֣דד וְ ֵת‬ ‫ִיׁש ָמ ֵעאל ֙ וְ ֵ ֣אּלֶ ה ְׁשמ ָ ֹ֔תם‬ ְ ‫ֵ ֣אּלֶ ה ֞ ֵהם ְּב ֵנ֤י‬ ‫יאם‬ ֖ ִ ‫ׂשר נְ ִׂש‬ ֥ ָ ‫ים־ע‬ ָ ֵ‫ּוב ִ ֽטיר ָ ֹ֑תם ְׁשנ‬ ֖ ֶ ‫ְּב ַח ְצ ֵר‬ ְ ‫יהם‬ ‫לְ ֻאּמ ָ ֹֽתם׃‬

1

Gen. 25, 12–16. Übers. nach Luther.

„Dies ist das Geschlecht Ismaels, des Sohnes Abrahams, den ihm Hagar gebar, die Magd Saras aus Ägypten; und dies sind die Namen der Söhne Ismaels, nach denen ihre Geschlechter genannt sind: der erstgeborene Sohn Ismaels Nebajot, dann Kedar, Adbeel, Misbam, Mischma, Duma, Massa, Hadad, Tema, Jetur, Nafisch und Kedma. Das sind die Söhne Ismaels mit ihren Namen nach ihren Gehöften und Zeltdörfern, zwölf Fürsten nach ihren Stämmen.“1

Erste Quellenzeugnisse zu den Ituraiern

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Der Sohn Jetur / Yetur, bzw. der daraus abzuleitende Stamm, wird wegen seiner lautlichen Nähe zu den Ituraiern vor allem in der älteren Forschung als ältestes Quellenzeugnis zu diesen verstanden. Da Ismael als Stammvater der Araber gilt, wären die Jetur Araber und dies wären dann auch die Ituraier. So ist für Knauf der Stammesname Yetur, basierend auf der aramaisierten Form der arabischen Selbstbezeichnung Yazur, zu fassen. Die Liste der zwölf Söhne Ismaels ginge zurück auf eine geographische Beschreibung wohl aus dem 7. Jhd. v. Chr. mit Ergänzungen aus den folgenden Epochen. Yetur sei vermutlich in der persischen Periode zu der Liste gestoßen, entsprechend einer zweiten Liste arabischer Stämme in 1 Chron. 5, 18–22, die Knauf auf das 5. oder 4. Jhd. v. Chr. datiert sehen möchte. Da die Septuaginta die Nennung der Yetur in 1 Chron. 19 mit ‚Ituraioi‘ übersetze (in der Übersetzung von Gen. 25, 15 aber ‚Ietoir‘ schreibe), sei dies der früheste Beleg für den Stamm der Ituraier. Im 5. oder 4. Jhd. v. Chr. seien die Ituraier damit im nördlichen Transjordanien zu verorten, wo sie auch in der ersten Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. noch zu finden gewesen wären.2 Auch Schottroff sieht die Ituraier auf dieser Quellenbasis als Nachfahren eines aus dem nördlichen Arabien eingewanderten Stammes, der ursprünglich südlich von Thema beheimatet gewesen und dann zunächst ins Ostjordanland gezogen wäre.3 In der neueren Forschung wird die Gleichsetzung der hellenistisch-römischen Ituraier mit den biblischen Söhnen des Ismael überwiegend abgelehnt. Zuletzt hat Aliquot in seinem grundlegenden Beitrag zur Forschungslage zu den Ituraiern überzeugend darlegen können, dass eine solche Gleichsetzung philologisch kaum belastbar sei. Zudem betont er, dass die hellenistisch-römischen Autoren dies ebenfalls nicht unterstützen. Gerade Josephos, bei dem sich sowohl die Liste der Söhne Ismaels mit dem Verweis auf Yetur erhalten hat, als auch die Ituraier häufig vorkommen, nehme diese Gleichsetzung nicht vor. So könne die bereits genannte einzige Stelle in der Septuaginta, die eine solche nahe legen könnte, keine Beweiskraft haben.4 Die Befürworter der Gleichsetzung von Ituraiern und Yetur sehen sich allerdings durch kaiserzeitliche Inschriftenfunde aus dem Hauran bestätigt: Said möchte in Inschriften aus Umm al-Jimal im südlichen Hauran, von denen einige den Namen YTWR / Ituraios enthalten, Personen aus dem Stamm der Ituraier sehen: Der Name fand sich in mindestens neun griechischen Grabinschriften, sowie in drei nabataischen Inschriften aus dem Ort und zwei griechischen Inschriften aus dem benachbarten ’Atil bei Kanatha. Die Inschriften gehören für Said wohl in die Kaiserzeit. Der Name Ituraios ist für Said vermutlich arabischen Ursprungs und seine Verbreitung in Umm al-Jimal vielleicht Indiz dafür, dass die Ituraier sich unter dem zunehmenden Druck der Römer von ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten 2

Knauf 1998, S. 269–272. Auch Sartre 2001, S. 54 setzt die biblischen Yetur mit den Ituraiern gleich. 3 Schottroff 1982, S. 135. 4 Aliquot 1999–2003, S. 166–167. Ihm folgt Myers 2010, S. 134–136.

50

Die Anfänge der Eigenherrschaften

in der Beka-Ebene in den Hauran orientiert hätten.5 Insbesondere letztere Vorstellung ist aber abzulehnen, da, wie noch gezeigt werden wird, die Region des nördlichen Hauran auch Teil der ituraischen Territorien war und daher nicht von einer Verdrängung oder auch Wanderung ausgegangen werden muss. Hierauf kommen wir noch zurück. Mit den genannten Inschriften sind auch vier weitere Texte zu verbinden. Aus ’Atil kennt man drei Inschriften, die Ratsmitglieder aus Adraa nennen und dabei offenbar für Adraa den Beinamen Iatouraiou verwenden.6 In ihrer Diskussion dieser Inschriften betonen Sartre und Sartre-Fauriat, dass dieser Beiname eher an den in der Region bekannten Personennamen Iatouros erinnere, aber in den drei Inschriften klar als Beiname von Adraa gemeint sei. Die Iatouraioi scheinen dabei ein Personenverband, eine ethné, gewesen zu sein und dies Gruppe hatte offenbar auch Untergruppen, denn eine weitere Inschrift aus Rdeimeh ash-Sharquiyyeh nennt einen Ιατουραῖος φυλῆς Σαδηνῶν. Sartre-Fauriat und Sartre betonen, dass hier zwar offenbar eine Gemeinschaftsbezeichnung gemeint sei, die Schreibung Iatouraiou im Gegensatz zu Ituraios eine Identifizierung mit den Ituraiern aber nicht unterstütze.7 Daher erscheint es plausibel, in dieser Gruppe nicht die Ituraier, sondern eine weitere der zahlreichen im Hauran-Gebiet auch epigraphisch bezeugten Gemeinschaften zu sehen, die bis in die Spätantike ein wesentliches Element der Sozialorganisation des Haurans darstellten.8 Said möchte außerdem die Ituraier mit den YZR identifizieren, die aus mehreren sog. safaitischen Graffiti bekannt sind. Diese Graffitis erwähnen nach Said die Suche nach den YZR, die Wanderung der YZR, einen Krieg mit den YZR sowie ein Mitglied des Stammes der YZR.9 Auch diese Texte stammen nach Aliquot aus der Kaiserzeit und können ähnlich wie die Stellen aus der Hebraischen Bibel nicht allein aufgrund lautlicher Ähnlichkeiten mit den Ituraiern gleichgesetzt werden, zumal die philologische Rekonstruktion des Zusammenhangs unhaltbar sei. Vielmehr belegten der Gemeinschaftsname wie auch der Personenname YZR die Selbstbezeichnungen kleiner Familiengruppen, die sich auf einen bestimmten gemeinsamen Vorfahren beriefen.10 Dazu bieten andere Gemeinschaften eine gute Parallele, die ebenfalls epigraphisch ihre Spuren im Herrschaftsgebiet der Ituraier hinterlassen haben. So fanden sich am Berg Arsal im Antilibanon in der Nähe von Baalbek sog. safaitische 5

6 7 8 9

10

Said 2006, S. 129–131 mit den Inschriften. IGLS XVI 122–124. IGLS XVI 685. Mit dem Kommentar von Sartre-Fauriat / Sartre 2016, S. 23–24. Zur Organisation des ländlichen Raumes vgl. Sartre 2001, S. 766–790. Said 2006, S. 130; Inschriften: Winnett / Harding 1976, Nr. 2837; CIS V 4677, CIS V 2209; CIS V 784. Diese Gleichsetzung der YZR mit den Ituraieren findet sich auch bei Knauf 1998, S. 271. Aliquot 1999–2003, S. 178–179. Diese Inschriften werden auch bei Myers 2010, S. 140–143 mit Quellenangaben und ähnlichem Ergebnis diskutiert.

Erste Quellenzeugnisse zu den Ituraiern

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Graffiti, von denen eine dem Stamm der RKS zugewiesen werden kann. In dem Graffito werden Allat und Duschara als Schutzgottheiten angerufen, weshalb eine Zugehörigkeit der RKS zum Umfeld der Nabataier postuliert wird. Diese RKS sind aus einem weiteren Graffito aus der Harra im nordöstlichen Jordanien bekannt, in dem ebenfalls Allat und Duschara als Schutzgottheiten angerufen werden.11 Knauf bringt diese Funde mit der arabischen Identität der Ituraier in Zusammenhang, die ihre Muttersprache Arabisch mit der safaitischen Schrift festgehalten hätten.12 Allerdings zeigen die neuen Forschungen zu diesen sog. Safaiten, dass es sich bei den Nutzern dieser Schrift keinesfalls automatisch um Angehörige einer distinkten Volksgruppe handelte. Die Graffiti belegen damit lediglich die Anwesenheit von Personen, die diese Schrift nutzten, in einer insgesamt von großer Mobilität und Sprachenvielfalt geprägten Großregion.13 Wenn die Identifikation der Ituraier mit den Yetur und YZR allein auf der Rekonstruktion lautlicher Ähnlichkeiten zu aus anderen Quellengruppen bekannten (arabischen) Gemeinschaften basiert, dann fällt auf, dass dabei eine lautliche Ähnlichkeit zu einer aramaischen Gemeinschaft kaum angesprochen wurde, nämlich zu den Itu’eern. Diese aramaische Gemeinschaft aus der Region von Itu’u, dem heutigen Hīt, am mittleren Euphrat, hatte sich zunächst erfolgreich gegen die assyrischen Könige gewehrt, bis sie seit Tiglathpileser III. (745–727 v. Chr.) bis Esarhaddon (680–669 v. Chr.) als Truppen im assyrischen Heer erscheinen. Dabei waren sie als Infanterie-Einheiten im Einsatz und an Statthalter für lokale Ordnungsaufgaben und Polizeidienste abgeordnet.14 In dieser Funktion waren sie auch in der Region von Beka, Libanon und Antilibanon stationiert, wie aus der Korrespondenz Sargons II. hervorgeht. Hier heißt es etwa: ⸢šum?⸣-ma ⸢ma⸣-[ḫir 05 me ERIM-ME] ⸢TA ?⸣ URU.⸢ar⸣-[gi-te?] [x x]+⸢x⸣ URU.⸢ṣu⸣-[pi-te?] [lu]-bi-li [x x x x] ina IGI-⸢tu?⸣-šú-nu ⸢x⸣+[x x x] ŠE.NUMUN-MEŠ ša URU.ḫi-⸢x⸣+[x x x] e-ṣi-⸢di⸣ 01 lim ŠE .⸢NUMUN⸣-[MEŠ] ša URU.la-ba-ʾu-u ut-⸢ru⸣ ina UGU -šú-nu e-ṣi-di ú-ma*-a LUGAL be-lí UN-MEŠ KUR .⸢aš-šur⸣-a.a LÚv.i-tú-ʾa-a.a li-di-na ina* ⸢mad*⸣-bar lu-šá-ṣa-bi-ti la-a 11

„If it is acceptable, let me bring 500 men from Argite to Supat and let … in their presence. I myself harvest the sown fields of the city of He[sa(?)], and I harvest 1000 hectars of sown fields of the city of Laba’u in addition. Now, the king should give (me)  Assyrian people and Itu’ean (auxiliary troops) so that I may settle them in the open countryside. There is not one Assyrian city-overseer nor one Assyrian gate-guard (left) in all (the province of) Supat!“15

Said 2006, S. 130. Knauf 1998, S. 276. 13 Zu den safaitischen Inschriften vgl. Rawan 2013, zur Forschungsgeschichte S. 19–28. 14 Honggeng 2004, S. 59–71. 15 SAA I 176, Übersetzung und Kommentar bei Fales 2002, S. 140 F 30.  12

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Die Anfänge der Eigenherrschaften LÚv.šá— UGU — URU la-a LÚv.Ì.DU₈-​ Bzw. in der Übersetzung der Edition MEŠ selbst: „If it is acceptable, let me bring 500 KUR .aš-šur-a.a ina URU.ṣu-pi-te16

men from Argite to Supat and let … in their presence. I harvest the sown fields of the city of Hi[…], and in addition to them I harvest an extra 1000 (hectars of) the sown fields of the city of Laba’u. Now, let the king my lord give me Assyrian and Itu’ean people (so) I can have (them) hold the […]; there is no Assyrian city-overseer nor any Assyrian gate-guards in Supat.“17

Die Stationierung dieser Truppen könnte durchaus dazu geführt haben, dass sich Mitglieder dieser Gemeinschaft in der Region dauerhaft niederließen und ihr Name dann Grundlage der späteren Gruppenbezeichnung der Ituraier wurde. Ebenfalls aus einem aramaischen Kontext wurde die Herleitung des Namens der Ituraier vom aramaischen Wort turo für Bergbewohner postuliert.18 Eine reine lautliche Ähnlichkeit könnte also auch auf einen aramaischen Ursprung verweisen. Die erste sichere Nennung der Ituraier in griechisch-römischen Quellen erfolgt in hellenistischer Zeit. In einem Fragment des judaisch-hellenistischen Historiographen Eupolemos aus der ersten Hälfte des 2. Jhd. v. Chr., das sich in Eusebius erhalten hat, werden die Ituraier in einer Liste der Gegner Davids genannt: εἶτα Δαβὶδ τὸν τούτου υἱὸν δυναστεῦσαι, δν καταστρέφασθαι Σύρους τοὺς παρὰ τὸν Εὐφράτην οἱκοῦντας ποταμὸν καὶ τὴν Κομμαγηνὴν καὶ Γαλαδηνῆ Ἀσσυρίους καὶ Φοίνικας. στρατεῦσαι δ᾿αὐτὸν καὶ ἐπὶ Ἰδουμαίους καὶ Ἀμμανίτας καὶ Μωαβίτας καὶ Ἰτουραίους καὶ Ναβαταίους καὶ Ναβδαίους, αὖθίς δὲ ἐπιστρατεῦσαι ἐπὶ Σούρωνα βασιλέα Τύρου καὶ Φοινίκης. οὖς καὶ ἀναγκάσαι φόρους Ἰουδαίοις ὑποτελεῖν. πρὸς Ὁύαφρῆν τὸν Αἰγύπτιον βασιλέα φιλίαν συνθέσθαι. 16

„Dann sei David, sein Sohn, ihm in der Herrschaft nachgefolgt; er habe die Syrer am Euphrat und in Kommagene und die Assyrer in Galaad und die Phoinikier bezwungen. Er sei auch gegen die Idumaier, Ammoniter, Moabiter, Ituraier, Nabataier und Nabdaier zu Felde gezogen. Dann kämpfte er gegen Suron, den König von Tyros und Phoinikien, so daß diese den Juden Tribut zahlen mußten. Mit dem Ägypterkönig Uaphres habe er ein Bündnis geschlossen.“19

Text aus http://oracc.org/saao/P224417/. SAA I 176. Weitere Nennung der Itu’eer etwa in SAA I 31 und 32. 18 Paturel 2014, S. 84 19 Epol. Frag. 2 = Eus. Praep.Ev. 9, 30, 3. 17

Erste Quellenzeugnisse zu den Ituraiern

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Diese Liste ist für die Lokalisierung der Ituraier im nördlichen Transjordanien verwendet worden, weshalb sie dann in der Folge in ihre von Strabon bezeugte Siedlungsregion von Libanon und Beka-Ebene gewandert sein müssten.20 Dazu sind eine Reihe von Bemerkungen möglich. Zunächst einmal scheint Eupolemos möglicherweise identisch mit einem gleichnamigen Mitglied des Hofes von Judas Makkabaios, das 161 v. Chr. als Gesandter zur Aushandlung eines Freundschaftsvertrags nach Rom gereist war.21 Auch ohne diese Identifikation ist in den wenigen erhaltenen Fragmenten aus seinem Werk erkennbar, dass Eupolemos sowohl die Bedeutung des Jerusalemer Tempels für das Judentum als auch die Ausdehnung des Reiches unter David idealisiert darstellte, wobei er die geographischen Angaben der älteren Überlieferung in seine eigene Zeit aktualisierte und damit militärischen Ansprüchen der Hasmonaier Rechnung trug.22 Seine Liste basiert auf der älteren Überlieferung zu den Eroberungen Davids: So heißt es im 2. Buch Samuel, David habe gegen Damaskos und „von Syrien, von Moab, von den Kindern Ammon, von den Philistern, von Amalek, von der Beute Hadadesers, des Sohnes Rehobs, König zu Zoba“ Siege errungen, sowie in der Folge gegen Edom.23 Eupolemos dehnt die hier belegte Herrschaft Davids bis nach Aram-Zoba nordöstlich von Damaskos wesentlich weiter in Richtung Osten und Norden – bis zum Euphrat und nach Kommagene  – aus, während er Davids Hauptgegner, die Philister, gar nicht erwähnt.24 Seine Liste ist als Teil der revisionistischen Hoffnung der Makkabaier zu verstehen, diese angeblich ehemaligen Gebiete des davidischen Königreiches (erneut) beherrschen zu können.25 Nimmt man die Liste des Eupolemos als Aktualisierung dieser älteren Überlieferung im Zeichen der hasmonaischen Expansionspolitik, so lässt sich neben den unklaren Hintergründen für die Übertreibungen nach Osten vor allem nach der Lokalisierung der in der Aufzählung von Edomitern, Ammonitern, Moabitern, Ituraiern, Nabataiern und Nabadaiern genannten Gemeinschaften fragen. Während Edomiter, Ammoniter und Moabiter bereits aus der älteren Überlieferung bekannte Gruppen sind, die südlich und südöstlich / östlich des hasmonaischen Territoriums beheimatet waren, ist auch für die Nabataier durch die weitere Überlieferung eine 20 21

22 23 24 25

Etwa bei Schottroff 1982, S. 136. Miura 2007, S. 50–51; vgl. Fallon 1983, S. 863; Wacholder 1974, S. 1–21. Sehr kritische Ansichten zu Eupolemos als Autor und glaubwürdige Quelle etwa bei Feldman 1996, S. 28: „Its linguistic and stylistic deficiencies are so serious that, according to Hengel, it can hardly have been composed in Alexandria. […] Finally, it seems hard to believe that if Eupolemos was a Jew, a priest, a historian of the biblical period, a friend of the Hasmoneans, and an inhabitant of the Land of Israel, Josephos, who was all of these, should not have drawn on him as a source.“ Außerdem gibt es auch Ansätze das Werk später zu datieren, etwa unter Aristoboulos: Knauf 1998, S. 271. Bartlett 1985, S. 63; Miura 2007, S. 50–51; Cousland 2002, S. 67. 2 Sam. 8, 12–14. Bartlett 1985, S. 63. Freyne 2004, S. 79–80.

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Die Anfänge der Eigenherrschaften

Verortung im südlichen Transjordanien geklärt.26 Es bleibt zu überlegen, ob die in dieser Liste ebenfalls genannten Ituraier und Nabadaier zwangsläufig ebenfalls in dieser Region zu suchen sind, oder ob sie hier nicht als aktualisierte Substitute für die nördlichen Nachbarn um Aram-Damaskos und Aram-Zoba stehen.27 So ist in der Forschung bereits vorgeschlagen worden, die Nabadaier entweder als Einwohner der im 1. Makkabaier-Buch belegten Stadt Nadabath28 oder aber durch Verschreibung die sabaischen Araber in der nördlichen Beka-Ebene zu sehen.29 Beide Lokalisierungen liegen nördlich der anderen genannten Gemeinschaften. Daraus könnte sich ergeben, dass Eupolemos in dieser Liste eine Aufzählung der die Hasmonaier umgebenden Gemeinschaften intendierte, die nicht geographisch der Reihe nach, sondern ‚durcheinander‘ gegeben wurde, wie dies ja auch schon im Buch Samuel möglicherweise zur erzählerischen Betonung ‚überall‘ getätigter Eroberungen geschah. Wenn dem so wäre, dann müssten die Ituraier bei Eupolemos die nördlichen Nachbarn der Hasmonaier sein: (Ägypten und) Edom liegen im Süden, daran schließen sich südwestlich die Nabataier an, weiter gegen den Uhrzeigersinn folgen Moabiter und Ammoniter, dann nordöstlich Nabdaier und nördlich die Ituraier, bevor dann nord-nordwestlich die phoinikischen Städte anschließen. Nach dieser Argumentation würde Eupolemos eine Verortung der Ituraier im Norden der Hasmonaier, also im Raum von Libanon, Antilibanon und Beka-Ebene stützen – in dem Raum, in dem z. B. die Itu’u zu verorten sind. Eupolemos ist dann kein Beleg dafür, dass die Ituraier Nomaden waren, die von Transjordanien in die Beka-Ebene einwanderten, sondern seine Aussage deckt sich mit den späteren Quellen zu den Siedlungsgebieten der Ituraier, die in der Folge diskutiert werden sollen. Wahrscheinlich kann das Quellenzeugnis als ein Hinweis auf die Rivalität zwischen den Hasmonaiern und den Ituraiern (sowie natürlich auch den anderen genannten Gemeinschaften) gesehen werden, denn durch die Darstellung als Gegner Davids werden sie zu ‚automatischen‘ Gegnern der Hasmonaier. Verschiedene Gebiete in Mittel- und Südsyrien werden dabei von den Quellen oder der Forschung mit den Ituraiern in Verbindung gebracht. Dies ist zunächst einmal der Raum von Libanon, Antilibanon und Beka-Ebene, den Strabon als Wirkungsbereich der Ituraier bezeugt30; das daran angrenzende Tal des Baradas, in welchem ein ituraischer Tetrarch belegt ist31; das nördliche Galilaia mit dem Huleh-Tal und Paneion, in welchem die Ituraier mit den Hasmonaiern und später Herodes um Kontrolle rangen32; das Hermon-Gebirge und der Golan, welche 26 27

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Vgl. Diod. 2, 48, 1; Taylor 2002, S. 38. Lipiński 2000, S. 319–320; vgl. Willitts 2015, S. 357. 1 Makk. 9, 37. Fallon 1983, S. 861–862; Holladay 1983, S. 140; Bartlett 1985, S. 63. Zu den sabaischen Arabern vgl. 1. Makk. 12, 25–30. Strab. 16, 2, 18. Savignac 1912, S. 533–540. Vgl. auch Luk. 3, 1–2; Ptol. 6, 15, 22. Jos. Ant.Jud. 13, 12, 3.

Die Territorien der Ituraier und Emesener

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in der Forschung als ituraischer Siedlungs- und Herrschaftsraum interpretiert worden sind33; sowie die Trachonitis mit der Hauran-Region, in der das Wirken eines ituraischen Tetrarchen bezeugt ist34. Diese Gebiete sind sehr unterschiedlich erforscht, dennoch können einige Informationen über ihre Siedlungsentwicklung zusammengetragen werden, die Überlegungen über die Anfänge der ituraischen Eigenherrschaft erlauben. Diese sollen mit Erkenntnissen zur Siedlungsentwicklung der emesenischen Gebiete verglichen werden.

3.2 Die Territorien der Ituraier und Emesener 3.2.1 Die Siedlungsentwicklung der Herrschaftsgebiete der Ituraier Strabon bietet die erste konkrete Benennung des ituraischen Herrschaftsraumes, die diesen im Gebiet von Libanon und Antilibanon verortet, in der bereits zitierten Textstelle: Μετὰ δὲ τὸν Μάκραν ἐστὶν ὁ Μασσύας, ἔχων τινὰ καὶ ὀρεινά, ἐν οἷς ἡ Χαλκίς, ὥσπερ ἀκρόπολις τοῦ Μασσύου· ἀρχὴ δ᾿ αὐτοῦ Λαοδίκεια ἡ πρὸς Λιβάνῳ. τὰ μὲν οὖν ὀρεινὰ ἔχουσι πάντα Ἰτουραῖοί τε καὶ Ἄραβες, κακοῦργοι πάντες, οἱ δ᾿ ἐν τοῖς πεδίοις γεωργοί· κακούμενοι δ᾿ ὑπ᾿ ἐκείνων ἄλλοτε ἄλλης βοηθείας δέονται. ὁρμητηρίοις δ᾿ ἐρυμνοῖς χρῶνται, καθάπερ οἱ τὸν Λίβανον ἔχοντες ἄνω μὲν ἐν τῷ ὄρει Σιννᾶν καὶ Βόρραμα καὶ ἄλλα τοιαῦτα ἔχουσι τείχη, κάτω δὲ Βότρυν καὶ Γίγαρτον καὶ τὰ ἐπὶ τῆς θαλάττης σπήλαια καὶ τὸ ἐπὶ τῷ Θεοῦ προσώπῳ φρούριον ἐπιτεθέν, ἃ κατέσπασε Πομπήιος, ἀφ᾿ ὧν τήν τε Βύβλον κατέτρεχον καὶ τὴν ἐφεξῆς ταύτῃ Βηρυτόν, αἳ μεταξὺ κεῖνται Σιδόνος καὶ τοῦ Θεοῦ προσώπου.

33

„Nach Makras kommt die Ebene Massyas, die einige gebirgige Teile enthält, darunter auch Chalkis, die Akropolis des Massyas. Diese Ebene beginnt bei Laodikeia am Libanon. Die gebirgigen Teile werden sämtlich von Ituraiern und Arabern, Übeltäter allesamt, bewohnt (die Ebene dagegen von Bauern, die teils dieser, teils jener Hilfe bedürfen.) Sie haben naturfeste Stützpunkte, ebenso wie die Bewohner des Libanos oben in den Bergen Sinna, Borrama und andere ähnliche Bollwerke haben, und unten Bortys, Gigartos, die Höhlen am Meer und die auf das Gottesantlitz [Theuprosopon] gesetzte Festung, die Pompeius alle niedergerissen hat: von diesen Orten aus pflegten sie Byblos und das daran anschließende Berytos heimzusuchen, zwei Städte die zwischen Sidon und dem Gottesantlitz liegen.“35

Dar 1988, S. 29–31. Strab. 16, 2, 20, Übersetzung von Forbiger. 35 Strab. 16, 2, 18, Übersetzung nach Radt. Libanon und Antilibanon waren für Strabon das eigentliche Koilé-Syrien, während der Begriff auch den Raum zwischen der Seleukis 34

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Die Anfänge der Eigenherrschaften

Nimmt man diese Beschreibung wörtlich, befanden sich zu Strabons Zeiten – oder zur Zeit seiner Quelle(n) – verschiedene Bevölkerungsgruppen in der Region: In den Bergen Ituraier und Araber, in der Ebene Bauern und dann noch die „Bewohner des Libanon“, bei denen nicht ganz klar ist, ob diese eine von Ituraier und Arabern verschiedene Gruppe oder mit ihnen identisch sind. Strabon scheint außerdem eine unterschiedliche Besiedlungsstruktur für diese beiden Räume Ebene und Gebirge zu suggerieren: Während die Ebene von Bauern bewohnt wurde, die also vermutlich in landwirtschaftlich geprägten Siedlungen und / oder Einzelgehöften anzutreffen waren, waren die Bewohner der Berge, und damit auch Ituraier und Araber, mit „festen Stützpunkte“ und „Bollwerken“ oder Festungen sowie Höhlen verbunden. Es muss sich dabei also um befestigte oder mindestens verteidigbare Stellungen gehandelt haben, die auch Gebrauch von natürlich vorkommenden Landschaftsmerkmalen wie Höhlen und Felsen machten. Es ist vielleicht überraschend, wie gut diese Beschreibung mit den archäologisch nachweisbaren Siedlungsspuren in der Region in Einklang zu bringen ist. Dies gilt zunächst einmal für die Ebene. Die Beka-Ebene wurde in den 1970er Jahren von Marfoe durch umfangreiche Survey-Arbeiten untersucht. Hier zeigte sich, dass sie in persischer Zeit vergleichsweise dünn besiedelt war, aber in hellenistischer Zeit diese Besiedlung sowohl in der südlichen wie der nördlichen Ebene deutlich zunahm. Gegenüber 19 perserzeitlichen Fundplätzen fanden sich nun an 46 Plätzen hellenistische Keramik. Betrachtet man die regionale Verteilung der Fundorte, so fällt auf, dass der Süden der Beka-Ebene mit 23 sicher hellenistischen Fundplätzen zu 15 im Norden stärker besiedelt war, wobei beide Regionen

und Ägypten meinen konnte: Strab. 18, 2, 16. Die Verwendung der Raumbezeichnung Koilé-Syrien ist in den hellenistisch-römischen Quellen nicht einheitlich. Mit Keel et al. entwickelte sich in der Zeit der Beherrschung Syriens durch Ptolemaier im Süden und Seleukiden im Norden eine Verengung des zuvor für den gesamten syrischen Raum gebrauchten Begriffs: Mit dem „oberen Syrien“ wurde der seleukidische Herrschaftsbereich, mit dem „tiefgelegenen Syrien“, also Koilé-Syrien, der ptolemaische benannt. Dieser ptolemaische Herrschaftsbereich habe deren Besitzungen in Phoinikien und Palaistina bis Ägypten umfasst und die Bezeichnung als Koilé-Syrien sei dann nach der Eroberung durch Antiochos III. 198 v. Chr. beibehalten worden. Durch die Expansion der Hasmonaier habe sich der Begriff aber auf die noch seleukidisch kontrollierten Bereiche im Norden des Gebietes, also Libanon [und Antilibanon] und Damaszene eingeengt, wie dies auch bei Strabon erkennbar sei: Keel / Küchler / Uehlinger 1984, S. 237–239. Auch bei Appian findet sich eine „enge“ Begriffsfassung von Koilé-Syrien bei der Beschreibung der Herrschaftsübernahme der Römer über das ehemalige Seleukidenreich: „So kamen die Römer, ohne zu kämpfen, in den Besitz von Kilikien, das Innere Syrien und Koilé-Syrien, Phoinikien, Palaistina und all der anderen Länder die den Namen Syrien tragen vom Euphrat bis Ägypten und dem Meer.“ (App. Syr. 50, 1). Eine Inschrift aus Tyros aus dem 3. Jhd. v. Chr. nennt Koilé-Syrien als Regionalbezeichnung: Rey-Coquais 2006, Nr. 387.

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gleichermaßen eine ungefähre Verdopplung der Fundstellen erlebten.36 Lediglich drei Fundplätze sind offenbar in vorherigen Epochen nicht genutzt worden, also ‚hellenistische Neugründungen‘. Das sind Tell Baaloul, Qal’at as-Salūk / a l Mudik und El Fourzol. Diese drei Orte liegen in der südlichen Beka-Ebene, am Rande der Ebene in Höhenlagen.37 Gerade die Lage der ‚Neugründungen‘ im Süden der Ebene könnten für eine Anlage durch die Ptolemaier sprechen, die von Süden aus die Beka-Ebene für ihre Herrschaft erschlossen, wie noch zu beschreiben sein wird. Qal’at as-Salūk / a l Mudik (Houch al Saalouk) liegt dabei an der Westseite der Ebene. Frühere archäologische Prospektionen zeigten hier die Reste eines hellenistischen Kastells sowie einer Stadt mit einem 3 km langen Mauerverlauf. Dieser Ort wurde mit Brochoi, einer der bei Polybios erwähnten ptolemaischen Festungen im Süden der Beka38, identifiziert.39 Schmitt hält es für möglich, in diesem Fundplatz Chalkis, den Hauptort der ituraischen Tetrarchen, zu sehen.40 Marfoe sieht in dem Ort ein hellenistisches Höhenfort, das gemeinsam mit Majdal Anjar41 auf der gegenüberliegenden Seite der Beka-Ebene diese kontrollierte.42 36

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Die Siedlungsstruktur der nördlichen Beka-Ebene ist außerdem im Rahmen des TAVO-Projekts 1972 nähere erfasst worden. Durch die Ausrichtung auf die frühgeschichtlichen Funde wurden für spätere Epochen nur Überblicksergebnisse präsentiert. Von den dabei insgesamt 31 Siedlungsstellen aus historischer Zeit wiesen nur sieben hellenistische Funde, 16 dagegen römische und 24 spätantik-byzantinische Reste auf. Dabei konzentrierten sich für Kuschke die Siedlungen der Vorgeschichte bis in hellenistische Zeit zunächst auf die Talböden, erst seit der römischen Epoche seien auch die durch Wasserläufe geschaffenen Täler entlang der Hänge von Libanon und Antilibanon besiedelt worden. Eine ähnliche Siedlungsstruktur macht er auch für das benachbarte und parallel zur Beka-Ebene laufende Tal von Zebedani aus: Kuschke 1978, S. 43–45; Kuschke 1955, S. 103. Bei dieser Untersuchung fand man auch in Tall Hīra in der Beka Reste antiker Besiedlung, die Knauf als Überreste eines befestigten ituraischen Lagers deuten möchte und sogar „Ituraier-Burg“ nennt. Er versteht den Ort so: „The architecture – a camp rather than a village – as well as the name of the place – the Arabic form of Aramic hē(’)rtā, „enclosure, Bedouin camp“, – indicate well that state formation and Hellenistic acculturation did not, in the case of the Ituraeans, coincide with complete sedentarization. Like the Nabataeans until the midst of the 1st century AD, one may say that the Ituraeans did not form a state, they just owned one.“ Knauf 1998, S. 276; vgl. auch Knauf 1984, S. 19–22. Allerdings konnten hier keinerlei Oberflächenfunde aus vorrömischer Zeit gemacht werden, womit diese Interpretation angezweifelt werden darf. Marfoe 1995, S. 185–310. Polyb. 5, 45, 8–46, 2. Mouterde erkennt am Ort Reste von einer Umfassungsmauer, Gehöften sowie ein römisches Kastell, er beschreibt ein Gebäude mit Turm sowie einen kleinen Tempel: Mouterde 1951–1952, S. 50–52. Schmitt 1982, S. 111. Vgl. hierzu Myers 2010, S. 90–97. Marfoe 1979, S. 25.

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Beide Orte lagen an einer strategisch günstigen Position, denn in der mittleren Beka-Ebene gab es noch bis ins Mittelalter hinein einen größeren See, der nur an den Seiten durch enge Landstreifen zwischen den Berghängen und den Ufern des Sees, bzw. dort angrenzenden Sümpfen, umgangen werden konnte.43 Aus dieser faktischen Teilung der Beka-Ebene ergeben sich für Hachmann die unterschiedlichen Begrifflichkeiten für die Beka-Ebene bei Strabon, der den nördlichen Teil „Ebene von Marsyas“, den Teil südlich des Sees jedoch „königliches Tal“ nennt.44 Diese unterschiedlichen Namen für die beiden Teile der Ebene könnten aber auch Hinweis auf die Organisation der Region liefern: Weite Teile des Nordens Palaistinas und der Beka-Ebene waren in hellenistischer Zeit wohl Königsland, wie die Bezeichnung als „königliches Tal“ für den südlichen Teil der Beka-Ebene bei Strabon nahe legt.45 Dieses Königsland konnte an königliche Pächter oder Katoiken ausgegeben werden.46 So geht Seyrig davon aus, dass die Beka-Ebene zunächst makedonische und dann ptolemaische Kolonisten aufnahm.47 Auch für Ghadban ist ausgemacht, dass die Beka-Ebene ebenso wie Libanon und Antilibanon in hellenistischer Zeit als Königsland organisiert war und er vermutet, dass die Ituraier sich auf diesem „avec l’accord du souverain“ niedergelassen hätten.48 Die Zunahme der Besiedlung der Ebene in hellenistischer Zeit scheint die Vorstellung von der Ansiedlung von Kolonisten durch hellenistische Herrscher zu unterstützen, auch wenn angesichts der schlechten Erfassungslage der Fundorte keine genaueren Angaben möglich sind. In der südlichen Beka-Ebene wurde einzig Kamid el-Loz intensiv archäologisch erforscht. Die hohe Anzahl von hellenistisch datierbarer Keramik in Kamid el-Loz läßt am Ort eine größere Siedlung erkennen, die an das Huleh-Tal, das südliche wie das nördliche Syrien und die phoinikische Küste als Transithändler der rhodischen Amphoren angebunden war. Im Hinterland von Kamid el-Loz konnte ein Survey der Täler des Antilibanon zwischen Kamid el-Loz und Yanta zeigen, dass hier in hellenistischer Zeit 17 Siedlungsstellen genutzt wurden, deren Keramikhorizonte vor allem den Kontakt zum Huleh-Tal und dem Oberen Jordanbecken zeigen. 43 44

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Kuschke 1958, S. 83. Hachmann 1983, S. 26–28. Strab. 16, 2, 18: „Nach Makras folgt [das Gefilde] Marsyas, welches auch einige Berghöhen enthält, auf welchem Chalkis, gleichsam die Burgfeste des Marsyas, liegt. Sein Anfang ist Laodikeia am Libanus[…]. Über [dem Gefilde] Marsyas liegt das sogenannte königliche Tal und die außerordentlich gepriesene Landschaft Damaszene.“ Diesen See beschreibt wohl auch Theophrast, der ihn explizit zwischen Libanon und einem dem Anti-Libanon vorgelagerten Gebirgszug verortet, womit eine Lage in der südlichen Beka-Ebene wahrscheinlich wird: Theoph. hist.pl. 9, 7, 1; dazu Myers 2010, S. 85–86. Capdetrey 2007, S. 141 zu Strab. 16, 2, 18. Vgl. Berlin 2005, S. 420–421. Vgl. Seyrig 1970, S. 85–86. Ghadban 1987, S. 224.

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Fundstellen mit hellenistischer Keramik stellten dabei auch die größte chronologische Gruppe dar. Kamid el-Loz war also eine florierende Siedlung, die offenbar auch nach dem Herrschaftswechsel über den Raum von den Ptolemaiern zu den Seleukiden nach der Schlacht am Paneion 199 v. Chr. gut in die Handelsnetzwerke des östlichen Mittelmeerraums eingebunden war.49 Es entsteht damit das Bild einer in hellenistischer Zeit siedlungstechnisch und landwirtschaftlich gut erschlossenen Beka-Ebene, die eine Kontinuität der Siedlungsorte (und damit auch Wirtschaftsweise?) zur vorherigen Epoche zeigt. Neue Siedlungen werden an strategischen Punkten entlang der Kommunikationsrouten im Süden der Region angelegt und können damit als Teil der ptolemaischen Gebietssicherung in ihren phoinikisch-palaistinischen Territorien verstanden werden.50 In diese strategische Gebietssicherung war vielleicht auch die einzige Stadt eingebunden, die sich explizit mit den Ituraiern in Verbindung bringt: Tell Arqa, das antike Arka, an den nördlichen Ausläufern des Libanon am Taleinschnitt des Eleutheros-Flusses. Tell Arqa war schon in vorhistorischer Zeit Siedlungszentrum der südlichen Akkar-Ebene und diese Situation hatte sich in hellenistischer Zeit nicht verändert. Als Grenze zwischen Ptolemaiern und Seleukiden war der Eleutheros (Nahr el Kebir) strategisch wichtig, Tell Arqa wird entsprechende Bedeutung unter den Ptolemaiern gehabt haben.51 Cohen weist darauf hin, dass Arka eine ptolemaische „Neu“-Gründung gewesen sein könnte: Als Herakleia in Phoinikien wird es bereits 258 v. Chr. in den Zenon-Papyri erwähnt.52 Mit dem Sieg bei Paneion gehörte auch Tell Arqa zum Seleukidenreich unter Antiochos III.. Zu einem ungeklärten Zeitpunkt kam Arka dann zum Machtbereich der sich verselbstständigen Ituraier. Der Eleutheros-Fluss und Tell Arqa waren vielleicht die Nordwestgrenze der ituraischen Territorien, da Tell Arqa noch als ituraische Siedlung identifizierbar ist, während das auf der anderen Seite des Flusses gelegene Tell Kazel dem phoinikischen Kulturraum zurechenbar scheint.53 Nach Thalmann zeigen die Funde, dass Arka in persischer und hellenistischer Zeit lediglich eine kleinere ländliche Besiedlung aufwies, die aber eine Rolle als überregionales religiöses Zentrum spielte. Seit dem 2. Jhd. v. Chr. kam es zu einem Ausbau des Ortes, der sich seit dem Ende des 1. Jhd. v. Chr. intensivierte.54 Die Bautätigkeit

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Bonatz 2002, S. 299; Kulemann-Ossen / L eicht / Heinz 2007/2008, S. 170–179. Diese Gebietssicherung hat Balandier 2014 nachgezeichnet. Cohen 2006, S. 204–205; Will 1975, S. 44–49. P.Cairo Zen. I 59088, 9–10; P.Cairo Zen. I. 59044, 1–2; P.Cairo Zen. I 59093, 9 nach Cohen. P.Lond VII 1933, 10–11. Die kulturelle Verbindung von Tell Kazel zum phoinikischen Umfeld ergibt sich etwa aus den in den hellenistischen Schichten gefundenen Amphoreninschriften, vgl. Sader 1990, S. 94–97. Aliquot 1999–2000, S. 237–238.

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hatte ihren Höhepunkt wohl in der fortschreitenden Kaiserzeit.55 Starcky geht davon aus, dass zu Arka ein ausgedehntes Gebiet bis zum Kap von Chekka, dem antiken Theuprosopon, gehört habe und vielleicht auch das bekannte Monument auf dem Hermel nördlich von Baalbek als Grabmal eines Dynasten von Arka errichtet worden sei.56 Kropp möchte das Monument ebenfalls als Grabmal eines ituraischen Dynasten verstehen, allerdings der ituraischen Dynasten von Chalkis.57 Dass Arka mit den Ituraiern in Verbindung stand, bestätigt die Stadt selbst, da sie in ihren seit dem 2. Jhd. n. Chr. geprägten Münzen in einigen Serien den Namen der Stadt mit colonia Caesarea Ituraeorum angibt.58 Die Münzserien zeigen auch einen Tempel, der entweder den Tempel der Stadtgöttin von Arka, die in der Kaiserzeit als Venus Lugens verehrt wurde, oder aber einen literarisch bezeugten Tempel für Alexander den Großen darstellt.59 Die Siedlungsstruktur der unterhalb von Tell Arqa liegende Akkar-Ebene ist durch einen Oberflächensurvey erfasst worden. Dieser Raum scheint siedlungstechnisch auf Tell Arqa als Zentralort ausgerichtet gewesen zu sein. Die in persischer Zeit noch dünne Besiedlung nahm ab dem 3. Jhd. v. Chr. deutlich zu.60 Neben dem Siedlungszentrum in Tell Arqa fanden sich eine Reihe von kleineren Orten und Gehöften, die trotz des potentiellen Verlustes von Fundstellen durch die intensive moderne Landwirtschaft eine relativ dichte Besiedlung zeigen.61 Die vorhandenen Daten lassen dabei keinen Bruch der Siedlungstraditionen oder größere Umwälzungen seit dem 3. Jhd. v. Chr. erkennen, Bartl spricht von „demographic stability“. Neue Siedlungsplätze wurden erst seit römischer Zeit erschlossen.62 Diese Befundlage muss mindestens als Indiz dafür gewertet werden, dass eine Übernahme der Kontrolle über die Stadt durch potentiell einwandernde Ituraier nicht mit größeren Verwerfungen am Ort einherging. Sie stützt vielmehr das Argument, dass es sich bei den Ituraiern nicht um eine einwandernde Bevölkerungsgruppe handelte. Zu der Besiedlung der Ebenen gesellte sich offenbar ab dem ausgehenden 2. Jhd. v. Chr., und damit unter seleukidischer Herrschaft, eine stärkere Inwertsetzung der Gebirgszüge. Dies lässt sich insbesondere durch die Erforschung des Tals des Nahr Ibrahim, des antiken Adonis-Flusses, nachvollziehen, das eine der wenigen und wichtigen Verbindungsrouten der Küste durch den Libanon in die Beka-Ebene 55

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Thalmann 2000, S. 13. Starcky 1971, S. 106–109. Kropp 2013, S. 212–217. Etwa Rouvier 738var. Starcky 1971, S. 106–109 mit Quellenbelegen. Wobei insgesamt 11 Siedlungsstellen anhand der Keramik auf die hellenistische Epoche zwischen dem 3. und der Mitte des 1. Jhd. v. Chr. und 14 auf die römische Epoche zwischen der Mitte des 1. Jhd. v. Chr. und dem 3. Jhd. n. Chr. datiert werden konnten: Bartl 2009, S. 517–518. Bartl 2002, S. 28, 32, 37. Bartl 2009, S. 517–518 und 520.

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darstellt. Hier fanden sich fünf hellenistische Höhensiedlungen entlang des Tals, die in die zweite Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. und das 1. Jhd. v. Chr. datieren und offenbar in römischer Zeit aufgegeben wurden.63 Wirtschaftliche Grundlage der Bewohner waren wohl Ackerbau und auch Viehzucht, eine etwaige Bewaldung stand einer landwirtschaftlichen Nutzung des Gebirges nicht im Weg.64 Diese Siedlungen werden von Gatier und Kollegen als Ausdruck einer Bevölkerungszunahme in der Region gewertet, die einherging mit einer grundsätzlichen Instabilität der Sicherheitslage, weshalb verteidigbare und befestigbare Siedlungsplätze ausgewählt worden seien.65 Die Ausgräber könnten sich vorstellen, dass die Bevölkerung in hellenistischer Zeit Ituraier waren.66 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass eine Besiedlung von neuralgischen Punkten entlang von Kommunikationsrouten genauso gut Teil einer strategischen Gebietssicherung sein konnte, mit der sowohl Zentralmächte als auch regionale Herrschaftsträger Räume stärker auch administrativ durchdringen konnten. Denn Kontrolle bedeutete das Abschöpfen von Gewinnmöglichkeiten sowohl über die Besteuerung von Produktion vor Ort wie über die Einforderung von Zöllen für den Warenverkehr. Diese Besiedlung ist daher nicht  a priori als Indiz einer schlechten Sicherheitslage oder auch einer nomadischen Bevölkerung zu werten. Grundsätzlich konstruierten antike Schriftsteller noch bis in die Hohe Kaiserzeit hinein einen Gegensatz zwischen Gebirgsbewohnern und solchen der Täler und Ebenen.67 Strabon könnte bei der Beschreibung der den Libanon bewohnenden Ituraier also auf bekannte Topoi zur Bevölkerung von Gebirgen zurückgegriffen haben, ohne dass damit automatisch 63 64

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Gatier 2005, S. 7–10. Es handelt sich um El-Hosn, Chouita / Mzérib, Qalaa, Qal'at Nemroud und Tadmor. Während Briquel-Chatonnet davon ausgeht, die Wälder entlang der Hänge der Gebirge seien erst in der Spätantike intensiv abgeholzt worden (Briquel-Chatonnet 2004, S. 471), glauben Gatier und Nordiguian, dass schon in hellenistischer Zeit keine starke Bewaldung mehr vorhanden war, die eine Besiedlung hätte verhindern können (Gatier / Nordiguian 2004, S. 372–373). Marfoe dagegen denkt, dass abgesehen von der Anlage einiger hellenistischer „hill forts“ bis zum Ende des 1. Jhd. v. Chr. kein Interesse an einer siedlungstechnischen Nutzung der Hügel bestanden hätte, weil die dichte Bewaldung eine Besiedlung verhinderte. Erst mit der Entsendung römischer Kolonisten habe die Abholzung und Besiedlung der Hänge so zugenommen, dass Hadrian sich zur Aufstellung von Grenzsteinen genötigt sah, um seine kaiserlichen Baumbestände vor der Vernichtung zu schützen (Marfoe 1982, S. 468). Vgl. Gatier et al. 2005, S. 161–166. Gatier / Nordiguian 2004, S.  368. Dies findet sich etwa noch in der berühmten Rom-Rede des Aelius Aristides, in der er die Überwindung dieses Gegensatzes durch die Herrschaft der Römer lobt: „Für alle ist überall eure Herrschaft gleich. Diejenigen, welche in den Bergen leben, sind noch friedlicher als die Bewohner der tiefsten Täler und leisten keinen Widerstand mehr, und die Menschen in den reichen Ebenen, sowohl die Kolonisten als auch die Bewohner des Landes, bestellen für euch das Feld.“ (Aristid. Rom. 30).

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eine nomadische Lebensweise für diese gemeint sein muss. Dazu passt eine von Paturel aufgegriffene These, dass der Name der Ituraier sich vom Aramaischen turo für Bergbewohner ableite.68 Gut zu verteidigende Siedlungen entlang strategischer Verkehrsrouten würden für die dortige Bevölkerung ein hohes Maß an Kontrolle über diese Verkehrsrouten bedeuten und böten gleichzeitig eine ideale Ausgangslage, um aus dem Gebirge heraus sowohl in die Beka-Ebene als auch an die Küste zu operieren. Gerade entlang der phoinikische Küste ergaben die topographischen Gegebenheiten eigentlich nur eine Möglichkeit der Nord-Süd-Kommunikation entlang der Küstenlinie.69 Diese Kommunikationsachse ließ sich verhältnismäßig leicht durch die gezielte Anlage von strategisch günstigen Streckenposten kontrollieren – wie Strabon es ja auch für die Ituraier beschreibt: Entlang der Straßenroute nutzten die Ituraier Kastelle und Höhlen als Stützpunkte, errichteten aber auch mindestens ein Kastell auf dem sog. Gottesantlitz / Theuprosopon. Dieses Kap, das vielleicht zum Territorium von Arka gehörte, bildete eine natürliche Engstelle entlang der Küstenroute, die es als Kontrollpunkt ideal machten.70 Das von Stabon in diesem Zusammenhang ebenfalls genannte Bortys wird bei Polybios im Zuge des Feldzugs des Antiochos IV. gegen Ptolemaios IV. 219 v. Chr. als eines der von Antiochos eroberten Orte erwähnt.71 Mindestens bei diesem Operationsort der Ituraier handelte es sich also um ein ptolemaisches Kastell oder zumindest doch um eine schon unter den Ptolemaiern genutzte befestigte Siedlung. Vielleicht gehörte zu diesen Kastellen das castellum, das Q. Aemilius Secundus, der vom Statthalter Quirinus unter Augustus adversus Ituraeos in Libano monte geschickt worden war, dort nach eigener Aussage zerstörte.72 68

Paturel 2014, S. 84. Vgl. Salamé-Sarkis 2005, S. 174–175. 70 Kap auch erwähnt bei Pomp. Mela 1, 12; weitere Quellen bei Salamé-Sarkis 2005, S. 175–177. Teil dieses Ausgreifens könnte auch eine Kontrolle über Orthosia gewesen sein, welches zwischen Arka und Theuprosopon lag und daher ebenfalls zwischenzeitlich in den ituraischen Herrschaftsbereich gelangt sein könnte, so Salamé-Sarkis 2005, S. 186. Nördlich davon liegt Zagharta, etwa 22 km südlich von Tripolis, in dem Furrer das bei Strabon erwähnte Gigarta erkennen möchte: Furrer 1885, S. 22. 71 Polybios schreibt über diesen Zug, der entlang der Küstenroute führte: „Beginnend bei Marathus drang er in Feindesland vor nahe dem Vorgebirge mit Namen Theoprosopon, und zog nach Berytos, nachdem er auf dem Weg Botrys eingenommen hatte, und brannte Trieres und Calamus nieder.“ Polyb. 5, 68, 8. 72 CIL III 6687 = CIL V 136 = AE 2006, 1579: Q(uintus) Aemilius Q(uinti) f(ilius) / Pal(atina) Secundus [in] / castris divi Aug(usti) [sub] / P(ublio) Sulpi[c]io Quirinio le[g(ato) Aug(usti)] / [Ca]esaris Syriae honori / bus decoratus pr[a]efect(us) / cohort(is) Aug(usti) I pr[a]efect(us) cohort(is) II classicae idem / iussu Quirini censum egi / Apamenae civitatis mil / lium homin(um) civium CXVII / idem missu Quirini adversus / Ituraeos in Libano monte / castellum eorum cepi et ante / militim praefect(us) fabrum / delatus a duobus co(n)s(ulibus) ad ae / rarium et in colonia / quaestor aedil(is) II duumvir II / pontifex{s} / 69

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Strategische Sicherung und landwirtschaftliche Inwertsetzung sind vielleicht ebenfalls der Hintergrund der beschriebenen Siedlungen im Tal des Nahr Ibrahim im Libanon und des am Fluss gelegenen Yanouh. Yanouh ist mindestens seit der Bronzezeit besiedelt, in der zweiten Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. entstand hier neben einer Siedlung ein erstes Heiligtum, dessen Plan und Bauweise an den zeitgenössischen Tempel in Tell Dan erinnern. Die Datierung des Bauwerkes sichert eine heute verlorene aramaische Inschrift, in der ein „Haus für Gott / die Götter“ genannt wird und die nach Seleukidischer Ära auf das Jahr 110/109 v. Chr. datiert.73 Ein offenbar stetiger Ausbau der Kommunikationsrouten seit der hellenistischen Epoche sorgte für eine erkennbare Anbindung der Siedlung und ihres Heiligtums an die Küste und die Warenströme des Mittelmeerraumes.74 Dies scheint also eine relativ prosperierende Siedlung gewesen zu sein. Mit offenbar ähnlichem Zeithorizont und ebenfalls guter Anbindung an die Warenströme des Mittelmeerraumes entstand Qal’at el Hosn, in der Nähe des Ortes Douma auf der ‚Küstenseite‘ des Libanon. Die Lage auf einer Bergkuppe, die gut verteidigt werden kann und gleichzeitig gute Sichtbarkeit auf das umgebende Tal bietet, erlaubt die Kontrolle einer möglichen Verkehrsverbindung von dem Küstenort Botrys über den Libanon z. B. über Aaquora weiter in die Beka-Ebene.75 Die Keramikfunde machen eine Anlage von Qal’at el Hosn ab dem ausgehenden 2. oder frühen 1. Jhd. v. Chr. wahrscheinlich. Sektor A der Ruine wird von Ghanimé-Marion als möglicherweise befestigtes Gebäude / K astell angesehen, während Sektor C als wahrscheinlicher Kultort verstanden wird. Sie diskutiert vor allem vor dem Hintergrund des Keramikbefundes, der strategischen Lage und des Verteidigungscharakters eine Verbindung des Komplexes mit den Ituraiern. Schon Renan habe eine Identifikation der Anlage mit dem bei Strabon bezeugten Kastell Boramma vorgeschlagen.76

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ibi positi sunt Q(uintus) Aemilius Q(uinti) f(ilius) Pal(atina) / Secundus f(ilius) et Aemilia Chia lib(erta) / h(oc)  m(onumentum) amplius h(eredem) n(on) s(equetur). Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. Gatier / Nordiguian 2004, S.  370–371. Al-Maqdissi 2005, S. 39. Gatier bringt die Aufgabe der befestigten Höhensiedlungen in römischer Zeit mit einer Entscheidung der Zentralmacht Rom zusammen, die Raumkontrolle in diesem Gebiet anders zu gestalten: Gatier 2005, S. 14. In Aaquora sind Reste einer unter Domitian ausgebauten römischen Straßentrasse zu sehen: Gatier 2005, S. 9. Ghanimé-Marion 2007, S. 103–139. Vielleicht lässt sich der Befund auch mit Niha und Hosn Niha, weiter südlich am Westhang des Libanon gelegen, vergleichen. In Hosn Niha haben neuere Prospektionen neben dem bekannten kaiserzeitlichen Tempelareal und dem durch den libanesischen Bürgerkrieg und zahlreiche illegale Raubgrabungen auch der neueren Zeit zerstörten antiken Dorf unterhalb ein „subsidiary, non-GraecoRoman-style cult high-place“ auf dem Hang nordwestlich des Dorfes erkennen lassen. Die gesammelten Scherben deuten die Studienleiter als Indizien für „a large Greco-Roman settlement“ (Newson / Young 2015, S. 452–462, Zitate S. 458, 461). Leider können

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Vielleicht ist auch die einzige bislang bei Prospektionen im parallel zur BekaEbene im Antilibanon verlaufenden Tal von Zebedani benannte hellenistische Siedlung in den Kontext einer strategischen Sicherung einer wichtigen Kommunikationsroute einzuordnen. Insgesamt ist aber der Kenntnisstand zu diesem Tal zu schlecht, um verlässliche Aussagen treffen zu können.77 Auch der Antilibanon ist noch nicht systematisch erforscht worden, aber trotzdem lassen sich zu diesem Raum einige Informationen zusammentragen. Es ist hier mehr als unglücklich, dass das von Strabon als ‚Hauptstadt‘ der Ituraier bezeugte Chalkis bislang nicht sicher lokalisiert ist.78 Chalkis muss südlich von Heliopolis gelegen haben, da Pompeius – wie noch zu berichten sein wird – es offenbar auf seinem Weg von Apameia am Orontes über Heliopolis nach Damaskos besuchte.79 Damit könnte dieser Ort am / im Antilibanon gelegen haben. Der Name Chalkis könnte eine Gründung durch Seleukos I. Nikator nahelegen, da der Name in einer Liste von dessen Gründungen bei Appian auftaucht.80 Grainger hält die Anlage von größeren Siedlungen mit makedonischen Namen wie Pella, Larissa und Chalkis allerdings für Gründungen von Antigonos I.81 Nach Cohen ist es wahrscheinlich, dass Chalkis im Libanon seinen Namen von einer der griechischen Städte gleichen Namens empfing. Es stünde damit in der Tradition hellenistischer Gründungen in den Nachfolgereichen Alexanders. Andererseits berichtet die spätantike Über-

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sie sich nicht zu einer genaueren chronologischen Einordnung hinreißen lassen, eine Nutzung des Ortes noch vor der römischen Eroberung ist also nicht ausgeschlossen. Sowohl Hosn Niha als auch Niha liegen entlang eines Tales, durch welches eine bestehende Verkehrstrasse von den Römern als Straße ausgebaut wurde. Die Position der kaiserzeitlichen Tempel beider Orte ist dabei vor allem durch das Vorhandensein von Quellen (und Steinbrüchen) sowie einer exponierten Lage in der Tallandschaft bedingt. Vgl. Yasmine 2013, S. 703. Für Kuschke gehörte dabei die parallel zur Beka-Ebene laufende Ebene von Zebedani zum ökonomischen Hinterland der Tetrarchie Abilene. In diesem Gebiet konnte er durch seine Oberflächenprospektion mit dem Tell Buken eine hellenistisch genutzte Siedlungsstelle nachweisen: Kuschke 1954, S. 102–4. Gschwind betont ebenfalls, dass sowohl im Tal des Barada als auch „in den nördlich anschließenden Gebirgstälern“ sichtbare Ruinenreste und Inschriftenfunde eine antike Besiedlung bezeugen, die die intensive Nutzung der Region mindestens seit römischer Zeit dokumentiere. Insbesondere für das Höhenheiligtum auf dem Jebel al-Husn scheint er eine Nutzung schon in hellenistischer Zeit nicht ausschließen zu wollen (Gschwind 2004, S. 54–60). Strab. 16, 2, 18. Jos. Ant.Jud. 14, 3, 2: „Dann eroberte der römische Feldherr die Festung Lysias, deren Befehlshaber (tyrannos) der Jude Silas war, zog durch die Städte Heliopolis und Chalkis, überstieg das Gebirge, welches Coelesyrien durchschneidet, und begab sich von Pella nach Damaskos, wo er nunmehr die Juden und deren Führer anhörte […].“ Konkret sind dies Berrhoea, Edessa, Perinthus, Maroneia, Kallipolis, Achaia, Pella, Oropus, Amphipolis, Arethusa, Astacus, Tegeia, Chalkis, Larissa, Hereia und Apollonia: App. Syr. 57. Grainger 1990, S. 34 ff.

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lieferung durch Stephanos, der Ort sei von einem Monikos gegründet worden82, den man vielleicht mit Mennaios, Vater des ersten ituraischen Tetrarchen, in Verbindung bringen kann.83 Für Sommer bezeugt der Name der ‚Hauptstadt‘ den großen griechisch-hellenistischen Einfluss auf die Ituraier, könnte aber auch wörtlich genommen ein Hinweis auf eine Kupfergewinnung in der Region sein.84 Die genaue Lokalisierung dieses Ortes ist umstritten. Er wird vor allem mit zwei Plätzen in Verbindung gebracht: Anjar und das ca. zwei Kilometer südwestlich davon gelegene Majdal Anjar.85 In Anjar finden sich die imposanten Reste einer omayyadischen Stadtanlage, in die aber wohl kaiserzeitliche Spolien eingebaut sind, so dass von antiken Resten in der Nähe – ohne dass diese lokalisiert werden könnten – auszugehen ist.86 Auffallend ist, dass die omayyadische Stadt in ihrem Grundriss dem eines römischen Legionslagers stark ähnelt.87 In den archäologischen Untersuchungen vor Ort konnten aber bislang keinerlei antike Vorgängerbauten nachgewiesen werden.88 Möglich wäre aber z. B. ein römisches Marschlager vor Ort, das zwar keine Steinaufbauten, aber Erdwälle, den Lagerplan etc. als konkretes Vorbild für die Stadtplanung hinterlassen hätte. Für das benachbarte Majdal Anjar als Lokalisationsort von Chalkis spricht insbesondere die topographische Lage, da diese sich mit Strabons Charakterisierung von Chalkis als „Akropolis des Marsyas“89 dank des hier aus dem AntilibanonMassiv herausragenden Felssporns zur Deckung bringen ließe. Eine Siedlung ist nicht ergraben, auf einem der Hügel von Majdal Anjar haben sich aber bis heute die Reste eines römischen Tempels erhalten. Myers betont die strategische Lage auf dem Felssporn, von dem aus man die Verkehrsrouten entlang der östlichen Ausläufer des Antilibanon und die ‚Abzweigung‘ Richtung Damaskos durch das Wadi at-Taym gut kontrollieren konnte. Entsprechend komme dem Tempel auf dem Berg von Majdal Anjar große Bedeutung zu, da es zu der sichtbaren römischen Baustufe einen Vorgängerbau gegeben habe und am Ort eine Kultkontinuität vielleicht bis zurück in die Achaimenidenzeit oder früher angenommen werden könne. Damit könnte dieser Tempel der Ort sein, an dem die ituraischen Dynasten ihre noch zu diskutierende Priesterwürde ausübten.90 82 83

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Steph.Byz. 683 s. v. Chalcis 5. Vgl. Sullivan 1990, S. 71. Sommer 2001, S. 83. Für Anjar: Dussaud 1927, S. 400–401. Für Majdal Anjar: Gatier 2002, S. 121. Schmitt 1982, S. 111. Ähnlichkeit zu römischen und byzantinischen castra auch betont in Chehab 1993, S. 143. Vgl. Finster 2003, S. 236–239. Strab. 16, 2, 18. Myers 2010, S. 90–97. Für Majdal Anjar als Ort von Chalkis spricht für Ghadban eine Weihinschrift, von der zwei Zeilen fragmentarisch zu erkennen sind. Aus dem lesbaren

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Zuletzt hat sich Freyberger mit dem Tempel von Majdal Anjar beschäftigt und aufgrund des Baustils eine Datierung des Heiligtums in das späte 1. Jhd. v. Chr. vertreten. Er sieht Majdal Anjar in einem ähnlichen Zeithorizont wie viele weitere Heiligtümer im Raum von Libanon und Antilibanon, die Ausdruck des großen Wohlstandes der Bewohner dieser Region gewesen seien. Er betont, dass die Region noch bis 20 v. Chr. zum Herrschaftsbereich der Ituraier gehört habe und eventuell von herrscherlichen Stiftungen zumindest bei einem Teil der Tempel auszugehen sein könnte. Majdal Anjar sei dabei aufgrund seiner herausgehobenen topographischen Lage das extraurbane Heiligtum einer nahegelegenen Siedlung gewesen, bei der es sich aber nicht um das zu weit entfernte Anjar handeln könne. Im Gegenteil müsste die zugehörige Siedlung unterhalb des Hügels gelegen haben, wo sich – auch dank der intensiven neuzeitlichen Bewirtschaftung der Region – bislang keine entsprechenden Funde nachweisen ließen.91 Als weitere Alternative zur Lokalisierung von Chalkis erwähnt Ghadban in einer Fußnote den Ort Hosn ech Chadoura, der auf einer Anhöhe oberhalb von Britel südlich von Baalbek am Westhang des Antilibanon liegt.92 Dieser Punkt ist auch im Barrington-Atlas als Lokalität für Chalkis gewählt worden.93 Sichtbar wird auf den Satellitenbildern aus Google Maps eine größere, vielleicht terrassierte Siedlungsanlage, deren Mauer mindestens zwei Tore hatte und auf deren zentralem und mit Gebäuden umstandenen Platz vielleicht ein größerer und zwei kleinere Tempel standen. Da es hier allerdings noch keine Grabungen oder auch nur Prospektionen gegeben hat, kann keine sichere Datierung erfolgen. Die Lage in der Landschaft und das Aussehen der Befestigung machen eine hellenistische Datierung möglich, auf die Position auf einem Bergsporn könnte die Bezeichnung als „Akropolis der Marsyas“ für Chalkis bei Strabon zutreffen. Hosn ech Chadoura liegt in dem Raum, den Will bei seiner Diskussion der Lokalisierung von Chalkis favorisierte, da er die Reiseroute des Pompeius von Baalbek nach Damaskos nicht Namen Apollophanes und der Bezeichnung Seidonios schließt Ghadban, dass der Ort Ende des 2. und zu Beginn des 1. Jhd. v. Chr. zum Territorium von Sidon gehört habe und dann von Ptolemaios usurpiert worden sei, der daraufhin eine seleukidische Ära für seine Münzen übernommen hätte: Ghadban 1985, S. 300 in F 47 und S. 301, F 49 bis 50. Die Inschrift ließe sich anhand paläographischer Kriterien und durch die Rekonstruktion des Datums im Text hellenistisch datieren. Dies ist von Aliquot abgelehnt worden, er rekonstruiert statt dessen eine Jahresangabe zwischen 204 und 294, was bei einer Datierung nach Seleukidischer Ära zwischen 109/8 und 19/18 v. Chr., nach Sidonischer Ära zwischen 93/4 und 193/4 n. Chr. und bei der Ära von Berytos zwischen 123/4 und 213/4 n. Chr. läge, was ihm am überzeugendsten scheint: Aliquot 1999–2000, S. 234–235. Freyberger favorisiert eine Datierung nach Seleukidischer Ära, wobei er angesichts seiner Bewertung der Architekturdekoration von 284 = 29/28 v. Chr. oder 294 = 19/18 v. Chr. ausgeht, vgl. folgende Fußnote. 91 Freyberger 2007, S. 89–108. 92 Ghadban 1985, S. 301 in Fußnote 52. 93 Talbert 2000, Karte 69. Auch https://pleiades.stoa.org / places/678086.

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durch die Beka-Ebene, sondern durch das parallele Tal von Zebedani und das Wadi Barada rekonstruiert. Dies sei die bereits in der Antike genutzte schnellere Route gewesen.94 Auch wenn Will keinen konkreten Ort in diesem Raum als Chalkis benennt, würde Hosn ech Chadoura in diesen Kontext passen. Eine mögliche hellenistische Datierung ergibt sich im Besonderen durch die Anlage der vorgesetzten Türme der Wehrmauer, wie sie auch bei anderen vor allem seleukidischen Stadt- und Kastellmauern im Großraum sichtbar sind: Während die Ptolemaier wohl Rundtürme bei ihren Befestigungen favorisierten, weisen Anlagen aus der Zeit der seleukidischen Herrschaft vorgesetzte eckige Türme auf, wie etwa in Tell Dor, Marisa oder Jebel Sartaba bei Pella.95 Auch die seleukidische Befestigungsanlage auf dem Berg Karasis in Kilikien scheint eine Parallele zu bieten.96 Dies gilt auch für weitere seleukidische Befestigungsanlagen aus Kleinasien.97 In jüngster Zeit hat sich Diwan um eine Lokalisierung von Chalkis bemüht. Dazu rekonstruierte er die Route von Heliopolis / Baalbek nach Abila mithilfe der Least Cost Path Analysis. Sein Ergebnis legt eine Lokalisierung von Chalkis im Dreieck zwischen En Nabi Chit, Yahfufa und El Khraibeh nahe.98 Konsultiert man Google Maps für diese Region, scheinen sich leicht östlich von Yahfufa mögliche antike Reste abzuzeichnen, deren genauere Untersuchung vielleicht Klarheit bringen kann. Eine Reihe von lateinischen Inschriften in der weiteren Umgebung verleiten Mouterde zu der Annahme, hier sei in der frühen Kaiserzeit die Grenze zwischen dem römischen Territorium und dem zunächst noch eigeständig verwalteten Gebiet der Ituraier verlaufen. Fünf Inschriften mit dem Text „NER AVG / CAES SAR / IMP“ um einen lituus lassen ihn vermuten, dass sich im Wadi Yahfufa in Richtung Al Zebedani eine kaiserliche Domäne befand.99 Eine solche kaiserliche Domäne 94

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Dies belegt er insbesondere mit der Inschrift IGLS V 2708, einem Dekret Agrippas II. aus Iabrouda / Yabroud, das seine Herrschaft über diesen Raum bezeugt: Will 1983, S. 143–145. Gegen Hosn ech Chadoura als Ort von Chalkis ist einzuwenden, dass die Mauer der Anlage mit ihren erkennbar herausragenden quadratischen Türmen deutliche Ähnlichkeit zu Tell Hira im Norden der Beka hat. Dieses wird zwar von Knauf für eine „Ituraier-Burg“ gehalten, da er für eine von der Prospektion unentdeckte vorrömische Besiedlung des Ortes plädiert, aber Marfoe konnte am Ort nichts vorrömisches finden: Knauf, 1984, S. 19 ff.; Marfoe 1995, No. 386. Für Hosn ech Chadoura könnte also auch ein ähnlicher Zeithorizont angenommen werden, so dass der Ort zu einer Reihe von römisch-byzantinischen Streckenposten und Signalstationen zwischen Majdal Anjar und Baalbek entlang der Beka-Ebene und des gegenüberliegenden Randes der Ebene gehören könnte: Beaulieu und Mouterde 1955, S. 149–163. Kuhnen mit Beiträgen von Mildenberg / Wenning 1990, S. 43–51. Radt 2011, 49–64, vor allem das sog. Upper Castle mit den Plänen auf S. 52, 54–55. Siehe auch Sayar 1995. Radt 2009, S. 40–48. Abou Diwan 2018. Mouterde 1951–1952, S. 70–77.

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Abb. 1: Umzeichnung der in Satellitenbildern sichtbaren Reste von Hosn ech Chadoura

könnte aus nach der Auflösung der eigenständigen ituraischen Herrschaftsgebiete vom Kaiser übernommenen Ländereien der ehemaligen Dynasten bestanden haben. Private Domänen werden in der Forschung in hellenistischer Zeit zumindest im Libanon angenommen.100 Auch wenn sich mit dem aktuellen Forschungsstand keine konkrete Lokalisierung von Chalkis belegen lässt, könnten die Ruinen von Majdal Anjar, Hosn ech Chadoura und die möglichen antiken Reste in Yahfufa darauf verweisen, dass im Antilibanon ähnlich wie im Libanon an insbesondere durch Wadi-Verläufe vorgegebenen Querungsmöglichkeiten des Gebirges Höhensiedlungen oder Kastelle angelegt wurden, die eine strategische Sicherung der Kommunikationsrouten leisten sollten. Die unklare Chronologie macht es aber unmöglich, dies einer bestimmten Zentralmacht oder eben den Ituraiern zuzuschreiben. Zusammen mit den spätrömischen Signalstationen und Kastellen101 zeigen diese Anlagen außerdem, welche große strategische Bedeutung auch der Flanke des Antilibanon und damit wohl insgesamt der Beka-Ebene durch die Zeiten beigemessen wurde. 100 101

Vgl. Apicella / Briquel-Chatonnet 2007, S. 161–163. Beaulieu / Mouterde 1955, S.  149–163.

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Abb. 2 (links): Festungsanlage von Karasis, Kilikien, Plan: Radt 2009, S. 37. Abb. 3 (rechts): Hellenistische Festungen in Kleinasien, aus: Radt 2009, S. 44

Abb. 4: Mögliche Lage von Chalkis mit Least Cost Path Analysis, Grafik: Abou Diwan 2018, S. 28

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Eng mit der Diskussion um die Lokalisierung von Chalkis ist auch die Frage der Bedeutung von Heliopolis / Baalbek für die Ituraier verbunden. Neue Untersuchungen betonen, dass weite Teile des alten Tells von Heliopolis / Baalbek für den römischen Komplex abgetragen wurden.102 Trotzdem konnten diese Arbeiten eine Siedlungskontinuität am Ort seit dem 8./7.Jhd. v. Chr. zeigen.103 Ein Grund für die offenkundige geringe Bedeutung des Ortes in vorhellenistischer Zeit könnte in der Tatsache liegen, dass der Tell von Baalbek in vorhellenistischer Zeit nicht an wichtigen Verkehrsrouten lag.104 Die Verbindung des Ortsnamens mit dem ägyptischen Heliopolis hat in der Forschung die These aufkommen lassen, der bestehende Ort sei von den Ptolemaiern „neu“ gegründet worden.105 Jüngst hat Wienholz die Anlage eines ptolemaischen Kastells am Ort vorgeschlagen.106 Dafür könnten zwei Inschriften sprechen, die ein ‚makedonisches Viertel‘ nennen.107 Für eine damit vielleicht einhergehende Ansiedlung von griechischen Kolonisten könnte der Fund eines Ostrakon in der Beka-Ebene sprechen, der eine Liste mit einer Reihe griechischer Personennamen enthält.108 Auf dieses Dokument wird noch zurückzukommen sein. Eine ptolemaische Gründung des Ortes Heliopolis könnte ebenfalls die Ausgestaltung des heliopolitanischen Kultes nahelegen, für die Haider eine Reihe von ikonographischen und theologischen Vorbildern aus Ägypten aufzeigen möchte.109 Warum die Ptolemaier an einer zuvor offenbar nicht zentral gelegenen Stelle, die aber immerhin über eine auch in der Anlage der Stadt prominent betonte Quelle verfügte, eine Siedlung / ein Kastell mit Namen Heliopolis anlegten, wird aus der Überlieferung nicht klar. Jüngst hat MacAdam vorgeschlagen, den durch die Zenon-Papyri belegten hellenistischen Namen des Beka-Tales, Massyas, als Echo der Bezeichnung der Bergketten um das Tal als Mâšu in dem altmesopotamischen Gil102

Vgl. Kropp 2013, S. 275–80. Lohmann 2017, S. 139. 104 van Ess 2014, S. 31. Für eine frühere Gründung durch die indigene semitische Bevölkerung: Butcher 2003, S. 126. 105 Hajjar 1990, S. 2460–2461. Ähnlich versteht auch Ghadban Baalbek / Heliopolis als ptolemaische Gründung, die auch unter den Seleukiden eine wichtige regionale Rolle eingenommen hätte, weshalb dieser Ort für die spätere römische Koloniegründung ausgewählt worden sei. Belege liefert er dafür freilich nicht: Ghadban 1987, S. 217–218; Cohen 2006, S. 254–255. 106 Wienholz 2014. 107 IGLS VI 2809; 2828 mit der Erwähnung eines makedonischen Viertels, dazu Cohen 2006, S. 254. 108 Ghadban sieht darin allerdings eine Liste von Funktionären oder Sklaven, die für die königliche Getreideproduktion verantwortlich waren: Ghadban 1987, S. 223–224. Die Angabe KOP auf dem Ostrakon könnte sich auf kóros beziehen, also ein Mengenmaß und damit auf Abgaben oder Anteile hinweisen, die die Männer zu leisten hatten oder erhielten. 109 So etwa Haider 2002, S. 98 ff. 103

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gamesch-Epos zu verstehen.110 In diesem Epos unternimmt der namengebende Held Gilgamesch u. a. eine Reise zum Zedernwald, der gemeinhin mit der Region von Libanon und Antilibanon identifiziert wird.111 Um den Zedernwald betreten zu können, mussten Gilgamesch und sein Begleiter ein Monster bezwingen, was nur durch die Hilfe des Sonnengottes Shamash gelang. Das Monster, dass den Eingang in den Zedernwald bewachte, tat dies dabei offenbar in göttlichem Auftrag, um den Wald, der als eine Art heiliger Ort und ‚Vorhof ‘ der Götter präsentiert wird, zu schützen.112 Die Geschichten um den Helden Gilgamesch und seine Reisen waren in der hellenistischen Welt bekannt.113 Wenn also tatsächlich unter Ptolemaiern und Seleukiden die Beka-Ebene und die umgebenden Gebirge mit dem Gilgamesch-Epos in Verbindung gebracht wurden, würde die Errichtung eines (befestigten) Siedlungspunktes mit einem Tempel für Helios als ‚ideologische Besetzung‘ des Raumes Sinn ergeben, denn damit bezögen sich die Ptolemaier auf ihre Verbindung mit dem Sonnengott und könnten sich somit in eine Nachfolgetradition einschreiben. Eine fragmentarische Inschrift, die von Hajjar hellenistisch datiert wird, weist auf ein Heiligtum des Zeus am Ort, das vielleicht als königliches Privileg (unter den Seleukiden?) die Steuerfreiheit verliehen bekam.114 Im Zusammenhang mit der seleukidischen Gebietssicherung nach der Eroberung Südsyriens wurde in der Forschung spekuliert, dass auch Heliopolis / Baalbek durch eine seleukidische Umgestaltung „neu“ etabliert wurde, ebenso wie Chalkis vielleicht eine seleukidische (Wieder)Gründung gewesen sein könnte.115 Myers betont, dass Heliopolis / Baalbek erst nach der Eroberung der Region durch die Seleukiden zu einiger Bedeutung gelangte und auch in diese Zeit die Errichtung der Vorgängerbauten des römischen Tempelkomplexes falle. Ähnlich wie Sader sieht sie politische Gründe, etwa als Folge der Umgestaltung der Kommunikationsrouten in der Beka-Ebene durch die neuen seleukidischen Machthaber, als Anlass.116 Dies würde auch wieder vor dem Hintergrund der Gilgamesch-Erzählung Sinn ergeben: Wie Gilgamesch aus dem Zweistromland zum Zedernwald kam und das ihn bewachende Monster mithilfe von Schamash besiegte, so konnte auch Antiochos III. gegen den Ptolemaierkönig siegreich bleiben. 110

MacAdams 2020, S. 345–346. Vgl. Fleming / Milstein 2010, S. 57. 112 Gilgamesch-Epos Tafel V in: Maul 2015, S. 47–54; vgl. Pryke 2019, S. 99–100. 113 Sallaberger 2013, S. 122. 114 IGLS VI 2990. Wienholz 2011, S. 102 denkt allerdings, die fünf Fragmente stammen von unterschiedlichen Inschriften! 115 Sader 1999, S. 44. Auch Seleukeia im Golan, vermutlich in Slouqiyé sudöstlich des Huleh-Sees gelegen, könnte in diesen Kontext der seleukidischen Reorganisation nach der Schlacht am Paneion gehören und zeigt das Bestreben der Seleukiden, durch neu angelegte Siedlungen eine eigenständige Raumkontrolle zu etablieren: vgl. Cohen 2006, S. 254–255; 239–242 und 288–289. 116 Myers 2010, S. 97. 111

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In jedem Fall wurde während des 1. Jhd. v. Chr. mit der Anlage eines großen Heiligtumskomplexes auf dem Tell begonnen, von dessen ursprünglichen Plan die Terrassierung für das Heiligtum, wohl auch ein Eingangsbereich und der Altar unter dem sog. Kleinen Altar fertig gestellt wurden.117 Darauf wurde dann in augusteischer Zeit nach der Anlage der römischen Kolonie in mehreren Bauphasen der heute noch sichtbare große Jupiter-Tempel errichtet.118 Wohl schon in die erste Planungsphase gehört die Ausrichtung des Tempels auf die axial zu ihm verlaufende Ableitung des Wassers von der Quelle bei Ain Juj, an der vielleicht im letzten Viertel des 1. Jhd. v. Chr. ein Tempel (für Venus?) errichtet wurde.119 Die offenkundige Bedeutung, die der Quelle damit beigemessen wurde, stütz mit Sader die Herleitung des Namens Baalbek von Baal ubk, Baal der Quelle.120 Eine alternative Deutung leitet den Namen als „Herr der Beka“ ab.121 Baalbek und sein Heiligtum gelten in Teilen der Forschung als „eines der bedeutendsten Kultzentren im Vorderen Orient […] gefördert von den ituraischen Herrschern“.122 Gerade die Beteiligung der Ituraier in Baalbek ist aber nicht unwidersprochen geblieben. So vertritt Wienholz die These, Baalbek sei nicht Teil eines ituraischen Herrschaftsbereiches gewesen.123 Die Mehrheit der Forscher geht allerdings davon aus, dass Baalbek Teil des ituraischen Territoriums war und sogar 117

Lohmann 2017, S. 145–156. Badre 1993, S. 247. In diese erste Phase der Bautätigkeit gehören vielleicht auch Befestigungsmaßnahmen des Siedlungstells, die durch Reste einer Mauer im Südosten des späteren Tempelhofes sichtbar werden: van Ess 2014, S. 30–31. 119 Lohmann 2014, S. 66; Paturel 2014, S. 104–105. 120 Sader 1999, S. 43. 121 Vgl. Paturel 2014, S. 79–80. 122 So etwa Haider 2002, S. 83. 123 Wienholz 2011, S. 107–109 mit F. 28. Auch eine Grabinschrift eines Zenodoros, Sohn eines Tetrarchen Lysanias, lässt er nicht als schlagkräftiges Argument für eine Zugehörigkeit oder vor allem zentrale Bedeutung von Heliopolis für die Ituraier gelten, da der Inschriftentext Vater und Sohn tatsächlich nicht direkt mit den Ituraiern in Bezug setzt (IGLS VI, 2851; eine weitere Inschrift nennt ebenfalls einen Zenodoros: IGLS VI, 2990). Allerdings ist die Inschrift heute verloren und der Text nur fragmentarisch überliefert. Selbst wenn der hier genannte Zenodoros, Sohn des Tetrarchen Lysanias, nicht explizit als Mitglied der Dynastie der Ituraier angesprochen wird, so scheint diese Verbindung doch wahrscheinlich (Vgl. Seyrig 1970, S. 251–254). Natürlich kann aus einer Grabinschrift für einen Abkömmling der Dynastie nicht geschlossen werden, dass diese Dynastie in Baalbek etwa als Priester fungierte oder auch politische Kontrolle über den Ort ausübte. Vielmehr ist die Inschrift Indiz der großen überregionalen Bedeutung des Heiligtums im 1. Jhd. n. Chr. und diese Bedeutung zog dann Mitglieder der regionalen Eliten an, zu denen sicher auch eine entmachtete lokale Herrscherdynastie gehörte. (Vgl. Kropp 2013, S. 207). Mit Paturel fanden sich bislang nur wenige hellenistische Münzen in Heliopolis, bei deutschen Grabungen von 1900 bis 1904 allerdings aber offenbar drei ituraische Münzen: zwei von Ptolemaios, Sohn des Mennaios, sowie eine von Zenodoros: Paturel 2014, S. 91. 118

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als religiöses Zentrum dieses Territoriums diente, während Chalkis Hauptstadt für die ‚zivile Verwaltung‘ gewesen sei.124 Diskutiert wird daher, inwiefern der von Ptolemaios und seinen Nachfolgern auf den Münzen propagierte Titel Tetrarch und Archiereus als eine Priesterwürde in Baalbek zu verstehen ist.125 Diese Frage soll im Zusammenhang mit der politischen Organisation der Ituraier ausführlicher analysiert werden. Hier muss festgehalten werden, dass keine Quelle explizit eine Trennung von Verwaltungssitz in Chalkis und religiösem Zentrum in Heliopolis für die Ituraier unterstützt und auch der bislang dargelegte Befund aus Heliopolis eine Rolle als zentrales Heiligtum der Ituraier eher fraglich macht. Hier hängt auch viel an einer genauen Datierung und Einordnung der ersten Bauphase des Heiligtums. Kropp und Lohmann halten die Parallelität des von ihnen rekonstruierten T-förmigen Podiums der ersten Bauphase in Heliopolis mit dem Herodes-Tempel in Jerusalem sowie der Mauertechnik in beiden Bauwerken für Indizien, dass Herodes, mindestens aber von ihm ebenfalls eingesetzte Bauleute, an dem Bau beteiligt waren, nachdem Augustus hier 15 v. Chr. eine Kolonie hatte anlegen lassen.126 Paturel weist diese Parallelität insbesondere zurück, weil viele Gebäude aufgrund der besondere Mauertechnik des Spiegelmauerwerks dem Herodes als Bauherrn zugewiesen würden, aber diese Mauertechnik natürlich auch von anderen lokalen Eliten genutzt worden sein könnte. Eine von Kropp und Lohmann ebenfalls ins Spiel gebrachte Vorbildrolle des Mars-Ultor-Tempels in Rom würde in ihren Augen eine wesentlich spätere Datierung für den ersten Tempelbau in Heliopolis nötig machen.127 Als Parallele interessant ist hier die Tempelanlage in Horvat Omrit, in der offenkundig schon in den späthellenistischen Bauphasen ES2 sowohl Steinblöcke mit Spiegelmauerwerk Verwendung fanden, als auch die Außenmauern mit einem dem angeglichenen Verputz belegt waren. Wenn die Überlegungen der Ausgräber, dass dieser Bau vor der Herrschaftsübernahme über diesen Raum durch Herodes errichtet wurde, zutreffen, dann waren also offenbar auch andere lokale Bauherren in der Lage, diese Dekortechnik anzuwenden.128 Es würde sich auch noch eine weitere Erklärung für Bauaktivität in Heliopolis im ausgehenden 1. Jhd. v. Chr. anbieten, denn der Raum um Baalbek unterstand von 36 v. Chr. bis Actium Kleopatra VII., sie prägte auch Münzen in Chalkis.129

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So etwa Sommer 2003, S. 211. Dafür vgl. Hermann 2002, S. 91; Sommer 2003, S. 211. 126 Lohmann 2017, S. 146–152; Lohmann 2014, S. 65–66; Kropp 2013, S. 277–280; Kropp / L ohmann 2011, S.  47–49. 127 Paturel 2014, S. 96–103. 128 Nelson 2015, S. 29. Mit wie Spiegelmauerwerk wirkendem Stuckdekor waren auch die Mauern der Empfangshalle des hellenistischen Palastes in Tell Kedesh südlich von Anafa dekoriert, dessen letzte Phase in die erste Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. datiert: Erlich 2017, S. 40. 129 Vgl. Myers 2010, S. 165. 125

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Es wäre also durchaus denkbar, dass sie die Initiatorin eines Bauprogramms in Heliopolis war.130 Im Hinterland von Baalbek sind in neuerer Zeit Survey-Arbeiten durchgeführt worden, deren Abschlusspublikation aber noch aussteht. Erster Ergebnisse zeigen, dass sich in dem Gebiet entlang der Ausläufer des Antilibanon zwischen Baalbek und Britel zahlreiche Siedlungsreste teils lediglich durch Artefakt-Konzentrationen, teils jedoch auch durch architektonische Reste nachweisen ließen. Es scheint sich eine Kontinuität zu Besiedlungsplätzen der vorherigen Epochen abzuzeichnen, die insbesondere den Verlauf des Wadi Jraibine als historische Kommunikationsachse zwischen Baalbek und Damaskos über das Tal von Zebedani und das Wadi Barada einbezogen.131 Das Survey konnte allerdings nur einen Siedlungsort mit späthellenistischen Keramikfunden im Hinterland von Baalbek ausmachen132, die weiteren Dörfer entstanden erst in der Kaiserzeit. Dieser natürlich noch vorläufige Befund unterstützt Überlegungen, dass Heliopolis bis ins ausgehende 1. Jhd. v. Chr. keine besonders herausgehobene Bedeutung hatte. Denkbar wäre etwa, dass ähnlich wie bei anderen Heiligtümern auch Heliopolis als bewusster neuer Treffpunkt des Umlandes geschaffen wurde, der einerseits die verschiedenen Bewohner zusammenbrachte und andererseits diesen Bewohnern die finanziellen und damit auch machtpolitischen Möglichkeiten der Führungsmacht vor Augen führen sollte. Die Betonung der lokalen Quelle zeigt, dass dabei auch strategische Überlegungen für die Auswahl eine Rolle spielten. 130

So auch schon angedeutet bei Paturel 2014, S. 106. Dafür sprechen folgende Punkte: Erstens musste es Kleopatra ja darum gehen, die ehemalige ptolemaische Herrschaft über diesen Raum als Legitimationsgrundlage ihrer eigenen Gebietsübernahme zu betonen und da bot sich sicher an, ein ehemaliges ptolemaisches Grenzkastell mit einem Bauprojekt aufzuwerten und an die entsprechende Vergangenheit zu erinnern. Zweitens würde diese Erinnerung an die ptolemaische Vergangenheit erklären, warum der ursprüngliche Siedlungstell zwar an den Rändern abgetragen, aber im Wesentlichen erhalten und umbaut wurde  – man konservierte damit sozusagen das ptolemaische Erbe. Drittens erklärt sich so die große Ähnlichkeit zum Tempel in Jerusalem, für den Herodes offenbar auf Architekten, Handwerker etc. aus Ägypten zurückgreifen konnte, die nach dem Ende von Antonius und Kleopatra dort beschäftigungslos geworden waren. Viertens könnte Kleopatra in Heliopolis mit dem Tempel für Helios auch noch Propaganda für ihren gemeinsamen Sohn mit Antonius, Alexander Helios, betrieben haben. Und fünftens würde sich bei einem Bauprojekt der Kleopatra auch die augusteische Koloniegründung in Berytos und Baalbek erklären: Wäre der Ort unter Kleopatra als Monument der ptolemaischen Herrschaft ausgebaut worden und vielleicht sogar erste Veteranen aus dem Heer des Antonius hier angesiedelt worden, wäre es für Augustus opportun gewesen, diese potentielle Keimzelle von Unzufriedenheit mit seiner Herrschaft durch die Anbindung an „seine“ Kolonie in Berytos und durch die Entsendung „seiner“ Veteranen ideologisch und politisch zu neutralisieren. 131 Fischer-Genz / E hrig 2005, S.  135–138. 132 S006 im Survey, Fischer-Genz 2014, S. 82.

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Abb. 5: Nordseite des Jupitertempels mit den beiden Bauphasen des Podiums, Foto: Kropp / L ohmann 2011, S. 40.

Ähnlich wie für Heliopolis könnte man auch für eine weitere ‚Stadt‘ der Ituraier eine Anlage aufgrund einer Aufwertung und / oder strategischen Sicherung von Kommunikationsrouten postulieren, und zwar für Abila des Lysanias im Tal des Barada. Abila wurde vielleicht nach dem Verlust von Chalkis für die ituraische Herrscher-Familie neu gegründet oder aber zum Hauptort ‚umfunktioniert‘.133 Dabei lag Abila im Tal des Barada an den wichtigen Verkehrsrouten von Damaskos nach Heliopolis im Norden, nach Paneion im Süden und nach Chalkis und Berytos im Westen. Die Funde der antiken Siedlung fanden sich an drei benachbarten Punkten im Tal: In Nébi Abel auf einer Anhöhe steht eine neuzeitliche Moschee auf den Resten eines hellenistisch-römischen Tempels für Kronos, den laut der erhaltenen Bauinschrift der Freigelassene des Tetrarchen Lysanias, Nymphaios, Sohn des Abimmenes, nebst einem heiligen Hain unter Tiberius errichten ließ.134 Im Tal bei Souk Ouadi Barada befinden sich eine Reihe antiker Reste, darunter die Reste einer römischen Straße mit kaiserzeitlichen Bauinschriften. In direkter Nähe kamen bei Brahiya-Kafr el-Awamid auf der Nordseite des Flusses die Reste eines großen Heiligtums für Zeus und Apis bei Bauarbeiten ans Licht. Diesen Tempel sieht Gatier als Haupttempel von Abila. Epigraphisch scheint er seit 69/70 n. Chr. belegbar, nach Gatier wurden in den Inschriften auch Zeus Heliopolitanus, Aphrodite und Venus verehrt. Die genaue Ausdehnung der Abilene als Herrschaftsbereich des Lysanias ist unklar, da aber unter Agrippa II. dessen Herrschaftsgebiet Abilene 133

Lysanias war für Schürer Neugründer der Stadt, weshalb sein Name als Zusatz zum Ortsnamen Abila noch bei Ptol. 6, 15, 22 belegt sei: Schürer 1890, S. 604. 134 Zu den Bauinschriften vgl. auch Savignac 1912, S. 533–540.

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bis nach Yabroud reichte, kann angenommen werden, dass dieser Raum zuvor Teil des ituraischen Herrschaftsgebietes und vermutlich auch Teil der Abilene des Lysanias war.135 Damit hätte Abila eine verkehrstechnisch und strategisch wichtige Lage als Kommunikationsscharnier zwischen Damaszene / syrischem Binnenland und der Beka-Ebene sowie in deren Verlängerung der Küste eingenommen.136 Für diese Städte oder zumindest größeren Siedlungen ergibt sich dabei ein ähnliches Bild wie für die insgesamt mit den Ituraiern in Zusammenhang zu bringende Besiedlung: sie liegen – soweit das erkennbar ist – an strategisch zur Überwachung von Verkehrswegen günstigen Plätzen, die eine umfassende Raumkontrolle ermöglichten. Die schlechte Kenntnislage zu Chalkis, aber auch Abila oder dem hellenistischen Heliopolis, machen es schwer, weitergehende Erkenntnisse über die Beziehung der Ituraier zu diesen Städten zu erlangen. Dass aber Arka sich als ‚Arka der Ituraier‘ bezeichnete, wie oben angeführt, könnte für zwei wichtige Punkte sprechen: Erstens ein Hervorgehen der Ituraier aus einer ortsgebundenen Bevölkerung oder doch zumindest eine enge Verbindung der beiden und zweitens eine positive Bewertung der ituraischen Herrschaft, die die negative Darstellung in den Quellen als ‚Räuber‘ in Frage stellt. Für die Zunahme einer Besiedlung der Ebenen und eine dann folgende Intensivierung der Sicherung und Inwertsetzung der umgebenden Gebirge ausgehend von strategischen Kontrollpunkten ergeben sich vor allem Parallelen zum besser erforschten Golan: Auch der Golan soll zeitweilig unter ituraischer Kontrolle gestanden haben, was allerdings lediglich aus dem Bericht des Josephos über die Gebiete erschlossen wird, die Herodes nach dem Tod des ituraischen Tetrarchen Zenodoros erhielt und die „zwischen Trachonitis und Galilaia, mit Ulatha und Paneion und dem umgebenden Land“ lagen.137 Zwischen der Trachonitis und 135

Gatier 2002, S. 122–127. Zur verkehrstechnisch günstigen Lage von Abila vgl. auch Gschwind 2004, S. 43. 137 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 3. Gerade in den letzten Jahrzehnten der seleukidischen Herrschaft war der Golan vor allem ein Aktivitätsfeld für die hasmonaische Expansion gegen Seleukiden und Nabataier. So beschreibt Josephos mehrere Feldzüge unter Alexander Jannaios zwischen 101 und 80 v. Chr., in denen er u. a. auch im Golan operiert (Jos. Ant.Jud. 13, 13, 3; 15, 3–4 und Bell.Jud. 1, 4, 4; 1, 4, 8; vgl. Kasher 1988, S. 91–97 und 101 f.) Er eroberte auch die Festung Gamala. Nach den Jüdischen Kriegen des Josephos ersetzte er den dortigen Kommandanten, nach den Altertümern des gleichen Autors handelte es sich bei diesem Demetrios um „den Beherrscher dieser Gegend“, den er ausplünderte und dann aber offenbar in Ruhe ließ (Jos. Bell.Jud. 1, 4, 8 und Ant. Jud. 13, 15, 3). Dabei ist unklar, ob es sich hierbei um einen seleukidischen Amtsträger handelte, wie die erste Textstelle vermuten lassen könnte, oder um einen der zahlreichen in dieser Zeit entstehenden lokalen ‚Tyrannenherrschaften‘. Deutlich wird, dass die Ituraier hier nicht als Herrschaftsträger vorkommen. (vgl. Kasher 1988, S. 105) Der Fund einer Münze von Ptolemaios, Sohn des Mennaios, von 73/72 v. Chr. in HippoSussita kann nicht als Beleg für eine Herrschaft des Ptolemaios über Hippo gewertet werden. (Segal et al. 2007, S. 155, 161) Chancey denkt entsprechend, der Golan sei 136

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Galilaia liegt der Golan. Der Golan scheint bereits unter den Ptolemaiern einen ersten Siedlungsausbau erlebt zu haben, da hier eine Reihe von Kastellen zur Überwachung des ptolemaischen Territoriums etwa in Pella, Abila und Gadara angelegt wurden. Letzteres wurde schon 219 v. Chr. von Antiochos III. eingenommen, nach der Schlacht am Paneion erfolgte ein weiterer Ausbau der Besiedlung entlang der westlichen Hänge des Golan. Seit dem beginnenden 2. Jhd. v. Chr. entstanden neue Siedlungen im südlichen Golan, die sich durch ihre Lage an den Rändern fruchtbarer Ebenen und an Quellen sowie in den Flusstälern auszeichnen. Hier ergeben sich offenkundige Vergleichsmöglichkeiten zur aufgezeigten Entwicklung in Beka-Ebene, Libanon und Antilibanon. Wohl ebenfalls in der ersten Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. wurden außerdem eine Reihe von Kastellen und Wachtürmen als Verteidigungssystem entlang des Golan und seines Straßensystems angelegt. Die dynastischen Namen der Orte wie Antiocheia-Hippos (Sussita) und Seleukeia (Qusbiyye el-Jdeideh) zeigen ihre Errichtung unter den seleukidischen Königen, vielleicht Antiochos VI. und Seleukos IV.138 Auch im mittleren Golan begann im 2. Jhd. v. Chr. ein deutlicher Ausbau der Siedlungstätigkeit, wo mit Gamala ein neues regionales Zentrum entstand. Im nordöstlichen Golan findet sich ebenfalls ab dem 2. Jhd. v. Chr. eine wachsende Zahl von Siedlungen gleichfalls auf Anhöhen an den Rändern fruchtbarer Täler. In diesen Siedlungen wurde die so genannte „Golan Ware“-Keramik gefunden, aber auch wenige Scherben von Importkeramik.139 Da diese Siedlungsstellen meist aus wenigen verstreuten Gebäuden mit grob bearbeiteten Feldsteinmauern bestanden und ohne Verteidigungsmauer waren, nach der Eroberung des Alexander Jannaios Teil des Hasmonaischen Reiches gewesen und diesem dann durch Pompeius abgenommen worden (Chancey 2004, S. 121). Thiel glaubt, der Golan sei im Zuge der Neuordnung der Region unter Pompeius 64 v. Chr. an die Ituraier gekommen und dann unter Augustus 20 v. Chr. dem Herodes übertragen worden (Thiel 2007, S. 279–286. Ähnlich auch Wenning 1994, S. 6). Wilson denkt, die Ituraier hätten durch Pompeius Gebiete im Süden, insbesondere den Raum von Banias und damit ja vermutlich den Golan, zurückerhalten (Wilson 2004, S. 9). Für Epstein gehörte der nördliche Golan mit dem späteren Territorium von Panias / Caesarea zum Herrschaftsbereich der Ituraier, während die beiden anderen administrativen Teile des Golan, Hippos-Sussita im Süden sowie dem eigentlichen Golan mit Gamala und Seleukeia, 81 v. Chr. von Alexander Jannaios dem Hasmonaierreich angegliedert worden seien (Epstein 1993, S. 526. Vgl. Barkay, Ilan et al. 1974, S. 173, 182). 138 Nach dem Zeugnis des Flavius Josephos war Seleukeia ein regionales Zentrum im hellenistischen Golan und Sitz eines Hyparchen: Jos. Ant.Jud. 13, 15, 3. 139 Avi-Yonah 1993, S. 534–535. Importkeramik lässt sich auch in den Wachtürmen im südlichen Golan nachweisen, etwa in Horvat Kanaf auf dem Territorium von Hippos an den südlichen Ausläufern des Golan. In der Verfüllungsschicht des Fundaments des Wachturms fanden sich neben Scherben von Gebrauchskeramik auch eine Reihe von Resten importierter Feinkeramik, die alle in die 2. Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. gehören. Erwähnenswert sind insbesondere fünf gestempelte Amphorenhenkel aus Rhodos aus dem 2. Jhd. sowie eine um 130 v. Chr. in Tyros geprägte Silbermünze des Antiochos VII. Sidetes: Thiel 2007, S. 274–276.

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Huhle-Tal H Hermon Ulatha Golan Gaulanitis

Trachonitis

Batanaia

Hauran Auranitis

Karte 2: Schematische Darstellung der von den Ituraiern kontrollierten Landschaften.

wurden sie in der älteren Forschung in Zusammenhang mit der Sesshaftwerdung nomadischer Stämme, insbesondere der Ituraier, gebracht.140 Andere Autoren möchten die Unterschiede im Keramikbefund zwischen den nördlichen Teilen des Golan und dessen anderen Gebieten mit einer Besiedlung des Nordens durch die Ituraier erklären.141 Über eine Kontrolle der Ituraier über den Golan hören wir unter den Seleukiden in den literarischen Quellen jedoch nichts. Die Funde aus den Grabungen in 140

In den nördlichen Golan-Höhen konnte Hartal mit dem 2. Jhd. v. Chr. eine Aufsiedlung feststellen. 48 der im Survey gefundenen Siedlungsstellen wiesen hellenistische Keramik auf, wobei es vor allem zwei Siedlungsarten gab: einmal 33 kleinere Siedlungsareale auf niedrigen Hügeln an schmalen Tälern mit Gebäuden teils aus Feldsteinen und eine kleinere Gruppe von 15 hellenistischen Siedlungsstellen, die keine „Golan Ware“ aufwiesen. Die Siedlungen mit „Golan Ware“ fanden sich mehrheitlich im Osten der Survey-Region, während die anderen Siedlungen im westlichen Bereich als Weiterführung der Besiedlung des Huleh-Tals gelten könnten. Dazwischen lag eine kaum besiedelte Landschaft, in der aber vier hellenistische Siedlungsstellen entlang der Verkehrsachsen gefunden wurden. Diese dienten für Hartal als seleukidische Kastelle zur Kontrolle des für ihn ituraischen Gebietes. Hartal versteht die 33 kleineren Siedlungen als ituraische Siedlungen, da er die „Golan Ware“ als ituraische Keramik ansehen möchte. Die Besiedlungen breitete sich in der römischen Phase bis in den Westen der Survey-Region aus. Er zählt jetzt 38 „ituraische“ Siedlungen und 13 andere Siedlungen, wobei insgesamt nur 17 Siedlungen aus der früheren Phase überdauerten, während 34 Siedlungen neu angelegt wurden: Hartal 1989, S. 7–8. 141 Hartal / Hudson / B erlin 2008, S.  151.

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Khirbet Zemel in den nördlichen Golanhöhen könnten vielmehr als Zeugnis einer anderen Besiedlung herangezogen werden: Khirbet Zemel ist ein kleines hellenistisches Dorf „settled by people with  a local building tradition“142. Die Münzfunde weisen den Gebäudekomplex als hellenistisches Bauwerk aus, denn von den insgesamt 27 Münzen ließen sich neun identifizieren und in die Jahre zwischen 146/5 und 144/3 v. Chr. datieren, wobei allerdings der älteste Münzfund von 159/8 v. Chr. aus der letzten Nutzungsphase stammte. Zwei Tetradrachmen von 146/5 v. Chr. wurden über dem Felsboden im Fundament des Bodens für die erste Bauphase entdeckt und könnten dort für Ariel entweder als „foundation deposits“ oder Hortdeposit vor dem Verlassen des Ortes untergebracht worden sein.143 Die Mehrzahl der Keramikfunde in Khirbet Zemel stellen lokale Produkte der „Golan Ware“ dar, die hier erstmals in einem hellenistischen Fundkomplex auftaucht. Neben Alltagskeramik, die mehrheitlich lokal produziert wurden und in ihren Typen oft Parallelen aus umliegenden Regionen wie Tell Anafa hat, sind vor allem die Pithoi interessant. Diese ebenfalls aus lokalem Material gefertigten Pithoi zeigen Varianzen im Detail, die auf eine lokale Handarbeit schließen lassen. Fünf dieser Pithoi tragen griechische Inschriften, die vor dem Brennen eingeritzt wurden. Es handelt sich um Namen – Hermogenos, Kalligenos, Sillas, Dionysos – und in zwei Fällen auch um Zahlen, die Hartal als Jahreszahlen versteht und nach der seleukidischen Ära zu 144/3 v. Chr. bzw. 133/2–124/3 v. Chr. auflöst. Solche Inschriften auf Pithoi kennt man nach Hartal auch aus Tell Dan (mit dem Namen Aetos) und Tell Anafa (mit dem Namen Matas), beides aus dem nördlichen Huleh-Tal, in dem Pithoi der „Golan Ware“ ebenfalls nachweisbar sind. Für Hartal ist Khirbet Zemel ein repräsentatives Beispiel für zahlreiche weitere kleinere Siedlungen im Golan, die hier in hellenistischer Zeit an zuvor unbesiedelten, aber in Teilen vielleicht als saisonales Nomadenlager genutzten Plätzen entstanden und teils nur sehr kurze Zeit über genutzt wurden. Die griechischen Namen auf den Pithoi deutet er dabei als die Namen von „officials in charge of pithoi production“.144 Allerdings weisen die griechischen Namen auf den Pithoi ebenso wie die seleukidischen Münzen doch eher auf eine Ansiedlung von seleukidischen Kolonisten in der Region hin, die hier strategische Sicherungsaufgaben ebenso wie landwirtschaftliche Inwertsetzung und Landnutzung zur Aufgabe hatten. So betont Urman, dass die Siedlungen im Golan mehrheitlich auf Anhöhen und oft in direkter Nähe zu Quellen u. ä. lagen. Dies bringt er mit typischen Überlegungen einer Agrargesellschaft in Zusammenhang, die agrarisch nutzbaren Flächen nicht mit Siedlungsarealen ‚verschwenden‘ wollten.145 Darüber hinaus ist die Bauweise

142

Hartal 2002, S. 75. Ariel 2002, S. 119. 144 Hartal 2002, S. 74–115. 145 Urman 1985, S. 102–105 und 84. Vgl. auch Hannestad 2011, S. 267–268. 143

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des Gebäudekomplexes146 kaum so unterschiedlich zu der von Berlin beschriebenen Bauweise in Tell Anafa147, als dass sich daraus ‚ethnisch‘ unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ableiten ließen. Im Gegenteil könnten die griechischen Namen auf den Pithoi darauf verweisen, dass es sich hier um seleukidische Militärkolonisten handelte, die nach der Eroberung Koilé-Syriens zunächst angesiedelt wurden, dann aber nach kurzer Zeit zu weiteren Kampfhandlungen abberufen wurden.148 Eine ähnliche Siedlungsentwicklung scheint sich auch für den Norden Galilaias nachvollziehen zu lassen: Für das nördliche Galilaia und das Huleh-Tal kann gezeigt werden, dass sich im späten 2. Jhd. v. Chr. die Anzahl der Siedlungsstätten verdreifachte. Zuvor aufgegebene Orte wie Tell Anafa wurden nun, vielleicht mit Siedlern aus dem südlichen Phoinikien, wiederbesiedelt.149 Eine neu angelegte Villa in Tell Anafa erhielt dabei ein Badehaus, welches nach Millar die älteste hellenistische Badeanlage im Nahen Osten ist.150 Auch das Heiligtum von Tell Dan erlebte in hellenistischer Zeit die bauliche Erneuerung des Kultkomplexes. Die Kultkontinuität könnte auf ein demographisch stabiles Umfeld des Heiligtums hinweisen. Am Ort fand man außerdem die schon genannte bilinguale aramaisch-griechische Inschrift, die die Verehrung des „Gott, der in Dan ist“ belegt.151 Tell Dan wird von einigen Forschern sogar als Ort einer seleukidischen ‚Neugründung‘, eines Antiocheia des Huleh-Tals, verstanden, aber die Quellenlage ist nicht eindeutig.152 In der Folge beschreibt Berlin die Zerstörungshorizonte und teils gravierenden Veränderungen der materiellen Kultur in den Siedlungen des Raumes, den sich die Hasmonaier aneigneten – solche Zerstörungshorizonte finden sich aber nicht im Hermon-Gebirge, dem nordöstlichen Golan und dem nördlichen Huleh-Tal.153 146

Hartal et al. 1987, S. 270. Berlin 2005, S. 427. 148 Vgl. Hannestad 2011, S. 275. 149 Berlin 2005, S. 424–425. Tell Anafa ist einer der wenigen Orte, an denen Fischer und Tal bei ihrem Survey hellenistischer Architektur-Dekorelemente Funde in seleukidische Zeit datieren möchten: Fischer / Tal 2003, S. 32. Offenbar bestanden große Unterschiede zwischen Ober- und Unter-Galilaia: Ober-Galilaia hat fast keine griechischen Inschriften und nur einfachen Architekturdekor mit Menorah, Adlern aber z. B. keine Mosaike mit hellenistischen Motiven etc.; Unter-Galilaia hatte eine Reihe von urbanen Zentren mit Anschluss an die hellenistische Welt; gleichzeitig blieb man in Ober-Galilaia bei Aramaisch und Hebraisch und pflegte eine eigene Keramiktradition: Feldman 1996, S. 24–25. 150 Millar 1987, S. 118. 151 Ilan 1997, S. 111. 152 Vgl. die kurze Diskussion bei Cohen 2006, S. 230. Im Kibbuz Senir zwischen Tell Dan und Panias fand sich eines der wenigen Beispiele hellenistischer Skulptur im Großraum Israel: Fischer / Tal 2003, S. 32. 153 Berlin 2005, S. 428. Für Pastor gelangte Tell Anafa schon unter Alexander Jannaios unter hasmonaische Kontrolle und während der Ort, der als lokales Handelszentrum 147

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Die von Berlin mit einer Eroberung durch die Hasmonaier in Verbindung gebrachten Veränderungen, die aber eben nicht Hermon, nordöstlichen Golan und nördliches Huleh-Tal betrafen, scheinen einen Bericht über Judas Aristoboulos I. zu bestätigen, der in seiner kurzen Regierungszeit von 104–103 v. Chr. auf Kosten der Ituraier eine Gebietserweiterung vorgenommen haben soll. Josephos berichtet: χρηματίσας μὲν Φιλέλλην, πολλὰ δ᾿ εὐεργετήσας τὴν πατρίδα, πολεμήσας Ἰτουραίους καὶ πολλὴν αὐτῶν τῆς χώρας τῇ Ἰουδαίᾳ προσκτησάμενος, ἀναγκάσας τε τοὺς ἐνοικοῦντας, εἰ βούλονται μένειν ἐν τῇ χώρᾳ, περιτέμνεσθαι καὶ κατὰ τοὺς Ἰουδαίων νόμους ζῆν. φύσει δ᾿ ἐπιεικεῖ ἐκέχρητο καὶ σφόδρα ἦν αἰδοῦς ἥττων, ὡς μαρτυρεῖ τούτῳ καὶ Στράβων ἐκ τοῦ Τιμαγένους ὀνόματος λέγων οὕτως· „ἐπιεικής τε ἐγένετο οὗτος ὁ ἀνὴρ καὶ πολλὰ τοῖς Ἰουδαίοις χρήσιμος· χώραν τε γὰρ αὐτοῖς προσεκτήσατο καὶ τὸ μέρος τοῦ τῶν Ἰτουραίων ἔθνους ᾠκειώσατο, δεσμῷ συνάψας τῇ τῶν αἰδοίων περιτομῇ.

„Obwohl er ein Freund der Griechen genannt wurde, hatte er doch seinem Vaterlande viel Gutes erwiesen, indem er die Ituraier bekriegte, einen großen Teil des Landes mit Judaia vereinigte und die Bewohner zwang, falls sie in ihrer Heimat bleiben wollten, die Beschneidung anzunehmen und nach jüdischen Gesetzen zu leben. Er war von Natur leutselig und schamhaft, wie dies auch Strabon bezeugt, der nach Timagenes also berichtet: ‚Dieser Mann war leutselig und den Juden sehr nützlich, da er deren Gebiet vergrößerte; denn er nahm einen Teil des Ituraiervolkes in dasselbe dadurch auf, dass er sie zur Beschneidung nötigte‘.“154

Wo dieses Gebiet lag, ist in der Forschung jedoch umstritten.155 Als Beleg dafür, dass es in der Textstelle überhaupt um Gebiete in Galilaia geht, wird eine Episode fungiert habe, aufgelassen worden sei, habe man aber das gesamte Umland intensiv landwirtschaftlich genutzt. Er leitet daraus ab, dass es nicht um die Kontrolle des Ortes, sondern um die agrarische Nutzung des Territoriums gegangen sei: Pastor 1997, S. 76. Wenige Gebäudereste sowie zahlreiche Kleinfunde aus dem 1. Jhd. n. Chr. zeigen eine Weiternutzung des Tells in römischer Zeit, wobei jetzt aber offenbar kaum Kontakte zu Tyros und dem phoinikischen Raum, dafür aber eine enge Anbindung an Galilaia und Paneion nachvollziehbar sind: Herbert 1993, S. 117–118. Das zunächst unter den Achaimeniden, dann auch unter Ptolemaiern und Seleukiden als regionales Verwaltungszentrum dienende Tell Kedesh südlich von Tell Anafa wurde Mitte des 2. Jhd. v. Chr. offenbar schnell aufgegeben, was mit einer hasmonaischen Eroberung 144 v. Chr. in Zusammenhang gebracht werden könnte, Erlich 2017, S. 40. 154 Jos. Ant.Jud. 13, 11, 3. Übersetzung nach Clementz. 155 Für Dar handelte es sich bei dem von den Hasmonaiern den Ituraiern abgenommenen Gebiet um einen Raum, der bis in den Golan, den Hermon und sogar bis an die südlichen Ausläufer der Beka-Ebene reichte (Dar 1988, S. 28). Knauf glaubt, dass es um Gebiete in Galilaia und Transjordanien ging. Allerdings hält er fest, die Ituraier hätten ihre Herrschaft über das Gebiet zwischen dem Huleh-See und Paneion sowie

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um Antigonos und Aristoboulos herangezogen: Aristoboulos war erkrankt und konnte nicht bei Feierlichkeiten im Jerusalemer Tempel teilnehmen. Sein Bruder sprang für ihn ein, brachte aber aus Galilaia so prächtige Rüstungen und militärischen Ruhm mit, dass am Hof eine Intrige gegen ihn angezettelt wurde und Aristoboulos seinen Bruder und Mitregent schließlich töten ließ.156 Weil die Operation gegen die Ituraier der einzige überlieferte Feldzug der einjährigen Regierungszeit ist, könnte der militärische Ruhm aus dieser Eroberung stammen.157 Auch wenn mindestens Teile des Golan behaupten können (Knauf 1998, S. 271–272). Für Gatier geht es hierbei um Gebiete im Hermon (Gatier 2002, S. 121). Sullivan scheint von einer Kontrolle der Ituraier über ganz Galilaia auszugehen, wobei Aristoboulos I. einen Teil dieser Gebiete eroberte (Sullivan 1990, S. 71). Horsley denkt, dass das von Aristoboulos eroberte Gebiet im nördlichen Galilaia lag. Dabei deutet er die Frage nach der ‚Bekehrung‘ der Eroberten zum Judentum weniger als einen tatsächlichen Religionsakt als einen Akt der politischen Zugehörigkeitsdefinition (Horsley 1996, S. 24–27). Für Sasse könnte die Erwähnung der Ituraier in der Passage des Josephos auch ein Missverständnis des Autors gewesen sein, da es keine Belege für ituraische Siedlungen in Galilaia oder eine hasmonaische Kontrolle über die mit den Ituraiern in Zusammenhang gebrachten Gebiete im Libanon, Hermon und Golan gebe. Er betont, die von Aristoboulos judaisierten Einwohner Galilaias seien „sicher keine Ituraier“ gewesen (Sasse 2009, S. 214–216). Für eine friedliche Einigung zwischen Hasmonaiern und einer ituraischen Bevölkerungsgruppe würde vielleicht auch die Nachricht bei Josephos sprechen, der Hasmonaier Hyrkanos habe an Marcus Antonius unter anderem auch einen Joseph, Sohn des Mennaios, als Gesandten geschickt, wenn man diesen als Bruder des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, verstehen möchte: Flav.Jos. Ant.Jud. 14, 307; dazu Saulcy 1869, S. 8. Kasher möchte außerdem sechs epigraphische Belege für den engen Kontakt der jüdischen zur ituraischen Bevölkerung ausmachen, deren Aussagewert in diese Richtung jedoch sicher nicht als zwingend gelten kann. So glaubt er in einem griechischen Grabstein aus Beth She’arim mit der Nennung von Arthis als Verschreibung des ituraischen Namen Aretas sowie einem hebraischen Grabstein aus Nazareth mit der Nennung eines Soaimos Zeugnisse von Ituraiern sehen zu können. In gleicher Weise möchte er in Mariamme, Ehefrau des Alexander aus Capua, bekannt aus einem Grabstein aus Jerusalem sowie in Justus aus Chalkis, Feigenhändler, bekannt aus einem griechischen Grabstein vom selben Ort zwei Ituraier zu sehen, die aus Capua im Hermon stammten und sich in Jerusalem niederließen: Kasher 1988, S. 84–85 mit Einzelnachweisen. Auch Dar bezieht diesen Ortsnamen auf das Capua im süd-westlichen Hermon, das dort durch eine Inschrift mit der Liste von Dörfern, die an einem gemeinsamen Kult teilnahmen, verortbar ist. Für ihn sind die beiden Inschriften Indiz einer jüdischen Bevölkerungsgruppe in der Region seit hellenistischer Zeit: Dar 1988, S. 29. Zu der Diskussion um die Lokalisierung der Gebiete siehe auch die Zusammenfassung bei Myers 2010, S. 25–29. Alexander Jannaios hatte schon die Einwohner Pellas aufgefordert, die jüdischen Traditionen anzunehmen. Sie lehnten ab und die Stadt wurde zerstört: Jos. Ant.Jud. 13, 397. 156 Jos. Bell.Jud. 1, 3, 3–4. 157 Allerdings glaubt etwa Atkinson, dass, falls es hier um Kämpfe gegen die Ituraier ging, diese dann in den Golan-Höhen oder an den Hängen des Hermon-Massivs stattfanden: Atkinson 2016, S. 87–97.

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das natürlich spekulativ bleiben muss, scheinen die archäologischen Befunde von Berlin durchaus eine Zugehörigkeit des nördlichen Huleh-Tals zumindest zu einem anderen Herrschaftsbereich als dem der Hasmonaier nahezulegen. Dies war dann wohl der Raum, den die Ituraier beherrschten, denn nach dem Tod des ituraischen Tetrarchen Zenodoros erhielt Herodes dessen Gebiete „zwischen Trachonitis und Galilaia, mit Ulatha und Paneion und dem umgebenden Land“.158 Mit Schottroff bezieht sich wohl auch ungefähr auf diesen Raum die im Lukas-Evangelium bezeugte Regionalbezeichnung Ituraea, Herrschaftsbereich des Herodes-Sohnes Philippos, der hier als „Tetrarch von Ituraia“ bezeichnet wird.159 Mit dem Tetrarchen Zenodoros sind auch die Informationen zu einem anderen Herrschaftsgebiet der Ituraier verbunden, nämlich dem Hauran. Von Flavius Josephos und Strabon erfahren wir, dass Trachonitis, Batanaia und Auranitis einem Zenodoros unterstanden, der jedoch aufgrund seiner Machenschaften mit den dortigen Räuberbanden von Augustus diesen Teil seiner Domäne entzogen bekam.160 Josephos berichtet an anderer Stelle, Zenodoros habe die Auranitis an 158

Jos. Ant.Jud. 15, 10, 3. Luk. 3, 1; Schottroff 1982, S. 130: „im Norden von ‚Galilaia‘, aber südlich einer ungefähr von Abila nach Westen verlaufenden Linie […]. Zumindest gilt diese Festlegung für die zu der genannten Zeit, auf die sich Luk. 3,1 bezieht [15. Regierungsjahr des Tiberius = 28 n. Chr.], in diesem Raum vorauszusetzenden territorialen Verhältnisse.“ Während im Lukas-Evangelium nebeneinander von Ituraea und Trachonitis regio gesprochen wird, scheint Eusebius beide Regionen als einen Raum zu verstehen und nennt es „das Land, das der Wüste bei Bosra in Arabien benachbart ist.“ Zu der Verwechslung kommt es laut Schottroff, weil es zu Eusebios’ Zeit eine Landschaftsbeschreibung Ituraea gar nicht mehr gab und Eusebios also nicht mehr genau wissen konnte, was der Evangelist damit meinte: Onom. 110, 27; vgl. Schottroff 1982, S. 132. Vgl. die Diskussion der Begriffe Ituraia und Trachonitis bei Smith. Er wies schon 1894 darauf hin, dass Landschaftsbezeichnungen ‚wandern‘, also zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedliche Gebiete angewendet wurden, weshalb etwa ‚Ituraia‘ im Lukas-Evangelium nur noch die Region um Paneion in der Tetrarchie des Philippos bezeichnet habe, während die gesamte Tetrarchie bei Philo von Alexandreia als ‚Trachonitis’ bezeichnet worden wäre: Smith 1894, S. 237–238. Der Name Ituraier / Ituraia scheint in den Quellen sowohl als ethnische oder politische Gruppenbezeichnung als auch als geographische Zuweisung genutzt zu werden: Vgl. Wilson 2004, S. 7. 160 So schreibt Josephos: „Diese Gegend wurde von verkommenen Menschen bewohnt, die das Gebiet der Damaszener plünderten, und anstatt ihren Räubereien Einhalt zu tun, beteiligte sich Zenodoros [der das Gebiet gepachtet hatte] sogar noch an ihrer Beute. […] Dem Treiben der Räuber ein Ende zu machen, war indes keine leichte Sache, da dieselben nur von ihrer Räuberei lebten und weder Städte noch Ackerland, sondern nur unterirdische Schlupfwinkel und Höhlen besaßen, in denen sie mit ihrem Vieh gemeinschaftlich lebten.“ Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1, Übersetzung von H. Clementz. Eine ähnliche Beschreibung findet sich bei Strabon 16, 2, 20: „Noch mehr aber berauben jene Barbaren die Kaufleute aus dem Glücklichen Arabien, was jedoch jetzt weniger vorfällt, nachdem die Räuberbanden des Zenodoros durch den von den Römern 159

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die Araber (gemeint waren die Nabataier) verkauft.161 Auf das angebliche Räuberwesen des Zenodoros und eine mögliche andere Interpretation der Textstellen soll zurückgekommen werden. Die Regionalbezeichnungen Gaulanitis, Trachonitis, Batanaia, Auranitis stammen wohl von den entsprechenden ptolemaischen Verwaltungseinheiten in diesem Raum.162 Wann genau die Ituraier eine Herrschaft über diese Regionen übernahmen, ist mit den vorhandenen Quellen kaum nachzuvollziehen.163 Aber für diese Herrschaft könnten die bereits angesprochenen herrührenden gesetzlichen Zustand und durch die von den in Syrien unterhaltenen Truppen hergestellte Sicherheit vernichtet sind.“ Übersetzung von Forbiger. 161 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 2. Er erwähnt diese Region erneut im Kontext der Gebietsschenkung an Herodes nach dem Tod des Zenodoros, als Herodes dessen Gebiet „zwischen Trachonitis und Galilaia, mit Ulatha und Paneion und dem umgebenden Land“ erhielt: Jos.Ant.Jud. 15, 10, 3. Wahrscheinlich gehörte auch die Region Batanaia in dessen Herrschaftsbereich, schließlich wurden alle drei Regionen gemeinsam mit weiteren Besitzungen des Zenodoros später an den Herodes-Sohn Philippos gegeben: „Batanaia aber mit Trachonitis und Auranitis nebst einem Teil des sogenannten Besitztums des Zenodoros wurden dem Philippus zugeteilt, dem diese Ländergebiete jährlich hundert Talente einbrachten.“ Jos. Ant.Jud. 17, 11, 4. In der Parallel-Stelle in Bell.Jud. 2, 95 spricht Josephos ebenfalls über Batanaia, Trachonitis und Auranitis sowie Teile des Hauses eines Zeno um Jamnia. Mit Zeno ist vermutlich der Tetrarch Zenodoros gemeint, aber es ist unklar welche Art von Besitzungen dieser bei Jamnia hatte. Vielleicht handelt es sich aber doch um eine andere Person und dessen Besitz um Jamnia. Jamnia war von Pompeius 63 v. Chr. vom judaischen Gebiet abgetrennt worden (Ant.Jud. 14, 4, 4) und dann 30 v. Chr. von Augustus an Herodes gegeben, welcher es seiner Schwester Salome vererbte (Ant.Jud. 17, 8, 1 und 11, 5); vgl. Beer, s.v. Jamnia, in: RE IX.1, Sp. 683–685. Wenn Zenodoros Besitz um Jamnia hatte, war dies vielleicht Privatbesitz, der etwa durch Eheverbindungen o.ä. in die ituraische Tetrarchenfamilie gelangte. Bemerkenswert ist, dass in der Batanaia der Personenname Zenodoros offenkundig beliebt war: IGLS XIV 19; 83; 91; 365; 513 gegenüber einem einzigen Beleg für den Eigennamen Herodes: 415. 162 Dentzer 1985, S. 392–397. 163 Unter den Ptolemaiern scheinen die Tubiaden in Transjordanien für die Steuereinziehung zuständig gewesen zu sein, bevor dann nach der Schlacht am Paneion die Seleukiden die Region übernahmen. Schon für 163 v. Chr. überliefert aber das 1. Makkabaier-Buch militärische Interventionen des Judas Makkabaios östlich des Jordan, um gefährdete Glaubensbrüder zu retten. Dabei zog er drei Tagesmärsche in das Hinterland des Jordan und belagerte eine Reihe von befestigten Orten in der Region. Als Zielort wird hier allerdings die Landschaft Gilead angegeben, so dass es sich vielleicht vor allem um Gebiete südlich der Hauran-Region handelte. Darüber hinaus traf er hier auf Nabataier und einen Timotheos und seine Männer, aber von Ituraiern wird nicht gesprochen: 1 Makk. 5, 24–44. Es sind dann auch Nabataier, die wohl im nördlichen Transjordanien bei Kana den Seleukiden Antiochos XII. besiegten, woraufhin sie die Herrschaft über Damaskos erlangten: Jos. Ant. Jud. 13, 14, 1–15, 2. Damit wird wohl eine Herrschaft über den Hauran verbunden gewesen sein. Diese ging vielleicht mit der Herrschaft über Damaskos verloren, als Tigranes von Armenien 72 v. Chr. Syrien bis nach Damaskos einnahm (Zur Rekonstruktion der historischen Entwicklung vgl.

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Inschriften für Personen mit dem Personennamen Ituraios aus der Region um Umm al-Jimal als Belege herangezogen werden.164 Eine hellenistische Besiedlung scheint im Hauran nach Sartre im 2. Jhd. v. Chr. begonnen zu haben, da nun die ersten griechischen Inschriften in der Gegend von Nuqrah, dem Gebirge und der Leja entstanden. Dabei stammten in der Trachonitis die ältesten griechischen Inschriften aus den Dörfern im Zentrum der Region, während Sartre eine parallele Entwicklung auch in der Peripherie der Region vermutet.165 Villeneuve rekonstruiert eine hellenistische Besiedlung des Hauran schon seit dem 3. Jhd. v. Chr. und denkt ebenfalls an eine bereits intensive Bewirtschaftung des Raumes.166 In der Nurqah-Ebene um Bosra, am nordwestlichen Rand des Jebel Arab um Suweida und Si sowie der nordwestlichen Miller 1984, S. 62–76. Günther geht davon aus, dass diese Gebiete unter Pompeius der ituraischen Herrschaft überlassen wurden: Günther 2005, S. 128. Allerdings kam es kurz vor Actium bei Kanatha zu einer militärischen Konfrontation zwischen Herodes und den Nabataiern und Malichos, so dass dieser Teil der Region möglicherweise erst nach Actium an Zenodoros gegeben wurde (Jos. Ant. Jud. 14, 7, 1–4 und Bell. Jud. 1, 19, 1–6). 164 Said 2006, S. 129–131. 165 Damit wäre aber die zitierte Behauptung des Josephos, dieser Raum sei nur von in Höhlen lebenden Räubern behaust, spätestens im 1. Jhd. n. Chr. nicht mehr zutreffend gewesen. Sartre sieht hierin insbesondere eine Leistung des Herodes, der das Gebiet nach dem Tod des Zenodoros erhielt und durch ein umfangreiches Kolonisierungsprogramm strategisch neu erfasste. In diesem Zuge sei auch Eitha (Hit) an seinen epigraphisch bezeugten Beinamen Caesarea Eitha gelangt, da Herodes und auch Agrippa II. diesen Beinamen häufig an Städte zu Ehren des Augustus vergeben hätten: Sartre 1985, S. 191–194. In der Batanaia beginnen griechische Inschriften erst im 1. Jhd. v. Chr.: Sartre-Fauriat / Sartre 2016, S.  11. 166 Nur so habe das große Heiligtum für Baalshamin in Si errichtet worden sein können, welches durch die Bauinschrift bezeugt 33 v. Chr. fertiggestellt wurde. Eine solche Anlage setzte aber eine finanzkräftige Bevölkerung voraus, die möglicherweise auch bereits im Weinanbau aktiv war: Villeneuve 1985, S. 71–73. Auch Sadler hält es für möglich, dass die intensive Bewirtschaftung der Westhänge des Jebel Arab vor allem für Getreideanbau und Viehzucht bereits vor der Zeit der römischen Herrschaft betrieben wurde, wenn auch vielleicht durch eine nur partiell sesshafte Bevölkerung: Sadler 1990, S. 440. Vgl. auch Tholbecq 2007b, S. 300–302 zur Zugehörigkeit des Hauran zu den verschiedenen Klientelherrschern. Für Dentzer zeigt sich dann seit dem 1. Jhd. v. Chr. eine Zweiteilung des Hauran, wobei der nördliche Bereich nach der Beherrschung durch verschiedene Klientelherrscher zur Provinz Syria kam, während der südliche Bereich von den Nabataiern kontrolliert wurde und mit deren Königreich 106 n. Chr. zur Provinz Arabia wurde: Dentzer 1985, S. 395. Der Hauran liegt am Rande des 200 mm Isohyeten: Die Auranitis, also das Gebirge des Jebel Arab, sowie dessen westliche Flanken erhalten mehr als 400 mm Niederschlag im Jahr, die Ebenen im Westen und Norden unter 300 mm, so dass hier fast alle Wasserläufe zwischen Mai und November trockenfallen. Eine landwirtschaftliche Nutzung konnte unter römischer Herrschaft durch intensive Bewässerung möglich gemacht werden, deren präzise Datierung und auch die Frage

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Ecke der Leja fanden sich hellenistischen Siedlungsspuren, die ins 2. Jhd. v. Chr. zurückreichen.167 Ähnliche Befunde konnten im Zuge des von Kennedy et al. durchgeführten „Southern Hauran Survey“ auch an wenigen anderen seit der frühen Bronzezeit bestehenden Siedlungen im Gebiet gemacht werden, allerdings weisen die Autoren auf die Vorläufigkeit eines rein durch Scherbensammlung gewonnenen Bildes hin.168 Diese Einschränkungen müssen auch für die „Prospections archéologiques dans le Hauran“ eines französischen Teams um Braemer gelten, bei dem drei Gebiete des Hauran durch Surveys untersucht wurden. Auch hier zeigen einige Siedlungsplätze hellenistische Keramik, diese Epoche tritt aber weit hinter die römerzeitlichen Funde zurück. Die geringe Fundmenge aus der Eisenzeit und der hellenistischen Zeit lassen Braemer vermuten, dass zwischen dem Ausgang der späten Bronzezeit und dem 1. Jhd. v. Chr. die Region möglicherweise primär von einer nicht sesshaften Bevölkerung genutzt wurde, die erst ab dem 1. Jhd. v. Chr. sesshafter wurde.169 Allerdings verweist er in einer früheren Publikation auf eine Reihe von Orten mit eisenzeitlich / hellenistischen Funden.170 So betont denn auch nach hellenistischen Vorläufern ist bislang schwierig: Braemer 1990, S. 453–455. Mit leicht abweichenden Angaben zur Regenmenge vgl. auch Gentelle 1985, S. 19–27. 167 Dentzer 2003, S. 182–188. In Si fanden sich nach einer älteren Besiedlung in hellenistischer Zeit Wohnhäuser nordwestlich des Plateaus des späteren großen Tempelkomplexes. In zwei offenbar gemeinsam geplanten Bauphasen wurde ein erstes Heiligtum in zwei Schritten auf dem Plateau errichtet, wobei für die zweite Bauphase umfangreiche Terrassierungen des Geländes nötig wurden. Diese Phase ist durch einen nabataischen Münzfund auf die 1. Hälfte des 1. Jhd. n. Chr. datierbar: Blanc 2003, S. 33–34. Die Anlage des Heiligtums entspricht dabei der aus der weiteren Region auch an anderen Orten wie Sahr oder Sur al-Leja zu findenden Typen von Heiligtümern mit offenen oder durch Portiken halb geschlossenen Temenoi, die in das 1. Jhd. v. oder 1. Jhd. n. Chr. datieren und wohl auf eine gemeinsame Tradition zurückgehen: Dentzer-Feydy 2003, S. 109. Vielleicht in eine ähnliche Chronologie gehören eine Reihe von Türmen entlang der Route von Chahba / Philippopolis Richtung Westen zur Leja, die Hatoum in den Kontext der nabataischen Herrschaft stellt: Hatoum 2000, S. 137. Ebenfalls in diesen chronologischen Rahmen setzt Kennedy die Befunde aus Umm al-Quttain, wo er eine mindestens seit dem 1. Jhd. v. Chr. bestehende Besiedlung mit dann vor allem in römischer Zeit nachweisbarem umfangreichem Wassermanagement aufzeigt. Der Ort war bereits seit der frühen Bronzezeit besiedelt und zeigte u. a. auch hellenistische Keramik, die für eine kontinuierliche Besiedlung seit der frühen Bronzezeit spricht: Kennedy 1995, S. 280. 168 Kennedy / Freeman 1995, S. 56–57, 60–61. 169 Braemer 1993, S. 162; vgl. auch Braemer 1988, S. 99–137. Mit ähnlichen Problemen ist auch eine ältere Studie von Millar zur Urbanisierung der Region unter römischer Herrschaft behaftet: Miller 1984, mit einer sehr problematischen Klassifizierung der Siedlungsstellen in ‚nabataisch‘ oder ‚herodisch‘: S. 95–130. 170 Mahadje, Tell Ektebe, Tell el-En, Tell el-Jetime, Tell Dili, Tell es-Sheilye, Tell eshSheikh (Alt), Tell Hamad? (Abel): F. Braemer 1984, S. 224. Im Raum zwischen Si und Qulib konnten Prospektionen weiterer französischer Forscher an drei der insgesamt

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Villeneuve die lange Tradition einer sesshaften Bevölkerung in der Region, die in Zeiten einer guten Sicherheitslage auch die Einbindung nomadischer Gruppen möglich gemacht habe. Diese seien aber nicht die Hauptträger der ökonomischen und siedlungstechnischen Erschließung der Region seit dem 1. Jhd. v. Chr. gewesen.171 Einer solchen Feststellung steht auch nicht entgegen, dass er eine Reihe der bei Josephos und Strabon beschriebenen von Menschen genutzten Höhlen archäologisch nachweisen kann.172 Trotz der bisherigen Betonung der Bedeutung einer kontinuierlichen sesshaften Besiedlung der Region seit dem 2. Jhd. v. Chr. wird es aber auch nomadische Bevölkerungsgruppen in den von den Ituraiern kontrollierten Gebieten gegeben haben. Dies legen etwa Befunde eines Survey aus dem Hinterland von Baalbek nahe.173 Für das Survey ausgewertete Pollenprofile aus dem Aammiq-See in der zentralen Beka und aus der Nähe von Anjar machen einen geringen Anbau von Kulturpflanzen wahrscheinlich. In der südlichen Beka scheint dabei selbst in römischer Zeit eher Viehhaltung denn Ackerbau betrieben worden zu sein.174 Diese Viehhaltung kann dabei natürlich auch in eine stationäre Landwirtschaft eingebunden gewesen sein. Für die bergigen Regionen von Libanon und Antilibanon ist aber auch von einer zumindest saisonal mobilen Viehhaltung auszugehen.175 Und dieses gilt umso mehr für die Region des Hauran, deren naturräumliche Gegebenheiten eine Zonierung in unterschiedliche stationäre und mobile Wirtschaftsformen geradezu herausfordern.176 In diesem Kontext ist die erste Bauphase des Heiligtums von Sahr al-Leja am nördlichen Rand der Leja interessant. Hier entstand wohl in der Mitte des 1. Jhd. v. Chr. ein erstes, vielleicht um eine natürliche Felsformation gebildetes Heiligtum, dessen genaue architektonische Gestaltung nicht mehr rekonstruiert werden kann. In einer zweiten Bauphase vielleicht Ende des 1./Anfang des 2. Jhd. n. Chr. wurde darüber ein monumentaler Komplex aus Tempel, zwei Vorhöfen, Zugangsgebäude und benachbartem Theater errichtet. Die zugehörige Siedlung, 29 Siedlungsstellen hellenistische Keramik nachweisen, die überwiegende Mehrheit der Fundstellen gehört aber in den römischen Kontext: Vallat / L eblanc 2008, S. 29. 171 Villeneuve 1985, S. 73–74 und 75. 172 Z. B. 1 km süd-südwestlich von Umm az-Zeitun, nördlich von Umm ar-Rummān, 12 km südöstlich von Ṣalkhad sowie die Grotten bei Tell Abu Benama, Tell al-Hasan und Tell Quleib von denen einige später zu großen Zisternen umgebaut worden seien. Deren Keramikhorizont würde eine durch alle Zeiten bis heute andauernde Nutzung anzeigen: Villeneuve 1985, S. 73. 173 Die Abschlusspublikation steht aber noch aus, siehe Fischer-Genz / E hrig 2005, S. 135– 138. Das Survey konnte nur einen Siedlungsort mit späthellenistischen Keramik­f unden im Hinterland von Baalbek ausmachen: S006 im Survey, Fischer-Genz 2014, S. 82. 174 Fischer-Genz / E hrig 2014, S.  40–41. 175 Vgl. Gatier et al. 2005, S. 161–166. 176 Vgl. Villeneuve 1985, S. 73–75.

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deren chronologische Einordnung schwierig, aber wohl ähnlich der Bauphasen des Heiligtums ist, zeichnet sich durch mit Mauern eingefasste Gebäude mit offenen wie überdachten Strukturen aus. Diese werden von den Ausgräbern als Zeugnisse einer Viehhaltergemeinschaft gewertet, die nur einen Teil des Jahres hier verbrachte. Spätestens in der wohl kaiserzeitlichen Ausbauphase erschien der primär verehrte Himmelsgott als klassischer Zeus, vielleicht von zwei Dioskuren begleitet. Daneben wurde offenbar auch Athene verehrt. In der Mitte des ersten Hofes befand sich ein großes Monument, auf dem neben Reitern zwei Götter auf Wagen sitzend dargestellt wurden. Der Ausbau des Heiligtums sowie das große Reitermonument im ersten Hof werden von Weber dabei mit der Ansiedlung babylonischer Reiter unter Zamaris durch Herodes den Großen in Verbindung gebracht177, womit die Ausgräber den Ort als Teil der Befriedungspolitik des Herodes verstehen.178 Angesichts der ersten Ausbauphase in der Mitte des 1. Jhd. v. Chr. könnte aber auch postuliert werden, dass bereits unter der Herrschaft des Zenodoros ein erstes Heiligtum entstand, dass genau die Funktion des Treffpunkts einer (teil)mobilen Gemeinschaft ausüben sollte und vielleicht Zenodoros’ Bemühungen um eine Einbindung dieser Gemeinschaft in seine Herrschaft zeigt. Dabei ging es aber offenbar nicht um Sedentarisierung, denn bis in die Kaiserzeit scheint die Besiedlung saisonal geblieben zu sein. Eine solche Funktion wird auch dem Heiligtum für Baalshamin in Si zugewiesen, welches mit einem ähnlichen Zeithorizont errichtet wurde.179 Insgesamt lässt sich in der Region des Hauran offenbar in der Mitte des 1. Jhd. v. Chr. eine erste Welle der Anlage von Tempelkomplexen zeigen. Dies 177 Weber

2002, S. 115–127: Das Monument sei Zeugnis der unter Herodes in der Trachonitis angesiedelten Zamariden, deren primäre Aufgabe die Überwachung und Sedentarisierung der lokalen Nomaden gewesen sei. Das Statuenmonument habe das Selbstverständnis der Nachkommen dieser Militärsiedler betont. 178 Dentzer-Feydy / Dentzer / Renel / Sartre-Fauriat 2017a, S.  174–175; Dentzer-Feydy / ​Dentzer / Renel / Sartre-Fauriat 2017b, S.  439–442. 179 Vgl. dazu Tholbecq 2007b, S. 303–304. Eine solche Funktion könnte auch das Heiligtum von Paneion im Huhle-Tal ausgefüllt haben, das an einer strategisch günstigen Position als Knotenpunkt eines weit verzweigten Straßennetzes lag. Paneion wird erstmalig bei Polybios in Zusammenhang mit der Schlacht zwischen Antiochos III. und dem ptolemaischen General Scopas 200 v. Chr. „am Paneion“ erwähnt (Polyb. 16, 18–19). Für Hartal ist dies ein Indiz, dass der Ort schon im 3. Jhd. v. Chr. als PanHeiligtum bekannt war: Hartal 2009, S. 189. Bis zur Übergabe der Herrschaft an Herodes 23 v. Chr. lässt sich am Ort allerdings keine Bautätigkeit nachweisen, weshalb Hartal davon ausgeht, dass der Raum zunächst nur von Nomaden genutzt wurde, obwohl ab der Mitte des 2. Jhd. v. Chr. sich die sesshafte Besiedlung im nördlichen Golan, an den Füßen des Hermon und im nördlichen Huleh-Tal ausgeweitet habe. Eine permanente Siedlung entstand offenbar erst durch Philippos, Sohn des Herodes und sein Erbe, der in Paneion die Hauptstadt seiner Tetrarchie errichtete und diese Caesarea Philippi nannte: Hartal 2009, S. 189. Anders noch Ghadban 1987, S. 222. Herodes baute dann am Ort einen Tempel für Augustus, dessen genaue Lokalisierung umstritten ist (Jos. Ant.Jud. 15, 10, 3).

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könnte natürlich auf die Sedentarisierung nomadischer Gruppen zurückgeführt werden, wie dies in der Forschung auch postuliert wurde.180 Die von einigen Forschern betonten Ähnlichkeiten in Architektur und Gestaltung der Heiligtümer mit offenkundigen Vorbildern in Damaskos und dem weiteren nördlichen Syrien lassen aber vermuten, dass daran eine bereits seit der achaimenidischen Epoche lokal ansässige Bevölkerung einen nicht unwesentlichen Anteil hatte.181 Damit muss zumindest bedacht werden, dass es keinen automatischen Gegensatz zwischen dieser lokalen sesshaften Bevölkerung und nomadischen Gruppen gab. Ebenfalls zu bedenken ist, dass die Anlage von Tempeln und Heiligtümern eine integrierende Wirkung nicht nur auf nomadische Gemeinschaften hatte. So interpretiert z. B. Freyberger das Heiligtum von Majdal Anjar ebenso wie die anderen zeitgenössischen Tempelanlagen in der Region von Beka-Ebene, Libanon und Antilibanon anders als etwa Sommer nicht als eine Art sakralen Schutz der Dörfer der Ebene vor den Räubern der Berge, sondern im Gegenteil als integrierende Gemeinschaftsorte für die verschiedenen Bewohner des Umlandes.182 Eine solche Funktion könnte man auch einem weiteren Tempelbau zuschreiben, dessen Datierung eine Errichtung unter ituraischer Herrschaft nahelegt, nämlich die frühen Bauphasen des Heiligtums von Horvat Omrit in den Ausläufern der westlichen Golanhöhen. Auch dieser Ort ist strategisch günstig auf einer Anhöhe entlang einer wichtigen Kommunikationsroute von der Küste nach Damaskos gelegen. Ausgrabungen haben hier ein Heiligtum und eine angrenzende Siedlung freigelegt. Auf älteren, dafür offenbar bis auf das Fundament abgetragenen Resten wurde in späthellenistischer Zeit ein Monument mit Podium (ES1) errichtet, das vielleicht als Erinnerungsort diente. In der nächsten Bauphase, wohl im späten 1. Jhd. v. Chr., wurde aus dem Monument ein Pseudo-Peripteros-Tempel korinthischer Ordnung mit tetrastyler Fassade auf dem bestehenden Podium (ES2). In deutlich größeren Dimensionen wurde dann am Ende des 1. Jhd. v. Chr. ein neuer Tempel (T1) errichtet, wofür die älteren Aufbauten abgetragen und das Podium durch Umbauung vergrößert wurde. Dieser Tempel wurde (vielleicht gewaltsam) zerstört und wohl zwischen 50 und 80 n. Chr. ein neuer, wiederum größerer Tempel T2 gebaut. Durch die jeweilige Vergrößerung der Gebäude in jeder Bauphase konnten die hellenistischen Phasen ES1 und ES2 im Podium der späteren Phasen überdauern, so dass man hier sogar Putz- und Farbreste fand. Diese zeigen, dass auch in den frühen Bauphasen sehr viel Wert auf eine hochwertige Gestaltung und Ausstattung des Baus gelegt wurde.183 So konstatiert Nelson, dass die Bauphasen 180

Für den Hauran z. B. bei Millar 1987, S. 128. Damaskos könnte in persischer Zeit als möglicher Sitz eines achaimenidischen Statthalters eine besondere Rolle auch als kulturelles Zentrum für die weitere Region gespielt haben: vgl. Eph’al 1988, S. 154–155. 182 Freyberger 2007, S. 89–108 zu Sommer 2003. 183 Nelson 2015, S. 1–7 zum Überblick über die Baugeschichte; 28–44 zur detaillierten Beschreibung der ES-Phasen. 181

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Abb. 6: Rekonstruktion des Heiligtums ES 2 in Horvat Omrit, aus: Berlin 2015, S. 4.

einerseits durch ihre hochwertige Gestaltung eine gewollte Zurschaustellung der großen Investition leisteten und andererseits verschiede Maßnahmen in jeder Bauphase die Kontinuität zur Vorgängerbebauung betont hätten.184 In Anbetracht der wahrscheinlichen Zeithorizonte muss man mindestens den Tempel ES2, vermutlich aber schon das Monument ES1 mit der Zeit der ituraischen Herrschaft in diesem Raum in Verbindung bringen. So versteht schon Berlin den Bau von ES2 als Bauwerk des ituraischen Tetrarchen Zenodoros, als „a prominent advertisement of authority and stature, and also an ambitious territorial statement 184

Zur Bemalung der Wände und des Putzes vgl. auch Rozenberg 2011, S. 55–68. Die Betonung von Kontinuität wird vor allem an dem Erhalt einer kleinen Mauer am rückseitigen Teil des Tempels deutlich, die sowohl von der wesentlich einfacheren Mauertechnik wie auch der nicht zum Gebäudekomplex gehörenden Lage als Fremdkörper erhalten wurde: Diese Mauer blieb sichtbar und ihr gegenüber war sogar eine Nische in die Temenos-Mauer eingelassen, um Opfergaben aufzunehmen. Nelson vergleicht dies mit Praktiken auf der spätklassischen Agora Athens, bei der ältere Gebäudereste bewusst als Memorialorte in Neubauprojekten sichtbar blieben. Tempel und Temenos wurden am Ende des 1. Jhd. v. Chr. durch den fünfmal größeren Bau T1 ersetzt, den Nelson mit einer Bautätigkeit durch Herodes den Großen oder seinen Sohn, den Tetrarchen Philippos, in Verbindung bringen möchte, mit der vielleicht der Eingang in die nach dem Tod des Zenodoros gewonnenen Gebiete markiert wurde: Nelson 2015, S. 75–77, zur möglichen Datierung von T1 S. 77–81. Die Ausgräber spekulieren sogar, dass dieser Tempel der von Josephos belegte Augustus-Tempel des Herodes „beim Panion“ gewesen sein könnte: Overman / Olive / Nelson 2007, S. 177–183, 193.

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since it sits on the outside edge of Ituraean territory.“185 Die daraus ableitbaren Erkenntnisse werden in den Kapiteln zur Herrschaft und zu Strategien der Ituraier weiterentwickelt und diskutiert. Im Kontext dieses Kapitels zur Siedlungsgeschichte ist der Bau aber auch relevant, weil er ein kontinuierliches Interesse an einer Besetzung von strategischen Punkten im Kommunikationsnetz des Großraums demonstriert, auch wenn hier kein Kastell, sondern ein repräsentativer Schrein bzw. ein Heiligtum, errichtet wurde. Damit lässt sich für die Siedlungsentwicklung der Regionen, die mit den Ituraiern in Verbindung gebracht werden können, insgesamt festhalten, dass nach einer ersten Erschließung insbesondere der Beka-Ebene und des Libanon unter den Ptolemaiern alle Regionen eine Zunahme der Besiedlung seit dem 2. Jhd. v. Chr. verzeichneten. Insbesondere in Libanon, Beka-Ebene und Antilibanon, aber auch im Golan scheint ab dem ausgehenden 2. Jhd. v. Chr. ein Ausgreifen der Besiedlung in die umgebenden Seitentäler erkennbar, bei dem vor allem auch strategische Punkte entlang von Kommunikationsrouten gesichert wurden. Es sind diese strategischen Sicherungspunkte, mit denen die Ituraier bei Strabon und Josephos in Verbindung gebracht werden, während die Schriftquellen über die ebenfalls erkennbare Markierung anderer strategischer Plätze durch Tempel bzw. Heiligtümer schweigen.

3.2.2 Die Siedlungsentwicklung der Herrschaftsgebiete der Emesener Auch für die Territorien der Emesener lassen sich vorsichtige Aussagen über die Entwicklung der Siedlungsstruktur treffen, da hier eine Reihe von neueren Surveys vorliegen. Das Herrschaftsgebiet der Emesener erstreckte sich entlang des Orontes-Tals im Gebiet nördlich des Antilibanon186, eine genaue Eingrenzung ist aufgrund der Quellenlage schwierig. Die einzige Beschreibung des Emesener Herrschaftsraumes stammt wieder von Strabon: ὧν ἐστι καὶ ἡ Λυσίας, ὑπὲρ τῆς λίμνης κειμένη τῆς πρὸς Ἀπαμείᾳ, καὶ Ἀρέθουσα ἡ Σαμψικεράμου καὶ Ἰαμβλίχου, τοῦ ἐκείνου παιδός, φυλάρχων τοῦ Ἐμισηνῶν ἔθνους· οὐ πόρρω δ᾿ οὐδ᾿ Ἡλιούπολις καὶ Χαλκὶς ἡ ὑπὸ Πτολεμαίῳ τῷ Μενναίου, τῷ τὸν Μασσύαν κατέχοντι καὶ τὴν Ἰτουραίων ὀρεινήν […] Ὅμορος δ᾿ ἐστὶ τῇ Ἀπαμέων πρὸς 185

186

Berlin 2015, S. 3. Sullivan 1990, S. 62.

„Zu diesen Plätzen [die Apameia benachbart, gut befestigt und unter der Kontrolle von phylarchoi waren] gehörten Lysias, am See bei Apameia gelegen, und Arethusa, die Festung des Samsigeramos und seines Sohnes Iamblichos, phylarchoi des Volkes der Emesener, und nicht weit davon auch Heliopolis und Chalkis, dem Ptolmaios, des Mennaios

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ἕω μὲν ἡ τῶν φυλάρχων Ἀράβων καλουμένη Παραποταμία καὶ ἡ Χαλκιδικὴ ἀπὸ τοῦ Μασσύου καθήκουσα καὶ πᾶσα ἡ πρὸς νότον τοῖς Ἀπαμεῦσιν, ἀνδρῶν Σκηνιτῶν τὸ πλέον· παραπλήσιοι δ᾿ εἰσὶ τοῖς ἐν τῇ Μεσοποταμίᾳ νομάσιν·ἀεὶ δ᾿ οἱ πλησιαίτεροι τοῖς Σύροις ἡμερώτεροι καὶ ἧττον Ἄραβες καὶ Σκηνῖται, ἡγεμονίας ἔχοντες συντεταγμένας μᾶλλον, καθάπερ ἡ Σαμψικεράμου Ἀρέθουσα καὶ ἡ Γαμβάρου καὶ ἡ Θέμελλα καὶ ἄλλων τοιούτων.

Sohne, unterworfen, der Massyas und die Berge der Ituraier beherrschte. […]. 11. Grenzland von Apameia gegen Osten ist das sogenannte Parapotamia der arabischen Phylarchen und die vom [Gefilde] Marsyas an sich erstreckende [Landschaft] Chalkidike, dann das ganze den Apamaiern südlich gelegene und größtenteils Zeltbewohnern gehörende Land. Diese gleichen den Wanderhirten in Mesopotamien; immer aber sind die den Syrern näher wohnenden gesitteter und weniger Araber und Zeltbewohner, weil sie besser geordnete Verfassungen haben, wie Arethusa des Samsigeramos und das Gebiet des Gambaros und Themella und andere dergleichen.“187

Nimmt man diese Strabon-Stelle zunächst einmal als Zeugnis über die Ausdehnung des Herrschaftsbereichs von Samsigeramos und Iamblichos, so ist deren Zentrum also Arethusa und der von ihnen kontrollierte Bereich liegt zwischen dem Territorium von Apameia im Norden und dem Herrschaftsgebiet des Ituraiers Ptolemaios, Sohn des Mennaios, im Süden. Auch wenn die Grenzen des Emesenischen Territoriums also nur schwer rekonstruiert werden können, möchte Ball eine relativ große Ausdehnung annehmen, die das Homs-Bassin im mittleren Orontes umschloss und zu der Laodikeia am Libanon im Süden und Arethusa im Norden gehörten. Südlich nimmt er eine Ausdehnung bis Yabrud und bis in die Beka-Ebene und zwar bis Heliopolis an, im Norden bis zum zentralen Orontes-Bassin – dem Ghab – bei Apameia am Orontes, im Westen bis zum Mittelmeerraum bei Antarados und im Osten in die Wüste bis zu den noch zu diskutierenden Grenzsteinen mit Palmyra. Daher versteht Ball Emesa als „center of communication between the Syrian desert and the sea, as well as between Arabia and northern Syria.“188 Eine Ausdehnung bis Heliopolis ist aber angesichts der zitierten Aussage von Strabon unwahrscheinlich. Insbesondere entlang des Orontes überliefern die Quellen eine Reihe von Siedlungen, über die oft kaum mehr als der Name und manchmal nicht einmal eine sichere Lokalisierung bekannt sind.189 Unklar ist häufig auch der genaue Status der genannten Siedlungen. Dies gilt etwa für die westlich von Arethusa ge187

Strab. 16, 2, 10–11. Übersetzung nach Radt. Ball 2000, S. 33–34. 189 So zählt Strabon die Orte Larissa, Cassiana, Megara, Apollonia und weitere auf, die aber offenbar auf dem Territorium von Apameia lagen: Strab. 16, 2, 10. 188

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legenen Siedlung Mariamme (Miryamin), bei der über eine mögliche hellenistische Siedlung am Ort und deren Verhältnis zum Herrschaftsbereich der Emesener keine Aussagen möglich sind.190 Da es kaum Grabungen in den Herrschaftsbereichen gibt, muss den neueren Surveys im Umland von Homs große Bedeutung zukommen, da dadurch Erkenntnisse zur diachronen Entwicklung der Region gewonnen werden können. Eine Gruppe Forscher untersuchte in mehreren Prospektionen die Region im Westen von Homs, dem sog. Homs Gap, also der ‚Lücke‘ der Küstengebirge zwischen Homs und dem Mittelmeer. Der Untersuchungsraum lag zwischen Homs und dem Qal’at al Hosn / K rak des Chevaliers im Westen. Diese Region fungierte bereits seit dem Neolithikum als Kontaktraum zwischen Küste und Binnenland. Hier konnten die Daten aus dem Survey zeigen, dass es eine relativ dichte und kontinuierliche Besiedlung von der hellenistischen bis zur byzantinischen Epoche gab. Siedlungskontinuität fand sich dabei sowohl auf den Tells als auch in Siedlungen im Flachland.191 Die Befunde legen eine dichte Besiedlung des Terrains seit der hellenistischen Zeit nahe. Möglich wäre eine planvolle Neuanlage von Siedlungen z. B. im Bouquaia Bassin, im Zuge einer Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen in hellenistischer Zeit, mit der eine Veränderung des Wegenetztes der Region einher ging.192 Ein weiteres Team untersuchte mithilfe eines Surveys die Siedlungsentwicklung in Regionen nördlich und südlich von Homs.193 In den Untersuchungsregionen gab es in hellenistischer Zeit eine Kontinuität des Tell-basierten Siedlungssystems der Eisenzeit, wozu in den südlichen Mergellandschaften flache Siedlungsstellen hinzukamen, die für die Autoren Indiz einer veränderten Landorganisation und Landnutzung sind. Frühe hellenistische Keramikformen finden sich in dieser 190

Vgl. Butcher 2003, S. 110. Allerdings rechnet Gebhardt den Ort zum Territorium von Arados, aus dessen Oberhoheit es sich spätestens in der Kaiserzeit befreit habe: Gebhardt 2002, S. 241. 191 Hellenistische Keramik ließ sich bei über zwanzig Fundstellen nachweisen, römisch datierbare Keramik in fast allen Fundstellen. Interessant ist, dass diese Fundstellen eine Siedlungshierarchie vermuten lassen: Haïdar Boustani et al. 2003–2004, S. 67–68; Haïdar Boustani et al. 2008, S. 14: „L’éxtension des sites démontre une hiérarchiesation de l’habitat. Les plus grands peuvent atteindre 24ha comme Khirbat Mayam Al Diq. Quant aux habitats de taille moyenne, tels que Al Aameriya et Sir Al Debes, ils font entre 14 et 12 ha. Enfin, les plus petits et qui sont les plus nombreux font moins de 2ha.“ 192 José Ibáñez 2008, S. 192. 193 Philip / Bradbury 2016, S. 377: „The study area is located where the east-west route offered by the Homs-Tripoli gap intersects the north-south route along the Orontes and southwards into the Beq’a Valley. […] Located directly west of the central Syrian steppe, but comfortably within the range of reliable rain-fed agriculture, the study area ought to provide a guide to diachronic trends in settlement in an area that is relatively ‚low-risk‘ in terms of rainfall, and in which we might therefore expect settlement stability to have been the norm.“

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Apameia

Mittelmeer

Orontes -Tal

Larissa Epiphaneia/Hama

Arethusa Krak des Chevaliers Homs Gap Tripolis

Q tna Qa Qatna Syrische Wüste Emesa/Homs See von Homs Laodikeia am Libanon

Karte 3: Schematische Darstellung des Herrschaftsraums der Emesener und seines Umfelds.

südlichen Mergellandschaft vor allem in den eisenzeitlichen Tells, während erkennbar späte hellenistische Formen insbesondere um das als Laodikeia am Libanon neugegründete Tell Nebi Mend erscheinen. In der nördlichen Mergellandschaft zeigen frühe hellenistische Keramikfunde ebenfalls eine Kontinuität der schon eisenzeitlich besiedelten Tells entlang des Orontes, während späthellenistische Formen seltener anzutreffen waren.194 Insgesamt weisen insbesondere die Keramikfunde auf eine Besiedlung der Basalt-Landschaft westlich von Homs in hellenistischer Zeit, die Philip und Bradbury mit der Anlage der hellenistischen Siedlung in Arethusa / R astan sowie der erneuten Bedeutung des Orontes-Tals als Kommunikationsroute in Verbindung bringen. Diese Besiedlung bestand nicht nur in Form einer Siedlungskontinuität auf den Tells, sondern auch durch das Auftreten von anderen Siedlungsformen, inklusive von Turmstrukturen. Entsprechend könne auch die Vorstellung einer überwiegend nicht sesshaften Bevölkerung in der Region von Emesa in hellenistischer Zeit nicht mehr aufrecht erhalten werden, wenn auch von einer gegenüber der Bronze- und Eisenzeit geringeren Bevölkerungsdichte und einer stärkeren Konzentration der Besiedlung in der Umgebung der hellenistischen Gründungen ausgegangen werden müsse.195 Die Keramikbefunde machen dabei eine erste Siedlungswelle im 3. Jhd. v. Chr. sichtbar, sowie eine zweite Siedlungs-

194 195

Philip / Bradbury 2016, S.  385. Philip / Bradbury 2016, S.  385–386.

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welle zwischen 160 und 140 v. Chr.196 Da der südlichste Teil der Untersuchungsregion dieses Surveys östlich des Orontes in Richtung der Ausläufer der Syrischen Wüste liegt, kann angesichts dieser Befunde vermutet werden, dass es keine größere Gefährdung der sesshaften Besiedlung durch mögliche nomadische Gruppen aus der Syrischen Wüste gab.197 Bei Prospektionen im Umland von Tell Mishirfeh / Qatna konnte außerdem ein Areal im nord-nordöstlichen Umfeld von Arethusa in Bezug auf seine Besiedlungsgeschichte in den Blick genommen werden. Hier kam es in der hellenistischen Epoche zu einer Verschiebung der Siedlungsstruktur durch die Gründung des neuen Zentrums Arethusa hin zu diesem Zentrum und seinen Satelliten entlang des Orontes und seiner Zuflüsse.198 Auch die südlichen Ränder des Untersuchungsgebietes eines archäologischen Surveys in der Region von Hama könnten noch Teil des Territoriums von Arethusa und auch des Herrschaftsbereichs der Emesener gewesen sein. In diesem Raum stellten die beteiligten Archäologen eine „distinctly different settlement picture“ mit dem Beginn der hellenistischen Epoche fest, die mit einem Rückgang der Besiedlung im Vergleich zur Eisenzeit einherging. Dabei blieb die Siedlungsdichte im Süden von Hama – und damit auch in dem potentiell zu Arethusa gehörenden Gebiet  – vergleichsweise konstant, während sich im Norden von Hama bis auf die Neugründung von Larissa kaum Besiedlung nachweisen lässt. Im Süden von Hama dagegen scheinen auch in hellenistischer Zeit wieder kleinere Siedlungsstellen in Gebrauch genommen worden zu sein.199 196

Reynolds 2014, S. 53–54. Aufgrund der großen Ähnlichkeit der Keramik der ersten Siedlungsphase mit Funden in Berytos möchte Reynolds diese erste Siedlungsphase den Ptolemaiern zuschreiben. Träfe dies zu, müsste die Grenze zwischen Ptolemaiern und Seleukiden wesentlich weiter nördlich gesucht werden, als bislang in der Forschung angenommen. Möglich wäre aber doch eher, dass diese Siedlungen von der Küste aus mit Keramik versorgt wurden und damit auch an das ptolemaische Handelsnetz angebunden waren, auch wenn sie unter seleukidischer Kontrolle standen. Die Grenze zwischen beiden Reichen wird sicher nicht im Sinne eines ‚eisernen Vorhangs‘ für den Warenverkehr gesperrt gewesen sein. 197 Einen deutlichen Bruch der Besiedlung der Untersuchungsregion findet in römischer Zeit statt, die durch Keramikhorizonte mit Keramikformen seit der Mitte des 1. Jhd. n. Chr. bestimmt wird. Römerzeitliche Funde sind jetzt nicht mehr auf den Tells, sondern in neuen flachen Fundstellen zu finden, die zwischen 1 und 4 ha groß waren und oft noch erkennbare Mauerstrukturen oder Ziegeln im Boden hinterlassen haben. Diese werden als Reste unbefestigter landwirtschaftlicher Siedlungsstellen verstanden und scheinen mehrheitlich vom späten 1. bis 3. Jhd. n. Chr. genutzt worden zu sein. In dieser Zeit muss es also zu einer massiven Veränderung der Landorganisation gekommen sein, die sich für Philip und Bradbury gut mit der Auflösung des eigenständigen Königreichs Emesa und der Inkorporation der Region in das Römische Reich im dritten Viertel des 1. Jhd. n. Chr. vereinbaren ließe: Philip / Bradbury 2016, S. 386–387. 198 Al-Maqdissi 2016, S. 348. 199 Mit der römischen Epoche ändert sich das Bild erneut, da es nun zu einer massiven Aufsiedlung des gesamten Gebietes, insbesondere auch der bislang nur gering genutzten

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In die Ausläufer der Syrischen Wüste hinein scheinen die Emesener ein relativ großes Territorium kontrolliert zu haben. Denn hier fanden sich in Khirbet Bilaas und Qasr el-Heir el-Gharbi kaiserzeitliche Grenzsteine, die wohl das Territorium Emesas von dem von Palmyra trennten.200 Ob dies allerdings den Zustand der hellenistischen Zeit wiedergibt, zweifelt schon Chad an.201 Trotzdem möchte Sullivan gerade in der Verbindung der Emesener zu den arabischen Skeniten der Syrischen Wüste und Palmyra einen der wichtigsten Faktoren für die Bedeutung Emesas seit dem 1. Jhd. v. Chr. sehen.202 Dabei betont Gebhardt, dass die Grenzsteine zuallererst zur Festlegung des palmyrenischen Territoriums aufgestellt wurden, Emesa davon also nur sekundär betroffen gewesen sei.203 Die Quellenlage erlaubt es daher auch nicht, die Stellung des Ortes Nazala / Qaryatain näher zu definieren, der an den Routen von Damaskos und Emesa nach Palmyra gelegen war. Der Ort besaß in der ersten Hälfte des 2. Jhd. n. Chr. ein größeres Heiligtum, dessen indigene Priester ohne römisches Bürgerrecht sich archiereus nannten.204 Ob sich dieses Heiligtum jedoch auf dem Territorium von Emesa befand, muss unklar bleiben. Ebenso unklar ist, ob das Heiligtum auf hellenistische Vorläufer zurück ging und vielleicht ähnlich wie für die Ituraier in Sahr al-Leja oder Si postuliert als Kontaktpunkt zwischen einer nomadischen Gemeinschaft und der Dynastie von Emesa fungierte. Zunächst war mit Strabon offenbar Arethusa das Zentrum des Herrschaftsbereiches.205 Arethusa war nach Appian eine der Gründungen des Seleukos I. Nikator, Gebiete im Westen und Nordwesten von Hama, kam. Dabei entstanden nun auch kleinere Siedlungen und Einzelgehöfte, deren Verbreitung vor allem in Spätantike und frühbyzantinischer Zeit ihren Höhepunkt fand: Bartl / A l-Maqdissi 2016, S. 307–308 und 312. Auch der nördlichste Bereich des britisch-syrischen Homs-Surveys könnte Teil des Territoriums von Arethusa gewesen sein, der gewählte Ausschnitt könnte aber auch die Grenzregion zwischen dem Stadtgebiet von Emesa und dem von Arethusa abbilden. Diesen Eindruck legt in jedem Fall der epigraphische Befund nahe: Newson wertet hier die Namen auf Grabmonumenten und Grabinschriften nach IGLS V aus, die allerdings überwiegend erst mit dem 2. Jhd. n. Chr. einsetzen. Für die Basaltregion westlich des Orontes zeigt er dabei anhand aller vor 400 n. Chr. datierter Inschriften auf, dass der Raum zwischen dem See von Qattina im Süden und dem Dorf Btaise im Norden nur semitische Namen in den Inschriften aufweist, während das Gebiet im Viereck von Krad ad Dasiniya (nur lateinische Namen), Mariamme (lateinische und griechische Namen), Homairiya nördlich des Orontes (lateinische, griechische und semitische Namen) und Arethusa eine deutliche Durchmischung des Namensmaterials zeigt. Newson interpretiert zurecht, dass offenbar nur in diesem Raum nach der Provinzialisierung römische Kolonisten angesiedelt wurden: Newson 2015b, S. 286–287. 200 U. a. IGLS V 2552. 201 Chad 1972, S. 25–26. 202 Sullivan 1990, S. 63. 203 Gebhardt 2002, S. 239. 204 IGLS V 2697–2703. 205 Sullivan 1990, S. 199.

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die dieser nach Städten in Griechenland und Makedonien benannte.206 Eine mögliche Benennung von Arethusa nach einem Ort auf der Chalkidike könnte zur Bezeichnung der Landschaft des Orontes-Tals als Chalkidike geführt haben, wie Strabon berichtet.207 In der Forschung wird aber auch eine Hellenisierung eines indigenen Namens Arastan diskutiert. Arethusa könnte dann keine wirkliche Neugründung, sondern lediglich die Statuserhebung einer indigenen Siedlung gewesen sein.208 Die Lokalisierung von Arethusa im heutigen Rastan ist durch das Itinerarium Antonini zwischen Hama / Epiphaneia und Homs / Emesa gesichert.209 Vor Ort finden sich offenbar eine Reihe antiker Reste, die nicht systematisch erforscht wurden, wodurch Aussagen über die antike Stadt nicht getroffen werden können. Plinius d. Ältere erwähnt die Städte Arethusa, Larissa und Chalkis, die in einem nicht näher bezeichneten Krieg zerstört worden seien.210 Dabei scheint Plinius mit Cohen trotz der geographischen Verwirrung ihrer Lage Arethusa und Larissa im Orontes-Tal sowie Chalkis am Belos zu meinen.211 Möglicherweise handelt es sich bei dem Krieg um die militärischen Auseinandersetzungen im Umfeld der Revolte des Caecilius Bassus, deren Folgen für die Emesener noch anzusprechen sein werden. Ob eine auf Münzen von Arethusa belegte Freiheitsära ab 31/30 v. Chr. tatsächlich die Herauslösung der Stadt aus dem Herrschaftsbereich der Emesener belegt, wie Ball argumentiert, muss noch diskutiert werden.212 Die Tabula Peutingeriana zeigt in der Region des heutigen Krak des Chevaliers einen weiteren Ort mit Namen Demetrias an, bei dem es sich vielleicht um das heutige Tell Kalakh handelt. Wann diese Siedlung entstand, welche Bedeutung sie möglicherweise in der hellenistischen oder frühen römischen Epoche hatte und ob sie eventuell im Herrschaftsbereich der Emesener lag, muss offenbleiben.213 Der Name der Siedlung könnte einen hellenistischen Ursprung vermuten lassen. Wenn Demetrias als eigenständige hellenistische polis zu bewerten ist, würde ihr Territorium an die Westgrenze des Herrschaftsbereiches der Emesener grenzen. Das „Settlement and Landscape Developement in the Homs Region, Syria“-Survey konnte darüber hinaus zahlreiche weitere Siedlungsstellen zwischen Homs und Arethusa ausmachen, deren genaue Zeit- und Rechtsstellung nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte, die mehrheitlich jedoch Teil des Territoriums der Emesener gewesen zu sein scheinen.214 Appian nennt darüber hinaus ein weiteres Antiocheia am Libanon, dessen Lokalisierung und mögliche Identifizierung z. B. mit Arka 206

App. Syr. 57. Strab. 16, 2, 11. 208 Cohen 2006, S. 101–102. 209 Itin. Anton. 188, 2; 184, 5. 210 Plin. Nat.Hist. 6, 32. Arethusa in Syrien nennt er auch in 5, 32. 211 Vgl. Cohen 2006, S. 101–102. 212 Butcher 2003, S. 91. 213 Tab. Peut. 9, 3; dazu Cohen 2006, S. 105. 214 Vgl. Newson 2015b, mit der Karte auf S. 279. 207

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unklar ist.215 Auch hier könnte eine gemeinsame Grenze zum Territorium der Emesener bestanden haben, ohne dass diese lokalisiert werden könnte. Vielleicht spricht die Existenz dieser Siedlungen dafür, dass das Territorium der Emesener nicht wie von Ball angenommen bis zur Küste reichte, sondern nur einen binnenländischen Teil des Homs-Gaps umfasste. Im Süden hatte der emesenische Herrschaftsbereich eine gemeinsame Grenze mit dem Stadtterritorium von Laodikeia am Libanon. Laodikeia war offenbar eine seleukidische Gründung, wobei die genaue Gründungsgeschichte unklar ist. Nach Appian gründete Seleukos I. fünf Städte mit Namen Laodikeia zu Ehren seiner Mutter216 und vielleicht gehört auch Laodikeia am Libanon dazu.217 Der Ort erlangte dank seiner Lage am nördlichen Ausgang der Beka-Ebene große strategische Bedeutung für die Seleukiden, denn er markierte offenbar die Grenze zu den ptolemaischen Territorien.218 Bei Ptolemaios ist dazu eine Landschaft Laodikene mit zwei weiteren Orten, Paradeisos und Iabrouda, bezeugt.219 Die Identifizierung mit Tell Nebi Mend / K adesh sowie der spätere Beiname der Stadt, Laodikeia Skabiosa, ist durch Quellen bezeugt.220 Die Lage von Laodikeia zwischen dem Orontes und dessen Zufluss Muqadiyyah ist auch Motiv der kaiserzeitlichen Münzen der Stadt, auf deren Revers die Tyche der Stadt von zwei Urnen mit daraus entspringenden Flüssen umrahmt wird. Die Münzen belegen außerdem die Verehrung des lunaren Gottes Men in der Stadt.221 Wenn die These von MacAdam, dass die Beka-Ebene in 215

App. Syr. 57, dazu Cohen 2006, S. 93–94. App. Syr. 57. 217 Cohen 2006, S. 116–117; Erwähnung im Zuge der Kampagnen des Antiochos III. 221 v. Chr. bei Polyb. 5, 45, 7. Nach Ptol. 5, 14, 16 gab es auf dem Territorium der Stadt mit Iabrouda und Paradeisos noch zwei weitere Orte – letzterer könnte, wenn der bislang rekonstruierte Grenzverlauf zwischen Seleukiden und Ptolemaiern korrekt ist, erst bei der Neuordnung der Region unter Augustus und der Gründung der Veteranenkolonie in Heliopolis zum städtischen Territorium hinzugekommen sein. 218 Polyb. 5, 45, 7. Vgl. Philip / Bradbury 2016, S. 385. 219 Ptol. 5, 14, 16. Iabrouda könnte aber zuvor auch zum ituraischen Herrschaftsbereich gehört haben, da es dann unter die Herrschaft des Agrippa II. kam: IGLS V 2707. 220 Ptol. 5, 14, 16; Tab. Peut. 9, 4. 221 Cohen 2006, S. 116–117. Münzen mit Men unter Caracalla SNG Copenhagen 445; Münzen mit Tyche und zwei Flussgöttern, die zu ihren Füßen schwimmen unter Caracalla SNG München 1046, Lindgren III 1287. Die Verehrung des Gottes Men lässt über Parallelen zu Laodikeia am Lykos spekulieren, dass wohl in den frühen 250er Jahren durch die Ansiedlung griechischer Kolonisten gegründet wurde. Dazu Thonemann 2013, S. 22. Der phrygische Gott Men hatte verschiedene Aufgaben, war aber u. a. für Heilung, Bestrafung, Schutz von Grabstätten, Schutz der Soldaten und, dank seines lunaren Charakters, Fruchtbarkeit zuständig: Hiesinger 1961, S. 303. Gerade sein lunarer Charakter passt gut in die vorliegende Großregion, ebenso wie seine Funktion als Schutzgott von Soldaten gut zu einer Koloniegründung passen würde. Interessant ist weiterhin, dass im Rahmen des Psidien-Surveys zahlreiche Felsreliefs mit Götterdarstellungen gefunden wurden, wobei neben einem unbenannten 216

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hellenistischer Zeit mit dem altmesopotamischen Gilgamesch-Epos in Verbindung gebracht wurde, zutrifft, könnte sich gerade für die Verehrung eines Mondgottes in der Stadt eine darauf bezogene Erklärung anbieten: Laodikeia ‚bewachte‘ von seleukidischer Seite aus den Eingang in die Beka-Ebene und übernahm damit faktisch eine Grenzfunktion. Im Gilgamesch-Epos sind dabei der Sonnengott Shamash und die Venusgöttin Ischtar die Kinder des Himmels, nach einer anderen Tradition aber die Kinder des Mondes.222 Falls also die Ptolemaier in Anspielung auf das Epos Heliopolis gründeten und nach dem Sonnengott benannten, wäre eine Verehrung des Mondgottes als Vater der Sonne in Laodikeia eine schöne Antwort der Seleukiden gewesen. Zwischen Laodikeia und der späteren Hauptstadt des emesenischen Territoriums, Emesa, lag der See von Homs, der in der Antike eine vermutlich größere Ausdehnung hatte als heute und darüber hinaus von Sümpfen umgeben war. Emesa lag an einer strategischen Schlüsselposition am Kopfende des ‚Homs Gap‘, der wichtigsten Durchgangsebene zwischen der Küste und Zentralsyrien. Der Ort scheint bis in späthellenistische Zeit keine eigenständige Rolle gespielt zu haben, auch wenn aufgrund der geringen archäologischen Erforschung kaum weitere Aussagen möglich sind. Selbst die Lokalisierung des auf kaiserzeitlichen Münzen dargestellten Haupttempels der Stadt für den Gott Elagabal ist unklar.223 Die wenigen Grabungsergebnisse zeigen, dass der Tell von Homs ausweislich der Keramikfunde seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. besiedelt war, auch wenn Art und Umfang der jeweiligen Besiedlung nur sehr lückenhaft erfasst werden können.224 Dies gilt auch für die hellenistische Nutzung verschiedener anderer Siedlungsstellen in der Großregion, wie Arethusa, Tablissé, Baba Amro, Tell al-Naqera.225 Die Emesener werden wie angesprochen in der Naturgeschichte des älteren Plinius literarisch erwähnt226, Münzen prägten die Dynasten anders als andere Eigenherrscher der Region nicht und eine städtische Münzprägung setzte erst unter Antoninus Pius Reitergott vor allem Men, aber z. B. auch die Dioskuren abgebildet wurden. Diese konnten auch von einer weiblichen Gottheit begleitet werden, deren Identifikation mit Artemis, Selene, Kybele oder der ‚Psidischen Göttin‘ in der Forschung umstritten ist. Ihr lunarer Charakter bzw. Verehrung als Himmelsgottheit wird durch die Darstellung von Mondsichel und Sternen deutlich. Die Götter sind häufig bewaffnet dargestellt, was auf ein Bedürfnis nach Schutz zurückgeführt wird: Smith 2011, S. 138–140. Eine auf Papyrus überlieferte philosophische Schrift des Philodemos von Gadara diskutiert, ob die Götter ein Geschlecht haben und verneint dies, da sie nur entweder männliche oder weibliche Namen erhielten, was dann am Beispiel von Selene und Men gezeigt wird: PHerc 1428, vgl. Lane 1997, S. 65–66. 222 Sallaberger 2013, S. 34. 223 Kropp 2013, S. 25–26. 224 Moussli 1984, S. 11. 225 Abdulkarim 1997, S. 46–47. 226 Plin. Nat.Hist. 5, 81.

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ein, so dass auch erst dann die Rechtsstellung als Stadt im römischen Sinne sicher belegt ist.227 Die Frage, ob Emesa eine hellenistische (Wieder)Gründung oder eine erst nach der Eingliederung des Herrschaftsbereichs der Emesener gegründete ‚römische‘ Stadt ist, kann daher kaum beantwortet werden. Alle archäologischen Erkenntnisse stammen aus Rettungsgrabungen. Dadurch konnten die Nekropole von Tell Abou Saboun von Anfang / Mitte des 1. Jhd. n. Chr. sowie die Katakomben von al-Chufra, die vielleicht seit dem späten 1. Jhd. n. Chr. genutzt wurden, erfasst werden. Daneben haben Rettungsgrabungen bei einer römischen Therme im Viertel Turbat al-Djundi stattgefunden, deren Befunde nicht publiziert und die offenbar römisch-byzantinisch datiert sind. Nach Abdulkarim ließen sich sehr wenigen hellenistischen Funde auf dem Tell selbst nachweisen.228 Dagegen schreibt Boadaracco, dass Sondagen auf dem Tell von Homs keinerlei Anhaltspunkte für eine etwa seleukidische Siedlung dort geliefert hätten.229 Epigraphisch liegt ein Hinweis auf eine seleukidische Kolonie am Ort vor, dies lässt sich bislang aber nicht im archäologischen Befund bestätigen.230 Aufgrund der geringen Menge an hellenistischen Funden wird daher in der Forschung überwiegend eine Gründung Emesas erst in späterer Zeit angenommen. Für Chad entstand die Gemeinschaft der Emesener aus langsam einsickernden Beduinen, die dreiviertel des Jahres im Zelt lebten und im Winter nach Arethusa zurückkehrten. Zwischen den Orten Emesa und Arethusa liegen 20 km, eine für ihn leicht zu Pferd in wenigen Stunden zurücklegbare Distanz, wie es auch noch die Bauern in den Dörfern um Emesa zu seiner Zeit taten.231 Nitta erwähnt die Thesen zur Gründung von Seleukos Nikator oder in augusteischer Zeit, hält aber fest, dass der Ort im 1. Jhd. v. Chr. von einem arabischen Stamm unter der Dynastie des Samsigeramos gegründet worden sei.232 Nach Sullivan erlangte Emesa „some time in the Hellenistic centuries“ die Unabhängigkeit von den Seleukiden, vor dem 1. Jhd. v. Chr. fänden sich in den Quellen aber kaum Hinweise auf diese Gemeinschaft.233 Eine Stadt Emesa kommt bei Strabon nicht vor, wohl aber die Emesener, die mit Arethusa verbunden waren. Für Kropp ist dies der Beleg, dass es eine Stadt Emesa zu dieser Zeit noch nicht gab. Gleiches gilt für ihn auch für die Zeit des Plinius d. Ä., der auch wieder die Emesener, nicht aber eine Stadt Emesa nennen würde.234 227

Butcher 2003, S. 91–92. Abdulkarim 1997, S. 72–92. 229 Boadaracco 2017, S. 13–14. 230 IGLS V 107; vgl. Kropp 2010b, S. 200. 231 Chad 1972, S. 29. 232 Nitta 1989, S. 285. 233 Sullivan 1990, S. 62–63. 234 Plin. Nat.Hist. 5, 81: Nunc interiora dicantur. Coele habet Apameam, Marsya amne divisam a Nazerinorum tetrarchia, Bambycen, quae alio nomine Hierapolis vocatur, […], Chalcidem cognominatam Ad Belum, unde regio Chalcidena fertilissima Syriae, et inde Cyrresticae Cyrrum, Gazetas, Gindarenos, Gabenos, tetrarchias duas quae Granucomatitae 228

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Für Kropp waren die Emesener daher ein nomadischer Stamm, der erst in der Kaiserzeit eine Stadt mit seinem Namen gegründet habe.235 Abdulkarim möchte aus der Beschreibung der weiteren Region bei Strabon schließen, dass es hier zwei verschiede Bevölkerungsgruppen im 1. Jhd. v. Chr. gab: Sesshafte, die in den hellenistischen Städten wie Antiocheia, Laodikeia, Apameia und in den kleineren Zentren wie Larissa, Cassiana, Megara und Apollonia lebten oder auch in den Dörfern auf den fruchtbaren Böden. Und dann Nomaden, die von arabischen Phylarchen geführt wurden und erst durch die Intervention Roms sesshaft geworden wären. Die Macht ihrer Anführer habe dabei immer mehr die Form einer regulären Regierung angenommen.236 Ähnlich versteht auch Fisher die Emesener als nomadische Gemeinschaft, deren König zunächst eine prominente Rolle in der Bürgerschaft von Arethusa erlangt habe, bevor er dann vermutlich Emesa gegründet habe.237 Die gerade dargelegten – leider nur sehr lückenhaften – Befunde zur Siedlungsentwicklung des von den Emesenern kontrollierten Raumes zeigen aber doch, dass dieser in hellenistischer Zeit eine in Teilen wachsende ländliche Besiedlung in verstreuten kleinen Siedlungsstellen hatte, die eine konstante landwirtschaftliche Nutzung des emesenischen Territoriums nahelegen. Die Tatsache, dass diese Besiedlung nicht auf befestigte Zentralorte beschränkt blieb, sondern eben auch verstreute Einzelgehöfte und Dörfer beinhaltete, zeigt, dass es offenbar keine grundsätzliche Gefährdung für diese verstreute Bevölkerung etwa durch aus der Syrischen Wüste heranstürmende Nomaden gegeben hat. Im Gegenteil lässt sich die Entwicklung der Territorien der Emesener, aber auch der Ituraier, gut mit der grundsätzlichen Siedlungsentwicklung im Großraum Syrien in hellenistischer Zeit vergleichen. Dies wird Thema des folgenden Kapitels sein. Für die Emesener bleibt festzuhalten, dass ihre Anführer mit festen Plätzen verbunden waren, von denen aus sie Herrschaft ausübten – und dies mögen sie tatsächlich über einen Raum mit ganz unterschiedlichen sesshaften wie mobilen Bevölkerungsgruppen getan haben, wie Abdulkarim überlegt. Aber auch das entsprach den Gegebenheiten überall im Großraum Syrien, wie jetzt zu zeigen sein wird.

vocantur, Hemesenos, Hylatas, Ituraeorum gentem et qui ex his Baethaemi vocantur, Mariamnitanos, […].“ Damit werden die Emesener in der gleichen Form aufgelistet wie städtische Gemeinschaften wie Apameia, Chalkis am Belos, Hierapolis etc. Die Textstelle kann also keinen eindeutigen Beweis für oder gegen eine städtische Organisation der Emesener zu Zeiten des Plinius (und seiner Quellen) liefern. 235 Plin. Nat.Hist. 5, 81; Kropp 2010b, S. 200. 236 Abdulkarim 1997, S. 58–59. 237 Fisher 2020, S. 26.

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3.2.3 Vergleich des Befundes mit den Nachbarregionen Um zu verstehen, inwiefern der vorgestellte Befund zur Siedlungsentwicklung der Territorien der Ituraier und Emesener Rückschlüsse auf die Entstehung ihrer Eigenherrschaften ermöglichen könnte und ob sich daraus die These der Forschung, dass es sich um Entwicklungen aus nomadischen Gemeinschaften heraus handelte, ableiten lässt, soll ein kurzer Blick auf Nachbarregionen der Ituraier und Emesener geworfen werden. Hier liegt eine Reihe von Daten vor. So zeigt ein Survey im Tal von Ghab im Umland des nördlich von Emesa gelegenen Apameia am Orontes in hellenistischrömischer Zeit eine geringere Siedlungsdichte als in den vorherigen Epochen, wobei durch die Gründung von Apameia durch Seleukos I. durchaus neue Dörfer auf dessen Territorium erscheinen.238 Die geringe Siedlungsdichte aus hellenistischer Zeit ist hier vielleicht mit der Rolle Apameias als Hauptstützpunkt des seleukidischen Heeres zu erklären, an dem laut Strabon die 500 seleukidischen Kriegselefanten ebenso wie über 30.000 Pferde in königlichen Stallungen gehalten wurden.239 Die dafür nötigen Weide- und Futterflächen verhinderten vielleicht eine intensive Besiedlung des Umlandes. Das Territorium von Antiocheia, das durch das Amuq Valley Regional Project erforscht wurde, erlebte seit der Gründung von Antiocheia durch Seleukos I. einen massiven Anstieg der Besiedlung, die zu einer „landscape of small, dispersed sites“ führte, wie sie auch in anderen Regionen der Levante zeittypisch war. Diese kleinen Siedlungen breiteten sich seit dem 3. Jhd. v. Chr. auch in die die Ebene umgebenden Gebirgszüge aus und zwar nach Einschätzung der Forscher vor allem bis in die Höhe, in die sich Olivenanbau praktizieren ließ (600 m ü. M., teils bis 1000 m). Entsprechend interpretieren sie die Zunahme der Siedlungsstellen  – natürlich neben den Auswirkungen einer Ansiedlung von Kolonisten, die mit hellenistischen Gründungen einherging240 – vor allem auch als Folge der Intensivierung der landwirtschaftlichen Ausbeute der Region. Interessant ist aber, dass diese Besiedlung der Gebirgszüge sich offenbar einerseits entlang von Tälern mit Fluss / Bachläufen und andererseits entlang von Kommunikationsrouten orientierte.241 Eine strategische Gebietssicherung durch die Anlage von Siedlungen entlang von Verkehrstrassen gerade auch durch die Gebirge könnte im Hinterland von Antiocheia also auch eine Rolle gespielt haben. Die Anlage der Städte ebenso wie die Besiedlung von deren Territorien scheint dabei zunächst durch die Ansiedlung von Soldaten und Söldnern als Kolonisten getragen gewesen zu sein.242 238

Fortin 2016, S. 296. Strab. 16, 2, 10. Vgl. Clarke et al. 2020, S. 283. 240 Vgl. zu den Seleukiden: Andrade 2013, S. 42–43, 47–48; Wright 2012, S. 22; zu den Ptolemaiern: Müller 2006, S. 158–160, 166–179. 241 Casana / Wilkinson 2005, S.  40–46. 242 de Callataÿ 2020, S. 569. 239

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Aber auch andere Nachbarregionen der Emesener und Ituraier erlebten gut vergleichbare Siedlungsentwicklungen. Dies gilt insbesondere auch für die Gebiete von Koilé-Syrien, die erst unter Antiochos III. von den Seleukiden erobert wurden. Diese seleukidische Eroberung, die offenbar nicht mit großräumigen Zerstörungen einherging, führte mittelfristig zu einem Anstieg der Siedlungsstellen in allen Regionen ebenso wie zu einer sichtbaren Prosperität der Städte. Der Wohlstand der Städte wie auch der zahlreichen teils neu entstehenden Dörfer und Gehöfte wird dabei von Hannestad insbesondere auf die Landwirtschaft zurückgeführt. Deren Intensivierung durch die neuen Siedlungen und Höfe sei Hand in Hand mit einer Intensivierung der Territorialkontrolle durch die Anlage von Verwaltungszentren und Kastellen gegangen.243 Insgesamt hält Hannestad bei ihrer Betrachtung der Siedlungsentwicklung Koilé-Syriens fest: „The rise in the number of settlements in the countryside after the Seleucid conquest must reflect an increased number of inhabitants […]. Finds of imports such as Rhodian wine amphorae, and an increase in the number of registered coins, suggest a more dynamic economy. It is difficult to see how this could have taken place without a deliberate strategy on the part of Antiochos to develop his newly won territory. The influx of new settlers are more likely to have come from outside […]. Some may have been soldiers from the army left behind when Antiochos continued to campaign in Asia Minor.“244 Damit betont sie das strategische wie ökonomische Interesse der Seleukiden an ihren Territorien, das zu einem Ausbau der Besiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung dieser Territorien führte, was gleichzeitig deren herrschaftliche Durchdringung erleichterte. Die Träger dieser intensivierten Besiedlung und Nutzung der von den Ptolemaiern eroberten Gebiete könnten dabei zunächst Soldaten und auch Söldner gewesen sein, die für ihre Dienste in der Eroberung nun Land zugewiesen bekamen.245 Diese Ansiedlung von Soldaten hatte dabei nicht nur ‚praktische‘ Vorteile, weil deren Versorgung gleichzeitig die Territorialkontrolle und -nutzung förderte, sondern auch ‚ideologische‘ Vorteile, denn mit der Ansiedlung der Soldaten wurde der jeweilige Feldzug augenfällig für beendet und das eroberte Territorium als ‚dauerhaft besetzt‘ erklärt. Es ist interessant zu sehen, dass ganz ähnliche Muster dann auch in den Nachbarregionen der Ituraier und Emesener unter den dort entstehenden Eigenherrschaften zu erkennen sind. Auch in einer Region, in der von einer überwiegend nomadischen Bevölkerung ausgegangen wird246, nämlich den nabataischen Territorien, kam es 243

Hannestad 2011, S. 254–275. Hannestad 2011, S. 275. 245 Vgl. zu der Ansiedlung von Soldaten und Söldnern Chaniotis 2005, S. 65 und 84–86. 246 Zum Nomadismus der Nabataier vgl. Diod. 2, 48, 1; Diod. 3, 42, 4–5; Diod. 19, 94, 2–9. 244

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spätestens seit dem 2. Jhd. v. Chr. zu einem sukzessiven Anstieg von Siedlungsstellen, die eine Zunahme auch der stationär landwirtschaftlichen Nutzung des Gebietes bezeugen. Dies gilt etwa für die Befunde eines Surveys des nördlichen Umlands von Petra. Hier kam es ab dem ausgehenden 3. Jhd. v. Chr. zu einer Zunahme der Siedlungsstellen, wobei insbesondere auch eisenzeitliche Siedlungsstellen mit Nähe zu Wasser und Kommunikationsrouten, hoher Visibilität und dem Vorhandensein von landwirtschaftlich nutzbarem Land besiedelt wurden. Diese Besiedlung steht mit Knodell et al. in Zusammenhang mit dem Ausbau von Petra als Hauptort der Nabataier.247 Vergleichbare Ergebnisse erzielte auch ein Survey des süd-östlich von Petra gelegenen Jebel ash-Sharah. Hier ließen sich seit dem 2. Jhd. v. Chr. „wenige, vorwiegend in Stadtnähe sowie entlang der Einzugsstraßen errichtete Klein- und Einzelsiedlungen“ nachweisen, bevor es im 1. Jhd. n. Chr. zu einer deutlichen Zunahme der Besiedlung kam.248 Für Transjordanien und die Negev zeigt die Entwicklung bis ins 1. Jhd. v. Chr., dass hier überwiegend Kastelle und Wegstationen zur Sicherung der Verkehrswege angelegt wurden. Diese waren offenbar nur von kleineren Siedlungsstellen begleitet, in denen die Arbeitskräfte zum Betreiben der Wegstationen lebten. Dazu gab es höchstens eine kleinräumige Garten-Landwirtschaft.249 Diese Form von Besiedlung spiegelt mit Erickson-Gini vor allem das Bemühen der Nabataier, ihre Handelsrouten strategisch zu sichern.250 Die Zunahme der sesshaften Besiedlung bzw. deren Ausbreitung im gesamten Herrschaftsraum ab dem späten 1. Jhd. v. bzw. frühen 1. Jhd. n. Chr. wird dann in der Forschung als Folge einer Sesshaftwerdung bisher mobiler Bevölkerungsgruppen verstanden.251 Für die hellenistische Zeit scheint der Befund aber eine mit dem Ausbau von Petra als Hauptort einhergehende beginnende Erschließung des Umlandes sowie eine strategische Sicherung der Verkehrs- und Handelsadern zu zeigen, die eine Zentralmacht als wichtigsten Akteur und Initiator der Entwicklung erkennen lässt. Das südlich der ituraischen Gebiete zu findenden Judaia erlebte seit dem 2. Jhd. v. Chr. eine deutliche Siedlungs- und Bevölkerungszunahme, bei der es zu Migrationsbewegungen in Nachbargebiete kam. Diese wurden von den Hasmonaiern sukzessive erobert, auch um weiteres Land für die offenbar zu dieser Zeit anwachsende eigene Bevölkerung bereitstellen zu können.252 So lässt sich in Samaria archäologisch eine deutliche Zunahme der Besiedlung seit Ende des 2. Jhd. 247

Knodell et al. 2017, S. 667–669. Ladurner 2015, S. 43. 249 Erickson-Gini 2012, S. 52. 250 Erickson-Gini 2010, S. 45. 251 Graf 2005, S. 436. Nach Kouki ging es dabei nicht um die Einwanderung neuer Bevölkerungsgruppen bzw. deren Migration, sondern um eine fortschreitende Sedentarisierung der Nabataier selbst: Kouki 2013, S. 330–331. Vgl. auch Beckers / Schütt 2013, S. 321. 252 Vgl. Sartre 2001, S. 313, 395; Vogel 2002, S. 147. 248

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v. Chr. aufzeigen.253 Die Bereitstellung von neuem Land für die judaischen Bauern war dabei für Kuhnen ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz der hasmonaischen Herrschaft durch die Bevölkerung.254 Judaia und die von den Hasmonaiern eroberten Gebiete werden damit implizit als Ackerbauregionen mit einer sesshaften, Landwirtschaft betreibenden Gesellschaft verbunden, die auch Träger des Landesausbaus war. Drei Themen scheinen damit die Siedlungsentwicklung der Nachbarregionen der Ituraier und Emesener zu bestimmen: Im Norden die Auswirkungen von seleukidischen Städtegründungen durch die Ansiedlung von Kolonisten und die Ausweitung der Landwirtschaft durch die Attraktivität der städtischen Märkte seit dem 3. Jhd. v. Chr.; eine Zunahme der Bevölkerung und Besiedlung seit dem 2. Jhd. v. Chr. insbesondere in dann durch die Seleukiden von den Ptolemaiern eroberten Gebieten und als drittes eine strategische Gebiets- und Kommunikationsachsen-Sicherung durch die Anlage von Siedlungen und Kastellen durch zentrale Autoritäten. Betrachtet man die bisher gewonnenen Erkenntnisse zu den Herrschaftsbereichen der Emesener und Ituraier ohne das Bild der räuberischen Nomaden im Hinterkopf, dann entsprechen sie sehr gut dieser allgemeinen Entwicklung des Großraums Syrien: Die hellenistische Epoche wird im emesenischen Herrschaftsbereich durch eine überwiegende Kontinuität der ländlichen Besiedlung sowie der Anlage neuer Siedlungszentren an strategisch relevanten Orten sichtbar. Der Eindruck einer in hellenistischer Zeit überwiegend nicht-sesshaften Bevölkerung in der Region, den die Forschung aus den literarischen Quellen rekonstruiert hat255, kann nicht bestätigt werden. Vielmehr scheinen die Stadtgründungen entlang des Orontes-Tales dessen strategische Bedeutung als Kommunikationsachse für die seleukidischen Herrscher zu bestätigen, die eine unkontrollierte Nutzung durch Nomaden unwahrscheinlich machen. Die sesshafte Besiedlung durch verstreute kleinere Siedlungen auf allen landwirtschaftlich nutzbaren Böden bis hin zu den Grenzen der Syrischen Wüste spricht für eine gute Sicherheitslage und keine starke Gefährdung durch aus der Wüste einfallende Nomaden. Ähnliches muss auch für die Siedlungsentwicklung der ituraischen Herrschaftsgebiete gelten. Denn in hellenistischer Zeit gab es hier einen sichtbaren Anstieg der Besiedlung im gesamten Herrschaftsbereich, wobei aufgrund der fragmentarischen Forschungslage offenbleiben muss, ob die Zunahme der Besiedlung der Seitentäler ab dem ausgehenden 2. Jhd. v. Chr., wie sie für den Libanon erkennbar wird, auch 253

Vgl. Applebaum 1989, S. 10, 13–14. Ob daraus aber mit Applebaum eine grundsätzliche Landnot in Judaia geschlossen werden kann oder ob es sich dabei nicht einfach um das übliche Verfahren der Entlohnung von Anhängern und Mitkämpfern handelte, muss offenbleiben. Vgl. die Diskussion bei Pastor 1997, S. 64. 254 Kuhnen 1990, S. 35. 255 Schottroff 1982, S. 137; Knauf 1998, S. 273–276; Sommer 2001, S. 83.

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den Antilibanon und das Tal von Zebedani erfasste. Zwei Trends sind aber im gesamten Raum auszumachen: Einerseits die Kontinuität in der Siedlungsstruktur, da die Mehrheit der hellenistischen Siedlungen an bereits zuvor teils schon seit dem Neolithikum besiedelten Plätzen in den Ebenen bzw. in den Tälern lag. Andererseits die mit der Raumsicherung der ptolemaischen wie seleukidischen Zentralmacht verbundene Besetzung von strategisch wichtigen Plätzen entlang von Verkehrsrouten. Dies ließ sich unter den Ptolemaiern etwa durch die Anlage der Kastelle von Gerrha und Brochoi zeigen. Für die Seleukiden wurde es u. a. an der Erschließung von Golan und Hermon deutlich. Gerade ihrer Herrschaft und ihren Maßnahmen ist eine Zunahme der Siedlungsstellen chronologisch zuzuordnen, die mit der Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen als Kolonisten zusammengegangen sein muss. Denn das Ziel des Landesausbaus war neben der strategischen Gebietssicherung auch dessen Inwertsetzung und damit eine Steigerung der Produktionskapazität und der königlichen Einnahmen.256 Dieser Befund lässt sich gut mit den beschriebenen ähnlichen Entwicklungen in den Nachbargebieten vergleichen, in denen die Zunahme der Siedlungsstellen auf zentrale Maßnahmen der seleukidischen Zentralmacht und in deren Folge der lokalen Dynasten zurückgeführt werden kann. Dazu steht auch die an den Beispielen Yanouh / Tal des Nahr Ibrahim und Qal’at el Hosn aufgezeigte beginnende Besiedlung der Seitentäler nicht im Widerspruch. Man könnte diese Siedlungen als Anzeichen für die Sedentarisierung von Nomaden verstehen, die hier an den Bergen zunächst weiter primär Viehzucht betrieben. Ebenso könnte darin nach Meinung der französischen Forscher ein Indiz für eine Verschlechterung der Sicherheitslage und ein Ausweichen der Bevölkerung in die als sicherer angesehenen Berge gesehen werden. Angesichts der strategischen Positionen dieser Höhensiedlungen im Libanon ist aber doch eher der Vergleich zur seleukidischen Erschließung des Golan überzeugend, der eine systematische Gebietssicherung durch das Besetzen solcher strategischen Positionen auf Initiative der Zentralmacht erkennen lässt. Vergleichen lässt sich diese Entwicklung auch mit der aufgezeigten strategischen Gebietssicherung der Nabataier entlang ihrer Kommunikationsrouten. Könnte diese Entwicklung von Nomaden getragen gewesen sein, die z. B. von den Seleukiden zur Sesshaftwerdung angehalten wurden? Die offenkundig die gesamte Levante in unterschiedlich starkem, aber doch sichtbarem Maße betreffende Entwicklung macht eine Ursachensuche jenseits individueller ökonomischer Push- und Pull-Faktoren für einzelne nomadische Familien sinnvoll.257 Das Ausgreifen der Besiedlung in seleukidischer Zeit auch in Randgebiete wie Hermon und Golan zeigt dabei eine intensivierte Inwertsetzung des vorhandenen Territoriums, die natürlich auch eine wachsende Konkurrenz um Böden und 256 257

Vgl. Hannestad 2011, S. 254–275. Zu diesen Faktoren Vgl. Rowton, 1974, S. 8–9.

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Wasser zwischen (nomadischen oder nichtnomadischen) Viehaltern und Ackerbauern verursacht haben könnte. Dies würde einem der wichtigsten Ursachen der Sedentarisierung neuzeitlicher Nomadengesellschaften entsprechen, nämlich der Einflussnahme fremder Zentralsaaten.258 Ebenso könnte sie aber auch Ausdruck eines zunehmenden Bevölkerungsdrucks auf die fruchtbaren Böden der Ebenen und Täler wie die Beka-Ebene sein, deren ‚Überschuss‘ nun in die urbar gemachten Randgebiete abgeführt wurde. Diese wären etwa der Entwicklung in Judaia und Samaria vergleichbar. Gleichzeitig zeigt der angesprochene Pollenbefund für die südliche Beka-Ebene die kontinuierliche Bedeutung der Viehzucht in diesem Raum bis in römische Zeit259 und das beschriebene Heiligtum von Sahr in der Leja mit seinem vor allem kaiserzeitlichen Nutzungshorizont belegt eine weiterhin zumindest temporär mobile Viehhaltergemeinschaft.260 Diese wurde über ein – vielleicht vom lokalen Machträger finanziertes  – Heiligtum in das lokale Marktgefüge eingebunden, ohne dass dafür der mobile Lebensstil aufgegeben werden musste. Insofern könnte der Befund für eine Organisation der Untersuchungsregionen im Sinne des „enclosed nomadism“ bzw. des „integrated tribe“ nach Rowton sprechen. Dies beschreibt er wie folgt: „But nomads of this kind, in enclosed nomadism, usually formed part of tribes or tribal confederations which included a strong sedentary element. […] For tribes of this kind, we shall be using the term ‚integrated tribe‘. […] The basic factor is that in enclosed nomadism […] the tribe constituted an autonomous polity within established states.“261 Doch schon jetzt sollte deutlich geworden sein, dass in der Zusammenschau der Entwicklung der einzelnen Regionen eine Ereignisrekonstruktion mit der Betonung der Gebietssicherung und Inwertsetzung durch die Zentralmächte die überzeugendere Erklärung der Siedlungszunahme darstellt. Denn es ist doch mehr als unwahrscheinlich, dass alle Regionen Syriens und Palaistinas von Antiocheia am Orontes bis Petra von einer Sesshaftwerdung und / oder Infiltration nomadischer Gemeinschaften betroffen waren. Natürlich gab es in diesen Regionen mobile Gemeinschaften, aber die Zunahme der Besiedlung und deren räumliche Verteilung lässt sich überzeugender mit strategischen Sicherungs- und Inwertsetzungsmaßnahmen zentraler Autoritäten in Verbindung bringen. Darein mögen nomadische Gemeinschaften eingebunden gewesen sein, aber eine ‚Infiltration‘ fand nicht statt. Es muss also gefragt werden, durch welche anderen historischen Umstände und Handlungsrahmen die Entstehung der Eigenherrschaften erklärt werden können. 258

Vgl. Cribb 1991, S. 25–26; Salzman 1996, S. 901; Werner 2000, S. 250–252, 265 ff. Fischer-Genz / Ehrig 2014, S.  40–41. 260 Dentzer-Feydy, Dentzer, Renel / Sartre-Fauriat 2017b, S. 439–442. 261 Rowton, 1974, S. 4–5. 259

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3.3 Die Anfänge der Eigenherrschaften Nachdem die vorherigen Kapitel bereits gezeigt haben, dass die These von der Infiltration oder Einwanderung der Ituraier und Emesener als arabische Nomaden in ihren späteren Herrschaftsbereich nicht widerspruchslos hingenommen werden kann, soll im Folgenden der Versuch einer alternativen Rekonstruktion der historischen Entwicklung ihrer Eigenherrschaft unternommen werden. Dazu sollen die Informationen aus den literarischen Quellen mit den bisherigen Erkenntnissen abgeglichen werden, um zunächst eine Vorstellung von der Genese der Eigenherrschaften vor dem Erscheinen ihrer ersten explizit benannten Dynasten zu erhalten. Dafür müssen wir auch frühere Entwicklungen einbeziehen: Alexander der Große zog im Zuge seiner Eroberung von Tyros auch gegen „Araber“ im Bereich von Libanon, Beka-Ebene und Antilibanon: ἐν τούτῳ δὲ ἀναλαβὼν τῶν τε ἱππέων ἴλας ἔστιν ἃς καὶ τοὺς ὑπασπιστὰς καὶ τοὺς Ἀγριᾶνάς τε καὶ τοὺς τοξότας ἐπ᾿ Ἀραβίας στέλλεται εἰς τὸν Ἀντιλίβανον καλούμενον τὸ ὄρος· 5καὶ τὰ μὲν βίᾳ, τῶν ταύτῃ ἐξελών, τὰ δὲ ὁμολογίᾳ παραστησάμενος ἐν δέκα ἡμέραις ἐπανῆγεν ἐς τὴν Σιδῶνα

„Währenddessen aber zog er selbst mit einigen Reiterschwadronen, den Hypaspisten, den Argianen und Bogenschützen in Richtung Arabien zum sogenannten Antilibanon, einem Gebirge, unterwarf dort eine Reihe von Einwohnern mit Gewalt und brachte andere durch Abmachungen auf seine Seite. Nach zehn Tagen kehrte er wieder nach Sidon zurück […].“262

Diese Stelle könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass in der Beka-Ebene lokale Gemeinschaften Herrschaftsaufgaben für die Achaimeniden übernahmen, etwa die Sorge um die Zedernwälder o.ä. Sie ist auch ein Beleg für die Bezeichnung des Raumes jenseits des Libanon als ‚Arabien‘.263 Den Arabern im Antilibanon, gegen die Alexander vielleicht in ihrer Funktion für die achaimenidische Gebietssicherung aktiv geworden war, wurde mit Gewalt oder mit Angeboten zur Zusammenarbeit begegnet. Dies war nicht nur angesichts der langwierigen Belagerung von Tyros geboten, sondern auch nötig, weil die neue Herrschaft Alexanders im syrischen Raum nicht überall widerspruchslos anerkannt wurde, obwohl er hier sofort Herrschaftsstrukturen schuf. So schreibt Curtius Rufus: At Alexander Parmenionem, per quem apud Damascum recepta erat praeda, iussum eam ipsam et captivos diligenti 262 263

„Nun wieder zu Alexander. Er befahl Parmenion, durch den bei Damaskos die Beute in seine Hände gefallen war,

Arr. Anab. 2, 20, 4–5. Übersetzung von Wirth und Hinüber. Vgl. MacAdams 2020, S. 335.

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asservare custodia, Syriae quam Coelen vocant praefecit. Novum imperium Syri, nondum belli cladibus satis domiti, aspernabantur; sed celeriter subacti oboedienter imperata fecerunt.

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diese sowie die Gefangenen in sorgsame Hut zu nehmen, und übertrug ihm das sogenannte Koilé-Syrien. Die Syrier wollten das neue Regiment ablehnen, da sie noch nicht durch Niederlagen genügend bezwungen waren; doch schnell unterworfen, taten sie gehorsam, was man ihnen befahl.“264

Diese arabische Bevölkerung wird auch in dem offenbar später in den Text Xenophons eingefügten Hinweis auf einen Dernes, Archonten von Phoinikien und Arabien, sichtbar, welcher vielleicht die Verwaltungssituation in der zweiten Hälfte des 4. Jhd. v. Chr. wiedergibt.265 Dieser Amtsträger zeigt aber auch das Bemühen, im Raum Herrschaftsstrukturen zu schaffen  – und es zeigt zwei offenbar als distinkt verstandene Regionen Phoinikien und Arabien. Die Zenon-Papyri belegen dann eine Einbeziehung der Region in die ptolemaische Verwaltungsstruktur nach dem Übergang des Raumes in den Herrschaftsbereich der Ptolemaier. So wird 257/58 v. Chr. Tell Arqa als Herakleia in Phoinikien benannt und auch der Hauran erscheint hier.266 Die Beka-Ebene wird in den Zenon-Papyri als Massyas bezeichnet und ist dort Teil der Route des Zenon bei seinen ökonomischen Aktivitäten 257 v. Chr. in Palaistina / Syrien für den ptolemaischen dioketes Apollonios.267 Dies muss als Beleg für die Einbeziehung des Raumes in das ptolemaische Herrschafts- und Wertschöpfungssystem verstanden werden. Zu dieser Zeit ist die Region also sicher in ptolemaischer Hand, von anderen lokalen Autoritäten berichten die Quellen aber nichts. Später wird die Beka-Ebene von Polybios in der Erzählung über einen Feldzug des Antiochos III. gegen die Ptolemaier 221 v. Chr. beschrieben: ἀφ᾿ ἧς ποιησάμενος τὴν ὁρμὴν ὁ βασιλεὺς μετὰ πάσης τῆς στρατιᾶς, καὶ διελθὼν τὴν ἔρημον, ἐνέβαλεν εἰς τὸν αὐλῶνα τὸν προσαγορευόμενον Μαρσύαν, ὃς κεῖται μὲν μεταξὺ τῆς κατὰ τὸν Λίβανον καὶ τὸν Ἀντιλίβανον παρωρείας, συνάγεται δ᾿ εἰς στενὸν ὑπὸ τῶν 264

„[Antiochos sammelt sein Heer in Apameia. …] nachdem er durch die Wüste gezogen war, fiel er in das Tal ein, das den Namen Marsyas trägt; zwischen den Abhängen des Libanons und Antilibanons gelegen, wird dasselbe eng von diesen Gebirgen eingeschlossen. Und wo

Curt. 4, 1, 4–5. Übersetzung von Sibelis und Wiesmann. Xen. Anab. 7, 8, 25–26; vgl. Macdonald et al. 2015, S. 64. 266 Zu Herakleia in Phoinikien: P. Cairo Zen. I. 59088, 9–10; P.Cairo Zen. I. 59044, 1–2; P. Cairo Zen. I. 59093, 9; P. Lond. VII 1933, 10–11; zur Beka-Ebene: P. Zen. 5909; zum Hauran vgl. Villeneuve 1985, S. 71–73; 267 P.Zen. 5909. 265

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προειρημένων ὀρῶν. συμβαίνει δὲ καὶ τοῦτον αὐτὸν τὸν τόπον, ᾗ στενώτατός ἐστι, διείργεσθαι τενάγεσι καὶ λίμναις, ἐξ ὧν ὁ μυρεψικὸς κείρεται κάλαμος. ἐπίκειται δὲ τοῖς στενοῖς ἐκ μὲν θατέρου μέρους Βρόχοι προσαγορευόμενόν τι χωρίον, ἐκ δὲ θατέρου Γέρρα, στενὴν ἀπολείποντα πάροδον. ποιησάμενος δὲ διὰ τοῦ προειρημένου τὴν πορείαν αὐλῶνος ἐπὶ πλείους ἡμέρας, καὶ προσαγαγόμενος τὰς παρακειμένας πόλεις, παρῆν πρὸς τὰ Γέρρα

die Gegend am engsten ist, da liegen noch Sümpfe und Seen in der Mitte, aus denen das wohlriechende Schilfrohr gesammelt wird. Beherrscht wird der Engpass von der einen Seite durch einen Platz, welcher Brochoi heißt, und von der anderen durch Gerrha, sodass nur ein enger Durchweg bleibt. Nachdem er aber durch das erwähnte Tal einen Marsch von mehreren Tagen zurückgelegt und die anliegenden Städte in seine Gewalt gebracht hatte, erschien er vor Gerrha.“268

Hier, so berichtet Polybios weiter, hätte der ptolemaische Feldherr Theodotos Gerrha und Brochoi besetzt und auch die enge Passage entlang des Sees mit Graben und Wall befestigt und mit Truppen gesichert, so dass Antiochos III. den Durchgang nicht erzwingen konnte.269 Aus dieser Stelle kann geschlossen werden, dass die Beka-Ebene zur Zeit der Ereignisse in die strategische Gebietssicherung der Ptolemaier eingebunden und wahrscheinlich auch besiedelt war, eine autonome politische Einheit vor Ort gab es aber nicht. Auch bei der nächsten Kampagne gegen Ptolemaios IV. 219 v. Chr. griff Antiochos seinen Gegner wieder über diese Ebene an. Er schlug nach Auskunft von Polybios sein Lager bei Gerrha auf und ließ Brochoi belagern.270 Die geographischen Beschreibungen würden einen ptolemaisch-seleukidischen Grenzverlauf nördlich von Heliopolis bestätigen, da ja offenkundig das Marsyas-Tal nicht Teil des Herrschaftsbereichs von Antiochos III. war. Vielleicht spiegelt sich dieser Grenzverlauf auch in der Beschreibung Strabons über das Territorium der augusteischen Kolonie Berytos: αὕτη δὲ κατεσπάθη μὲν ὑπὸ Τρύφωνος, ἀνελήφθη δὲ νῦν ὑπὸ Ῥωμαίων, δεξαμένη δύο τάγματα, ἃ ἵδρυσεν Ἀγρίππας ἐνταῦθα, προσθεὶς καὶ τοῦ Μασσύου πολλὴν μέχρι καὶ τῶν τοῦ Ὀρόντου πηγῶν, αἵ πλησίον τοῦ τε Λιβάνου καὶ τοῦ Παραδείσου καὶ τοῦ Αἰγυπτίου τείχους περὶ τὴν Ἀπαμέων γῆν εἰσι.

268

„[Berytos] war von Tryphon zerstört worden, doch ist es nun von den Römern wiederhergestellt und nahm zwei Legionen auf, die Agrippa dahin legte, der zugleich einen großen Teil des [Gefildes] Marsyas bis zu den Quellen des Orontes hinzufügte, welche sich am Libanos, am Paradisos und der ägyptischen Mauer oberhalb des Gebietes von Apameia befindet.“271

Polyb. 5, 45, 8–46, 2. Übersetzung von Drexler. Polyb. 5, 46, 3. 270 Polyb. 5, 61, 7–8. 271 Strab. 16, 2, 19. Übersetzung von Radt. 269

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Die hier angesprochene „ägyptische Mauer“ wird auch bei Plinius überliefert und in die Nähe der Quellen des Orontes verortet.272 Ghadban will Spuren dieser Mauer im Gelände gefunden haben.273 Sie könnten die Grenze zwischen Ptolemaiern und Seleukiden markiert haben, deren genauer Verlauf in der Forschung jedoch umstritten ist. Tscherikower geht anhand der Zenon-Papyri davon aus, dass die Grenze von Tripolis an der Küste durch die Beka-Ebene (nördlich von Heliopolis?) bis in den Hauran und das nördliche Transjordanien verlief.274 Nach Müller stellte der Eleutheros-Fluss den nördlichsten Punkt der Grenze zwischen Ptolemaiern und Seleukiden dar, an den sich im Binnenland eine Reihe von Befestigungsanlagen von Orthosia über Damaskos bis Amman angeschlossen hätte.275 Abzulehnen ist daher die Vorstellung von Sommer, die Beka-Ebene sei ein Niemandsland gewesen, „exposed to the nomadic tribes of the surrounding mountains“, das die traditionelle Rolle als Kommunikationsachse zwischen Süden und Norden, aber auch Küste im Westen und östlichem Binnenland, in der Zeit der ptolemaischen Herrschaft über Palaistina verloren habe.276 Im Gegenteil musste die Tatsache, dass die Angriffe der Seleukiden über diese Ebene erfolgten, bedeuten, dass ihr die erhöhte Aufmerksamkeit der Ptolemaier gewiss war. Entsprechend hatten die Ptolemaier die Beka-Ebene durch ein zweistufiges Verteidigungssystem befestigt: einmal eben die „ägyptische Mauer“ und als zweite Linie die beiden bereits genannten Kastelle Gerrah und Brochoi rechts und links des Sees in der Mitte der Beka-Ebene. Angesichts der offenkundigen strategischen Bedeutung der Beka-Ebene als Einfallstor in das ptolemaische Syrien wird die Sicherung dieser Grenze von den Ptolemaiern ernst genommen worden sein.277 In der Beschreibung des vierten Syrischen Krieges bei Polybios werden die Aufgaben deutlich, die sich den Ptolemaiern hier stellten: Nach einer kombinierten See- und Landschlacht an der Küste zwischen Berytos und Sidon, die Antiochos 272

Plin. Nat.Hist. 5, 77. Ghadban 1980, S. 158, 167; zu den archäologischen Resten auch Ghadban 1987, S. 219, 224–226. Vielleicht geht das aber auch schon auf eine ältere Grenzlinie zurück, denn mindestens die südliche Beka-Ebene scheint bis in die Eisenzeit kulturell eher an die phoinikische Küste und den ägyptischen Einflussbereich bzw. Palaistina angebunden gewesen zu sein als an die Regionen nördlich der Ebene, wie die Keramikfunde aus Kamid el-Loz nahelegen: Weippert 1997, S. 6. 274 Tscherikower 1937, S. 33–36. Ähnlicher Grenzverlauf auch angenommen von Ghadban 1981, S. 147. Zur Zugehörigkeit von Damaskos zum ptolemaischen Territorium bis Antiochos III. vgl. Graf 1992, S. 461. Den Hertog spricht sich wie Tscherikower für eine Zugehörigkeit zum ptolemaischen Herrschaftsbereich sowohl von Heliopolis als auch von Damaskos und damit für einen für die Ptolemaier aus ökonomischer wie strategischer Sicht günstigen Grenzverlauf aus: den Hertog 1995, S. 169–180 mit Quellen- und Forschungsdiskussion. 275 Müller 2006. Diesen Grenzverlauf nimmt auch Capdetrey 2007, S. 256 an. 276 Sommer 2001, S. 82. 277 Vgl. Ghadban 1987, S. 222. 273

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für sich entscheiden konnte, zog dieser durch das palaistinische Hinterland und eroberte verschiedene Orte. Dabei zeigt der Bericht des Polybios, dass sich zahlreiche Städte, ptolemaische Offiziere, aber auch von Polybios als Araber bezeichnete Gemeinschaften auf die Seite des Seleukiden schlugen.278 Bei der Belagerung von Abila erwähnt Polybios als einen der Verteidiger der Stadt Nikias, der als „ein Verwandter des Menneas“ bezeichnet wird.279 Bei ihnen scheint es sich um Offiziere im Dienst der Ptolemaier zu handeln, die im Gegensatz zu einer Reihe anderer Offiziere nicht zu Antiochos überliefen.280 Die weiteren Auseinandersetzungen gipfelten in der Schlacht von Raphia 217v. Chr., die überraschend Ptolemaios IV. für sich entscheiden konnte. Antiochos kehrte nach Antiocheia am Orontes zurück, der dann ausgehandelte Friedensvertrag sicherte Ptolemaios die Kontrolle über Koilé-Syrien. Ptolemaios IV. blieb nach seinem Sieg nach Auskunft des Polybios drei Monate lang in der Region, um diese neu zu ordnen, bevor er nach Ägypten zurückkehrte.281 Eine solche Neuordnung war nötig, wenn während des Kriegsverlaufs eine Reihe von lokalen Amtsträgern und Offizieren die Seiten gewechselt hatten und gleichzeitig der Krieg erneut gezeigt hatte, wie wichtig eine effiziente Verteidigungslinie entlang der Grenze zu den Seleukiden war. Denkbar wäre, dass Ptolemaios IV. für eine erneute Sicherung der nach den Einfällen des Antiochos als gefährdet zu betrachtenden Grenze auf ihm gegenüber loyal gebliebene Offiziere aus der weiteren Region zurückgriff und diese mit auch aus der lokalen Bevölkerung rekrutierten Truppen an strategisch wichtigen Orten stationierte. Die dann getroffenen Maßnahmen lasse sich vielleicht mit der Etablierung der Tubiaden in Transjordanien im 3. Jhd. v. Chr. vergleichen, die einer Truppe aus kleinasiatischen Griechen, Makedonen, Persern, Judaiern, Thrakern und Soldaten anderer Herkunftsgebiete vorstanden, welche zur strategischen Gebietssicherung als Kleruchen angesiedelt wurden.282 Hier wäre es denkbar, dass der bei Polybios genannte Menneas, der offenbar eine wie auch immer geartete Führungstätigkeit unter den Ptolemaiern bekleidete283, als Anführer einer solchen loyal gebliebenen Truppe in der Beka-Ebene etabliert wurde.284 Niese und in seiner Folge Walbank mutmaßten, dass es sich bei dem sonst nicht bezeugten Menneas

278

Polyb. 5, 70–71, 1. Polyb. 5, 71, 2. 280 Vgl. Sartre 2001, S. 197. 281 Polyb. 5, 87, 6. 282 Thiel 2007, S. 368; vgl. auch Kasher 1988, S. 19–20. 283 Vgl. Thiel 2007, S. 304. 284 Gerade bei den arabischen Stämmen in Transjordanien hatten sich in dem Konflikt zwischen Ptolemaios und Antiochos einige Stämme auf die Seite der Seleukiden geschlagen, während andere loyal zu den Ptolemaiern standen, vgl. Kasher 1988, S. 21. Später sollte es dann den Seleukiden nach der Übernahme Syriens ähnlich gehen, S. 28 f. de Saulcy lehnt eine solche Verbindung ab: de Saulcy 1869, S. 8. 279

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um einen lokalen Dynasten gehandelt haben könnte.285 Als lokaler Dynast könnte er schon vor dem Krieg administrative Aufgabe für die Ptolemaier übernommen haben und nun weiter in die Gebietssicherung eingebunden worden sein. So kann Tscherikower anhand der Zenon-Papyri zeigen, dass die Ptolemaier in Palaistina auf solche lokalen Führungspersönlichkeiten zurückgriffen, die sie in ihre Herrschaftssicherung einbanden.286 Ganz ähnlich könnte man sich eine Einbeziehung der Familie des späteren ituraischen Tetrarchen Ptolemaios, Sohn des Mennaios, vorstellen bzw. eine (vielleicht erneute) Einbindung der Ituraier in die Reorganisation der Grenze durch Ptolemaios IV. – und dies insbesondere, wenn die Ituraier tatsächlich Nachfahren der Itu’u sein sollten und vielleicht seit Jahrhunderten in der Region Sicherungsaufgaben für wechselnde Zentralmächte übernahmen. Ptolemaios, Sohn des Mennaios, könnte seinen Namen einer langen Verbindung seiner Familie zu den Ptolemaiern verdanken.287 Stärker spricht aber noch die geographische Lage der mit den Ituraiern assoziierten Siedlungsorte für eine solche These: Die drei Orte Arka, Heliopolis und Abila, die in den Quellen als Siedlungszentren der Ituraier genannt werden, liegen wie Perlen an einer Schnur entlang der wahrscheinlichen Grenze zwischen Ptolemaiern und Seleukiden. Wohl daher bezeichnet Grainger Chalkis als „one of the forts of the Ptolemaic line which were unsuccessfully attacked by Antiochos III. in 221 and 219.“288 Als letztes Argument könnten die Münzen der ituraischen Dynasten seit Ptolemaios, Sohn des Mennaios, angeführt werden, konkreter ihre Datierungsform: Hier wird das Jahr mit dem für den ptolemaischen Herrschaftsraum üblichen vorangestellten ‚L‘ angegeben, wie dies bis in flavische Zeit in Palaistina und Phoinikien südlich des Eleutheros gebräuchlich war.289 Auch dieses Detail könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Ituraier ihre Position einer ptolemaischen Maßnahme verdankten – oder es später so erscheinen lassen wollten. In diese Richtung weist vielleicht auch die Darstellung von Artemis auf den ituraischen Münzen, auf die noch eingegangen werden soll.290 Artemis war nicht nur eine der beliebtesten Göttinnen, es bestand offenbar auch eine besondere Verbindung zu ihr unter den ptolemaischen Soldaten, da einige ptolemaische Garnison Weihungen an Artemis aufstellten.291 285

Niese 1893–1903, hier Bd. 2, S. 378, F. 6: „Dieser M. ist sonst nicht bekannt, er muss ein Dynast aus dieser Gegend gewesen sein.“; Walbank 1970², S. 597: „Menneas was probably a local dynast“. 286 Tscherikower 1937, S. 49 f. 287 Vgl. Knauf 1998, S. 273. 288 Grainger 1997, S. 707. 289 Vgl. Myers 2010, S. 105–106. Auch die auf den ituraischen Münzen erscheinenden Füllhörner und Dioskuren waren häufige Münzbilder der Ptolemaier, vgl. Müller 2021, S. 86–87. 290 Vgl. den Katalog bei Herman 2006, S. 58–72. 291 Wörrle 2015, S. 302 zu Limyra und Thera. Kition: IG XV 2,20246–221.

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Die Ituraier könnte man sich dabei als Kastellbesatzungen in den auf den Berghängen entlang der Ebene gelegenen ptolemaischen Kastelle vorstellen. Denn gegen eine Ansiedlung als ptolemaische Kleruchen auf königlichem Land in der Beka-Ebene spricht, dass Strabon wie berichtet die Ituraier den „Bauern der Ebene“ gegenüberstellt – eine Ansiedlung von Kleruchen wäre aber eher mit der Ausgabe von Landlosen in der Ebene einhergegangen, wenn man die Situation in Ägypten zum Vergleich heranzieht.292 Wenn unter den Ptolemaiern Kleruchen in der Beka-Ebene angesiedelt wurden, dann waren deren Zentren vermutlich die beiden einzigen im Raum belegten Städte Chalkis und Heliopolis. Nach Briant sind bei solchen Ansiedlungsprojekten um die 2.500 bis 3.000 Kolonisten mit Landlosen ausgestattet worden, wobei die indigene Bevölkerung gegenüber den mit Bürgerrecht in den Städten privilegierten Kolonisten benachteiligt und bei Verbleib auf dem Land von diesen ökonomisch abhängig wurde.293 Die genannten Indizien einer Inschrift mit der Nennung eines ‚makedonischen Viertels‘ für Heliopolis / Baalbek und eines Ostrakons aus der Beka-Ebene mit insbesondere griechischen Namen könnten eine Ansiedlung von ptolemaischen Kleruchen bezeugen.294 Dies Überlegungen könnten die bei Stephan von Byzanz berichtete Gründung von Chalkis durch den Araber Monikos / Monimos unterstützen, der dann der Anführer einer lokalen Ordnungstruppe und damit für die praktischen Aspekte der Gründung zuständig war – ähnlich wie bei den Tubiaden. Darüber hinaus gibt es in der Forschung die These, Monikos / Monimos als eine arabische Namensvariante von Mennaios / Menneas zu lesen.295 Allerdings trägt den Namen Monimos auch ein Makedonischer Feldherr: Monimos, Sohn des Pythion war einer der treuen Unterstützter der Olympias.296 Auf die Probleme der Namen und ihrer Interpretation wird noch einzugehen sein. Auch im Zuge der Reorganisation der Region durch die Seleukiden nach dem Sieg Antiochos’ III. bei Paneion könnten die Ituraier eine Rolle gespielt haben. Schließlich musste der Herrschaftswechsel im gesamten Koilé-Syrien eine Neuordnung notwendig machen. Selbst wenn dabei gerade die Beka-Ebene ihre strategische Rolle als Grenzregion zu einem prinzipiell feindlichen Nachbarstaat verlor, blieb sie dennoch eine entscheidende Kommunikationsachse, die die Seleukiden selbst in ihren Kriegen gegen die Ptolemaier für den Aufmarsch der Truppen genutzt hatten. Es war ja nach der Schlacht für die Zeitgenossen nicht klar, dass die Kontrolle Koilé-Syriens von nun an in seleukidischer Hand bleiben 292

Vgl. Scheuble-Reiter 2012, S. 6–55 passim. Vgl. Briant 1978, S. 85–92. 294 IGLS VI 2809; Ghadban 1987, S. 223–224. 295 Gatier 2002, S. 121. Der Name könnte auch Monimos sein, der wie noch gezeigt wird im ituraischen Raum belegt ist und als Vorfahre des Philosophen Iamblichos von Chalkis bezeugt ist, wenn der aus dem ituraischen Chalkis und nicht Chlakis am Belos käme: Kropp 2013, S. 30. 296 Diod. 19, 50. 293

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würde, eine strategische Sicherung wird daher angestrebt worden sein. Dies lässt sich auch mit Überlegungen von Kosmin verbinden, der die Häufigkeit königlicher Reisen in den verschiedenen Teilen des Seleukidischen Reiches untersucht hat. Er kann dabei zeigen, dass in der Zeit zwischen Antiochos I. und Antiochos III., als das Seleukidische Reich sich noch von Kleinasien bis Baktrien erstreckte, zwar die Hauptachse königlicher Bewegungen zwischen Babylon und Sardis lag, aber auch die Strecke von Antiocheia nach Damaskos und von Antiocheia entlang der Küste in den ptolemaischen Süden bis Raphia öfter bereist wurde. Mit der Verkleinerung des Seleukidischen Territoriums erhielt dann in der Zeit von Seleukos IV. bis ­A ntiochos XII. die Achse von Tarsus über Antiocheia und entlang der dann seleukidischen Küste nach Gaza deutlich mehr Gewicht, aber auch der Weg von Antiocheia nach Damaskos und der Weg durch die Beka-Ebene wurden häufig genutzt.297 Man kann erkennen, dass die seleukidischen Könige ein kontinuierliches und starkes Interesse an der Kontrolle der Nord-Süd-Verkehrsrouten hatten und damit sicher zu keiner Zeit der Raum, in dem die Tetrarchie der Ituraier entstand, sich selbst überlassen worden sein kann. Hier wurde bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, dass die Herrschaftssicherung der Seleukiden im gesamten syrisch-palaistinischen Raum insbesondere durch eine massive Ausweitung der Siedlungen sichtbar wurde, die wohl auch mit der Ansiedlung von Kolonisten einherging.298 Damit sollte sicher auch dort eine Binnensicherung der Region erfolgen, wo – vor allem auch im Vorfeld und Verlauf des sechsten Syrischen Krieges – eine pro-ptolemaische Stimmung in der Bevölkerung spürbar geworden war.299 Etwa in diesem chronologischen Rahmen werden die Ituraier zum ersten Mal bei Eupolemos genannt.300 Entsprechend könnte das Erscheinen der Ituraier in den Quellen verknüpft gewesen sein mit der Übernahme von militärischen Sicherungsaufgaben in ihrem späteren Herrschaftsbereich im Zuge einer verstärkten Territorialkontrolle durch die seleukidischen Zentrale.301 Hier ist es durchaus denkbar, dass sie diese Funktion schon für die Ptolemaier ausgeübt hatten und nach der Schlacht am Paneion die Seiten wechselten. Einen spannenden Einblick in die Situation im Großraum auch von Libanon, Antilibanon und Beka-Ebene sowie deren Nachbarschaft erhält man insbesondere durch die Auseinandersetzungen zwischen Alexander Balas und Demetrios II. 297

Kosmin 2014, S. 146–147. Thiel 2007, S. 22. 299 Vgl. Mittag 2006, S. 154 zur Situation an der phoinikischen Küste. 300 Epol. Frag. 2 = Eus. Praep.Ev. 9, 30,3. 301 Diese Entwicklung wird im ganzen Großraum Syrien etwa auch durch die zweite Ausbauphase des seleukidischen „military settlement“ auf dem Jebel Khalid in Nordsyrien sichtbar. Seine Nutzungsphase währte insgesamt von 250 bis 75 v. Chr., wobei die erste Phase das späte 3. Jhd. bis frühe 2. Jhd. v. Chr. umfasste und dann eine zweite Phase mit dem Erscheinen früher Eastern Sigillata A Mitte des 2. Jhd. v. Chr. zusammen mit „major reconstruction“ der Anlage begann: Jackson 2004, S. 34. 298

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sowie der Usurpation des Diodotos Tryphon. Ptolemaios VI. unterstütze dabei nicht nur wechselnde Prätendenten für den seleukidischen Thron, sondern nahm auch massiven Einfluss in Syrien, wo er Garnisonen einrichtete. Um die dort stationierten Truppen zu bezahlen, ließ Alexander Balas offenbar Münzen mit ptolemaischem Gewichtsstandard in Phoinikien und Koilé-Syrien prägen.302 Dies könnte ein Moment für Mennaios, Vater des ersten in den Quellen greifbaren ituraischen Tetrarchen Ptolemaios, gewesen sein, mögliche frühere Verbindungen zu den Ptolemaiern für eine Aufwertung einer lokalen Kommandostellung zu nutzen oder auch eine solche zu erlangen. Eine solche lokale Kommandoposition des Mennaios, Vater des Ptolemaios, als hellenisierte Variante eines indigenen Namens Monimos findet sich vielleicht bestätigt in einer sehr späten Quelle: In seiner Lebensbeschreibung des Isidoros bezeichnet Damaskios Iamblichos von Chalkis als Nachfahre von Samsigeramos und Monimos bezeichnet. Stammte Iamblichos von Chalkis wirklich aus dem Chalcis am Libanon, so können wir hier vielleicht auch den Gründer von Chalkis bzw. der ituraischen Dynastie von Chalkis sehen, so wie Samsigeramos offenbar Gründer der Dynastie von Emesa war. Diese Männer stammten aus dem selben Milieu lokaler Anführer wie weitere in den Quellen erscheinende Personen, etwa Diodotos. Diodotos stammte ursprünglich aus einem Dorf bei Apameia am Orontes303 und hatte es am Hof des Alexander Balas zu einer Vertrauensstellung gebracht, so dass dieser ihm die Verwaltung von Antiocheia übertragen hatte.304 Als der ptolemaische König Ptolemaios VI., der Alexander Balas ursprünglich unterstützt hatte, sich von diesem abwandte und selbst nach Syrien zog, übergab Diodotos ihm zunächst die Stadt und akzeptierte auch den von Ptolemaios VI. inthronisierten Demetrios II. als König.305 Ptolemaios VI. und Demetrios II. mussten sich nun gegen den aus Kilikien heranziehenden Alexander Balas erwehren: ὁ Πτολεμαῖος ἐπ᾿ αὐτὸν ἐξεστράτευσε μετὰ τοῦ γαμβροῦ Δημητρίου (ἤδη γὰρ αὐτῷ πρὸς γάμον ἐδεδώκει τὴν θυγατέρα), καὶ νικήσαντες εἰς φυγὴν ἐτρέψαντο τὸν Ἀλέξανδρον. οὗτος μὲν οὖν εἰς Ἀραβίαν φεύγει.

302

„Ptolemaios zog mit seinem Schwiegersohn Demetrios (denn er hatte diesem inzwischen seine Tochter zur Ehe gegeben) gegen ihn [Alexander Balas] zu Felde, besiegte ihn und schlug ihn in die Flucht, sodass er sich nach Arabien wenden musste.“306

D’Agostini 2017, S. 44–49. Strab. 16, 2, 10. Zu der Abkunft des Iamblichos von Chalkis: Vit. Isid. p. 2,9 f. Zintzen = Phot. Bibl.cod. 181, 125b32. Vgl. dazu Opsomer 2018, S. 1349–1350. 304 Diod. 33, 3. 305 Diod. 33, 3; 1 Makk. 11, 13, 306 Jos. Ant.Jud. 13,4,8. Übersetzung nach Clementz. 303

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In diesem Raum Arabien ereilte Alexander Balas dann jedoch sein Ende, wie das 1. Makkabaier-Buch berichtet: καὶ ἔφυγεν ᾿Αλέξανδρος εἰς τὴν ᾿Αραβίαν τοῦ σκεπασθῆναι αὐτὸν ἐκεῖ, ὁ δὲ βασιλεὺς Πτολεμαῖος ὑψώθη. καὶ ἀφεῖλεν Ζαβδιηλ ὁ ῎Αραψ τὴν κεφαλὴν ᾿Αλεξάνδρου καὶ ἀπέστειλεν τῷ Πτολεμαίῳ

„Alexander floh nach Arabien, weil er glaubte, dort einen Zufluchtsort zu finden; nun stand König Ptolemaios auf der Höhe seiner Macht. Der Araber Zabdiel ließ Alexander den Kopf abschlagen und an Ptolemaios schicken.“307

Aufgrund dieser Überlieferung glaubt Wright, Zabdiel habe als lokaler Dynast im Auftrag von oder doch in Erwartung von Gegenleistungen durch Demetrios II. und Ptolemaios VI. gehandelt.308 Diese Episode überliefert auch Diodor und beschreibt, dass Alexander sich mit 500 Männern nach Abae in Arabien zu einem lokalen Dynasten Diokles geflüchtet habe, dem er zuvor bereits seinen Sohn Antiochos, der noch ein Kind war, anvertraut hatte. Aber zwei seiner engsten Vertrauten, Heliades und Casios, hätten heimlich Verhandlungen mit Demetrios II. aufgenommen. Nachdem dieser auf ihre Forderungen eingegangen sei, hätten sie den König als Gegenleistung getötet.309 Dieser Diokles ist vielleicht identisch mit dem Araber Zabdiel aus dem 1. Makkabaier-Buch.310 Bei Zabdiel / Diokles könnte es sich um einen Nachfahren eines anderen arabischen Anführers mit Namen Zabdibelos handeln, der nach Polybios auf Seiten des Antiochos III. an der Schlacht von Raphia teilgenommen hatte.311 Damit zeigt sich der Raum, den die Quellen als Arabien bezeichnen, als durch lokale Anführer mit dem Kommando über teils substantielle Truppen geprägt, die für die seleukidischen Könige wichtige vor allem auch militärische Stützen in ihren Konflikten mit Rivalen waren. Abae lässt sich zwar nicht lokalisieren, aber Diokles hatte mit Abae eine Verwaltungszentrale. Und diese Verwaltungszentrale war eine Siedlung, in der offenbar nicht nur Indigene, sondern auch griechische Kolonisten lebten. Denn Diodor berichtet gleich im Anschluss an das Ende des Alexander Balas von einer wunderlichen Geschichte aus Abae: hier habe ein Diophantes von makedonischer Abstammung gelebt, der mit einer Araberin einen Sohn und eine Tochter hatte, und diese Tochter habe sich nach der Heirat als Hermaphrodit herausgestellt.312 Der darüber unglückliche Ehemann trägt bei Diodor den Namen Samiades, was ebenfalls eine griechische Herkunft 307

1 Makk. 11, 16–17. Übersetzung nach der Einheitsübersetzung. Vgl. Strab. 16, 2, 7, Liv. Per. 52. 308 Wright 2012, S. 20 309 Diod. 32, 9–11. 310 Vgl. Fairweather / Sutherland Black 1897, Kommentar zu 1 Makk. 11, 17–18. 311 Polyb. 5, 79, 8: Ἄραβες δὲ καί τινες τῶν τούτοις προσχώρων ἦσαν μὲν εἰς μυρίους, ὑπετάττοντο δὲ Ζαβδιβήλῳ. 312 Diod. 32, 10.

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wahrscheinlich macht.313 Insofern könnte diese Episode als Beleg für die Ansiedlung von griechisch-makedonischen Kolonisten im Großraum genommen werden. Eine Reihe von hellenistischen Autoren beschäftigten sich mit Arabien und den Arabern, deren verlorene Werke in Auszügen bei Diodor und Strabon greifbar sind, die sie als Quellen angeben.314 Für Diodor war Arabien ein Gebiet „das zwischen Syrien und Ägypten liegt“ und von „vielen und mancherlei Völkerschaften“ bewohnt war.315 Strabon greift nach Retsö gerade in den Passagen zu Arabien und den Arabern insbesondere auf Erathosthenes und Poseidonios zurück und könne dank dieser glaubhaften Quellen gute Informationen zu den verschiedenen arabischen Bevölkerungen geben. Dabei wird offensichtlich, dass Poseidonios zwischen Arabern und Skeniten bzw. Zeltbewohnern und Nomaden unterscheidet und diese Unterscheidung von Strabon mehrheitlich übernommen wird.316 Der Begriff ‚Araber‘ wird bei ihm als Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einem ethnos, verstanden, die in verschiedenen Regionen zu finden war. Für den Großraum Syrien nennt er dabei drei bereits aus früheren Quellen bekannten Regionen mit arabischen Bevölkerungsgruppen: Die Region von Libanon, Antilibanon und der Beka-Ebene, die Region zwischen Apameia und Emesa und die Region entlang des nördlichen Euphrat.317 Alle drei Regionen bei Strabon decken sich damit mit der Raumvorstellung bei Dio313

Der Name Samiades taucht etwa als Name eines Magistraten in Ephesos aus einer Münze aus augusteischer Zeit auf: RPC 1, 2605. Der Name ist auch epigraphisch in Nysa in Karien belegt: LW 1663b. 314 Nach Sartre handelt es sich dabei insbesondere um Eratosthenes (273–192 v. Chr.), Agatharchides von Knidos (ca. 190–105 v. Chr.), der seinerseits auf den Erfahrungsbericht des Ariston über eine ptolemaische Expedition ins Rote Meer (um 250 v. Chr.) zurückgriff, sowie Artemidoros von Ephesos (2. Hälfte 2. Jh. v. Chr.) und Poseidonios von Apameia (ca. 135–50 v. Chr.): Sartre 1990, S. 139–140. Ein Autor Glaukos verfasste zu einer nicht genau bestimmbaren Zeit außerdem eine Altertumskunde Arabiens, über deren Inhalt aber kaum etwas bekannt ist: Glaukos FGrH 674 F 13. 315 Diod. 2, 48, 1; 19, 94 ff. 316 Retsö 2003, S. 351–356. 317 Libanon, Antilibanon und Beka: Strab. 16, 2, 18; Euphrat-Region: Strab. 16, 1, 27; 16, 2, 1; Apameia und Emesa: Strab. 16, 2, 11. In römischer Zeit macht Ball aber fünf Regionen aus, die in den Quellen als Arabien bezeichnet werden: Im Reichsgebiet das Arabien des östlichen Delta in Ägypten, das Arabien im nördlichen Mesopotamien und das Arabien der Nabataier bzw. Arabia Petraea, aus dem dann die römische Provinz Arabia entstand. Außerhalb des Reichsgebietes habe dann Arabia Deserta (Zentralarabien) und Arabia Felix (Südarabien bzw. Jemen) gelegen: Ball 2000, S. 32. Vgl. die Unterteilung von Thome: In römischer Zeit entwickelt sich in seinen Augen eine Unterscheidung zwischen einem Wüstenarabien (Arabia Deserta) im Norden der Arabischen Halbinsel, einem Arabia Petraea an den westlichen Rändern dieser Wüste und schließlich dem fruchtbaren Arabien (Arabia Eudaimon bzw. Arabia Felix) im Süden, ohne dass diese drei Bezeichnungen mit wirklich konkreten Grenzen versehen gewesen wären: L. G. Thome 2000, S. 113. Pompeius trifft auch im Ammanos-Gebirge auf Araber: Plut. Pomp. 39.

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dor und passen zur Lokalisation des Geschehens um den Tod des Alexander Balas. Denn nach seiner Niederlage in der Nähe von Antiocheia könnte er sich sowohl an den oberen Euphrat, in die Region von Apameia und Emesa oder in die Region von Libanon, Antilibanon und Beka-Ebene zurückgezogen haben. Dabei favorisiert Kasher eine Lokalisierung des Herrschaftsbereiches des genannten Zabdibelos aus dem Heer des Antiochos III. im Norden der Beka-Ebene, südlich des Eleutheros. Denn dort traf der Hasmonaier Jonathan auf die sabadanischen Araber und diese können für Kasher mit dem namensähnlichen Dynasten verbunden werden.318 Der Hasmonaier Jonathan war dabei im Grunde in einer ganz ähnlichen Position zu der des Zabdibelos, oder auch des Diokles und anderer lokaler Anführer, die die sich durch die Thronrivalitäten im Seleukidenhaus bietenden Handlungsoptionen nutzten. Und diese Optionen entstanden im Wesentlichen aus der Verfügungsgewalt über Truppen und die damit mögliche strategische Gebietskontrolle. Dies wird implizit in den angeblichen Vorwürfen des Demetrios II. an Jonathan deutlich, wie sie das 1. Makkabaier-Buch darstellt. Hier wirft die seleukidische Seite nämlich Jonathan vor, er sei nur „stark im Gebirge“, in der Ebene aber seien die Seleukiden ihm dank der „Heeresmacht der Städte“, bestehend aus Fußvolk und Reiterei, überlegen.319 Auch wenn hier die Bedeutung einer hasmonaischen Gegnerschaft zu den Seleukiden sicher im Sinne der Agenda des 1. Makkabaierbuches stärker betont wird, als sie real war und der Bericht klassische Topoi wie die Gegnerschaft von Bergen und Ebenen bedient, verweist er doch wieder auf die bereits postulierte Gebietsorganisation durch Herrschaftsträger an strategischen festen Plätzen – auch im Gebirge. Damit ist Jonathan in der gleichen Position wie Zabdibelos und Zabdiel / Diokles – sie alle sind lokale Anführer oder Dynasten, die als Herrschaftsträger der seleukidischen Könige fungierten und dafür neben einem Verwaltungshauptort auch eigene Truppen zur Verfügung hatten. Als frisch auf dessen Seite gewechselter Unterstützer begleitete Jonathan daher auch Ptolemaios IV. bei seinem Zug von Judaia nach Antiocheia bis zum Eleutheros.320 Diese lokalen Herrschaftsträger konnten, wie das Beispiel des Jonathan zeigt, durch die Rivalität verschiedener Thronprätendenten als Gegenleistung für eine militärische Unterstützung zahlreiche weitere Privilegien erlangen – und auch in solche Vertrauenspositionen aufsteigen, dass ihnen der Sohn und Erbe eines Königs anvertraut wurde, wie dies bei Zabdiel geschah. Jonathan blieb also nicht auf Seiten des Demetrios II. und musste sich diesem daher militärisch entgegenstellen. Nach einem ersten Sieg des Jonathan schien eine zweite Konfrontation bevorzustehen. Dazu berichtet das 1. Makkabaier-Buch, dass 318

Vgl. Kasher 1988, S. 37–38. Er weist jedoch auch auf die Häufigkeit des Namens in der gesamten Großregion Syrien – Transjordanien hin, die eine Zuweisung allein aufgrund des Namens problematisch macht. Der Name Zabdibelos / Z abdibol ist vor allem in Palmyra verbreitet: Gawlikowski 2015, S. 247. 319 1 Makk. 10, 70–73. 320 1 Makk. 11, 7.

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Jonathan von Jerusalem aufbrach und in die Gegend von Hamath zog, weil er ein Eindringen der Feinde in sein Land verhindern wollte. Angeblich zogen sich die Gegner, die von der Kampfbereitschaft Jonathans erfahren hatten, nachts heimlich aus ihrem Lager zurück, was Jonathan erst am Morgen bemerkte: καὶ κατεδίωξεν Ιωναθαν ὀπίσω αὐτῶν καὶ οὐ κατέλαβεν αὐτούς, διέβησαν γὰρ τὸν ᾿Ελεύθερον ποταμόν. καὶ ἐξέκλινεν Ιωναθαν ἐπὶ τοὺς ῎Αραβας τοὺς καλουμένους Ζαβαδαίους καὶ ἐπάταξεν αὐτοὺς καὶ ἔλαβεν τὰ σκῦλα αὐτῶν. καὶ ἀναζεύξας ἦλθεν εἰς Δαμασκὸν καὶ διώδευσεν ἐν πάσῃ τῇ χώρᾳ.

„Jonathan nahm zwar die Verfolgung auf, konnte die Feinde aber nicht mehr einholen; denn sie hatten den Eleu­ theros bereits überschritten. Jonathan wandte sich nun gegen die sabadaischen Araber, schlug sie und plünderte sie aus. Dann brach er nach Damaskos auf und zog durch das ganze dazwischen liegende Gebiet.“321

Jonathan traf also bei Hamath auf die Feinde, was in der vorliegenden Beschreibung südlich des Eleutheros lag. Ein Ort Hamath ist in älteren Texten als nördlichster Punkt Israels genannt,322 in der vorliegenden Beschreibung im 1. Makkabaier-Buch muss es sich um einen Ort südlich des Eleutheros gehandelt haben, vielleicht in der nördlichen Beka-Ebene.323 Aliquot weist darauf hin, dass der Ort auch mit Laboué am nördlichen Ausgang der Beka-Ebene verbunden wird, der den südlichsten Punkt des alten Reiches von Hama gebildet hätte.324 Aus diesem Textzeugnis lässt sich schließen, dass die sabadaischen Araber auf dem Weg des Jonathan zwischen dem Eleutheros und Damaskos ihre Gebiete hatten und da liegen die Beka und der Antilibanon als Siedlungsraum nahe. Josephos stellt die Ereignisse allerdings folgendermaßen dar: Οἱ δὲ τοῦ Δημητρίου στρατηγοὶ τὴν γεγενημένην ἧτταν ἀναμαχέσασθαι βουλόμενοι, πλείω τῆς προτέρας δύναμιν συναγαγόντες ἦλθον ἐπὶ τὸν Ἰωνάθην. ὁ δὲ ἐπιόντας πυθόμενος ὀξέως ἀπήντησεν αὐτοῖς εἰς τὴν Ἀμαθῖτιν· οὐ γὰρ ἔγνω σχολὴν αὐτοῖς παρασχεῖν, ὥστ᾿ εἰς τὴν Ἰουδαίαν ἐμβαλεῖν. […] ὁ δὲ Ἰωνάθης ἕωθεν προσμίξας 321

„Um nun wieder auf des Demetrios Feldherren zurückzukommen, so brachten diese in der Absicht, die Scharte auszuwetzen, eine noch größere Truppenmacht als früher zusammen und rückten damit gegen Jonathan. Auf die Nachricht hiervon zog Jonathan ihnen sogleich bis in das Gebiet von Hamath entgegen, um ihnen zu einem Einfall in

1 Makk. 12, 24–32. Übersetzung nach der Einheitsübersetzung. Z. B. 2 Chron. 7. 323 Kasher 1988, S. 39, F. 50. Dagegen halten etwa Fairweather / Sutherland Black 1897, Kommentar zu 1 Makk. 12, 25, Hamat für die Stadt Hama-Epiphaneia. 324 Aliquot 1999–2003, S. 174. 322

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αὐτῶν τῷ στρατοπέδῳ καὶ καταλαβὼν ἔρημον αὐτό, συνεὶς ὅτι πεφεύγασι, ἐδίωκεν. οὐ μέντοι φθάνει καταλαβεῖν· ἤδη γὰρ τὸν Ἐλεύθερον διαβεβηκότες ποταμὸν ἦσαν ἐν ἀσφαλεῖ. ποιησάμενος οὖν ἐκεῖθεν τὴν ὑποστροφὴν εἰς τὴν Ἀραβίαν, καὶ πολεμήσας τοὺς Ναβατηνοὺς καὶ πολλὴν αὐτῶν λείαν ἀπελάσας καὶ λαβὼν αἰχμαλώτους, ἐλθὼν εἰς Δαμασκὸν ἐκεῖ πάντα ἀπέδοτο.

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Judaia keine Zeit zu lassen. […] Als nun Jonathan in der Morgenfrühe sich dem Lager nährte und dasselbe verlassen fand, erkannte er, dass die Feinde geflohen waren, und setzte ihnen nach, ohne sie jedoch einholen zu können, da sie den Fluss Eleutheros schon überschritten hatten und sich in Sicherheit befanden. Jonathan wandte sich sodann nach Arabien, griff die Nabataier an und schlug sie, worauf er mit reicher Beute und einer Menge Kriegsgefangener nach Damaskos zog und dort alles verkaufte.“325

Bei Josephos fand also auch die ursprüngliche Konfrontation in der Gegend von Hamath statt, aber die folgenden Handlungen werden nach „Arabien“ verlegt, wo Jonathan die Nabataier angriff. Hier es aber durchaus möglich, dass Josephos, der ja die Ereignisstruktur des Berichtes des 1. Makkabaier-Buches übernahm, die ihm als Konkurrenten Judaias bekannten Nabataier für die ihm wohl nicht mehr bekannten Sabadaier substituierte. Damit widersprechen sich die beiden Nachrichten vielleicht nicht, sondern bezeugen beide eine Gemeinschaft in der Region Arabien, die zwischen Eleutheros und Damaskos lag. Allein aufgrund des Namens könnte auch eine Verbindung der Sabadaier zu dem Ort Kafr Zebad nördlich von Abila (das Abae Diodors?) bestehen, das Ghadban als das Beith Zabdai des Talmud identifiziert.326 Ebenfalls möglich wäre ein Zusammenhang zum Tal von Zebedani, das als Nachbartal der Beka-Ebene eine alternative Route von Baalbek / Heliopolis nach Damaskos bot.327 Damit könnten sich die Geschehnisse um die Ermordung des Alexander Balas durchaus im Raum des späteren Herrschaftsbereiches der 325

Jos. Ant.Jud. 13, 5, 10. Übersetzung nach Clementz. Der Ort ist Ausgangsort eines Tales im Jebel Turbol, dessen nördlicher Punkt Richtung Baalbek der Ort Deir el-Ghazal ist. Ghadban könnte sich dieses Tal mit seinen zahlreichen antiken Resten aufgrund der Inschriften als Grenze zwischen Chalkis und Baalbek, bzw. der römischen Kolonie am Ort vorstellen: Ghadban 1981, S. 153. Am Eingang des Tals fanden sich zwischen einer Reihe von spätantiken Kastellbauten auf dem Hügelrücken von Ain el-Beyda die Reste eines Höhentempels, die nur noch schlecht erhalten sind, da das Gebäude in der Spätantike wohl als Steinbruch diente. Dieser römerzeitliche Tempel könnte eine frühere Nutzung dieses strategischen Punktes vermuten lassen: Vgl. Beaulieu / Mouterde 1955, S. 150–152.­ 327 Fairweather / Sutherland Black 1897, Kommentar zu 1 Makk. 12, 31; vgl. Mouterde ­1951–1952, S. 70–77; Apicella / Briquel-Chatonnet 2007, S. 161–163. Auch der auf dem Territorium von Apameia epigraphisch bezeigte Ort Komé Kaprozabadiaon (IG XIV 2558) könnte mit dieser Gemeinschaft in Verbindung stehen, Millar sieht den Namen ‚Kapro‘ als Variante des aramaischen Begriffs Kafr, Dorf: Millar 2006c, S. 8. 326

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Ituraier abgespielt haben. Daher glaubt Kasher, Zabdiel und seine Gefolgsleute könnten Ituraier gewesen sein.328 Nach der Ermordung des Alexander Balas musste Demetrios II. zunächst einen Aufstand in Antiocheia mithilfe seiner Söldner niederschlagen. Das harte Vorgehen gegen die Antiochener führte nach Diodor dazu, dass sich die vertriebenen Gegner des Demetrios in ganz Syrien verteilten und auf eine Möglichkeit der Rache warteten.329 Nimmt man diese Aussagen wörtlich, werden sich in vielen Städten, Gemeinschaften und Garnisonen in Syrien also Gegner des Demetrios II. aufgehalten haben, die auf eine Gelegenheit zum Umsturz warteten. Zu dieser Gruppe gehörten vermutlich auch die Amtsträger und Hofmitglieder des gerade getöteten Alexander Balas, die sicher nicht alle in gleichen Ehren unter Demetrios II. gehalten wurden.330 Im Gegenteil verweisen die folgenden Geschehnisse auf ein großes Potential an gut vernetzten Unzufriedenen in den Eliten: Nach der Niederschlagung des Aufstands in Antiocheia entschied sich Demetrios II., einen Großteil der Truppen zu entlassen. Diese Soldaten waren mit Mittag vor allem seleukidische katoikoi331 und diese entließ Demetrios II. nach Josephos ohne die wohl übliche Fortzahlung des Soldes nur mit einer reduzierten Zahlung.332 Diese katoikoi werden sicher auch aus Syrien gekommen sein und nun wieder in ihre Heimatregionen bzw. in ihre Stationierungsorte zurückgekehrt sein. Belegbar ist dies zumindest für eine Siedlung, nämlich Larissa bei Apameia am Orontes: Hier siedelten nach Diodor Männer aus Larissa in Thessalien, die im seleukidischen Heer in der Kavallerie dienten.333 Aber es ist auch möglich, dass ein Teil dieser Soldaten aus einer anderen Rekrutierungsbasis stammte, nämlich der indigenen Bevölkerung. Es scheint ja eine wesentliche Funktion der lokalen Eliten gewesen zu sein, Kontingente dieser indigenen Bevölkerung zu rekrutieren und dann in den Dienst der seleukidischen Könige zu stellen, wie das bereits genannte Beispiel des Hasmonaiers Jonathan deutlich macht. Aber eben auch Zabdibelos und Zabdiel / Diokles gehören in diesen Kreis lokaler Eliten, die Truppen aus diesem indigenen Rekrutierungspotential aufstellen konnten. Und dies ist doch wahrscheinlich das Milieu, aus dem die ersten Anführer der späteren Eigenherrschaften entsprangen. Möglicherweise waren auch sie mit der Demobilisierung des Demetrios II. unzufrieden, denn damit entfielen sicher auch Einkünfte und Beschäftigung für die von ihnen für den Seleukidenkönig zusammengestellten Truppen, die auch ihre eigene Stellung sicherten. Das erste Makkabaierbuch, Diodor und Josephos berichten, dass die Unzufriedenheit der Soldaten die Basis für eine Revolte des schon genannten Diodotos 328 329

330 331

332 333

Kasher 1988, S. 38. Diod. 33, 4. Diod. 33, 4, 2. Mittag 2008, S. 51. Jos. Ant.Jud. 13, 4, 9. Diod. 33, 4a.

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Tryphon bot: Er konnte zunächst die katoikoi in Larissa für sich gewinnen und wandte sich dann an den Araber Jamliku / Imalku, dessen Name Diodor als Iamblichos wiedergibt, und bat um die Herausgabe des Sohnes des Alexander Balas, Antiochos VI., den dieser in seiner Obhut hatte:334 Τρύφων δὲ ἦν τῶν παρὰ ᾿Αλεξάνδρου τὸ πρότερον καὶ εἶδεν ὅτι πᾶσαι αἱ δυνάμεις καταγογγύζουσιν κατὰ τοῦ Δη μητρίου, καὶ ἐπορεύθη πρὸς Ιμαλκουε τὸν ῎Αραβα, ὃς ἔτρεφεν ᾿Αντίοχον τὸ παιδάριον τὸν τοῦ ᾿Αλεξάνδρου. καὶ προσήδρευεν αὐτῷ, ὅπως παραδοῖ αὐτὸν αὐτῷ, ὅπως βασιλεύσῃ ἀντὶ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ· καὶ ἀπήγγειλεν αὐτῷ ὅσα συνετέλεσεν ὁ Δημήτριος καὶ τὴν ἔχθραν, ἣν ἐχθραίνουσιν αὐτῷ αἱ δυνάμεις αὐτοῦ, καὶ ἔμεινεν ἐκεῖ ἡμέρας πολλάς.

„Tryphon, der früher zur Umgebung Alexanders gehört hatte, merkte, wie unzufrieden alle Soldaten über Demetrios waren. Er reiste daher zu dem Araber Imalku, der Antiochos, den kleinen Sohn Alexanders, aufzog, und drängte ihn, ihm den Jungen mitzugeben, damit er seinem Vater als König nachfolgen könne. Er unterrichtete ihn auch über das Vorgehen des Demetrios und wie dieser sich die Feindschaft seiner Truppen zugezogen hatte. Tryphon blieb längere Zeit dort.“335

In den Jüdischen Altertümern des Josephos wird dieser als Araber mit Namen Malchus bezeichnet, was in der Forschung zu Iamblichos emendiert wird, da dieser Name bei Diodor überliefert ist.336 Dieser Imalku / Iamblichos könnte der Sohn des Zabdiel gewesen sein und so an den Königssohn gekommen sein.337 Chad verortet diese Ereignisse in der Umgebung von Apameia, womit er Iamblichos, auch wegen des später in der Dynastie von Emesa bezeugten Namens, für einen Emesener hält.338 Für Ball war Iamblichos der ‚Scheich‘ des Stammes der Emesener aus der Umgebung von Apameia. Für ihn legen die Quellen nahe, dass die Emesener Nomaden und nicht Einwohner einer Stadt namens Emesa waren, die erst im Laufe des 1. Jhd. v. Chr. in Erscheinung trat, als die Emesener sesshaft geworden seien.339 Diese mögliche nomadische Lebensweise des Iamblichos und seiner Leute wird offenbar vor allem aus seiner Bezeichnung als Araber abgeleitet. So steht etwa bei Josephos: 334

1 Makk. 11, 39; Jos. Ant.Jud. 13, 5, 1; Diod. 33, 4a; zum Geschehen auch App. Syr. 68. 1 Makk. 11, 39–40. Übersetzung nach der Einheitsübersetzung. 336 Jos. Ant.Jud 13, 5, 1; 1 Makk. 11, 39 und 54; Diod. 2, 7. 337 Die Vulgata überliefert den Namen als Emalchuel: Fairweather  / Sutherland Black 1897, Kommentar zu 1 Makk. 1, 39–40. . Auch der auf dem Territorium von Apameia epigraphisch bezeugte Ort Komé Kaprozabadaion (IG XIV 2558) könnte mit dieser Gemeinschaft in Verbindung stehen, Millar sieht den Namen ‚Kapro‘ als Variante des aramaischen Begriffs Kafr, Dorf: Millar 2006c, S. 8. 338 Chad 1972, S. 34. 339 Ball 2000, S. 34. So auch bei Sommer 2005, S. 229. 335

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Ἀμέλει ταύτην νοήσας τὴν δύσνοιαν τῶν στρατιωτῶν πρὸς Δημήτριον Ἀλεξάνδρου τις στρατηγός, Ἀπαμεὺς τὸ γένος, Διόδοτος ὁ καὶ Τρύφων ἐπικληθείς, παραγίνεται πρὸς Μάλχον τὸν Ἄραβα, ὃς ἔτρεφε τὸν Ἀλεξάνδρου υἱὸν Ἀντίοχον, καὶ δηλώσας αὐτῷ τὴν δυσμένειαν τὴν τῶν στρατευμάτων πρὸς Δημήτριον ἔπειθεν αὐτῷ δοῦναι τὸν Ἀντίοχον· βασιλέα γὰρ αὐτὸν ποιήσειν καὶ τὴν ἀρχὴν αὐτῷ τὴν τοῦ πατρὸς ἀποκαταστήσειν. ὁ δὲ τὸ μὲν πρῶτον ἀντεῖχεν ὑπ᾿ ἀπιστίας, ὕστερον δὲ πολλῷ χρόνῳ προσλιπαρήσαντος τοῦ Τρύφωνος ἐκνικᾶται τὴν προαίρεσιν εἰς ἃ Τρύφων παρεκάλει.

„Als ein ehemaliger Heerführer Alexanders, der in Apameia gebürtig war und eigentlich Diodotos, mit seinem Beinamen Tryphon hieß, den Hass der Soldaten gegen Demetrios bemerkte, begab er sich zu dem Araber Malchos [also Iamblichos], der Alexanders Sohn Antiochos erzog, setzte ihn von der aufgeregten Stimmung des Heeres gegen Demetrios in Kenntnis und beredete ihn, ihm den Antiochos zu übergeben, weil er diesen zum König machen und in die Herrschaft seines Vaters wieder einsetzen wolle. Malchos machte zunächst Schwierigkeiten, da er ihm nicht hinlänglich traute. Als aber Tryphon immer mehr in ihn drang, gab er schließlich seinem Verlangen nach.“340

Außer einer Bezeichnung als Araber und der Tatsache, dass Diodotos Tryphon zunächst zu Malchos / Iamblichos reisen musste, gibt es aber keine direkten Hinweise darauf, dass es sich bei ihm um einen Nomaden handelte. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass Alexander Balas seinen Sohn einem zufällig vorbeiziehenden ‚Nomaden-Scheich‘ anvertraut hatte. Im Gegenteil wird der Araber Iamblichos sein Vertrauen genossen und über eine ausreichende Heeresmacht verfügt haben, um als Beschützer und Erzieher eines Königssohnes fungieren zu können. Er entstammte also dem bereits angesprochenen Milieu der lokalen Anführer, die seleukidische Herrschaftsaufgaben in einem bestimmten Bereich übernahmen und dafür auch eigene Truppen unterhielten. Als Parallele dazu bietet sich Alexander Balas an, der als (angeblicher) Sohn des Antiochos IV. zunächst in Kleinasien durch ehemalige Freunde seines Vaters erzogen und auch beschützt worden war, bevor diese ihm zur Herrschaft im Seleukidenreich verhalfen.341 Offenbar war Iamblichos dem jungen Antiochos bzw. seinem Vater Alexander Balas gegenüber loyal, wenn eine längere Überzeugungsarbeit des Diodotos Tryphon nötig war, um Iamblichos zur Herausgabe des Kindes zu bewegen. Vielleicht wollte Iamblichos auch aus eigenem Interesse den Thronfolger nicht aus der Hand geben. Seine Stellung verdankte Iamblichos dabei unzweifelhaft einer 340 341

Jos. Ant.Jud. 13, 5, 1. Übersetzung nach Clementz. Vgl. D’Agostini 2019, S. 42–43. Ähnlich berichtet Just. Epit. 35,2, Demetrios I. habe seine Söhne mit Freunden und Geld zur Erziehung nach Knidos geschickt, was sicher vor allem eine Sicherheitsmaßnahme für den königlichen Nachwuchs war.

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starken Hausmacht, die ihn als Partner sowohl für Alexander Balas wie jetzt auch Diodotos attraktiv machte. Und sicher erwartete er für seine Unterstützung auch eine Gegenleistung in Form von weiteren Privilegien unter der neuen Herrschaft.342 Laut Diodor wählte Diodotos nach der Königsernennung des Antiochos VI. 145/4 v. Chr. zunächst als Hauptort seiner Aktivitäten Chalkis: καὶ πρῶτον μὲν ἀθροίσας μέτριον σύστημα κατεστρατοπέδευσε περὶ πόλιν Χαλκίδα κειμένην ἐν τοῖς μεθορίοις τῆς Ἀραβίας, δυναμένην δὲ δυνάμεις ἐνδιατριβούσας διαθρέψαι καὶ παρέχεσθαι τὴν ἀσφάλειαν, ἐντεῦθέν τε ὁρμώμενος προσηγάγετο τοὺς πλησιοχώρους καὶ τῶν πρὸς πόλεμον χρησίμων τὰς παρασκευὰς ἐποιεῖτο.

„Nachdem er eine Zahl von Männern um sich gesammelt hatte, lagerte er bei der Stadt Chalkis, die an der Grenze zu Arabien lag und in der Lage war eine große Heeresmacht in Sicherheit zu versorgen. Er nahm diesen Ort als Stützpunkt und gewann von dort die benachbarten Völker für seine Sache und bereitete alles Nötige für den Krieg vor.“343

Dabei könnte es sich sowohl um das Chalkis am Libanon wie aber auch um das Chalkis am Belos344 bei Aleppo gehandelt haben. Es ist dabei schwer einzuschätzen, welche der beiden Städte gemeint war. Wie oben bereits aufgeführt, wurde sowohl das an Chalkis am Belos angrenzende nördliche Umland des Euphrat, die Region zwischen Apameia und Emesa und die Region von Libanon, Antilibanon und Beka-Ebene als Arabien bezeichnet, so dass beide Städte zu den geographischen Angaben von Diodor passen könnten. Houghton rekonstruiert, dass Tryphon und Antiochos IV. als erste Münzstätte Apameia am Orontes verwendeten, bevor sie nach einem Sieg über Demetrios II. Antiocheia einnehmen und dort Münzen 342 So

erhielten sich ja auch die Hasmonaier ihre Führungsposition in Judaia, wie die Regierungszeit des von Iamblichos geschützten Antiochos VI. zeigt: „Danach schrieb Antiochos der Jüngere an Jonathan: Ich bestätige dich im Hohepriesteramt und unterstelle dir die vier Bezirke. Du darfst auch den Titel Freund des Königs führen. Und er ließ Jonathan goldenes Tafelgerät überbringen und gewährte ihm das Vorrecht, aus goldenen Bechern zu trinken, sich in Purpur zu kleiden und eine goldene Spange zu tragen. Jonathans Bruder Simeon machte er zum Befehlshaber über alle Truppen, die zwischen der Tyrischen Steige und der ägyptischen Grenze ihren Standort hatten.“ (1 Makk. 11, 57–59). Wahrscheinlich wurden ähnliche Privilegien an Iamblichos (und andere Unterstützer) vergeben, auch wenn darüber keine Quellen erhalten blieben. Und vielleicht ist diese Stellung des Iamblichos auch nicht so verschieden von der des Diodotos Tryphon selbst gewesen. Denn über seinen Hintergrund schreibt Strabon, er sei in Cassiana auf dem Territorium von Apameia geboren und habe seine Ausbildung in Apameia erhalten, wo er zum Hof des Königs Zutritt hatte. Wohl daher konnte er seine Herrschaft auf die Unterstützung der umliegenden Orte gründen: Strab. 16, 2, 10. 343 Diod. 33, 4a. Übersetzung von Wirth und Veh. Vgl. auch Strab. 16, 2, 10; 1 Makk. 11, 55–56; Jos. Ant.Jud. 13, 5, 3; vgl. Grainger 1997, S. 70–71. 344 So Chrubasik 2016, S. 136.

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Abb. 07: Münze des Antiochos IV., aus: Houghton 1992, Plate 16.

prägen konnten.345 Auch Strabon überliefert, dass Apameia  – der wichtigste seleukidische Truppenstützpunkt346 – die Operationsbasis des Diodotos Tryphon gewesen sei.347 Beide Orte wären von hier aus gut erreichbar gewesen. Allerdings sagt Diodor ja über das Chalkis, das Tryphon als Basis seiner Aktivitäten wählte, dass es „in der Lage war eine große Heeresmacht in Sicherheit zu versorgen“348. Wo genau das Chalkis am Libanon lag, ist wie bereits dargelegt nicht klar. Aber Strabon beschreibt Chalkis als „Akropolis des Marsyas“349, was auf eine gut verteidigbare Höhenlage schließen lassen könnte und damit der Beschreibung des Diodor zum Hauptquartier des Tryphon näherkommt, als das in der Ebene gelegenen Chalkis am Belos. Als weiteres Indiz könnte die Münzprägung des ersten ituraischen Tetrarchen Ptolemaios angeführt werden, über die später noch ausführlicher gesprochen werden soll: Denn die ersten Tetradrachmen, die für Antiochos VI. geprägt wurden, tragen auf der Vorderseite ein Königsporträt mit Strahlenkrone und auf der Rückseite die beiden reitenden Dioskuren.350 Und auch die ersten Prägungen des Tetrarchen Ptolemaios tragen auf der Rückseite zwei Dioskuren, allerdings stehend. Auf diese Münzen wird noch zurückzukommen sein. Aber auch wenn es sich hier nicht um das Chalkis am Libanon handelte, könnten im Zuge der Usurpation des Diodotos Tryphon lokalen Kräften im Libanon / der Beka-Ebene und auch in Arethusa Privilegien für eine Unterstützung seiner Herrschaft bzw. der des Antiochos IV. erteilt oder bestätigt worden sein. Denn Diodor sagt wie oben zitiert, dass Tryphon Unterstützer bei den umliegenden Völkern anwarb. Dabei muss es sich jedoch nicht nur um lokale Anführer mit Zugriff auf indigene Truppenkontingente gehandelt haben, sondern es können durchaus auch seleukidische Amtsträger, wie Garnisonskommandanten etc. gewonnen worden sein, die ebenfalls mit der Politik des Demetrios II. nicht einverstanden waren. 345

Houghton 1992, S. 120. Vgl. Engels 2013, S. 78. 347 Strab. 16, 2, 10. 348 Diod. 33, 4a. 349 Strab. 16, 2, 18. 350 Houghton 1992, S. 121. 346

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Diese Unterstützer aus den Eliten und die aus den unzufriedenen Soldaten angeworbenen Truppen ermöglichten es Diodotos Tryphon in der Folge, Demetrios II. wohl erst nach fast einem Jahr paralleler Herrschaft 143 v. Chr. zu schlagen, woraufhin Demetrios nach Seleukeia floh.351 Schon 141 v. Chr. starb Antiochos VI., offiziell an den Folgen einer Operation. Damit stellte sich für Tryphon die Frage des weiteren Vorgehens, wollte er nicht seine herausragende Machtstellung aufgeben. Nach Mittag propagierte Diodotos Tryphon sich in der Folge nicht als seleukidischer Nachfolger, sondern als Gründer eines neuen Reiches. Diese neue Darstellung seiner Herrschaft lässt sich vor allem über die Münzen rekonstruieren, denn neben seinem klassischen hellenistischen Herrscherporträt auf der Vorderseite trug das Revers seiner Münzen ein völlig neues Motiv, einen Helm im Kranz.352 Zwar konnte Tryphon weder im Namen des Kindkönigs Antiochos VI., noch in seinem eigenen Namen die Akzeptanz des gesamten verbliebenen seleukidischen Reichsgebietes erlangen und die Durchsetzung in Babylonien scheiterte, doch er hielt seine Herrschaft bis 138/7 v. Chr. aufrecht, bevor er von dem inzwischen in Syrien als seleukidischer König immer mehr Unterstützung findenden A ­ ntiochos VII. besiegt wurde.353 Auch wenn das massenhafte Überlaufen der Truppen zu Antiochos VII. ohne Zweifel die grundsätzliche Bedeutung der Abstammung aus dem seleukidischen Königshaus für die Akzeptanz durch die Soldaten und auch die Städte zeigt354, war mit der Eigenherrschaft des Tryphon ein Präzedenzfall für eine ‚aus dem Land geborene‘ Königsherrschaft jenseits der Seleukiden-Dynastie geschaffen, der sicher nicht ohne Signalwirkung für all die lokalen Führungspersönlichkeiten blieb, die in den vorausgegangenen Jahrzehnten durch die Delegation seleukidischer Herrschaftsaufgaben zu unerlässlichen Stützen dieser Herrschaft geworden waren und die Situation der konkurrierenden seleukidischen Könige wie die Hasmoniaer  – aber auch die Städte wie Antiocheia, Laodikeia, Arados oder Tyros  – zum Ausbau der eigenen Position genutzt hatten. Das Königtum des Tryphon musste ihnen allen zeigen, dass in Syrien eine Herrschaft jenseits der Seleukiden möglich war, sie also auch selbst einen solchen Schritt tun konnten. Für diese Umbruchszeit wird auch eine Passage aus der sog. Fastenrolle, Megillath Ta’anith, herangezogen. Der Text ist jedoch sowohl als Text als auch in seinem historischen Aussagewert umstritten. Dies liegt auch daran, dass den einzelnen Monatseinträgen dieser Fastenrolle, die die Tage aufzählen, an denen aufgrund glücklicher historischer Ereignisse für die Juden nicht gefastet und getrauert werden darf, durch ihre oft vagen Formulierungen nur schwer konkrete Ereignisse zugeordnet werden können. Auch die in mehreren Versionen erhaltenen 351

Liv. Per. 52; dazu Houghton 1992, S. 120; Chrubasik 2016, S. 136. Mittag 2008, S. 52–53. 353 1 Makk. 15, 10–12; Jos. Ant. Jud. 13, 7, 2; App. Syr. 68; Strab. 14, 5, 2; Chrubasik 2016, S. 136–142; Mittag 2008, S. 53. 354 Vgl. Mittag 2008, S. 53. 352

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späteren Kommentare zu den Einträgen, die Scholien, können kaum weiterhelfen, da die Kommentatoren offenkundig meist selbst nicht genau wussten, auf welche konkreten Ereignisse angespielt wurde.355 Die Datierung des Textes ist ungewiss, es wird eine Kompilation gegen Ende des 1. oder sogar erst im 2. Jhd. n. Chr. angenommen.356 Im Text steht: ‘‫ בשיתת עשר ביה שריאו למבני שור ירוש‬‪.34 ‫ולא למספד‬ ‫ בשבעה עשר ביה קמו עממיה על פליטת‬‪.35 ‫ספריה במדינת כלבוס בבית טבדי והוה פורכין‬ ‫ בעשרים ביה צמו עמא על מטרא ונחת להון‬‪.36

„Am siebzehnten [Tag des Monats Adar] erhoben sich die Nichtjuden gegen die letzten (überlebenden oder verbliebenen?) Gelehrten im Land von Chalkis und Beth Zabdai, aber (die Kinder Israels) wurden errettet.“357

Hierin sieht Kasher einen Hinweis darauf, dass Johannes Hyrkanos bei seinem Zug gegen den zum zweiten Mal herrschenden Demetrios II. Juden, die vor religiöser Verfolgung in die Beka-Ebene geflüchtet waren, aus ihrem Exil errettete.358 Auch Efrón glaubt, der Text könnte auf die Rettung jüdischer Schriftgelehrter hindeuten, die sich nach Chalkis und in die Beka-Ebene geflüchtet hatten. Eine Verbindung mit den Aktivitäten des Johannes Hyrkanos hält auch er für realistisch. Beth Zabdai bringt er in Verbindung mit den sabadaischen Arabern sowie mit dem modernen Ort Kafr Zebad, der oben bereits genannt wurde.359 In ihrer Neuedition des Textes schreibt Noam, dass die hier angedeuteten Ereignisse in der Forschung sowohl auf Johannes Hyrkanos I., als auch auf seinen Nachfolger Alexander Jannaios bezogen worden seien.360 Es ist also schwierig, historisch relevante Informationen aus dieser Textstelle zu ziehen. Möglich wäre folgendes Szenario: Da die Hasmonaier in den Rivalitäten der seleukidischen Thronprätendenten mehrfach die Seiten wechselten, kann die Stelle aus der Fastenrolle vor allem zwei Dinge belegen: Einerseits die offenkundige Zugehörigkeit „des Landes von Chalkis und Beth Zabdai“ zu einem gemeinsamen Einflussbereich und andererseits die Verortung dieses Einflussbereichs im gegnerischen Lager zu den Hasmonaiern – zumindest in dem Moment, von dem die Fastenrolle berichtet. Möglicherweise wird hier also ein Ereignis berichtet, in 355

Vgl. Efrón 1987, S. 206–208; Noam 2006, S. 344–345. Datierung zwischen 41 und 70 n. Chr.: Noam 2006, S. 348–350. Späte Datierung: vgl. Pummer 2012, S. 169. 357 MegTaan 35. Deutsch nach der englischen Übersetzung von Noam. Allerdings anders rekonstruiert bei Zeitlin 1922: „On the 17th thereof the Gentiles arose against the refugees of (?) Sepphoris in the province of Chalkis and in Beth Zabdain, but there came salvation (to the Jews).“ 358 Kasher 1988, S. 41. 359 Efrón 1987, S. 208–210. 360 Noam 2006, S. 346. 356

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dem Judaiern aufgrund der Fürsprache für einen Prätendenten, der im „Land von Chalkis und Beth Zabdai“ nicht unterstützt wurde, Verfolgung drohte. Damit ist wahrscheinlich, dass dieser Raum um Chalkis und Beth Zabdai unter einer gemeinsamen anderen Autorität stand. Wenn dieser Raum im Umfeld des Antilibanon bislang tatsächlich unter Kontrolle der bereits genannten ‚sabaischen Araber‘ stand, dann standen sie nun vielleicht mit den Ituraiern aus Libanon und Beka-Ebene unter einem gemeinsamen Kommando unter Mennaios, dem Vater des ersten Tetrarchen Ptolemaios. Dieser könnte als seleukidischer Amtsträger über das Gebiet und dessen heterogene Bevölkerung mithilfe der vor allem ituraischen Truppen gewirkt haben. Weil Mennaios selbst Ituraier war oder seine Truppen mehrheitlich aus Ituraiern rekrutierte, gleichzeitig antike Autoren Herrschaftsbereiche in griechischer Tradition gern nach einem ‚Volk‘ benannten, wird dann vielleicht ‚die Ituraier‘ zur Bezeichnung des unter Mennaios’ Verwaltung organisierten Raumes. Auf diese Weise kann dann durchaus von der Entstehung einer ituraischen Eigenherrschaft gesprochen werden.361 Da sich aus der Herrschaftszeit des Johannes Hyrkanos, dessen aggressive Expansionspolitik ihn mit seinen Nachbarn immer wieder in Konflikt brachte, keine anderen Hinweise auf Auseinandersetzungen mit ‚den Ituraieren‘ finden, sieht Myers die Existenz eines eigenständigen ituraischen Gemeinwesens in dieser Zeit jedoch kritisch.362 Dies würde aber gut zu einer Rolle des Mennaios innerhalb der lokalen Administration der Seleukiden passen. Eine der Münzserien des letzten ituraischen Herrschers Zenodoros könnte den Hinweis auf eine autonome Ära von Chalkis enthalten, deren Beginn dann in die Jahre 114/113 v. Chr. fallen würde. Diese Deutung ist aber umstritten.363 Sie könnte aber 361

Dar glaubt, am Ende des 2. oder zu Beginn des 1. Jhd. v. Chr. sei der ituraische Herrschaftsbereich mit den beiden Hauptorten Chalkis und Baalbek in der Beka-Ebene entstanden und habe sich dann vom Mittelmeerraum bis Damaskos ausgedehnt: Dar 1988, S. 27–28; ähnlich auch M. Sommer 2001, S. 82–83. Aliquot setzt dagegen die Entstehung des ituraischen Herrschaftsbereichs auf die Mitte des 2. Jhd. v. Chr. an, als die Ituraier die Seleukiden als Herrscher über diesen Raum abgelöst hätten: Aliquot 2009c, S. 75. Für Sullivan ist es Mennaios, Vater des Ptolemaios, der mit der Etablierung einer ituraischen Herrschaft in der Massyas-Ebene rund um Chalkis begann. Er müsse dabei nicht auch der Gründer der Dynastie gewesen sein, habe aber den entscheidenden Impuls zu ihrer Etablierung und Expansion auf Kosten der Seleukiden gegeben: Sullivan 1990, S. 71. Schwentzel geht davon aus, dass erst die Kampagne des Aristoboulos I. gegen die Ituraier 104/03 v. Chr. einen unabhängigen ituraischen Herrschaftsraum belegt. Zu diesem Zeitpunkt hätte dann auch eine Herrschaft des Mennaios / Monimos als möglichem Gründer der Dynastie beginnen können: Schwentzel 2009, S. 64. 362 Vgl. Myers 2010, S. 132–133. 363 Zuletzt für diese Interpretation: Wright 2013, S. 58; Schwentzel 2009, S. 72–73: Die Autonomie sei im Konflikt zwischen Antiochos IX. Kyzikos und Antiochos VIII. Grypos erlangt worden, parallel dazu habe auch Tripolis unter Dionysos zwischen 105 und 95 v. Chr. die Autonomie erhalten; das Heiligtum von Baitokaike habe ebenfalls eine autonome Ära in diesem Zeitraum etabliert.

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darauf verweisen, dass ähnlich wie die Hasmonaier auch Mennaios versuchte, durch Seitenwechsel die eigene Position in dem von ihm kontrollierten Raum zu stärken. Möglicherweise stand Mennaios zwischenzeitlich auch wieder auf der gleichen Seite wie Johannes Hyrkanos und tritt daher nicht als dessen Gegner in Erscheinung. Unter dem Nachfolger des Johannes Hyrkanos, Alexander Jannaios, kooperierten offenbar die Ituraier mit den Nabataiern und Tyros, als dieses von Alexander Jannaios belagert wurde. Jannaios wandte sich daraufhin gegen die Ituraier und sandte einen Feldherrn gegen die Nabataier.364 Aus dieser Episode ist insbesondere wieder ein Eindruck von der großen Rivalität der lokalen Mächte untereinander zu gewinnen, die sich durch wechselnde Bündnisse Vorteile gegenüber den Konkurrenten zu verschaffen suchten. Mit Erfolgen in dieser Arena konnten dann auch neue Handlungsoptionen gegenüber den Zentralmächten erwirkt werden, denn militärische Leistungen wirkten sich positiv auf die Verhandlungsmöglichkeiten gegenüber Seleukiden wie aber auch den sich immer wieder einmischenden Ptolemaiern aus. Grainger betont dann die starke strategische Bedeutung der Beka-Ebene für die Seleukiden vor allem in den 120/110er Jahren v. Chr., als durch die Autonomie der Küstenstädte Arados, Sidon und Tyros der Weg entlang der Küste für die seleukidischen Heere schwieriger wurde. Gerade in der sich parallel intensivierenden Konkurrenz verschiedener seleukidischer Prätendenten um den Thron hätten dadurch die beiden verbliebenen Nord-Süd-Routen durch die Beka-Ebene sowie über Damaskos an Wichtigkeit gewonnen. In diesem Kontext sieht er das Erstarken der Ituraier. Sie seien aus den Bergen von Libanon und Antilibanon in die umliegenden Ebenen eingedrungen und schon 104 v. Chr. von den Hasmonaiern in Galilaia angetroffen worden. Dies impliziere, dass sie zu dieser Zeit bereits um den Hermon, den Golan und bis nach Galilaia vorgedrungen gewesen seien. Dabei betont er, dass der mögliche Beginn der Zählung einer eigenen Ära in eine Zeit fiel, in der die seleukidische Reichszentrale voll handlungsfähig gewesen sei, also keine separatistischen Bewegungen möglich gewesen wären. Daher sei diese Ära vermutlich später zurückgerechnet worden. So sei der stetige Hinweis auf Mennaios als Vater des Ptolemaios als Indiz dafür zu verstehen, dass Mennaios als Begründer der Dynastie verstanden worden sei und mit ihm also auch der Beginn einer lokalen Autoritätsposition der Dynastie anzusetzen sei.365 Folgt man der Einschätzung Graingers in Bezug auf das Funktionieren der seleukidischen Herrschaft in dieser Zeit, so könnte man damit die Anlage der Höhensiedlungen auf dem Libanon in Verbindung bringen. Diese Höhensiedlungen, wie Qal’at el Hosn oder die Siedlun364 365

Synk. 1, 555 (ed. Dindorf), nach Shatzman 1991, S. 83, 102. Grainger 2015, S. 144. Anders argumentiert Toher, Ptolemaios, Sohn des Mennaios, sei gerade bei Josephos immer mit Vatersnamen genannt, um ihn von Ptolemaios, Bruder des Nikolaos von Damaskos, und anderen Personen dieses Namens abzugrenzen: Toher 2017, S. 4 ff.

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gen entlang des Nahr Ibrahim, entstanden wie berichtet im späten 2. bzw. frühen 1. Jhd. v. Chr. und weisen auf Ausbaumaßnahmen der Seleukiden zum Schutz ihrer Ressourcen gerade gegen die autonomen phoinikischen Städte – und auf die ituraischen Truppen, die diese Aufgabe für sie erfüllt. Dann war Mennaios, der Vater des ersten ituraischen Tetrarchen Ptolemaios, vielleicht eben der Amtsträger, der in der Region die seleukidischen Interessen und deren Durchsetzung umsetzte. Bei den Thronstreitigkeiten 88/87 v. Chr. zwischen Demetrios III. Eukarios und Philippos I.  Philadelphos waren erneut lokale Anführer involviert, die von der Forschung mit dem Beginn eines emesenischen Herrschaftsbereiches in Zusammenhang gebracht werden. Der Araber Azizos unterstützte Philippos I., er wird in der Forschung bisweilen als Emesener verstanden. Aber die Häufigkeit des Namens im gesamten Großraum Syrien lässt hier keine sichere Aussage zu.366 In der folgenden Auseinandersetzung zwischen Philippos II. Barypous und Antiochos XIII. Asiatikos spielte erneut ein Araber Azizos als Unterstützer Philippos’ II. eine Rolle. Antiochos XIII. dagegen wurde von einem Araber mit Namen Samsigeramos unterstützt. Beide seleukidische Prätendenten erwiesen sich jedoch nach Appian als unfähig, weshalb die Araber den Plan gefasst hätten beide zu töten und das Reich aufzuteilen.367 Dafür setzten sie ihre jeweiligen Kandidaten zunächst fest. Samsigeramos ließ Antiochos zwischenzeitlich auf Befehl von Pompeius frei, bevor er ihn erneut gefangen nahm und tötete. Philippos II. konnte sich einer Gefangennahme durch Azizos entziehen.368 Für Chad verweisen diese Ereignisse in die Region von Emesa, weshalb es sich mindestens bei Samsigeramos um einen Emesener Anführer gehandelt habe.369 Für Sullivan ist unklar, ob Azizos über einen Teil des emesenischen Einflussbereichs herrschte, mit Samsigeramos zusammen herrschte, so wie dieser später mit seinem Sohn gemeinsam herrschte, oder nicht Teil der emesenischen Herrscherfamilie war.370 Auch hier ist etwa von Chad die Bezeichnung als Araber wieder als Indiz genommen worden, dass es sich bei den beiden Personen Azizos und Samsigeramos um nomadische ‚Scheichs‘ handele.371 Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass beide aus Gemeinschaften mit tribaler Organisation stammen könnten, ist aber doch offensichtlich, dass sie über eine größere Heeresmacht und auch politische Vernetzung verfügt haben müssen, um eine solche Intrige gegen die beiden seleukidischen Prätendenten ins Werk setzen zu können. Auch die berichtete Kommunikation mit Pompeius – und damit einem römischen Feldherren auf Kampagne im Großraum – spricht dafür. Es wird sich also wieder um lokale Anführer gehandelt haben, die von 366

Vgl. zur Diskussion Sullivan 1990, S. 63. App. Mithr. 16, 106. 368 Diod. 40, 1a–1b. Vgl. Kropp 2013, S. 25–26. 369 Chad 1972, S. 34–35. 370 Sullivan 1990, S. 64. 371 Chad 1972, S. 34–35. 367

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den seleukidischen Königen in offizielle Funktionen eingesetzt waren. Dies könnte sich hinter der Bezeichnung phylarchos verbergen, mit der die Quellen Azizos und Samsigeramos ansprechen.372 Die Bezeichnung wäre damit parallel zu dem Titel ethnarchos zu verstehen, wie ihn die Hasmonaier verwendeten. Eine solche Parallelisierung ist umso überzeugender, wenn man mit Kaizer berücksichtigt, dass der Titel phylarchos in der Septuaginta als Bezeichnung für den jüdischen Hohepriester verwendet würde.373 Damit wären Mennaios, Azizos und Samsigeramos wie Zabdibelos, Zabdiel und / bzw. Diokles lokale Anführer, die für die seleukidische Zentralmacht lokale und regionale Verwaltungs- und Sicherungsaufgaben übernahmen und ihre Position durch die Rivalität der Thronprätendenten analog der zahlreichen Seitenwechsel und Verhandlungserfolge der Hasmonaier ausbauten. Sie alle nutzten damit die Optionen, die sich ihnen einerseits durch das Delegationsprinzip der seleukidischen Verwaltung und andererseits durch die Notwendigkeit der Prätendenten, Unterstützer und Truppen für ihren Kampf um den Thron zu gewinnen, boten.

3.4 Zusammenfassung In den vorangegangenen Überlegungen zu den Anfängen der ituraischen und emesenischen Eigenherrschaften wurde die Entstehung der ituraischen Gebietskontrolle auf Ordnungsmaßnahmen der Ptolemaier und Seleukiden zurückgeführt, deren strategische Sicherungsbedürfnisse im Raum von Libanon, Antilibanon und Beka-Ebene – ähnlich wie in anderen Teilen des Großraums Syrien – die Anlage befestigter Siedlungen an wichtigen Kommunikationstrassen und eine dortige Ansiedlung und / oder Stationierung loyaler ‚Mandatsträger‘ nötig machte. Aus der Übernahme dieser Aufgabe heraus entstand den entsprechend mit königlichem Mandat ausgestatteten lokalen Befehlshabern eine Autoritätsposition, die sie mittelfristig in die Lage versetzte, in Zeiten der durch die Thronrivalitäten geschwächten seleukidischen Zentralmacht aus dieser Position heraus eine zunehmend eigenständige Herrschaft zu etablieren. Es ging also bei der Etablierung der Herrschaftsbereiche nicht um eine ‚Infiltration‘ von Nomaden, sondern um eine Verselbstständigung seleukidischer Funktionsträger. Auch für Emesa legen die vorangegangenen Überlegungen nahe, dass die genannten Anführer der Emesener bereits eine lokale Ordnungsfunktion für die seleukidische Zentralmacht ausübten, die ihnen insbesondere auch die Möglichkeit der Aufstellung von Truppen einräumte. Dadurch waren sie dann in der Lage, in den Auseinandersetzungen der verschiedenen seleukidischen Prätendenten eine eigenständige Machtpolitik zu betreiben. Dass ihnen dabei das Kinder eines 372 373

Strab. 16, 2, 10–11. 1 Es. 7,8; Kaizer 2005, S. 189.

Zusammenfassung 

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Königs anvertraut wurden, lässt darauf schließen, dass sie einerseits über eine große Hausmacht verfügten, die den Schutz dieses Kindes garantierte und andererseits, dass sie so eng mit dem entsprechenden Königshof verbunden waren, dass man von ihnen eine loyale Behandlung des Kindes erwarten konnte. Sie werden als philoi des Königs gegolten haben, Arethusa könnte dann als ihr ‚Amtssitz‘ fungiert haben. Sowohl die Anführer der Ituraier wie auch der Emesener werden dabei jeweils in den Quellen mit Städten als Operationsbasen in Verbindung gebracht. Dies lässt vermuten, dass mindestens diese Anführer sesshaft lebten – selbst, wenn sie über ein Territorium herrschten, in dem sicher auch nomadische Gruppen zu finden waren. Der aufgezeigte Siedlungsbefund sowohl in den ituraischen und emesenischen Territorien als auch in den Nachbarregionen zeigt, dass es hier zu einer Zunahme gerade auch der verstreuten ländlichen Besiedlung kam. Ein grundsätzliches Problem mit einfallenden Nomaden gab es also offenbar nicht, vielmehr entsteht der Eindruck prosperierender und durch die seleukidische Zentrale administrativ durchdrungener Landschaften. Dass die ituraischen und emesenischen Territorien dabei eine sehr ähnliche Entwicklung wie ihrer Nachbarregionen erlebten, lässt vermuten, dass dafür auch ähnliche Faktoren verantwortlich waren, nämlich eben die strategischen Entscheidungen der seleukidischen Zentrale und nicht die Infiltration oder gar gewaltsame Landnahme nomadischer Gruppen – es sei denn, man würde dies auch als Erklärungsmuster etwa für das Hinterland von Antiocheia und Apameia annehmen. Vielmehr scheinen die sicher vorhandenen nomadischen Gruppen an den Ausbau der stationären Landwirtschaft angebunden gewesen zu sein. Es war aber gerade die Vernetzung und Autorität der entstehenden Dynastien gegenüber allen lokalen Gruppen, die die Grundlage der Etablierung der ituraischen wie emesenischen Eigenherrschaften ermöglichte. Auch hier können wieder Vergleiche zu Nachbarregionen der Ituraier und Emesener herangezogen werden. So geht die Forschung etwa zu den Nabataiern inzwischen davon aus, dass die Nabataier schon unter achaimenidischer Herrschaft zur Sicherung ihrer Handelsrouten mit der umliegenden Bevölkerung bzw. den umliegenden Stämmen Bündnisse eingegangen waren bzw. Wegerechte erzwungen oder durch Geschenke erwirkt hatten.374 Entsprechend versteht Graf die Etablierung der Nabataier als „an extensive political alliance of various peoples united under the rule of the Petraean dynasts.“375 Diesen föderativen Aspekt der nabataischen Expansion, der auch in der Heterogenität der Bevölkerung des späteren Nabataischen Reiches deutlich wird, betont auch Kasher, für den die Nabataier eben nicht in ihren späteren Herrschaftsraum einwanderten, sondern

374

Wenning 2011, S. 279–280; ähnlich auch Healey 2001, S. 25; vgl. auch Knauf 1997, S. 21. 375 Graf 2005, S. 434.

134

Die Anfänge der Eigenherrschaften

ein konstitutiver Teil der lokalen arabischen Bevölkerung waren und ihren Aufstieg einer geschickten Föderationspolitik verdankten.376 Dieses Anwerben von Unterstützern und Knüpfen von lokalen und regionalen Netzwerken zur Sicherung der eigenen Interessen ist aber nicht auf die (arabischen) Nomadengemeinschaften begrenzt. Auch die Hasmonaier konnten ihren Aufstand und damit letztlich die erfolgreiche Etablierung ihrer Eigenherrschaft durch eine solche Politik der Vernetzung durchführen: Der ‚Stammvater‘ der Hasmonaier, Mattathias, soll sich geweigert haben, die durch ein Edikt des Antiochos IV. eingeforderten Opfer für den König zu vollziehen. Das dieser Weigerung überhaupt Gewicht zukam, lag an der prominenten Position, die Mattathias schon zu dieser Zeit innehatte, wie die Ansprache der seleukidischen Abgesandten deutlich macht: καὶ ἀπεκρίθησαν οἱ παρὰ τοῦ βασιλέως καὶ εἶπον τῷ Ματταθια λέγοντες ῎Αρχων καὶ ἔνδοξος καὶ μέγας εἶ ἐν τῇ πόλει ταύτῃ καὶ ἐστηρισμένος υἱοῖς καὶ ἀδελφοῖς·νῦν πρόσελθε πρῶτος καὶ ποίησον τὸ πρόσταγμα τοῦ βασιλέως, ὡς ἐποίησαν πάντα τὰ ἔθνη καὶ οἱ ἄνδρες Ιουδα καὶ οἱ καταλειφθέντες ἐν Ιερουσαλημ, καὶ ἔσῃ σὺ καὶ οἱ υἱοί σου τῶν φίλων τοῦ βασιλέως, καὶ σὺ καὶ οἱ υἱοί σου δοξασθήσεσθε ἀργυρίῳ καὶ χρυσίῳ καὶ ἀποστολαῖς πολλαῖς.

„Da sagten die Abgesandten des Königs zu Mattathias: Du bist der Vornehmste und Angesehenste in dieser Stadt und hast viele Söhne und eine große Verwandtschaft. Darum tritt du zuerst hin und tu, was der König befohlen hat, wie alle Völker getan haben, auch die Männer von Judaia und die, die noch in Jerusalem sind. Dann werden du und deine Söhne zu den Freunden des Königs gezählt werden und Gold und Silber und große Gaben bekommen.“377

Mattathias verfügte also bereits über eine lokale Hausmacht, die ihn zu einem attraktiven Verhandlungspartner für die Vertreter der seleukidischen Zentrale machten. Doch Mattathias verweigerte sich den Aufforderungen und floh mit seinen Söhnen ins Gebirge.378 Die Anhänger zogen in die Wüste und hausten dort zunächst in Höhlen.379 Sie konnten offenbar also zuallererst auf ein lokales Unterstützernetzwerk aus Verwandten zurückgreifen. Dabei handelte es sich bei den Hasmonaiern aber nicht um eine Familie der traditionellen ländlichen lokalen Elite, die sich in Opposition zur hellenisierten städtischen Elite begab – vielmehr waren auch die Hasmonaier in die Jerusalemer Elite eingebunden. Ihr Aufstand 376

Kasher 1988, S. 8–11. 1 Makk. 2, 17–18. Übersetzung der Einheitsübersetzung. 378 Dąbrowa 2010, S. 19. 379 1 Makk. 2, 27–38. Mitstreiter fanden sie auch wieder unter ihren Verwandten: „Aber Judas Makkabaios und seine Gefährten schlichen heimlich in die Dörfer und riefen ihre Blutsverwandten zusammen und was sonst noch bei dem Glauben der Juden geblieben war und brachten an sechstausend Mann zusammen.“ (2 Makk. 8, 1). 377

Zusammenfassung 

135

muss im Kontext der internen Rivalitäten der führenden Familien Judaias verstanden werden. Erst nach dessen Erfolg propagierten sie eine religiös-nationalistische Motivation, wie sie in den Quellen erkennbar wird.380 Blickt man also hinter den religiösen ‚Überbau‘ der Berichte der Makkabaier-Bücher zu den Anfängen der Hasmonaier, so sind es eben auch hier wie bei den Nabataiern lokale und regionale Rivalitäten, die zur Knüpfung und Verfestigung von Netzwerken und Bündnissen führen. Erst mit der so gewonnenen ‚Hausmacht‘ konnten dann politische, ökonomische oder religiöse Ziele umgesetzt werden. Die starke lokale Stellung erlaubte auch den ituraischen wie Emesener Dynasten gegenüber den im weiteren Verlauf der Geschehnisse konkurrierenden seleukidischen Thronprätendenten  – und in ihrer Folge den verschiedenen römischen Machthabern – Gegenleistungen für eine Unterstützung einzufordern, was weitere Privilegien und eine zunehmende Verselbstständigung ihrer Lokalherrschaft ermöglichte. Dies wird das folgende Kapitel zu den Herrschaften nachzeichnen.

380

Honigman 2014, S. 313–315.

4. Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Die vorangegangenen Kapitel haben bereits aufzeigen können, dass man die Entstehung der ituraischen wie auch der Emesener Eigenherrschaft jenseits der ihnen kritisch gegenüberstehenden Quellen im Kontext einerseits der Entwicklungen im Großraum Syrien und andererseits der sich durch die historischen Gelegenheiten ergebenden Handlungsoptionen für lokale Führungspersönlichkeiten verstehen sollte. Gerade diese Handlungsoptionen der historischen Gelegenheiten sollen nun die Folie für die folgenden Überlegungen zu der Ereignisgeschichte der ituraischen und Emesener Herrschaften bilden.

4.1 Die Herrschaften der Ituraier 4.1.1 Die Dynasten von Chalkis Zwischen 87 und 85 v. Chr. können wir mit Ptolemaios, Sohn des Mennaios, den ersten ituraischen Dynasten in den Quellen greifen, weil die seleukidische Besatzung von Damaskos gegen ihn Aretas III., König der Nabataier, zur Hilfe rief. So berichtet Josephos über die Ereignisse 87 v. Chr.: Ἔπειτα Ἀντίοχος ὁ κληθεὶς Διόνυσος ἀδελφὸς ὢν Φιλίππου, τῆς ἀρχῆς ἀντιποιούμενος εἰς Δαμασκὸν παραγίνεται, καὶ τῶν ἐκεῖ πραγμάτων ἐγκρατὴς γενόμενος ἐβασίλευσεν. ἐκστρατεύσαντος δ᾿ αὐτοῦ ἐπὶ τοὺς Ἄραβας Φίλιππος ὁ ἀδελφὸς ταῦτα ἀκούσας ἐπὶ Δαμασκὸν ἦλθεν. Μιλησίου δ᾿, ὃς κατελέλειπτο τῆς ἄκρας φύλαξ καὶ τῶν Δαμασκηνῶν, παραδόντος αὐτῷ τὴν πόλιν, ἀχάριστος εἰς αὐτὸν γενόμενος καὶ μηδὲν ὧν ἐλπίσας ἐδέξατο αὐτὸν παρασχών, ἀλλὰ τῷ παρ᾿ αὐτοῦ φόβῳ βουληθεὶς δοκεῖν παραλαβεῖν τὴν πόλιν ἢ τῇ χάριτι τῇ Μιλησίου δωρούμενος αὐτὸν οἷς ἐχρῆν, ὑπωπτεύετο καὶ πάλιν ἐκπίπτει τῆς Δαμασκοῦ· ἐξορμήσαντα γὰρ αὐτὸν εἰς ἱππόδρομον ἀπέκλεισεν ὁ Μιλήσιος, καὶ τὴν Δαμασκὸν Ἀντιόχῳ διεφύλαξεν.

„Später kam des Philippos Bruder Antiochos Dionysos in der Absicht, sich der Herrschaft zu bemächtigen, nach Damaskos, nahm dasselbe ein und setzte sich die Krone auf. Während er aber auf einem Kriegszug gegen die Araber begriffen war, hörte sein Bruder Philippos, was vorgefallen war, und eilte nach Damaskos. Milesios, der als Kommandant der Burg zurückgeblieben war, übergab ihm im Einverständnis mit den Damaszenern die Stadt. Da er sich aber gegen den Milesios undankbar erwies und ihm nichts von dem, was dieser nach der Übergabe der Stadt erwartet hatte, gewährte, vielmehr lieber den Schein erwecken wollte, als habe er durch Einschüchterung, nicht aber durch des Milesios Gefälligkeit

Die Herrschaften der Ituraier

[…] Βασιλεύει δὲ μετὰ τοῦτον τῆς κοίλης Συρίας Ἀρέτας, κληθεὶς εἰς τὴν ἀρχὴν ὑπὸ τῶν τὴν Δαμασκὸν ἐχόντων διὰ τὸ πρὸς Πτολεμαῖον τὸν Μενναίου μῖσος.

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die Einnahme der Stadt bewerkstelligt, wurde er, zumal er keinerlei Geschenke machte, bald missliebig und verlor Damaskos wieder. Da er nämlich einmal in die Rennbahn zog, schloss Milesios die Tore und bewahrte die Stadt wieder für Antiochos. […] Nach Antiochos gelangte zur Regierung von Koilé-Syrien Aretas, der von der Besatzung in Damaskos aus Hass gegen Ptolemaios Mennaiou zur Herrschaft berufen wurde.“1

Erkennbar wird als Ausgangslage zum einen die Rivalität zweier seleukidische Prätendenten, die um die Kontrolle von Damaskos und damit einer strategisch und ökonomisch attraktiven Stadt stritten. Zum anderen werden die Optionen sichtbar, die sich daraus anderen Ebenen des seleukidischen ‚Verwaltungsapparates‘ boten, diese Rivalität für eine Verbesserung der eigenen Situation zu benutzen: Wenn man den von Josephos genannten „Hass gegen Ptolemaios“ nicht wie die ältere Forschung als Reaktion auf Raubüberfälle versteht2, über die hier gar nicht gesprochen wird, müsste man eher vermuten, dass Ptolemaios als ein solcher – unbeliebter – Amtsträger des Antiochos XII. oder seines Rivalen Philippos in Damaskos präsent war. So legt die Abfolge der Darstellung bei Josephos nahe, dass Ptolemaios, Sohn des Mennaios, nicht der Kommandeur von Damaskos, wohl aber doch ein hochrangiges Mitglied des Hofes von Antiochos XII. oder Philippos I. war, denn er spielte ganz offenbar nach dem Tod des Antiochos eine wichtige Rolle in der Region.3 Es ist dann seine Unbeliebtheit, die zu einer Gegenreaktion der Damaszener führt. Dass Ptolemaios seinen ältesten Sohn Philippion nannte, ist vielleicht als Indiz für eine Tätigkeit am Hofe Philipps I. zu werten.4 Eine Rolle als Mitglied des Hofes könnte er sich durch eine starke Stellung in dem in der Folge unter ihm erkennbar werdenden Herrschaftsbereich erworben haben, welche ihm den Zugriff auf Ressourcen und Truppen ermöglichte. Hier folgte er vielleicht seinem Vater und möglicherweise weiteren Vorfahren, die, wie im vorherigen Kapitel überlegt, schon länger lokale Herrschaftsaufgaben für die Zentralmächte ausgeübt haben könnten. Myers spekuliert, dass die Unbeliebtheit des Ptolemaios aufgrund der Art und Weise entstanden sei, wie er sein eigenes Territorium beherrscht habe.5 Allerdings 1

Jos. Ant.Jud. 13, 15, 1–2; Übersetzung nach Clementz. Vgl. Bell.Jud. 1, 4, 7–8. So etwa Schottroff 1982, S. 133. 3 So auch Coşkun 2015, S. 180–181. 4 Jos. Bell.Jud. 1, 9, 2; Ant.Jud. 14, 7, 4. 5 Myers 2010, S. 155. 2

138

Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

ist doch eher fraglich, ob man sich hier auf den pro-hasmonaischen Josephos verlassen kann, der allen Grund hatte, die ituraische Herrschaft und damit einen der größten Konkurrenten der Hasmonaier schlecht zu reden. Denn mit Kasher war Damaskos ein „connecting link“ für die verschiedenen von den Quellen mit den Ituraiern im Libanon und Antilibanon, Hermon und Golan sowie Hauran in Zusammenhang gebrachten Territorien.6 Damit wären Ptolemaios, Sohn des Mennaios, als Befehlshaber über die ituraischen Truppen Zugriffsmöglichkeiten auf Handelswege gegeben gewesen, die ihn in Konkurrenz zu den die Küstenroute und die Jordan-Route beherrschenden Hasmonaiern brachte  – und das könnte durchaus der Hintergrund für die negative Bewertung des Ptolemaios in den prohasmonaischen Quellen, aber auch bei den zeitgenössischen Damaszenern gewesen sein. Auf diese ökonomische Dimension kommen wir noch zurück. Dass es um eine solche Konkurrenz-Situation ging, zeigt die Darstellung dieser Episode bei Pseudo-Hegesippus, der um 375 n. Chr. eine paraphrasierende Kopie des Jüdischen Krieges des Josephos auf Latein verfasste. Die frühesten Versionen dieses Textes sind älter als die erhaltenen Manuskripte des Josephos-Textes, so dass Pseudo-Hegesippus einige Bedeutung bei der Rekonstruktion der ursprünglichen Darstellung in Josephos zukommt.7 Und Pseudo-Hegesippus berichtet, die Damaszener hätten Aretas III. zur Herrschaft in Koilé-Syrien eingeladen, um Ptolemaios, dem sie feindlich gegenüberstanden, davon auszuschließen. Aretas habe daraufhin die Kontrolle in Damaskos übernommen, sich dann aber auch gegen Judaia gewandt. Dort habe er eine Schlacht gewonnen und eine Übereinkunft mit Alexander getroffen, bevor er in sein eigenes Reich zurückgekehrt sei. Alexander habe sich daraufhin gegen Pella und Gerasa gewandt, um einige der unter der Kontrolle von Theodoros stehenden Territorien für sich zu beanspruchen.8 Verschiedenste lokale Akteure stritten also um die Kontrolle von Territorien, auch die Hasmonaier standen dabei in direkter Konkurrenz zu Ptolemaios, Sohn des Mennaios. Dieser nahm offenbar eine sehr prominente Stellung in der Region ein, wenn er die Herrschaft über ganz Koilé-Syrien beanspruchen konnte. Gehörte Ptolemaios dabei ursprünglich zum Hof Philipps I., dann ließe sich seine Unbeliebtheit in Damaskos z. B. auch mit der geringen Freigiebigkeit und Undankbarkeit des Königs erklären, die Milesios und die Damaszener nach dem gerade zitierten Bericht des Josephos zu einem erneuten Seitenwechsel brachten. Von Ptolemaios, Sohn des Mennaios, erwarteten die Damaszener offenbar auch nicht mehr und entschieden sich daher, Aretas einzuladen. Die nabataische Herrschaft über Damaskos endete mit der Eroberung durch Tigranes von Armenien, der von 83 bis 69 v. Chr. Syrien eroberte und wohl 72 v. Chr. Damaskos einnahm. Diese Eroberung stellte sich als äußerst langwierig 6

Vgl. Thiel 2007, S. 107. Leoni 2016, S. 309–310. 8 Ps.-Heges. 1, 17. 7

Die Herrschaften der Ituraier

139

dar und es gab auch teils hartnäckigen Widerstand. So musste Tigranes etwa 70 v. Chr. gegen einige Städte in Phoinikien vorgehen, die Antiochos XIII. und Kleopatra Selene unterstützten.9 Dieser Antiochos XIII. wurde von Lucullus und damit von Rom als seleukidischer König in Syriens anerkannt.10 Für Sullivan hatte Tigranes insgesamt nur eine lose Oberhoheit in Syrien und war auf die Unterstützung durch lokale Kräfte angewiesen.11 Aus dem Bericht bei Plutarch über den Feldzug des Lucullus gegen Tigranes kann man nämlich erkennen, dass Tigranes seine Herrschaft in Syrien durch die Kooperation mit lokalen Dynasten und Gemeinschaften sicherte, die sich später dann Lucullus ergaben.12 Tigranes griff also zur Durchsetzung seiner Herrschaftsinteressen auch auf die Kooperation mit lokalen Eliten und eben ‚local power holders‘ zurück und es boten sich diesen lokalen Kräften dadurch die Möglichkeit zur Erlangung von Privilegien und / oder zur Festigung der eigenen Stellung. Dies galt auch für die Städte, denn unter der Herrschaft des Tigranes setzte die Münzprägung einiger seleukidischer Städte aus. Andere, wie Apameia am Orontes dagegen erhielt jetzt offenbar die Erlaubnis zur Prägung eigener Münzen oder durften weiter prägen, wie Laodikeia am Meer.13 Darin sind vermutlich die Bemühungen des Tigranes zu erkennen, seine Unterstützer mit Privilegien zu belohnen. 73/72 v. Chr. ließ Tigranes eigene Münzen in Damaskos prägen – und in dieses Jahr fallen auch die ersten datierbaren Prägungen des Ptolemaios, Sohn des Mennaios.14 Sartre glaubt daher, Ptolemaios, Sohn des Mennaios, habe einen eigenständigen Herrschaftsbereich in der Zeit der Kontrolle Syriens durch Tigranes etabliert und dabei auch das Recht zur Prägung eigener Münzen erhalten.15 Eine Rolle als Mitglied des Hofes Philipps I. hätte Ptolemaios dabei für Tigranes sicher zu einem attraktiven Partner in der Etablierung seiner Herrschaft über Syrien gemacht  – und dies umso mehr, wenn Ptolemaios auf Truppen und Ressourcen zurückgreifen konnte. Noch während der Kontrolle Syriens durch Tigranes versuchte Ptolemaios, Sohn des Mennaios, angeblich erneut, Damaskos unter seine Kontrolle zu bringen,

9

10 11

12 13 14 15

Plut. Luc. 21,2; Jos. Ant.Jud. 13, 16, 4. Just. Epit. 40,2,2. Sullivan 1978, S. 199. Plut. Luc. 25, 6 und 29,5. Sartre 2001, S. 432–433. Vgl. Myers 2010, S. 30, 156–157. Sartre 2001, S. 431. Es ist gut möglich, dass die Funde von über 100 Bronze-Münzen des Tigranes von Armenien aus dem Libanon, die leider ohne Angabe der Fundplätze im Kunsthandel angeboten wurden, mit dieser Phase der Etablierung der Herrschaft des Ptolemaios während der Kontrolle Syriens durch Tigranes in Zusammenhang stehen. Dabei könnten diese Münzen vielleicht sogar belegen, dass Ptolemaios Tigranes mit Truppen unterstützte, die mit dessen Münzen bezahlt wurden. Aber die unsicheren Fundumstände lassen kaum sichere Aussagen zu. Zu den Münzen: Foss 1986, S. 19.

140

Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

wogegen sich diesmal eine hasmonaische Intervention wandte. Deren genaue Zielrichtung und Erfolg sind jedoch unklar. Im Jüdischem Krieg des Josephos heißt es: Ἀλεξάνδρα δὲ ἐκπέμψασα ἐπὶ Δαμασκὸν στρατιάν, πρόφασις δ᾽ ἦν Πτολεμαῖος ἀεὶ θλίβων τὴν πόλιν, ταύτην μὲν ὑπεδέξατο μηθὲν ἀξιόλογον ἐργασαμένην. Τιγράνην δὲ τὸν Ἀρμενίων βασιλέα προσκαθεζόμενον Πτολεμαΐδι καὶ πολιορκοῦντα Κλεοπάτραν συνθήκαις καὶ δώροις ὑπηγάγετο.

„Hierauf schickte Alexandra unter dem Vorwand, Ptolemaios bedränge fortwährend Damaskos, ein Heer aus und bemächtigte sich der Stadt, ohne dass sie dabei auf besondere Schwierigkeiten gestoßen wäre. Dann suchte sie den Armenierkönig Tigranes, der vor Ptolemaïs lag und Kleopatra belagerte, durch Verträge und Geschenke zum Abzug zu veranlassen.“16

Folgt man dieser Chronologie, unterstützte Alexandra offenbar Kleopatra V. Selene, die 69 v. Chr. in Ake-Ptolemaïs von Tigranes belagert und schlussendlich getötet wurde. Diese Passage könnte bedeuten, dass Tigranes Ptolemaios als eine Art regionaler Ordnungsmacht eingesetzt hatte, womit vielleicht auch die Möglichkeit der Kontrolle von Damaskos einherging, so dass Alexandra möglicherweise zur Ablenkung diese Intervention in Damaskos organisierte. Es ist vielleicht wahrscheinlicher, dass Ptolemaios zu diesem Zeitpunkt im Einvernehmen oder mit Duldung des Tigranes agierte, möglich wäre sogar, dass Ptolemaios von Tigranes im Zuge des Konfliktes mit Kleopatra Selene nach Damaskos geschickt wurde. In den Altertümern schreibt Josephos allerdings: καὶ μετ᾿ οὐ πολὺ τὸν υἱὸν Ἀριστόβουλον μετὰ στρατιᾶς ἐξέπεμψεν ἐπὶ Δαμασκὸν κατὰ Πτολεμαίου τοῦ Μενναίου λεγομένου, ὃς βαρὺς ἦν τῇ πόλει γείτων. ἀλλ᾿ ὁ μὲν οὐδὲν ἐργασάμενος σπουδῆς ἄξιον ὑπέστρεψεν. Κατὰ δὲ τοῦτον τὸν καιρὸν ἀγγέλλεται Τιγράνης ὁ τῶν Ἀρμενίων βασιλεὺς στρατοῦ μυριάσι τριάκοντα ἐμβεβληκὼς εἰς τὴν Συρίαν καὶ ἐπὶ τὴν Ἰουδαίαν ἀφιξόμενος.

16 17

„Nicht lange danach [internen Streitereien] sandte sie ihren Sohn Aristoboulos mit einem Heer nach Damaskos gegen Ptolemaios, der des Mennaios genannt wird, der für die Stadt ein mühseliger Nachbar war. Er kehrte indes zurück, ohne etwas Erwähnenswertes vollbracht zu haben. Um diese Zeit lief die Nachricht ein, der Armenierkönig Tigranes sei mit dreihunderttausend Mann in Syrien eingefallen, und beabsichtige, auch Judaia anzugreifen.“17

Jos. Bell.Jud. 1, 5, 3. Übersetzung nach Clementz. Jos. Ant.Jud. 13, 16, 3–4. Übersetzung nach Clementz, der allerdings einer Textvariante mit 500.000 Soldaten folgt, vgl. dazu den Kommentar zu Jos. Ant.Jud. 13, 16, 4 in der Ausgabe von Villeneuve / Nodet / Dan / Parmenteier 2021.

Die Herrschaften der Ituraier

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Diese Darstellung verändert Chronologie und Zusammenhänge, da hier die militärische Operation gegen Ptolemaios in Damaskos vor dem Erscheinen des Tigranes lag. Ptolemaios hatte in dieser Version in irgendeiner Form die Kontrolle über Damaskos von den Nabataiern übernommen / erobert. Für Schwartz ist dabei die Darstellung des Josephos im Jüdischen Krieg insgesamt zwar stringenter und durch sprachliche und stilistische Überarbeitung literarisch ansprechender, die weniger stark bearbeitete Version in den später geschriebenen Jüdischen Altertümern dagegen hält er für näher an den Vorlagen des Josephos. Dabei betont er, Josephos habe sich vor allem auf Nikolaos von Damaskos berufen, wie die Forschung bereits mehrfach betont hat.18 Daher wird an der vorliegenden Stelle dieser Ereignisfolge von einigen Forschern der Vorzug gegeben. So denkt etwa Atkinson, die Nabataier hätten sich – vielleicht aufgrund einer Allianz zwischen Aretas III. und Kleopatra V. Selene gegen Tigranes – aus Damaskos zurückgezogen und Kleopatra dort die Herrschaft überlassen.19 Grainger geht auch von einem freiwilligen Rückzug der Nabataier aus, woraufhin Ptolemaios, Sohn des Mennaios, die Kontrolle übernommen hätte und erst Tigranes ihn hätte vertreiben können. In seiner Rekonstruktion der Ereignisse prägte Ptolemaios als Machtdemonstration gegenüber Tigranes seine erste Münzserie.20 Allerdings ist diese Textversion nicht die einzige und in der neuen Edition der Jüdischen Altertümer von Nodet findet sich im für die Chronologie entscheidenden letzten Satz der Stelle satt dessen: Κατὰ δὲ τοῦτον τὸν καιρὸν ἀγγέλλεται Τιγράνης ὁ τῶν Ἀρμενίων βασιλεὺς ἄμα μυριάσι στρατιωτῶν πεντήκοντα ἐμβεβληκὼς εἰς τὴν Συρίαν καὶ ἐπὶ τὴν Ἰουδαίαν ἀφιξόμενος.

„C’est á ce moment qu’on annonça que Tigrane, le roi des Arméniens, après avoir envahi la Syrie, allait s’élancer contre la Judée avec une armée de cinq cent mille soldates.“21

Diese Version des Textes lässt sich gut mit der Darstellung im Jüdischen Krieg in Einklang bringen, denn damit wäre Ptolemaios wieder in irgendeiner Form mit der Kontrolle Syriens durch Tigranes verbunden, der Konflikt um Damaskos stünde wieder in Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen des Tigranes und der Kleopatra sowie ihrer hasmonaischen Verbündeten. Diesen Eindruck bestätigt auch die Überlieferung bei Pseudo-Hegesippus, der berichtet, Aristoboulos sei mit einem Heer nach Damaskos geschickt worden, weil die Stadt durch ständige räuberische Übergriffe des Ptolemaios zu leiden gehabt habe. Außerdem habe 18

Schwartz 2020, S. 55–65. Atkinson 2016, S. 141. 20 Grainger 2015, S. 195. 21 Jos. Ant. Jud. 13, 16, 4 mit Text und Übersetzung nach Villeneuve / Nodet / Dan / Parmentier 2021. 19

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Tigranes Kleopatra belagert und die hasmonaische Königin Alexandra habe ihn bestochen, nicht auch gegen sie in Judaia zu ziehen.22 Folgt man dieser Version, konnte Ptolemaios unter Tigranes eine sehr starke Stellung in Mittelsyrien aufbauen, indem er die sich durch den Zerfall des Seleukidenreiches bietenden Handlungsoptionen nutze. Dafür muss er auf eine starke Hausmacht zurückgegriffen haben, was wieder als Indiz für eine prominente Stellung auch unter den letzten Seleukiden gewertet werden kann. Ob Damaskos dann wirklich unter hasmonaische Kontrolle geriet und wie erfolgreiche Aristoboulos letztlich in diesem Feldzug war, ist nicht klar. Deutlich wird aber, dass es um die wachsende Konkurrenz der Hasmonaier mit Ptolemaios ging, aber auch um den Konflikt zwischen den beiden Söhnen der Alexandra. Kasher spekuliert, Aristoboulos habe diesen Feldzug mit einer vertraglichen Regelung mit Ptolemaios, Sohn des Mennaios, abgeschlossen, die es ihm erlaubte, die Ituraier als Verbündete im sich abzeichnenden Konflikt mit seinem Bruder Johannes Hyrkanos II. und als Gegengewicht gegen dessen Bündnis mit den Nabataiern zu gewinnen.23 Diese These gewinnt Glaubwürdigkeit dadurch, dass Aristoboulos bei der Rüstung zum Krieg gegen seinen Bruder kurz darauf „zweiundzwanzig Festungen erobert [hatte] und […] nun die Mittel [besaß] um am Libanon, in der Trachonitis und bei den umwohnenden Fürsten sich ein Heer zu werben.“24 Eine wie auch immer geartete Übereinkunft zwischen dem Hasmonaier und den Ituraiern scheint daher plausibel, da man kaum Truppen in feindlichem Gebiet anwerben konnte. Dass die Ituraier bzw. Ptolemaios hier nicht explizit genannt wurden, mag an der grundsätzlich negativen Berichterstattung des Josephos über diese liegen, die eine Übereinkunft zwischen ihnen und Aristoboulos für die Leser schwer nachvollziehbar gemacht hätte.25 Neben dem Versuch die Kontrolle über Damaskos zu erlangen, griff Ptolemaios auch auf Gebiete an der Küste aus, wie man aus dem bereits mehrfach zitierten Bericht des Strabon erkennen kann: τὰ μὲν οὖν ὀρεινὰ ἔχουσι πάντα Ἰτουραῖοί τε καὶ Ἄραβες, κακοῦργοι πάντες, οἱ δ᾿ ἐν τοῖς πεδίοις γεωργοί· κακούμενοι δ᾿ ὑπ᾿ ἐκείνων ἄλλοτε ἄλλης βοηθείας δέονται. ὁρμητηρίοις δ᾿ ἐρυμνοῖς χρῶνται, καθάπερ οἱ τὸν Λίβανον ἔχοντες ἄνω μὲν ἐν 22

Die gebirgigen Teile werden sämtlich von Ituraiern und Arabern, Übeltäter allesamt, bewohnt (die Ebene dagegen von Bauern, die teils diese, teils jene Hilfe bedürfe.) Sie haben naturfeste Stützpunkte, ebenso wie die Bewohner

Ps.-Heges. 1, 13. Kasher 1988, S. 107–108. 24 Jos. Ant.Jud. 13, 16, 5. 25 Paturel 2014, S. 87 nimmt die Stelle als Beleg für eine Unterstützung des Aristoboulos durch Ptolemaios, Sohn des Mennaios. Auch Shatzman 1991, S. 164 hält die angeworbenen Truppen für Ituraier. 23

Die Herrschaften der Ituraier

τῷ ὄρει Σιννᾶν καὶ Βόρραμα καὶ ἄλλα τοιαῦτα ἔχουσι τείχη, κάτω δὲ Βότρυν καὶ Γίγαρτον καὶ τὰ ἐπὶ τῆς θαλάττης σπήλαια καὶ τὸ ἐπὶ τῷ Θεοῦ προσώπῳ φρούριον ἐπιτεθέν, ἃ κατέσπασε Πομπήιος, ἀφ᾿ ὧν τήν τε Βύβλον κατέτρεχον καὶ τὴν ἐφεξῆς ταύτῃ Βηρυτόν, αἳ μεταξὺ κεῖνται Σιδόνος καὶ τοῦ Θεοῦ προσώπου.

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des Libanos oben in den Bergen Sinna, Borrama und andere ähnliche Bollwerke haben, und unten Bortys, Gigartos, die Grotten am Meer und die auf das Gottesantlitz [Theuprosopon] gesetzte Festung, die Pompeius alle niedergerissen hat: von diesen Orten aus pflegten sie Byblos und das daran anschließende Berytos heimzusuchen, zwei Städte die zwischen Sidon und dem Gottesantlitz liegen.“26

Schottroff sieht dabei in den beiden Militäraktionen gegen Damaskos den Versuch, eine dauerhafte Herrschaft über diesen „wichtigen Handelsplatz“ zu erlangen, während Ptolemaios’ bei Strabon überlieferten Aktivitäten gegen die Küstenstädte einfache Raubzüge gewesen wären.27 Diese Deutung passt zwar zu der von ihm und anderen Forschern vertretenen Vorstellung der ‚räuberischen Ituraier‘, ist aber abzulehnen. Vielmehr kann man hier den Versuch des Ptolemaios erkennen, in einer sich verändernden politischen wie militärischen Großwetterlage maximalen territorialen Gewinn zu machen, wie dies ja auch andere Gemeinschaften wie die Hasmonaier oder Nabataier im gleichen Zeitraum taten.28 Es ging hier also um die Ausnutzung der sich bietenden Handlungsoptionen. Erkennbar wird doch nämlich eine strukturierte Herrschaftsetablierung, die auf eine strategische Raumkontrolle durch die Anlage von Kastellen und anderen Kontrollpunkten (=den Höhlen) an neuralgischen Kommunikationsachsen setzte, aber auch militärische Eroberungen einschloss. Dabei kam es offenbar auch zu Interessensbündnissen mit anderen lokalen Herrschaftsträgern: So berichtet Georgios Synkellos über eine Belagerung von Tyros durch Alexander Jannaios, von der er durch eine Intervention der Nabataier und Ituraier abgebracht wurde.29 Diese Episode legt eine Kooperation des Ptolemaios mit Tyros (und den Nabataiern) nahe, die später wieder zu einer Zusammenarbeit führen sollte.30

26

Strab. 16, 2, 18, Übersetzung von Radt. Schottroff 1982, S. 133–134. 28 Zu deren ständigen Auseinandersetzungen vgl. z. B. Jos. Ant.Jud. 13,13, 5; Bell.Jud. 1, 4, 3–4; Ant.Jud. 13, 14, 2; Ant.Jud. 13, 15, 1, Bell.Jud. 1, 4, 7. Bowersock glaubt, Antiochos XII. habe mit seinen Kampagnen einen Machzuwachs der Nabataier verhindern wollen: Bowersock 1983, S. 24; vgl. Taylor 2002, S. 46. 29 Synk. 559, 5–12. 30 Jos. Ant.Jud. 14, 12, 1. Atkinson verbindet die hier durch die Koalition der Ituraier und Nabataier erlittene Niederlage des Jannaios mit dem Verlust seiner Gebiete in 27

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Festzuhalten ist, dass Ptolemaios am Vorabend der römischen Intervention bereits eine gefestigte lokale Machtposition etablieren konnte, die ihn politisch so selbstbewusst machte, um mit anderen lokalen Mächten wie den Hasmonaiern, den Nabataiern oder der Handelsmetropole Damaskos auf Augenhöhe zu agieren. Dazu muss er nicht nur über eine entsprechende schlagkräftige Heeresmacht verfügt haben, sondern auch die Mittel besessen haben, diese zu bezahlen. Auf die möglichen wirtschaftlichen Grundlagen soll noch eingegangen werden. Diese wirtschaftlichen Grundlagen müssen aber ausreichend gewesen sein, dass Ptolemaios die Begegnung mit Pompeius überstehen konnte: Denn im Frühjahr 63 v. Chr. zog der römische General Richtung Süden durch Syrien und räumte auf dem Weg mit den Resten des Seleukidischen Reiches auf.31 Lokale Dynasten, die sich unter Tigranes oder nach seinem überstürzten Abzug in Städten wie Tripolis oder Byblos etabliert hatten, wurden hingerichtet.32 Anderen bestätigte Pompeius jedoch ihre Stellung, denn Appian schreibt, Pompeius habe die verschiedenen Völker, die zuvor von den Seleukiden beherrscht wurden, eigenen Königen und Dynasten unterstellt.33 Pompeius stand dabei im Prinzip vor der gleichen Situation wie Tigranes, denn einerseits hatte die Herrschaft der Seleukiden an Akzeptanz verloren34, andererseits war aber auch eine römische Herrschaft nicht überall willkommen.35 Dabei spielte vermutlich auch eine Rolle, dass die lokalen Herrschaftsträger in Syrien durch die letzten Jahre der seleukidischen Herrschaft und die Eroberung des Tigranes ein gehöriges Maß an Verhandlungsbereitschaft von heranrückenden Mächten erwarteten, bei der eigene Privilegien mindestens erhalten blieben. Generell wünschte Pompeius sich offenbar funktionsfähige Städte, weshalb er dort etablierte Tyrannen eher entmachtete. Dagegen bestätigte er lokale Dynasten, die über größere Gebietseinheiten geboten, wie er es schon in Kleinasien praktiziert hatte.36 Ptolemaios gehörte offenbar zu diesen, wie Josephos nicht ohne eine gewisse Spitze gegen Pompeius berichtet:

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Transjordanien, die er den Nabataiern im Zuge dieser Verhandlungen habe abtreten müssen: Atkinson 2016, S. 131. Ehling 2008, S. 275. Dabei entmachtete er auch den letzten seleukidischen Thron­ prätendenten, Antiochos XIII., der sich noch in Kleinasien gehalten hatte und nun um die Rückkehr in die seleukidischen Territorien in Syrien erbat. Antiochos XIII. wird dabei nicht einmal in der Aufzählung der Gegner des Pompeius beim Bericht über seinen Trimphzug in der Naturgeschichte des Plinius des Älteren genannt: Plin. Nat. Hist. 7, 99. Strab. 16, 2, 18, Jos. Ant.Jud. 14, 3, 2.  App. Syr. 8, 50. App. Syr. 8, 49. Vgl. App. Mithr. 16, 106 und 17, 117. Vgl. Gelzer 1949, S. 103–108. Zu Pompeius’ Unterstützung von Städten vgl. Jos. Bell. Jud. 1, 7, 7 und Ant.Jud. 14, 4, 4.

Die Herrschaften der Ituraier

καὶ τήν τε ἄκραν ἐν παρόδῳ τὴν ἐν Ἀπαμείᾳ κατέσκαψεν, ἣν ὁ Κυζικηνὸς ἐτείχισεν Ἀντίοχος, καὶ τὴν Πτολεμαίου τοῦ Μενναίου χώραν κατεπόνησεν, ἀνδρὸς πονηροῦ καὶ οὐδὲν ἐλάττονος Διονυσίου τοῦ Τριπολίτου τοῦ πελεκισθέντος, ὅσπερ καὶ κηδεύων ἐτύγχανεν αὐτῷ, χιλίοις μέντοι ταλάντοις ἐξωνησαμένου τὴν ὑπὲρ τῶν ἁμαρτημάτων τιμωρίαν, οἷς Πομπήιος τοὺς στρατιώτας ἐμισθοδότησεν. ἐξεῖλε δὲ καὶ Λυσιάδα χωρίον, οὗ τύραννος ἦν Σίλας ὁ Ἰουδαῖος. διελθὼν δὲ τὰς πόλεις τήν τε Ἡλιούπολιν καὶ τὴν Χαλκίδα καὶ τὸ διεῖργον ὄρος ὑπερβαλὼν τὴν κοίλην προσαγορευομένην Συρίαν ἀπὸ τῆς ἄλλης εἰς Δαμασκὸν ἧκεν.

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„Unterwegs [vom Winterlager nach Damaskos] zerstörte er die Burg zu Apameia, die Antiochos Kyzikos befestigt hatte, und verheerte das Gebiet des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, eines ebenso nichtswürdigen Menschen, wie sein Verwandter Dionysios von Tripolis war, der mit dem Beil hingerichtet wurde. Er selbst jedoch erkaufte sich Verzeihung für seine Freveltaten mit tausend Talenten, die Pompeius zur Löhnung seiner Soldaten verwendete. Dann eroberte der römische Feldherr die Festung Lysias, deren Befehlshaber (tyrannos) der Jude Silas war, zog durch die Städte Heliopolis und Chalkis, überstieg das Gebirge, welches KoiléSyrien durchschneidet, und begab sich nach Damaskos, […].“37

Josephos suggeriert hier, dass Pompeius sich nur aus Geldnot auf eine Anerkennung des Ptolemaios einlassen musste und kann damit indirekt Ptolemaios diskreditieren. Aber Pompeius hatte gerade erfolgreich den Krieg gegen Mithradates und Tigranes beendet und dabei so viel Beute gemacht, dass nach Appian die Katalogisierung der Schätze des Mithradates 30 Tage in Anspruch genommen hatte.38 Diese Beute hatte Pompeius ordnungsgemäß der Staatskasse übergeben, ebenso wie sehr großzügige Geldgeschenke, die er von Tigranes nach dessen Niederlage erhalten hatte.39 Aus römischer Sicht stand einer Verwendung von Mitteln aus der Beute oder aus persönlichen Geschenken für die Besoldung von Soldaten nichts entgegen.40 Ein finanzieller Zwang zur Anerkennung des Ptolemaios bestand also auf Seiten des Pompeius nicht, daher müssen andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein. Auch wenn die wirtschaftliche Situation des ituraischen Herrschaftsgebietes noch zu analysieren sein wird, kann festgehalten werden, dass Ptolemaios über beachtliche Finanzmittel verfügte, die er darüber hinaus schnell zusammenbekommen konnte.41 37

Jos. Ant.Jud. 14, 3, 2. Übersetzung nach Clementz. App. Mithr. 115. 39 Vell. 2,37,5 zur ordnungsgemäßen Verwendung der Beute; zur weiteren Beute Plin. Nat.Hist. 37, 11–18; Plut. Pomp. 3,.6–7; Strab. 12,3,31; Jos. Ant.Jud. 14,34–6. 40 Vgl. Morrell 2017, S. 82–83. Er weist die Zahlung der 1000 Talente fälschlich Dionysos von Tripolis zu. 41 Auch für Sommer ist diese hohe Summe Indiz für die Stabilität und Prosperität des ituraischen Herrschaftsraumes: Sommer 2001, S. 83. 38

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Selbst wenn die tatsächlich bezahlte Summe vielleicht eine andere war42, spricht die Episode doch dafür, dass Ptolemaios in seinem Herrschaftsbereich eine strukturierte Ressourcenkontrolle betrieb, die im Kapitel zu den Herrschaftsstrukturen der Ituraier genauer beleuchtet werden soll. Und es wird diese funktionsfähige Herrschaft gewesen sein, die seine Anerkennung durch Pompeius ermöglichte.43 Nach diesem Zusammentreffen mit Ptolemaios zog Pompeius durch die BekaEbene über Heliopolis und Chalkis nach Damaskos.44 Dabei wird in der Forschung diskutiert, welche Route er genommen haben könnte: Zog er zu Chalkis am Ort von Majdal Anjar, dann folgte er der Beka-Ebene bis zum Eingang ins Tal des Baradas und erreichte über Abila Damaskos. Lag aber Chalkis weiter nördlich, könnte er die in Teilen der Forschung favorisierte direktere Route durch das Tal von Zebedani, dann in das Tal des Baradas und weiter nach Damaskos genommen haben.45 Unklar ist ebenfalls, ob Pompeius trotz der 1000 Talente das Gebiet des Ptolemaios verkleinerte bzw. mit welchen weiteren Abgaben er es belegte.46 Möglich wäre z. B. sogar eine Gebietserweiterung durch Pompeius, indem dieser dem Ptolemaios jetzt Gebiete im Hauran und Golan überließ. Wichtigste Folge der Anerkennung seiner Position durch Pompeius scheint aber für Ptolemaios der Gewinn eines offiziellen Titels gewesen zu sein. Denn in seiner nächsten datierten Münzemission von 64/63 v. Chr. nennt er sich Tetrarch und Archiereus.47 Die genauen Implikationen dieses Titels sollen in den Kapiteln 42 43

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Vgl. die 6000 Talente Kriegsentschädigung, die Tigranes nach seiner Niederlage an Pompeius gezahlt haben soll: Plut. Pomp. 83,3; vgl. Gelzer 1949, S. 94. Morrell 2017, S. 58–97 argumentiert, dass die Entscheidungen des Pompeius in Kleinasien und Syrien durch stoische Prinzipien geleitet waren und es ihm darum ging, die römische Territorialverwaltung im Sinne der stoischen Prinzipien zu verbessern. Dabei möchte sie vor allem betonen, dass Pompeius deutlich geringere persönliche finanzielle Gewinne aus seinen Eroberungen zog als bislang in der Forschung betont. Die Josephos-Stelle wirft geographische Fragen auf: Pompeius überwinterte in Armenien, seine Generäle waren aber offenbar schon in Damaskos aktiv. Pompeius selbst zog dann über Apameia nach Süden und wenn man Josephos wörtlich nimmt, traf er schon vor der Beka-Ebene auf das Reich des Ptolemaios und nahm dann erst Lysias ein. Für Sartre lag dieses nördlich von Apameia in der Apamene: Sartre 2001, S. 438. Kropp lokalisiert es lediglich im Orontes-Tal: Kropp 2013, S. 18. Wenn Josephos hier die Geschehnisse chronologisch und geographisch richtig wiedergeben würde, müsste man davon ausgehen, dass der Herrschaftsbereich des Ptolemaios sich bis weit in das Eleutheros-Tal und vielleicht sogar über das Gebiet der Emesener erstreckte. Eher ist aber vielleicht davon auszugehen, dass der Bericht des Josephos im Detail nicht die korrekte Reihenfolge wiedergibt. Möglich wäre, dass es sich bei dem genannten Lysias um ein z. B. zwischen Laodikeia am Libanon und der Beka-Ebene gelegenes Kastell handelte. Oder man versteht Josephos so, dass Ptolemaios dem Pompeius entgegenreiste und schon außerhalb seines Territoriums zu einer Einigung mit dem römischen Feldherrn gelangte. Myers 2010, S. 159. Schürer 1890, S. 597. Vgl. Schwentzel 2009, S. 69–70.

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zur Herrschafts- und Legitimationsstrategie noch analysiert werden. Festzuhalten ist aber, dass die Herrschaft des Ptolemaios damit eine offizielle und von Rom anerkannte Form erhielt, die vermutlich mit einem Klientelverhältnis einherging. Interessant ist, dass Ptolemaios trotz seines relativ großen und strategisch relevanten Herrschaftsbereichs nicht den Königstitel verliehen bekam bzw. als König anerkannt wurde, sondern mit dem offenkundig ‚geringeren‘ Tetrarchen-Titel bedacht wurde. Darauf kommen wir im Kapitel zu den Herrschaftsstrukturen noch zurück. Trotzdem bedeutete die Anerkennung seiner Stellung durch Pompeius, dass Ptolemaios weiter in den Machtkämpfen der regionalen Klientelreiche eine Rolle spielen konnte. Schon vor der Ankunft des Pompeius hatte es eine familiäre Verbindung zu Dionysios, Tyrann von Tripolis, gegeben.48 Nach der Neuordnung des Pompeius schloss Ptolemaios eine Allianz mit einer der beiden Linien der Hasmonaier: Ptolemaios nahm die Kinder des Aristoboulos II. auf, nachdem nach dessen Tod sein Sohn Alexander auf Befehl des Pompeius in Antiocheia hingerichtet worden war. Er entsandte dafür seinen Sohn Philippion nach Askalon zum Aufenthaltsort der Familie, um die Kinder von der Witwe in Empfang zu nehmen. Dieser heiratete Alexandra, eine Tochter des Aristoboulos, nach Aussage der Quellen aus spontaner Liebe. Ptolemaios ließ seinen Sohn daraufhin angeblich töten und heiratete Alexandra selbst.49 Die Umstände dieser Familienverwicklung sind unklar, Aliquot mutmaßt, Ptolemaios habe durch die Tat seines Sohnes seine eigenen Pläne, ein geeintes hasmonaisches und ituraisches Reich unter seiner Herrschaft zu schaffen, durchkreuzt.50 Möglich wäre, dass Philippion nicht der älteste und damit potentiell nachfolgende Sohn war und sich durch die Heirat einen Vorteil in der Nachfolgeregelung verschaffen wollte, den Ptolemaios ihm nicht zugestehen wollte. Allerdings ist auch nicht ausgemacht, dass Josephos die Ereignisse richtig wiedergibt. Denn Ptolemaios’ Sohn und Nachfolger Lysanias prägte auf einige seiner Münzen ein Monogramm, das in der Forschung zu „Philippion“ 48

Jos. Ant.Jud. 14, 3, 2. Jos. Bell.Jud. 1, 9, 2; Ant.Jud. 14, 7, 4. Diese Episode überliefert auch Ps.Heges. 1, 23 mit deutlichen Worten gegen Ptolemaios: „The death of both having been learned Ptolomaeus, who had taken the brothers of Aristobolus and the wife Alexandra, sent his son Philippion to the city Ascalona, to fetch those mentioned. He arriving took Antigonus and his sisters that he should escort them to his father; by the practice and custom of love a little spark pardonable certainly crept into the youth, if monarchs know to forgive, and he received the second of the sisters to himself in the bonds of marriage. His father Ptolomaeus did not tolerate this and the excellent censor of morals having killed his son united his own daughter-in-law to himself, who condemned the unasked joining to his son, so that he might defile his own self with parricide and incest.“ Übersetzung von Wade. Diese Darstellung des Ptolemaios als unmoralischer Familienvorstand gehört zu den klassischen Tyrannen-Topoi, wie sie auch in den negativen Berichten über Herodes genutzt wurden, vgl. van Henten 2011, S. 194 ff. 50 Aliquot 1999–2003, S. 259. 49

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

aufgelöst wird.51 Die Familienverhältnisse können also auch ganz anders gewesen sein. Sehr wahrscheinlich ist, dass Josephos hier in seine Darstellung klassische Tyrannen-Topoi einfließen ließ, zu denen eben auch schlechtes Verhalten gegenüber den eigenen Kindern und gegenüber Frauen gehörte.52 Die Episode macht aber zum einen eine bei dem Feldzug nach Damaskos getroffene Einigung zwischen Aristoboulos und Ptolemaios sehr wahrscheinlich, zum anderen zeigt sie die starke Position des Ptolemaios in der Region – und seine Ambitionen. Denn die Unterstützung der Familie des von Rom offenbar als Gegner betrachteten Aristoboulos war sicher nicht ohne Risiko. Welche Auswirkungen der Feldzug des Crassus gegen die Parther, seine katastrophale Niederlage und die folgenden Kampfhandlungen in Syrien für die Ituraier hatten, bleibt unklar. Im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius bzw. seinen Anhängern hören wir dann wieder in den Quellen von den Ituraiern, die zu dieser Zeit weiterhin ein selbstständiges politisches Gemeinwesen bildeten. So erhielt Caesar im Verlauf des Alexandrinischen Krieges Hilfe auch von Truppen vom Libanon: παρώρμησεν δὲ καὶ τοὺς ἐν Συρίᾳ δυνατοὺς ἐπὶ τὴν βοήθειαν τόν τ᾿ ἔποικον τοῦ Λιβάνου Πτολεμαῖον καὶ Ἰάμβλιχον, δι᾿ οὓς αἱ ταύτῃ πόλεις ἑτοίμως συνεφήψαντο τοῦ πολέμου.

„Außerdem veranlasste er [Antipater] zur Unterstützung des Kriegszuges die syrischen Großen wie die am Libanon wohnenden Ptolemaios und Iamblichos, durch deren Einfluss dann auch die anderen Städte dieser Gegend breitwillig ihren Beitrag zusagten.“53

Kasher sieht in diesem Iamblichos ein Mitglied der (für ihn ituraischen) Dynastie von Emesa, nördlich der Beka-Ebene, die sich dem Führungsanspruch des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, über alle Ituraier widersetzt habe.54 Aliquot versteht Ptolemaios als einen weiteren ituraischen Dynasten um Arka, der dort eine eigene Herrschaft etablierte und sich auf die Seite Caesars schlug, während Ptolemaios, Sohn des Mennaios, Pompeius treu geblieben wäre. Den in der Textstelle genannten Ptolemaios versteht er als Ptolemaios, Sohn des Soamios, denn dieser Zusatz findet sich im parallelen Bericht über die Ereignisse in den Jüdischen Altertümern.55 Leider ist der Text der Jüdischen Altertümer an dieser Stelle korrupt und die unterschiedlichen Editionen geben ihn uneinheitlich wieder. Überwiegend wird der Edition von Niese gefolgt: 51

Kindler 1993, S. 284; Herman 2006, S. 54. Vgl. die Überlegungen zur Darstellung des Herodes bei van Henten 2011. 53 Jos. Bell.Jud. 1, 9, 3. Übersetzung nach Clementz. Dieser Text in Niese 1895 und Thackeray et al. 2014 sowie in der Übersetzung bei Michel / Bauernfeind 1959–1969. 54 Kasher 1988, S. 120–121, mit F. 222. 55 Aliquot 1999–2000, S. 239; so auch Wright 2013, S. 57. 52

Die Herrschaften der Ituraier

Μιθριδάτῃ γὰρ τῷ Περγαμηνῷ κομίζοντι ἐπικουρικὸν καὶ ἀδυνάτως ἔχοντι διὰ Πηλουσίου ποιήσασθαι τὴν πορείαν, περὶ δὲ Ἀσκάλωνα διατρίβοντι, ἧκεν Ἀντίπατρος ἄγων Ἰουδαίων ὁπλίτας τρισχιλίους, ἐξ Ἀραβίας τε συμμάχους ἐλθεῖν ἐπραγματεύσατο τοὺς ἐν τέλει· καὶ δι᾿ αὐτὸν οἱ κατὰ τὴν Συρίαν ἅπαντες ἐπεκούρουν, ἀπολείπεσθαι τῆς ὑπὲρ Καίσαρος προθυμίας οὐ θέλοντες, Ἰάμβλιχός τε ὁ δυνάστης καὶ Πτολεμαῖος ὁ Σοαίμου Λίβανον ὄρος οἰκῶν αἵ τε πόλεις σχεδὸν ἅπασαι

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„Als nämlich der Pergamene Mithradates Caesar Hilfstruppen zuführen wollte und, weil er den Weg über Pelusion nicht erzwingen konnte, bei Askalon Halt machen musste, stieß Antipater mit dreitausend judaischen Fußsoldaten zu ihm und bewirkte, dass nicht nur die Araberfürsten, sondern auch alle Syrer, die sich in der Diensteifrigkeit gegen Caesar von niemandem übertreffen lassen wollten, ferner der Alleinherrscher Iamblichos und Ptolemaios, der Sohn des Soaimos, die auf dem Libanon wohnten, und fast alle Städte dem Caesar Entgegenkommen bewiesen.“56

Dagegen entschied man sich in der französischen Neuedition für eine andere Textvariante: καὶ δι᾿ αὐτὸν οἱ κατὰ τὴν Συρίαν ἅπαντες ἐπεκούρουν, ἀπολείπεσθαι τῆς ὑπὲρ Καίσαρος προθυμίας οὐ θέλοντες, Ἰάμβλιχός τε ὁ δυνάστης καὶ Πτολεμαῖος ὁ υἱὸς αὐτοῦ Λίβανον ὄρος οἰκῶν αἵ τε πόλεις σχεδὸν ἅπασαι.

„Ce fut aussi grâce à lui que de partout en Syrie arrivèrent des renforts, car tous rivalisaient de zèle pour César ; parmi eux figuraient le dynaste Jamblique, son fils Ptolemée, qui vivait dans le monts du Liban, et presque toutes les villes étaient représentées.“57

Wieder anders übersetzen Whiston und Auburn ihre Textedition: „and on his account it was that all the Syrians assisted him also, as not willing to appear behindhand in their alacrity for Cesar, viz. Jamblicus the ruler, and Ptolemy his son, and Tholomy the son of Sohemus, who dwelt at Mount Libanus, and almost all the cities.“58 Pseudo-Hegesippus berichtet hier ebenfalls von Ptolemaios, der auf dem Libanon wohne, sowie Iamblichos und einem zweiten Ptolemaios.59 Es ist daher schwierig, die Details zu rekonstruieren, aber das grundsätzliche Bild wird durchaus klar: auf Initiative des Mithradates von Pergamon zogen 56

Jos. Ant.Jud. 14, 8, 1. Übersetzung nach Clementz. Text in Niese 1892 und Thackeray et al. 1930–1965. 57 Jos. Ant.Jud. 14, 8, 1, nach Villeneuve / Nodet / Dan / Parmentier. Vgl. Villeneuve / Nodet / Dan / Parmentier 2021, S. XVI–XXV zu deren neuer Rekonstruktion des Textes durch eine Neubewertung der Manuskripte. 58 Jos. Ant.Jud. 14, 8,1 in der Übersetzung von Whiston / Auburn 1895. 59 Ps.-Heges. 1, 14 in der Übersetzung von Blocker.

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

frische Truppen zu Caesar nach Ägypten und Mithradates schafft es, Antipater zur Unterstützung dieses Unterfangens zu gewinnen. Antipater gelang es seinerseits, unter den Dynasten auf dem Libanon mächtige Verbündete zu gewinnen, mit deren Hilfe dann auch andere Städte und Gemeinschaften in Syrien zur Absendung von Truppen gewonnen werden konnten. Wenn sich die Ortsangabe zum Libanon nicht auf beide genannten Personen, also Iamblichos und Ptolemaios, bezieht, dann fällt es leicht, hier die beiden Dynasten der Emesener und Ituraier zu sehen, die beide offenkundig als einflussreiche und mächtige Persönlichkeiten im Syrien der Zeit galten. Damit wären alle anderen Textvarianten, die mehr als diese beiden Personen nennen, abzulehnen. So hat etwa Schalit vorgeschlagen, die Manuskriptvarianten, die Ptolemaios, Sohn des Soaimos, nennen, zu Ptolemaios, Sohn des Mennaios, zu emendieren.60 Das wäre natürlich eine elegante Lösung, aber es gibt wichtige Gegenargumente. Zuallererst ist dies die Erwähnung eines Dynasten Soaimos auf dem Libanon in der Lebensbeschreibung des Josephos.61 Es gibt weitere Indizien, die im folgenden Kapitel zur Dynastie von Akra zusammengetragen werden sollen. Die wahrscheinlichste Rekonstruktion des Textes verweist daher auf Iamblichos und Ptolemaios, Sohn des Soaimos. Ob auch Ptolemiaos, Sohn des Mennaios, Caesar mit Truppen unterstützte, muss unklar bleiben. Vermutlich entstammen aus der in dieser Zeit eingegangenen Kooperation mit Caesar auch die ituraische Truppen, die dieser bei seiner Landung in Nordafrika begleiteten.62 Später rekrutierte auch Herodes 38 v. Chr. am Libanon Söldner.63 Zu diesem Ereignis heißt es bei Josephos: ἐπειχθεὶς οὖν κατὰ τὴν πορείαν ὡς κατὰ Λίβανον τὸ ὄρος γίνεται, ὀκτακοσίους μὲν τῶν αὐτόθι προσλαμβάνει, ἔχων δὲ καὶ Ῥωμαϊκὸν ἓν τάγμα εἰς Πτολεμαΐδα παραγίνεται, κἀκεῖθεν νυκτὸς ἀναστὰς μετὰ τοῦ στρατοῦ προῄει διὰ τῆς Γαλιλαίας.

„[Herodes bricht von Daphne auf ] Er beschleunigte daher seinen Marsch, zog, sobald er an den Libanon gekommen war, gegen achthundert Bewohner dieser Gegend an sich und begab sich mit diesen und der römischen Legion, die er bei sich hatte, nach Ptolemaïs, von wo er zur Nachtzeit mit seinem Heer wieder aufbrach und Galilaia durchzog.“64

Vermutlich zog Herodes entlang der Küste und nicht durch die Beka. Er wäre dann bei Arka auf den Libanon getroffen und rekrutierte dort vermutlich auch seine Söldner. Hier könnte es sich wieder um die lokale Dynastie in Arka handeln, 60

Schalit 1968, S. 99. Jos. Vita 52. 62 Bell.Afr. 20. 63 Kasher 1988, S. 120–121, mit F. 222. 64 Jos. Ant.Jud. 14, 15, 11. Übersetzung nach Clementz. 61

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die eine eigene Bündnispolitik betrieb, worauf noch zurückzukommen ist. Es wird klar, dass die Ituraier und ihre Anführer ihre autonome Stellung und ihre Einflussmöglichkeiten auch schlagkräftigen Truppen verdanken. Dass auf Anhieb 800 solcher vermutlich erfahrener Soldaten für Herodes zur Verfügung standen, könnte auf eine größere Truppe schließen lassen. Ptolemaios, Sohn des Mennaios, scheint nach der Ermordung Caesars als loyaler Klientelherrscher auf Seiten der Römer agiert zu haben. Vielleicht aufgrund dieser Loyalität stellte Ptolemaios dem Antonius ituraische Bogenschützen als Leibwache zur Verfügung. Möglich wäre aber auch, dass Antonius diese ituraischen Bogenschützen von Caesar ‚geerbt‘ hatte. Ihr Auftreten 44 v. Chr. in Rom veranlassten Cicero zu gleich zwei empörten Bemerkungen über diese homines omnium gentium maxime barbaros, Ituraeos, die im Auftrag des Antonius Senat und Forum sicherten, was von Cicero jedoch als Angriff auf die Freiheit der gerade wiederhergestellten Republik aufgefasst wurde.65 Da es sich hier um eine politische Kampfrede handelt, kann dies nur belegen, dass diese Bogenschützen von Antonius offenkundig für kompetent und vertrauenswürdig gehalten wurden. Auch im weiteren Verlauf des römischen Bürgerkrieges spielten die Ituraier eine Rolle. Cassius hatte eine Reihe von lokalen Herrschaftsträgern bestätigt66 und dazu gehörten offenbar auch die Ituraier. Denn sie konnten sich in der Folge in die Konflikte ihrer Nachbarn zum eigenen Interesse einmischen. 42 v. Chr. unterstützte Ptolemaios, Sohn des Mennaios, den Hasmonaier Mattathias Antigonos, Bruder seiner Ehefrau Alexandra, gegen Antipater und Johannes Hyrkanos, und erhielt dabei Hilfe vom Tyrannen von Tyros. So berichtet Josephos: Ἀντίγονον δὲ τὸν Ἀριστοβούλου, στρατιὰν ἀθροίσαντα καὶ Φάβιον τεθεραπευκότα χρήμασι, κατῆγε Πτολεμαῖος ὁ Μενναίου διὰ τὸ κήδευμα. συνεμάχει δ᾿ αὐτῷ καὶ Μαρίων, ὃν Τυρίων καταλελοίπει Κάσσιος τύραννον. τυραννίσι γὰρ διαλαβὼν τὴν Συρίαν οὗτος ὁ ἀνὴρ ἐφρούρησεν. ὁ δὲ Μαρίων καὶ εἰς τὴν Γαλιλαίαν ὅμορον οὖσαν ἐνέβαλε, καὶ τρία καταλαβὼν ἐρύματα διὰ φρουρᾶς εἶχεν.

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„Mittlerweise zog Ptolemaios Mennaiou mit Aristoboulos’ Sohn Antigonos, der ein Heer zusammengebracht und den Fabius [den römischen Statthalter in Damaskos] durch Geld sich willfährig gemacht hatte, aus verwandtschaftli­ cher Rücksicht auf Judaia los. Dabei leistete ihnen Marion, den Cassius als Alleinherrscher in Tyros zurückgelassen hatte, breitwillig Hilfe. Cassius hatte nämlich das eroberte Syrien der Obhut einzelner Machthaber anvertraut. Marion fiel nun in das ihm zunächst liegende Galilaia ein.“67

Cic. Phil. 2, 113, auch 2, 19. Sichtbar etwa an den aus diesen Gemeinschaften gestellten Truppenkontingenten in der Entscheidungsschlacht bei Philippi: App. Civ. 4, 88. Vgl. Sartre 2001, S. 464. 67 Jos. Ant.Jud. 14, 12, 1. Übersetzung nach Clementz. 66

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Diese Aktivitäten werfen vor allem ein Schlaglicht auf die Außenbewertung der Machtverhältnisse in Judaia, bei denen einerseits Hyrkanos offenbar als schwach galt, andererseits ein Sieg des Herodes über seine Gegner für die Nachbarn alles andere als ausgemacht schien. Entsprechend bereit waren offenbar die Nachbarn, auf Kosten der Judaier die eigenen Territorien zu erweitern – insbesondere, da die römische Ordnungsmacht gerade durch die Bürgerkriege abgelenkt war. Die auf den Sieg über die Caesar-Mörder folgende gemeinsame Herrschaft von Octavian und Antonius war im Osten unter Antonius offenbar durch ähnliche Instrumente geprägt, wie sie schon Pompeius und Cassius eingesetzt hatten. In der gerade zitierten Josephos-Stelle wurde ja betont, Cassius habe in Syrien vor allem auf lokale Machthaber gesetzt. Desweiteren berichtet Appian, Antonius habe dort lokale Könige eingesetzt, deren Stellung an die Zahlung von Tributen geknüpft war.68 In einer Liste von Gemeinschaften, die Antonius zu hohen Tributen verpflichtete, erscheint dann auch Ituraia neben Phrygien, Mysien, Galatien, Kappadokien, Kilikien, Koilé-Syrien und Palaistina.69 Offenbar hatten die Bürgerkriege dazu geführt, dass sich insbesondere in den Städten Einzelpersonen als lokale Herrscher etabliert hatten. Diese vertrieb Antonius, aber einige flüchteten daraufhin zu den Arsakiden, mit denen sie wohl schon nach der Niederlage des Crassus zusammengearbeitet hatten.70 Die römischen Bürgerkriege scheinen dabei ähnliche Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften wie die Endphase der Seleukidenherrschaft gehabt zu haben – das Entstehen der städtischen Tyrannen muss dabei im Kontext der als schwierig empfundenen Sicherheitslage und des Bedürfnisses nach Anführern verstanden werden, die den verschiedenen Konfliktparteien als starke Verhandler gegenüber treten konnten. Dabei spielten die Arsakiden seit den Bürgerkriegen eine wachsende diplomatische Rolle in Syrien, die aus römischer Sicht als eine Gefährdung der eigenen Territorien wahrgenommen werden konnte.71 Etwaige Sorgen waren berechtigt, denn ab 40 v. Chr. unternahm der Arsakide Pakoros eine groß angelegte Invasion Syriens. Vielleicht kurz nach Beginn dieser Invasion starb Ptolemaios, Sohn des Mennaios, und die Herrschaft über die ituraischen Territorien ging an seinen Sohn Lysanias über. Möglicherweise hatte Ptolemaios eine Zusammenarbeit mit den Arsakiden abgelehnt, denn deren Invasion nach Süden verlief nach dem Zeugnis des Cassius Dio wohl zunächst nicht durch die von den Seleukiden bevorzugte Beka-Ebene, sondern entlang der Küste. Zuvor hatten die parthischen Truppen mithilfe des römischen Überläufers Labienus Apameia und die in seinem Umland stationierten Truppen auf ihre Seite ziehen können.72 Auf dem Weiterzug nach 68

App. Civ. 5, 8, 75. App. Civ. 5, 1, 7. 70 App. Civ. 5, 1, 10. 71 Vgl. z. B. Plut. Cic. 36; Cic. Fam. 15, 1.  72 Cass.Dio 48, 25–26, 2. 69

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Süden entlang der Küste ließ Tyros Pakoros nicht ein, aber sein Heer zog über Ake-Ptolemaïs und Sidon nach Judaia.73 Ptolemaios’ Sohn und Nachfolger Lysanias kooperierte dann jedoch mit den Parthern: Δευτέρῳ δ᾿ ἔτει Συρίαν κατέσχον Πάκορός τε ὁ βασιλέως παῖς καὶ Βαρζαφράνης σατράπης ὢν Πάρθων. τελευτᾷ δὲ καὶ Πτολεμαῖος ὁ Μενναίου, καὶ τὴν αρχὴν ὁ παῖς αὐτοῦ Λυσανίας παραλαβὼν διαπράττεται φιλίαν πρὸς Ἀντίγονον τὸν Ἀριστοβούλου, πρὸς τοῦτο χρήσιμον τὸν σατράπην παραλαβών, μέγα παρ᾿ αὐτῷ δυνάμενον. Ἀντίγονος δὲ ὑπισχνεῖτο χίλια τάλαντα καὶ πεντακοσίας γυναῖκας δώσειν Πάρθοις, εἰ τὴν ἀρχὴν Ὑρκανὸν ἀφελόμενοι παραδώσουσιν αὐτῷ, καὶ τοὺς περὶ τὸν Ἡρώδην ἀνέλοιεν.

„Im folgenden Jahr fiel Pakoros, der Sohn des Partherkönigs, und der parthische Satrap Barzapharnes in Syrien ein. Um diese Zeit nämlich starb Ptolemaios Mennaiou, und sein Sohn Lysanias, der die Herrschaft erbte, schloss sogleich Freundschaft mit Antigonos, dem Sohne des Aristoboulos, wobei er sich der Hilfe eines Satrapen bediente, der bei Antigonos großen Einfluss besaß. Antigonos versprach nun den Parthern tausend Talente und fünfhundert Frauen, wenn sie ihn anstelle des Hyrkanos auf den Thron setzten und den Herodes samt dessen Angehörigen umbringen wollten.“74

Diese Ereignisse schildet Josephos im Jüdischen Krieg allerdings etwas anders. Hier ist Lysanias derjenige, der den Satrapen mit dem Versprechen von 1000 Talenten und 500 Frauen dazu bringt, gegen Hyrkanos vorzugehen und Antigonos zum König von Judaia zu machen. Wenige Zeilen später war es dann aber auch in diesem Werk Antigonos, der die Belohnung versprach.75 Es kann angenommen werden, dass beide, Antigonos und Lysanias, in die Verhandlungen mit den Parthern involviert waren.76 Lysanias und Antigonos werden sich allerdings nicht erst nach dem Tod des Ptolemaios getroffen haben, denn der hatte wie berichtet Antigonos und seine Schwestern ja nach dem Tod ihres Vaters aufgenommen. Aber Lysanias’ neue Position als Tetrarch von Chalkis ließ ihn auf Augenhöhe mit anderen lokalen Machthabern agieren und machte ihn auch zum attraktiven Partner für die Arsakiden. Im Gegenzug könnte er von ihnen eine Anerkennung als basileus erhalten haben. Darauf wird noch einzugehen sein. Offenbar konnte Lysanias nach dem Abzug der Parther zunächst wieder eine Anerkennung seiner Position durch Rom erreichen, möglicherweise auch als

73

Marshak 2015, S. 98. Jos. Ant.Jud. 14, 13, 3. Übersetzung nach Clementz. 75 Jos. Bell.Jud. 1, 13, 1 und 1, 13, 4. 76 Myers 2010, S. 163. 74

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

König.77 Vielleicht erging es ihm dabei wie anderen Klientelherrschern, von denen der siegreiche Feldherr Ventidius wegen ihrer Unterstützung des Pakoros große Geldbeträge einforderte, sie aber an der Macht beließ.78 Erst nach der desaströsen Kampagne des Antonius gegen die Parther 36 v. Chr. wurde Lysanias wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem Feind hingerichtet. Cassius Dio schreibt: οὐ μὴν ἀλλ᾿ ἐπὶ μὲν τούτοις ἧττόν πως ὁ Ἀντώνιος (ἐν γὰρ τοῖς ἀλλοτρίοις ἐμεγαλοφρονεῖτο) κακῶς παρὰ τοῖς πολίταις ἤκουεν·ἐπὶ δὲ δὴ τῇ Κλεοπάτρᾳ μεγάλως διεβλήθη, ὅτι τε παῖδας ἐξ αὐτῆς, πρεσβυτέρους μὲν Ἀλέξανδρον καὶ Κλεοπάτραν (καὶ δίδυμοι γὰρ ἐτέχθησαν) νεώτερον δὲ Πτολεμαῖον 5τὸν καὶ Φιλάδελφον ἐπικληθέντα, ἀνείλετο, καὶ ὅτι πολλὰ μὲν τῆς Ἀραβίας τῆς τε Μάλχου καὶ τῆς τῶν Ἰτυραίων (τὸν γὰρ Λυσανίαν, ὃν αὐτὸς βασιλέα σφῶν ἐπεποιήκει, ἀπέκτεινεν ὡς τὰ τοῦ Πακόρου πράξαντα), πολλὰ δὲ καὶ τῆς Φοινίκης τῆς τε Παλαιστίνης, Κρήτης τέ τινα καὶ Κυρήνην τήν τε Κύπρον αὐτοῖς ἐχαρίσατο.

„Antonius wurde indessen für dieses Vorgehen  – dabei denke ich an sein selbstherrliches Verfügen über fremden Besitz  – von den Bürgern nicht eben hart verurteilt; entschiedenen Tadel hingegen erfuhr er Kleopatras wegen, weil er einige von ihren Kindern – die älteren, Alexander und Kleopatra (ein Zwillingspaar), und ein jüngeres, Ptolemaios mit dem Beinamen Philadelphos  – als eigene anerkannt und sie mit großen Teilen Arabiens beschenkt hatte, sowohl im Gebiete des Malchos wie auch der Ituraier – den Lysanias, den er selbst als König über sie eingesetzt hatte, ließ er nämlich wegen angeblicher Unterstützung des Pakoros hinrichten; dazu vergab er an sie noch viele Teile von Phoinikien und Palaistina, einige Landstriche auf Kreta und schließlich Kyrene und Zypern.“79

Auch Josephos berichtet, Antonius habe der Kleopatra die Städte zwischen dem Fluss Eleutheros und Ägypten gegeben, mit Ausnahme von Tyros und Sidon. Das Gebiet südlich des Eleutheros gehörte zur Tetrarchie der Ituraier, deren Tetrarch Lysanias nach Josephus aufgrund der Habgier der Kleopatra VII. auf das ressourcenreichen Syrien unter dem Vorwand der Kooperation mit den Parthern hingerichtet worden sei.80 Kurz zuvor lässt Josephos Herodes in einem Brief be-

77

Hartmann 2015, S. 341 F 105. Cass.Dio. 48, 41, 5. 79 Cass.Dio 49, 32, 4–5. Übersetzung von Veh. 80 Jos. Ant.Jud. 15, 4, 1. 78

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richten, Antonius habe Kleopatra Koilé-Syrien geschenkt.81 Der Herrschaftsbereich des Lysanias wurde also nach seinem Tod der Kleopatra übertragen. Deren von Josephos unterstelltes Bestreben, Teile der ehemaligen ptolemaischen Besitzungen in Syrien und Kleinasien zurückzuerhalten, mag dabei eine Rolle gespielt haben.82 Angesicht der durch Appian belegten massiven diplomatischen und militärischen Einmischung der Arsakiden in Syrien kann es allerdings nicht überraschen, dass Antonius nach seiner desaströsen Niederlage befürchten musste, dass schon vorher nicht uneingeschränkt loyale Klientelherrscher von ihm abfallen würden. Lysanias hatte sich in dieser Hinsicht bereits einmal illoyal gezeigt, auf Kleopatra dagegen konnte Antonius sich verlassen. Sie benötigte er auch, um die nötigen Ressourcen für weitere militärische Aktivitäten aufzubringen. Denn seine eigenen Ressourcen waren offenbar fast aufgebraucht, wie auch die hohen Abgaben zeigen, die er nun von allen Verbündeten einforderte.83 Auch Herodes und Malichos, der König der Nabataier, mussten Teile ihrer Territorien an Kleopatra abtreten, pachteten die ihnen genommenen Teile jedoch zurück.84 Im ituraischen Gebiet scheint Kleopatra aber direkte Kontrolle ausgeübt zu haben.85 Die an Kleopatra ausgegebenen Gebiete gelangten 30 v. Chr. im Kontext der Neuordnung der syrischen Verhältnisse nach Actium an Zenodoros, der vielleicht ein Mitglied der Familie von Ptolemaios und Lysanias war.86 Kasher glaubt nicht, dass dieser Zenodoros ein Sohn des Lysanias war, eine familiäre Verbindung scheint ihm aber möglich.87 Dagegen verstehen Knauf und de Saulcy Zenodoros als Sohn des Lysanias.88 Diese Diskussion fußt im Wesentlichen auf der Kontinuität der Münzmotive sowie einer schon genannten Inschrift aus Baalbek, deren fragmentarischer Zustand und die Tatsache, dass der Stein heute verloren ist, eine sichere Deutung schwierig macht. In dieser Inschrift ist von einem Zenodoros, Sohn eines Tetrarchen Lysanias, die Rede. Dabei handelt es sich zwar nach Seyrig nicht um Lysanias, Erbe des Ptolemaios, sondern um Lysanias, Tetrarch der Abilene, der einen Sohn Zenodoros hatte, welcher nach Ausweis der Inschrift nicht Tetrarch war.89 Die Inschrift könnte aber belegen, dass die Namen Lysanias und Zenodoros eine Art Familiennamen in der Nachkommenschaft des Ptolemaios, Sohn des 81

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Jos. Ant.Jud. 15, 3, 8. Aliquot 1999–2003, S. 261. Cass.Dio 49, 31, 4. Jos. Ant.Jud. 15, 3, 8. Vgl. Myers 2010, S. 165. Vielleicht stationierte Antonius im Kontext der Schenkung des Gebietes an Kleopatra auch eine römische Legion im Libanon und damit in unmittelbarer Nähe oder sogar im Territorium der Ituraier, die Beleglage ist aber dünn: Wienholz 2011, S. 109 f.. Vgl. Schmitt 1982, S. 112; für eine Familienzugehörigkeit auch Gatier 2002, S. 122. Kasher 1988, S. 157. Zweifel auch bei Myers 2010, S. 166. Saulcy 1869, S. 14; Knauf 1998, S. 274. Seyrig 1970, S. 251–254; Schwentzel 2009, S. 65.

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Mennaios, darstellten. Aliquot betont außerdem, dass nur eine Zugehörigkeit zur Familie der Tetrarchen von Chalkis Zenodoros in den Augen des Augustus zu einem geeigneten Herrschaftskandidaten gemacht hätte.90 Andererseits zeigt das Beispiel des Herodes, dass die Römer durchaus auch Personen ohne direkten Bezug zur lokalen Herrscherdynastie als Könige etc. installierten bzw. wie bei den Nachkommen des Herodes Mitglieder einer Dynastie zu Herrschern in für diese fremden Regionen machten, wenn man dort einen loyalen Verbündeten benötigte.91 Trotzdem erscheint es aber sehr wahrscheinlich, dass Zenodoros mindestens Mitglied der lokalen Elite des ituraischen Herrschaftsraumes war, in dem sich der Name Zenodoros einiger Beliebtheit erfreute.92 Möglicherweise stand er auch in einem Verwandtschaftsverhältnis zu Lysanias, sein Sohn war er aber vielleicht nicht, da ihn keine der wenigen Quellen als solchen bezeichnet. Da die Quellen Lysanias als Sohn des Ptolemaios bezeichnen, muss das entsprechende Schweigen zu Zenodoros als starkes Indiz gegen eine direkte Abstammung gewertet werden, da ja in der politisch komplizierten Lage nach Actium sicher jede mögliche Legitimationsgrundlage für Zenodoros hilfreich gewesen wäre. Ebenso unklar wie die Beziehung des Zenodoros zu seinem Vorgänger Lysanias ist auch der genaue Umfang der ihm überlassenen Territorien93 sowie der Rechtstitel, unter dem er diese Gebiete erhielt.94 Die Wahl der Büste Octavians auf seinen Münzen macht jedoch deutlich, dass er diese Stellung einer direkten Intervention Octavians verdankte.95 Auf diesen Münzen bezeichnet sich Zenodoros auch als Tetrarch und Hohepriester, worauf noch einzugehen sein wird, und trägt damit den gleichen Titel, den schon Ptolemaios und Lysanias verwendeten. Einen solchen Titel hätte er sicher nicht auf wiederholten Münzemissionen verwenden können, wenn Octavian / Augustus ihm diesen nicht zugestanden hätte. Trotzdem berichtet Josephos an zwei Stellen, Zenodoros habe das Gebiet der Trachonitis bzw. das sog. Haus des Lysanias „gepachtet“.96 Beide Stellen stehen im Zusammenhang mit dem Übergang der Kontrolle über diese Gebiete an Herodes, könnten also eine ‚Unrechtmäßigkeit‘ des Zenodoros postulieren, um die Herrschaftsübernahme durch Herodes zu rechtfertigen. An einer dritten Stelle spricht Josephos dann über die eparchia des Zenodoros.97 Letzteres würde eine reguläre Herrschaft als 90 91 92 93

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Aliquot 1999–2003, S. 261–264; vgl. Herman 2002, S. 91. Zur Königserhebung des Herodes Schäfer 2010, S. 105; Marshak 2015, S. 101–102; zu seinen Söhnen vgl. Sartre 2001, S. 536 ff. Batanaia und östlicher Golan: IGLS XIV 19, 83, 91, 365, 513; Bosra und Nuqrah: IGLS XIII 9657, 9753, 9768 (?); Trachonitis: IGLS XV 203, 208. Kasher 1988, S. 151; Schmitt 1982, S. 112. Vgl. Günther 2005, S. 129. Myers 2010, S. 167. Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1: ἐμεμίσθωτο τὸν οἶκον τὸν Λυσανίου; Bell.Jud. 1, 20, 4: τὸν Λυσανίου μεμισθωμένος οἶκον. Vgl. dazu den Kommentar bei van Henten 2014, S. 253. Jos. Ant.Jud. 15, 10, 2.

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Tetrarch bezeugen. Interessant ist der Hinweis von Aliquot, dass Josephos für die Herrschaftsübergabe an Herodes, Agrippa I. und auch Lysanias von Abila die Bezeichnung dóron verwendet.98 Vielleicht ist deshalb die Wortwahl des Josephos bei Zenodoros so zu verstehen, dass dieser einen Teil seiner Territorien als reguläre eparchia als Tetrarch hielt und dazu noch weitere Gebiete als Pächter verwaltete, wie dies unter Antonius Herodes und Malichos mit einem Teil ihrer Territorien machen mussten.99 Anders deuten Schürer und in seiner Folge Wright die Quellen so, dass Zenodoros nach dem Tod des Lysanias zunächst dessen Tetrarchie, die ja an Kleopatra VII. gegeben wurde, pachtete und erst nach Actium als Tetrarch über das Gebiet eingesetzt wurde. Wright hält Zenodoros auch für den Sohn des Lysanias.100 Es ist eine attraktive Überlegung, Zenodoros zunächst als Pächter der Gebiete zu sehen, was auch die Formulierungen bei Josephos erklären würde. Den Tetrarchen-Titel wird er aber mit hoher Wahrscheinlichkeit erst nach Actium und nach der Etablierung als ‚unabhängiger‘ Klientelherrscher annehmen haben dürfen. Insofern wäre die spätere Benennung als eparchia bei Josephos dann ebenfalls korrekt. Es ist auch nicht ganz klar, über welche Gebiete Zenodoros als Tetrarch eingesetzt war. Er hatte vielleicht das gesamte ehemalige Herrschaftsgebiet des Lysanias als Tetrarchie erhalten. Das schließt Kropp aus Josephos, der u. a. zu suggerieren scheint, dass nur Teile des Besitzes des Zenodoros 24/23 v. Chr. an Herodes gegeben wurden.101 Denn in diesem Jahr gab Octavian einen wesentlichen Teil der Gebiete in Südsyrien / Nordtransjordanien an Herodes: καὶ χώραν ἔτι τόν τε Τράχωνα καὶ Βαταναίαν καὶ Αὐρανῖτιν ἔδωκε, διὰ τοιαύτην αἰτίαν παραλαβών· Ζηνόδωρός τις ἐμεμίσθωτο τὸν οἶκον τοῦ Λυσανίου. τούτῳ τὰ μὲν κατὰ τὰς προσόδους οὐκ ἤρκει, τὰ λῃστήρια δὲ ἔχων ἐν τῷ Τράχωνι πλείω τὴν πρόσοδον ἔφερεν· οἰκοῦσι γὰρ ἄνδρες ἐξ ἀπονοίας ζῶντες τοὺς τόπους, οἳ τὰ Δαμασκηνῶν ἐλῄζοντο, καὶ Ζηνόδωρος οὔτ᾿ εἶργεν αὐτός τε τῶν ὠφελειῶν ἐκοινώνει. κακῶς δὲ πάσχοντες οἱ πλησιόχωροι 98

„[Augustus schenkte Herodes] an Ländergebieten Trachonitis, Bataneia und Auranitis, und zwar aus folgender Veranlassung: ein gewisser Zenodoros, der die Güter des Lysanias gepachtet hatte, war mit deren reichen Einkünften nicht zufrieden, sondern suchte dieselben durch Raubzüge, welche er nach Trachon unternahm, zu vermehren. Diese Gegend nämlich wurde von verkommenen Menschen

Jos. Ant.Jud. 18, 6, 10; Aliquot 1999–2003, S. 262. Eck 2016, S. 20. Jos. Bell.Jud. 1, 18, 5 und Ant.Jud. 15, 4, 2. 100 Schürer 1890, S. 599; Wright 2013, S. 66–67. So auch bei Coşkun 2015, S. 183. 101 Jos. Ant.Jud. 17, 11, 4 und Bell.Jud. 2, 6, 3; Kropp 2013, S. 28. Jones glaubt, dass im Zuge dieser Neuordnung auch die Erweiterungen der Stadtterritorien von Tyros, Damaskos und Sidon auf Kosten des ituraischen Territoriums erfolgten, die diese drei Städte dann im Süden des ehemaligen ituraischen Gebietes zu Nachbarn machten: Jones 1931, S. 266. 99

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Οὐάρρωνος κατεβόων τοῦ τότε ἡγεμονεύοντος, καὶ γράφειν ἠξίουν Καίσαρι τοῦ Ζηνοδώρου τὴν ἀδικίαν. Καῖσαρ δὲ ἀνενεχθέντων τούτων ἀντέγραφεν ἐξελεῖν τὰ λῃστήρια τήν τε χώραν Ἡρώδῃ προσνέμειν, ὡς διὰ τῆς ἐπιμελείας τῆς ἐκείνου μηκέτ᾿ ὀχληρῶν τῶν περὶ τὸν Τράχωνα γενησομένων τοῖς πλησίον·

bewohnt, die das Gebiet der Damaszener plünderten, und anstatt ihren Räubereien Einhalt zu tun, beteiligte sich Zenodoros sogar noch an ihrer Beute. Die Nachbarn aber, die hierdurch hart bedrängt wurden, wandten sich mit lauten Klagen an den damaligen Statthalter Varro und baten ihn, dem Caesar von den Ungerechtigkeiten des Zenodoros Meldung zu machen. Der Caesar hatte die Klagen kaum vernommen, als er sogleich den Befehl erteilt, die Räuber aus der Gegend zu vertreiben und dieselbe dem Herodes zu übergeben, dessen Umsicht und Tatkraft es gewiss verhüten würde, dass die Trachoniter ihren Nachbarn künftig lästigfielen.“102

Damit verlor Zenodoros die drei Hauran-Regionen, nachdem sich die „Nachbarn“, also vermutlich insbesondere das ja schon seit Jahrzehnten mit den Ituraiern in Rivalität stehende Damaskos, über seine angebliche Kooperation mit Räubern beschwerten. Der syrische Statthalter Varro zog gegen diese Räuber und nahm Zenodoros auf Geheiß des Augustus das Gebiet ab. Da Varro 24 und 23 v. Chr. Statthalter war, muss das wohl in diesen Jahren geschehen sein. Herodes führte selbst in der Region einen Feldzug gegen die Nabataier, den Günther in den Herbst 23 v. Chr. datieren möchte.103 Dieser Feldzug steht wohl im Zusammenhang mit einem Konflikt zwischen Herodes und den Nabataiern, ausgelöst durch Zenodoros. Denn dieser verkaufte entweder kurz vor oder aber schon nach bzw. während dieser Gebietsreorganisation einen Teil dieses Gebietes, die Auranitis, für 50 Talente an die Nabataier. Nach Josephos tat er dies, weil er seine Hoffnung auf die Herrschaft über dieses Gebiet habe schwinden sehen  – die Folgen waren langwierige Auseinandersetzungen zwischen Herodes und den Nabataiern um den Besitz des Gebietes.104 Kasher betont, dass es um den Verkauf des Besitzes, nicht den eines Pachtrechts ginge, Zenodoros sich also als Besitzer und nicht als Pächter des Landes sah.105 Mit Günther ist davon auszugehen, dass Zenodoros sich zu diesem Geschäft entschloss 102

Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1. Übersetzung nach Clementz. Günther 2005, S. 130–131. 104 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 2. 105 Kasher 1988, S. 159. 103

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als klar wurde, dass die Römer ihm diese Territorien nicht zurückgeben würden. Ob es sich dabei, wie Günther glaubt, um eine Art Schutzgeld-Geschäft mit den Nabataiern handelte, ist aber eher fraglich.106 Wesentlicher scheint doch zu sein, dass Zenodoros durch den Gebietsentzug auch Einkünfte genommen wurden. So denkt denn auch Wright, der Verkauf der Auranitis sei Ausdruck der Geldnot des Zenodoros nach dem Gebietsverlust.107 Es ist grundsätzlich zu hinterfragen, worum es in diesem Konflikt zwischen Zenodoros und seinen Nachbarn, allen voran Damaskos, ging und welche Rolle Zenodoros, Herodes und ‚die Räuber‘ dabei spielten. Trotz des Verweises auf Räuber kann der Konflikt zwischen Zenodoros und Damaskos auch als Handelskonflikt gewertet werden, schließlich kontrollierte Zenodoros mit der Trachonitis eine wesentliche Route für Handelswaren aus dem Süden nach Damaskos. Dass Zenodoros dabei nicht in der ganzen Region als ‚Räuberfürst‘ verschrien war, zeigt ein weiteres Detail der Geschichte: Zenodoros konnte nämlich den Einwohnern von Gadara eidlich, wie Josephos berichtet, versichern, sich für eine Loslösung ihres Gemeinwesens aus dem Reich des Herodes und eine Angliederung an die Provinz Syria einsetzen zu können.108 Ein solches Versprechen glaubhaft vorbringen zu können war sicher nur möglich, wenn Zenodoros der Stadt Gadara als seriöser Unterhändler mit den Römern erschien.109 Hätte er aber mit den Räubern gemeinsame Sache gemacht, wäre davon sicher auch Gadara, als ebenfalls an der Handelsroute zwischen Nabataiern und Damaskos gelegen, betroffen gewesen. Es ist also anzunehmen, dass hier ein ökonomischer Konflikt durch Polemik überdeckt wurde. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Zenodoros fand sich mit dieser Gebietsabtrennung nicht ab und bemühte sich intensiv in Rom und bei den römischen Amtsträgern in Syrien um einen Rückerhalt, konnte jedoch nach Josephos nichts erreichen.110 Dass er in Rom nicht erfolgreich war, ist sicher als diplomatische Niederlage anzusehen. Es ist aber vielleicht weniger Ausdruck seiner Fehlleistung als Tetrarch, denn ein Zeichen seiner im Gegensatz zu Herodes geringeren Vernetzung im Umfeld des Prinzeps. Dass es nämlich in solchen Situationen vor allem um den Zugang zum Prinzeps und eine durch Geschenke erlangte Einflussnahme zum eigenen Gunsten ging, zeigt das Beispiel des Herodes: In dem aus dem Verkauf der Auranitis resultierenden Konflikt mit den Nabataiern hatte deren Gesandtschaft erfolgreich in Rom gegen Herodes Stimmung gemacht, so dass Herodes’ eigene Gesandtschaft nicht vorgelassen und auch die mitgegebenen Geschenke nicht angenommen wurden. Der Bericht des Josephos macht die große Sorge des Herodes ob dieser Zurückweisung deutlich, 106

Günther 2005, S. 130–131. Wright 2013, S. 67. 108 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 3. 109 Berlin 2015, S. 3. 110 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 2. 107

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da der König offenbar nun um Herrschaft und Leben bangte.111 Erst eine zweite Gesandtschaft mit Nikolaos von Damaskos sorgte dann für eine Aussöhnung. Selbst ein so großzügiger und gut vernetzter Klientelherrscher wie Herodes konnte also Misserfolge erleiden, es gelang ihm jedoch im zweiten Anlauf ausreichend gewichtige – und gut vernetzte – Fürsprecher aufzubieten, die eine Entscheidung zu seinen Gunsten ermöglichten.112 Denn Josephos schreibt explizit, Herodes habe dann versucht „mit Hilfe seiner Freunde und durch Bitten die Gunst des Caesars“ zurückzugewinnen, was auch gelang.113 Zenodoros bemühte sich ebenfalls weiterhin bei den römischen Amtsträgern in Syrien um einen Rückerhalt seiner Gebiete. Dabei starb er 20 v. Chr. in Damaskos. Nach seinem Tod erhielt Herodes auch die restlichen Gebiete, die noch unter Zenodoros’ Kontrolle gestanden hatten.114 Wohl im Zusammenhang mit der nun nötigen Reorganisation wurden auch andere Bereiche des ehemaligen ituraischen Territoriums neu verteilt. 15 v. Chr. ließ Augustus durch Agrippa in Berytos eine Kolonie römischer Veteranen anlegen. Strabon beschreibt, die Stadt sei von Tryphon zerstört gewesen und dann durch die Aufnahme zweier Legionen neu gegründet worden, wozu ihr als Territorium weite Teile der Beka-Ebene bis zu den Quellen des Orontes zugewiesen worden sei.115 Allerdings legen die lokalen Münzemissionen ein Weiterbestehen von Berytos auch nach der Herrschaft des Tryphon nahe. Möglich wäre, dass die Ansiedlung von Veteranen schon vor der ‚offiziellen‘ Koloniegründung begann.116 Entweder erhielt diese Kolonie weite Teile der Beka-Ebene um Heliopolis / Baalbek als Territorium, oder aber in Baalbek entstand zur gleichen Zeit eine eigenständige Veteranen-Kolonie. Spätestens seit den Severern ist Baalbek eine eigenständige Kolonie, die erneut Veteranen zur Ansiedlung aufnahm. Die genaue Chronologie der Koloniegründung und das Verhältnis der Kolonien von Berytos zu Baalbek ist aber in der Forschung umstritten.117 Mit Myers kann geschlossen werden, dass hier ehemaliges ituraisches Gebiet in das Territorium der Kolonie inkorporiert wurde.118 111

Jos. Ant.Jud. 16, 9, 4. Vgl. Schalit 2001, S. 615–616. 113 Jos. Ant.Jud. 16, 9, 3. Schon die Bestellung des Herodes zum König von Judaia war im Senat ja nicht nur durch die Fürsprache von Antonius, sondern auch durch die von Messala und Atratinus bewerkstelligt worden: Jos. Ant.Jud. 14, 14, 4.  114 Jos. Ant.Jud. 15, 10,3, Bell.Jud. 1, 20, 4.  115 Strab. 16, 2, 19. 116 Millar 2006, S. 1168–170. 117 Vgl. Hošek 2011, S 3. 118 Myers 2010, S. 160. Für Freyne ist es auch diese Koloniegründung, die Strabon wenig später dazu veranlasst, über den „von den Römern herrührenden gesetzlichen Zustand“ (Strab. 16, 2, 20) und dessen impliziten positiven Nebeneffekten zu sprechen: Freyne 2001, S. 189. Interessant sind Überlegungen von Salamé-Sarkis, die Römer hätten die Beka-Ebene analog der Darstellung des Strabon als geographisches Hinterland der Küstenebene von Berytos verstanden und daher das Gebiet bis zu den Quellen des Orontes zum Territorium der neuen Kolonie gemacht: Salamé-Sarkis 2002, S. 135. 112

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Unklar muss bleiben, ob diese Gebiete zuvor dem Zenodoros unterstanden hatten und daher jetzt nach seinem Tod neu organisiert werden mussten, ob sie vorher noch eigenständig vielleicht weiter um Chalkis als Hauptort organisiert waren oder aber einige Zeit der Provinz zugeschlagen gewesen waren. In jedem Fall wird die Ansiedlung von Veteranen um Heliopolis / Baalbek zu Veränderungen der Bodenbesitzverhältnisse dort geführt haben. Möglicherweise waren die Ituraier mit dieser Neuregelung nicht einverstanden. So liest Kasher die schon angesprochene Inschrift eines römischen Offiziers aus Berytos über eine Strafexpedition in den Libanon gegen die Ituraier und die Zerstörung ihres castellum als Beleg für „some political unrest on Mount Lebanon“ in den Jahren 6/7 n. Chr.119 Der Konflikt zwischen den Ituraiern und der neuen römischen Ordnungsmacht könnte dabei entweder ein Indiz dafür sein, dass sich die Ituraier in ihren Bergkastellen als ‚Schutzmacht‘ der Ackerbauern betrachteten und gegen deren Marginalisierung durch die neu angesiedelten Veteranen aufbegehrten, oder aber, dass sie gegen die Beschneidung eigener Privilegien, insbesondere von bisherigen Einnahmequellen wie etwa Wegzöllen etc. protestierten. Darauf soll im Kontext der ökonomischen Grundlagen der Ituraier noch eingegangen werden.

4.1.2 Die Dynasten von Arka Verschiedene Hinweise in den Quellen lassen erkennen, dass es parallel zu der ituraischen Dynastie um Chalkis, angeführt von Ptolemaios, Sohn des Menniaos, und seinen Nachkommen, noch eine weitere ituraische Dynastie um Arka gegeben haben muss, wie bereits angesprochen wurde. Diese Dynastie scheint sich nicht immer der Politik der Dynasten von Chalkis angeschlossen zu haben und war offenbar mindestens zeitweilig von dieser politisch unabhängig. Wie bereits dargelegt verdankte Ptolemaios, Sohn des Mennaios, seine Stellung als Tetrarch und Hohepriester von Chalkis der Anerkennung durch Pompeius. Es ist daher wahrscheinlich, dass er im römischen Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Caesar ersteren unterstützte. Vor diesem Hintergrund berichtet Josephos in den Jüdischen Altertümern, wie bereits beschrieben, dass die Dynasten Iamblichos und wie diskutiert Ptolemaios, Sohn des Soaimos, vom Libanon, Caesar mit Hilfstruppen unterstützen, als dieser in Ägypten in Bedrängnis geriet.120 Wie angesprochen sieht Kasher in Iamblichos einen Dynasten von Emesa.121 Aliquot möchte Soaimos und seinen Sohn Ptolemaios als eigenständige ituraische Dynasten sehen, die um Arka einen eigenen Herrschaftsbereich besaßen. Vielleicht um diese Eigenständigkeit zu betonen bzw. auch von der römischen Ordnungsmacht 119

CIL III 6687 = CIL V 136 = AE 2006, 1579; Kasher 1988, S. 176. Jos. Ant.Jud. 14, 8, 1.; vgl. Jos. Bell.Jud. 1, 9, 3. 121 Kasher 1988, S. 120–121, mit F. 222. 120

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erst zu erhalten, schlugen sich Soaimos und sein Sohn auf die Seite Caesars.122 Und möglicherweise ist er es daher auch, der die ituraische Truppen bei Caesars Landung in Nordafrika bereitgestellt hatte.123 Es ist denkbar, dass diese Dynastie durch die Unterstützung für Caesar ihre Unabhängigkeit von Ptolemaios, Sohn des Mennaios, erlangte und im Zuge einer Anerkennung als eigenständige Klientelherrscher dann Arka zu Caesarea bzw. Caesarea Ituraeorum neugegründet wurde, wie die Stadt sich im 2. Jhd. n. Chr. auf den Münzen nennt.124 Möglicherweise spielte in diesem Kontext auch die auf den kaiserzeitlichen Münzen dargestellte Venus der Stadt, bei Macrobius Venus Architis genannt, eine wichtige Rolle in der Propaganda dieser Dynasten.125 Bei diesen Dynasten von Arka könnte dann 38 v. Chr. Herodes auch die 800 Söldner für sein eigenes Heer rekrutiert haben, die er nach Aussage von Josephus am Libanon anwarb126 – zumal Herodes wie zuvor schon sein Vater Antipater ja dezidiert auf der Seite Caesars gestanden hatte. Aufgrund der Unterstützung des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, für die letzten Hasmonaier ist es unwahrscheinlich, dass dieser dem Herodes das Anwerben von Söldnern in seinem Territorium gestattet hätte. Damit ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass es um Arka eine eigene Dynastie gab, die eine von Ptolemaios, Sohn des Mennaios, unabhängige Politik betrieb. Möglicherweise durch die Truppenanwerbung kam vielleicht einer der Mitglieder dieser Dynastie an den Hof des Herodes, der dort noch eine wichtige Rolle spielen sollte: Nach dem Sieg Octavians bei Actium musste auch Herodes als Parteigänger des Marcus Antonius zunächst um seine Position in Judaia bangen und reiste zu Octavian. Während seiner Abwesenheit überließ er seine Frau der Obhut eines ituraischen Vertrauensmannes: Μαριάμμην δὲ τὴν αὑτοῦ γυναῖκα (δυνατὸν γὰρ οὐκ ἦν ἐν διαφορᾷ τῇ πρὸς τὴν ἀδελφὴν καὶ τὴν μητέρα τὴν ἐκείνου δίαιταν τὴν αὐτὴν ἔχειν) ἐν Ἀλεξανδρείῳ σὺν Ἀλεξάνδρᾳ τῇ μητρὶ κατεστήσατο, Ἰώσηπον τὸν ταμίαν καὶ τὸν Ἰτουραῖον Σόαιμον ἐπ᾿ αὐτῷ καταλιπών, πιστοτάτους μὲν ἐξ ἀρχῆς γενομένους αὐτῷ, τότε δὲ προφάσει τιμῆς φρουρεῖν ἀπολειφθέντας τὰς γυναῖκας. ἦν δὲ κἀκείνοις 122

„Seine Gattin Mariamme aber, die er wegen ihrer Feindschaft gegen ihre Schwester und seine Mutter mit diesen nicht zusammenleben lassen konnte, befahl er nebst deren Mutter Alexandra nach Alexandreia zu bringen und vertraute ihren Schutz seinem Schatzmeister Joseph und dem Ituraier Soaimos an, die er von vorneherein als sehr treu befunden hatte und deshalb jetzt unter

Aliquot 1999–2003, S. 239. Bell.Afr. 20. 124 Rouvier 738var; dazu Aliquot 1999–2003, S. 239–240. 125 Aliquot 2009, S. 41–42; Macrob. Sat. 1, 21, 1. 126 Jos. Ant.Jud. 14, 15, 11. 123

Die Herrschaften der Ituraier

ἐντολὴ μαθόντας τι περὶ αὐτοῦ δυσχερὲς ἐξ αὐτῆς ἀμφοτέρας μεταχειρίσασθαι, τὴν δὲ βασιλείαν εἰς δύναμιν τοῖς παισὶν αὐτοῦ σὺν τἀδελφῷ Φερώρᾳ διατηρεῖν.

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dem Scheine einer besonderen Ehrung zu Wächtern der Frauen bestellte. Sie hatten zugleich den strengen Befehl, sobald sie etwas Ungünstiges über des Herodes Schicksal erführen, unverzüglich beide Frauen zu töten und alles aufzubieten, um die Herrschaft seinen Kindern und seinem Bruder zu sichern.“127

Etwas später heißt es dann bei Josephos, Mariamme habe sich für den besonderen Dienst, den Soaimos ihr erwiesen habe, beim König dafür eingesetzt, dass dieser eine Befehlshaberstelle erhalte, was auch gewährt worden sei.128 Inwiefern dies tatsächlich eine Kommandostelle für Soaimos bedeutete und diese sich vielleicht auf ehemalige ituraische Gebiete im Reich des Herodes etwa in Galilaia oder Transjordanien bezog, bleibt unklar. Kasher möchte in Soaimos einen Offizier der von Herodes bei den Ituraiern angeworbenen Militäreinheit sehen.129 Möglich wäre aber z. B. auch, dass Soaimos als Mitglied der lokalen Oberschicht der Ituraier aufgrund von Konflikten mit der Dynasten-Familie seine Heimat verlassen hatte und am Hof des Herodes lebte. Aber auch eine Verbindung aufgrund der Ehe des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, mit einer Hasmonaierin wäre denkbar. Nach seiner Rückkehr und der erfolgreichen Überzeugung des Octavian musste sich Herodes dann einigen Querelen innerhalb seiner Familie stellen und verurteilte in diesem Zusammenhang seine Frau Mariamme wegen Ehebruch und Giftmischerei zum Tode. Im Kontext dieser Auseinandersetzungen wurde auch Soaimos als – angeblicher? – Liebhaber der Mariamme hingerichtet.130 Dass dieser Soaimos in Verbindung zu der ituraischen Dynastie von Arka stand, legt sein Name nahe. Denn der nächste namentlich bezeugte Dynast in dieser Region heißt Soaimos: 38 n. Chr. setzte Caligula im Libanon den Ituraier Soaimos als Tetrarchen ein, der 49 n. Chr. starb. Cassius Dio schreibt: Ἐν δὲ τούτῳ Σοαίμῳ μὲν τὴν τῶν Ἰτυραίων τῶν Ἀράβων, Κότυϊ δὲ τήν τε Ἀρμενίαν τὴν σμικροτέραν καὶ μετὰ τοῦτο καὶ τῆς Ἀραβίας τινά, τῷ τε Ῥυμητάλκῃ τὰ τοῦ Κότυος καὶ Πολέμωνι τῷ τοῦ Πολέμωνος υἱεῖ τὴν πατρῴαν ἀρχήν, 127

„Inzwischen verlieh er dem Soaimos das Gebiet der ituraischen Araber, dem Kotys Kleinarmenien und später noch Teile Arabiens, dem Rhoimetalkes die Besitzungen des Kotys und Polemon, dem Sohne des Polemon, das väterliche

Jos. Ant.Jud. 15, 6, 5. Übersetzung nach Clementz. Jos. Ant.Jud. 15, 7, 3. 129 Kasher 1988, S. 151 mit F. 48–152. 130 Jos.Ant.Jud. 15, 7, 4. 128

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

ψηφισαμένης δὴ τῆς βουλῆς, ἐχαρίσατο, ἔν τε τῇ ἀγορᾷ καὶ ἐπὶ τοῦ βήματος ἐν δίφρῳ μεταξὺ τῶν ὑπάτων καθεζόμενος, καὶ παραπετάσμασι σηρικοῖς, ὥς 3γέ τινές φασι, χρησάμενος.

Reich, alles auf Senatsbeschluss. Die Zeremonie fand auf dem Forum in Rom statt, wo er auf der Rostra auf einem Stuhl zwischen den Konsules saß; einige ergänzen er habe seidene Baldachine genutzt.“131

Tacitus berichtet über den Tod des Soaimos unter Nero, dass nach dem Tod der Könige der Ituraier und Judaier, Soaimos und Agrippa, ihre Territorien zur Provinz Syria kamen.132 Bei Tacitus wird Soaimos also als König bezeichnet, während Cassius Dio lediglich über die Herrschaftsverleihung berichtet, ohne deren genaue Bezeichnung zu erwähnen. Josephos nennt Soaimos einmal Tetrarch am Libanon und einmal König.133 Möglicherweise war zu dieser Zeit die von Pompeius getroffene Unterscheidung in Könige und Tetrarchen nicht mehr so relevant, als dass etwa Tacitus genau hätte differenzieren müssen  – oder wahrscheinlicher wurde Soaimos in seiner Regierungszeit vom Tetrarchen zum König ‚befördert‘. Denkbar wäre aber auch eine Verwechslung mit dem emesenischen König Soaimos, der im entsprechenden Kapitel zu den Emesenern noch angesprochen werden soll. Auf das Problem der Titel werden wir bei der Untersuchung der Herrschaftsstrukturen zurückkommen. Zunächst ist zu fragen, über welche Territorien dieser Soaimos herrschte und ob er damit Nachfolger der Dynasten von Akra oder der von Chalkis war. Für Schürer umfasste das Reich des Soaimos die nördliche Beka-Ebene und den Libanon, etwa von Heliopolis / Baalbek bis Laodikeia am Libanon. Nach seinem Tod sei das Land zunächst an die Provinz Syria gegangen, ein kleines Stück dieses Gebietes hätte aber dessen Sohn Varus / Noarus erhalten, bevor dann alles 53 n. Chr. an Agrippa II. fiel.134 Für eine Verortung des Herrschaftsbereichs des Soaimos im Libanon spricht insbesondere die Formulierung des Cassius Dio, dass es sich um das Gebiet der „ituraischen Araber“ gehandelt habe – denn wie wir schon in der mehrfach zitierten Strabon-Stelle gesehen haben, wurde der Libanon als Raum mit einer ituraischen wie arabischen Bevölkerung wahrgenommen.135 Wenn außerdem die diskutierte Textrekonstruktion mit dem Verweis auf einen Ptolemaios, Sohn des Soaimos, auf dem Libanon bei Josephos zutrifft, dann würde auch der Name Soaimos auf diese Region und deren prominenteste Siedlung in Akra weisen.136 131

Cass.Dio 59, 12, 2. Übersetzung von Veh. Tac. Ann. 12, 23. 133 Tetrarch: Jos. Vita 11; König: Jos. Bell.Jud. 2, 18, 6. 134 Schürer 1890, S. 5604–605. In der Lokalisierung des Herrschaftsraumes des Soaimos folgt ihm Kasher 1988, S. 184. 135 Strab. 16, 2, 18. 136 Jos. Ant.Jud. 14, 8, 1. 132

Die Herrschaften der Ituraier

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Entgegen der Vorstellung von Schürer zur Nachfolge des Noarus ist durch Josephos belegt, dass nach dem Ende dieses unabhängigen Herrschaftsraumes dieser Verwandte des ituraischen Soaimos in der Anfangsphase des Jüdischen Aufstandes eine prominente Rolle in Judaia spielte. Josephos berichtet im Jüdischen Krieg: Συνέστη δὲ καὶ κατὰ τὴν Ἀγρίππα βασιλείαν ἐπιβουλὴ κατὰ Ἰουδαίων. αὐτὸς γὰρ ἐπεπόρευτο πρὸς Κέστιον Γάλλον εἰς Ἀντιόχειαν, καταλέλειπτο δὲ διοικεῖν τὰ πράγματα τούτου τῶν ἑταίρων τις τοὔνομα Νόαρος, Σοαίμῳ τῷ βασιλεῖ προσήκων κατὰ γένος. ἧκον δ᾿ ἐκ τῆς Βαταναίας ἑβδομήκοντα τὸν ἀριθμὸν ἄνδρες, οἱ κατὰ γένος καὶ σύνεσιν τῶν πολιτῶν δοκιμώτατοι, στρατιὰν αἰτοῦντες, ἵν᾿, εἴ τι γένοιτο κίνημα καὶ περὶ σφᾶς, ἔχοιεν ἀξιόχρεων φυλακὴν κωλύειν τοὺς ἐπανισταμένους. τούτους ὁ Νόαρος ἐκπέμψας νύκτωρ τῶν βασιλικῶν τινας ὁπλιτῶν ἅπαντας ἀναιρεῖ, τολμήσας μὲν τοὖργον δίχα τῆς Ἀγρίππα γνώμης, διὰ δὲ φιλαργυρίαν ἄμετρον εἰς τοὺς ὁμοφύλους ἑλόμενος ἀσεβεῖν τὴν βασιλείαν διέφθειρεν· διετέλει τε ὠμῶς εἰς τὸ ἔθνος παρανομῶν, μέχρι πυθόμενος Ἀγρίππας ἀνελεῖν μὲν αὐτὸν ᾐδέσθη διὰ Σόαιμον, ἔπαυσεν δὲ τῆς ἐπιτροπῆς.

„Im Reiche Agrippas wurde gleichfalls Verrat an den Juden geübt. Der König selbst war zu Cestius Gallus nach Antiocheia gereist und hatte mit seiner Stellvertretung einen von dessen Freunden mit Namen Noarus, der mit dem König Soaimos verwandt war, betraut. Da kamen aus Batanaia siebzig Männer, die vornehmsten und einsichtsvollsten der dortigen Juden, und baten um Truppen, um für den Fall aufrührerischer Bewegungen eine genügende Schutzmacht bei sich zu haben, mit deren Hilfe sie die Empörung niederwerfen könnten. Diese Männer ließ Noarus durch eine Abteilung königlicher Soldaten, die er bei Nacht aussandete, sämtlich umbringen. Maßlose Geldgier hatte ihn zu der Untat, die übrigens ohne Vorwissen Agrippas verübt wurde, getrieben, und er fuhr nun mit grausamer Willkür fort, durch ähnlichen Frevel gegen das Volk am Verderben des Reiches zu arbeiten, bis Agrippa Kunde davon bekam und ihm, da er aus Scheu vor Soaimos ihn nicht hinrichten lassen mochte, wenigstens die Geschäfte des Reichsverwesers entzog.“137

Noarus war also als oberster Stellvertreter des Königs Agrippa eingesetzt, was sicher die wichtigste Vertrauensposition war, die Agrippa für die Zeit seiner Reise zu vergeben hatte. Aus dieser Stelle könnte man auch eine Verwandtschaft des Noarus zu Soaimos, König von Emesa, annehmen. Aber in der Vita schildert Josephos weitere Ereignisse um diesen Noarus, den er hier Varus nennt. Dieser befand sich offenbar in großer Konkurrenz zu Philippos, Sohn des Jakim, der als oberster Truppenführer 137

Jos. Bell.Jud. 2, 18, 6. Übersetzung nach Clementz.

166

Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

des Königs Agrippa diente und beide scheinen in Abwesenheit des Königs darauf spekuliert zu haben, die eigene Position auszubauen. Noarus / Varus warb dabei offenbar Unterstützter vor allem unter den nicht-jüdischen Einwohnern Judaias an, und konnte hier durch seine Abstammung punkten: καὶ γὰρ ἦν ὁμολογουμένως ὁ Οὔαρος βασιλικοῦ γένους, ἔγγονος Σοέμου τοῦ περὶ τὸν Λίβανον τετραρχοῦντος. […] ἐβουλήθη δὲ καὶ μετὰ τῶν ἐν Βαταναίᾳ Τραχωνιτῶν ἀναλαβὼν τὰ ὅπλα ἐπὶ τοὺς ἐν Ἐκβατάνοις Βαβυλωνίους Ἰουδαίους, ταύτην γὰρ τὴν προσηγορίαν ἔχουσιν, ὁρμῆσαι. […] ὁ δὲ βασιλεὺς πυθόμενος ὅτι Οὔαρος μέλλει τοὺς ἐπὶ τῆς Καισαρείας Ἰουδαίους σὺν γυναιξὶ καὶ τέκνοις πολλὰς ὄντας μυριάδας ἀναιρεῖν ἡμέρᾳ μιᾷ, μεταπέμπεται [πρὸς] αὐτόν, Αἴκουον Μόδιον πέμψας αὐτῷ διάδοχον, ὡς ἐν ἄλλοις ἐδηλώσαμεν.

„In der Tat war Varus königlichen Geblütes, nämlich ein Enkel des Tetrarchen am Libanon, Soaimos. […] Er beschloss mit den Trachonitern von Batanaia bewaffnet über die babylonischen Juden  – wie sie hießen  – in Ekbatana herzufallen. [Die Bevölkerung wird gewarnt, rettet sich nach Gamala und dort kann Philippos den Oberbefehl übernehmen]. Sobald aber der König erfuhr, dass Varus im Sinne habe, die vielen tausend Juden zu Caesarea samt Frauen und Kindern an einem Tag umzubringen, sandte er ihm sogleich, wie ich schon anderswo berichtet habe, einen Nachfolger in der Person des Aequus Modius.“138

Wieder wird hier vor allem ein intensiver Konkurrenzkampf zweier Mitglieder der höchsten Ränge der königlichen Verwaltung deutlich, die mit jeweils unterschiedlichen Unterstützergruppen die eigenen Handlungsoptionen erweitern wollten. Für Noarus / Varus scheint dabei vor allem seine Abstammung ein gewichtiges Argument für die Anwerbung von Mitstreitern gewesen zu sein. In der Forschung wird Noarus / Varus für ein und dieselbe Person gehalten. Jones versteht Noarus / Varus als Vorgänger des Soaimos.139 In der neueren Forschung wird oft von einer Verwandtschaft dieses ituraischen Soaimos und seines Enkels mit der Dynastie von Emesa ausgegangen. Dafür werden im Wesentlichen drei Gründe genannt: Flavius Josephos bezeichnet Noaros als Verwandten eines Königs Soaimos, in dem der Emesener König diesen Namens gesehen wird; der Name Soaimos ist insbesondere in der Dynastie von Emesa beliebt, allerdings auch im ituraischen Herrschaftsgebiet; und schließlich könnte die Geburt des Severus Alexander in Arka nahe legen, dass es Verbindungen zwischen den Dynasten von Emesa und denjenigen von Arka gab.140 Allerdings berichtet Josephos in der zweiten Textstelle 138

Jos. Vita 11. Übersetzung nach Clementz. Jones 1931, S. 267. 140 Aliquot 1999–2003, S. 265–268; vgl. Gatier 2002, S. 122; Schottroff 1982, S. 144. 139

Die Herrschaften der Ituraier

167

explizit, Varus sei ein Verwandter des Tetrarchen am Libanon gewesen, und da liegt eine Abstammung aus einer ituraischen Dynastie näher. Die Familie des Noarus und des Soaimos und ihre Eigenherrschaft über Arka könnte zurückgehen auf den bei Josephos genannten Ptolemaios, Sohn des Soaimos.141 Dafür könnte auch sprechen, dass der Name Varus die latinisierte Variante eines im ituraischen Herrschaftsraum durchaus verbreiteten semitischen Namen Ouaros darstellt.142 Auch der Name Soaimos kommt vor.143 Stärker noch für eine Verbindung zu einer ituraischen Dynastie und nicht der von Emesa muss aber die offenkundige Vernetzung des Varus in die Trachonitis und Batanaia ins Gewicht fallen, da beide Teil des ehemaligen ituraischen Herrschaftsbereiches waren. Damit existierte neben der ituraischen Dynastie um Ptolemaios, Sohn des Mennaios, und dessen Hauptort Chalkis eine weitere ituraische Dynastie, deren Zentrum offenbar Arka war. Anders als Ptolemaios und seine Nachkommen scheint diese Dynastie sehr viel Wert auf die Betonung ihrer indigenen Wurzeln gelegt zu haben, denn die Dynasten tragen indigene Namen und noch in der fortgeschrittenen Kaiserzeit betont Arka seine ituraische Vergangenheit durch die Münzlegende Caesarea Ituraeorum. Diese unterschiedlichen Schwerpunkte in der Legitimationsstrategie könnten Folge einer Konkurrenz beider Häuser gewesen sein, worauf noch zurückzukommen sein wird.

4.1.3 Lysanias von Abila In der Kaiserzeit gab es außerdem eine weitere ituraische Tetrarchie um Abila im Tal des Baradas. Diese existierte mindestens unter Tiberius, wie das LukasEvangelium bezeugt: Ἐν ἔτει δὲ πεντεκαιδεκάτῳ τῆς ἡγεμονίας Τιβερίου Καίσαρος, ἡγεμονεύοντος Ποντίου Πιλάτου τῆς Ἰουδαίας, καὶ τετρααρχοῦντος τῆς Γαλιλαίας Ἡρῴδου, Φιλίππου δὲ τοῦ ἀδελφοῦ αὐτοῦ τετρααρχοῦντος τῆς Ἰτουραίας καὶ Τραχωνίτιδος χώρας, καὶ Λυσανίου τῆς Ἀβιληνῆς τετρααρχοῦντος, ἐπὶ ἀρχιερέως Ἅννα καὶ Καϊάφα,

141

„Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judaia, Herodes Tetrarch von Galilaia, sein Bruder Philippos Tetrarch von Ituraia und der Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene; Hohepriester waren Hannas und Kajaphas.“144

Jos. Ant.Jud. 14, 8, 1 und Bell. Jud. 1, 9, 3; vgl. Kropp 2013, S. 29. IGLS XIII 9028, 9589, 9810, 9851; IGLS XIV 488. 143 IGLS XIII 9723, 9811. 144 Luk. 3, 1–2. Übersetzung nach der Einheitsübersetzung. 142

168

Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Aus der Regierungszeit des Tiberius datieren auch Bauinschriften aus Abila145, was möglicherweise auf die Einrichtung der Tetrarchie unter diesem Kaiser hinweist. Unter Caligula wurde diese Tetrarchie Agrippa I. gegeben, der außerdem die Tetrarchie des Philippos und die Königswürde erhielt.146 Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass auch schon Lysanias König seiner Tetrarchie gewesen war, denn wir erfahren aus dem Jüdischen Krieg, dass die Königswürde für Agrippa eine besondere Ehre war, die etwa der Tetrarch Herodes Antipas nicht erhielt: Ἀποδειχθεὶς δὲ Γάιος Καῖσαρ ἀνίησίν τε τῶν δεσμῶν τὸν Ἀγρίππαν καὶ τῆς Φιλίππου τετραρχίας, θνήσκει γὰρ οὗτος, καθίστησι βασιλέα. παραγενόμενος δὲ εἰς τὴν ἀρχὴν Ἀγρίππας φθόνῳ τὰς Ἡρώδου τοῦ τετράρχου διήγειρεν ἐπιθυμίας. ἐνῆγε δὲ μάλιστα τοῦτον εἰς ἐλπίδα βασιλείας Ἡρωδιὰς ἡ γυνή, κατονειδίζουσα τὴν ἀργίαν καὶ φαμένη παρὰ τὸ μὴ βούλεσθαι πλεῖν ἐπὶ Καίσαρα στερίσκεσθαι μείζονος ἀρχῆς· ὅπου γὰρ Ἀγρίππαν ἐξ ἰδιώτου βασιλέα πεποίηκεν, ἦπου γ᾿ ἂν ἐκεῖνον διστάσειεν ἐκ τετράρχου.

„Kaum war Gaius zum Caesar ausgerufen, als er den Agrippa freiließ und ihn zum König über die Tetrarchie des inzwischen verstorbenen Philippos ernannte. Das aber weckte den Neid des Tetrarchen Herodes, dem insbesondere seine Gattin Herodias Hoffnung auf Erlangung der Königswürde machte. Sie warf ihm nämlich Untätigkeit vor und behauptete, nur weil er nicht zum Caesar habe reisen wollen, sei er um die Rangerhöhung gekommen; denn der Caesar, der den Privatmann Agrippa zum König gemacht, würde doch erst recht ihn, dem Tetrarchen, diese Beförderung zuerkannt haben.“147

Deutlich wird vor allem eine Trennung zwischen der Bezeichnung eines Herrschaftsraumes als Tetrarchie und dem Status ihres Beherrschers als Tetrarch oder König. Darauf wird noch einzugehen sein. Aufgrund des Namens wird eine Verwandtschaft dieses Lysanias von Abila mit dem ituraischen Herrscherhaus von Chalkis etwa als Sohn oder Enkel des Lysanias von Chalkis und damit Enkel oder Urenkel des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, in der Forschung überlegt.148 Möglicherweise war er aber auch ein Sohn des Zenodoros und nannte seinen Sohn ebenso: dieser Eindruck entsteht zumindest durch den schon angesprochenen Inschriftenfund aus Baalbek, der einen Zenodoros, Sohn des Tetrarchen Lysanias, nennt.149 Gatier denkt daher, dass es sich um Mitglieder einer Familie handelt. Hauptort ihrer Tetrarchie wurde Abila, das möglicherweise 145

Vgl. Savignac 1912, S. 533–540. Jos. Ant.Jud. 18, 6, 10; vgl. auch Philo 25; Cass.Dio 59, 8, 2. 147 Jos. Bell.Jud. 2, 9, 6. Übersetzung nach Clementz. 148 Gatier 2002, S. 122. 149 Seyrig 1970, S. 251–254. 146

Die Herrschaften der Ituraier

169

nach dem Verlust von Chalkis für die Familie neu gegründet wurde oder aber zum Hauptort ‚umfunktioniert‘ wurde.150 Es ist allerdings schwer, die genauen Grenzen dieses Herrschaftsbereichs auszumachen, aus den Geschehnissen unter Gaius Caligula sind dazu keine weiteren Informationen zu gewinnen. Claudius bestätigte 41 v. Chr. nach seinem Herrschaftsantritt Agrippa I. in seiner Kontrolle über Abila: Ἄβιλαν δὲ τὴν Λυσανίου καὶ ὁπόσα ἐν τῷ Λιβάνῳ ὄρει ἐκ τῶν αὐτοῦ προσετίθει,

„Außerdem aber teilte ihm Claudius noch Abila zu, das unter der Herrschaft des Lysanias gestanden hatte, und von seinen eigenen Besitzungen die Gebiete am Libanon.“151

Diese Formulierung lässt vermuten, dass Lysanias neben Abila und dem Tal des Baradas weitere Gebiete im Libanon kontrolliert hatte, die zunächst in kaiserlichen Privatbesitz übergegangen waren, während das Baradas-Tal zwischenzeitlich der Provinz Syria zugeschlagen worden war.152 Claudius musste die Herrschaftsbereiche der Klientelkönige neu ordnen, weil er mit Beginn seiner Regierungszeit die acta, also Staatshandlungen, seines Vorgängers Caligula für unwirksam erklärt hatte. Barrett glaubt daher, Claudius habe auch alle Klientelkönige wieder neu in ihren Ämtern bestätigen müssen. Das hätte entsprechend auch Agrippa I. betroffen.153 Nach dem Tod des Lysanias und dem Übergang seines Territoriums in Herrschaftsbereiche für Nachkommen des Herodes endet die ituraische Herrschaft über das Gebiet.

4.1.4 Das weitere Schicksal der Territorien bis zur Provinzialisierung Der Kernraum um Chalkis wurde wohl noch einmal als Herrschaftsbereich ausgegeben, als „Königreich von Chalkis“ erhielt es unter Claudius Herodes, Bruder Agrippas I., und nach dessen Tod 48 n. Chr. Agrippa II. Agrippa I. hatte einen persönlichen Vertrauten, den er nach der Erhebung zum König durch Claudius 41 n. Chr. zum Oberkommandanten seines Heeres machte.154 Dieser hieß Silas und Kasher glaubt, dass er, weil er einen im ituraischen

150

Gatier 2002, S. 122–127. Jos. Ant.Jud. 19, 5, 1; Bell.Jud. 2, 11, 5. Übersetzung nach Clementz. 152 Schmitt 1982, S. 112. 153 Barrett 1990, S. 284–285. 154 Jos. Ant.Jud. 18, 6, 7 und 19, 6, 3. 151

170

Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Herrschaftsraum verbreiteten semitisch-aramaischen Namen trägt155, vielleicht Ituraier war. Dies schließt er auch aus dem weiteren Schicksal des Silas: Er überwarf sich nämlich mit Agrippa, wurde zum Tode verurteilt und zur Urteilsvollstreckung in seine Heimat geschickt. Später heißt es dann, Herodes von Chalkis habe ihn gleich nach Agrippas Tod hinrichten lassen.156 Damit liegt es für Kasher nahe, dass Silas aus dessen Herrschaftsbereich und damit der Region von Chalkis stammte. Silas könnte damit Mitglied der ituraischen Elite gewesen sein.157 Agrippa II. erhielt 53 n. Chr. mit der Tetrarchie des Philippos, dem Königreich des Lysanias und der Tetrarchie des Varus ein Großteil der ehemaligen ituraischen Gebiete, wobei er jedoch im Gegenzug das Gebiet von Chalkis verlor.158 Schmitt versteht dies so, das Chalkis zu diesem Zeitpunkt der Kolonie von Heliopolis zugeschlagen wurde und als selbstständige Einheit aufgelöst wurde.159 Allerdings wird in der Forschung diskutiert, ob es sich bei dem Chalkis, über das Herodes König war, um Chalkis am Libanon oder Chalkis am Belos bei Aleppo handelte.160 Für Agrippa II. ist jedoch nur eine Herrschaft im ehemaligen Raum des Ituraischen Reiches bezeugt: Wohl in diesen Kontext gehört eine Ehreninschrift für den König Agrippa und die Königin Berenike aus Qal’at Faqra, welches also zum Herrschaftsbereich des Agrippa II. gehört haben muss.161 Es ist unklar, ob dies im Rahmen seiner Tätigkeit als König von Chalkis zwischen 48 und 53 n. Chr. oder aber nach seiner ‚Umsetzung‘ in ein größeres Königreich nach 53 n. Chr. geschah, also kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, zu welchem Teilreich des ehemaligen ituraischen Herrschaftsgebietes der Ort in der Kaiserzeit gehörte. Rey-Coquais möchte im Gegensatz zu Collart nicht annehmen, der Ort habe zum Königreich Agrippas I. und dann des Agrippa II. gehört,162 sondern glaubt, Qal’at Faqra habe zum ituraischen Herrschaftsbereich des Soaimos gehört und sei nach dem Tod des Soaimos und des Agrippa I. im Frühjahr 44 zunächst zur Provinz Syria gekommen. In diesem Zeitraum sei auch der epigraphisch auf das Jahr 335 der seleukidischen Ära, also September 43 bis September 44 n. Chr., datierte Turm errichtet worden, an dem sich die Inschrift für Agrippa und Berenike, aber auch eine Inschrift für Claudius vielleicht vom syrischen Statthalter Caius Cassius Longinus fand. 53 n. Chr. habe dann Agrippa II. von Claudius den gesamten Libanon und die ehemalige Tetrarchie des Soaimos, bzw. seines ihm nachfolgenden Sohnes Varus / Noarus, 155

Silas ist ein verbreiteter aramaischer Name, bekannt aus Tell Dan oder auch dem Hermon: Transkribiert als Ζωϊλος IGLS XI A/12, dazu: Aliquot 2008, S. 119. 156 Jos. Ant.Jud.19, 7, 1; 19, 8, 3. 157 Kasher 1988, S. 187–191. 158 Jos. Bell.Jud. 2, 13, 8; vgl. auch Ant.Jud. 20, 7, 1. 159 Schmitt 1982, S. 117–118. 160 Für Chalkis am Libanon Aliquot 1999–2003, S. 236; Schürer 1890, S. 606–607; Schottroff 1982, S. 144. Für Chalkis am Belos: Kropp 2013, S. 29 mit älterer Literatur. 161 Die Inschrift wird diskutiert in Rey-Coquais 1999, S. 632–634. 162 Collart 1973, S. 137–161.

Die Herrschaft der Emesener

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erhalten. Und in diesem Zusammenhang sei dann die Weihung als Ausdruck der Loyalität gegenüber den neuen Herren dediziert worden.163 Vielleicht schon seit der Reorganisation des Augustus gehörten darüber hinaus weite Teile der südlichen Beka-Ebene zu den umliegenden großen Städten. Sidon und Damaskos teilten sich den Süden der Beka-Ebene, die Grenze ihrer Territorien könnte der Litanni gewesen sein. Noch weiter südlich reichte das Territorium von Tyros bis in das obere Jordantal und könnte auch noch den äußersten Süden der Beka-Ebene eingeschlossen haben.164 Auch diese Gebiete gingen also einer ituraischen Herrschaft verloren. Spätestens mit dem Tod des Agrippa II. waren alle ehemaligen ituraischen Herrschaftsgebiete Teil der römischen Provinz Syria.

4.2 Die Herrschaft der Emesener Im Kapitel zu den Anfängen der Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener wurde bereits diskutiert, dass die frühen Anführer der Emesener in den Auseinandersetzungen der letzten Seleukiden in Syrien eine zunehmend eingeständige Stellung erlangen konnten. Wenn der genannte phylarchos Samsigeramos Teil der Emesener Dynastie war und unter den letzten Seleukiden eine anerkannte lokale Herrschaftsstellung erworben hatte, musste er diese während der Eroberung Syriens durch Tigranes von Armenien verteidigen.165 Tigranes hatte wie bereits angesprochen ein Interesse daran, lokale Herrschaftsträger zu loyalen Mitarbeitern seiner eigenen Herrschaftsentfaltung zu machen. Dabei zeigen die Quellen, dass Tigranes auch mit arabischen Truppenkontingenten zusammenarbeitete.166 Daher geht Sullivan davon aus, dass Tigranes nomadische Araber zur Sesshaftwerdung in der Nähe eigener Truppenquartiere ermutigte, um diese besser kontrollieren zu können.167 Damit könnten auch die Emesener gemeint gewesen sein, die in der Forschung immer wieder als Nomaden verstanden werden.168 Im vorausgegangenen Teil zu den Anfängen der Eigenherrschaften wurde aber bereits gezeigt, dass es sich bei den Emesenern um eine in die seleukidische Verwaltung der Region eingebundene Gemeinschaft handelte, die sich eben durch die Übernahme von Herrschaftsaufgaben verselbstständigen konnte. Auch unter Tigranes hätten Samsigeramos und andere Anführer dann sicher versucht, eine ähnliche Rolle wie zuvor unter den letzten Seleukiden zu spielen und dafür wieder Gegenleistungen in der Form von Titeln, Territorien, Privilegien etc. zu erhalten.169 Es ist anzunehmen, 163

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Rey-Coquais 1999, S. 638–640, 646–649. Der Deutung folgt Kropp 2013, S. 336. Sommer 2001, S. 84–85; Schmitt 1982, S. 112. Vgl. Sullivan 1990, S. 64. Cass.Dio 37, 7a; Plut. Luc. 25, 6 Sullivan 1990, S. 64. Zuletzt Fisher 2020, S. 26. Vgl. Scharrer 2010, S. 320.

172

Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

dass Tigranes Samsigeramos bei einem entsprechenden Seitenwechsel in seiner Position bestätigte. Damit gehörte Samsigeramos vielleicht zu den arabischen Anführern, die laut Cassius Dio gemeinsam mit Tigranes Syrien und Phoinikien kontrollierten.170 In ähnlicher Weise war auch Pompeius bei seiner Eroberung Syriens auf die Unterstützung lokaler Herrschaftsträger angewiesen.171 Die Quellen bezeugen, dass eine Reihe von lokalen Königen und Dynasten zu Pompeius kamen, um mit diesem eine Kooperation auszuhandeln, aber die Emesener werden hier nicht explizit genannt.172 In dieser Situation scheint Pompeius sich auch in besonderer Weise mit arabischen Bevölkerungsgruppen beschäftigt zu haben, die nach Aussage Strabons je nach Lage des von ihnen kontrollierten Bereichs mit den Römern oder den Arsakiden kooperierten.173 Chad, der Samsigeramos und die Emesener als eine nomadische Gemeinschaft versteht, sieht die Anerkennung von dessen Herrschaft als Teil eines Sedentarisierungsplans des Pompeius.174 Ähnlich sieht es auch Ball.175 Sullivan betont, lokale Herrschaftsträger wie Azizos und Samsigeramos hätten das Machtvakuum in der Region gefüllt und wären daher in ihrer Position von Pompeius anerkannt worden. So hätten ihre Gebiete als Pufferzone zur Sicherung der Grenze des neu eroberten römischen Syriens wirken können.176 Geht man aber wie oben postuliert davon aus, dass bereits seit der Mitte des 2. Jhd. v. Chr. Mitglieder der späteren Herrscherdynastie in der Region mit Führungsaufgaben betraut waren und die Siedlungsarchäologie eine kontinuierliche Besiedlung des Großraumes bezeugt, kann nicht von einer Sedentarisierungspolitik der republikanischen Feldherren ausgegangen werden. Vielmehr wird es ihnen hier wie auch in allen anderen neu eroberten Teilen des wachsenden Reiches um die Gewinnung lokaler Verbündeter gegangen sein, die sich im Idealfall bereits als fähige Anführer erwiesen hatten. Außerdem musste Pompeius auch Rücksicht auf die Regelungen nehmen, die Tigranes zuvor getroffen hatte: Wenn Tigranes wie gerade argumentiert diese Gemeinschaften und ihre Anführer als lokale Herrschaftsträger eingesetzt bzw. bestätig hatte, erwarteten sie nun eine entsprechende Anerkennung von Pompeius – oder nahmen ein besseres Angebot durch die Arsakiden an. Die Bedrohung der syrischen Territorien durch die Arsakiden nahm Pompeius sehr ernst und versuchte daher offenbar, durch die Bestärkung der lokalen Dynasten eine tragfähige Grenzsicherung zu erreichen.177 170 171

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Cass.Dio 37, 7a. Sullivan 1990, S. 64. Plut. Pomp. 38, 2 und Cass.Dio 37, 7a. Strab. 16, 1, 28. Chad 1972, S. 36–37. Ball 2000, S. 34. Sullivan 1990, S. 64, 199. Plut. Pomp. 36, 2; Cass.Dio 37, 7, 2 ; Sullivan 1978, S. 204.

Die Herrschaft der Emesener

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Ob die Anerkennung des Samsigeramos in Form einer formalen Allianz geschah, ist aber umstritten.178 Offenbar war Samsigeramos entweder zu einer Einmalzahlung oder aber zu regelmäßigem Tribut verpflichtet, denn Cicero erwähnt in einem Briefen an Atticus die reichen Einkünfte, die Pompeius von ihm hatte.179 Braund lehnt allerdings die Vorstellung, dass die Klientelkönige an Rom Tribut zahlten, grundsätzlich ab.180 Für ein formales Bündnis könnte die folgende Kooperation des Iamblichos, Sohn und Nachfolger des Samsigeramos, mit dem als Statthalter in Kilikien dienenden Cicero sprechen: Cicero erhielt in dieser Funktion von Iamblichos, Antiochos von Kommagene und Trakondimotos von Kilikien Berichte über militärische Aktivitäten der Arsakiden in Syrien, die Cicero durch die Mobilisierung von Truppen auch der Klientelherrscher abzuwehren suchte.181 Cicero fürchtete in diesem Zusammenhang eine ‚Verschwörung‘ der Araber mit den Arsakiden.182 Samsigeramos wird in der Folge als phylarchos der Emesener bezeichnet, der bei Strabon mit Arethusa verbunden war. Er schreibt wie bereits zitiert: ὧν ἐστι καὶ ἡ Λυσίας, ὑπὲρ τῆς λίμνης κειμένη τῆς πρὸς Ἀπαμείᾳ, καὶ Ἀρέθουσα ἡ Σαμψικεράμου καὶ Ἰαμβλίχου, τοῦ ἐκείνου παιδός, φυλάρχων τοῦ Ἐμισηνῶν ἔθνους […] Ὅμορος δ᾿ ἐστὶ τῇ Ἀπαμέων πρὸς ἕω μὲν ἡ τῶν φυλάρχων Ἀράβων καλουμένη Παραποταμία καὶ ἡ Χαλκιδικὴ ἀπὸ τοῦ Μασσύου καθήκουσα καὶ πᾶσα ἡ πρὸς νότον τοῖς Ἀπαμεῦσιν, ἀνδρῶν Σκηνιτῶν τὸ πλέον· παραπλήσιοι δ᾿ εἰσὶ τοῖς ἐν τῇ Μεσοποταμίᾳ νομάσιν· ἀεὶ δ᾿ οἱ πλησιαίτεροι τοῖς Σύροις ἡμερώτεροι καὶ ἧττον Ἄραβες καὶ Σκηνῖται, ἡγεμονίας ἔχοντες

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„Zu diesen Plätzen [die Apameia benachbart, gut befestigt und unter der Kontrolle von phylarchen waren] gehörten Lysias, am See bei Apameia gelegen, und Arethusa, die Festung des Samsigeramos und seines Sohnes Iamblichos, phylarchoi des Volkes der Emesener, […] dann das ganze den Apamaiern südlich gelegene und größtenteils Zeltbewohnern gehörende Land. Diese gleichen den Wanderhirten in Mesopotamien; immer aber sind die den Syrern näher wohnenden gesitteter und weniger Araber und Zeltbewohner,

Dafür: Chad 1972, S. 35. Die von Sullivan noch dem emesenischen Arethusa zugewiesenen Münzen, die die Übernahme einer pompeianischen Ära belegen sollen (Sullivan 1978, S. 201) werden von Chad dem kilikischen Mopsos zugerechnet (Chad 1972, S. 38–39). Cic. Att. 2, 16, 2, auch in Cic. Att. 2, 14, 1; 16, 1–2; 23,2–3. Vgl. dazu Sullivan 1978, S. 202: „In context Cicero is addressing his remark, by a kind of ironic metonymy, to Pompey and not to Samsigeramos in the course of a letter regarding agrarian legislation in Italy. But clearly on his mind is an arrangement, probably recent, by which Romans recognized the holdings of Samsigeramos in return for tribute.“ Braund 1984, S. 65–66. Cic. Fam.15, 1, 2–3; 15, 4, 7; Ad Q. Fr. 2, 12, 2. Cic. Fam. 15, 4, 4–7 und 8, 10, 2; vgl. Sullivan 1990, S. 199–200.

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

συντεταγμένας μᾶλλον, καθάπερ ἡ Σαμψικεράμου Ἀρέθουσα καὶ ἡ Γαμβάρου καὶ ἡ Θέμελλα καὶ ἄλλων τοιούτων.

weil sie besser geordnete Verfassungen haben, wie Arethusa des Samsigeramos und des das Gebiet Gambaros und Themella und andere dergleichen.“183

Nach Ball könnte der zunehmende Reichtum der den wachsenden Handel entlang des Orontes-Tals kontrollierenden Emesener diese zur Gründung einer neuen Stadt Emesa gebracht haben, die den Stammesnamen trug. Diese sei zunächst von Samsigeramos’ Sohn Iamblichos kontrolliert worden, während Samsigeramos in Arethusa verblieb.184 Beide scheinen eine Weile gemeinsam geherrscht zu haben, bis Iamblichos in den 50ern als alleiniger Herrscher übernahm.185 Es ist unklar, wann genau es zum Thronwechsel im Herrscherhaus von Emesa kam und ob es tatsächlich eine gemeinsame Herrschaftszeit von Samsigeramos und Iamblichos gegeben hat, wie das etwa in Kommagene vorkam.186 Nach Strabon scheint Samsigeramos 46 v. Chr. noch gelebt zu haben, weil er zusammen mit seinem Sohn im Zusammenhang mit dem Krieg gegen Caecilius Bassus als dessen Unterstützter genannt wird.187 Caecilius Bassus kämpfte als Pompeianer im Bürgerkrieg gegen Caesar und konnte sich zwischen 46 und 43 v. Chr. um Apameia herum halten. Dabei wurde er von benachbarten Phylarchen ebenso wie von den Arsakiden unterstützt.188 Einer dieser Unterstützter war auch Samsigeramos: Βάσσος τε Κεκίλιος μετὰ δυεῖν ταγμάτων ἀποστήσας τὴν Ἀπάμειαν διεκαρτέρησε τοσοῦτον χρόνον πολιορκούμενος ὑπὸ δυεῖν στρατοπέδων μεγάλων Ῥωμαϊκῶν, ὥστ᾿ οὐ πρότερον εἰς τὴν ἐξουσίαν ἧκε, πρὶν ἑκὼν ἐνεχείρισεν ἑαυτόν, ἐφ᾿ οἷς ἐβεβούλητο· καὶ γὰρ τὴν στρατιὰν ἀπέτρεφεν ἡ χώρα καὶ συμμάχων εὐπόρει τῶν πλησίον φυλάρχων, ἐχόντων εὐερκῆ χωρία·ὧν ἐστι καὶ ἡ Λυσίας, ὑπὲρ τῆς λίμνης κειμένη τῆς πρὸς Ἀπαμείᾳ, καὶ Ἀρέθουσα ἡ Σαμψικεράμου

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„Caecilius Bassus aber, welcher mit zwei Legionen Apameia zum Abfall brachte, leistete, von zwei großen römischen Heeren belagert, so lange Widerstand, dass er nicht eher in ihre Gewalt kam, bis er sich ihnen freiwillig auf von ihm selbst gestellten Bedingungen ergab. Denn das Land ernährte sein Heer und er erfreute sich der Bundesgenossenschaft der benachbarten, wohlbefestigten Plätze besitzenden phylarchoi. Zu diesen Plätzen gehörten Lysias, am See

Strab. 16, 2, 10–11. Übersetzung nach Radt. Ball 2000, S. 34. Kropp 2013, S. 25–27. Sullivan 1990, S. 200. Strab. 16, 2, 10; Sullivan 1978, S. 205. Jos. Ant.Jud. 14, 11, 1; auch mit parthischer Unterstützung: Cic. Att. 14, 9, 3, aber nur kurz: Diod. 47, 27, 5; dazu Scharrer 2010, S. 315.

Die Herrschaft der Emesener

καὶ Ἰαμβλίχου, τοῦ ἐκείνου παιδός, φυλάρχων τοῦ Ἐμισηνῶν ἔθνους·

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von Apameia gelegen, und Arethusa, die Festung des Samsigeramos und seines Sohnes Iamblichos, phylarchoi des ethnos der Emesener […].“189

Die hier genannten phylarchoi sind also alle mit befestigten Orten verbunden, es handelt sich damit nicht um Nomaden. Im Gegenteil wird von ihnen im weiteren Verlauf des Berichtes bei Strabon ein nomadischer Anführer unterschieden: τῶν δὲ συμμαχούντων τῷ Βάσσῳ ἦν καὶ Ἀλχαίδαμνος, ὁ τῶν Ῥαμβαίων βασιλεὺς τῶν ἐντὸς τοῦ Εὐφράτου νομάδων· ἦν δὲ φίλος Ῥωμαίων, ἀδικεῖσθαι δὲ νομίσας ὑπὸ τῶν ἡγεμόνων, ἐκπεσὼν εἰς τὴν Μεσοποταμίαν ἐμισθοφόρει τότε τῷ Βάσσῳ. ἐντεῦθεν δ᾿ ἐστὶ Ποσειδώνιος ὁ Στωικός, ἀνὴρ τῶν καθ᾿ ἡμᾶς φιλοσόφων πολυμαθέστατος.

„Unter den Bundesgenossen des Bassus war auch Alchaidamos, der König der Rhambaier, eines Hirtenvolkes diesseits des Euphrat. [Früher] war er ein Freund der Römer, da er sich aber von den [römischen] Statthaltern beleidigt glaubte, entwich er nach Mesopotamien und diente dann dem Bassus für Sold.“190

Es zeigen sich hier noch einmal die Handlungsoptionen der lokalen Anführer, die zwischen Römern und Arsakiden, aber auch zwischen den verschiedenen römischen Bürgerkriegsparteien ihren Platz suchen mussten, dabei aber eben auch Statusverbesserungen oder finanziellen Gewinn herausschlagen konnten. Die Bezeichnung der Emesener als ethnos muss dabei ebenso wenig wie der Titel eines phylarchos automatisch auf einen nicht-sesshaften Personenkreis hinweisen. Die phylarchoi sind doch eher als seleukidische Funktionsträger über ein bestimmtes Gebiet zu verstehen, in dessen Hauptort sie dann ihren befestigten Dienstsitz hatten. Damit könnte der Titel phylarchos eine Art Vorstufe zum später bezeugten Königstitel der Emesener Dynasten gewesen sein, mit der deren Führungsanspruch über ein bestimmtes Gebiet oder eine bestimmte Gemeinschaft umschrieben wurde. So verweist Scharrer darauf, dass auch die Könige von Edessa zunächst als phylarchus Saracenorum und später als rex Arabum bezeichnet wurden. Letzteren Titel erhielten sie nach Scharrer erst durch ein Bündnis mit den Arsakiden, was auch für die Emesener angedacht werden könnte.191 Darauf muss noch zurückgekommen werden. Die zitierten Strabon-Stellen zeigen aber, dass die phylarchoi mit festen Plätzen verbunden waren und daher mindestens in dieser Phase als lokale Funktionsträger anzusehen sind. Darüber hinaus war es ja in der 189

Strab. 16, 2, 10. Übersetzung nach Radt. Strab. 16, 2, 10. Übersetzung nach Radt. 191 Für Scharrer ist allerdings die ethnische Beschreibung Saracenorum anachronistisch: Scharrer 2010, S. 299–301; dazu Fest. Brev. 14; Tac. Ann. 12, 12, 3. 190

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antiken Welt üblich, auch sicher sesshafte Gemeinschaften wie z. B. die Athener immer mit ihrem Gemeinschaftsnamen zu benennen. Aus der Bezeichnung allein können also keine weitreichenden Schlüsse über die Lebensart der Gemeinschaft gezogen werden. Es war dann wohl der Sohn des Samsigeramos, Iamblichos, der 47 v. Chr. als einer der lokalen Dynasten genannt wird, die auf Initiative von Antipater ein Entlastungsheer zu Caesar bei dessen schwieriger Belagerung von Alexandreia schickten. Josephos betont dabei wie bereits diskutiert, wie wichtig Einfluss und Unterstützung des Iamblichos und des Ptolemaios, Sohn des Soaimos, für die Überzeugung der anderen syrischen Städte gewesen sei.192 Darin ist einmal mehr ein Beleg für die Bedeutung und die Möglichkeiten der Dynastie von Emesa zu sehen. Diese Hilfe belohnte Caesar nach seinem Erfolg mit einem Empfang syrischer Dynasten, bei dem er diese offenbar auch angesichts seiner geplanten Kampagne gegen die Arsakiden enger an sich binden wollte. Hier könnte auch Iamblichos involviert gewesen sein.193 Vielleicht erhielt Iamblichos bei diesem Anlass sogar das römische Bürgerrecht, wie es bei Antipater der Fall war.194 Für Iamblichos II. ist das römische Bürgerrecht mit dem Bürgernamen Gaius Iulius belegt, was auf eine Verleihung des Status unter Caesar hinweisen könnte.195 Des Weiteren kennt man einen C. Iulius Glaucus aus Rom, der Freigelassener eines Königs Samsigeramos war.196 Und auch die noch zu diskutierende Inschrift für den König C.  Iulius Soaimos aus Heliopolis belegt den römischen Bürgerstatus der Herrscherfamilie. Antipater und seine Familie sind hier eine gute Vergleichsgruppe, da sie trotz der Bürgerrechtsverleihung unter Caesar den römischen Bürgernamen zunächst nicht verwendeten und lediglich eine Inschrift aus Athen für Agrippa I. die tria nomina bezeugt.197 Eine erst späte Verwendung des Bürgernamens im Herrscherhaus der Emesener schließt daher eine frühe Bürgerrechtsverleihung unter Caesar nicht aus, auch wenn in der Forschung ebenfalls eine solche erst unter Augustus 20 v. Chr. bei dessen Bestätigung der Herrschaft des Iamblichos II. diskutiert wird.198 Iamblichos I. unterstützte mit seiner Truppenentsendung aber dezidiert die Gegenpartei zu der Allianz seines Vaters, denn Strabon nennt ja Samsigeramos (und auch Iamblichos) als Unterstützter des Caecilius Bassus, eines Gefolgsmanns des 192

Jos. Bell.Jud. 1, 9, 3. Bell.Alex. 65. Der Feldzug gegen die Arsakiden war offenbar auch aufgrund von deren Einfluss auf den Bürgerkrieg in Syrien geplant: Cass.Dio 43, 51, 1; App. Civ. 58; Sullivan 1990, S. 200–201. Die Arsakiden griffen auf arabische Hilfstruppen zurück: Plut. Crass. 31, 7. 194 Zur Bürgerrechtsverleihung Caesars: Bell.Alex. 65, 4. Für eine spätere Bürgerrechtsverleihung an die Emesener Dynasten spricht sich Fisher 2020, S. 26 aus. 195 IGLS V 2760; Wright 2012, S. 74–75. 196 CIL VI 35556a = AE 1900, 134. 197 Braund 1984, S. 44. 198 Raggi 2010, S. 91. 193

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Pompeius. Vielleicht unterstützten beiden Herrscher Samsigeramos und Iamblichos im Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Caesar auch unterschiedliche Seiten als Antwort auf die komplizierte Situation der Klientelkönige in innerrömischen Konflikten, bei denen ja beide Seiten beanspruchten, für Senat und Volk von Rom zu stehen. Sollten die Emesener also in dieser Zeit durch einen formalen Bündnisvertrag an Rom gebunden gewesen sein, den sie von Pompeius erhalten hatten, wird deutlich, wie schwierig ein Einsatz für die eine oder andere Seite gewesen sein muss – vielleicht war daher die Lösung, Vater und Sohn jeweils andere Lager unterstützten zu lassen, um die Dynastie zu retten.199 Alternativ könnte auch die Niederlage der Pompeianer zum Herrscherwechsel geführt haben, bei dem Iamblichos durch die Entsendung von Truppen an Caesar seine neue Loyalität unter Beweis stellen wollte.200 40 bis 38 v. Chr. kam es wie bereits angesprochen zu einer Invasion der Arsakiden nach Syrien. Der arsakidische König Pakoros war offenbar in Syrien beliebt und dies könnte auch für die lokalen Dynasten ein Argument gewesen sein, mit ihm zu kooperieren.201 So berichtet Plutarch, dass die Arsakiden durch die lokalen Dynasten einige Unterstützung erfuhren.202 Schließlich installierten die Arsakiden in Judaia wieder einen Hasmonaier auf dem Thron und auch Malichos, der König der Nabataier, fühlte sich genötigt, nicht gegen ihre Interessen vorzugehen203. Für Sullivan konnte Emesa durch die Arsakiden nichts gewinnen, aber durch eine zu starke Unterstützung Roms einiges verlieren. Allerdings bezeichnen die Quellen Iamblichos in der Folge als „König einiger Araber“, so dass die Kooperation mit den Arsakiden möglicherweise eine Statuserhöhung zum König zur Folge hatte.204 Dies könnte auch der Hintergrund dafür sein, dass nach der erfolgreichen Abwehr der Arsakiden Marcus Antonius Strafmaßnahmen gegen die Emesener ergriff: Er scheint 37 v. Chr. Arethusa gemeinsam mit den Orten Larissa und Hierapolis an Monaeses, einen zu ihm übergelaufenen parthischen General, gegeben zu haben.205 Ob es sich bei dem hier genannten Arethusa um das emesenische Arethusa, oder um eine gleichnamige Küstenstadt handelte, ist schwer zu entscheiden.206 Der (mögliche) Verlust Arethusas könnte ein Anlass zur Gründung einer neuen Stadt Emesa gewesen sein.207 Abdulkarim sieht im Verlust von Arethusa einen massiven Eingriff

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Vgl. Sullivan 1990, S. 201. Vgl. Abdulkarim 1997, S. 54. 201 Cass.Dio 49, 20, 4. 202 Plut. Ant. 34. 203 Vgl. Baltrusch 2012, S. 61 ff. 204 Vgl. Sullivan 1990, S. 201–202. Vgl. dazu auch das Kapitel zur Herrschaftsorganisation der Emesener. 205 Strab. 16, 2, 10 und Plut. Ant. 37, 1–2, und 46,4; Cass.Dio 49, 24, 2. 206 Sullivan 1978, S. 210 spricht sich für das emesenische Arethusa aus. 207 Kropp 2013, S. 25–27. 200

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in das emesenische Herrschaftsgebiet208, während Sullivan darin keine „significant erosion of that little kingdom’s holdings“ erkennen möchte.209 Vielleicht war das Gebot zur Gründung einer neuen Hauptstadt aber auch Teil der Verhandlungen mit Rom, um die eigene Herrschaft nach einer Kooperation mit dem Feind zu retten. Es ist ebenfalls unklar, wie sich das Verhältnis des Iamblichos zu Marcus Antonius in der Folge entwickelte. Iamblichos scheint noch an den Vorbereitungen des Partherfeldzugs beteiligt gewesen zu sein. Vielleicht schon im Vorfeld dieses Feldzugs, als Antonius mit Unzufriedenheit im Heer und sogar Desertationen zu kämpfen hatte, ließ er Iamblichos hinrichten.210 Möglicherweise ging er diesen Schritt aber auch erst kurz vor Actium, als er wiederum Angst um die Loyalität seiner Verbündeten haben musste.211 Es ist aber auch möglich, in diesen Vorgängen die Auswirkungen einer inneremesenischen Rivalität zu sehen. Nach Plutarch war Alexander, der Bruder des Iamblichos, der Wunschkandidat für die Herrschaft im emesenischen Gebiet für Antonius und Kleopatra. Dieser kontrollierte offenbar Laodikeia am Libanon und wurde von Antonius zu Herodes geschickt, um ihn von einer Unterstützung Octavians bei Actium abzuhalten. Angeblich riet ihm Herodes, nach Rom zu reisen und dort bei Octavian mit Hilfe von Timagenes um Vergebung zu bitten. Octavian habe ihn jedoch ins Gefängnis geworfen.212 Plutarch sagt dann weiter, Octavian habe Alexander in Ketten in seine Heimat zurückgeschickt, wo er starb.213 In den Res Gestae wird allerdings berichtet, er sei beim Triumphzug des Octavian mitgeführt worden.214 Dies bestätigt auch Cassius Dio, der die Mitführung im Triumphzug auf den Verrat an Octavian zurückführt.215 Chad überlegt daher, ob Iamblichos I. als Unterstützer Octavians von seinem Bruder Alexander für Antonius verdrängt wurde. Die später epigraphisch bezeugte Aktische Ära in Arethusa könnte dann aus Dankbarkeit gegenüber Octavian übernommen worden sein, weil dieser die rechtmäßige Herrschaft im emesenischen Territorium wiederherstellte.216 Auch wenn diese Ära auf der Inschrift als Freiheitsära bezeichnet wird, bezöge sich dies dann nicht auf eine Herauslösung Arethusas aus dem emesenischen Herrschaftsbereich, sondern auf die Freiheit für das ganze emesenische Gebiet.217 Abdulkarim nimmt diese Ära allerdings als Beleg für eine Herauslösung Arethusas aus dem

208 209 210 211

212 213 214

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Abdulkarim 1997, S. 57. Sullivan 1978, S. 210. Sullivan 1990, S. 201–202. Cass.Dio 50, 13, 7; Sullivan 1978, S. 210. Plut. Ant. 61 Malchos = Iamblichos; 80. Plut. Ant. 80. R.Gest.div.Aug. 1, 27–28. Cass.Dio 51,1–2. IGLS V 2085. Chad 1972, S. 45–48.

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emesenischen Herrschaftsbereich, der in Folge im Norden deutlich beschnitten gewesen wäre.218 Unklar ist, wie sich die Situation des emesenischen Territoriums in der Folge gestaltet. Zwischen dem Tod des Iamblichos und der Herrschaftsübernahme des Iamblichos II. könnten bis zu 10 Jahre gelegen haben, denn vielleicht übernahm Iamblichos II. erst im Zuge von Octavians Reise durch den Osten 27 v. Chr. den Thron. Ein Grund dafür könnte eine mögliche Minderjährigkeit des neuen Königs beim Tod Alexanders gewesen sein.219 Spätestens 20 v. Chr. ist Iamblichos II. aber als König der Emesener bezeugt.220 Sullivan möchte diese Politik mit Augustus’ Zufriedenheit über das Wiedererlangen der bei Carrhae verlorenen Feldzeichen verbinden, bei denen die dann bestätigten Klientelherrscher möglicherweise eine Vermittlerrolle übernommen hatten.221 Erst in diesem zeitlichen Zusammenhang sieht Abdulkarim die Verleihung des römischen Bürgerrechts an das Emesener Herrscherhaus.222 Die Situation im Nahen Osten blieb aber in der Folge nicht statisch. Die geringe Truppenmenge in den Ostprovinzen machte weiterhin die Unterstützung durch Klientelkönige nötig, die Augustus etwa durch eine Erziehung ihrer Kinder in Rom einerseits förderte, andererseits aber auch kontrollierte.223 Die Klientelkönige waren auch untereinander durch Heiratsverbindungen und den gegenseitigen Kontakt der Hofgesellschaften verbunden.224 So befand sich ein Soaimos am Hof des Aretas, König der Nabataier, der von dessen Berater Syllaios getötet wurde, woraufhin Aretas diesen bei Augustus denunzierte.225 Chad sieht in ihm einen Emesener und versteht die Episode als Beleg für die enge Vernetzung der lokalen Dynasten.226 Auf Iamblichos II. folgte dessen Sohn Samsigeramos II. Er übernahm den Thron wohl gegen Ende der Herrschaft des Augustus oder zu Beginn der Herrschaft des Tiberius. Er ist aus drei Inschriften bekannt: aus der schon genannten Inschrift aus Rom für Gaius Iulius Glaucus, Freigelassener des Königs Samsigeramos227, aus einer aramaischen Inschrift für einen Alexander, die mit einem Verweis auf Samsigeramos, König von Emesa, endet228 sowie aus der schon genannten In218

Abdulkarim 1997, S. 60–61. So sieht es auch Kropp 2013, S. 26–27. Chad 1972, S. 45–48. 220 Cass.Dio 54, 9, 1–3. 221 Vgl. Cass.Dio 54, 8, 2; Sullivan 1978, S. 211–212. 222 Abdulkarim 1997, S. 61. 223 Chad 1972, S. 51–54; dazu Suet. Aug. 48. 224 Vgl. Sullivan 1978, S. 211. 225 Jos. Bell.Jud. 1, 29, 3. 226 Chad 1972, S. 60. 227 CIL VI 35556a = AE 1900, 134. 228 Cantineau 1931, S. 139 no. 18; vielleicht wird der gleiche Alexander genannt in einer Inschrift aus Palmyra zu Ehren von Tiberius, Germanicus und Drusus (Seyrig, Ant. Syr. I, 44, no. 6). 219

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schrift aus Heliopolis / Baalbek, in der sein Sohn als regis magni Samsigerami filius bezeichnet wird.229 Chad möchte den König von Emesa dann als Vermittler zwischen Rom und Palmyra sehen, weil beide Gemeinschaften durch den Handel eng verbunden waren.230 Dies scheint auch durch eine Inschrift aus Palmyra bestätigt, in der Samsigeramos II. gemeinsam mit Germanicus genannt wird.231 Insbesondere für die augusteische und nach-augusteische Zeit betont Konrad die strategische Bedeutung des Klientelreiches von Emesa für Rom, welches neben den Sicherheitsinteressen in der Grenzlage zu den Parthern insbesondere auch ökonomische Interessen bezüglich des Handels mit Indien und China verfolgte. Die Mission des Germanicus im Osten sieht sie denn auch unter diesen ökonomischen Vorzeichen.232 Die folgenden Veränderungen in den benachbarten Klientelreichen unter ­Caligula und Claudius scheinen das emesenische Gebiet nicht betroffen zu haben.233 Auf Samsigeramos konnte daher sein Sohn Azizos folgen, auch wenn erneut das genaue Datum des Thronwechsels unklar ist. Samsigeramos war 42 v. Chr. noch König, Azizos wird 53 n. Chr. zum ersten Mal erwähnt.234 Azizos war offenbar schon erkrankt, als er Drusilla, Schwester des Agrippa II., heiratete. Entweder kurz nach der Eheschließung oder erst nach der Trennung von Drusilla und deren Wiederverheiratung mit dem Prokurator von Judaia, Felix, einem Freigelassenen des Claudius, starb er.235 Diese Drusilla war zunächst Antiochos von Kommagene zur Ehe angeboten worden, dieser hatte jedoch abgelehnt, weil er für sie nicht zum Judentum konvertieren wollte. Daraufhin wurde Azizos als Ehemann ausgewählt, der offenbar keine Bedenken gegen eine Konversion hatte.236 Erkennbar wird vor allem die politische Agenda der Klientelherrscher, sich mit anderen Klientelkönigen zu vernetzen.237 Nach dem Tod des Azizos im ersten Jahr der Regierung Neros wurde sein Bruder Soaimos 54 n. Chr. König der Emesener. Dies ist durch eine fragmentarische lateinische Inschrift aus Heliopolis bekannt: „Rex Samsig[e]/ramus regis / [Sohae] 229 CIL

III 14, 387 = Dessau 8958 bzw. ILS 8958 = IGLS V 2760 = CIL III 14, 387; außerdem Cass.Dio 54, 9, 2; Jos. Ant.Jud. 18, 5, 4; 20, 8, 4. 230 Chad 1972, S. 63–64. 231 Cantineau 1931, S. 116–141, No. 18. 232 Konrad 2014, S. 48–50. 233 Cass.Dio 59, 8ff; Tac. Ann. 13, 23; Jos Ant.Jud. 20, 8, 4. 234 Jos. Ant.Jud. 19, 8, 1: König von Emesa ist Samsigeramos 42 v. Chr.; Ant.Jud. 20, 7, 1: Agrippa II. verheiratet seine Schwester Drusilla mit Azizos von Emesa 53 v. Chr.; vgl. dazu Sullivan 1978, S. 215. 235 Tod kurz nach der Eheschließung: Brenk / C anali De Rossi 2001, S. 412; Tod nach der Scheidung: Chad 1972, S. 69. Zu Felix: Tac. Hist. 5,9. 236 Jos. Ant.Jud. 20, 7, 1. Hier mag eine möglicherweise auch bei den Emesenern praktizierte Beschneidung eine Rolle gespielt haben: Lipiński 2011, S. 1082–1083. 237 Sullivan 1978, S. 215.

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mi [f]ilius / [3]“.238 Möglicherweise heiratete er eine weitere Drusilla, die erste Frau des Prokurators Felix, der in zweiter Ehe die gleichnamige Frau von Azizos geheiratet hatte. Diese Drusilla war nach Bennet eine Großenkelin von Antonius und Kleopatra, Enkelin von deren Tochter Selene und Tochter des Sohnes von Selene, Ptolemaios von Mauretanien. Bennet spekuliert außerdem, dass dieser mit einer emesenischen Prinzessin verheiratet war, die er in der epigraphisch bezeugten mauretanischen Königin Urania sieht.239 Sollten diese Spekulationen zutreffen, war das emesenische Königshaus sehr weiträumig vernetzt. Mit der Machtübernahme durch Nero 54 n. Chr. scheint es zu einer Neuordnung der Klientelreiche im Osten gekommen zu sein: Agrippa II. erhielt Teile von Galilaia mit Tiberias und Tarichaia sowie Teile von Peraia mit der Stadt Julias; Aristoboulos, Sohn des Herodes von Chalkis, wurde König von Armenia Minor und Soaimos folgte seinem Bruder Azizos als Herrscher von Emesa. Diese Neuordnung war offenbar eine Antwort auf einen Einfall der Arsakiden in Armenien, dem Nero mit umfangreichen Rüstungen begegnete.240 Armenia Minor wurde an Aristoboulos gegeben und Sophene an Soaimos cum insignibus regiis.241 In der Forschung ist umstritten, ob es sich hier um den Soaimos von Emesa handelt, wofür sich etwa Barrett ausspricht.242 Sophene war ein im Zuge der Parther-Abwehr strategisch wichtiges Gebiet, was auf ein großes Vertrauen Neros in Soaimos schließen lassen könnte. Für Abdulkarim bestand seine Aufgabe hier vor allem darin, die ‚Wüstenpolizei‘ zu kommandieren. Diese könnte vielleicht identisch mit der Truppe von 1300 Kavalleriesoldaten und 2700 Bogenschützen sein, die er später Cestius Gallus gegen die jüdischen Aufständischen zur Verfügung stellte.243 Auch die Dauer der Aktivitäten des Soaimos in der Sophene ist umstritten bzw. unklar. Für Sullivan endeten diese schon 60 n. Chr., da bei der Neuordnung Armeniens Soaimos im Gegensatz zu anderen Dynasten nicht mehr erwähnt wird.244 Nach Chad blieb er dort so lange, bis Corbulo im Einvernehmen mit den Parthern den neuen König Tigranes in Armenien installierte.245 Im Jüdischen Aufstand unterstützte Soaimos die römische Seite wie gesagt mit Truppen.246 In der schon zitierten Inschrift aus Heliopolis finden sich Informationen über die Ehren, die Soaimos in der Folge erhielt:

238

IGLS 2760. Bennett 2003, S. 318–319; vgl. auch Brenk / Canali De Rossi 2001, S. 411–412. 240 Tac. Ann. 13, 17. 241 Tac. Ann. 15, 15–16; 13, 6–7; Barrett 1977, S. 153. 242 Barrett 1977, S. 154–155. 243 Abdulkarim 1997, S. 63. 244 Sullivan 1978, S. 216, so auch Marciak 2017, S. 134–135. 245 Chad 1972, S. 70–71. 246 Jos. Bell.Jud. 2, 18, 9; 3, 4, 2; Tac. Hist. 2, 81, 1; Tac. Hist. 5, 1, 2–4. 239

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regi magno / C. Iulio Sohaemo, / regis magni Sam / sigerami f., Philo / caesari et Philo/ [r]ohmaeo, honora / t[o ornam.] consulari / b[us] …. / patrono coloniae, / II viro quinquenn., / L. Vitellius L. f. / Fab. Soss[i]a[nus247 Neben dem Titel eines Großkönigs, den schon sein Vater getragen hatte, nennt Soaimos sich hier philorhomaios und philocaesar und kann damit eine besondere Loyalitätsbeziehung zu Rom und dem Kaiser sichtbar machen. Das Patronat über die Kolonie von Heliopolis entspricht den üblichen Aufgaben der Klientelkönige, sich auch außerhalb ihres direkten Herrschaftsbereiches für die Belange Roms einzusetzen. Ähnliche Aktivitäten entfaltete auch Agrippa II.248 Agrippa erhielt allerdings lediglich die ornamenta praetoria.249 Soaimos wird durch die ornamenta consularia also mit einer größeren Ehre bedacht  – und wird entsprechend auch mehr für Rom geleistet haben müssen. Ob er diese Ehren mit seinem Einsatz in der Sophene oder aber seiner folgenden militärischen Hilfe für Cestius Gallus im Kampf gegen die aufständischen Juden erhielt, ist offen. Als 72 n. Chr. Antiochos von Kommagene der Verschwörung mit den Arsakiden bezichtigt wurde, stellte Soaimos wieder Truppen zur Verfügung, die bei der Eroberung der Kommagene kämpften.250 Kommagene und Kleinarmenien wurden in der Folge erobert und dem Römischen Reich hinzugefügt. Unklar ist, ob auch Soaimos abdanken musste und ob das Reich der Emesener in der Folge aufgelöst wurde, oder weiter bestand. Sowohl Soaimos als auch ein Reich der Emesener werden in den literarischen Quellen dann nicht mehr erwähnt.251 Eine Auflösung des Reiches gegen Ende der Herrschaft Vespasians oder unter Domitian scheint plausibel. Sommer argumentiert für eine Provinzialisierung zwischen 72 und 78 n. Chr.252 Konrad versteht die Auflösung des Königreiches von Emesa als Folge der veränderten Agenda Roms im Osten nach der Sicherung der wichtigsten EuphratÜbergänge in Folge der Partherkriege in der zweiten Hälfte des 1. Jhd. n. Chr.253 Unter Trajan wurde die römische Ostgrenze erneut reorganisiert, womit eine Wiederkenntlichmachung oder Neubestimmung der Grenzen des emesenischen Territoriums verbunden waren. Wenig später wurde die Grenze der Emesenoi und der Hadrianos Palmyrenoi auf dem schon genannten Grenzstein aus Qasr el-Heir el-Garbi festgelegt.254 Erst unter Antoninus Pius ist dann eine munizipale Münz-

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Dessau 8958 = IGLS V 2760. Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. Sullivan 1978, S. 217. Cass.Dio 66, 15, 4 Jos. Bell.Jud. 7, 7, 1. Chad 1972, S. 77–78; Sullivan 1978, S. 218. Sommer 2005, S. 63. Konrad 2014, S. 48–50. IGLS V 2552.

Zusammenfassung

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prägung in Emesa erkennbar, weshalb theoretisch bis dahin eine eigenständige Dynastie bestanden haben könnte.255 Schwierig als Beleg einer Eingliederung des emesenischen Königreiches in das Römische Reich schon in den späten 70ern n. Chr. ist die Grabinschrift eines Gaius Iulius Samsigeramus, auch Silas genannt, Sohn des Gaius Iulius Alexionus, zu verwenden. Diese an einem monumentalen Grabbau angebrachte Inschrift ist durch die seleukidische Ära auf 78/79 n. Chr. datiert.256 Auch wenn Soaimos 72 n. Chr. letztmalig als König bezeugt ist, muss das nicht heißen, das inzwischen das Königshaus abgesetzt wurde, da die beiden Personen aus der Inschrift auch aus einer Seitenlinie der Dynastie stammen könnten und daher nicht den Königstitel trugen.257 Noch bis ins 2. Jhd. n. Chr. lassen sich in den Inschriften Personen mit Namen erkennen, die der emesenischen Herrscherfamilie zugerechnet werden können.258 Ob auch die Familie der Iulia Domna und damit Elagabal wirklich Nachfahren des ehemaligen Herrscherhauses waren, ist in der Forschung umstritten.259 Gebhardt möchte noch in dem vom Lucius Verus als König von Armenien eingesetzten Soaimos einen Nachfahren des Emesener Königshauses sehen, das durch die Ehe des Samsigeramos mit Iotape mit dem armenischen Königshaus verwandt war.260

4.3 Zusammenfassung Die Betrachtung der Herrschaften der Ituraier und Emesener zeigt, wie sich lokale Anführer die sich ihnen in den Wirren des zerfallenden Seleukidischen Reiches und der sich in der Folge etablierenden Mächte bietenden Handlungsoptionen zunutze zu machen wussten. Mit ähnlichen Taktiken wie die Hasmonaier unter den rivalisierenden seleukidischen Thronprätendenten, könnte dabei der Ituraier 255

Kropp 2013, S. 27; Sullivan 1978, S. 218. IGLS V 2212 = OGIS 604. 257 Sullivan 1978, S. 219. 258 Die Personen aus IGLS V 2212–2217 werden im Kommentar als Mitglieder der ehem. Herrscherfamilie bezeichnet: 2213 Alexander, Sohn des Tmallatos 158 n. Chr.; 2214 Alexander 177 n. Chr.; 2215 Iotape 108 n. Chr.; 2216 Samsigeramos, Sohn des Soaimos, 157 n. Chr.; 2217 Titus Flavius Samsigeramos, Tribus Quirina; 2225 …. Sohn des Samsigeramos auf Fragment von Objekt; 2359 Tiberius Claudius Malichos; 2366 Malchi ? Tochter des Sohaimos; 2385 Nesrosamos, Sohn des Samsigeramos 99? n. Chr.; 2406 Sohaimos, Sohn des Aretas; außerdem kämen wegen der Namen noch in Frage: 2320 Ausallas (?) Sohn des Iamblichos 143 n. Chr.; 2340 Iulia Kyrilla; 2341–2345 erwähnen offenbar Männer mit Namen Iulius; 2346 Iulius Cheilos für seinen Bruder Iulius Marinus, Reiter der 3. Gallischen Legion 140 n. Chr.; 2347 Iulius Soaimos, Sohn des Amphion. 259 Vgl. Cleve 1988, S. 196–206. Kritisch Gebhardt 2002, S. 236. 260 Gebhardt 2002, S. 235. 256

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Mennaios, Vater des Ptolemaios, durch das Lavieren zwischen den Konfliktparteien die eigene Position ausgebaut und so die Grundlage für die Tetrarchie des Ptolemaios gelegt haben. Ptolemaios selbst könnte so eine Vertrauensstellung am Hof des Antiochos XII. oder eher seines Bruders Philippos in Damaskos erlangt haben, die ihm dort nach dem Tod des Königs durch Konkurrenten streitig gemacht wurde. Dieses Muster der Aushandlung der eigenen Position mit zentralen Mächten zieht sich dann durch die weitere Geschichte der ituraischen Eigenherrschaften, sei es in den Verhandlungen des Ptolemaios mit Tigranes oder Pompeius, denen des Lysanias mit Antonius sowie denen des Zenodoros mit Octavian / Augustus. Auch für die Dynastie von Arka könnte man solche Verhandlungen etwa durch die Truppenstellung oder die Umbenennung der Hauptstadt unterstellen. Die Dynasten von Emesa erhielten offenbar unter Pompeius eine Anerkennung ihrer bis dahin erlangten eigenständigen Herrschaft, die vielleicht in Form eines formellen Bündnisses mit der Verpflichtung, mindestens Geschenke, wenn nicht sogar Tribut an Rom zu zahlen, erfolgte. Dass ihnen dabei weiterhin der Titel des phylarchos und nicht etwa tetrarchos oder ethnarchos zugesprochen wurde, mag ein cleverer Schachzug des Pompeius gewesen sein: denn durch die Uneinheitlichkeit der Titel in der Region konnte einerseits auf die lokalen Verhältnisse Rücksicht genommen, andererseits die Konkurrenz der lokalen Dynasten in ihrer Loyalität zu Rom bestärkt werden mit der Hoffnung, durch loyales Handeln ‚höherwertige‘ Titel zu erlangen. Die intensive Konkurrenz der Dynasten erklärt, warum offenbar auch mit den Arsakiden kooperiert wurde, was der ituraische Tetrarch Lysanias von Chalkis zeigt, der dadurch vielleicht den Königstitel erhielt. Während Lysanias jedoch in der Folge hingerichtet wurde, konnten die Emesener Königstitel und Leben retten, mussten aber vielleicht mit Emesa eine neue Hauptstadt für ihr Reich errichten. Die Entwicklung der ituraischen und emesenischen Herrschaftsbereiche zeigt damit, dass die unter den Seleukiden etablierten Handlungsoptionen für lokale Eliten auch noch in der Phase der Eroberung Syriens durch Tigranes und später während der Etablierung der römischen Herrschaft über diesen Raum bestanden – und von den lokalen Eliten auch genutzt wurden. Ituraier und Emesener sind dafür aber nicht die einzigen Beispiele, denn in zahlreichen anderen Gemeinschaften sorgte diese Zeit politischer Veränderungen für das Erstarken mächtiger Anführer. Ein weiteres Beispiel wären Zenon Kotylas und sein Sohn Theodoros, die um Philadelphia und Gerasa sowie weitere Orte in Transjordanien einen eigenen Herrschaftsbereich aufbauen konnten, indem sie sich gegen lokale Konkurrenten wie die Hasmonaier durchzusetzen bemühten.261 Und auch etwa in Tyros bemühte sich der schon genannte Dynast Marion um die Etablierung einer starken lokalen Herrschaftsstellung – auch gerade auf Kosten seiner Nachbarn. So betrieb er in der Zeit der römischen Bürgerkriege nach der Ermordung Caesars eine aktive Gebiets261

Jos. Bell.Jud. 1, 4, 3–4. Tetrarchien um Gardara nennt auch Plin. Nat.Hist. 5, 74.

Zusammenfassung

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erweiterung, bei der er auch Gebiete in Galilaia besetzte. Erst eine Anordnung von Antonius führte zu deren Rückgabe an Herodes.262 Das Erscheinen der Römer bedeutete dabei für die ‚local power holders‘ also zunächst eine Fortsetzung der unter den späten Seleukiden bewährten Handlungsmuster. Dies wird etwa auch deutlich an einem weiteren Beispiel, dem des arabischen Dynasten Alchaudonios. Dieser bot Lucullus 69 v. Chr. eine Allianz gegen Tigranes an.263 Vermutlich ist er identisch mit dem bei Strabon als König der Rhambaier genannten Alchaidamnos, der nach der Niederlage des Crassus gegen die Parther von den Römern abfiel, dann aber zum Unterstützer des Caecilius Bassus wurde.264 Scharrer sieht in ihm ein Beispiel für die Möglichkeiten der lokalen Dynasten, die sich bietenden Handlungsoptionen zur Festigung und zum Ausbau ihrer eigenen Stellung auszunutzen.265 Und sie taten dies eben auch noch nach dem Erscheinen der Römer, deren Herrschaft zunächst durch die Bürgerkriege offenkundig ähnliche Bedingungen wie unter den letzten Seleukiden bot. Dabei muss ein auch bei den Ituraiern erkennbaren Motiv noch einmal betont werden, nämlich die intensive Konkurrenz der sich etablierenden lokalen Dynastien untereinander und gegenüber ihren weiteren Nachbarn, wie etwa den Städten. Die Eroberungsversuche des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, gegenüber Damaskos oder die interne Konkurrenz zwischen den führenden Familien innerhalb der Gebiete der Ituraier können dabei nicht als Ausdruck eines besonders ‚barbarischen‘ Verhaltens gesehen werden, wie etwa Josephus es uns glauben machen möchte. Diese Konflikte sind im Gegenteil fester Bestandteil der Geneseprozesse der Eigenherrschaften auch der weiteren Region. Wieder können die Hasmonaier und Nabataier als Vergleichsbeispiele herangezogen werden. So konkurrierten die Hasmonaier etwa in Transjordanien mit einer Reihe kleinerer Gemeinschaften um die Kontrolle von Territorien in teils gewaltsamen Konflikten.266 Konkurrenz und gewaltsame Auseinandersetzungen gab es auch zwischen den von den Ptolemaiern eingesetzten und zunächst von den Seleukiden bestätigten Tubiaden im nördlichen Jordanien und den Nabataiern.267 In der Folge gerieten die Nabataier in Konflikt mit den Hasmonaiern, mit denen sie um Einfluss und Kontrolle über verschiedene Gebiete und Handelsrouten entlang ihrer gemeinsamen Grenze stritten.268 Insbesondere die Eroberung von Gaza und seinem Umland durch 262

Baltrusch 2012, S. 65–66; Baumann 1983, S. 132; Vogel 2002, S. 71; vgl. Jos. Ant.Jud. 14, 12, 2 zum Brief des Antonius mit Anordnung der Rückgabe. 263 Cass.Dio 36, 2, 5. 264 Strab. 16, 2, 10 und Cass.Dio 40, 20, 1. 265 Scharrer 2010, S. 315. 266 1 Makk. 5, 6; 1 Makk. 5, 39; 2 Makk. 12, 10–12; 2 Makk. 8, 32; 1 Makk. 5, 25; vgl. Kasher 1988, S. 27–32; Sartre 2001, S. 413. Außerdem 1 Makk. 9, 32–42; Jos. Ant. Jud. 13, 1, 2. 267 Jos. Ant.Jud. 12, 4, 11. Vgl. Pfeiffer 2011, S. 209–210. 268 Healey 2001, S. 29.

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Die historische Entwicklung der Eigenherrschaften

Alexander Jannaios hatte ökonomische Konsequenzen für die Nabataier, denen damit der direkte Zugang zum Mittelmeer verloren ging.269 Spätestens nach dem Tod des Alexander Jannaios mischten sich die Nabataier immer wieder auch in die hasmonaische Innenpolitik ein. So halfen sie während der Herrschaft seiner Witwe deren Gegnern.270 Im hasmonaischen Thronfolgestreit ab 67 v. Chr. unterstützten sie auf Vermittlung Antipaters, des Vaters des Herodes, Hyrkanos II.271 Hyrkanos versprach als Gegenleistung, zwölf Dörfer an der judaisch-nabataischen Grenze zurückzugeben.272 Antipater war als Statthalter von Idumaia offenbar gut mit den Nabataiern vernetzt und mit einer Nabataierin von hohem Stand verheiratet, weshalb er gute Verbindungen zum Königshof unterhielt.273 Diese Rivalität bestimmte auch wesentlich die Darstellung der jeweiligen Konfliktparteien in den Quellen, wie dies besonders an den Auseinandersetzungen um Damaskos im Bericht des Josephus deutlich wird. Nicht umsonst betont Josephus hier, dass die Ituraier „schwere Nachbarn“ gewesen seien.274 Wenn sich aber die Aktivitäten der Ituraier und der Emesener im Rahmen der Ausschöpfung der sich bietenden Handlungsoptionen und der ‚üblichen‘ Konkurrenz der Nachbarn bewegten, dann waren ihre Eigenherrschaften vermutlich wesentlich besser organisierte Gemeinwesen, als es die negativen Bezeichnungen in den Quellen und auch der älteren Forschungsliteratur vermuten lassen. Dazu wird sich das folgende Kapitel mit der Frage nach genau dieser Organisation der Gemeinwesen befassen.

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273 274

Erickson-Gini 2010, S. 38. Jos. Ant.Jud. 13, 16, 2; Bowersock 1983, S. 25. Jos. Ant.Jud. 14, 1, 4. Dies waren Madeba, Naballo, Libyas, Tharabasa, Agala, Athone, Zoar, Orone, Marissa, Rudda, Lussa, Oruba: Jos. Ant.Jud. 14, 1, 4; vgl. Lawlor 1974, S. 44. Jos Ant.Jud. 14, 7, 3; Bell.Jud. 1, 8, 9; vgl. Bowersock 1983, S. 27. Jos. Ant.Jud. 13, 16, 3.

5. Herrschaftsstrukturen

Um die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener besser verstehen zu können, muss auch nach der konkreten Gestaltung ihrer Herrschaftsstrukturen gefragt werden. Trotz der sehr kleinen Quellenbasis zu diesem Thema sind hier durchaus Überlegungen möglich, die über die bisherigen Vorstellungen gerade auch der älteren Forschung hinausgehen. Daher sollen im Folgenden zunächst für die Ituraier und dann für die Emesener Informationen zu Herrschaftsorganisation und Administration sowie zur Territorialkontrolle und zum Ressourcenzugriff zusammengetragen werden.

5.1 Herrschaftsstrukturen der Ituraier 5.1.1 Herrschaftsorganisation und Administration der Ituraier Die Organisation von Herrschaft, Territorialkontrolle und Verwaltung sind wesentliche Elemente eines Gemeinwesens, aber für die Ituraier können sie nur in Ansätzen nachvollzogen werden. Trotzdem kann das Dictum von Knauf – „one may say that the Ituraeans did not form a state, they just owned one“1 – nicht hingenommen werden. Denn die vorangegangenen Kapitel haben deutlich gemacht, dass die Genese der ituraischen Eigenherrschaft nicht durch eine Infiltration oder Eroberung eines Gebietes durch Nomaden erklärbar ist, sondern im Gegenteil aus der erfolgreichen Ausnutzung der sich bietenden Handlungsoptionen für Mennaios und Ptolemaios, Sohn des Mennaios, und deren Nachkommen. Aber wie genau der ituraischen ‚Staat‘ aussah, ist in den Quellen nur zu erahnen. Dies gilt zunächst für die Frage, welche rechtliche Stellung die ituraischen Dynasten für sich beanspruchten. Die Quellen geben keinen Hinweis darauf, in welcher konkreten Position sich diese vor der Herrschaft des Tigranes über Syrien befanden und auch für die Zeit danach ist die Überlieferungslage nur schwer abschließend deutbar. An wenigen Stellen überliefern die literarischen Quellen Beschreibungen der herrschaftlichen Stellung des Ptolemaios. Josephos nennt ihn bei der Beschreibung der Verwicklungen um den hasmonaischen Erbfolgestreit zwischen Hyrkanos und Aristoboulos dynastes von Chalkis am Libanon.2 Das ist eine offenbar gebräuchliche Bezeichnung für einen lokalen Potentaten, ohne dass daraus konkretere Informationen gewonnen werden können. Im Kontext der Erhebung des Caecilius Bassus in

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Knauf 1998, S. 276. Jos. Ant.Jud. 14, 7, 4 und Bell.Jud. 1, 9, 2.

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Apameia beschreibt Strabon dessen Allianzen mit benachbarten phylarchoi. Dazu zählt er dann auch Ptolemaios, Sohn des Mennaios: ὧν ἐστι […] οὐ πόρρω δ᾿ οὐδ᾿ Ἡλιούπολις καὶ Χαλκὶς ἡ ὑπὸ Πτολεμαίῳ τῷ Μενναίου, τῷ τὸν Μασσύαν κατέχοντι καὶ τὴν Ἰτουραίων ὀρεινήν.

„Zu diesen Plätzen gehörte […] nicht weit davon auch Heliopolis und Chalkis, dem Ptolemaios, des Mennaios Sohne, unterworfen, welcher Marsyas und das Bergland der Ituraier besaß.“3

Es kann nicht überraschen, dass einige vor allem ältere Arbeiten die Ituraier daher als eine Stammesherrschaft verstanden, die über einen nicht vollständig sesshaften kriegerischen Nomadenstamm ausgeübt wurde.4 Insofern könnte seine Herrschaft als eine Art Stammeskonföderation verstanden werden. Dass Plinius in seiner Naturgeschichte eine Untergruppe der Ituraier nennt  – zu einer Zeit, als es schon kein eigenständiges ituraisches Herrschaftsgebiet mehr gab – ist aber kein Beleg für eine solche Stammeskonföderation.5 Gatier versteht die ituraischen Dynasten dagegen eher als Anführer von Banden oder Söldnertruppen.6 Die vorausgegangenen Überlegungen zur Genese der ituraischen Eigenherrschaft haben aber bereits verdeutlicht, dass Ptolemaios, Sohn des Mennaios, eine Rolle innerhalb der Herrschaftsstruktur der späten Seleukiden spielte. Und zum Zeitpunkt der Revolte des Caecilius Bassus, über die Strabon in der obigen Textstelle berichtet, trug Ptolemaios ausweislich seiner Münzen bereits einen anderen Titel, nämlich Tetrarch und archiereus. Die meist datierten Münzen nutzen die seleukidische Ära, einige tragen auch das Datum Jahr 2 einer möglichen pompeianischen Ära.7 Daraus schließt Schwentzel, dass Ptolemaios seine Position als lokaler Dynast zunächst von Tigranes und dann von Pompeius anerkannt bekam.8 Der Titel Tetrarch ist dabei offenbar eine pompeianische Neuschöpfung insofern, als er hier durch Pompeius zum ersten Mal im Sinne der Anerkennung einer lokalen Herrschaftsstellung, die aber nicht ein lokales Königtum ist, verwendet wurde. Zuvor war der Titel offenbar als Bezeichnung für einen Stammesführer in Thessalien und in Kleinasien bei den einfallenden Galatern verwendet worden, und hier hatte Pompeius diesen vielleicht auch kennengelernt und dann bei seiner

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Strab. 16, 2, 10. Vgl. Schottroff 1982, S. 137; Knauf 1998, S. 276; Dar 1988, S. 28. 5 Plin. Nat.Hist. 5, 81: Ituraeorum gentem et qui ex his Baethaemi vocantur; Übersetzung von König. Vgl. J. Aliquot 1999–2003, S. 181. 6 Gatier 2002, S. 121. 7 Herman 2006, Nr. 4–6. 8 Schwentzel 2009, S. 68. Ähnlich auch bei Atkinson 2016, S. 96; Myers 2010, S. 104–106. Für Coşkun 2015, S. 187, gehören Titel und Münzen in die Zeit nach der Neuordnung des Ostens durch Marcus Antonius. 4

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Abb. 8: Münze des Ptolemaios, Sohn des Mennaios mit dem Kopf des Zeus auf dem Avers, den Dioskuren auf dem Revers und der Legende Ptolemaiou (rechts) Tetrarchou (links) Archi (im Abschnitt) im Lorbeerkranz, SNG Kopenhagen 414.

Neuordnung des Ostens darauf zurückgegriffen. Tetrarch ist aber in hellenistischer Zeit auch eine militärische Rangbezeichnung für den Anführer eines Viertels einer Truppe bzw. bei der Reiterei für den Führer von vier Zügen.9 Möglicherweise ist der Tetrarchen-Titel daher ein Hinweis darauf, dass die mit dem Titel anerkannte Stellung des Ptolemaios ursprünglich aus einem seleukidischen militärischen Kommando und daraus dann hervorgehend einer vor allem militärischen Kontrolle eines bestimmten Gebietes entstand. Hier könnte überlegt werden, ob die letzten seleukidischen Herrscher in Syrien eine ähnliche militärische Kommandostruktur schufen, wie sie in Babylonien durch den Titel des „general above the four generals“ ausgedrückt wurde. Dieser Titel spiegelte nach Ramsay eine vor allem seit dem letzten Drittel des 2. Jhd. v. Chr. vermehrt in den Astronomischen Tagebüchern in Babylon in Erscheinung tretende seleukidische Kommandostruktur der Truppen in Babylon unter offenbar vier Generälen mit festgelegten Kommandobezirken und einem Oberbefehlshaber, der oft aus dem Umfeld der königlichen Familie stammte.10 Denkbar wäre, dass eine solche Struktur auch in Syrien (und Kleinasien?) geschaffen wurde. Dies hätte den seleukidischen Königen einerseits die Möglichkeit gegeben, militärische und organisatorische Tatkraft zu demonstrieren. Andererseits hatten die letzten seleukidischen Könige immer weniger zu verteilen – solche neuen Titel, Ämter und Strukturen zu schaffen hätte die Möglichkeit geboten, diese Tatsache zu verschleiern und gleichzeitig Anhänger durch attraktive Posten zu binden oder zu gewinnen. Tigranes und in seiner Folge Pompeius hätten dann mit der Akzeptanz des Titels des Tetrarchen lediglich eine bereits existente Kommando- und Ehrenstellung anerkannt. Der Stellung als Tetrarch ist außerdem noch eine religiöse Oberhoheit hinzugefügt, denn Ptolemaios war auch archiereus.11 Was konkret dieser Doppeltitel

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Vollmer 1991, S. 436–441. Zur insbesondere makedonischen Verwendung vgl. auch SEG 40, 524 aus Amphipolis. 10 Ramsay 2019, S. 439–448. 11 Herman 2006, Nr. 4–6.

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Herrschaftsstrukturen 

Abb. 9: Münze des Ptolemaios, Sohn des Mennaios mit Gegenstempel, auf dem Avers Zeus mit Lorbeerkranz, auf dem Revers fliegender Adler nach rechts; Herman 2009, 7.

bedeutet, ist in der Forschung umstritten. Denn einerseits orientiert sich dieser Titel klar an den hellenistischen Vorbildern, da unter den Ptolemaiern und in deren Folge den Seleukiden der Statthalter von Koilé-Syrien strategos kai archiereus hieß.12 Auch die hasmonaischen Herrscher nannten sich ethnarchos kai archiereus und könnten damit als Vorbilder für diese Titelwahl gedient haben.13 Andere hellenistische Herrscher wie die Herrscher von Olba in Kilikien nannten sich toparchos kai archiereus.14 Und die Könige der phoinikischen Städte bezeichneten sich als Könige und Priester, mlk und khn.15 Diese Vorstellung einer Kombination aus höchster herrschaftlicher und höchster religiöser Autorität entspräche hellenistischen Vorstellungen von Königtum, in denen eine besondere Beziehung zu den Göttern bzw. deren besonderes Wohlwollen ja ebenfalls eine wichtige Rolle spielte.16 Diese Ideologie lässt sich etwa auch in einer Inschrift aus Maresha für Olympiodoros erkennen, der von Seleukos IV. zum strategos kai archiereus für Koilé-Syrien und

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Tscherikower 1937, S. 38 nach OGIS 230, vgl. Myers 2010, S. 101. Zu der Ernennung von archiereis als zivile Beamte mit Kompetenzen u. a. in der Steuererhebung, die nicht mit den jüdischen Hohepriestern identisch waren unter Antiochos IV. vgl. Büchler 1899, S. 12–13. Zu den Umständen dieses Titels als Teil einer seleukidischen Maßnahme zur besseren Kontrolle der Heiligtümer vgl. Capdetrey 2007, S. 173. Zu Titulatur strategos kai archiereus für den Statthalter des ptolemaischen Zypern: Müller 2000, S. 537–538. Müller konstatiert: „Die Genese des Amtes muss also in zwei getrennten Schritten erfolgt sein; deren erste bestand in der organisatorischen Zusammenfassung der staatlichen Aufsicht über die schon früher  – freilich speziell unter fiskalischen Aspekten  – direkter königlicher Kontrolle unterworfenen Heiligtümer durch die Schaffung einer Hierarchie im ursprünglichen Sinn des Wortes und der Berufung eines nicht für einzelne Kulte einzelner Gottheiten verantwortlichen, sondern über alle Heiligtümer seines Kompetenzbereiches Vollmacht ausübenden, Anordnungen wie Genehmigungen erteilenden obersten Priesters“ (S. 535), woraus sich dann ein Amt im Dynastiekult entwickelt habe. Vgl. Eckhardt 2013, S. 299; vgl. Schürer 1890, S. 597. Hill 1899, S. 194ff; vgl. Kropp 2013, S. 8–10; Capdetrey 2007, S. 168. Schwentzel 2009, S. 66. Vgl. Chaniotis 2002, S. 106.

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Phoinikien ernannt wurde, da der König seiner Sorge um das Volk und die Götter nachkommen wollte.17 Aber auch im weiteren Umfeld der Ituraier musste eine solche Kombination einer ‚zivilen‘ Titulatur als Tetrarch und einer ‚religiösen‘ Titulatur als Hohepriester als Ausdruck dieser hellenistischen Vorstellungen erkennbar werden und zwar durch die benachbarten Städte. Zwischen 147/6 und 139/8 v. Chr. erhielt Seleukeia Pieria den Beinamen hiera, 139/8 v. Chr. dann den Titel asylos und 109 v. Chr. autonomos. Vielleicht noch einflussreicher für Ptolemaios, Sohn des Mennaios, nannte sich Tyros seit 126/5 v. Chr. hiera kai asylos auf den Münzen, welche dank der Wirtschaftsmacht der Stadt im gesamten syrischen Großraum als Zahlungsmittel anerkannt und verwendet wurden. Auch Antiocheia sollte sich auf seinen Münzen von 47 v. Chr. hiera kai asylos kai autonomos nennen.18 Die von den jeweiligen seleukidischen Herrschern vergebenen Beinamen bzw. damit zusammenhängenden Privilegien mussten für die lokalen Gemeinschaften Herrschaft bzw. die entsprechend abgeleitete privilegierte Stellung als eine Kombination aus religiösen und politischen Rechten erscheinen lassen. Diesem Modell folgt die Bezeichnung als Tetrarch und Hohepriester. Der Titel reiht sich also klar in hellenistische Herrschaftsvorstellungen ein, nur dann kann er in einer hellenisierten Umgebung auch als legitim angesehen worden sein. So sieht Lévy in den seleukidischen Strategen und Hohepriestern Verwaltungsbeamte der Seleukiden, die einerseits die zivile Administration übernahmen und andererseits für den provinzialen Herrscherkult zuständig waren. Die Ituraier hätten von diesen dann den Doppeltitel ‚geerbt‘, ohne tatsächliche religiöse Aufgaben ausgeführt zu haben.19 Wenn aber wie aufgezeigt das Amt des Hohepriesters die religiöse ‚Komponente‘ des hellenistischen Herrscherverständnisses ausdrücken sollte, dann waren damit sicher auch religiöse Kompetenzen im Sinne einer umfassenden Aufsicht und Fürsorge für die Kulte im Herrschaftsbereich verbunden. Andere Forscher betonen dagegen die indigene Dimension des Doppeltitels. So denkt Schottroff, der griechische Begriff des Tetrarchen sei ein Versuch, ein arabisches Stammesfürstentum, das schon die Vorfahren des Ptolemaios bekleidet hätten, in für die politischen Großmächte der Zeit akzeptable Formen zu gießen. So sei auch der Titel des Hohepriesters Teil der Stammesorganisation, in der der Scheich gleichzeitig oberster Religionshüter seines Stammes gewesen sei.20 Dazu passen Überlegungen von Grainger zu den Hohepriestern indigener Kulte des Na-

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Inschriftentext und Übersetzung bei Cotton / Wörrle 2007, Übersetzung S. 193. vgl. Lichtenberger 2009, S. 154–5; Butcher 2004, S. 221–222. Ein weiteres Beispiel ist Laodikeia mit den Beinamen ieras, asylos, autonomos und nauarchos: I. Tyr. 51; vgl. dazu Aliquot 2015, S. 164–165. 19 Lévy 1949, S. 183–184. 20 Schottroff 1982, S. 138–139; so auch Knauf 1998, S. 273. 18

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hen Ostens, die er als indigene Autoritäten jenseits der griechisch-makedonischen Zentralmächte verstanden wissen möchte. Die indigenen Kultzentren in Jerusalem, Baalbek, Emesa, Edessa etc. wären dabei Zentren der gemeinschaftlichen Identität gewesen, aus denen sich dann die politischen Zentren der Eigenherrschaften entwickelt hätten. Parallel dazu seien aus den Hohepriestern Könige und Dynasten dieser neuen Eigenherrschaften geworden.21 Diese Hohepriester waren für ihn zunächst „intermediaries“ zwischen seleukidischen Königen und lokaler Gemeinschaft, ähnlich wie dies für die Städte die dortigen Amtsträger gewesen seien. Ihre Autorität sieht er als Teil der „assertion of identity and independence among the Semitic groups, generally located in the countryside“.22 Für Grainger sind also diese lokalen Kulte bzw. deren Priester die Keimzellen der indigenen Eigenherrschaften und dies gilt für ihn auch für die Ituraier.23 Eine solche Priesterwürde sehen dabei einige mit dem Heiligtum in Heliopolis / Baalbek verbunden24, auch wenn es dazu keine expliziten Quellen gibt.25 In jüngster Zeit hat Kropp nachweisen wollen, dass alle Amtsträger mit dem Titel archiereus im griechischen Osten dazu eine tatsächliche priesterliche Funktion an einem Heiligtum ausübten und dass Heliopolis als bislang einzig bekanntes überregional bedeutendes Heiligtum im Herrschaftsgebiet der Ituraier ein guter Kandidat sei. Dies gelte umso mehr, da hier auch der jüngere Zenodoros bestattet worden sei und der Ort daher eine Verbindung zur Ituraierdynastie habe.26 Als letztes Argument führt er an, dass Ptolemaios den Titel archiereus lediglich auf solchen Münzen nutze, auf denen er auf dem Revers Zeus abbilde, also vielleicht den Baal aus Heliopolis meint.27 Betrachtet man allerdings den Katalog der iturai-

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Grainger 2015, S. 144–145. Grainger 2015, S. 144–149. Diese Entwicklung ist aber sicher nicht auf Syrien beschränkt, denn sie lässt sich z. B. auch in Kleinasien nachweisen. Hier trifft z. B. Cicero in Kilikien auf einen sacerdos, der Truppen um sich scharte und dem von Cicero als legitimer König eingesetzten Ariobarzanes zunächst die Herrschaft streitig machte: Cic. Fam. 15, 4, 6. Allerdings denkt auch Kaizer (Kaizer 2005, S. 187), dass die Ituraier eine indigene Kultgemeinschaft mit ihrem Zentrum in Baalbek waren. Kaizer verbindet dies mit einer Stelle bei Appian, in der dieser über die Reorganisation des Ostens unter Pompeius berichtet und dabei anmerkt, dass Pompeius Archelaos zum Priester der Göttin von Komana gemacht habe, was ein königliches Amt gewesen sei. (App. Mithr. 12, 114) Allerdings bezieht sich diese Aussage explizit auf die Priesterwürde in Komana und muss nicht automatisch für alle Priesterwürden im Nahen Osten gegolten haben. Es kann also kein Beleg dafür sein, dass Ptolemaios, Sohn des Mennaios, ein indigener Hohepriester in Heliopolis / Baalbek war, der dann zum Tetrarchen aufstieg. Schottroff 1982, S. 138–139; Grainger 2015, S. 144–145. Vgl. die Diskussion bei Myers 2010, S. 96. Dieses Argument betont auch Herman 2002, S. 90–91. Kropp 2013, S. 30.

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schen Münzen von Herman, stellt sich die Situation nicht ganz so eindeutig dar: Ja, die Münzen mit Zeus mit Lorbeerkranz auf dem Avers tragen auf dem Revers den Titel Tetrarch und Hohepriester, allerdings gibt es hier sehr viele verschiedene Schreibweisen und Abkürzungsvarianten sowie keine einheitliche Reihenfolge. Zwei Münzen tragen auch nur den Titel Tetrarch, auf einigen ist der Hohepriestertitel lediglich abgekürzt durch ein Monogramm (in der hier sicher zuverlässigen Auflösung von Herman) präsent. Dieses Monogramm findet sich dann aber auch auf dem Revers von Münzen, deren Vorderseiten Artemis bzw. Athene zeigen und keine weitere Titulatur, wohl aber ein von Herman zu Ptolemaios aufgelöstes Monogramm tragen.28 Eine Priesterwürde für Zeus kann damit mit diesen Münzen nicht belegt werden. Vielmehr bietet sich eine Bemerkung von Adrade an, der die Annahme von Priesterstellen durch lokale Dynasten im Zuge der politischen Umbrüche der späten Seleukidenzeit als Teil der Autoritätsusurpation dieser lokalen Kräfte versteht.29 In diesem Sinne wäre der Titel des Ptolemaios Indiz für die Usurpation nicht nur einer weltlich-militärischen Führungsrolle in der Region, sondern auch der Zugriffsrechte auf das oder die wichtigste / wichtigsten Kultzentrum / zentren in seinem Herrschaftsbereich. Durch seine militärischen Möglichkeiten wäre er der ideale Beschützer dieser Kultzentren und könnte gleichzeitig seine Autorität in der Region durch eine Priesterschaft stärker in der lokalen Gemeinschaft verankert haben. Damit würde auch durch die Hohepriesterwürde die seleukidisch-hellenistische Herrschaftsvorstellung des Ptolemaios erkennbar. Auch diese Überlegungen würden zu einer postulierten Stellung des Ptolemaios als Amtsträger unter Antiochos XII. oder eher wohl Philippos I. passen, der dann eigenständig wurde. Eine solche Genese der ituraischen Eigenherrschaft als Verselbständigung eines seleukidischen Amtsträgers mit seinem Amtsbereich könnte auch erklären, warum Ptolemaios weder unter Tigranes noch unter Pompeius einen Königstitel verwendete: er verstand sich eben nicht als indigener Fürst, der jetzt für seine Gemeinschaft als König gelten wollte, sondern sah sich als ehemaliger seleukidischer Amtsträger, der sich auch unter Tigranes noch als loyaler ‚Mitarbeiter‘ präsentieren wollte. Erst beim Erscheinen des Pompeius scheint dann durch den Tetrarchen-Titel eine Selbständigkeit seiner Herrschaft ausgedrückt worden zu sein. Dabei ist vielleicht zu bedenken, dass sich für die Zeitgenossen die Machtverhältnisse weniger eindeutig darstellten und eine Rückkehr der Seleukiden bis zum Auftauchen des Pompeius noch für möglich gehalten worden war.

28

Herman 2006, S. 58–64. Zur Reihenfolge der Titel: Tetrarch und Hohepriester No. 4.1–4.8, 4 C1, 4.e1–4.k1; Hohepriester und Tetrarch No. 4.b1; nur Tetrarch No. 4.d1; Tetrarch und Hohepriester als Monogramm No. 7.1–7.c1; nur Monogramm Hohepriester No. 8.1–9.a4. 29 Andrade 2013, S. 63.

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Der Nachfolger des Ptolemaios, Lysanias, trägt auf den Münzen den Titel Tetrarch und Hohepriester, sein Porträt auf dem Avers ziert jedoch ein Diadem.30 Cassius Dio spricht Lysanias als „König der Ituraier“ an und auch Josephos nennt ihn an zwei Stellen König.31 Nach Schürer unterschieden die antiken Autoren nicht immer sauber zwischen Tetrarchen und basileis.32 Schwentzel versteht das Diadem als Ausdruck der semitischen Hohepriesterwürde und seines Prestiges gegenüber der eigenen Bevölkerung.33 Dagegen geht Dumke davon aus, dass ein Diadem Zeichen einer hellenistischen Königswürde ist, wobei diese nicht automatisch auch eine autonome Herrschaftsposition bezeugen muss, da etwa in Baktrien mehrere basileis gemeinsam herrschten.34 Ähnlich hält auch Haake fest, dass basileus-Titel und Diadem zwei im hellenistischen Kontext eng zusammengehörige Herrschaftsinsignien waren, die insbesondere auch von lokalen Dynasten genutzt wurden, beide seien als „Ausdruck von Macht und Machtansprüchen“ und deren Anerkennung durch relevante Kommunikationsgruppen zu verstehen.35 Insofern könnte man postulieren, dass eine Unterscheidung zwischen Tetrarchen und Königen seit Augustus nicht mehr sauber getroffen wurde und beide Stellungen im Sprachgebrauch und im Gebrauch der Herrschaftssymbole kaum voneinander unterschieden wurden. Dagegen spricht allerdings die schon berichtete Episode bei Josephos, die die Nachfolger des Herodes betraf: Nachdem Tiberius Agrippa ursprünglich unter Arrest gestellt hatte, wurde er nach dessen Tod von Caligula wieder in seine Herrschaft eingesetzt und als König zurück in sein Reich geschickt. Danach – so berichtet Josephos – habe Herodias, seine Schwester und Ehefrau des Tetrarchen Herodes, aus Eifersucht ihren Mann zur Erbittung der Königswürde gedrängt.36 Auch wenn diese Episode, die im Übrigen für den Tetrarchen Herodes und seine Ehefrau Herodias mit der Verbannung nach Lugdunum und der Übergabe der Tetrarchie an Agrippa endete, sicher im Kontext von Josephos’ misogyner Geschichtslogik zu sehen ist, macht sie deutlich, dass noch im fortschreitenden 1. Jhd. n. Chr. sehr genau auf den Unterschied zwischen Königen und Tetrarchen geachtet wurde. Offenkundig waren diese Titel auch Teil der Konkurrenz zwischen den lokalen

30 31

32 33

34 35 36

Herman 2006, S. 64–68. Cass.Dio 69, 32,15. Jos. Bell.Jud. 1, 13, 1 und 1, 22, 3; außerdem König in Eus. Chron. (arm.) S. 79/ Porph. Chronik FGrH 260 F 2, 17. Für Coşkun 2015, S. 186, zeigt die Münze ein Porträt des Ptolemaios. Schürer 1890, S. 598. Schwentzel 2009, S. 69–70. Ähnlich auch Myers 2010, S. 109. Dumke 2012, S. 392. Haake 2012, S. 304. Jos. Ant.Jud. 18, 7, 1: „Auf, lass uns nach Rom gehen, und sparen wir weder Mühe noch Gold und Silber, weil es gewiss nicht besser ist, Reichtümer aufzuspeichern, als sie auf die Gewinnung eines Königsthrons zu verwenden.“ Übersetzung von Clementz.

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Abb. 10: Münze des Lysanias mit Diadem, unter dem Kinn Monogramm ΘΕ, was als Abkürzung für Tetrarch gedeutet wird, Athene Nikephoros auf dem Revers mit der Legende archiereus, RPC 1, 4770.

Dynasten – und mindestens unter den Nachkommen des Herodes scheint diese Konkurrenz sehr ausgeprägt gewesen zu sein. Das macht es schwierig, die grundsätzliche Verfügbarkeit eines so prominenten hellenistischen Königssymbols wie des Diadems für alle lokalen Herrscher zu akzeptieren. Nun trägt Lysanias das Diadem auf Münzen, auf denen er seinen Titel als Tetrarch und Hohepriester angibt. Eine dieser Münzserien lässt sich auf 41/40 v. Chr. datieren, eine zweite Serie ebenfalls mit dem Porträt mit Diadem ist undatiert. Vielleicht ist die dritte Serie der Münzen mit der Darstellung einer Tyche auf dem Avers und den beiden cornucopiae auf dem Revers später zu datieren und zeigt an, dass die römische Zentrale nicht nur seine Unterstützung der Arsakiden, sondern auch seine Usurpation hellenistischer Herrschersymbole, die ja durchaus als Statement zum eigenen politischen Selbstverständnis gewertet werden können, ahndete.37 Zenodoros trägt auf den Münzen den Titel Tetrarch und archiereus, sein Porträt trägt kein Diadem, was die gerade formulierte These einer römischen Kontrolle dieses Symbols bestätigen könnte. Auf dem Revers greift Zenodoros auf die Zeus-Variante des Ptolemaios sowie Nike oder Athena des Lysanias zurück, was Schwentzel sicher richtig als Betonung der Kontinuität der Dynastie deutet.38 Auch bei Zenodoros finden wir in den literarischen Quellen einen abweichenden Titel von der Münzprägung insofern, als dass Josephos sein Gebiet einmal als Eparchie und nicht als Tetrarchie bezeichnet.39 Zweimal spricht er auch davon, Zenodoros habe das Gebiet des Lysanias ‚gepachtet‘.40 Dazu ist bereits überlegt worden, dass Josephos, der diese Informationen überliefert, hier bewusst die Stellung des Zenodoros herabwürdigte, um die Legitimität seiner Herrschaft zu diskreditieren und damit die Übergabe seiner Territorien an Herodes – und damit trotz Josephos’

37

Siehe die Münzen des Lysanias im Katalog bei Herman 2006, S. 64–68. Schwentzel 2009, S. 70–72. 39 Jos. Ant.Jud. 5, 10, 2; vgl. Schottroff 1982, S. 143. 40 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1: ἐμεμίσθωτο τὸν οἶκον τὸν Λυσανίου; Bell. Jud. 1, 20, 4: τὸν Λυσανίου μεμισθωμένος οἶκον. 38

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ambivalenter Haltung zu Herodes immerhin in judaische Hand – zu rechtfertigen. Möglich ist aber ebenfalls, wie bereits angesprochen, dass Zenodoros verschiedene Territorien unter verschiedenen Rechtstitel verwaltete und daher jeweils unterschiedliche Bezeichnungen gewählt wurden. Trotzdem hätte er sich sicher auf den Münzen nicht Tetrarch und Hohepriester genannt, wenn Augustus ihn nicht in dieser Position bestätigt hätte. Die Rechtsstellung der für Arka postulierten Konkurrenz-Dynastie ist ebenfalls nicht ganz einfach zu eruieren. Ihre Führungspersönlichkeiten werden wie bereits gezeigt zuerst in einer Aufzählung von dynastes41 genannt, deren genauer Status aber nicht ermittelt werden kann. Im weiteren Verlauf wird bei Josephos über die „königliche Abstammung“ des Varus als „Enkel des Tetrarchen am Libanon, Soaimos“ berichtet,42 den Josephos an anderer Stelle als „König Soaimos“ bezeichnet.43 Auch Tacitus bezeichnet Soaimos als „König“ der Ituraier.44 In Anbetracht der bereits angestellten Überlegungen zur Konkurrenz unter den lokalen Dynasten und der am Beispiel der Nachfahren des Herodes deutlichen eifersüchtigen Überwachung von Privilegien und Status, wird dabei davon auszugehen sein, dass Soaimos im Laufe seiner Regierungszeit vom Tetrarchen zum König ‚aufstieg‘. Dass damit der Herrscher der räumlich kleineren Tetrarchie den prestigeträchtigeren, ‚höheren‘ Titel trug, könnte man als Zeichen der geschickten Politik der Römer verstehen, die über eine gezielte ‚Privilegienpolitik‘ die Konkurrenz der lokalen Dynasten zu deren Kontrolle verwendeten. Ist schon die eigene herrschaftliche Stellung der ituraischen Dynasten im Detail nicht immer zu klären, muss dies noch viel mehr für die Organisation und Verwaltung ihrer Territorien gelten. Spekulativ muss die Frage bleiben, ob der bereits angesprochene Soaimos, Vertrauter des Herodes und angeblicher Liebhaber seiner Ehefrau Mariamne, ein ehemaliges Mitglied des ituraischen Hofes war, der nach Querelen diesen zugunsten einer Tätigkeit für Herodes verließ.45 Es wäre möglich, in ihm einen ehemaligen philos am ituraischen Hof zu sehen. Auch wenn dazu für die Ituraier keinerlei aussagekräftige Quellen vorliegen ist doch davon auszugehen, dass die ituraischen Dynasten, die mehrfach von Zentralmächten in ihrer Position bestätigt und damit als legitime Herrscher über bestimmte Territorien anerkannt wurden, über für diese Zentralmächte erkennbare Herrschaftsstrukturen verfügten. Und das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer hellenistischen Hofhaltung einher gegangen sein, zu der etwa auch eine Gruppe von philoi als Ratgeber und Amtsträger gehörte. Hier könnte man sich z. B. auch eine Indienstnahme lokaler

41

Jos. Ant.Jud. 14, 8, 1. Jos. Vita 11. 43 Jos. Bell. Jud. 2, 18, 6. 44 Tac. Ann. 12, 23. 45 Zu diesem Soaimos: Jos. Ant.Jud. 15, 6, 5. 42

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Elitenmitglieder vorstellen, zu denen etwa die über mehrere Generationen nachweisbaren Erbauer des Heiligtums für Baalshamin in Si im Hauran gehörten.46 Möglich wäre auch, dass mit den zahlreichen Monogrammen auf den Münzen der Ituraier Amtsträger des ituraischen Herrschaftsbereiches zu greifen sind. Monogramme auf Münzen sind im antiken Syrien nicht ungewöhnlich. Sie finden sich etwa auf den städtischen Prägungen von Ake-Ptolemaïs, wo die Monogramme als Zeichen der zuständigen Magistrate gewertet werden.47 Phoinikischen Städte nutzten auf ihren autonomen hellenistischen Prägungen griechische Monogramme oder phoinikische Buchstaben, die vielleicht Serien oder Magistrate angeben, wie dies etwa für die griechischen Monogramme und Buchstaben auf den Münzen von Arados vertreten wird.48 Auch die Münzen des baktrischen Usurpators Diodotos kennen solche Markierungen. Hier wird insbesondere eine Markierung, die identisch auch auf Ziegeln aus Ai Khanoum nachweisbar ist, als Ortsangabe für den Prägeort interpretiert.49 Ähnliche Überlegungen gibt es für die seleukidischen Münzen50 und auch die Münzen des Tigranes von Armenien in Syrien.51 Auf den ituraischen Münzen finden sich insgesamt mindestens 38 Monogramme und 13 Gegenstempel. Einige davon möchte Herman zu Ptolemaios, Tetrarch, Archiereus und auf den Münzen des Lysanias zu Philippion auflösen, für weitere fehlen bislang Auflösungsvorschläge.52 Sie könnten also eventuell Hinweise auf Amtsträger enthalten. In der Kaiserzeit erscheint auf einer Inschrift für Kronos, Zeus und Apis aus Abila außerdem ein Kollegium von Gläubigen mit einem Priester auf Lebenszeit.53 Diese Inschrift von 166/7 n. Chr. könnte ein Hinweis auf die Bedeutung von Priesterschaften für die lokale Elite der dann ehemaligen ituraischen Herrschaftsbereiche sein, denn der Name des Priesters auf Lebenszeit, Soaimos, kommt wie berichtet in der ituraischen Dynastie von Arka (nicht aber von Chalkis) vor. Vielleicht ist hier eine lokale Elite erkennbar, die zur Zeit der Eigenherrschaft den Dynasten als Herrschaftsträger diente. Aus einer solchen Familie könnte auch 46 47 48 49

50 51

52 53

Vgl. zu dieser Familie des Malikat Tholbecq 2007b, S. 286–293. Baldwin Brett 1945, S. 31. Zur Diskussion der Markierungsbuchstaben auf phoinikischen Münzen vgl. Duyrat 2002, S. 48–54. Duyrat 2002, S. 48–51. Lerner 1999, S. 106–108. Vgl. Erickson 2009, S. 21. Vgl. Foss 1986, S. 60–64. Herman 2006, S. 53–54. SEG 39, 1565; Übersetzung von Aliquot 2009, S. 162: „L’an 478…au seigneur Cronos, sur l’Ordre des dieux Zeus et Apis d’Abila, pour le salut des seigneurs, Diodoros fils de…., Clémens fils de Mocimos, Mercurius Fils de Simountion, Marcus fils de Lysimachos, Annianos fils de Mocimos, Sarpédon fils de Hérode, Hérophilos fils d’Ammonios, Diodoros fils d’Abidotaros, Mauros fils d’Alexandros, Claudis fils de Mercurialis, Diodoros fils de Zoïlos, ont fait l’autel, sous le prêtre à vie Sohaimos fils de Diodotos.“

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Samsigeramos, Sohn des S…., aus Iabrouda stammen, der ebenfalls eine Priesterwürde ausübte. Er wurde von verschiedenen Personen der Veruntreuung von Tempelgeldern bezichtigt und daher von Agrippa II. seines Amtes enthoben – und musste die angeblich unterschlagenen 300 Talente zurückzahlen54 Die Amtsgewalt des Agrippa II. über das Heiligtum macht es wahrscheinlich, dass Iabrouda auf dem ehemaligen ituraischen Territorium der Tetrarchie des Lysanias lag.55 Einzig für Lysanias von Abila kennt man mindestens einen Freigelassenen, der vermutlich vor seiner Freilassung in dessen Administration tätig war: Nymphaios, Sohn des Abimmès, und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer, bezeichnet sich in einer Bauinschrift aus Abila als Freigelassener des Tetrarchen Lysanias.56 Für die Frage nach der Verwaltung zeigt die Inschrift lediglich, dass mindestens Lysanias auch auf möglicherweise unfreie bzw. abhängige ‚Arbeitskräfte‘ zurückgriff.

5.1.2 Territorialkontrolle und Ressourcenzugriff der Ituraier Die ituraischen Dynasten beherrschten ein wesentlich organisierteres Gemeinwesen, als die negativen Berichte der Quellen über ihr Räuberunwesen nahelegen. Denn eine Herrschaft aufrechtzuerhalten, zu expandieren und wechselnde zentrale Mächte (auch durch Geschenke) zur Akzeptanz dieser Herrschaft zu bewegen erfordert insbesondere Ressourcen, die  – neben Beutezügen nach Außen  – vor allem aus dem Herrschaftsraum selbst gewonnen werden mussten. Entsprechend organisiert musste der Zugriff auf diese Ressourcen erfolgen. Die Vorstellung von Millar, dass die bergigen und marginalen Regionen Syriens von befestigten Dörfern ohne jegliche Anbindung an ein größeres Gemeinwesen und mit „no system of property-relations imposed from outside“57 besiedelt gewesen seien, ist schon daher für das Herrschaftsgebiet der Ituraier abzulehnen. Trotzdem ist es schwierig, mit den vorhandenen Quellen diesen Ressourcenzugriff der ituraischen Dynasten nachzuvollziehen. Die Kontrolle des Territoriums kann insbesondere im militärischen Sinne aufgezeigt werden. Denn die bereits mehrfach

54

IGLS V 2707. In diese Gruppe von lokalen Eliten mit Priesterämtern gehört auch eine Inschrift aus der frühen Kaiserzeit aus Faqra im Libanon, ca. 20 km nordöstlich von Berytos, in der Agrippa II. und seine Schwester Berenike durch den archiereus und epimeletes Gaius Mansuetus geehrt werden: Rey-Coquais 1999, 632–634. 56 IGLS VII 4002 mit der Übersetzung: „Pour le salut des seigneurs Augustes et de toute leur maison, Nymphaios fils d’Abimmès, affranchi du tétrarque Lysanias, a construit la route, l’ayant fondée, a élevé le temple et a planté toutes les plantations, à ses frais, au seigneur Cronos et à la patrie, en témoignage de piété.“. 57 Millar 1987, S. 122. 55

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zitierten Quellentexte zu den Ituraiern belegen deren Anlage befestigter Siedlungen und Nutzung natürlicher Höhlen als Stützpunkte. So schreibt ja Strabon: ὁρμητηρίοις δ᾿ ἐρυμνοῖς χρῶνται, καθάπερ οἱ τὸν Λίβανον ἔχοντες ἄνω μὲν ἐν τῷ ὄρει Σιννᾶν καὶ Βόρραμα καὶ ἄλλα τοιαῦτα ἔχουσι τείχη, κάτω δὲ Βότρυν καὶ Γίγαρτον καὶ τὰ ἐπὶ τῆς θαλάττης σπήλαια καὶ τὸ ἐπὶ τῷ Θεοῦ προσώπῳ φρούριον ἐπιτεθέν, ἃ κατέσπασε Πομπήιος, ἀφ᾿ ὧν τήν τε Βύβλον κατέτρεχον καὶ τὴν ἐφεξῆς ταύτῃ Βηρυτόν, αἳ μεταξὺ κεῖνται Σιδόνος καὶ τοῦ Θεοῦ προσώπου.

„Sie haben naturfeste Stützpunkte, ebenso wie die Bewohner des Libanos oben in den Bergen Sinna, Borrama und andere ähnliche Bollwerke haben, und unten Bortys, Gigartos, die Grotten am Meer und die auf das Gottesantlitz [Theuprosopon] gesetzte Festung, die Pompeius alle niedergerissen hat: von diesen Orten aus pflegten sie Byblos und das daran anschließende Berytos heimzusuchen, zwei Städte die zwischen Sidon und dem Gottesantlitz liegen.“58

Und auch bei Josephos geht es um Höhlen, aus denen heraus die Ituraier in der Trachonitis operierten: οἰκοῦσι γὰρ ἄνδρες ἐξ ἀπονοίας ζῶντες τοὺς τόπους, οἳ τὰ Δαμασκηνῶν ἐλῄζοντο, καὶ Ζηνόδωρος οὔτ᾿ εἶργεν αὐτός τε τῶν ὠφελειῶν ἐκοινώνει. […] οὐδὲ γὰρ ῥᾴδιον ἦν ἐπισχεῖν αὐτοὺς ἐν ἔθει τὸ λῃστεύειν πεποιημένους καὶ βίον οὐκ ἄλλοθεν ἔχοντας· οὔτε γὰρ πόλις αὐτοῖς οὔτε κτῆσις ἀγρῶν ὑπῆρχεν, ὑποφυγαὶ δὲ κατὰ τῆς γῆς καὶ σπήλαια καὶ κοινὴ μετὰ τῶν βοσκημάτων δίαιτα.

„Diese Gegend wurde von verkommenen Menschen bewohnt, die das Gebiet der Damaszener plünderten, und anstatt ihren Räubereien Einhalt zu tun, beteiligte sich Zenodoros sogar noch an ihrer Beute. […] Dem Treiben der Räuber ein Ende zu machen, war indes keine leichte Sache, da dieselben nur von ihrer Räuberei lebten und weder Städte noch Ackerland, sondern nur unterirdische Schlupfwinkel und Höhlen besaßen, in denen sie mit ihrem Vieh gemeinschaftlich lebten.“59

Anders als von Josephos hier impliziert, können diese Höhlen aber nicht nur als ‚Räubernester‘, sondern vielmehr als weitere Stationierungsorte ituraischer Truppen neben den Kastellen im Gebirge verstanden werden. Dass Höhlen tatsächlich als 58

59

Strab. 16, 2, 18, Übersetzung von Radt. Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1. Übersetzung nach Clementz. Auch im Jüdischen Krieg beschreibt Josephos diese Situation: Jos. Bell.Jud. 1, 20, 4. Cass.Dio 54, 9, 3 berichtet lediglich die Übergabe der Tetrarchie des Zenodoros an Herodes im Zuge verschiedener Neuordnungen des Augustus.

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Stationierungsorte von Truppen bzw. Verteidigungsstellungen verwendet werden konnten, bezeugt Josephos selbst in seiner Beschreibung seiner eigenen Befestigungsaktivitäten zu Beginn des Jüdischen Krieges. Hier berichtet er nicht nur, dass er Stadtmauern um strategische Siedlungen wie Jotapata und andere errichten ließ, sondern auch, dass er die Höhlen am See Genezareth in Unter-Galilaia sowie in Ober-Galilaia einen Felsen befestigt habe.60 Von diesen Aktivitäten zur Befestigung von Höhlen, um sie als Stützpunkte zu nutzen, berichtet er auch in seiner Lebensbeschreibung. Hier wird dies noch um die Information ergänzt, dass er große Mengen an Getreide und Waffen dorthin schaffen ließ, um diese Höhlen als Rückzugsräume für die Bevölkerung nach einem römischen Angriff nutzbar zu machen.61 Und es findet sich bei Josephus eine weitere Parallele zur Nutzung von Höhlen in diesem Sinne, nämlich in seiner Beschreibung der schon genannten Tubiaden, einer judaischen Dynastie im Dienste der Ptolemaier. Diese hatten ihr Hauptquartier in Transjordanien und bauten dort u. a. auch nahe Höhlen zur Nutzung aus. Josephos schreibt: ἐκ δὲ τῆς καταντικρὺ τοῦ ὄρους πέτρας διατεμὼν αὐτῆς τὸ προέχον σπήλαια πολλῶν σταδίων τὸ μῆκος κατεσκεύασεν. ἔπειτα οἴκους ἐν αὐτῇ τοὺς μὲν εἰς συμπόσια τοὺς δ᾽ εἰς ὕπνον καὶ δίαιταν ἐποίησεν, ὑδάτων δὲ διαθεόντων πλῆθος, ἃ καὶ τέρψις ἦν καὶ κόσμος τῆς αὐλῆς, εἰσήγαγεν. τὰ μέντοι στόμια τῶν σπηλαίων ὥστε ἕνα δι᾽ αὐτῶν εἰσδῦναι καὶ μὴ πλείους βραχύτερα ἤνοιξεν: καὶ ταῦτ᾽ ἐπίτηδες ἀσφαλείας ἕνεκα τοῦ μὴ πολιορκηθεὶς ὑπὸ τῶν ἀδελφῶν καὶ κινδυνεῦσαι ληφθεὶς κατεσκεύασεν.

„An dem gegenüberliegenden Gebirge ließ er die vorspringenden Felsgräte durchbohren und stadienlange Höhlen daselbst anlegen. Letztere dienten teils zur Abhaltung von Schmausereien, teils zu Wohn- und Schlafstätten. In sie hinein leitete er kräftige Quellen, die der Anlage zum Schmuck und zur Bewässerung dienten. Die Eingänge zu den Höhlen ließ er nicht größer machen, als dass ein Mann eben eintreten konnte, und zwar mit Rücksicht auf seine Sicherheit. Sollte er nämlich von seinen Brüdern einmal belagert werden, so dachte er ihnen auf diese Weise zu entschlüpfen.“62

Es lassen sich augenfällige Parallelen zur Höhlennutzung der Tubiaden, des Josephos als Feldherr im Jüdischen Krieg, der Ituraier im Libanon und unter Zenodoros in der Trachonitis erkennen, die deutlich machen, dass eine Bewertung dieser Nutzung als ‚räuberisches Verhalten‘ nur im Fall der Ituraier geschieht. Damit ist

60

Jos. Bell Jud. 2, 20, 6. Jos. Vita 37. 62 Jos. Ant.Jud. 12, 4, 11. Übersetzung nach Clementz. 61

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klar, dass nicht die Verwendung der Höhlen, sondern die grundsätzlich negative Einstellung zu den Ituraiern Grundlage der Darstellung ist. Höhlen werden also als in der Region durchaus übliche Stationierungsorte bzw. Versorgungs- und Kontrollstützpunkte angesehen.63 Sie waren dabei sicher eine kostengünstige und schnell einsetzbare Alternative zu den ebenfalls verwendeten gemauerten Kastellen, wie die Nutzung durch Josephos nahelegt. Sie dienten also nicht nur als Rückzugsorte für Räuber, wie dies ebenfalls in den Werken des Josephos vorkommt.64 Damit muss gerade in der Zusammenschau der Stellen bei Strabon und Josephos davon ausgegangen werden, dass die ituraischen Dynasten die beschriebenen Höhlen als solche Stationierungsorte verwendeten und beide Textstellen damit Zeugnis einer üblichen auch militärischen Kontrolle des Herrschaftsgebietes durch diese Dynasten bezeugen. Dafür werden die ituraischen Dynasten auch Truppen unterhalten haben, deren Existenz bereits in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde: Ptolemaios, Sohn des Mennaios, konnte seine Expansionsversuche gegenüber Damaskos, aber auch gegenüber den Küstenstädten, nicht ohne entsprechende Truppen realisieren, die auch in der oben zitierten Strabon-Stelle impliziert sind. Außerdem stellten insbesondere die Dynasten von Arka offenbar mehrfach den Römern und auch Herodes Truppen zur Verfügung, was ebenfalls auf das Vorhandensein und Unterhalten solcher Truppen durch die Dynasten hinweist. Die große Bedeutung, die militärische Stärke für die ituraischen Dynasten insbesondere unter Ptolemaios, Sohn des Mennaios, hatte, zeigt sich auch in den Münzen: Sowohl die Waffen und Rüstung tragenden Dioskuren, als auch die bewaffnete Athena und die bewaffnete Artemis auf den Münzen des Ptolemaios weisen auf die Wichtigkeit von Kampfkraft für diesen Dynasten hin.65

Abb. 11: Münze des Ptolemaios, Sohn des Mennaios mit dem Kopf des Zeus auf dem Avers, den Dioskuren auf dem Revers und der Legende Ptolemaioi (rechts) Tetrarchoi (links) Archi ier (unten) im Lorbeerkranz, SNG Kopenhagen 414.

63

Vgl. Har-El 1972, S. 123–130. Neben der Trachonitis auch in Galilaia und Judaia, z. B. Jos. Bell.Jud. 1, 16, 2 und 4; Ant.Jud. 14, 15, 4–5. 65 Herman 2006, S. 58–64. 64

202

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Die Kleidung der Dioskuren auf den Münzen des Ptolemaios könnten außerdem Tracht und Bewaffnung der makedonisch-hellenistischen Reiterei zeigen. Denn die beiden Dioskuren, die oft selbst als Reiter dargestellt werden66, tragen auf den Münzen einen gegürteten chiton, wohl auch Brustpanzer und chlamys, kniehohe Stiefel, ein umgegürtetes Schwert sowie eine an eine makedonische kausia erinnernde Kopfbedeckung. Sie stützen sich auf hohe Lanzen, vermutlich eine sarissa. Ihre Kleidung könnte dabei der Darstellung von hellenistischen Kavallerie-Soldaten, etwa auf gemalten Grabstelen aus Alexandreia, entsprechen.67

Abb. 12: Grabstele eines berittenen Soldaten aus Alexandreia, aus: Cole 2019.

Die Kleidung und Ausrüstung der Dioskuren auf den Münzen des Ptolemaios erinnern aber auch an ein Rückseitenmotiv der Münzen von Apameia am Orontes, die ebenfalls einen Soldaten mit sarissa, vielleicht einem Schild sowie bekleidet mit gegürtetem chiton, chlamys und kniehohen Stiefeln zeigen. Die Kopfbedeckung dieser Gestalt ist jüngst von Hoover nicht als Helm, sondern als Elephantenhaut interpretiert worden, womit in seinen Augen hier „not some generic GraecoMacedonian infantryman, but rather a mythical founder or personification of the issuing city“ gemeint gewesen sei.68

66

Vgl. Kropp 2013, S. 235–240. Vgl. die Zusammenstellung von Beispielen bei Cole 2019. Zur seleukidischen Kavallerie vgl. Bar-Kochva 1976, S. 67–75. 68 Hoove 2018, S. 109. 67

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203

Abb. 13: Münze aus Apameia am Orontes, 150/149 v. Chr., BMC 1.

Apameia war eine der wichtigsten Stationierungsorte des seleukidischen Heeres in Syrien, hier waren auch seleukidische Kriegselefanten stationiert.69 Im benach­ barten Larissa war eine Kavallerie-Einheit stationiert.70 Vielleicht handelte es sich also bei den dem Ptolemaios, Sohn des Mennaios, zur Verfügung stehenden Truppen auch um berittene Soldaten, die zunächst im seleukidischen Heer gedient hatten und dann Ptolemaios selbst unterstützten. Aus dem Kommando über solche Kavallerie-Soldaten könnte sich dann der Titel Tetrarch abgeleitet haben, wie bereits diskutiert. Unter römischer Herrschaft findet man dann ituraische Hilfstruppen als Bogenschützen und Reiter im römischen Heer.71 Eine lange militärische Tradition könnte die Aufstellung von ituraischen Hilfstruppeneinheiten befördert haben – auch um das Truppenpotential der Region für Rom nutzbar zu machen und das entsprechende Gefahrenpotential an unbeschäftigten, militärisch ausgebildeten Männern in der Region selbst nach dem Ende der Klientelherrschaften zu bannen. Vielleicht lässt sich aber neben der militärischen Territorialkontrolle auch noch eine ‚zivile‘ Durchdringung des Territoriums ausmachen, und zwar durch Kultmonumente. Im Libanon und Antilibanon sowie im Hermon fanden sich zahlreiche Tempel, deren Mehrzahl jedoch erst im 1. Jhd. n. Chr. errichtet und dann im 2. Jhd. n. Chr. umgebaut worden zu sein scheint.72 Einige aber hatten offenbar wie bereits angesprochen Vorläufer aus dem 1. Jhd. v. Chr., die in die Zeit der ituraischen Herrschaft weisen. Bei einigen von diesen handelt es sich um rechteckige bzw. quadratische geschlossene Baukörper, die teils später in größere Tempelstrukturen eingegliedert wurden.73 Ein solcher Baukörper findet sich etwa in Machnaqa, bei

69

Vgl. Bugh 2006, S. 277. Diod. 33, 4a. 71 Vgl. Schottroff 1982, S. 1146–147; mögl. ituraischer Bogenschütze z. B. CIL XI 2113 aus Chiusi; Ziegelstempel der C(o)h(or)s I I(turaeorum?) S(agittariorum) aus Dakien: AE 1979, 501d1; Al(ae)  I(turaeorum) s(agittariae)  aus Pannonia Inferior RHP 145; I Aug(usta) Itur(aeorum) sagit(taria) AE 1983, 788, RMD-04, 226, AE 2006, 1832, AE 2002, 1223; Tyche-2010–28 = AE 2010, 1861. 72 Vgl. Sommer 2003, S. 209–211. 73 Zu den Traditionen dieser Baukörper und ihrer möglichen Bezeichnung als hamanayâ vgl. die Diskussion bei Gawlikowski 1999, S. 496–497. 70

204

Herrschaftsstrukturen 

dem westlichen Altar in Qal’at Faqra oder in der ältesten Bauphase des Tempels C in Sfiré.74 In diesen Kontext der rechteckigen Kultbauten / A ltäre könnten auch die frühesten beiden Baustufen des Heiligtums von Horvat Omrit im Huleh-Tal gehören.75 An anderen Orten finden sich Türme wie in Qal’at Faqra, Baalbek oder Hermel.76 Diese Bauformen haben eine Reihe von Vorbildern im Nahen Osten und können im Detail nur selten so rekonstruiert werden, dass sich daraus übergeordnete Aussagen erschließen ließen.77 Nichts desto trotz könnten sie aber ein Versuch der ituraischen Herrscher darstellen, ihren Herrschaftsbereich auch visuell durch eben diese Bauwerke zu markieren und den Herrschaftsraum jenseits der militärischen Kontrolle ideell zu durchdringen. Diese Überlegungen werden durch die oft strategische Lage dieser Monumente an wichtigen Durchgangsstraßen unterstützt.78 Für die römische Zeit postuliert Sommer eine „sakrale Topographie“ der Beka-Ebene, bei der er die Tempel als „Grenzmarkierungen“ der Sesshaften gegen die Nomaden versteht.79 Wenn aber wie hier argumentiert die Bevölkerung der Berge gar nicht aus nomadisierenden Räubern bestand, sondern schon vor der römischen Eroberung durch die ituraischen Dynasten eine Raumerfassung durch Heiligtümer und Siedlungen erfolgte, dann ging es bei den Bauprojekten des 1. Jhd. n. Chr. nicht um die Abgrenzung von den Räubern, sondern vielleicht eher um die Sichtbarwerdung der lokalen Bevölkerung in der Konkurrenz zu den neuen Siedlern der römischen Kolonie in der Ebene. Welche Interpretation man für die Bauprojekte auch immer verfolgen möchte, sie sprechen in jedem Fall dafür, dass der Bevölkerung und ihrer Führungselite ausreichende Finanzmittel zur Verfügung standen. Nur so ist auch erklärlich, wie Ptolemaios, Sohn des Mennaios, an die 1.000 Talente gelangen konnte, mit denen er bei Pompeius den Weiterbestand seiner Herrschaftsstellung erkaufte. Denn diese Summe ist deutlich höher als andere Bestechungssummen bzw. Schenkungen, die Josephos für diese Zeit überliefert.80 Diese  – oder zumindest doch eine hohe  – 74

75 76

77 78 79 80

Blas de Roblès / Pieri / Yon 2004, S. 125–126, 121–122, 203–205. Zu dem Bau vgl. Overman / Olive / Nelson 2007, p. 177–193. Blas de Roblès /Pieri / Yon 2004, S. 121–122, 137 f., 162. Perdizet 1978, S. 74–71. Zu Qalaat Farka: Collar 1973, S. 137–161; Aliquot 2009, S. 261–267. Vgl. Berlin 2015, S. 3. Zur Bedeutung der Lage vgl. die Ausführungen zu Mar Girios al-Azraq bei Yanouh: Nordiguian 1999, S. 579. Sommer 2003, S. 218–221. Aretas wandte mit 300 Talenten die Eroberung seines Königreiches durch Scaurus, Legat des Pompeius, ab: Ant.Jud. 14, 5, 1; Aristoboulos und Hyrkanos boten Scaurus jeweils 400 Talente für den Erhalt ihrer Position in Judaia: Ant.Jud. 14, 2, 3; Aristoboulos oder sein Vater schenkten Pompeius bzw. dem römischen Volk einen goldenen Weinstock im Wert von 500 Talenten: Ant.Jud. 14, 3, 1; Gabinius soll Bestechungsgelder in Höhe von 300 Talenten angenommen haben: Ant.Jud. 14, 3, 2. Allerdings zahlte Ptolemaios Auletes 6000 Talente an Caesar, um seine Herrschaft zu erhalten: Suet. Iul. 54, 3.

Herrschaftsstrukturen der Ituraier

205

Summe aufzubringen war nur möglich, wenn Ptolemaios, Sohn des Mennaios, regelmäßigen Zugriff auf die Ressourcen seines Herrschaftsbereichs hatte. Zu fragen ist also, welche Arten von Ressourcen den ituraischen Dynasten zur Verfügung standen. Wohl seit achaimenidischer Zeit waren weite Teile des späteren ituraischen Herrschaftsbereichs und dessen Ressourcen Kronbesitz gewesen.81 Dies gilt insbesondere für die Zedern des Libanon. Hier traf Alexander ja bei der Belagerung von Tyros auf Araber.82 Diese könnten durchaus in einem ähnlichen System auf dem Libanon gelebt haben, wie dies später durch die Domäneninschriften Hadrians für die römische Kaiserzeit anzunehmen ist: Kronbesitz waren nur explizit genannte Baumsorten, der Boden aber konnte durchaus anderweitig genutzt werden.83 Möglich ist, dass diese Araber als Hirten Weiderechte auf der Krondomäne erhalten hatten und dabei vielleicht ebenfalls für den Schutz der Bäume zuständig waren. Das würde auch erklären, warum sie die Soldaten Alexanders angriffen, als diese Holz für die Belagerung von Tyros schlagen wollten. In ähnlicher Weise könnte der Raum auch unter Alexander und seinen Nachfolgern organisiert gewesen sein, da die Bäume offenkundig weiterhin königlicher Besitz blieben.84 Und auch andere Teile des weiteren Herrschaftsbereichs könnten in hellenistischer Zeit Kronbesitz gewesen sein. Nach dem Zeugnis der Zenon-Papyri nimmt Tscherikower eine Landorganisation für das ptolemaische Palaistina an, bei dem das eroberte Land zunächst als Königsland angesehen wurde, sofern es nicht zum Territorium anerkannter Städte gehörte. Dieses Königsland konnte dann vom König als Territorium an die eigenen Städtegründungen ausgegeben, hohen Verwaltungsleuten oder Familienmitgliedern geschenkt oder von Pächtern direkt für den König bewirtschaftete werden.85 Dass mindestens Teile der Beka-Ebene unter den Ptolemaiern als Königsland organisiert waren, wurde ja bereits aufgrund der Bezeichnung der südlichen Beka-Ebene als „königliches Tal“ bei Strabon diskutiert.86 Ghadban geht davon aus, dass die Ptolemaier in der Beka ähnliche Organisationsstrukturen wie in ihren anderen Reichsteilen anwendeten und das Land als Königsland von Pächtern bewirtschaften ließen, während die Wälder im Libanon als königliche Monopole zur Holzgewinnung dienten. Dafür sprechen in seinen Augen von ihm aufgezeigte Bewässerungsanlagen in der nördlichen 81

82 83

84

85

86

Vgl. Ghadban 1987, S. 219. Curt. 4, 2. Die hadrianischen Domänen-Inschriften sind gesammelt bei Breton 1980. Athen. 5, 205B: Alexander will Zedern aus dem Libanon für den Bau der Indusflotte holen lassen; Diod. 29, 58: Antigonos nutzt das Holz für den Flottenbau; Königliche Dekrete über die Nutzung bei Jos. Ant.Jud. 12, 3, 3. Holzbesitz als königliches Privileg war eine von den Achaimeniden übernommene Einrichtung der hellenistischen Reiche und galt auch im Libanon: Capdetrey 2007, S. 140. Tscherikower 1937, S. 46–49. Hachmann 1983, S. 26–28. Strab. 16, 2, 18.

206

Herrschaftsstrukturen 

Beka-Ebene zwischen den Quellen des Orontes, deren ungeheurer Aufwand eine zentrale Verwaltung als Initiator nötig gemacht habe.87 Eine solche zentrale Verwaltung könnte vielleicht ähnlich ausgesehen haben wie im benachbarten Hauran. Hier lässt sich anhand der Inschriften eine Zweiteilung von Dörfern auf städtischen Territorien und Dörfern als autonomen Verwaltungseinheiten nachweisen, die für Graf vielleicht schon auf eine hellenistische Organisation zurückging. In seinen Augen hätten schon die Seleukiden neben den von ihnen zur Gebietskontrolle etablierten Städten auf dem Königsland nicht an Städte angebundene Dörfer etabliert, die insbesondere für die Steuererhebung eine wichtige Rolle spielten.88 So eine Organisation wäre auch für die späteren ituraischen Herrschaftsbereiche denkbar. Denn ein Papyrus aus dem Zenon-Archiv zeigt, dass Zenon in Galilaia auf Pächter traf, die einen Teil ihrer Ernte wie in Ägypten der Krone zahlten.89 Eine Inschrift aus Hefzibah bezeichnet Dörfer als Erbpacht eines Magistraten, der diese nur als Kronland erhalten haben kann.90 Unter den Seleukiden könnte eine solche Organisation weiterbestanden haben, wofür vielleicht insbesondere der bereits aufgezeigte Anstieg der ländlichen Besiedlung ab dem 2. Jhd. v. Chr. spricht.91 Dies könnte als Indiz für eine bewusste Förderung der agrarischen Ressourcennutzung auf königlichem Land gewertet werden. Erben dieser königlichen Ländereien waren die ituraischen Dynasten, deren Etablierung einer Eigenherrschaft vermutlich mit der Usurpation königlicher Ländereien und Ressourcen in der Region einherging. In diesem Sinne könnten sie insbesondere durch das Einfordern von Pacht- oder Steuerzahlungen von der lokalen Landwirtschaft profitiert haben.92 Dies ist vielleicht auch der Kontext der schon mehrfach zitierten Strabon-Stelle über die Bedrohung der „Bauern der Ebene“ durch die Ituraier aus dem Gebirge.93 Möglicherweise geht es hier weniger um Raubzüge, als um wachsende finanzielle Forderungen der ituraischen Ordnungsmacht gegenüber den Bauern der Ebene, bei denen es sich in Teilen vielleicht um hellenistische Kolonisten und ihre Nachfahren handelte, mit denen die griechischen Schriftsteller daher eher sympathisieren konnten. Vielleicht ist die Strabon-Stelle aber noch weiter zu interpretieren insofern, als Strabon hier bewusst eine topische Bedrohung der Bauern durch die Bergvölker inszenierte, um die durch die augusteischen Koloniegründungen in Berytos und Heliopolis / Baalbek nötige Enteignung der lokalen Bauern zu verdecken. In diesem Kontext sind die sich gegen die römische Ordnungsmacht stellenden ituraischen Truppen, denen ein 87

88 89

90 91

92 93

Ghadban 1987, S. 222–227. Graf 1992, S. 461. P.Cairo Zen. 59004, vgl. Tscherikower 1937, S. 46–49. SEG XLI 1574, vgl. Berlin 2005, S. 420–421. Berlin 2005, S. 424–425. Vgl. Myers 2010, S. 174, auch S. 167. Strab. 16, 2, 18, Übersetzung von Radt.

Herrschaftsstrukturen der Ituraier

207

Abb. 14: Ostrakon aus der Beka, Bild aus Ghadban 2014, S. 264 und 268.

römischer Legat des syrischen Statthalters Quirinus militärisch begegnen musste, möglicherweise als Schutzmacht auch der Bauern aktiv geworden.94 Die Überlegungen zu Landwirtschaft und Territorialorganisation finden sich durch einen spektakulären Fund aus der Beka-Ebene bestätigt: Hier kam 1978 ca. 5 km westlich von Heliopolis ein Ostrakon ans Licht, das 2014 neu publiziert wurde. Bei diesem Ostrakon handelt es sich um ein Stück Stein aus dem lokalen Kalkstein, in das auf beiden Seiten eine Liste mit Namen und folgenden Mengenangaben geritzt wurde. In der Umschrift nach Ghadban liest sich dieser Text wie folgt95: Text A 1

ι’ Διοκλεῖ

2

ια’ τῷ τοῦ Διονυσίου κορ διτ’

11) à l’agent (?) de Dionysios, 314 kôrs

3

ιβ’ τῷ τοῦ δΚεαμίου κορ είσ’ (?)

12) à l’agent (?) de Kéamios, 215 (?) kôrs

4

   τῷ αὐτῷ η* κορ αβο’ (?)

au même, 71 kôrs

5

ιγ’ τῷ Ραασαναι ι [κο]ρ ι.’ //δ

94 95

κορ

εκσ’

δ

10) à Dioklès, 225 kôrs

13) à Raasinai, (une dizaine ? de) kôrs

CIL III 6687 = CIL V 136 = AE 2006, 1579 . Texte aus Ghadban 2014, S. 265 und 269.

208

Herrschaftsstrukturen 

6

ιδ’ τῷ τοῦ Διονυσίου κορ//.τ

14) à l’agent (?) de Dionysios, (300 et quelques ?) kôrs

7

  παρὰ Ἀππολλωνίω// δ̗ αε κ

8

  τῷ τοῦ Κεαμίου//

9

 Διομηδεῖ

10

 ΠΗΟΤΟΛΤΑΚ ΣΑΑΡ (?) ιε’

(à Untel ?), 15

11

 Ἐνξοβαιῳ

à Enzobaios, 210

chez Appollônios, 5001 ίσ’

à l’agent (?) de Kéamios, 210

̗διε

à Diomédès, 5014

ίσ’

12

  τῷ αὐτῷ (?)

13

Σει(?)ραπίνου--

14

Ἀππολλωνίω κορ ιη’ κσ’ Ἀππολλων(ίω)

15

Πλούτωι

16

Σααραδωι ΣΑΑΡ κορ ̗ α

ίσ’ (?)

[au même 210 ?]

͡  ͡

de Sérapinos (ou Seirapinos ?)…

          δ

   δ

à Appollônios, 18 kôrs 220, à Appollônios

α

ιε’

ακσ’

à Ploutos, 15 (kôrs)

221

à Saarados, 1000 kôrs    ͡

α

17

[Ἀππο]\\λλωνί[ω?]

18

[Ἐνξο]\\βα[ίω?]

19

[Ἀππο]\\λλωνί[ω?]

20

  \\ω

α κσ’

δενδρα

κ’

à Apollônios, 221 (?)

arbres (?)

à Enzobaios (?), 20 (kôrs) κ’

à Apollônios (?), 20 (kôrs)

β’

à (Untel?), 20 (kôrs)

21

  \\ω

22

   \\ κσ’ ακρ’

ΚΔΝΩΡΑΙ

23

  \\

δ’

4

24

   \\ – - – - ΟΑΙΝΩΚ

?

25

  \\Κ

β’

à (Untel?)

?

220, 121

2

Text B 1

Ζοββ//…ωι

ισ’

2

Πα//….αι

ισ’_

à Pa…. (?), 210

3

Α//…..ακται

βκ’ ou δκ’ (?)

(à Untel ?), 22 (ou 24 ?)

4

Θαιβω

ρβκ’ou τβκ’(?)

à Thaibos, 122 (ou 322 ?)

à Zobb(ai ?)os, 210

  τ 5

Ραγγαιω



à Raggaios, (320 ?)

6

Ζαβδαι

ιδ’

à Zabdas, 15

Αἰτησιμώι

ιδ’ ou ιβ’  (?)

à Aitésimos, 14 (ou 12 ?)

7

Α 8

////////////////////////////////Α///

9

///////////////////////ΚΟΡΑ//

10

////////////////////////*·ΩΑΚ·///////////

11

ἀπὸ Βεραας κορ

̗ ακη

de Béraas, 1028 kôrs

Herrschaftsstrukturen der Ituraier

209

Auch wenn die Rekonstruktion des Textes schwierig ist und dies noch mehr für die Details gelten muss, die er enthält, können doch eine Reihe von interessanten Schlüssen aus diesem Dokument gezogen werden: Da sind zunächst einmal die Namen der Personen, die sowohl griechisch (wie Appollonius, Ploutos, Dionysos, Diokles) als auch semitisch (wie Enzobaios, Saarados, Zobbaios, Thaibos, Raggaios, Zabdas) sind. Das stützt Überlegungen, dass in der Beka-Ebene in hellenistischer Zeit Kolonisten angesiedelt wurden, die auch aus einem hellenisierten Kontext stammten. Diese könnten für den Anstieg der Besiedlung seit dem 2. Jhd. v. Chr. verantwortlich sein und zeigten damit die bereits angesprochene Intensivierung der Inwertsetzung des Raumes unter den Seleukiden. Aber es gab offenbar auch weiterhin eine indigene Bauernschaft, die an den semitischen Namen erkennbar ist. Die aufgeführten Personen scheinen Produkte im Hohlmaß KOR zu erhalten, welches nach Ghadban im gesamten Nahen Osten verbreitet war und insbesondere für Weizen oder Gerste verwendet wurde. Das Dokument führt dabei offenbar direkte Empfänger und vielleicht auch Verwalter von Empfängern mit größeren Ländereien auf. Da die Liste in Text A mit der Nummer 10 beginnt, betont Ghadban, dass es sich hier nur um einen kleinen Teil einer wesentlich umfangreicheren Dokumentation zu Produktion und Verteilung landwirtschaftlicher Güter in der Region handeln müsse. Dafür spreche auch die zielgerichtete Bearbeitung und wohl mehrfache Verwendung des Trägersteins. Das Fehlen lateinischer Namen, paläographische Kriterien sowie die Funde einer größeren Menge von Terra sigillata A am Fundort Tell Abbous lassen Ghadban eine Datierung des Dokuments in das 1. Jhd. v. Chr. vor der Gründung der römischen Kolonie in Heliopolis vorschlagen. Damit befände man sich in der Zeit der ituraischen Kontrolle der Beka-Ebene, deren negative Bewertung als ‚Räuberherrschaft‘ durch die Quelle nicht mehr aufrecht gehalten werden könnte. Denn es zeige sich „au contraire, une plaine agricole bien cultivée et bien administrée.“96 Bleibt diese Interpretation und Datierung bestehen, würde das Dokument tatsächlich eine intensive administrative Durchdringung der landwirtschaftlichen Organisation der Region bezeugen, auch wenn nicht klar sein kann, ob diese durch die ituraische Herrscherfamilie als oberste Autorität in der Region oder einen privaten Großgrundbesitzer oder einen ganz anderen Akteur geschah. Die offenbare Hierarchisierung der Empfänger durch die unterschiedlichen Zuteilungsmengen scheint aber eher auf eine herrscherliche Autorität zu verweisen. Dies würde gut zu den angestellten Überlegungen passen, dass die bei Strabon bezeugten ‚Bedrohungen‘ der Bauern der Ebene nichts anderes als eine administrative Durchdringung der Landwirtschaft durch die Ituraier reflektieren. Unklar muss bleiben, warum es sich um Empfänger von Mengenangaben handelt. Dabei könnte es sich entweder um ein Redistributiv-System handeln, oder aber die hier den Empfängern ausgegebenen Mengen bezeichnen z. B. zum 96

Ghadban 2014, S. 262–274, Zitat S. 274.

210

Herrschaftsstrukturen 

gemeinschaftlichen Dreschplatz gebrachtes Getreide, das dann wieder abgeholt wurde. Interessant ist auch die mögliche Erwähnung von Bäumen, die auf weitere Anbauprodukte wie z. B. Oliven verweisen könnte. Auch hier könnte es sich dann bei dem Text um die Nachhaltung von zur gemeinschaftlichen Presse gebrachter Oliven und der daraus gewonnenen Ölmenge handeln. Das kann aber nur Spekulation bleiben. Brown möchte dabei zwei Textstellen aus der Bibel als Quellen für eine erfolgreiche Landwirtschaft in der Beka-Ebene heranziehen: Im Hohelied wird der Libanon als ertragreicher und an Früchten reicher Garten dargestellt,97 wobei dieser Text vielleicht aus dem 3. oder 2. Jhd. v. Chr. stammt.98 Brown bezieht außerdem eine Stelle der Psalmen auf den Libanon, in dem vor allem die zahlreichen Quellen und die entsprechend mögliche erfolgreiche Landwirtschaft bezeugt werden.99 Die Sammlung der Psalmen ist allerdings nur schwer zu datieren und scheint insgesamt zur Zeit des zweiten Tempels (also 530 v. Chr. bis 70 n. Chr.) kompiliert worden zu sein.100 Eine solche Vorstellung stände zunächst einmal im Widerspruch zu einer späteren literarischen Tradition, nach der Apuleius in seinen Florida den Ituraiern einen unwirtlichen und unfruchtbaren Lebensraum unterstellt: Hier kontrastiert er die ‚an Früchten armen Ituraier‘ ( frugum pauperes Ityraeos) mit den ‚handeltreibenden Nabataiern‘ (Nabataeos mercatores) und den ‚an Wohlgerüchen reichen Arabern‘ (odorum divites Arabas).101 Damit rezipierte er aber vielleicht lediglich die negative Darstellung der Ituraier in den Quellen und deren Kodierung als ‚Räuber‘. Insgesamt stellen die Region von Libanon, Antilibanon und Beka-Ebene durch ihre spezifischen geologischen Gegebenheiten eine Herausforderung für eine landwirtschaftliche Nutzung dar. So verweisen Horden und Purcell insbesondere auf die große Varianz der geologischen und klimatischen Voraussetzungen in der Beka-Ebene, die „a spectrum of microenvironments, ranging from the supposedly classic ‚Mediterranean‘ conditions of the south to the semi-arid plains of the north“102 schaffen würden. Entsprechend betonen sie, dass nur bestimmte Zonen in der Beka-Ebene, wie etwa die Umgebung von Baalbek oder die Region von El Qa’ an den Quellen des Orontes, für einen intensiven Ackerbau geeignet seien, während weite Teile aufgrund der Untergrundstruktur nicht für Bewässerungslandwirtschaft brauchbar waren. Daher musste vor allem Viehzucht betrieben werden und zwar als „transhumance and nomadism.“103 Viehzucht wird etwa in der Forschungsliteratur für die Umgebung von Yanouh beschrieben.104 Auch in der südlichen Beka-Ebene 97 98

99

100 101 102 103

104

Hohelied 4, 8–5, 1; vgl. Brown 1969, S. 20–23. Vgl. Hunt 2008, S. 5–8. Psalm 104, 1b-30; vgl. Brown 1969, S. 23–26. Mazor 2011, S. 589–590. Apul. Flor. 6,1, vgl. dazu Schottroff 1982, S. 137. Horden / Purcell 2015, S.  56. Horden / Purcell 2015, S.  56–59. Vgl. Gatier et al. 2005, S. 161–166.

Herrschaftsstrukturen der Ituraier

211

wurde mindestens unter römischer Herrschaft Viehzucht praktiziert, diese scheint nach der römischen Eroberung hier sogar zugenommen zu haben.105 In diesen Kontext gehört vielleicht auch die Verehrung des Gottes Hermes, der hier von der Forschung speziell als Fruchtbarkeitsgott und Herdenhaltergott verstanden wird.106 Sollten die ituraischen Soldaten auch in berittenen Einheiten organisiert gewesen sein, so werden sicher auch die dafür benötigten Pferden gehalten worden sein. Schon Marfoe hatte betont, dass die als hellenistisch anzusehenden Höhensiedlungen in Libanon und Antilibanon anzeigten, dass die Ituraier ihren Aufstieg nur mithilfe einer diversifizierten Wirtschaft möglich machen konnte, nämlich durch „the control of farming enterprises on the valley bottom, the taxation of and participation in commercial traffic which traversed the passes that they controlled, and the subjugation and taxation of pastoralists from the eastern steppe through their control of the karstic spring oases.“107 Teil dieser diversifizierten Wirtschaft war sicher auch die Ausbeute der natürlichen Rohstoffe des Herrschaftsbereiches. Eine Usurpation von Kronbesitz könnte so die Kontrolle über die Holzbestände von Libanon und Antilibanon einschließen108, womit sich eine weitere Einnahmequelle für die Dynasten erschlossen hätte. Die Bedeutung der Ressource Holz könnte durch den Verweis auf die ituraischen Bögen aus Eibe in den Georgica des Vergil bezeugt sein.109 Auch Metallvorkommen könnten ausgebeutet worden sein. Es ist unklar, woher das Metall für die Prägungen der ituraischen Münzen stammte. Die meisten Münzen des Tigranes in Syrien scheinen überprägte vor allem phoinikische (Arados und Tyros), aber auch seleukidische Münzen gewesen zu sein. Diese stammten wahrscheinlich direkt aus dem Umlauf und nicht aus Reserven der Prägestätten, weil die oft noch lesbaren Datierungen dieser Münzen etwa von Arados bis in die 130er Jahre zurückgehen.110 Diese Überprägung könnte auf eine schnelle Produktion der Münzen etwa zur Bezahlung des Heeres hinweisen, für die auf alle verfügbaren Metallressourcen zurückgegriffen wurde.111 Für die Münzen der Ituraier ist bislang eine solche Überprägung existenter Münzen noch nicht postuliert worden. Insofern könnten sie entweder ältere Bronzemünzen eingeschmolzen und dann neu geprägt haben, 105

106 107 108

109 110 111

Fischer-Genz / Ehrig 2014, S.  40–41. Aliquot 2009, S. 183. Marfoe 1979, S. 25. Ein königliches Monopol auf das Holz vom Libanon ließe sich etwa damit belegen, dass Antiochos III. den Judaiern Holz vom Libanon ohne Zollabgaben für den Tempel zur Verfügung stellt: Jos. Ant.Jud. 12, 4, 3. Verg. Georg. 2, 448. Duyrat 2012, S. 21–24. Auch Münzen aus Antiocheia wurden vielfach überprägt: vgl. Butcher 2004, S. 129–130. Foss 1986, S. 62.

212

Herrschaftsstrukturen 

oder aber die nötigen Komponenten der Bronze selbst abgebaut oder eingekauft haben.112 Ob, wie Brown annehmen möchte, mehrere Belege in der Bibel über die reiche Metallbeute der Judaier bei Feldzügen gegen die aramaischen Königreiche in der Beka-Ebene und Damaskos wirklich auf örtliche Vorkommen von Bronze, Silber und Gold schließen lassen, muss offen bleiben.113 Er postuliert sogar, dass die Judaier hier Kupfer abgebaut hätten. Diese Kupfervorkommen möchte er mit dem Namen Chalkis, Kupferstadt, in Zusammenhang sehen. Auf ein örtliches Kupfervorkommen weisen für ihn 31 bronzezeitlichen Kupferstatuetten, die Seyrig aus dem südlichen Libanon zusammengetragen hat.114 Ältere Studien zeigten darüber hinaus Zinnvorkommen im Kesrwan, welche durch den Nahr Ibrahim und Feidar ausgewaschen und angespült wurden.115 Hier möchte Wainwright in den 1930ern entlang der Flüsse Nahr Ibrahim / Adonis und Nahr Feidar / Phaedrus alluviale Erze von Zinn, Kupfer und auch Silber nachweisen, sowie eine natürliche Mischung aus Zinn- und Kupfererzen.116 Dazu würde eine Anekdote aus Lukian passen, der berichtet, für die jährliche Rot-Färbung des Nahr Ibrahim, die mit dem Adonis-Kult verbunden wurde, sei nach Auskunft eines Einheimischen nicht das Blut des Adonis, sondern der lokale Boden, der in den Fluss geschwemmt würde, verantwortlich.117 In neuerer Zeit werden Vorkommen von Eisenerzen und Kupfer für den Libanon angegeben.118 Vielleicht verweisen die Funde zahlreicher römerzeitlicher Bleifigurinen von Göttern (Jupiter Heliopolitanus, Venus Heliopolitanus, Merkur, Bacchus) und Tieren aus der Nähe von Baalbek auch auf ein örtliches Bleivorkommen, welches möglicherweise schon vor der Anlage der römischen Kolonie in Heliopolis ausgebeutet wurde.119 Außerdem scheinen der Hermon und seine Umgebung als Abbaugebiet für Hämatit geeignet. Hämatit-Pigmente wurden in der Antike für medizinische Zwecke und als Farbe verwendet.120 Diese Ressourcenvorkommen könnten dabei nicht nur für den eigenen Gebrauch, sondern auch als Exportgüter genutzt worden sein. Denn die Ituraier 112

Nach Butcher 2004, S. 129 wurde die Mehrzahl der syrischen Bronzemünzenschrötlinge durch Gießen in entsprechende Formen produziert. 113 2 Sam. 8, 3–12 über Beute aus den Königreichen von Zoba und Damaskos an Bronze, Silber und Gold; 1 Chron. 18, 3–11 ebenfalls über Beute aus Zoba an Bronze. 114 Seyrig 1953, S. 24–50. 115 Brown 1969, S. 87–90. 116 Wainwright 1934, S. 29–32. Schweizbart berichtet im Neuen Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Referate: Kristallographie und Mineralogie von 1939 auf S. 734 ebenfalls über Zinnvorkommen im Libanon. Ein neueres Handbuch von 1987 nennt für den Libanon nur wenige Bodenschätze: Eisenerz, Salz, Kalk, Gips, kleinere Vorkommen von Kupfer, Asphalt, Pyrit, Phosphaten, Mangan, Chrom. 117 Luk. Syr.D. 8. 118 Kuderna 1987, S. 236. 119 Zu den Figurinen vgl. Badre 1999. 120 Römer-Strehl et al. 2013, S. 82–86.

Herrschaftsstrukturen der Ituraier

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waren in ein intensives Handelsnetzwerk eingebunden. Dabei kam ihnen die geostrategische Lage ihres Herrschaftsgebietes zu Gute, denn sie kontrollierten bei der anzunehmenden maximalen Ausdehnung mit der Beka-Ebene, dem Huleh-Tal und der Region um Trachonitis und Batanaia wichtige Verkehrsknotenpunkte des Nahen Ostens: Die Beka-Ebene stellte neben der Küste und der Route Damaskos – Emesa eine der drei großen Nord-Süd-Verbindungstrassen dar, die wie bereits gezeigt hohen strategischen Wert hatte. Über die Pässe des Libanon und Antilibanon sowie durch das Huleh-Tal verliefen wesentliche Ost-West-Anbindungen zwischen den Häfen der phoinikischen Küste und den Binnenstädten wie insbesondere Damaskos. Über Damaskos verlief außerdem der Anschluss dieses Netzes an die großen Handelsrouten ins syrische wie arabische Binnenland – denn hier endeten wichtige Karawanenrouten aus dem weiteren Osten über Palmyra ebenso wie die alte Königsstraße aus Arabien und die Karawanenstrecke aus dem Wadi Sirhan, über die die Nabataier ihre Waren nach Syrien vermarkteten.121 Diese Routen kontrollierten die ituraischen Dynasten wie oben angesprochen auch militärisch durch ihre Stützpunkte. Damit konnten sie nicht nur die Sicherheit der durch ihre Territorien laufenden Handelsrouten überwachen, was deren Attraktivität für die Händler steigerte, sondern auch in Form von Zöllen oder Wegegebühren an ihnen profitieren. Die beschriebenen Expansionsversuche des Ptolemaios nach Damaskos müssen in diesem Kontext auch als Versuche gewertet werden, diesen neuralgischen Infrastrukturknotenpunkt und damit die dort durch den Handel erzielbaren Gewinne in seine Hände zu bekommen. Das gleiche zeigt sich in den Beschreibungen Strabons zu den ituraischen Aktivitäten entlang der Küste: Er spricht ja von Vorposten auf dem Kap Theuprosopon, bei Botrys, Gigartos und Byblos.122 Darüber war es möglich, entlang der Küstenroute den dortigen Verkehr und Handel zu kontrollieren bzw. von diesem Einnahmen in Form von Zöllen oder Wegegebühren zu beziehen. Die Küstenroute war noch in der Spätantike die wichtigste Verbindungsroute von Ägypten nach Kleinasien, von ihr scheint aber nach Aussage der Itinerare bei Arka eine „Abkürzung“ durch das Tal von Emesa nach Antiocheia geführt zu haben.123 Das Mündungstal des Eleutheros, auf das Arka durchaus einen kontrollierenden Einfluss gehabt haben könnte, fungierte dabei vielleicht als wichtiges Verbindungsglied zwischen der Levante und Zypern. Kontakte bestanden seit der Bronzezeit, wurden aber auch in hellenistischer und römischer Zeit aufrechterhalten. So fand man zypriotische White Shaved Ware in Tell Kazel ebenso wie Bronzefigurinen,

121

Zu den Handelsrouten im Großraum Syrien: Vogel 2002, S. 132; Atkinson 2016, S. 120; für die sog. Königsstrasse: Plin. Nat.Hist. 6, 144–146; vgl. Hackl / Jenni / Schneider 2003, S. 569–570; Peters 1980, S. 113. 122 Strab. 16, 2, 18. 123 Vgl. Noordegraaf 1938, S. 298–299.

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die wohl auch aus Zypern stammen.124 Diese strategische Bedeutung Arkas als Verbindungsglied zwischen der Küste mit ihren Mittelmeerhäfen und den urbanen Zentren im Binnenland entlang des Tals des Orontes könnte dessen starke Stellung auch gegenüber der Dynastie von Chalkis erklären. Soweit archäologische Funde aus dem Herrschaftsbereich der Ituraier vorhanden sind, zeigen diese ein gut vernetztes Gebiet, dessen materielle Kultur in engem Austausch sowohl mit der phoinikischen Küste, als auch Richtung Süden mit dem Huleh-Tal und den nördlich an die Beka anschließenden Regionen stand. Die Keramikfunde in Kamid el-Loz zeigen deutliche Parallelen zu Tell Arqa im Norden und Tel Anafa im Huleh-Tal bei der Alltags- und Haushaltskeramik, der sog. Spatter Ware, aber auch einige Abweichungen zu Anafa beim Kochgeschirr. Es fanden sich auch zahlreiche Stücke von Eastern Sigillata A Importen, die auffällige Parallelen in Hama und im Design der Reliefgefäße in Beispielen aus Antiocheia haben. Darüber hinaus weisen zwei Amphorenhenkel einer rhodischen Amphore durch die in Teilen lesbare Inschrift auf den Import rhodischer Waren im Jahr 134/133 v. Chr. hin.125 Gerade für die hellenistische Zeit ergeben sich auch Parallelen zur phoinikischen Küste. So konnten neuere Grabungen wohl lokal produzierte Amphorentypen in Jiyeh südlich von Berytos, dem antiken Porphyreon, identifizieren, die auch in Kamid el-Loz gefunden wurden. Diese Amphoren wurden nach den Ausgräbern im lokalen bzw. regionalen Handel eingesetzt.126 Ähnlich vernetzt war auch die materielle Kultur der Höhensiedlungen entlang des Nahr Ibrahim. Die Funde zeigen wie angesprochen, dass hier im 1. Jhd. v. Chr. Importkeramik, aber auch lokal produzierte Keramik mit Vergleichsstücken von der phoinikischen Küste, Nordsyrien und Tel Anafa im Huleh-Tal zu finden waren.127 Auch Yanouh war im 2./1. Jhd. v. Chr. an die Mittelmeerwelt angebunden, was sich durch Importwaren aus Antiocheia, Ephesos, Kos und Rhodos zeigt.128 Zahlreiche Scherben hellenistischer Glasware aus Qal’at el Hosn zeigen die gute Anbindung an die Warenströme aus den phoinikischen Städten, denn im 2. und 1. Jhd. v. Chr. war hier das zentrale Glasproduktionsgebiet für Syrien.129 Es ist angesichts der Menge der Funde unwahrscheinlich, dass dies lediglich Zeugnisse von Beute aus Raubüberfällen auf die Küste sind. Im Gegenteil bestand ganz offenbar reger Handelsaustausch der ituraischen Gebiete mit den Nachbarregionen.

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Badre / Gubel 1999–2000, S.  148–152. Bonatz 2002, S. 299. 126 Wicenciak 2009, S. 450. 127 Élaigne 2005a, S. 166–171. Gerade der Keramikbefund von Chouita / M zérib im Tal des Nahr Ibrahim zeigt dabei, dass hier Formen mit Parallelen sowohl von der phoinikischen Küste, Nordsyrien als auch etwa Tel Anafa im Huleh-Tal zu finden waren. 128 Élaigne 2005b, S. 41. 129 Vgl. Dussart / Velde 1990, S. 693. 125

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Aber die Bewohner der Ituraiergebiete werden dabei nicht nur als Transitland oder Importeure von diesem Handel profitiert haben, sondern sie speisten auch mindestens zwei Produkte aus dem eigenen Herrschaftsbereich in diesen Handel ein: Holz und einige im Süden der Beka-Ebene wachsende Pflanzen. Theophrast berichtet nämlich, dass in einem kleinen Seitental des Libanon Kalmus (kalamos) und Binse (schoinos) wuchsen, welche offenbar als Duftstoffe genutzt wurden: Ὁ δὲ κάλαμος γίνεται καὶ ὁ σχοῖνος ὑπερβάλλοντι τὸν Λίβανον μεταξὺ τοῦ τε Λιβάνου καὶ ἄλλου τινὸς ὄρους μικροῦ ἐν τῷ αὐλωνίσκῳ τούτῳ, καὶ οὐχ ὥς τινές φασι τοῦ Ἀντιλιβάνου· ὁ γὰρ Ἀντιλίβανος μακρὰν ἀπέχει τοῦ Λιβάνου καὶ μεταξὺ τούτων ἐστὶν ὃν αὐλῶνα καλοῦσι πεδίον πολὺ καὶ καλόν. ὅπου δὲ ὁ κάλαμος καὶ ὁ σχοῖνος φύεται λίμνη μεγάλη τυγχάνει, πρὸς ταύτην δὲ ἐν τῷ ἕλει τῷ ἀνεξηραμμένῳ πεφύκασι· τοπον δὲ ἔχουσι πλεῖον ἢ τριάκοντα σταδίων.

„Kalamos and the schoinos grow in the following place: as you transit Libanos there is a little valley between Libanos and another small range – not as some say between it and Antilibanos. For Antilibanos is  a considerable distance from Libanos, and between them is  a broad, fertile plain which they call the valley. Where the kalamos and schoinos grow there is  a large lake; they grow alongside it in the dried-up marsh, and extend for a distance of something more than 30 stadia.“130

Diese Informationen finden sich fast wortgleich auch in der Naturgeschichte von Plinius dem Älteren, der noch ergänzt, dass calamus elf Denare das Pfund, Binse (iuncus) aber fünfzehn Denare das Pfund kosteten. Diese Pflanzen sind in Plinius’ Aufstellung von Pflanzen zur Produktion von Salben zu finden.131 Bei dem See und damit dem Ort des Vorkommens dieser Pflanzen handelt es sich um die sumpfige Gegend im Süden der Beka-Ebene, also einem Raum zwischen Libanon und Hermon.132 MacAdam verweist dabei darauf, dass der hier bei Theophrast zum ersten Mal im Griechischen bezeugte Name Libanos auf die griechische Vorstellung zurückgehe, dass die Duftstoffe, die die phoinikischen Händler in die griechische Welt brachten, vom Libanon-Gebirge stammten, welches sie daher „frankincense-mountain“ nannten. Diese Verwirrung sei durch eine wörtliche Transliteration des phoinikischen Namens lebônâh entstanden, was eigentlich ‚weiß‘ (wegen der schneebedeckten Gipfel) bedeutet habe.133 Trotz dieses möglichen Missverständnisses müssen aber die Belege aus Theophrast und Plinius dem Älteren als Hinweise darauf gelten, dass auch aus dem Libanon Duft- und Heilstoffe bzw. vielleicht sogar Duft- und Heilprodukte in den Markt der antiken Mittelmeer130

Theoph. Hist.pl. 9,7,1. Englische Übersetzung aus MacAdam 2020, S. 337. Plin. Nat.Hist. 12, 48, 104–106. 132 MacAdam 2020, S. 340–341. 133 MacAdam 2020, S. 340. 131

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welt eingespeist wurden. Vielleicht verweisen die Funde von Glasgefäßen aus der genannten Höhensiedlung von Qal’at el Hosn auf die Verarbeitung von lokalen Duftstoffen zu Duftölen o.ä..134 Dabei lässt sich vielleicht eine Entwicklung ähnlich wie im Nabataischen Reich postulieren: Zunächst hatten die Nabataier Aromata wie Weihrauch als Rohstoffe aus Südarabien eingekauft und unverarbeitet in die Mittelmeerwelt weiterverhandelt. Aber bis zum Beginn des 1. Jhd. n. Chr. entwickelte sich Petra, die Hauptstadt der Nabataier, zu einem Produktionszentrum für Parfüms und Duftöle. Dabei konnten die über den Fernhandel beschafften Rohstoffe wie Weihrauch und Myrrhe mit lokal vorhandenen Ölen und anderen Stoffen gemischt und als fertige Produkte teuer weiterverkauft werden.135 Zum Transport dieser Produkte wurden wohl ab dem ausgehenden 1. Jhd. v. Chr. in Petra und dann auch der Umgebung spezielle Gefäße hergestellt. Ab dem frühen 1. Jhd. n. Chr. hatten diese unguentaria eine charakteristische Form, die auch außerhalb des nabataischen Herrschaftsbereichs auftauchen.136 Diese verarbeiteten Produkte scheinen dabei besonders hohe Gewinnmargen ermöglicht zu haben. Ihr Erscheinen wird als bewusste Diversifizierung der nabataischen Wirtschaft vor dem Hintergrund der wachsenden Konkurrenz im Handel mit aus Arabien importierten Duftstoffen gewertet.137 Es wäre eher überraschend, wenn nicht auch die Ituraier angesichts der lokal vorhandenen Ressourcen versucht hätten, entsprechende eigene Produkte teuer zu exportieren. Theophrast und Plinius der Ältere berichten außerdem an anderer Stelle, dass an dem See in Syrien, an dem kalamos wachse, auch Papyrus wachse. Aus diesem Papyrus habe Antigonos Monophthalmos die Seile für seine Flotte herstellen lassen.138 Dazu ergänzt Plinius, dass zu dieser Zeit der Gebrauch des Esparto-Grases für Seile noch nicht bekannt gewesen sei.139 Auch hier stand also den Ituraiern im Süden der Beka-Ebene eine gewinnbringende natürliche Ressource zur Verfügung, die bereits von einem Vorgänger der Seleukiden genutzt worden war und mit hoher Wahrscheinlichkeit entlang der phoinikischen Küste mit ihren Häfen und entsprechendem Schiffsverkehr guten Absatz fand. Man könnte sogar behaupten, dass dieser Papyrus ähnlich wie das Zedernholz des Libanon eine strategische Ressource war, deren Kontrolle sowohl für die Zentralmächte als auch die lokalen

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Ghanimé-Marion 2007, S. 103–139. Vielleicht könnten solche Aktivitäten auch für die Sieldungen von Hosn Niha und Niha am Westhang des Libanon angedacht werden, die beiden entlang eines Tals, das als Verkehrstrasse durch den Libanon genutzt wurde, lagen. Vgl. Yasmine 2013, S. 703. Erickson-Gini 2010, S. 42–43. Johnson 1990, S. 236–239. Vgl. Erickson-Gini 2010, S. 43. Theoph. Hist.pl. 4,8,4. Plin. Nat.Hist. 13, 7, 30.

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Dynasten besondere Relevanz hatte. Insofern könnte es den ituraischen Dynasten als Verhandlungspfand in der Auslotung von Handlungsoptionen mit den Zentralmächten gedient haben. Leider gibt es keine weiteren Quellen, die das Ausmaß der Handelsaktivitäten der Ituraier erfassen ließen. Dies gilt auch für die ituraischen Münzen. Denn von den zahlreichen ituraischen Münzen im Katalog von Herman ist bei lediglich dreien der Fundort bekannt: Eine Münze von Ptolemaios, Sohn des Mennaios, wurde in Gamla in der Schicht des 1. Jhd. v. Chr. gefunden; eine weitere Ptolemaios zugeschriebene Münze wurde in Bir En-Suba entdeckt; von Lysanias wurde eine Münze als Oberflächenfund aus Tel Anafa gemeldet.140 Eine weitere Münze von Ptolemaios aus der Serie von 73/72 v. Chr. wurde seither in Hippo-Sussita gefunden.141 Trotzdem lässt sich aus all diesen Indizien erkennen, dass die Vorstellung der Ituraier als plündernde Beduinen, die noch unter Zenodoros die durch ihr Territorium ziehenden Karawanen regelmäßig ausraubten, angezweifelt werden muss. Und gerade die Darstellung des Zenodoros und seiner Aktivitäten ist es, die die größten Zweifel aufkommen lässt. Josephos beschreibt seine Aktivitäten wie bereits berichtet auf folgende Weise: Ζηνόδωρός τις ἐμεμίσθωτο τὸν οἶκον τοῦ Λυσανίου. τούτῳ τὰ μὲν κατὰ τὰς προσόδους οὐκ ἤρκει, τὰ λῃστήρια δὲ ἔχων ἐν τῷ Τράχωνι πλείω τὴν πρόσοδον ἔφερεν·οἰκοῦσι γὰρ ἄνδρες ἐξ ἀπονοίας ζῶντες τοὺς τόπους, οἳ τὰ Δαμασκηνῶν ἐλῄζοντο, καὶ Ζηνόδωρος οὔτ᾿ 345εἶργεν αὐτός τε τῶν ὠφελειῶν ἐκοινώνει.

„[…] ein gewisser Zenodoros, der die Güter des Lysanias gepachtet hatte, war mit deren reichen Einkünften nicht zufrieden, sondern suchte dieselben durch Raubzüge, welche er nach Trachon unternahm, zu vermehren. Diese Gegend nämlich wurde von verkommenen Menschen bewohnt, die das Gebiet der Damaszener plünderten, und anstatt ihren Räubereien Einhalt zu tun, beteiligte sich Zenodoros sogar noch an ihrer Beute.“142

Und auch Strabon stellt die Situation ähnlich dar: ὑπέρκεινται δ᾿ αὐτῆς δύο λεγόμενοι Τράχωνες· ἔπειτα πρὸς τὰ Ἀράβων μέρη καὶ τῶν Ἰτουραίων ἀναμὶξ ὄρη δύσβατα, ἐν οἷς καὶ σπήλαια βαθύστομα, ὧν ἓν 140

„Über [Damaskos] liegen zwei Hügel, die sogenannten Trachones; dann folgen in Richtung der von Arabern und Ituraiern gemischt bewohnten Gebiete

Herman 2006, S. 52. Segal et al. 2007, S. 155, 161. 142 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1. Übersetzung nach Clementz. 141

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καὶ τετρακισχιλίους ἀνθρώπους δέξασθαι δυνάμενον ἐν καταδρομαῖς, αἳ τοῖς Δαμασκηνοῖς γίνονται πολλαχόθεν. τὸ μέντοι πλέον τοὺς ἀπὸ τῆς εὐδαίμονος Ἀραβίας ἐμπόρους λεηλατοῦσιν οἱ βάρβαροι· ἦττον δὲ συμβαίνει καταλυθέντων νυνὶ τῶν περὶ Ζηνόδωρον λῃστῶν διὰ τὴν ἐκ τῶν Ῥωμαίων εὐνομίαν καὶ διὰ τὴν ἐκ τῶν στρατιωτῶν ἀσφάλειαν τῶν ἐν τῇ Συρίᾳ τρεφομένων.

schwer zu überwindende Berge, in welchen sich auch tiefe Höhlen befinden, unter ihnen eine, die wohl 4000 Menschen aufzunehmen vermag während der Überfälle, die auf die Damaszener von überall her erfolgen. Noch häufiger aber berauben die Barbaren die Kaufleute aus dem glücklichen Arabien; jetzt jedoch ereignen sich diese Vorfälle seltener, da die Räuberbanden des Zenodoros infolge der von den Römern eingerichteten gesetzlichen Ordnung und der Sicherheit vernichtet sind, welche die in Syrien stationierten Truppen gewährleisten.“143

Aus diesen Textstellen hat die Forschung geschlossen, Zenodoros sei praktisch als Anführer einer der zahlreichen Räuberbanden, die endemisch den Großraum Syrien / Palaistina / Judaia zu dieser Zeit unsicher gemacht hätten, zu betrachten.144 Einige Aspekte an der Darstellung lassen dies aber in Zweifel ziehen: Zunächst einmal war Zenodoros der legitime Tetrarch der Region und als solcher bestrebt, aus dieser maximale Einkünfte zu ziehen. Angesichts der bei Josephos selbst dargelegten naturräumlichen Lage in der Trachonitis konnte aus diesem Raum vor allem durch die Abgaben auf den Durchgangshandel Einkünfte erzielt werden. Eben dieser Durchgangshandel wurde durch Banditenüberfälle gestört und geschwächt, mittelfristig also auch die Einnahmen des Zenodoros aus Zollgebühren geschädigt. Natürlich könnte man argumentieren, dass die Handelskarawanen in der Trachonitis bereits die Zollstationen des Zenodoros an den Grenzen seines Gebietes passiert hatten und damit kein Verlust für seine Einkünfte durch Überfälle in der Trachonitis selbst entstand. Gleichzeitig war die Route durch die Trachonitis als Teil der alten Königsstraße von den Nabataiergebieten nach Damaskos die komfortabelste Verbindung für einen Warenaustausch der Nabataier mit Damaskos und die jeweiligen angeschlossenen Handelsnetze nach Norden und Süden.145 Eine Umgehung der Trachonitis war nur mit erheblichem Mehraufwand etwa durch das Jordantal möglich, entsprechend konnte sich Zenodoros sicher eine robuste Eintreibung von Zöllen etc. erlauben. Allerdings hätte eine offenkundige Beteiligung an den Überfällen der Räuber für Zenodoros sicher bedeutet, dass sein Ansehen in der Region deutlich gelitten hätte. Dies scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein. 143

Strab. 16, 2, 20. Übersetzung von Radt. Z. B. Kasher 1988, S. 14. 145 Vgl. Peters 1980, S. 113. 144

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Denn Josephos berichtet wie schon angesprochen, dass Zenodoros die Bewohner von Gadara davon überzeugen konnte, er könne sich in Rom für ihre Loslösung aus dem Herrschaftsbereich des Herodes und ihre Eingliederung in die Provinz Syrien einsetzen.146 Auch wenn viele Details dieser Episode sicher mehr mit dem ambivalenten Herodes-Bild des Josephos zu tun haben, wird doch deutlich, dass Zenodoros von den Einwohnern von Gadara bzw. ihrer Elite als eine verlässliche Person von regionalem Einfluss verstanden worden sein muss. Außerdem konnte die neuere Forschung etwa zu Palaistina zeigen, dass hier Gruppen explizit als Räuber und Banditen bezeichnet oder als solche implizit dargestellt werden, die aus einer Reihe von unterschiedlichen sozialen, politischen, ökonomischen oder religiösen Motiven heraus mit dem Gesetz in Konflikt kamen oder aber gegen die Moralvorstellungen der überliefernden Autoren verstießen.147 So nutzt gerade Josephos, der hier als wichtigste Quellen dient, den Begriff Räuber, lestés, insbesondere für alle Personengruppen, die er negativ darstellen wollte – und zwar von Kain bis zum Jüdischen Aufstand, ohne dass die so bezeichneten Person wirklich immer ‚Räuber‘ im heutigen Verständnis waren.148 Vor dem Hintergrund der großen ökonomischen und politischen Konkurrenz der Ituraier zu den Machthabern in Judaia kann es also nicht überraschen, dass Josephus eben auch die Ituraier im Kontext dieser moralischen Abwertung darstellte. Zudem wird Josephos hier vielleicht auf eine seiner wichtigsten Quellen, nämlich Nikolaos von Damaskos, zurückgegriffen haben.149 Dieser war als enger Vertrauter und Mitglied des Hofes des Herodes in seiner Darstellung sicher darauf bedacht, Herodes in ein gutes Licht zu rücken und er musste daher die ‚Untaten‘ des Zenodoros in besonderer Weise hervorheben, um die Landschenkung des Augustus an Herodes noch verständlicher und dessen Leistungen zur Befriedung der Region noch augenfälliger zu machen. Gleichzeitig bestand seit Ptolemaios’, Sohn des Mennaios’, Zeiten eine deutliche Konkurrenz zwischen Damaskos und den Ituraiern, bei denen Nikolaos vermutlich die Position der Damaszener einnahm.150 Auch dies wird seine Darstellung des Zenodoros beeinflusst haben. So könnte aus einer ‚einfachen‘ Zollerhebung des Zenodoros ein Paktieren des Tetrarchen mit den Räuberbanden geworden sein. Darüber hinaus hat Gabrielsen herausgearbeitet, dass gerade die Etablierung und Ausnutzung von Monopolen durch Städte, Dynasten, Herrscher etc. zu einer negativen Bewertung dieser in den Quellen führen konnte. Monopole sind dabei 146

Jos. Ant.Jud. 15, 10, 3. Vgl. Horsley 1978, S. 48 ff. 148 Sievers 2009, S. 105–106. 149 Zu den Quellen des Josephos vgl. Mason 2016, S. 23–25; zur Bedeutung des Nikolaos von Damaskos vgl. Schwartz 2016, S. 39–41. 150 Die Konkurrenz ist erkennbar an den beiden Versuchen des Ptolemaios, Damaskos einzunehmen: Jos. Ant.Jud. 13, 15, 1–2; vgl. Bell.Jud. 1, 4, 7–8; Jos. Bell.Jud. 1, 5, 3. 147

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als exklusive Zugriffsrechte auf bestimmte Produkte und Handelswaren oder auch bestimmte Handelsorte zu verstehen, die den Monopolinhabern ökonomische Vorteile gegenüber anderen verschafften.151 Auch die ituraischen Dynasten könnten einerseits einige der in ihrem Herrschaftsgebiet vorhandenen oder hergestellten Produkte exklusiv vertrieben haben und / oder andererseits die Handelswege durch ihre Territorien an bestimmte Handelsorte und die dort fälligen Abgaben gebunden haben. Dies könnte ebenfalls ein Aspekt der Konkurrenz zu den Nachbarn gewesen sein, der entsprechend negativ in den Quellen rezipiert wurde. Damit bezeugen die literarischen Quellen die intensive ökonomische Konkurrenz der verschiedenen Klientelreiche untereinander. So deutet etwa Günther den Konflikt um Gadara als Episode im Konkurrenzkampf zwischen Zenodoros, den Nabataiern und Herodes.152 Die beschriebene strategische Lage der ituraischen Territorien bzw. der diese durchlaufenden wichtigen Handelsrouten stellte zum einen eine bedeutende Einnahmequelle und zum anderen die Möglichkeit zu politischer Einflussnahme in der Region dar. Denn wer die Handelswege kontrollierte, konnte die Kooperation der auf diese angewiesenen Gemeinschaften erzwingen. Der beschriebene Verkauf der Auranitis an die Nabataier153 mag dabei als Versuch gewertet werden, dem Ausgreifen des Herodes auf diese Handelswege einen ‚unabhängigen‘ Zugang zu Damaskos entgegenzusetzen. Ohne Zweifel ist der Verkauf der Auranitis durch Zenodoros auch im Lichte von dessen Versuchen zu betrachten, seine durch Augustus beschnittene Herrschaft zu retten und dafür neue Ressourcen zu erschließen. Wright betont sicher mit Recht die angespannte ökonomische Situation des Zenodoros, der durch den Verlust von Trachonitis, Batanaia und Auranitis an Herodes auch massive Einbußen in seinen Einkünften hatte hinnehmen müssen.154 Während Wright jedoch die angebliche Kooperation des Zenodoros mit den Räubern der Trachonitis als Folge dieser schwierigen finanziellen Situation versteht, bietet sich eher die Deutung an, den Verlust der Gebiete als Ursache der finanziellen Schwierigkeiten zu verstehen und dann in diesem Kontext den Verkauf der Auranitis anzusetzen, kurz bevor dieser Gebietsentzug ‚rechtskräftig‘ wurde.155 Insgesamt wird deutlich, dass die Ituraier bzw. ihre Herrschaftsgebiete in vielfältiger Weise mit dem regionalen und überregionalen Handelsnetz des Großraums Syrien verbunden waren und dort von ihrer strategischen Lage an wichtigen NordSüd- wie Ost-West-Achsen ökonomisch wie politisch profitierten. Die aufgezeigten Indizien machen es mehr als wahrscheinlich, dass die ituraischen Dynasten dabei nicht von der Plünderung dieser Handelsströme, sondern von deren Kontrolle 151

Gabrielsen 2011, S. 229–231. Vgl. Günther 2005, S. 133–134. 153 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 2. 154 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 2; dazu Wright 2013, S. 68. 155 Vgl. Wright 2013, S. 68. 152

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lebten. Zu diesem Aspekt passt das bereits mehrfach angesprochene Motiv der Dioskuren auf den Münzen des Ptolemaios, denn diesen wird unter anderem der Schutz von (Handels-)Reisenden als Aufgabe zugewiesen.156 Wichtig ist aber auch, dass die Ituraier nicht nur diese Handelsströme kontrollierten, sondern auch durch eine erfolgreiche Landwirtschaft und den Abbau anderer Ressourcen eigene Produkte in das Marktgeschehen einbringen konnten. Und damit konnten sie offenbar gute Gewinne erzielen: Denn abgesehen von den 1000 Talenten, die Ptolemaios, Sohn des Mennaios, für den Erhalt seiner Herrschaft an Pompeius zahlte, erfahren wir, dass der Tetrarch Philippos, Erbe des Herodes und Herrscher über zumindest einen Teil der ehemaligen Gebiete des Zenodoros, ein Jahreseinkommen von 100 Talenten erhielt.157 Außerdem erließ Herodes seinen Einwohnern nach der Übernahme der Gebiete des Zenodoros einen Teil der Steuern, womit angenommen werden kann, dass er aus diesen Territorien ausreichende Einkünfte erhielt.158

5.2 Herrschaftsstrukturen der Emesener 5.2.1 Herrschaftsorganisation, territoriale Kontrolle und Administration Der einzige Hinweis auf die Art der Herrschaftsorganisation der Emesener ist die erwähnte Bemerkung Strabons, dass die arabischen Gemeinschaften bessere Regierungen hätten, je näher sie der römischen Provinz kämen: Ὅμορος δ᾿ ἐστὶ τῇ Ἀπαμέων πρὸς ἕω μὲν ἡ τῶν φυλάρχων Ἀράβων καλουμένη Παραποταμία καὶ ἡ Χαλκιδικὴ ἀπὸ τοῦ Μασσύου καθήκουσα καὶ πᾶσα ἡ πρὸς νότον τοῖς Ἀπαμεῦσιν, ἀνδρῶν Σκηνιτῶν τὸ πλέον· παραπλήσιοι δ᾿ εἰσὶ τοῖς ἐν τῇ Μεσοποταμίᾳ νομάσιν· ἀεὶ δ᾿ οἱ πλησιαίτεροι τοῖς Σύροις ἡμερώτεροι καὶ ἧττον Ἄραβες καὶ Σκηνῖται, ἡγεμονίας ἔχοντες συντεταγμένας μᾶλλον, καθάπερ ἡ Σαμψικεράμου Ἀρέθουσα καὶ ἡ Γαμβάρου καὶ ἡ Θέμελλα καὶ ἄλλων τοιούτων.

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„[…] dann das ganze den Apamaiern südlich gelegene und größtenteils Zeltbewohnern gehörende Land. Diese gleichen den Wanderhirten Mesopotamiens; immer aber sind die den Syrern näher wohnenden gesitteter und weniger Araber und Zeltbewohner, weil sie besser geordnete Verfassungen haben, wie das Arethusa des Samsigeramos und die Gebiete des Gambaros und Themella und andere dergleichen.“159

Hvidberg-Hansen 2007, S. 14–15, 36, 96–97. Jos. Ant.Jud. 17, 11, 4 und 17, 8, 1. 158 Jos. Ant.Jud. 15, 10, 4. 159 Strab. 16, 2, 11. Übersetzung von Radt. 157

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Davon ausgehend stellt sich Chad vor, dass die Dynasten von Emesa wohl von einem Rat der Ältesten oder der Chefs der einzelnen Clans unterstützt worden seien. Diese Clanchefs wären dann für das Einziehen der Steuern, die Bereitstellung von Männern und Bewaffnung für das Stammesaufgebot, die Vergabe von Land im beherrschten Territorium sowie die Ausübung des Kultes für El zuständig gewesen. Sie seien als Rat zusammengetreten, wenn wichtige Entscheidungen für das Gemeinwesen getroffen worden mussten und hätten vor allem eine Rolle bei der Bestätigung des Nachfolgers beim Tod des Herrschers gespielt.160 Diese Rekonstruktion basiert auf der Idee, dass es sich beim Gemeinwesen der Emesener um eine Stammesgemeinschaft handelte. Und in der Tat drängt sich bei Strabons Beschreibung die Untergliederung nomadischer Gemeinschaften nach Rowton auf: „The basic factor is that in enclosed nomadism […] the tribe constituted an autonomous polity within established states. This resulted in a significant degree of economic and political symbiosis between nomad and sedentary. The bedouin tribe, on the other hand, was not similarly integrated within the state. It can hardly be viewed as an autonomous polity. It was virtually independent.“161 Vergleicht man diese Überlegungen mit Strabon, so scheinen die Emesener in die Gruppe der „enclosed nomads“ oder der „integrated tribes“ zu gehören, während die weiter von der Reichsgrenze entfernten Gemeinschaften als „bedouin tribe“ zu verstehen wären. Ist dies der Schlüssel zum Verständnis der Eigenherrschaft der Emesener? Zunächst einmal belegen die Quellen wie gezeigt, dass die Anführer der Gemeinschaft als phylarchoi bezeichnet wurden, was nach Kaizer als „chief officers of what is mostly translated as a ‚tribe‘ (with all its dangerous connotations)“ zu verstehen ist.162 Aber so einfach ist es nicht. Schaut man lediglich auf die Verwendung im hellenistischen Osten, so wird die Bezeichnung etwa für die Priester der Juden oder für die Stammesältesten in Judaia verwendet.163 Im hellenistischen Kleinasien und Thrakien begegnen phylarchoi als Einzelamt oder Kollegium, das gemeinsam mit den höchsten zivilen und militärischen Beamten wichtige Verwaltungsfunktionen für die städtischen Gemeinschaften ausübte.164 Im hellenistischen Heer war der phylarchos eine Kommandostufe, auf die die Stellung als hipparchos und dann die Generalität folgten.165 Man kann daraus schließen, dass phylarchoi in hellenistischen Reichen Amtsträger auf lokaler Ebene waren, die auch militärische 160 161

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Chad 1972, S. 156–157. Rowton, 1974, S. 4–5. Kaizer 2005, S. 189. Kaizer 2005, S. 189. Welwei, DNP, s.v. phylarchos. SEG 32, 154 mit Kommentar.

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Kompetenzen hatten. Möglicherweise sind sie die Verwaltungsebene unter den ‚Provinzstatthaltern‘.166 Insbesondere für den kaiserzeitlichen Hauran, in dem der Titel häufiger in Zusammenhang mit Nomaden genannt wird, wird seine Interpretation als Amtsträger über nomadische Stämme oder Anführer aus der Mitte dieser nomadischen Stämme diskutiert.167 Cassius Dio bezeichnet aber auch Dynasten aus Mesopotamien, die sich vor Trajan in Edessa einfanden, als phylarchoi. Während einer von ihnen, Mannus, als Herrscher über Arabia angesprochen wird, herrscht der phylarchos Sporakes über die Stadt Anthemousia.168 Unter der römischen Herrschaft kann der Titel also sowohl für den Anführer von Verwandtschafts- oder Abstammungsgruppen, wie auch für Amtsträger als Verwalter solcher Gruppen sowie als militärischer Rang verwendet werden.169 Damit ist festzuhalten: Der Titel allein ist kein zwingendes Zeugnis, um in der Gemeinschaft der Emesener einen nomadischen Stamm zu sehen. Vielmehr macht die Bezeichnung deutlich, dass die ihn führenden Personen eine von der Zentralmacht autorisierte Herrschaftsaufgabe über einen vermutlich bestimmten geografischen Raum innehatten – und das ist zunächst einmal unabhängig von der Frage, ob die Emesener Dynasten aus einer nomadischen oder sesshaften Gemeinschaft stammten. Spätestens im 1. Jhd. n. Chr. treten die Dynasten der Emesener dann als Könige in Erscheinung.170 Eine Inschrift aus Heliopolis / Baalbek überliefert die vollständigste Titulatur: „Regi magno / C(aio) Iulio Sohaemo / regis magni Sam / sigerami f(ilio) philo / caesari et philo/[r]ohmaeo honora  /  t[o ornamentis]consulari  /  b[us --------------]/patrono coloniae /(duum)viro quinquenn(ali)/ L(ucius) Vitellius L(uci) f(iliius) / Fab(ia tribu) Soss[i]a[nus]“171 Wann genau aus Samsigeramos ein Großkönig wurde, ist nicht ganz klar. In der Inschrift seines Freigelassenen Caius Iulius Glaucus bezeichnet sich dieser als C. Julio regis Samsicerami L. Glauco172, Samsigeramos ist also zwar schon rex, aber offenbar 166

Im kaiserzeitlichen Thrakien wurden phylarchoi mit religiösen, administrativen und militärischen Aufgaben, letzteres vor allem im Bereich der Rekrutierung, ausgestattet und übten diese für eine begrenzte Amtszeit auf städtischen Territorien aus: Tačeva 1992, S. 179–187. 167 Macdonald 1993, S. 368–377, diskutiert die Begriffe ethnarchos, phylarchos und strategos und deren Verbindung zu Nomaden. Grouchevoy 1995, S. 106–131, schaut speziell auf φύλαρχοι in den literarischen und epigraphischen Quellen. Er bestreitet Macdonald’s These, dass diese lokalen Magistrate mit der Aufgabe der Verwaltung von Nomadengruppen betraut und nicht deren Anführer und selbst Nomaden waren. 168 Cass.Dio 68, 21.  169 Mayerson 1991, S. 294. 170 Kaizer 2005, S. 189. 171 IGLS 2760 = ILS 8958 172 CIL VI 35556a

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noch nicht rex magnus. Die Bezeichnung als rex magnus wurde ihm vermutlich für besondere Dienste gegenüber Rom verliehen, vielleicht im Zuge der Orient-Mission des Germanicus.173 Schon die Ernennung zum König und dann im nächsten Schritt die Ernennung zum Großkönig müssen als besondere Ehren verstanden werden, die durch eine Zentralmacht gewährt wurden. Für die Königswürde wurde ja bereits eine Verleihung durch die Arsakiden überlegt174, Großkönige wurden die Emesener von Roms Gnaden. Geht man davon aus, dass die Königswürde für die Emesener, aber etwa auch die für den ituraischen Tetrarchen Lysanias, von den Arsakiden erworben wurde, könnte der Großkönig-Titel als ein römischer Versuch der Steigerung vor dem Hintergrund möglicher weiterer parthischer Einflussversuche verstanden werden. Anders als einige Nachbardynastien prägten die Emesener Dynasten offenbar keine eigenen Münzen.175 Das ist umso betrüblicher, als in der Forschung neben der zivilen Stellung auch eine religiöse Stellung als Hohepriester des Emesener Sonnengottes für die Anführer der Emesener diskutiert wird. So nennt etwa Lipiński die Dynasten von Emesa „rois-prêtres hellénisés“ und glaubt, dass das Herrscherhaus zwar unter Domitian die eigenständige Herrschaft verlor, aber das Recht auf das lebenslange Hohepriesteramt in der Familie behielt.176 Ball denkt ebenfalls, dass die dann ehemalige Herrscherdynastie nach der Provinzialisierung die lebenslange Hohepriesterwürde im Tempel für den Emesener Sonnengott behielten.177 Aber in den Inschriften wird eine religiöse Funktion der Emesener Könige nicht erwähnt. Dies gilt etwa für die gerade zitierte Ehreninschrift für den König Soiamos. Angesichts der großen legitimatorischen Kraft eines Hohepriesteramtes wäre es doch überraschend, wenn eine solche Position in den Inschriften der Könige nicht zur Sprache kam. Es muss also mit dem jetzigen Kenntnisstand davon ausgegangen werden, dass die emesenischen phylarchoi und Könige nicht gleichzeitig ein Hohepriesteramt innehatten. Dazu würde passen, dass für Abdulkarim Emesa als Stadt erst in römischer Zeit entstehen konnte, als die ungünstigen Umweltbedingungen des sehr sumpfigen und marschigen Umlandes dieses Teils des 173

Vgl. Konrad 2014, S. 48–50. Auch die beiden Agrippas waren Großkönige: Zu den Agrippas: CIL III 14387 = IGLS VI 2759: regi] / magno Ag[rip]/pae pio philocae / sare et philoromae(o) / patrono col(oniae) / pub(lice) fac(tum); AE 1928, 82: [Rex magnus Agrippa Philocaesar et r]egina Berenice regis magni A[grippae filii] / [coloniae Iuliae Augustae Felici Beryto impensis suis balneum(?) qu]od rex Herodes proavs eorum fecerat ve[tustate dilapsum] / [refecerunt et ronaverunt stat]uis(?) marmoribusque et columnis [s]ex. Texte aus der Epigraphik-Datenbank von Clauss / Slaby. OGIS 424 aus Apameia; AE 1928, 82. Vgl. Kropp 2010b, S. 204. 174 Vgl. Sullivan 1990, S. 201–202. 175 Erst ab dem 2. Jhd. n. Chr. werden unter Hadrian und Antoninus Pius in Emesa Münzen geprägt: Abdulkarim 1997, S. 17–18. 176 Lipiński 2011, S. 1083. 177 Ball 2000, S. 36–37; ähnlich auch Butcher 2003, S. 92.

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Orontes-Tals durch einen Damm beherrscht wurden.178 Wuchs Emesa aber erst nach der Auflösung des eigenständigen Königreiches zu einer wirklichen urbanen Siedlung heran, entwickelte sich vielleicht auch dann erst das Kultzentrum für El / Elagabal zu mehr als nur einem lokalen Tempel. Und vielleicht entstand auch erst dann eine Hohepriesterwürde in diesem Heiligtum für die jetzt um neue Aufgaben bemühte lokale Elite – oder die gerade abgesetzte Herrscherfamilie.179 In diesen Kontext einer mit Priesterschaft ausgestatteten lokalen Elite gehört vielleicht eine Gruppe von Inschriften aus Nazala / Qaryatain, in denen verschiedene Mitglieder einer Familie als archiereus für ein lokales Heiligtum aus der ersten Hälfte des 2. Jhd. n. Chr. genannt werden.180 Zum einen werden diese Priester explizit als Hohepriester angesprochen – der einzige epigraphische Beleg für diesen Titel auf dem Territorium von Emesa, wenn Nazala denn wirklich dazu gehört haben sollte. Zum anderen bezieht sich diese Hohepriesterwürde des Moschos auf „den Klan des Aphas, aus dem Haus des Khennaba“.181 Handelt es sich hierbei um eine nomadische Gemeinschaft, weil eine Klan-Zugehörigkeit angegeben wurde? Vielleicht ist dann dieses Heiligtum ähnlich zu verstehen wie das bereits beschriebene Heiligtum von Sahr al-Leja im Hauran, das als Gemeinschaftstreffpunkt für Nomaden interpretiert wurde, die aber über diesen Treffpunkt und dessen möglicher Protektion durch die ituraischen Dynasten in deren Herrschaft eingebunden wurde. Vielleicht erfüllte Nazala eine ähnliche Rolle für die Emesener. Wie andere hellenistische Herrscher werden auch die emesenischen Dynasten über einen Hof verfügt haben, an dem Freunde und Berater der Könige für verschiedene Aufgaben und Ämter herangezogen wurden. Dazu schweigen die Quellen jedoch ebenso wie über andere mögliche Institutionen, etwa einen von 178

Abdulkarim 1997, S. 188–190. Dies gilt auch, wenn man mit Hanslik annehmen möchte, dass das Tragen des Namens Azizos, wie es auch bei den Emesener Dynasten vorkam, als Indiz für eine Priesterschaft für den Gott Azizos zu nehmen ist: Hanslik 1954, S. 178–179. Denn es ist vielleicht weniger anzunehmen, dass alle theophore Namen tragenden Herrscher Priester dieser Götter waren – Samsigeramos von Shamash, Soaimos von Simios, Azizos von Azizos – sondern eher, dass durch die theophoren Namen eine besondere Nahbeziehung zur Götterwelt betont werden sollte. Weder in den bereits angesprochenen Inschriften für Personen, die möglicherweise zum Emesener Herrscherhaus gehörten, noch in anderen Inschriften aus Emesa wird eine Priesterfunktion erwähnt. Religiöse Funktionsträger tauchen erst mit dem Christentum in den Inschriften auf. Es gibt eine mögliche Nennung eines Priesters aus Laodikeia Skabiosa / Tell Nebi Mend, aber die Lesung ist sehr unsicher: IGLS V 2686. Einzig in einer Inschrift aus Iabrouda wird ein Samsigeramos, Sohn des S…. als Priester erwähnt, der von verschiedenen Personen der Veruntreuung von Tempelgeldern bezichtigt wurde (IGLS V 2707). Die Amtsgewalt des Agrippa II. über das Heiligtum macht aber eher wahrscheinlich, dass Iabrouda auf dem ehemaligen ituraischen Territorium der Tetrarchie des Lysanias lag. 180 IGLS V 2697–2703. 181 IGLS V 2698–2699. 179

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Chad postulierten Rat der Ältesten. Aber in der Familie des Moschos aus Nazala könnte man eine lokale Notablenfamilie sehen, die möglicherweise auch am Hof des Emesener Königs agierte, wenn Nazala Teil des emesenischen Territoriums war. Daraus ließe sich auch eine leider sehr fragmentarische Ehrung der Frau des Moschos für einen römischen Statthalter verstehen.182 Etwaige Ämter in den urbanen Zentren, insbesondere in Arethusa, lassen sich nicht nachweisen. Die früheste Inschrift aus Arethusa, eine Grabinschrift für einen Hermagoras von 5/6 n. Chr., datiert nur nach der Freiheitsära und der seleukidischen Ära, nicht nach etwaigen Oberbeamten.183 Wie auch immer im Detail die Verwaltung des emesenischen Gebietes organisiert war, in jedem Fall werden die emesenischen Dynasten die in ihrem Herrschaftsbereich vorhandenen Ressourcen für die eigene Politik nutzbar gemacht haben. Die wichtigste dieser Ressourcen muss wie überall der Boden gewesen sein, dessen Früchte zumindest in Teilen als Steuern und / oder Tribute eingesammelt wurden. Die aufgezeigte Siedlungskontinuität auf den Tells von der Eisenzeit bis in die hellenistische Zeit unterstreicht eine grundsätzliche Kontinuität der Landschaftsorganisation, die sich mit dem Fortschreiten der hellenistischen Epoche und dem Erscheinen neuer Siedlungen in der Ebene veränderte. Die neuen Siedlungen könnten nicht nur die Ansiedlung neuer Siedler bedeuten, sondern zeigen vor allem die verstärkte Nutzung des Bodens für Landwirtschaft in einem strategisch wichtigen Gebiet.184 Dieser Boden könnte gerade in den zuvor kaum genutzten Gegenden als königliches Land organisiert worden sein, sofern er nicht den neugegründeten hellenistischen Städten als Territorium gegeben war. Die emesenischen Dynasten könnten daher ganz materiell Erben der hellenistischen Könige geworden sein und einen Großteil des Bodens in ihrem Herrschaftsgebiet als Königsland gehalten haben. Das wiederum würde auch erklären, warum nach der Integration des Königreiches in das Römische Reich eine großflächige Zenturiation des Territoriums mit massivem Ausbau der Infrastruktur durch die Anlage neuer Straßen, eines Dammes und Kanälen mit der folgenden Entstehung zahlreicher neuer Siedlungen möglich war.185 Damit hätten die Könige von Emesa einen recht umfangreichen Zugriff auf die Ressourcen ihres Herrschaftsbereiches gehabt, wie im Folgenden zu diskutieren ist. Allerdings waren sie vielleicht nicht die einzigen, die auf diese Ressourcen zurückgriffen. Denn vielleicht gab es im Emesener Territorium Heiligtümer, die ebenso wie in Iabrouda über eigene Einkünfte und folglich Ressourcen verfügten. Auch wenn eine genaue Rekonstruktion der Tempelfinanzen aufgrund des frag-

182

IGLS V 2701. IGLS V 2085. 184 Philip / Bradbury 2016, S.  397–400. 185 Philip / Bradbury 2016, S. 397–400; Newson 2015b, S. 286–287. 183

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mentarischen Zustands des Textes schwierig ist, entstand offenbar einer Gruppe von an den Einkünften des Heiligtums Beteiligten ein Schaden von insgesamt 300 Talenten.186 Deutlich wird also, dass dem Heiligtum Ressourcen zur Verfügung standen, an denen andere Personengruppen beteiligt sein konnten. Ähnliche Konstruktionen mit entsprechendem Ressourcenzugriff könnte man sich etwa auch für die Hohepriester von Nazala vorstellen.187 Inwiefern aber dem König in den Heiligtümern Konkurrenten um die Ressourcenkontrolle entstanden, oder im Gegenteil die Könige die Heiligtümer als Euergesien mit Land oder anderen finanziellen Privilegien ausstatteten, kann für das Emesener Königreich aufgrund der schlechten Quellenlage nicht ermessen werden. Diese Frage stellt sich auch für die ituraischen Dynasten, denn Iabrouda lag vermutlich auf ihrem Territorium. Aber abgesehen von der Inschrift aus Iabrouda haben wir keine weiteren Quellen, die Aussagen über den Status der Heiligtümer im Herrschaftsgebiet der Ituraier wie Emesener ermöglichen würden.

5.2.2 Ressourcen und Ressourcenzugriff der Emesener Bevor das ökonomische Potential und dann dessen Nutzung im emesenischen Territorium betrachtet wird, soll kurz gefragt werden, wofür die Dynasten auf dieses ökonomische Potential zurückgriffen. Während Braund grundsätzlich verneint, dass Klientelkönige dem römischen Reich Tribute zu zahlen hatten188, sind damit aber situationsbezogene Zahlungen etwa bei Machtwechsel in Rom oder Thronwechsel im Klientelkönigtum selbst nicht ausgeschlossen. So scheint etwa Marcus Antonius ganz offen die Bestätigung als Klientelherrscher an die Zahlung von höheren Geldbeträgen geknüpft zu haben.189 Und auch zu anderen Gelegenheiten konnten ‚freiwillige‘ Zahlungen der Klientelkönige an die römischen Machthaber erwartet werden, wie etwa das Beispiel der sicher nicht völlig uneigennützigen Freigiebigkeit des Herodes zeigt.190 Aber schon vor dem möglichen Bündnis mit Pompeius werden die Emesener wenn schon keine direkte Tributpflicht so doch Ausgaben gegenüber den seleukidischen Königen und Prätendenten gehabt haben. Denn sie unterhielten offenbar Truppen, wie die Ausführungen zur Geschichte Emesas zeigten. Diese Truppen mussten besoldet und versorgt werden, was vor allem auch eine permanente Zufuhr von Lebensmitteln erforderte, die vermutlich in Form von Abgaben von der beherrschten Bevölkerung erhoben wurden. Dafür wird ein intensiverer Zugriff 186

IGLS V 2707 mit Kommentar. IGLS V 2697–2703. 188 Braund 1984, S. 65–66. 189 App. Civ. 5, 5–6; App. Civ. 5, 75. 190 Bringmann 2005, S. 184. 187

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auf die vor allem landwirtschaftlichen Ressourcen nötig gewesen sein, der nur durch eine kontinuierliche landwirtschaftliche Nutzung des Territoriums möglich war. Schließlich handelte es sich um durchaus beträchtliche Mannstärken. Soaimos unterstützte Cestius Gallus gegen den Jüdischen Aufstand mit 1300 Kavalleriesoldaten und 2700 Bogenschützen.191 Auch Tacitus betont, Soaimos habe Vespasian im Vierkaiserjahr „mit nicht zu verachtenden Streitkräften“ beigestanden.192 Es ist aber doch wahrscheinlich, dass die Emesener Dynasten sowohl den Seleukiden als auch den Römern nicht ihre vollständige Truppenmacht zur Verfügung stellten, sondern weitere Soldaten für Aufgaben in ihrem eigenen Herrschaftsbereich zurückbehielten, z. B. für die Sicherung der Handelswege. Die tatsächliche Mannstärke des emesenischen Heeres muss also größer als die genannten Zahlen gewesen sein. Mindestens zur Versorgung dieses Heeres bedurfte es also einer ausreichenden landwirtschaftlichen Produktion. Nach Abdulkarim ist der Naturraum des emesenischen Herrschaftsbereiches gekennzeichnet durch drei distinkte geographische Zonen: Einmal die Ausläufer der Küstengebirge, also Libanon und Antilibanon, dann dem Tal des Orontes mit seinem Anschluss an die Küste und schließlich auf der östlichen Seite des Orontes die Übergangszone zur Syrischen Wüste. Dabei finden sich teilweise durch Vulkanismus sehr fruchtbare Böden und Basaltlandschaften. Insgesamt lässt die geologische Situation daher für Abdulkarim vermuten, dass Emesa an einer eigentlich sumpfigen und nicht sehr attraktiven Stelle des Orontes-Tals angelegt worden sei, während Arethusa / R astan oder Epiphaneia / Hama an Plätzen lägen, die wegen des Kalkuntergrunds nie sehr feucht gewesen sein konnten. Auch in Bezug auf das Klima sei die Lage von Emesa ungünstig, da die Stadt in der durch das Homs Gap geschaffenen Einfallschneise starker West-Ost-Winde läge, die zu einer geringeren Niederschlagsmenge und vor allem einer hohen Verdunstungsrate stehender Gewässer und auch der Flüsse führe. Dies mache eine intensive und optimal ausgerichtete Bewässerung nötig, um die eigentlich guten Bodenbedingungen für die Landwirtschaft zu nutzen.193 Aufgrund dieser Überlegungen wird für Abdulkarim deutlich, dass Emesa als Stadt erst in römischer Zeit entstehen konnte, als die ungünstigen Umweltbedingungen des sehr sumpfigen Umlandes durch die Anlage eines Dammes beherrscht wurden. Dadurch seien auch erst neue Möglichkeiten der Nutzbarmachung des Bodens entstanden, die mit der Anlage einer Zenturiation in Angriff genommen wurden. Dazu sei die Ansiedlung von Kolonisten erfolgt, weshalb in der Folge die Mehrheit der in den Inschriften fassbaren Bevölkerung griechisch-römisch gewesen sei. Der große Anteil der indigenen Bevölkerung zeige aber auch die Integration dieser in die neue Stadt.194 Hier muss allerdings 191

Jos. Bell.Jud. 2, 18, 9; 3, 4, 2; Tac. Hist. 2, 81, 1; Tac. Hist. 5, 1, 2–4. Tac. Hist. 2, 81, 1.  193 Abdulkarim 1997, S. 22–42. 194 Abdulkarim 1997, S. 188–190. 192

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bedacht werden, dass die Namen der Inschriften vor allem auch den ‚epigraphic habit‘ bestimmter Gruppen widerspiegeln – natürlich setzten griechisch-römische Kolonisten eher Inschriften, weil dies für sie Teil der eigenen Kulturpraxis war, während die indigene Bevölkerung diese Sitte erst durch die Nachahmung der Neusiedler langsam übernahm. Eine solche Entwicklung kann Newson für die Basalt-Region westlich des Orontes plausibel machen.195 Die landwirtschaftliche Nutzung gerade der weniger günstigen Territorien in der Basalt-Landschaft war dabei für Philip und Bradbury insbesondere dann angezeigt, wenn der Raum in ein weiteres Marktgeschehen eingebunden waren, das auch kleine Überschüsse aufnahm. Dies war für sie in römisch-byzantinischer Zeit gegeben.196 Die Frage nach dem Ackerbau im Herrschaftsbereich der Emesener ist auch eng mit der Frage nach dem zur Verfügung stehenden Boden dafür verknüpft und hierbei wiederum mit der Datierung des Damms am See von Homs. Für Chad wurde ein erster Damm zur Kontrolle des Orontes und seiner Zuflüsse schon im 2. Jhts. v. Chr. angelegt, der dann von den Emesenern massiv erweitert und ausgebaut wurde.197 Der antike Damm ist trotz der Konstruktion eines modernen Damms 1934–1938 noch sichtbar. Erkennbar sind auch noch drei Kanäle, die offenbar Wasser aus dem durch den Damm aufgestauten See zur Versorgung der Stadt Emesa und ihres Umlandes abführen sollten. Die Datierung ist schwierig, Abdulkarim folgt älteren Thesen, wonach das Bauwerk in seiner Struktur und Anlage am ehesten mit römischen Anlagen vergleichbar sei. Dazu passt für ihn, dass Strabon in seiner Beschreibung des Orontes-Tals keinen See bei Emesa erwähnt, weshalb dieser See und folglich auch der Damm zu seiner Zeit noch nicht existiert habe.198 Kamash datiert den Damm sogar erst in diokletianische Zeit.199 Vermutlich ebenfalls Teil eines Landesausbaus war eine Zenturiation des Territoriums, für die Dodinet, Leblanc, Vallat und Villeneuve zwei unterschiedliche Kataster nachweisen möchten. Für dieses Kataster sehen sie einen ähnlichen Zeithorizont wie die Gründungsphase der hellenistischen Stadtanlage von Damaskos oder Seleukeia am Tigris, weil eine Parzellengröße von 144 m mal 96 m dort auch zu finden sei. Ohne archäologische Anhaltspunkte scheinen die Autoren eine Anlage dieses Katasters unter Seleukos I. zu favorisieren. In römischer Zeit sei dann auch im Süden der Stadt eine große Zenturiation angelegt worden mit der typisch römischen Grundeinheit von 20 × 20 actus. Außerdem ließe sich ca. 20 km westlich der Stadt ein zweites Kataster mit einer Modulgröße von 708/709 m Seitenlänge nachweisen, was anderthalb Zenturien im römischen Maßsystem entspräche und damit auf eine zweite, römische Vermessung des Territoriums hinweise. Daraus 195

Newson 2015b, S. 286–287. Philip / Bradbury 2016, S.  397–400. 197 Chad 1972, S. 26–27. 198 Strab. 16, 7–10; Abdulkarim 1997, S. 94–110. Vgl. auch Butcher 2003, S. 163–164. 199 Kamash 2012, S. 66–67. 196

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schließen die Autoren für Emesa, dass diese Siedlung auch in hellenistischer Zeit bereits bestanden habe und ihr Territorium durch Vermessung und Ansiedlung möglicherweise von seleukidischen Veteranen landwirtschaftlich ausgebeutet wurde. Dies wird in ihren Augen durch die Datierung der Inschriften der Stadt nach seleukidischer Ära unterstützt. Die römischen Zenturiationen deuteten dann eine Neuverteilung oder mindestens Reorganisation der Bodenverteilung nach der Provinzialisierung oder wegen der Maße schon in augusteischer Zeit an.200 Abdulkarim möchte anhand von Luftbildern ein weiteres Zenturiationsgebiet nachweisen, welches er für ein römisches Kataster hält.201 Die Zenturiationen könnten aber auch mit der Statuserhöhung zur Kolonie von Emesa unter Caracalla zusammenhängen. Diese Kolonie könnte dann mehr als eine Titularkolonie gewesen sein, wenn die Zenturiation dazu gehört. Inschriften aus der Zeit der Severer zeigen, dass um diese Zeit auch Veteranen in das Umland von Emesa kamen.202 Versucht man diese Überlegungen mit den bereits vorgestellten Befunden der Surveys zur Siedlungsstruktur im emesenischen Herrschaftsbereich in Einklang zu bringen, ergibt sich wieder nur ein ungefähres Bild. Die Zunahme der Siedlungsdichte, Entstehung einer Siedlungshierarchie und offenkundige Ausrichtung der Siedlungen auf die landwirtschaftliche Produktion zeigen die fortwährende Indienstnahme der Landschaft für die Versorgungsbedürfnisse zunächst der Seleukiden und dann aber auch der Emesener Eigenherrscher, die sie beerbten. Die großen Speichergefäße scheinen dabei vor allem auf Getreideanbau hinzuweisen.203 Auch das Survey der Basalt-Landschaft westlich des Orontes kann diese Ausrichtung der kleineren Siedlungen auf den Ackerbau bestätigen, da vor allem die kleineren Siedlungsstellen in den Ebenen als unbefestigte kleine Bauernsiedlungen verstanden werden. Hier wird aber noch stärker deutlich, dass erst ab dem späten 1. Jhd. n. Chr. massive Veränderungen in Siedlungsstruktur und Landorganisation erkennbar werden.204 Eine ähnliche Entwicklung mit der Siedlungszunahme seit

200

Dodinet / L eblanc / Vallat / Villeneuve 1990, S.  339–354. 1997, S. 116–142. In einer neueren Publikation wendet sich der Autor wieder der Zenturiation zu, die er sowohl süd-östlich als auch nord-westlich von Homs nachweisen möchte. Dass sich dagegen bislang im Osten und Nordosten keine Spuren dieser Zenturiation nachweisen ließen, möchte der Autor vor allem mit den intensiven neuzeitlichen Veränderungen in diesem Gebiet erklären. Rekonstruierbare Achsen bestätigten das Modul von 30 × 30 actus. Diese ungewöhnlichen Maße erklärt er damit, dass eigentlich ein Modul von 15 × 15 actus vorgesehen war, jedoch davon immer vier Einheiten in eine größere Einheit zusammengefasst worden seien, wie dies etwa Varro als saltus bezeichne (Varro Rust. 1, 10, 2): Abdulkarim / Olesti-Vila 2008, S. 56–61, 64–65; Abdulkarim / Olesti-Vila 2007, S. 259–264. 202 Vgl. Dąbrowa 2012, S. 35 ff. 203 José Ibáñez 2008, S. 192; vgl. Haïdar Boustani et al. 2008, S. 14. 204 Philip / Bradbury 2016, S.  386–387. 201 Abdulkarim

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der hellenistischen Epoche war auch in der Region westlich des Sees von Emesa beschrieben worden.205 Insgesamt ließ sich entsprechend im Herrschaftsgebiet eine durchaus erfolgreiche Landwirtschaft betreiben, die zur Zeit der Eigenherrschaft die eigene Bevölkerung sowie die Truppen der Klientelherrscher versorgen musste. Chad postuliert daher, dass die Emesener sehr reich waren. Ihre hohen Einnahmen hätten aus Viehhaltung und Landwirtschaft stammen müssen. Die 20 Olivenpressen, die Chad in der Umgebung von Emesa gefunden haben möchte, stammten aber doch vielleicht eher aus römischer denn hellenistischer Zeit.206 Möglicherweise hatte auch die Viehhaltung eine größere Bedeutung für die Einwohner des emesenischen Herrschaftsbereiches. Viehhaltung fand etwa in der Syrischen Wüste statt, wie die Untersuchungen des Hinterlandes von Palmyra zeigen. Dies ließe sich vielleicht mit dem beschriebenen Befund aus Nazala verbinden. Für Chad war Emesa traditionell ein wichtiges Aufzuchtgebiet für Pferde, außerdem seien Schafe und Ziegen gehalten worden.207 Diese Vorstellungen erscheinen überzeugend vor dem Hintergrund der überlieferten Berichte zu Apameia, das unter den Seleukiden Zentrum von deren Kavallerie aus Pferden und Elefanten war. Vielleicht erhielt dabei die Pferdezucht nach dem Vertrag von Apameia 188 v. Chr. mit dem Gebot der Auflösung der Elefanten-Truppe ein größeres Gewicht, von dem auch das weitere Orontes-Tal bis Emesa profitieren konnte.208 Auch der Handel könnte eine wichtige Rolle in der Wirtschaft des emesenischen Territoriums gespielt haben.209 Der IGLS-Band zu Emesa listet dabei eine Amphorenscherbe, deren Beschriftung auf eine rhodische Produktion wohl um 150 v. Chr. verweist.210 Insgesamt ist es aber schwierig, Aussagen über die Zeit der eigenständigen Herrschaft zu treffen, da in den Quellen und der Literatur wieder vor allem über die Zeit nach der Integration ins Römische Reich berichtet wird. So findet sich bei Plinius der Hinweis auf die Bedeutung der Verkehrsverbindung zwischen Palmyra und Emesa, der als Beleg für den engen Handelskontakt zwischen den Städten genommen wird.211 Die älteste der sog. Karawaneninschriften aus Palmyra berichtet darüber hinaus über einen Palmyrener Alexandros, der von Germanicus auf diplomatische Mission nach Spasinou Charax und nach Emesa geschickt wurde.212 Man könnte argumentieren, dass eine solche diplomatische Intervention die beiden wichtigsten Ost- und West-Punkte der Palmyrenischen 205

Philip / Bradbury 2016, S.  387–389. Chad 1972, S. 37–38. 207 Chad 1972, S. 27–28. 208 Finlayson 2012, S. 283. 209 Ball 2000, S. 34. 210 IGLS V 2188. 211 Plin. Nat.Hist. 5, 89. 212 PAT 2754. 206

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Handelswege anzeigt.213 Eine weitere Inschrift aus Palmyra nennt Samsigeramos II. gemeinsam mit Germanicus.214 Für Chad war Emesa daher dank seiner geographischen Lage ein strategischer Anlaufpunkt für Handel.215 Die Bedeutung einer direkten Route von Emesa an die Küste nach Antarados wird auch von Millar vertreten: So schreibt er, der Handel von Palmyra nach Westen sei über Damaskos oder direkter über Emesa und Laodikeia am Libanon und dann durch das Tal von Homs zum Mittelmeer betrieben worden, wo mit Arados und Tripolis zwei Häfen zur Verfügung standen. Vielleicht löste dabei Emesa das in hellenistischer Zeit bedeutendere Laodikeia am Libanon als Zentrum der Handelsrouten ab – beide Städte kontrollierten den Übergang über den Orontes zur Küste und auch die Route aus der nördlichen Beka-Ebene entlang des Orontes-Tals nach Apameia und Antiocheia.216 Auch Gawlikowska möchte eine direkte Verbindung zwischen der Küste, Emesa und Palmyra sehen: Glasimporte von der phoinikischen Küste seien über Emesa nach Palmyra gelangt, allerdings wohl keine fertigen Produkte wegen der Bruchgefahr, sondern Rohglas, dass dann vor Ort in Form gebracht wurde. Einen archäologischen Beweis für Glasverarbeitung in Palmyra gibt es aber bislang nicht. Sie errechnet, dass Karawanen für die ca. 150 km zwischen Palmyra und Emesa eine Woche oder weniger benötigt hätten und die ca. 70 km von Emesa zu den großen Häfen von Arados oder Tripolis an der Küste dann in zwei bis drei Tagen zurückgelegt werden konnten. Dieser Handel zeigt für sie die große Bedeutung des Überlandtransportes.217 Sommer spekuliert, dass die Emesener Händler für die Weiterverhandlung der palmyrenischen Importe in Syrien und der Mittelmeerwelt zuständig gewesen sein könnten.218 In diesen Kontext passt vielleicht der Fund eines kleinen Terrakotta-Gefäßes in Form eines Kamels aus Emesa / Homs, das wohl in das 1. Jhd. n. Chr. datiert.219 Dagegen betont Gebhardt, dass Handel zwar aufgrund der geographischen Lage Emesas eine große Bedeutung für die lokale Wirtschaft gehabt haben und Palmyra hier sicher auch ein Partner gewesen sein müsse, aber dass es dafür aus Emesa bislang keinerlei Zeugnisse gebe. In Emesa könne so vielleicht weniger eine Handelsmetropole, als eine landwirtschaftlich reiche Stadt mit Anbindung an den Fernhandel gesehen werden.220

213

Zur Anbindung Palmyras nach Emesa und Damaskos und vielleicht Apameia vgl. Cobb 2020, S. 90. 214 Cantineau 1931, S. 116–141, No. 18. 215 Chad 1972, S. 27. 216 Millar 1998, S. 134–135. Vgl. auch Sommer 2005, S. 91, 139: Die Strecke von Palmyra über Homs ist die kürzeste Verbindung zwischen dem Persischen Golf und dem Mittelmeer. 217 Gawlikowska 2015, S. 292. 218 Sommer 2005, S. 203. 219 Staubli 1991, S. 119, 148. 220 Gebhardt 2002, S. 233–234.

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Interessant ist, dass in ländlichen Siedlungsstellen in der Region von Homs vom 1. bis Mitte des 3. Jhd. n. Chr. nach Philip und Bradbury nicht die Importamphoren auftauchen, die man aus dem gleichen Zeitraum aus Berytos kennt. Dagegen gäbe es aber deutliche Übereinstimmungen mit dem Keramikmaterial aus Heliopolis / Baalbek und der Beka-Ebene, womit diese Achse offenbar eine wichtige Rolle für den Warenverkehr spielte. Die geringe Verbindung mit der Küste wird damit erklärt, dass das Hinterland von Emesa auf die landwirtschaftliche Produktion und nicht die Nutzung von Importprodukten ausgerichtet gewesen sei.221 Möglicherweise ist aber auch Berytos als römische Kolonie kommerziell anders vernetzt gewesen als die weiter nördlich gelegenen phoinikischen Küstenstädte, so dass dieser Befund nicht gegen eine Vernetzung von Emesa und seinem Umland mit der Küste sprechen muss. Chad möchte dies durch die Funde dreier Münzen von Küstenstädten – nämlich aus Arados von 94/93 v. Chr., Seleukeia Pieria von 5 v. Chr. und Tyros von 14–15 n. Chr. – belegen.222 Auch wenn drei Münzfunde natürlich keine unumstößliche Basis für weitergehende Theorien sein können, könnte man hier vielleicht postulieren, dass das Gebiet der Emesener unter seinen Dynasten sehr wohl auch mit den Küstenstädten verbunden war. Die Inschrift aus Rom für Gaius Iulius Glaucus, Freigelassener des Königs Samsigeramos, könnte ein Hinweis für Handelsaktivitäten oder zumindest doch Geschäftsaktivitäten des Emesener Herrscherhauses bis nach Rom sein.223 Neben dem Überlandhandel stand vielleicht auch der Orontes als Verkehrsweg zur Verfügung. Dabei ist allerdings umstritten, wie weit der Fluss schiffbar war. Sicher scheint lediglich die Befahrung mit Schiffen bis Antiocheia zu sein, vielleicht war jedoch auch eine Schifffahrt bis Apameia und Epiphaneia / Hama möglich. Aber auch wenn aufgrund des oft flachen und unregelmäßigen Flussbettes ein durchgängiger Schiffsverkehr von Emesa bis zur Mündung nicht möglich war, so wurde der Fluss offenbar lokal für den Transport von Waren aus dem Territorium in die urbanen Zentren genutzt und dies wird vielleicht auch für das Herrschaftsgebiet der Emesener eine Rolle gespielt haben. Immerhin möchte Aliquot annehmen, dass diese Art der Infrastruktur schon seit hellenistischer Zeit von den regionalen Machthabern gefördert worden sei.224 Daraus ergaben sich möglicherweise Einnahmequellen für die Emesener Dynasten etwa aus Stapelgebühren oder ähnlichem. Es lässt sich also davon ausgehen, dass das Herrschaftsgebiet der Emesener von der hellenistischen Zeit an und auch zur Zeit der eigenständigen Herrschaft 221

Philip / Bradbury 2016, S.  386–387. Chad 1972, S. 27. 223 CIL VI 35556a = AE 1900, 134: C(aio) Iulio regis / Samsicerami / l(iberto) Glago. Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. Spätantike Quellenzeugnisse belegen die Bedeutung der Routen von der Küste über Emesa, Arethusa, Epiphaneia, Larissa, Apameia nach Antiocheia, sowie von Damaskos über Heliopolis, Emesa nach Norden: Noordegraaf 1938, S. 273–310. Vgl. Aliquot 2010, S. 305. 224 Vgl. Aliquot 2016, S. 225. 222

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Herrschaftsstrukturen 

in ein lokales, regionales und überregionales Handelsnetz eingebunden war, in welches auch eigene landwirtschaftliche Produkte eingebracht werden konnten. Der Landesausbau der hellenistischen Zeit diente dabei nicht nur der strategischen Sicherung, sondern auch der agrarischen Inwertsetzung des Territoriums durch die Zentralmacht, die die Emesener Dynasten beerbten. Auch wenn die Quellenlage präzise Aussagen unmöglich macht, lässt die Entwicklung der Eigenherrschaft doch erahnen, dass die Dynasten an dem von der Zentralmacht vorangetriebenen Landesausbau als lokale Funktionsträger mitwirkten und aus dieser Position heraus und mithilfe der dadurch verfügbaren Ressourcen einen eigenständigen Herrschaftsbereich etablieren konnten.

5.3 Zusammenfassung Die Überlegungen zur Organisation des ituraischen Herrschaftsbereiches sollten insbesondere deutlich gemacht haben, dass es sich bei diesem entgegen der älteren Forschungsmeinung nicht um eine Räuberherrschaft gehandelt hat. Im Gegenteil konnte plausibel gemacht werden, dass die ituraischen Dynasten eine an hellenistischen Herrschaftsidealen und auch ganz konkret hellenistischen Herrschaftspraktiken orientierte Reichsorganisation umsetzten. Es wurde dabei argu­mentiert, dass der Titel der Dynasten als Tetrarchen und Hohepriester den regionalen Gepflogenheiten einer Kombination aus ‚zivilen‘ und ‚religiösen‘ Kompetenzen entsprach, womit sich die ituraischen Dynasten als gleichwertige Mitspieler im Kontext der regionalen Eigenherrschaften präsentieren konnten. Während der Tetrarchen-Titel dabei eine vermutlich von Pompeius konstruierte Anerkennung ihrer lokalen politischen wie militärischen Führungsrolle darstellte, könnte der Titel als Hohepriester im Kontext des hellenistischen Herrschaftsverständnisses die besondere Nähe bzw. das besondere Verhältnis der Dynasten zu den Göttern betont haben, wie dies etwa für die phoinikischen Könige oder auch die judaischen Hasmonaier galt. Die ituraische Herrschaftsorganisation war dabei geprägt von einer auch ökonomischen Durchdringung des Territoriums, durch die offenbar ein konsequenter Zugriff auf dessen Ressourcen erfolgte. Hier konnten sowohl aus der Landwirtschaft, dem Abbau lokaler Ressourcen und dem Handel gute Gewinne erzielt werden. Die schlechte archäologische Erfassung sowohl von Arethusa als auch von Emesa sowie die geringen literarischen Quellen zum Königreich der Emesener lassen kaum Aussagen zu deren Herrschaftsorganisation jenseits der sich zum Königtum steigernden Position der Dynasten zu. Aber auch die Emesener konnten in ihren Territorien auf eine Reihe von Ressourcen und damit auch ökonomischen Möglichkeiten zurückgreifen, die den Bewohnern und vor allem der Führungsschicht reiche Einnahmen beschert haben sollte. Dass die Emesener anders als die Ituraier kaum negativ in den Quellen in Erscheinung treten, könnte seine Ursache im Fehlen

Zusammenfassung

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einer direkten Konkurrenz zu ihrem Handelsnetz haben: Emesa kontrollierte eine strategische Verbindungsposition der Handelsrouten zwischen Mittelmeer und Syrischer Wüste sowie Nordsyrien und Damaskos, während die Ituraier mit den phoinikischen Küstenstädten, Damaskos und Judaia um die Handelswege in Mittelsyrien stritten. Tatsächlich muss aber das spätere Emesa in einer mindestens ökonomischen, vermutlich auch politischen Konkurrenz zu Laodikeia am Libanon und Arethusa gestanden haben. Nur bestand diese Konkurrenz eben nicht zu Damaskos und Judaia und damit zu den beiden Regionen, aus denen mit Josephos und Nikolaos von Damaskos wichtige Quellenzeugnisse zur Einschätzung der Situation stammen. Dass dabei die Emesener Dynasten nach der römischen Eroberung des Orients zunächst als phylarchoi und nicht als tetrarchoi oder ethnarchoi bezeichnet wurden, könnte eine intentionale Entscheidung des Pompeius gewesen sein: denn durch die Uneinheitlichkeit der Titel in der Region konnte Konkurrenz der lokalen Dynasten in ihrer Loyalität zu Rom angespornt und die Hoffnung geweckt werden, durch loyales Handeln weitere Titel zu erlangen. Das Beispiel des ituraischen Tetrarchen Lysanias zeigt, dass zur Erreichung dieses Ziels aber auch mit den Arsakiden kooperiert wurde.

6. Gemeinschaftsidentitäten

Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass eine Reihe von Postulaten über die Ituraier und Emesener nicht zu halten sind. Dies lässt auch fragen, ob die Einschätzungen zu ihrer kulturellen Identität zutreffen. Da die Gemeinschaften nur sehr wenige Selbstzeugnisse hinterlassen haben und auch keine eigenständigen narrativen Quellen auf uns gekommen sind, wird ihre Identität und Ethnizität in der Forschung mitunter kontrovers diskutiert, wie noch zu zeigen sein wird. In dieser Frage ist man im Wesentlichen auf die Aussagen der griechischen und in deren Folge der römischen Quellen angewiesen. Um deren Zuweisung von Identität und Ethnizität zu den Ituraiern und Emesenern aber einordnen zu können, muss zunächst einmal gefragt werden, was Identität und Ethnizität in der Antike eigentlich ausmachte. Hier soll ebenfalls gefragt werden, wie überhaupt Aussagen zu Identität und Ethnizität antiker Gemeinschaften getroffen werden können. In der Folge werden außerdem Informationen zu den frühen Arabern zusammengetragen, um die Quellen zu Ituraiern und Emesenern und ihre Interpretation in der älteren Forschung kontextualisieren zu können.

6.1 Identität und Ethnizität Nach Prost hatten die Menschen im antiken Griechenland eine ‚doppelte‘ Identität, die einerseits aus einer persönlichen Identität als Individuum und andererseits aus der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, sei es Familie, demos, phyle oder ethnos, bestand. Die Gruppenzugehörigkeit habe einen deutlich größeren Stellenwert als die individuelle Persönlichkeit eingenommen.1 Diese Gruppenzugehörigkeit, ebenso wie die kulturelle Identität von Individuen und Gemeinschaften, ist in der Forschung oft untrennbar mit der Frage nach der Ethnizität der Gemeinschaften verbunden.2 Der moderne Bezug von ‚ethnicity‘, also ethnischer Zugehörigkeit, 1

Prost 2002, S. 9–10. Vgl. J.  Hall 1997, S. 30. Dabei geht Ulf davon aus, dass sich eine „Greek identity“ erst in der Archaik entwickelte, was nicht unwidersprochen geblieben ist: Ulf 2009, S. 215. Vgl. den Forschungsüberblick bei Freitag 2007. Zu der Verwendung und Bedeutung des Begriffs ethnos vgl. Eckhardt 2014, S. 204–207. 2 Vgl. dazu z. B. Bahrani über die archäologische Erforschung Mesopotamiens, dessen Ausführungen über die Forschungsgeschichte so auch auf den griechisch-römischen Nahen Osten bezogen werden können: Bahrani 2006, S. 50–53. Zur Geschichte des Begriffs und seiner Forschungsgeschichte vgl. Emberling 1997, S. 301–304. Zur Forschungsgeschichte bzw. dem Problem der Instrumentalisierung des Forschungsfelds vgl. auch etwa Kohl 1998, S. 223–246; Sommer 2017, S. 165–186; Hu 2013, S. 373–375. Der in der englisch-sprachigen Forschung dafür genutzte Begriff ‚ethnicity‘ geht auf den

Identität und Ethnizität

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wird in den griechischen Quellen vor allem über den Begriff genos als Abstammungsgemeinschaft wiedergegeben, der sich auf Familien, aber auch z. B. die Bürgerschaft Athens, an der Teilhabe durch Geburt erworben wurde, beziehen konnte. Gleichzeit war Abstammung aber keine rein biologisch beweisbare Kategorie, sondern diese syngeneia konnte aus politischen wie persönlichen Motiven konstruiert oder beansprucht werden. In diesem Sinn wurde sie als Argument in politischen Verhandlungen zwischen Gemeinwesen eingesetzt.3 Derks und Roymans halten fest: „Ethnic identities are always constructed in close association with political systems. It is politics that define ethnicity, not vice versa.“4 Die in der Forschung postulierte enge Verbindung von Identität und Ethnizität wird durch eine Lesart der antiken Quellen gefördert, mit der auch den antiken Menschen eine entsprechende Verbindung von Identität und Ethnizität unterstellt wird. So argumentiert etwa Anson, dass „Greek ethnicity“ ein wesentliches Kriterium der Selbstwahrnehmung der antiken Griechen darstellte, die sie über eine gemeinsame Abstammung, Kultur und Religion sowie ‚biologische‘ Kriterien und Sprache bestimmten.5 Diese Definitionskriterien findet er im Bericht des athenischen Gesandten in Sparta 479 v. Chr. bei Herodot wieder, in dem dieser griechischen Begriff ethne zurück, der aber eine viel weitere Bedeutung als das englische Wort hat und allgemein für Gruppen, Mengen oder auch Herden von Tieren, spezifisch für die Bevölkerung von Städten wie Athen oder größere Gemeinschaften wie die Dorier verwendet wurde. Seit der Klassik entwickelte sich ethnos dann zur Bezeichnung von „racially unitary human groups.“ Vgl. Fraser 2009, S. 2–10, Zitat S. 4. In der römischen Antike meint der griechische Begriff auch Händlervereinigungen, Priesterschaften oder wird als Übersetzung des lateinischen natio auch für Militäreinheiten genutzt. Dazu Macdonald et al. 2015, S. 48. 3 J. Hall 1997, S. 34–38 mit Quellen. T. D. Hall betont dabei die Bedeutung von Verwandtschaft und Abstammung, aber in einem öffentlich bekannten und akzeptierten Kontext: T. D.  Hall 1998, S. 252–253. Die Definition von Ethnizität als zuvorderst Selbstcharakterisierung der Gruppenmitglieder gegenüber dritten geht zurück auf Barth 1969, S. 10. J. Hall kann dies um die Bedeutung eines zugehörigen geographischen Raumes, eines von der Gemeinschaft beanspruchten Territoriums, erweitern, was für ihn neben der Abstammung ein zentrales Element von ethnischer Zugehörigkeit ausmacht: J. Hall 1997, S. 25. Aber nicht alle Gemeinschaften haben ein Territorium, insbesondere nomadische Gemeinschaften haben vielleicht mehrere: vgl. Derks / Roymans 2009, S. 6. J. Halls Definition betont, dass die zur Bestimmung von Zugehörigkeit angebrachten Kriterien gesellschaftlich und nicht biologisch determiniert sind: J. Hall 1997, S. 21. So auch bei Gabbert 2015, S. 186: „Thus, ‚ethnicity‘ is understood here as referring to a phenomenon of social differentiation in which actors use cultural or phenotypic markers or symbols to distinguish themselves from others.“; S. 188: „The notion of ethnicity rests on a specific combination of ideas of common descent and cultural difference. The latter is taken as an indicator for the existence of the former by actors.“ Vgl. auch Gruen 1993, S. 14. 4 Derks / Roymans 2009, S.  1. 5 Anson 2009, S. 5

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Gemeinschaftsidentitäten 

die Gemeinschaft aller Griechen aufgrund von Abstammung, Sprache, religiösen Institutionen und Praktiken sowie Lebensart betont.6 Tatsächlich zeigen auch andere Quellen eine Tendenz zum Verständnis solcher Marker als konstitutiv für verschiedene Identitäten und Ethnizitäten. So berichtet etwa der spätantike Rhetor Himerios über den Weisen Abaris: Ἄβαριν τὸν σοφὸν γένος μὲν Ὑπερβόρειον λέγουσιν, Ἕλληνα δὲ τὴν φωνὴν γεγενῆσθαι, καὶ Σκύθην μὲν ἄχρι στολῆς τε καὶ σχήματος· εἰ δέ που γλῶτταν κινήσειε, τοῦτο ἐκεῖνο ἐκ μέσης Ἀκαδημίας καὶ αὐτοῦ Λυκείου νομίζεσθαι … […] Ἧκεν Ἄβαρις Ἀθήναζε τόξα ἔχων, φαρέτραν ἡμμένος εἰς ὦμον, χλαμύδι σφιγγόμενος· ζώνη ἦν κατ’ ἰξύων χρυσῆ, ἀναξυρίδες αὐτῷ ἐκ ταρσῶν ἄκρων ἄχρι καὶ γλουτῶν ἀ[νατείνουσαι, ὄμμα ἡδύ, χαρίεν πρόσωπον, Ἑλληνικὸν ἦθος μηνύον τοῖς ἐντυγχάνουσιν. ἐπεὶ δὲ παρῆλθενὑ̣ π’ ̣ αὐτῆς [… … φωνὴν ἐσκόπουν τὴν γνώμην, εἰς ταύτην Ἑλληνίζει […

„Man sagt, dass Abaris, der Weise, zwar von einem hyperboreischen Geschlecht abstammte, aber Grieche der Sprache nach war und Skythe nach der Kleidung und im Erscheinungsbild. Wenn er aber seine Zunge bewegte, habe man glauben können, dass seine Worte direkt aus der Akademie und dem Lykeion kommen […]. Abaris kam mit seinem Bogen nach Athen, hatte den Köcher über die Schulter gehängt und war mit einer Chlamys bekleidet. Er hatte einen goldenen Gürtel um die Taille gebunden und trug eine persische Hose, die ihm von den Fußspitzen bis zum Gesäß reichte. Er hatte einen freundlichen Gesichtsausdruck, was von schönem Äußeren und signalisierte allen, die ihm begegneten, seine griechische Wesensart.“7

Bei Himeros können also Sprache, freundlicher Gesichtsausdruck und Schönheit Abstammung und Kleidung überwinden, ‚Grieche sein‘ konnte also erlernt werden. Damit wird deutlich, dass diese Identitätsmarker durch die Zeit weder exklusiv noch unveränderlich verstanden wurden. Das Konzept der Ethnizität wird auch im Forschungsdiskurs zum antiken Nahen Osten verwendet. „Ethnicity is a messy subject“8 schreibt Macdonald und an anderer Stelle betont er, dass Ethnizität primär eine Frage der Wahrnehmung sei  – und zwar sowohl der eigenen Wahrnehmung als auch der Wahrnehmung von außen. Es gäbe dabei immer sich überschneidende Ebenen der Zugehörigkeit

6

Herod. 8, 144, 2. Dagegen glaubt Gruen, dass ethnische Kriterien bei der Selbstdefinition antiker Menschen kaum eine Rolle spielten: Gruen 2013, S. 20. Vgl. ähnlich auch Derks / Roymans 2009, S. 6. Ähnlich auch bei Whittaker 2009, S. 193. 7 Himer. Or. 23, 4–8. Übersetzung von Rücker / Taube / Schubert. 8 Macdonald 2003, S. 304.

Identität und Ethnizität

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zu unterschiedlichen Gruppen.9 Dennoch spielt die Festlegung der Identität und Ethnizität von Gemeinschaften in der Forschung zum antiken Nahen Osten eine wichtige Rolle. Und dies liegt insbesondere an den griechischen und römischen Quellen, die immer wieder der Welt der griechischen Städte die in Stämme und Volksgemeinschaften gegliederte ‚fremde‘ Welt gegenüberstellten und entsprechend moralisch abwerteten.10 So kommt etwa Engels bei der Analyse des Werkes von Strabon zu dem Schluss, dass dieser Städte meist positive darstellte, während er z. B. die Araber südlich von Apameia als ‚kulturlose Barbaren‘ abstempele.11 Die Diskussion der Zuweisung einer Ethnizität und deren moralische Bewertung in den Quellen muss daher der Beginn einer Beschäftigung mit den entsprechenden Völkern sein, um die Stereotypisierung aufzuzeigen und wenn möglich zu überwinden. Zur Festlegung von Gruppenzugehörigkeiten und kultureller Identifikation von Gruppen werden dabei in der Forschung  – ähnlich wie bei Herodot  – die Determinierung einer gemeinsamen materiellen Kultur, Lebensweise, Religion und Kult, Namen und Sprache als Kriterien genannt. Entsprechend bemühte sich etwa Dussaud, die Einwohner Palmyras über ihre Kulte und Lebensweise bzw. tribale Gemeinschaftsorganisation als Araber zu definieren12 und Sartre möchte die Bevölkerung der späteren Provinzhauptstadt der römischen Provinz Arabia, Bosra, anhand des onomastischen Materials bestimmten Bevölkerungsgruppen, so auch den Arabern, zuweisen.13 Die Deutung der Namen als arabische Namen ist allerdings häufig umstritten14, und ebenso der ganze Ansatz, aus Namen in Inschriften und Graffiti sowie aus der dort genutzten Sprache Informationen über die ethnische Zugehörigkeit der Schreibenden zu gewinnen. Insbesondere Macdonald betont, dass sich einerseits nur wenige Namen eindeutig abgegrenzten (Sprach-) Gruppen zuweisen lassen und andererseits die Vergabe von Namen durch Mode, politische Zugehörigkeit etc. bestimmt sei und damit keinen allgemeingültigen Gesetzen unterliege. Darüber hinaus hätten gerade in der hier zu untersuchenden Großregion eine Vielzahl von Sprachen und Schriften zur Verfügung gestanden, die 9

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Macdonald 1998, S. 181. Ganz ähnlich kann dies etwa Batty für die nomadischen Gemeinschaften des Donau-Raums unter römischer Herrschaft aufzeigen. Er betont, dass in diesem Gebiet Ethnizität nicht an den Gebrauch einer bestimmten Sprache oder einer spezifischen materiellen Kultur gebunden war, sondern diese beiden Aspekte von dem jeweiligen ökonomischen und sozialen Status einer Person bestimmt wurden. „Ethnic cohesion“ wurde dabei von der lokalen Bevölkerung gar nicht angestrebt und die Zugehörigkeit zu auch ethnischen definierten Gruppen konnte sich verändern: Batty 2007, S. 28–29. Vgl. zu dem Phänomen der Instrumentalisierung von Ethnizität in den antiken Quellen Batty 2007, S. 25 ff. Engels 2011, S. 189. Dussaud 1955, S. 72, 90–117. Sartre 1985, S. 199–202. Vgl. etwa Zadok 1990, S. 223–231.

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Gemeinschaftsidentitäten 

von einzelnen Personen in unterschiedlichen politischen oder sozialen Kontexten genutzt wurden und daher mehr über den – uns meist unbekannten – Kontext als die soziale Zugehörigkeit der Person mitteilten.15 Das frühe Arabisch sei außerdem eine primär gesprochene Sprache gewesen, so dass dessen Muttersprachler sich einer anderen der vielen in der Region vorhandenen Sprachen und Schriften bedient hätten, um etwas schriftlich festzuhalten. Das frühe Arabisch Nutzende seien daher als Sprachgruppe / Ethnie in den Schriftquellen unsichtbar.16 Ähnlich weist auch Cook darauf hin, dass die frühesten arabischen Inschriften entweder aramaische oder griechische Schrift für die arabische Sprache genutzt hätten und auch die Namen der genannten Personen „a considerable blending of ethnicities“ zeigten.17 Auch die Definition über religiöse Praktiken oder die verehrten Götter lehnt Macdonald aufgrund des in den antiken Gemeinschaften üblichen Polytheismus ab.18 In seiner neuen Studie zu Namen und Ethnizität in modernen Gesellschaften kommt Mateos allerdings zu anderen Schlüssen. Meist mithilfe von statistischen Daten kann zwar auch er zeigen, dass Ethnizität mehrheitlich ein soziales Konstrukt ist.19 In diesem Kontext spielt die Auswahl der Namen aber eine Rolle. Dabei weist Mateos darauf hin, dass in historischen Gesellschaften sowohl die tatsächliche Übersetzung von Migrantennamen in die Sprache ihres Migrationslandes, Transliteration in die Sprache der neuen Heimat sowie Transformation in das Lautsystem der neuen Sprache zu beobachten war. Transliterierte Namen blieben dabei aber immer distinkt von den Namen der aufnehmenden Gesellschaft und würden nicht automatisch mit den dort gebräuchlichen Namen verbunden.20 Da 15 16

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Macdonald 1998, S. 177–190. Macdonald 2003, S. 305. Vgl. die Überlegungen zu den Galatern und den Batavern bei Derks / Roymans 2009, S.  2. Cook 2009, S. 467. Macdonald 2003, S. 307. Ebenfalls ablehnend gegenüber der Nutzung von Sprache und Religion als allein aussagekräftige Marker von Ethnizität: J. Hall 1997, S. 22–23. Mateos 2014, S. 14–15: „Therefore, at the core of the concept of ethnicity is a subjective belief of common origins without the necessary existence of genetic linkages of physical similarity. This concept is thus closely linked to the question of an individual’s identity, which is defined by the characteristics of the ethnic group to which he or she recognizes belonging. Amongst the main reasons for such perceptions of self-identity are certain shared characteristics, including physical appearance, but most importantly geographical and ancestral origins, cultural traditions, religion and language. […] not only a firm belief in group affinity is required for group identities to emerge, but this is usually defined in opposition to other groups perceived as being culturally different and with whom contact is required.“ Mateos 2014, S. 37: „According to symbolic-interactionism theory, humans create meaningful symbols through interactions with each other and within society. These symbols must be defined within the social interaction context in which they arise and are recognized and used. Names have been considered as such types of symbols, carrying a social as well as an idiosyncratic component in their meaning.“

Identität und Ethnizität

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Namen sowohl Individualität als auch Gruppenzugehörigkeit ausdrückten, seien sie so auch Zeugen der sozialen Identität der Träger.21 Insofern können onomastische Informationen durchaus Aussagen über Identitäten zulassen. Die Frage nach der Aussagekraft individueller Namen für die Zugehörigkeit der entsprechenden Personen zu dadurch eventuell fassbaren ethnischen Gruppen muss in gleicher Weise auch für die Gruppenbezeichnungen gelten, wie sie uns in den antiken Quellen begegnen. So weist Bahrani mit Recht auf die oft zu stark gemachte Deutung solcher Gruppennamen als ‚ethnische Kategorien‘ im alten Mesopotamien hin, da viele dieser Namen sowohl als Gruppenbezeichnungen wie als Raumbezeichnungen verwendet würden und die Quellen gleichzeitig den Gruppen auch keine klaren Definitionskriterien an die Seite geben würden.22 In diesen Kontext gehört auch die Unterscheidung in „in-group identification“ und „out-group indentification“23, also nach Selbst- und Fremdbezeichnung. Es stellt sich ebenfalls die Frage, welche konkreten Vorstellungen die antiken Autoren jeweils mit bestimmten Gruppen- und zugehörigen Ortsbezeichnungen verbanden. Dabei kann Isaac zeigen, dass solche Bezeichnungen sowohl durch die Jahrhunderte als auch innerhalb der Werke eines Autors Veränderungen unterworfen waren, die zur Vorsicht im Umgang mit ihnen mahnen.24 Auch die gemeinsame Sprache einer Gruppe als identifikatorischer Marker ihrer Ethnizität bzw. Gruppenidentität, wie sie uns vor allem in den griechischen Quellen als wichtiges Kriterium entgegentritt, ist in der modernen Forschung umstritten. So betont etwa Fisher, wie stark die moderne Vorstellung von Sprache als Identifikationsmarker von der Entstehung der Nationalstaaten in Europa im 18./19. Jhd. geprägt war, für die Sprache „an essential component in the creation of artificially bounded communities […]“ war. Dagegen war Sprache in seinen Augen in der Antike zwar eines von mehreren möglichen Elementen, um die Mitgliedschaft eines Einzelnen in eines Gemeinschaft zu definieren, aber Traditionen, Kultur, Rituale, Religion, Tracht, oder Gesetze waren genauso relevante Kategorien. Sein schlagkräftigstes Beispiel sind dabei die sog. Safaiten, eine „‚ghost‘ community“, konstruiert aufgrund der sog. Safaitischen Graffiti in Südsyrien und Nordarabien, bei der aber inzwischen die Forschung einen Zusammenhang der Sprache / Schrift mit einer distinkten ethnischen Gemeinschaft ablehnt.25 Und auch Fiema et al. betonen, dass in einer mehrsprachigen Region wie dem antiken Nahen Osten mehrere Sprachen und Schriften gleichzeitig in Gebrauch waren und etwa Personen, die die eine Sprache sprachen, Inschriften in einer anderen Sprache oder / und Schrift 21

Mateos 2014, S. 82–83, 91. Bahrani 2006, S. 55. Vgl. ähnliche Überlegungen bei Emberling 1997, S. 297–298 zu Zugehörigkeitsbeschreibungen im europäischen Kolonialismus. 23 Vgl. Hu 2013, S. 375. 24 Isaac 2017, S. 122–149. 25 Fisher 2011, S. 128–133. 22

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aufstellen konnten, wenn es die soziopolitischen Umstände opportun erscheinen ließen.26 Neben dem grundsätzlichen Problem der Zuordnung von Personen zu ‚ethnischen‘ Gruppen aufgrund von Namen, Sprachen, Schrift, Religion oder Beschreibung in antiken Quellen erlauben die Schriftquellen vor allem keinen vollständigen Einblick in die gesellschaftlichen Umstände der Konstruktion einer bestimmten sozialen Identität. Dies ist insofern ein Problem, als die anthropologische Forschung schon lange auf die Instrumentalisierung ethnischer Kategorien für verschiedene politische Prozesse hinweist. Dafür wurden nach Gruen in antiken griechischen Gesellschaften verschiedene ‚Techniken‘ angewandt: „manipulation of myths, the reshaping of traditions, the elaboration of legends, fictions, and inventions, the recasting of ostensibly alien cultural legacies with the aim of defining or reinforcing a distinctive cultural character.“27 Hu nennt als die vier wichtigsten Themen bei der Schaffung ethnischer Kategorien „(1) the rise of internal social inequality leading to fissioning, (2) resistance against institutionalized inequalities, (3) legitimization of unequal access to power and resources or the maintenance of social inequality, and (4) frontiers along imperial and colonial borders.“28 Für den Untersuchungsraum dieser Arbeit könnten dabei insbesondere die letzten beiden Themen von Bedeutung sein, da der Raum sich in einer Grenzregion befand und überdies eine Tradition der Herrschaftssicherung durch ethnische Kategorisierung hatte. Denn nach Schwartz hatte die Zeit der Achaimenidenherrschaft als eine Art Konstituierungsphase der Völker unter achaimenidischer Herrschaft gewirkt, da die Achaimeniden für ihre Herrschaft den Rückgriff auf lokale Eliten insbesondere mit Verbindung zu Tempeln bevorzugten. Dabei wirkten in Ägypten und an anderen Orten, wie vielleicht auch in Judaia, die geförderte Kanonisierung sakralen Rechts bzw. von Glaubenslehren identitätsstiftend für die beherrschten Gruppen, die diesen damit erst eine eigene Identität gegeben habe.29 Diese Kanonisierung einer spezifischen Identität findet sich auch in den königlichen Inschriften und Reliefs, die die unterschiedlichen Gemeinschaften unter achaimenidischer Herrschaft anhand von Tracht, Frisur, Kopfbedeckung, Bewaffnung, Begleittieren und Gaben als spezifische Einheiten visualisierten. Die so konstituierten Gemeinschaften finden sich dann auch im offiziellen Sprachge26

Fiema et al. 2015, S. 396–398. Gruen 1993, S. 3. 28 Hu 2013, S. 381. 29 Schwartz 2001, S. 21. 27

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brauch der königlichen Dokumente, insbesondere der Archive aus Persepolis, in denen die aus Inschriften und Reliefs bekannten Gruppen ebenfalls erscheinen.30 Alexander und seine Nachfolger erbten damit einen Großraum, in dem offenbar bewusst regionale Identitäten als administratives Gliederungsprinzip gefördert und deren gemeinschaftsstiftende Wirkung als Mittel zur Herrschaftsstabilisierung instrumentalisiert wurden.31 Gleichzeitig war dieser Raum seit alters her durch ein Völker- und Sprachengemisch gekennzeichnet, das Mehrsprachigkeit und kontext­ bezogen widersprüchlich erscheinende Zurschaustellungen von Identität(en) alltäglich machte.32 Auch die Seleukiden waren offenbar bereit, dieses Herrschaftsprinzip in ihrem Reich weiterzuverfolgen, indem sie sich etwa in Babylon in lokaler Tradition als babylonische Könige gaben, oder Antiochos IV. sich in Ägypten zum Pharao krönen ließ. Und auch in anderen hellenistischen Reichen wurde eine solche Politik betrieben. So betont etwa Whittaker, dass Juba I. und Juba II. in ihren nordafrikanischen Herrschaftsbereichen bewusst „ideological manipulation and atavistic attachments, in order to create a new ethnic group“ betrieben hätten, um ihren jeweiligen Herrschaftsanspruch zu legitimieren. Dies war besonders relevant für Juba II., der von Augustus zum König von Mauretanien bestimmt wurde, obwohl er als in Rom erzogener Numider hier eigentlich keine Legitimation beanspruchen konnte. Eine gemeinsame Identität, aus der sich ein solcher Anspruch entwickeln konnte, musste also erst geschaffen und dann propagiert werden.33 Ähnliche „ethnic manoeuverings“ sieht Versluys auch in Kommagene unter Antiochos I. und hält fest: „Inventing traditions played an important part in all this. […] And with those (invented)  traditions came  a dynastic Bildprogramm with  a lot of material culture to back up, show and disseminate those claims. Ethnic references within those projects are therefore more likely to be strategic, socio-political choices than historical truths – and this is likely to be true not only for dynastic projects.“34 30

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Henkelman / Stolper 2009, S. 271–274. Dagegen stellten neoassyrische Reliefs zwar ebenfalls eroberte Bevölkerungsgruppen und allgemein besiegte Feinde dar, die anders als die assyrischen Soldaten gestaltet waren, eine bewußte Zuschreibung von Merkmalen zur ‚ethnischen‘ Differenzierung fand aber nach Bahrani nicht statt, mit Ausnahme bei den Nubiern, die als spezifische Gegner kenntlich gemacht wurden: Bahrani 2006, S. 55–57. Eine ganz ähnliche Technik der identitären Zuschreibung als Beherrschungspraxis findet sich auch im europäischen Kolonialismus, vgl. Leve 2011, S. 514. Vgl. Bahrani 2006, S. 54. Vgl. auch Henkelman / Stolper 2009, S. 253 ff. zur ‚Normalität‘ von „polyethnicity“ im Gegensatz zu dem modernen Konstrukt einer homogenen Staatsbevölkerung der modernen Nationalstaaten. Whittaker 2009, S. 191. Versluys 2017, S. 156.

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Solche Strategien der herrschenden Eliten würden damit aber auch die Aussagemöglichkeiten materieller Hinterlassenschaften für eine ‚reale‘ Identität von Gemeinschaften einschränkten.35 Trotzdem weist Emberling archäologischen Funden eine hohe Aussagekraft auch für die Gruppenzugehörigkeit einer Gemeinschaft zu. Allerdings schränkt er selbst ein, dass diese Aspekte von Kultur durch wirtschaftliche oder politische Faktoren verändert werden können, ohne damit definierenden Charakter für eine bestimmte Gruppe zu haben.36 Daher betont J. Hall, dass sich ethnische Zugehörigkeiten nicht notwendigerweise durch archäologische Befunde nachweisen ließen, u. a. auch, weil große in literarischen Quellen belegte Migrationsbewegungen wie die der Vandalen in Europa oder der Mongolen in China nur schwierig bestimmbare materielle Spuren hinterlassen hätten.37 Gleichzeitig zeigten anthropologische Studien neuzeitlicher Gemeinschaften, dass etwa die Verbreitung von Keramikformen und Keramikdekor meist nicht von ‚ethnischen‘ Zugehörigkeiten, sondern von Zugriffsmöglichkeiten auf Ressourcen und Handelswege der nutzenden Gemeinschaften abhingen. Dabei könnten zwischen Dörfern derselben ‚ethnischen‘ Gemeinschaft aus geographischen Gründen Unterschiede bestehen, wie auch Gemeinsamkeiten mit Dörfern anderer ‚ethnischer‘ Gemeinschaften, wenn diese im gleichen Handelsraum lagen.38 Entsprechend sind auch in der Forschung oft stark gemachte Argumente z. B. in Bezug auf die Aussagekraft von Grabbeigaben mit Vorsicht zu genießen. Sie können aber durchaus Informationen zur sozialen Umwelt der Bestatteten liefern. Dies ist insbesondere in Situation von Bedrohung durch und Rivalität mit anderen Gemeinschaften relevant, da dies offenbar für eine Sichtbarmachung der eigenen Zugehörigkeit gerade in Grabkontexten sorgten. In gleicher Weise führe Konkurrenz und Kontakt zu an-

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Gerade in Bezug auf nomadische Gemeinschaften ist das bereits viel diskutiert worden; vgl. Dentzer 1999, S. 233 ff. 36 Vgl. hierzu auch die Überlegungen zu „primodial“ vs. „instrumental definitions“: „Primodial definitions place what motivates people’s actions in kinship, religion and other kinds of social bonds that emphasize shared history, whereas instrumental definitions place people’s motivations in contemporary political and economic competitions. Instrumental definitions treat ethnicity as an aspect of how a group manoeuvres resources and power, usually in the context of living among other ethnic groups under a state.“ Hu 2013, S. 376. 37 Ähnlich auch bei Derks / Roymans 2009, S. 2. Vgl. auch die einführenden Überlegungen von Lenzen 2003, S. 73. 38 Vgl. dazu den Leitsatz von Strobel: „Boundaries of culture and ethnic identity do not coincide“: Strobel 2009, S. 121. Ebenso: “[…] ethnicity is not the same as culture, let alone an identifiable material culture […].“: Whittaker 2009, S. 189. Vgl. Wells 1998, S. 242–243 und auch Woodward 2012, S. 672. Zur Forschungsgeschichte und möglichen Ansätzen zur Verwendung von Archäologie als Zeugnisgeber für Ethnizität vgl. Jones 1997, besonders S. 106–127

Identität und Ethnizität

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deren Gemeinschaften insgesamt zu einer stärkeren Sichtbarmachung der eigenen kulturellen Identität, so J. Hall.39 In seiner schon genannten Studie zur Kommagene betont Versluys, dass Antiochos I. von Kommagene ein großes Bewusstsein für die Bedeutung von materieller Kultur „for disseminating a unified set of symbols throughout his kingdom“ besaß und sich dabei für seine eigene Repräsentations- und Legitimationsstrategie zielgerichtet aus der hellenistischen Materialwelt bediente. Daraus entwickelt Versluys ein Modell zum Zusammenhang von lokaler und gemein-hellenistischer Kultur vor dem Hintergrund einer im Zeitalter des Hellenismus immer stärker vernetzten Welt: er sieht in der hellenistischen materiellen Kultur ein „large repertoire of optional identities and styles“, aus welchem man flexibel je nach Gelegenheit schöpfen konnte. Dabei habe zunächst keine feste Beziehung zwischen Stil und Identität bestanden, aber durch die Zeit konnte eine bestimmte Kombination aus Stil und Kontext zu Tradition und Kanon werden.40 Während einerseits Manipulation der materiellen Kultur durch die bewusste Auswahl bestimmter Objekte, Formen, Tracht etc. zur Kommunikation bestimmter Inhalte geschah, spielte dieser Entwicklung auch ein anderes Phänomen in die Hände, das in der neueren Forschung mit „object agency“ umschrieben wird: der Vorstellung, dass Objekte, Stile, Ikonographien, Formen etc. durch „their continuous application in certain contexts or for certain purposes […] came to stand for those contexts and purposes and thus acquired some form of presence and agency on their own.“41 Das macht wie bei den ethnischen Zuschreibungen auch bei der materiellen Kultur vor allem den Kontext ihrer Verwendung relevant, da eine Entschlüsselung ihrer Botschaft über sie selbst hinaus gehen muss. Es lassen sich damit folgende Punkte für die weitere Analyse festhalten: 1. Identität ist die Konstruktion einer sozialen und kulturellen Zugehörigkeit des Individuums, zu der in antiken Gemeinschaften auch die Mitgliedschaft in Abstammungsgruppen gehörte. 2. Ethnizität ist die Zugehörigkeit zu einer solchen Abstammungsgruppe, bei der Verwandtschaft kontextuell verhandelbar war und etwa auch aus politischen Gründen erst geschaffen werden konnte. 3. Abstammungsgruppen wie Individuen konnten bewusst Elemente aus dem Repertoire der kulturellen Identifikation (z. B. Sprache, Schrift, Namen, Religion, Tracht) nutzen, um insbesondere in Kontakt und Konkurrenz mit anderen 39

J. Hall 1997, S. 31–32, 128–132. Und S. 135: „To summarise thus far, we may legitimately conclude that the long-term overall character of an archaeological assemblage is as likely to be the consequence of factors such as technology, climate or access to resources, as it is of ethnicity. What an ethnic group does is actively and consciously to select certain artefacts from within the overall material cultural repertoire which then act as emblemic indicia of ethnic boundaries.“ Vgl. auch J. Hall 2002, Kapitel 2. 40 Versluys 2017, S. 17; 28, dazu auch S. 29–30. 41 Versluys 2017, S. 31.

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Gemeinschaften und Individuen die eigene Identität und die Zugehörigkeit zu kulturellen Gruppen (und sozialen Statusgruppen) zu verdeutlichen. 4. Exklusive und eindeutige Marker ethnischer wie individueller Zugehörigkeit sind im archäologischen wie im literarischen oder epigraphischen Befund  – außer bei expliziter Selbstbezeichnung – kaum zu identifizieren Damit wird deutlich, dass einerseits weder die materielle Kultur noch die schriftliche Überlieferung unhinterfragt als Zeugnis für Identität und Ethnizität von Personen und Gemeinschaften verwendet werden können und andererseits Identität und Ethnizität verhandelbare Größen waren, deren bewusste Manipulation ebenfalls das jeweilige Hinterfragen von Aussagen und Methoden nötig macht. Trotzdem verwendeten die antiken Quellen Begriffe wie ‚Araber‘ als Selbst- wie auch als Fremdbezeichnung und scheinen damit konkrete Vorstellungen verbunden zu haben. Diese sollen im Folgenden beleuchtet werden.

6.2 Die frühen Araber in den antiken Quellen In Anbetracht der Zuweisung einer Ethnizität als ‚Araber‘ für die Emesener und auch die Ituraier42 gilt es zu untersuchen, was damit in den antiken Quellen eigentlich gemeint war. Die antiken Autoren entwickelten dabei eine geographische Bezeichnung Arabien, die sie von der arabischen Bevölkerung zwischen Mesopotamien und Rotem Meer ableiteten.43 Mitverantwortlich für die weite Verbreitung arabischer Bevölkerungen im Großraum Syrien könnte die neuassyrische Politik der Deportation von Bevölkerungsgruppen nach militärischen Auseinandersetzungen gewesen sein.44 Herodot als früheste griechische Quelle benennt dann nach Retsö zwei Regionen als Arabien: Einmal den Raum zwischen dem östlichen Nildelta und Palaistina rund um Gaza, und dann einen weiten kaum eingrenzbaren Raum entlang der Küste des Roten Meeres bis zum Indischen Ozean, der alle Weihrauchländer wie Südarabien, Eritrea und Somaliland einschloss.45 In römischer Zeit 42

Z. B. bei Kasher 1988, S. 11–14. Bowersock 1983, S. 1; Thome 2000, S. 112. 44 Bagg 2010, S. 200–201. 45 Retsö 2003, S. 240 ff., S. 249: „As is apparent, Herodotus is operating with two different Arabias. The first one is situated between the eastern Nile Delta and Palestine. He does not give any concrete limits to the south or south-east. This Arabia is obviously a political entity governed by a king who was an ally of the Achaemenid empire and who ruled an area around the town of Cadytis (=Gaza) as a trade station for frankincense. This Arabia Herodotus knew from personal experience. The other Arabia is a vaguely defined vast area stretching far south both sides of the Red Sea probably down to the Indian Ocean. This Arabia included the myrrh- and frankincense-producing areas, i. e. South Arabia, Eritrea and Somaliland. The information about this Arabia comes from 43

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macht Ball fünf Regionen aus, die in den Quellen als Arabien bezeichnet worden seien: Im Reichsgebiet das Arabien des östlichen Delta in Ägypten, das Arabien im nördlichen Mesopotamien46 und das Arabien der Nabataier bzw. Arabia Petraea, aus dem dann die römische Provinz Arabia entstand47. Außerhalb des Reichsgebietes habe dann Arabia Deserta (Zentralarabien) und Arabia Felix (Südarabien bzw. Jemen) gelegen.48 Entsprechend verstanden die antiken Autoren die Einwohner dieser Räume als Araber, auch wenn Araber nur eine von vielen Bevölkerungsgruppen etwa der Arabischen Halbinsel darstellten.49 So beschrieb schon Diodor Arabien als „von vielerlei Völkerschaften“ bewohnt, wobei gerade die von ihm genannten Araber unterschiedliche mobile wie stationäre Wirtschafts- und Lebensformen praktizierten.50 Damit trägt eine automatische Gleichsetzung von ‚Araber‘ und

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the voyage undertaken by Scylax of Caryanda and, probably, also from Egyptians. […] The information given by Herodotus on Arabia is of great importance for the following history. We note that from now on Arabia is a geographical destination, a name of a territory. Earlier, arab is basically a designation for groups of people. The creation of the geographical Arabia is the work of the Greeks. It is also the work of outsiders. Until this day, Arabia has never existed as a term among the peoples of the Middle East and in their languages. It is also clear that the application of it to the large areas around the Red Sea, and later to the peninsula, is made by scientists, in this case Greek geographers starting with Hecataeus. […] There is no indication whatsoever that all the inhabitants of the peninsula considered themselves Arabs.“ Vgl. Macdonald et al. 2015, S. 62–63. Mit Herodot beginnt damit die Zuweisung des Namens „Arabien“ zur noch heute so genannten Arabischen Halbinsel  – obwohl eine solche Selbstbezeichnung aus dem Raum nicht vorliegt: Retsö 2003, S. 249. Als der römische Feldherr Crassus in Nordmesopotamien den Euphrat überschritt, wird diese Region bei Plutarch als Grenze zwischen Assyrien und Arabien bezeichnet: Plut. Crassus 22,5. Vielleicht bezog sich auch der Apostel Paulus auf dieses Arabien in einem Brief an die Galater, in dem er davon spricht nicht nach Jerusalem, sondern zunächst nach Arabien und dann Damaskos gegangen zu sein: Galat. 1, 15–17; vgl. Macdonald et al. 2015, S. 72, die in diesem Arabien die Trachonitis sehen. Ball 2000, S. 32. Thome betont die Unterscheidung zwischen einem Wüstenarabien (Arabia Deserta) im Norden der Arabischen Halbinsel, einem Arabia Petraea an den westlichen Rändern dieser Wüste und schließlich Arabia Eudaimon bzw. Arabia Felix im Süden, ohne dass diese drei Bezeichnungen mit wirklich konkreten Grenzen versehen gewesen wären: Thome 2000, S. 113. Retsö 2003, S. 276. Diod. 2, 48–54. Er unterteilte Arabien in das nördliche Arabien, das die Nabataier bewohnten und wasserlos und lebensfeindlich sei; dann das daran angrenzende südliche „glückliche Arabien“, das im Gegensatz zum vorgenannten Gebiet fruchtbar und wasserreich sei und dadurch von einer impliziten sesshafte Bevölkerung wie auch „Hirtenvölkern“ bewohnt war; das Binnenland mit einer aus Hirtenvölkern bestehenden Bevölkerung; in der Mitte dann das schon angesprochene wasserlose Gebiet mit teils großen Sanddünen; schließlich der Teil von Arabien, der an Syrien grenze und in

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‚Nomade‘ den Berichten der antiken Quellen nicht Rechnung: Denn nach Fisher konnte dieser Begriff verschiedene Bedeutungen haben, von denen einige dann zu literarischen Topoi wurden, die die jeweilige Einschätzung der Bedeutung der Begriffsverwendung erschweren.51 ‚Araber‘ als Selbstbezeichnung ist dabei im Vergleich zu seiner Nutzung als Fremdbezeichnung eine vergleichsweise späte Entwicklung.52 Dies ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass alle literarischen Quellen zum Nahen Osten von der Achaimenidenzeit bis zur römischen Kaiserzeit von ‚Außenseitern‘ geschrieben wurden, die den Begriff ‚Araber‘ für Personen und Gruppen verwendeten, andererseits aber dem fast vollständigen Fehlen dieser Charakterisierung in den semitischen Inschriften des Großraums. Mit Macdonald zeigt dies, dass eine solche Selbstbezeichnung nur im Kontakt mit der Außenwelt nötig war, während man innerhalb der eigenen Gemeinschaft keine solche Zuschreibung tätigen musste.53 dem sich „Landbauern und Kaufleute aller Art“ fänden, die überregionalen Handel betrieben; sowie das Küstenland oberhalb des glücklichen Arabiens mit sehr guter Wasserversorgung, das seiner implizit sesshaften Bevölkerung zwei Ernten im Jahr ermögliche. 51 Fisher 2011, S. 143. 52 Retsö verweist allerdings auf eine südarabische Inschrift aus Main, dem heutigen al-Gawf im Jemen, die wohl aus dem 4. Jh. v. Chr. stammt und eine „Araberin von Qedar“ nennt: Retsö 2003, S. 254 – Quelle: RÉS 2771. Nach Eph’al findet sich die Selbstbezeichnung Araber im Königreich Sheba nicht vor dem 1. Jh. n. Chr., in Hadramaut nicht vor dem 3. Jh. n. Chr. Wenn diese dann gebraucht worden sei, bezeichne sie Beduinen, die als Feinde oder Söldner in Kontakt mit den Reichen kamen. Erst ab der späten Kaiserzeit tauche die Bezeichnung dann in königlichen Titeln auf, nämlich z. B. „der König von Sheba und Du-Raidan und ihrer Araber“, nach Eph’al also dem König zweier Reiche und den Beduinenstämmen an seinen Grenzen, die seine Untertanen waren. Daraus leitet er ab, dass die Bezeichnung ‚Araber‘ die Selbstbezeichnung der Nomaden gewesen sei: Eph’al 1982, S. 7–9. 53 Macdonald et al. 2015, S. 11–12. Als Selbstbezeichnung findet sich ‚Araber‘ erstmalig in einer griechischen Inschrift aus Thasos, die ein Vater als Grabepitaph für seinen Sohn setzte. Er bezeichnet sich hier als „Araber aus der Stadt Septima Kanotha“ (Kanatha im Hauran): Hoyland 2012, S. 376–379. Wohl ebenfalls aus dem 3. Jhd. n. Chr. stammt eine Inschrift in epigraphischem Südarabisch aus Marib, in der eine Person u. a. als König verschiedener Araber angesprochen wird. Neben diesen und wenigen weiteren Einzelnennungen taucht die Selbstbezeichnung dann erst ab dem 6. Jh. n. Chr. regelmäßig in vor-islamischen Texten auf: Macdonald 2003, S. 304; Hoyland 2012, S. 376–379, Nr. 10 und 2. Als Fremdbezeichnung ist der Begriff aber wesentlich älter. Denn neuassyrische Quellen sprechen seit dem 9. Jh. v. Chr. von Gruppen, die sie als aribi bezeichneten: Die erste Erwähnung findet sich in der Siegesliste Shalmanesers III., der im Jahr 853 v. Chr. den Euphrat überschritt, um sich in Nordsyrien und entlang des Orontes mit einer Koalition syrischer Könige und ihrer Städte zu messen. Hier besiegte er nach eigenen Angaben neben den Königen von Damaskos, Hama und Israel auch Gindibu, den Araber. Dessen Herrschaftsgebiet scheint nach Retsö im Norden des

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In der fortschreitenden Kaiserzeit erfuhr der Begriff ‚Araber‘ in den römischen Quellen eine Verengung, da damit zunehmend nur noch die Einwohner der Provinz Arabia gemeint waren.54 Für die griechisch-römische Antike beginnt die Kenntnis über die Araber wie angesprochen mit Herodot55, auf ihn folgt vor allem Xenophon.56 Alexander der Große traf wie berichtet auf Araber im Libanon während der Belagerung von Tyros.57 Bei der Eroberung von Gaza hatte Alexander es mit arabischen Söldnern zu tun, die hier offenbar im Auftrag des achaimenidischen Großkönigs die Ver-

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heutigen Jordanien gelegen zu haben. Hier sollte Tiglathpileser III. 732 die Provinz Haurina einrichten, der östlich die Araber benachbart gewesen seien: Nach Retsö 2003, S. 127. Spätestens zur Regierungszeit von Ashurbanipal und Nebukadnezar scheint der arabische Stamm der Qedar ein Territorium von seinem Kultzentrum in al-Jawf bis in die Syrische Wüste, möglicherweise bis nach Palmyra, durchzogen zu haben. Unter Sargon II. lassen sich dann in seiner Korrespondenz Berichte über Araber entlang des rechten Ufers des Mittleren und Südlichen Euphrat, in der Region zwischen Hama und Homs und entlang der Hänge des Antilibanon und in der Beka-Ebene nachweisen: Vgl. Macdonald 2003, S. 313–314; Parpola 1987, Nr. 82 (Araber an der rechten Seite des Mittleren Euphrat), 84 (Araber an der rechten Seite des südlichen Euphrat), 173 (Araber in Hamath), 177 und 179 (Araber in Supat, wohl nahe bei oder identisch mit Emesa / Homs). Nach Knauf traf schon Tiglathpileser III. auf Araber in der Beka-Ebene: Knauf 1984b, S. 119. Auch die Hebraische Bibel enthält eine Reihe von Hinweisen auf arabische Bevölkerungsgruppen, doch angesichts der problematischen Datierung und Chronologie der verschiedenen Textteile ist es schwierig, hieraus historisch gesicherte Schlüsse zu ziehen: Eph’al 1982, S. 78. Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt Retsö durch die Analyse einiger genealogischer Listen aus der Bibel: Retsö 2003, S. 128–129 und S. 231, F. 50. Allerdings weist Retsö darauf hin, dass Araber als Volk in den genealogischen Listen nicht vorkommen würden: Retsö 2003, S. 229. Die achaimenidischen Quellen nennen ebenfalls Araber, die hier aber überwiegend in Listen besiegter Völker auftauchen: zuerst in fünf monumentalen Inschriften des Dareios I., wobei die älteste Version aus der Inschrift von Behistun von 519/18 v. Chr. stammt. Diese Liste scheint als Basis für spätere Sieges- und Geschenkelisten gedient zu haben, ohne dass damit eine konkrete historische Wirklichkeit abgebildet worden wäre, da etwa Ägypten auch nach seinem Abfall noch genannt wurde: Retsö 2003, S. 236–239. Hoyland 2012, S. 375; L. I. Conrad 2001, S. 680. Diese ‚Art‘ Araber war vielleicht auch in der Inschrift aus Thasos gemeint (Hoyland 2012, S. 376–379). Vgl. Fisher 2011, S. 142; Macdonald et al. 2015, S. 76–77. Herod. 3, 4–9; Herod. 7, 69–70 und 86–87. Xen. Cyrop. 2, 1; 5, 7; 4, 11–16; Xen. Anab. 1, 4, 19–5, 1, 1–5. Die Araber sind hier überwiegend Sesshafte, teils aber auch Nomaden, deren Deutung für Retsö Fragen aufwirft: Retsö 2003, S. 256–257. Ein Problem ergibt sich aber eigentlich nur, wenn man auf einer Gleichsetzung von ‚Arabern‘ und ‚Nomaden‘ besteht, wie dies etwa auch in der Untersuchung von Donner 1986, S. 1–14 deutlich wird. Donner versucht ausgehend von dieser für ihn selbstverständlichen Gleichsetzung die Aussagen bei Xenophon als anachronistisch darzustellen. Curt. 4, 3, 1; Arr. Anab. 2, 2; Plut. Alex. 24, 6.

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teidigung der Stadt übernommen hatten.58 Gaza scheint dabei nicht Teil eines arabischen Machtbereichs, sondern einer Verwaltungseinheit des achaimenidischen Syrien-Palaistina gewesen zu sein.59 Nach dem Tod Alexanders waren auch seine Nachfolger mit arabischen Bevölkerungsgruppen konfrontiert. Dies waren zunächst die Nabataier, gegen die Antigonos Monophthalmos und sein Sohn Demetrios zogen.60 Die Ptolemaier trafen entlang des Roten Meeres auf Araber und richten dort einen eigenen nomos Arabía ein, der 259 v. Chr. in einem Papyrus belegt ist und wohl um das Wadi Tumaylat mit Pithom / Pathumos als Hauptort lag.61 Im Zenon-Archiv werden eine Reihe von Personen als Araber bezeichnet, die entweder offenkundig militärische Funktionen hatten oder als Hirten Ziegen und Schafe hielten.62 Keiner der namentlich genannten Personen, die als Araber bezeichnet werden, trägt auch einen als arabisch identifizierbaren Namen. Lediglich in einem Papyrus von 220 v. Chr. über einen Streit zwischen einem als Araber bezeichneten Frisör Parates und seinem Kunden scheint dessen Name Malikhos arabisch.63 Es ist daher schwierig, die als Araber bezeichneten Personen in den Papyri eindeutig entweder einer militärischen Funktionseinheit, einer Ethnie oder einer anderen Kategorisierung zuzuordnen.64 Mit Retsö gibt es für den Kontakt zwischen Seleukiden und Arabern insbesondere im ersten Jahrhundert des Reiches kaum Quellen, da die Seleukiden die Politik der friedlichen Kooperation der Achaimeniden fortgeführt hätten.65 Macdonald et al. weisen allerdings auf einen Bericht des Polybios hin, der ein sichtbares Interesse der Seleukiden am Handel mit Luxuswaren aus der Arabischen Halbinsel zeige, weshalb diese den Handelsstützpunkt Gerrha gefördert hätten. Antiochos III. wurde von dessen Bevölkerung für die Zusicherung ihrer 58 59

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Arr. Anab. 2, 25, 4; Diod. 17, 48, 7; Curt. 4, 6, 7. Nach der anschließenden Einnahme von Ägypten kontrollierte Alexander den Küstenstreifen zwischen Palaistina und Ägypten, ein nach dem Indienfeldzug geplantes und auch schon konkret vorbereitetes weiteres Vordringen bis auf die Arabische Halbinsel wurde durch seinen Tod verhindert: Arr. Anab. 7, 20, 1–8. Allerdings waren zur Vorbereitung schon Expeditionen entlang der Küste der Arabischen Halbinsel aktiv gewesen, die neue Informationen zu dieser Region und ihrer Bevölkerungen in die griechische Welt trugen: Vgl. Macdonald et al. 2015, S. 64–65. Zuvor hatte Alexander jedoch in der Region von Arbela am linken Ufer des Tigris eine arabische Bevölkerung angetroffen, die vielleicht in Verbindung mit den von Xenophon im Zweistromland lokalisierten Arabern steht. Für diese arabische Bevölkerung in der von den Römern dann Adiabene genannten Landschaft finden sich ab dem 1. Jh. n. Chr. eine Reihe von Quellenbelegen: Retsö 2003, S. 265–277. Diod. 19, 95, 1–100, 1; vgl. dazu P. Parr 2007, S. 283 zur Lokalisierung der Ereignisse. P. Revenue Laws col. 65. Vgl. Tscherikower 1937, S. 27 mit Liste der Nennung von Arabern in den Zenon-Papyri. P. Magdola 15; dazu Retsö 2003, S. 300–301. Vgl. Macdonald et al. 2015, S. 66. Retsö 2003, S. 308.

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Freiheit geehrt.66 Arabische Truppen fanden sich spätestens seit Antiochos III. in seleukidischen Heeren.67 Möglich wäre also für das Seleukidische Reich und seine Kontakte zu Arabern eine ähnliche Begrifflichkeit wie bei den Ptolemaiern, wo ‚ethnische‘ Kategorien weniger ‚Volkszugehörigkeiten‘, als Truppenkategorien bzw. Bewaffnungsart bezeichnen konnten.68 Außerdem beschäftigen sich eine Reihe von hellenistischen Autoren mit Arabien und den Arabern. Ihre Werke sind heute verloren, in Auszügen sind sie aber bei Diodor und Strabon greifbar, die sie als Quellen angeben. Nach Sartre handelt es sich dabei insbesondere um Eratosthenes (273–192 v. Chr.), Agatharchides von Knidos (ca. 190–105 v. Chr.), der seinerseits auf den Erfahrungsbericht des Ariston über eine ptolemaische Expedition ins Rote Meer (um 250 v. Chr.) zurückgriff, sowie Artemidoros von Ephesos (2. Hälfte 2. Jh. v. Chr.) und Poseidonios von Apameia (ca. 135–50 v. Chr.).69 Ein Autor Glaukos verfasste zu einer nicht genauer bestimmbaren Zeit außerdem eine Altertumskunde Arabiens, über deren Inhalt aber kaum etwas bekannt ist.70 Diodor kannte darüber hinaus wohl noch die königlichen Annalen von Alexandreia, weitere Augenzeugenberichte und die Schriften des Hieronymos von Kardia.71 Strabon unterscheidet Araber als Bevölkerungsgruppe von Syrern, Armeniern und anderen.72 Nach Retsö greift Strabon gerade in den Passagen zu Arabien und den Arabern insbesondere auf Erathosthenes und Poseidonios zurück und kann dank dieser glaubhaften Quellen gute Informationen zu den verschiedenen arabi66 67

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Polyb. 13, 9, 4–5; Macdonald et al. 2015, S. 66–67. Im Rückgriff auf eine Quelle aus dem 3. Jh. v. Chr. berichtet Polybios über eine arabische Bevölkerung in der Region zwischen Amman und Pella. In diesem Zusammenhang nennt er Amman, das später als Philadelphia zur Dekapolis gehören sollte, „Rabbatama der Araber“. In seiner Umgebung lebten „Stämme der Araber“, die sich Antiochos III. nach dessen militärischen Erfolgen angeschlossen hatten. Ihr Land ebenso wie Rabbatama wurden von Gegnern des Antiochos III. geplündert und besetzt und musste von diesem befreit werden. Eine Garnison blieb am Ort zurück: Polyb, 5, 71, 1–4. In der folgenden Schlacht zwischen Antiochos III. und Ptolemaios bei Raphia finden sich dann etwa 10.000 „Araber und benachbarte Stämme […] unter dem Kommando des Zabdibelos“ im Heer des Antiochos: Polyb. 5, 79, 8; 5, 82, 12; 5, 85, 4. Vgl. Fisher-Bovet 2014, S. 127–133; 171; 191–195. Sartre 1990, S. 139–140. Glaukos FGrH 674 F 13. Diod. 2, 48, 1; 19, 94 ff. Strab. 1, 2, 33: „Die Völker der Armenier, Syrer und Araber zeigen nämlich in der Sprache, der Lebensweise und der Körperbildung eine große Stammverwandtschaft, besonders wo sie Grenznachbarn sind. Diese beweist die aus den drei Völkern gemischte Bevölkerung Mesopotamiens; denn bei dieser leuchtet die Ähnlichkeit am meisten hervor. Findet nun auch vermöge der Breitengrade ein gewisser Unterschied bei den mehr Nördlichen gegen die Südlichen und bei beiden gegen die an den Grenzen in der Mitte Wohnenden statt, so herrscht doch das Gemeinschaftliche vor.“

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schen Bevölkerungen geben. Dabei sei offensichtlich, dass Poseidonios zwischen Arabern und Skeniten bzw. Zeltbewohnern und Nomaden unterscheide und diese Unterscheidung von Strabon mehrheitlich übernommen werde.73 Die Araber gliederten sich nach Strabon in Stämme oder Völkerschaften bzw. Fürstentümer74, es gab namentlich benannte Untergruppen wie die mesenischen Araber75 oder „Nabataier, Chaulotaier und Agraier“76. An verschiedenen Stellen unterscheidet er außerdem Araber und Skeniten, bzw. Araber und Zeltaraber oder Wanderhirten der Araber. Strabon schreibt etwa im 16. Buch: Ὅριον δ᾿ ἐστὶ τῆς Παρθυαίων ἀρχῆς ὁ Εὐφράτης καὶ ἡ περαία· τὰ δ᾿ ἐντὸς ἔχουσι Ῥωμαῖοι καὶ τῶν Ἀράβων οἱ φύλαρχοι μέχρι Βαβυλωνίας, οἱ μὲν μᾶλλον ἐκείνοις, οἱ δὲ τοῖς Ῥωμαίοις προσέχοντες, οἷσπερ καὶ πλησιόχωροί εἰσιν· ἧττον μὲν Σκηνῖται οἱ νομάδες οἱ τῷ ποταμῷ πλησίον, μᾶλλον δ᾿ οἱ ἄπωθεν καὶ πρὸς τῇ εὐδαίμονι Ἀραβίᾳ.

„Die Grenze des Reiches der Parther bilden der Euphrat und das jenseitige Uferland; das diesseitige aber besitzen die Römer und die Phylarchen der Araber bis Babylonien hin, teils mehr jenen, teils mehr den Römern geneigt, denen sie ja benachbart sind: weniger die dem Strome nahen nomadischen Skeniten, mehr aber die entfernter und neben dem glücklichen Arabien Wohnenden.“77

Hier werden also zwei arabische Bevölkerungsgruppen genannt, von denen nur eine definitiv ein nomadisches Zeltleben führte. Diese nomadischen arabischen Gruppen werden auch immer als Zeltaraber oder arabische Skeniten kenntlich gemacht78, woraus offenkundig wird, dass zumindest Strabos Quelle Poseidonios einen sichtbaren Unterschied zwischen arabischen Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher sozioökonomischer Lebensweise sah.79 Und während Strabon bei der Beschreibung der Araber nicht grundsätzlich negative Assoziationen beschwor, sah er die Zeltaraber im Kontext gängiger Nomadentopoi, so waren etwa die Zeltaraber im Süden Mesopotamiens für ihn Räuber.80 Dies zeigt sich auch bei

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Retsö 2003, S. 351–356. Strab. 16, 4, 2; das Vorkommen unterschiedlicher Gruppen der Araber zeigen auch andere Quellen, z. B. Glaukos FGrH 674, F. 13; die „Troglodyten unter den Arabern“ bei Ael. Nat.Anim. 6, 10. Strab. 16, 1, 8. Strab. 16, 4, 2. Strab. 16, 1, 28. Übersetzung von Radt. Strab. 16, 1, 26; 16, 2, 1; 16, 3, 1; 16, 4, 2; 17, 3, 19. Vgl. dazu auch Retsö 2003, S. 353–355. Strab. 16, 1, 26.

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der bereits zitierten Beschreibung der Region von Apameia und Emesa.81 Insgesamt weist Strabon den Arabern auch eine Reihe von unterschiedlichen ökonomischen Aktivitäten zu: Neben den bereits angesprochenen Aktivitäten als Räuber82, Hirten und Kamelherdenhalter83 sind dies die Tätigkeit als „Krämer und Kaufleute“84, als Schürfer von Edelsteinen85 und als Gräber von Salz86. Für Macdonald et al. ist dabei der Verweis auf das Räubertum der Nomaden bei Strabon ein Hinweis auf eine übliche ‚Kontaktform‘ zwischen der sesshaften Bevölkerung und den Nomaden, unter denen auch Araber waren. Denn Raub und die daraus entstehende Beute war ein wichtiger Einkommensfaktor für mobile Gemeinschaften ebenso wie ein politisches Druckmittel gegenüber den Zentralmächten, mit denen die Gemeinschaften interagierten.87 81

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Strab. 16, 2, 11. Hier scheint Strabon auf eine andere Quelle zurückzugreifen, die keine Differenzierung zwischen verschiedenen arabischen und nomadischen Gruppen vornahm und Araber und Nomaden gleichsam als Synonym mit dem gängigen Nomaden-Topos einer ungeordneten Verfassung belegte. Vielleicht auch Teil dieses ungeordneten Lebens ist sein Vergleich zu den Gaitulern in Nordafrika: „[Jene Leute] sind sehr einfach in ihrer Lebensweise und in ihrem Schmuck, haben aber viele Weiber und Kinder und sind übrigens den Wanderhirten der Araber ähnlich.“ Strab. 17, 2, 19. Araber als Räuber: Strab. 16, 1, 26; 16, 2, 18. Araber sind Hirten / Wanderhirten: Strab. 17, 3, 19; 16, 1, 26: „Die gegen Süden und vom Gebirge entfernter liegenden, wasserlosen und unfruchtbaren Striche Mesopotamiens besitzen die Zeltaraber, ein räuberisches Hirtenvolk, welches leicht in andere Gegenden wandert, wenn Weide und zu erbeutende Gegenstände ausgehen. Daher kommt es, dass den Anwohnern der Berge sowohl von diesen, als von den Armeniern Beschädigungen widerfahren; denn letztere wohnen über ihnen und überwältigen sie durch ihre Macht.“ Araber sind Hirten und haben Kamele: „Die Mesopotamien nächsten Striche bis KoiléSyrien, welchem dem Strom nahe liegen, bewohnen [wie] Mesopotamien [selbst], die in [mehrere] kleine Fürstentümer gesonderten arabischen Skeniten, in des Wassermangels wegen unfruchtbaren Gegenden [lebend] und gar keinen oder nur wenige Ackerbau treibend, wohl aber im Besitz von Herden allerlei Zuchtviehs, besonders von Kamelen.“; Strab. 15, 3, 1: „Dieses Land nun haben zunächst nach den Syrern und Judaiern Ackerbauern inne. Nach diesen folgt ein versandetes, ärmliches Land, welches [nur] wenige Palmen, Akaziendorn, Tamarisken und Zisternenwasser hat, wie auch Gerdosien. Es bewohnen dasselbe arabische Sceniten und Kamelhirten.“; Strab. 15, 4, 2. Araber sind Kaufleute: Strab. 16, 4, 23. Im Zusammenhang mit dem Feldzug des Gellius schreibt Strabon „Denn nicht einmal zu Lande sind die Araber tüchtige Krieger, sondern mehr Krämer und Kaufleute, geschweige denn zur See.“ (17, 3, 23). Araber schürfen Edelsteine: Strab. 17, 1, 45: „Jetzt aber sind Koptos und Myos-Hormos berühmter, und dieser Städte bedient man sich [allgemein]. […] Der Weg beträgt sechs oder sieben Tagesreisen. Auf dieser Landenge sind auch die Gruben des Smaragdes und anderer kostbarer Steine, nach welchen die Araber tiefe unterirdische Gänge graben.“. Araber graben nach Salz: Strab. 17, 2, 2: „Das Salz wird ausgegraben, wie bei den Arabern.“ Macdonald et al. 2015, S. 69–70. In diesem Sinne ließen sich auch die Quellenzeugnisse für Araber unter den Arsakiden verstehen, wie sie etwa in den Astronomischen Tagebüchern aus Babylon erkennbar werden: Hier finden sich Hinweise auf Araber und

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Gemeinschaftsidentitäten 

Die Quellenzeugnisse lassen Cook insgesamt zu dem Schluss kommen, dass nicht alle in den Quellen als Araber bezeichneten Völker Nomaden waren.88 Trotzdem hat gerade die ältere Forschung Nomaden und Araber für die Antike gleichgesetzt.89 Und noch in der 2000 erschienenen „Encyclopedia of Greece and the Hellenic tradition“ schreibt Weerakkody, „For both Classical and biblical authors, the defining characteristics of the Arabs were nomadism, pastoralism, and the camel-based caravan trade.“90 Dagegen unterstrich schon Bowersock, dass die Quellen Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Lebensformen als Araber ansprechen, wobei einige in Zelten lebende Nomaden, andere sesshafte Händler gewesen seien.91 Macdonald et al. stellen daher klar, dass für die antiken Autoren

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insbesondere auf vier Raubzüge dieser Araber zwischen 126 und 90 v. Chr., wobei u. a. die Stadtmauer von Babylon beschädigt und später sogar der Anführer der Stadtgarde getötet wurde. Formulierungen über Geschenke an die Araber werden als Indiz für die Zahlung von Schutzgeld im Zuge des Versuchs der vertraglichen Regelung von Beziehungen zwischen diesen Arabern und den Arsakiden gedeutet: Macdonald et al. 2015, S. 59. Cook 2009, S. 467. So unterscheidet etwa Eph’al in seinem Werk über die „Ancient Arabs“ nicht zwischen Arabern und Nomaden und verwendet beide Begriffe nicht nur im eigenen Text synonym, sondern unterscheidet auch bei der Quellenanalyse nicht zwischen Textstellen, die den Begriff Araber und solchen, die den der Nomaden verwenden: Vgl. die Einleitung bei Eph’al 1982, S. 1–11, insbes. S. 6. Vgl. auch: „Le terme ‚Arabe‘ ne désigne pas à proprement parler l’habitant de l’Arabie, mais le nomade qui vit sous la tente dans le désert. Il s’oppose au hadry, le sédentaire, demeurant dans la maison. Plus restrictif encore, le terme ‚Bédouin‘, que nous avons emprunté à l’arabe, désigne les Arabes qui passent la majeure partie de l’année au désert et qui se livrent à l’élevage du chameau.“ (Dussaud 1955, S. 14) oder „Le terme ‚Arabe‘ sert à désigner l’ensemble des populations nomades et pastorales habitant la steppe et le désert depuis la HauteMésopotamie jusqu’au Yémen, du golfe Persique au Sinaï et à Gaza sans parler du désert oriental d’Egypte. Ceci est vrai pour la plupart des auteurs d’époque impérial qui ne mentionnent les Arabes qu’en passant.“ (Sartre 1990, S. 141). Weerakkody 2000, S. 114. Conrad betont in der Cambridge Ancient History, dass im frühen Arabischen der Begriff ’arab bzw. im Plural a’rāb zur Bezeichnung von „tribal nomads“ gebraucht wurden: Conrad 2001, S. 680. Vgl. auch Kropp 2013, S. 21–22: „[…] the term ‚Arab‘ is primarily a social designation: Arabs are by and large pastoralists and merchants, people who live in tents in the wilderness. Being Arab, according to ancient sources, primarily describes a way of life that is opposed to settled and urban lifestyle.“ Vgl. Donner 1986, S. 1–14. Bowersock 1983, S. 1; so ja auch Cook 2009, S. 467. In gleicher Weise stellen Macdonald et al. bei der Analyse der Inschriften aus Hatra fest, dass die antiken Schriftsteller sehr genau zwischen Zeltbewohnern, skenitai, die Araber waren, Zeltbewohnern anderer ‚Volksgruppen‘ und Arabern, die andere Lebens- und Wirtschaftsweisen praktizierten, unterscheiden. Dies entspreche auch dem archäologischen Bild aus dem Hinterland Hatras, welches gerade in der parthischen Periode eine dichte sesshafte Besiedlung zeigen würde: Macdonald et al. 2015, S. 35.

Die frühen Araber in den antiken Quellen

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der Verweis auf ein nomadisches Leben ein nützlicher literarischer Topos war, um den Kontrast zur urbanen Zivilisation zu verdeutlichen und zur ‚Exotisierung‘ der beschriebenen Völker beizutragen.92 Die Frage nach der Bedeutung des Begriffs ‚Araber‘ und dessen Verwendung als ethnische Bezeichnung wird weiter kompliziert durch die schwierige Quellenlage zur arabischen Sprache, die als eine der Identifikationsmarker für eine arabische Bevölkerung genommen wird. Mit Fisher ist die Wahrnehmung des Arabischen im Wesentlichen durch die Verbindung der Sprache mit dem Koran und damit mit dem Islam und seiner Ausbreitung verbunden, sowie mit der Nutzung des Arabischen als Sprache der im Zuge der Islamischen Eroberung entstehenden neuen Elite, die sich durch die Sprache von den eroberten Völkern absetzte. Da aber das alte Arabische erst gegen 500 n. Chr. mit einer spezifischen Schrift verbunden wurde und zuvor als gesprochene Sprache genutzt wurde, die ggf. in anderen Schriften wie dem Nabataischen geschrieben wurde, ist seine Rolle in der Zeit davor kaum einzuschätzen. Die Verwendung von Arabisch als gesprochene Sprache etwa im Reich der Nabataier wird so in Ermangelung von schriftlicher Überlieferung über die Verbreitung arabischer Namen sowie die Bezeichnung als Araber in den literarischen Quellen rekonstruiert. Dieses Vorgehen ist in seinen Augen angesichts der nachweisbaren Vielfalt von Sprachen und Schriften, die in der Region in der Antike verwendet wurden, problematisch.93 Dies macht dann aber auch eine in der Forschung oft praktizierte ethnische Zuweisung von Personen über ihre arabischen Namen schwierig. So wird etwa in der jüngsten Forschung die Identifikation der Palmyrener als Araber auch aufgrund des Namensmaterials abgelehnt.94 Andererseits verweisen aber Fiema et al. auf die Validität arabischer Namen als Marker einer arabisch sprechenden Bevölkerung.95 Insgesamt zeigt sich also, dass die Quellen einen ambivalenten Gebrauch der Bezeichnung ‚Araber‘ für die griechisch-römische Antike aufzeigen. Nicht alle beschriebenen Araber waren Nomaden, nicht alle Nomaden waren Araber. Nicht alle Araber oder Nomaden waren Räuber und vermutlich waren auch nicht alle Räuber Araber oder Nomaden. Die Bezeichnung ‚Araber‘ konnte dabei sowohl eine spezifische Gemeinschaft als auch eine übergeordnete Art von Gruppenidentität meinen, der dann kleinere Einheiten zugeordnet waren. Araber treten dabei auch in funktionalen Rollen für Großmächte (vor allem als Soldaten) auf. Insofern muss deutlich gemacht werden, dass mit der Bezeichnung ‚Araber‘ in den antiken 92

Vgl. Macdonald et al. 2015, S. 66. Dass dieser Schluss auch noch für die Quellen der römischen Kaiserzeit zutrifft, zeigt Plinius: Bei der Beschreibung der Syrischen Wüste nennt er zahlreiche Gemeinschaften, u. a. die arabischen Skeniten – beide Begriffe sind also nicht deckungsgleich (Nat. Hist. 5, 24). 93 Fisher 2011, S. 133–140. Vgl. Fiema / Nehmé, 2014, S. 397–398. 94 Macdonald et al. 2015, S. 13. 95 Fiema et al. 2014, S. 430.

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Gemeinschaftsidentitäten 

Quellen keine grundsätzliche Festlegung auf Lebensweisen oder ‚Kulturleistungen‘ der so bezeichneten Gemeinschaften erfolgte.

6.3 Identität und Ethnizität der Ituraier 6.3.1 Herkunft und Ethnizität der Ituraier Wie ausgeführt, können Identität und Ethnizität einer Gemeinschaft mit verschiedenen Quellen rekonstruiert werden, wobei die Quellengruppen jeweils eigene Deutungsprobleme mit sich bringen. Trotzdem ist es wichtig, die Frage nach Herkunft, Identität und Ethnizität der Ituraier zu stellen, denn die in der Forschung gefundenen Antworten darauf haben maßgeblich das Bild der Ituraier und die Einordnung ihrer Herrschaft bestimmt. So ist es insbesondere die Wahrnehmung der Ituraier als arabische Nomaden, die eine Abwertung ihrer Herrschaft als „another backward people of Syria“96 bedingt. Es wurde bereits gezeigt, dass die Ituraier keine Nomaden waren – nun soll gefragt werden, ob sie Araber waren. Dabei ist wie berichtet umstritten, ob Gen. 25, 15 als Zeugnis für die frühe Geschichte der Ituraier gelten kann. Hier heißt es wie bereits zitiert: ‫ן־ַאב ָר ָ ֑הם ֲא ֨ ֶׁשר‬ ‫ִיׁש ָמ ֵ ֖עאל ֶּב‬ ְ ְ ‫וְ ֵ ֛אּלֶ ה ּתֹלְ ֥ ֹדת‬ ‫ַאב ָר ָ ֽהם׃‬ ְ ְ‫יָ לְ ָ ֜דה ָהג ַה ִּמ ְצ ִ ֛רית ִׁש ְפ ַ ֥חת ָׂשָ ֖רה ל‬ ‫ִיׁש ָמ ֵ ֔עאל ִּב ְׁשמ ָ ֹ֖תם‬ ְ ‫וְ ֵ֗אּלֶ ה ְׁשמֹות֙ ְּב ֵנ֣י‬ ‫ִיׁש ָמ ֵעאל ֙ נְ ָב ֹי֔ת וְ ֵק ָ ֥דר‬ ְ ‫לְ תֹולְ ד ָ ֹ֑תם ְּב ֹ֤כר‬ ‫ׂשם׃‬ ֽ ָ ‫ּומ ְב‬ ִ ‫ַאד ְּב ֵ ֖אל‬ ְ ְ‫ו‬ ‫ּׂשא׃‬ ֽ ָ ‫ּומ‬ ַ ‫דּומה‬ ֖ ָ ְ‫ּומ ְׁש ָ ֥מע ו‬ ִ ‫ימא יְ ֥טּור נָ ִ ֖פיׁש וָ ֵק ְֽד ָמה׃‬ ֔ ָ ‫ֲח ַ ֣דד וְ ֵת‬ ‫ִיׁש ָמ ֵעאל ֙ וְ ֵ ֣אּלֶ ה ְׁשמ ָ ֹ֔תם‬ ְ ‫ֵ ֣אּלֶ ה ֞ ֵהם ְּב ֵנ֤י‬ ‫יאם‬ ֖ ִ ‫ׂשר נְ ִׂש‬ ֥ ָ ‫ים־ע‬ ָ ֵ‫ּוב ִ ֽטיר ָ ֹ֑תם ְׁשנ‬ ֖ ֶ ‫ְּב ַח ְצ ֵר‬ ְ ‫יהם‬ ‫לְ ֻאּמ ָ ֹֽתם׃‬

„Dies ist das Geschlecht Ismaels, des Sohnes Abrahams, den ihm Hagar gebar, die Magd Saras aus Ägypten; und dies sind die Namen der Söhne Ismaels, nach denen ihre Geschlechter genannt sind: der erstgeborene Sohn Ismaels Nebajot, dann Kedar, Adbeel, Misbam, Mischma, Duma, Massa, Hadad, Tema, Jetur, Nafisch und Kedma. Das sind die Söhne Ismaels mit ihren Namen nach ihren Gehöften und Zeltdörfern, zwölf Fürsten nach ihren Stämmen.“97

Der Sohn Jetur / Yetur, im Hebraischen YTR, bzw. der daraus abzuleitende Stamm, wird wegen seiner lautlichen Nähe zu den Ituraiern etwa von Knauf und Schottroff als Quellenzeugnis zu diesen verstanden, womit dann die Jetur und entsprechend die Ituraier Araber gewesen seien.98 In der neueren Forschung wird die Gleich96

Jones 1931, S. 265. Gen. 25, 12–16. Übersetzung nach Luther. 98 Knauf 1998, S. 269–272; Schottroff 1982, S. 135. Auch Sartre 2001, S. 54 setzt die biblischen Yetur mit den Ituraiern gleich. 97

Identität und Ethnizität der Ituraier

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setzung der hellenistisch-römischen Ituraier mit den biblischen Söhnen des Ismael wie berichtet überwiegend abgelehnt.99 Die erste sichere Nennung der Ituraier in griechisch-römischen Quellen erfolgt in dem bereits genannten Fragment des jüdisch-hellenistischen Historiographen Eupolemos aus der ersten Hälfte des 2. Jhd. v. Chr., das sich in Eusebius erhalten hat.100 Eine ‚ethnische Definition‘ der von Eupolemos aufgezählten Gemeinschaften – außer dass sie Feinde Israels sind – findet hier nicht statt. Seit der frühen Kaiserzeit gibt es dann weitere Erwähnungen in den Quellen. Strabon schreibt wie bereits zitiert über den Libanon „Alle jene Berghöhen haben Ituraier und Araber inne, sämtlich schlechtes Raubgesindel (kakourgoi)“101 und später „Über ihr [der Damaszene] liegen zwei Hügel, die sogenannten Trachones, dann nach den gemischten Gauen der Araber und Ituraier hin schwer zu übersteigende Berge […].“102 Retsö nimmt an, dass Strabon hier Poseidonios folgte und damit Informationen aus hellenistischer Zeit übernahm. Er hält Poseidonios grundsätzlich für einen guten Kenner des Großraums Syrien und daher ist für ihn die getroffene Unterscheidung von Arabern und Ituraiern eine glaubwürdige Information.103 Damit ist festzuhalten, dass die Ituraier bei Strabon nicht als Araber verstanden wurden, denn er nennt ja explizit Araber und Ituraier.104 Dennoch zeigen die Passagen aus Strabon, dass es auch eine arabische Bevölkerung in dem Raum, den ebenfalls die Ituraier besiedelten und kontrollierten, gab.105 Es ist dieses arabische Bevölkerungselement, von dem wie berichtet die Alexanderhistoriker im Kontext der Belagerung von Tyros durch Alexander sprechen.106 In diesen Kontext passt auch eine Inschrift aus der frühen Kaiserzeit aus Faqra im Libanon, ca. 20 km nordöstlich von Berytos. Hier werden Agrippa II. und seine Schwester Berenike von der Göttin Atargatis arabōn geehrt durch den archiereus und epimeletes Gaius Mansuetus.107 Diese Inschrift muss als Beleg einer arabischen Bevölkerung am Ort verstanden werden, die mit Atargatis eine syrisch-aramaische Göttin verehrte und ihr einen ‚ethnischen‘ Zusatz gab. Kropp deutet dies als Einfluss der Ituraier, die er für Araber hält. Allerdings überlegt er auch, ob diese Göttin 99

Aliquot 1999–2003, S. 166–167. Ihm folgt Myers 2010, S. 134–136. Epol. Frag. 2 = Eus. Praep. Ev. 9, 30,3. 101 Strab. 16, 2, 18. 102 Strab. 16, 2, 20. 103 Vgl. dazu Retsö 2003, S. 355. Bei der dritten Erwähnung der Ituraier bei Strabon wird nichts über ihre ethnische Zugehörigkeit gesagt: Im Kontext der Erhebung des Caecilius Bassus in Apameia beschreibt Strabon wie berichtet dessen Allianzen mit den Phylarchen der Umgebung und nennt darunter auch Ptolemaios, Sohn des Mennaios: Strab. 16, 2, 10. 104 So auch Aliquot 1999–2003, S. 171, 181 und Myers 2010, S. 13–15. 105 Strab. 16, 2, 18. Dieser Eindruck wird von den spätantiken Kompilatoren Eutrop und Orosius unterstützt: Eutr. 6, 14, 1; Oros. 6, 6, 1. 106 Curt. 4, 3, 1; Arr. Anab. 2, 2; Plut. Alex. 24, 6. 107 Rey-Coquais 1999, 632–634. 100

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nicht als Kompromiss zweier unterschiedlicher ‚ethnischer‘ Gruppen vor Ort zu verstehen sei.108 So ist nämlich ebenfalls ein eponymer Magistrat der Gemeinschaft genannt, dessen Name Tholom, Sohn des Rabbomos, wohl aramaischen Ursprungs ist.109 Die arabische Bevölkerung im Libanon kann aber nicht einfach mit den Ituraiern gleichgesetzt werden, wie Strabon zeigt. Gegen eine Wahrnehmung der Ituraier als Araber spricht vielleicht auch die Art der Beschreibung der ituraischen Bogenschützen, die Marcus Antonius mit in den Senat in Rom brachte und dafür von Cicero deutlich kritisiert wurde. Hier werden die Ituraier zwar als wilde Barbaren dargestellt, als Araber werden sie aber nicht bezeichnet.110 Mit der Kaiserzeit werden die Ituraier dann bei verschiedenen Autoren erwähnt, wobei Plinius d. Ältere, Appian und Vibus Sequester sie jeweils als eine Bevölkerungsgruppe Syriens belegen bzw. als Syrer bezeichnen.111 Dabei wird vielleicht keine ethnische, sondern lediglich eine geographische Aussage über die Ituraier getroffen.112 Lukan unterscheidet die Ituraier von den Arabern, wobei er von unterschiedlichen militärischen Einheiten spricht.113 Er bezeugt damit vor allem die kontinuierliche Bedeutung der Ituraier als Bogenschützen. Diese erkennt man auch an einer Erwähnung der ituraischen Bögen in den Georgica des Vergil.114 Insbesondere in den Werken des Josephos finden sich zahlreiche Erwähnungen der Ituraier, wobei er keinerlei ethnische Zuweisung vornimmt und sie wie erwähnt auch nicht mit den Söhnen Ismaels, über die er ebenfalls schreibt und die er als Araber identifiziert, in Verbindung bringt.115 Eine ethnische Identifikation findet sich einzig bei Cassius Dio, der über Ereignisse zur Zeit des Caligula von 38 n. Chr. berichtet: Ἐν δὲ τούτῳ Σοαίμῳ μὲν τὴν τῶν Ἰτυραίων τῶν Ἀράβων, Κότυϊ δὲ τήν τε Ἀρμενίαν τὴν σμικροτέραν καὶ μετὰ τοῦτο καὶ τῆς Ἀραβίας τινά […]

108

„Inzwischen verlieh er dem Soaimos das Gebiet der ituraischen Araber, dem Kotys Kleinarmenien und später noch Teile Arabiens […].“116

Kropp 2009, S. 113–116. Rey-Coquais 1999, 646 f. 110 Cic. Phil. 1, 44, 12 und 2,8. 111 Plin. Nat.Hist. 5, 81: Ituraeorum gentem et qui ex his Baethaemi vocantur; die Bedeutung dieser Untergruppe ist unklar, vgl. Aliquot 1999–2003, S. 181; App. Civ. 5, 7; Vibius Sequ., Gentes 335: Ituraei, Syri, usu sagittae periti. 112 Aliquot 1999–2003, S. 181. 113 Lucan Bell.Civ. 7, 514: Tunc et Ityraei Medique Arabesque soluit, Arcu turba minax, nusquam rexere sagittas, sed petitur solus qui campis inminet aer. Inde cadunt mortes. Sceleris sed crimine nullo externum maculant chalybem; stetit omne coactum circa pila nefas.  114 Verg. Georg. 2, 448. 115 Vgl. Retsö 2003, S. 214. 116 Cass.Dio 59, 12, 2. Übersetzung von Veh. 109

Identität und Ethnizität der Ituraier

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Cassius Dio scheint das dem Soaimos verliehene Gebiet als jenes der ituraischen Araber angesehen zu haben, womit diese Ituraier als Araber verstanden werden könnten. Allerdings ist der Wortlaut bei Cassius Dio „τῶν Ἰτυραίων τῶν Ἀράβων“, was sich mit Aliquot auch als „les Ituréens parmi les Arabes“ verstehen ließe.117 Damit geht es hier nicht um eine ‚ethnische‘ Identifikation der Gemeinschaft, sondern um deren geographische Einordnung, wie es an anderer Stelle im Bericht über die Schenkungen des Antonius an Kleopatra deutlich wird: καὶ ὅτι πολλὰ μὲν τῆς Ἀραβίας τῆς τε Μάλχου καὶ τῆς τῶν Ἰτυραίων (τὸν γὰρ Λυσανίαν, ὃν αὐτὸς βασιλέα σφῶν ἐπεποιήκει, ἀπέκτεινεν ὡς τὰ τοῦ Πακόρου πράξαντα)

„[…] und weil er sie mit großen Teilen Arabiens beschenkt hatte, sowohl im Gebiet des Malchos wie auch der Ituraier (denn er ließ Lysanias hinrichten, den er selbst zum König über sie gemacht hatte, unter den Vorwurf der Bevorzugung des Pacoros) […].“118

Dies passt gut zu den bereits zitierten Quellenstellen, die seit der Zeit Alexanders des Großen die Region von Libanon, Beka-Ebene und Antilibanon als Arabien bezeichneten.119 Damit wäre die Aussage des Cassius Dio gar nicht so weit von der Strabons entfernt, nach der ja Ituraier und Araber sowohl im Libanon als auch in der Trachonitis gemeinsam lebten. Später unterscheidet Apuleius in seinen in der Mitte des 2. Jhd. n. Chr. geschriebenen Florida erneut zwischen den „an Früchten armen Ituraiern“ und den „an Wohlgerüchen reichen Arabern“.120 Die literarischen Quellen unterstützen damit also nicht eine Identifikation der Ituraier als Araber. Hier ließe sich fragen, ob die Ituraier möglicherweise doch ‚ethnische‘ Araber waren, aber aufgrund eines sesshaften Lebensstils um Hauptorte sowie eines spezifischen Gemeinschaftsnamens für die antiken Autoren essentielle Kriterien des ‚Araber-Seins‘ nicht erfüllten waren und sie daher nicht so bezeichnet wurden.121 Aber das vorherige Kapitel konnte zeigen, dass es keinen Automatismus für die Gleichsetzung von Arabern mit Nomaden in den antiken Quellen gab. Die Quellen zeigen, dass die antiken Autoren durchaus differenziert als arabisch empfundene Gemeinschaften mit nomadischen wie stationären Gruppen beschrieben und diese dabei immer wieder explizit Araber nannten.122 Auch diese Überlegungen unterstützen also eine Differenzierung zwischen Ituraiern und Arabern. 117

Aliquot 1999–2003, S. 182. Cass.Dio 49, 32, 4–5. Übersetzung von Veh. Vgl. die Überlegungen zu einem als ituraisch bezeichneten Teil Arabiens bei Aliquot 1999–2003, S. 182. 119 Vgl. Kapitel 3. 120 Apul. Flor. 6; dazu Schottroff 1982, S. 137. 121 Vgl. die entsprechenden Überlegungen bei Aliquot 2009, S. 28–31. 122 Diod. 19, 94; Diod. 2, 48, Strab. 16, 4, 21–22; vgl. Lindner 1970, S. 39–41. 118

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Gemeinschaftsidentitäten 

Eine weitere Möglichkeit zur Identifikation der ‚ethnischen‘ Zugehörigkeit der Ituraier bieten die Namen ihrer Gruppenmitglieder. Die Namen einiger Ituraier kennt man aus den literarischen Quellen. Dies gilt zunächst einmal für die Namen der ituraischen Dynasten und ihrer Verwandten: Mennaios, Ptolemaios, Lysanias, Philippion, Zenodoros sowie Soaimos und Noarus / Varus. Der Name Mennaios könnte ein semitischer Name sein, der auch im Hermon und in Ezra im Hauran epigraphisch belegt ist.123 Knauf hält den Namen für arabisch wegen der nabataischen und safaitischen Parallelen.124 Er könnte mit dem bei Stephanos von Byzanz als Gründer von Chalkis überlieferten Monikos / Monimos zusammenhängen.125 Der Name könnte auch mit dem arabischen Theonym Maan und dem einen der arabischen Zwillingsgötter Ma’anu und Shaaru verbunden werden, weil sich auf den Münzen des Ptolemaios u. a. auch die Dioskuren finden, wie noch zu diskutieren sein wird.126 Gleichzeitig könnte es sich um einen griechischen Namen handeln, der Name Mennaios ist etwa in Kleinasien belegt.127 Mennaios könnte aber auch eine Variante des Namens Menneas sein. Polybios nennt z. B. einen Menneas im Kontext der seleukidischen Belagerung Abilas in der Dekapolis.128 Dazu kommt eine Nachricht bei Josephos, der jüdische Hohepriester Hyrkanos habe als Teil einer Gesandtschaft unter anderem einen Joseph, Sohn des Menneas, an Marcus Antonius geschickt.129 Bei diesem könnte es sich rein aus chronologischen Gründen um einen Verwandten des Ptolemaios gehandelt haben, wenn dies aber nicht der Fall ist, so ist dies nur ein weiterer Beleg für die Verbreitung dieses Namens im Nahen Osten. Bei Ptolemaios könnte es sich sowohl um einen griechischen Namen in Anlehnung an die Ptolemaier handeln, wie das in deren gesamtem Herrschaftsbereich verbreitet war, als auch um eine hellenisierte Form des semitischen Namen Thole(m)os, dessen Varianten im Aramaischen und Nabataischen bekannt sind und der etwa im Hermon bezeugt ist.130 Lysanias, Philippion und Zenodoros könnten ebenso hellenisierte Varianten semitischer Namen darstellen oder tatsächlich als griechische Namen gemeint gewesen sein. Philippion scheint eine Variante von Philippos zu sein, der Name ist etwa auch im Hermon sowie im gesamten Orient verbreitet.131 Bowersock schlägt vor, in Zenodoros eine hellenisierte Variante des 123

Aliquot 2008, S. 121. Knauf 1983, S. 43. 125 Steph. Byz. 683 s. v. Chalkis 5 vgl. auch Vit. Isid. p. 2,9 f. Zintzen. 126 Aliquot 1999–2003, S. 185–186. 127 Eine Monime, Tochter des Philopoemen aus Karien ist als Ehefrau des Mithradates von Pontos belegt: Plut. Luc. 18; Plut. Pomp. 37; App. Mithr. 3, 21; 4, 27; 7, 48. 128 Polyb. 5, 71, 2. 129 Jos. Ant.Jud. 14, 12, 3; dazu de Saulcy 1869, S. 8. 130 IGLS XI 20 und 21, dazu: Aliquot 2008, S. 119, 122. Weihinschrift für Agrippa und Berenike aus Faqra von einem eponymen Magistraten, Tholom, Sohn des Rabbomos, gesetzt; Kropp hält den Namen für aramaisch: Kropp 2013, S. 337. 131 IGLS XI A/24, dazu: Aliquot 2008, S. 124. 124

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arabischen Wahballah zu lesen, was Aliquot jedoch ablehnt.132 Der Name ist auch in anderen semitischen Gemeinschaften in der weiteren Region zu finden, etwa in Jamnia-am-Meer.133 Der Name Soaimos ist bei Josephos für den ituraischen Vertrauten des Herodes belegt, der wie berichtet während dessen Reise zu Octavian für die Sicherheit seiner Frau und seiner Mutter zuständig sein sollte.134 Darüber hinaus belegt wie angesprochen Cassius Dio den ituraischen Dynasten Soaimos.135 Der Name ist aber auch in der Dynastie von Emesa gebräuchlich, vielleicht daher hält Kasher diese Dynastie für ituraisch.136 Knauf versteht den Namen Soaimos als arabischen Namen.137 Wright möchte ihn als aramaisch deuten.138 Diese unterschiedliche Identifikation des gleichen Namens als arabisch oder aramaisch, die uns im Folgenden noch bei anderen Namen begegnen wird, zeigt noch einmal die besonderen Schwierigkeiten eines Versuchs einer ‚ethnischen‘ Definition von Personen und Gemeinschaften aufgrund der gewählten Namen. Und die gleiche Unsicherheit besteht auch bei der Frage, ob überlieferte Namen indigene oder griechische / römische Namen sind. So hatte der Dynast Soaimos ja einen Sohn, Varus / Ouarus oder Noarus, der ihm kurzzeitig folgte. Sein Name kann dabei sowohl den lateinischen Namen Varus als auch eine hellenisierte / latinisierte Form eines semitischen Namens meinen.139 Der Name Ouaros kommt im Hauran vor, womit es sich also auch um einen indigenen semitischen Namen handeln könnte.140 Mindestens die Namen der ituraischen Dynasten machen also deutlich, wie schwierig eine ‚ethnische‘ Identifikation der Namensträger ist, auch weil sich die Forschung in der Interpretation des Namensmaterials so uneins ist. Die Herrschaft einer Dynastie lässt sich vielleicht auch an der Beliebtheit der dynastischen Namen auf ihrem Territorium nachzeichnen.141 Genau dies ist aber nicht für alle ituraischen Tetrarchen möglich. Das beginnt schon mit dem Namen Ptolemaios, der eigentlich im gesamten Orient und insbesondere in den

132

Bowersock 2003, S. 346; Aliquot 1999–2003, S. 187. IDélos 2308: „To Heracles and Hauronas, the gods who dwell in Jamnia, Zenodorus, Patron, Diodotus, Jamnitai, on behalf of themselves, their brothers, relatives and the citizens with them, a thank-offering. Everything may be sacrificed except goat.“ Übers. Isaac 1998, S. 12. 134 Jos. Ant.Jud. 15, 6, 5. 135 Cass. Dio 59, 12, 2; Tac. Ann. 12, 23. 136 Kasher 1988, S. 85, F. 120. 137 Knauf 1983, S. 42–43. 138 Wright 2013, S. 58. 139 Aliquot 1999–2003, S. 186. 140 IGLS XIII 9028, 9589, 9810, 9851. 141 Dies gilt vielleicht besonders bei den weiblichen Namen, wo die Namen von Königinnen offenbar gerne in der Bevölkerung übernommen wurden, vgl. Broux / Clarysse 2016. 133

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ehemaligen Herrschaftsgebieten der Ptolemaier verbreitet ist.142 Im Hermon kommt der Name zwei Mal – einmal als Ptolemaios und einmal in der möglichen indigenen Variante Tholemos – vor.143 Sucht man nach dem Namen des Vaters des Tetrarchen Ptolemaios, Mennaios, lässt sich Monimos im Hauran nachweisen.144 Der griechische Name Menneas findet sich einmal im Hermon.145 Lysanias ist in der Onomastik der ituraischen Territorien bislang nicht vertreten, dafür ist aber der Name Zenodoros im Hauran-Gebiet sehr populär.146 Im Hermon kommt der Name Zenodoros bislang nicht vor, aber hier wie auch in den anderen Herrschaftsregionen ist der griechische Namen Theodoros beliebt147 und ebenso semitische Namen wie Zobedanes, Zabdanon, Zabadanos, Zabdas, Zebedos oder Zobedos, die mit Aliquot auf die Wurzel zbd zurückgeführt werden können, was er mit „donner“, also geben / schenken, übersetzt.148 Diese Namen gehören in die gleiche Gruppe theophorer Namen wie Zenodoros, die sich im gesamten Raum großer Beliebtheit erfreuten, wie noch ausgeführt wird. Die Popularität dieser Namen könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass auch der Tetrarch Zenodoros in der Region wesentlich angesehener war, als es die Darstellung bei Josephos vermuten lässt. Überlegungen zu den Namen im ituraischen Herrschaftsgebiet stellt insbesondere Aliquot in der Einleitung zum IGLS-Band über den Hermon an. Hier konstatiert er eine Teilung des Hermon in Gebiete mit vor allem semitischen oder diese transkribierenden griechische Namen und die Stadt Paneion / Banias mit vor allem griechisch-lateinischen Namen. Die in den bergigen Zonen gewählten Namen ließen sich gut in das aus den Nachbarregionen Damaszene und Phoinikien bekannte Namensmaterial eingliedern, insbesondere auch aus Sidon bekannte Namen seien häufig. Dies könne nicht überraschen, da das Stadtterritorium von Sidon in der Kaiserzeit bis Rakhlé gereicht habe. Außerdem ließe sich die 142

Aliquot 2008, S. 122. IGLS XI 20, 21. 144 IGLS XIV 421, IGLS XIII 9802, IGLS XV 119; oder Monemos IGLS XV 477 (?); vielleicht damit verwandt der Name Mokimos IGLS XIV 494, IGLS XIII 2532b; Mokeimos IGLS XV 56, 92, IGLS XV 163a und der beliebtere Name Molemos IGLS XIV 393, 425, 592c, IGLS XIII 9226, 9619, 9901, IGLS XV 344, oder Molimos IGLS XV 314 sowie Monios IGLS XV 457. 145 Hermon: IGLS XI 39. 146 Batanaia und östlicher Golan: IGLS XIV 19, 83, 91, 365, 513; Bosra und Nuqrah: IGLS XIII 9657, 9753, 9768 (?); Trachonitis: IGLS XV 203, 208. 147 Z. B. IGLS XIII 9228, 9229, 9286, 9650, 9807, IGLS XI 13, IGLS XV 200; Diodoros: IGLS XIII 9247. 148 Aliquot in IGLS XI, S. 119. Zabdas IGLS XIII 9531, IGLS XIV 349, 350, IGLS XI 20, 22, 34, Zabdos IGLS XIII 9211, 9225, IGLS XIV 64, 259, IGLS XV 457, Zabdion IGLS XIV 67, 258, 609, Zebdas IGLS XIII 9914, Zebedos IGLS XIV 90, IGLS XI 47, Zebeinas IGLS XIV 316, Zobedanes IGLS XIV 443, Zabdaos IGLS XIV 579, Zabdanos IGLS XIII 9939, Zabdaanes IGLS XI 23, Zobedos IGLS XI 22, Zabdalles IGLS XIII 9260, Zabdai IGLS XIII 9003. 143

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Herrschaft der Herodier über den südlichen Teil der Region durch dynastische Namen wie Agrippa, Berenikianos etc. gut nachvollziehen. Eine Häufung des Gentilnamens Iulius möchte er entweder auf Augustus oder Caligula, oder aber auf die Vermittlung der herodianischen Dynasten zurückführen. Im ländlichen Raum würden dabei die semitischen Namen mit 60 % die Mehrzahl der Namen stellen, in Rakhlé seien es sogar 70 %. Auch bei den semitischen Namen unterstreicht Aliquot die Ähnlichkeit des Materials aus dem Hermon mit den Nachbarregionen Emesene, Libanon, Antilibanon, Damaszene, Golan und vor allem dem Hauran. Insbesondere diese große Nähe zum Hauran in den gewählten Namen ist für ihn ein Indiz einer kulturellen Zusammengehörigkeit der beiden Regionen. Gleichzeitig betont er jedoch auch, dass es einige Namen gäbe, die im Unterschied zu anderen Regionen im Hermon offenbar besonders beliebt waren: Beliabos, Mabbogaios, Neteiros, Okbeos und ihre Varianten. Gerade Beliabos scheint dabei insbesondere im Hermon gewählt worden zu sein, der Name sei ein semitisches Theonym mit aramaisierender Vokalisation und käme auch in seinen griechischen Entsprechungen Diodotos / Diodoros / Diotimos vor. Mabbogaios wird von Aliquot als aramaischer Name, abgeleitet vom Kult in Hierapolis-Bambyke, verstanden, Neteiros sei semitisch; ebenso Okbeos, ein Name der im Hermon und der südlichen Beka-Ebene bezeugt sei.149 In der Beka-Eben zeigen die Inschriften, die mehrheitlich ebenfalls der Kaiserzeit entstammen, eine im Namensmaterial gemischte Bevölkerung. Auch hier findet sich etwa die Namen Ma(m)bogaios150 oder Beliabos151. Insgesamt hält ReyCoquais für die Bevölkerung der Beka-Ebene fest, dass die Onomastik dem Bild der Toponymie entsprechend eine ‚bunte‘ Mischung aus aramaischen, griechischen, hellenisierten, arabischen und durch die römische Eroberung auch lateinischen Namen böte.152 Aliquot möchte insbesondere die profunde Aramaisierung der Onomastik der Region betonen, die sich in den Inschriften der Beka-Ebene wie den sie umgebenden Gebirgszügen zeige und die auch alle anderen semitisch-sprachigen Gemeinschaften, wie etwa auch die phoinikische Küste, betroffen habe.153 So betont auch Rey-Coquais die Dominanz aramaischer Ortsnamen im Gebiet.154 Daher favorisiert Myers einen aramaischen Hintergrund der Ituraier.155 Dies würde gut zu der vorgebrachte Tradition der Itu’u im Gebiet von Libanon und Beka-Ebene passen, die auch für die aramaischen Ortsnamen verantwortlich sein könnten. Für den Hauran konstatiert Sartre eine mehrheitlich semitische Bevölkerung: Wenn man die Namen von Soldaten, Fremden, Funktionären und die christlichen 149

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Aliquot 2008, S. 113–124. Aus Maarra de Sameth: IGLS IV 2731. Aus Hosn Niha im Libanon: IGLS IV 2946. Rey-Coquais 1967, S. 31. Aliquot 1999–2003, S. 185. Rey-Coquais 1967, S. 31. Vgl. Sader / van Ess 1998, S. 258. Myers 2010, S. 139–140.

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Namen abziehe, so zeigten in der Leja nur 32 % der Inschriften griechische Namen, gegenüber 68 % mit indigenen semitischen Namen. In Bosra seien immerhin noch 55 % semitische Namen gegenüber 45 % griechisch-römischen Namen nachweisbar. Hier könnte es zu einem Zuzug von Fremden gekommen sein, die ihre Herkunft in den Inschriften nicht angaben und daher das Bild verzerrten. Für Umm al-Jimal errechnet Sartre 85 % semitische Namen zu 15 % griechisch-römischen Namen. Er denkt daher, dass die gesamte Region von einer mehrheitlich semitischen Bevölkerung mit einem aramaischen und nabataischen Substrat bewohnt gewesen sei.156 Für Dentzer ist die Region durch eine aramaische Bevölkerung geprägt, die einen signifikanten arabischen Anteil gehabt habe.157 Es ergeben sich dabei aber die bereits bei den Namen der Dynasten thematisierten Schwierigkeiten der Interpretation bzw. Zuweisung der Namen als ‚arabisch‘ oder ‚aramaisch‘ bzw. indigen oder griechisch / lateinisch, die nur schwer aufzulösen sind. Die Nutzung des onomastischen Materials der Soldaten der ituraischen Auxiliareinheiten zur Etablierung einer Ethnizität ist noch komplizierter. Als aussagekräftige Quellenzeugnisse können hier eigentlich nur solche Inschriften verwendet werden, in denen sich die Betroffenen selbst als Ituraier bezeichnen. Die Mehrzahl der Namen stammt jedoch von Grabsteinen von Soldaten verschiedener als ituraisch bezeichneter Auxiliareinheiten, die in das 1. Jhd. n. Chr. oder später datieren. Angesichts der seit der Kaiserzeit üblichen Rekrutierungspraxis ist natürlich ungewiss, inwiefern die namentlich bekannten Soldaten oder Offiziere dieser Einheiten alle ‚ethnische‘ Ituraier waren.158 Dies zeigt etwa das Beispiel des Titus Statilius Taurus, der in seiner Offizierskarriere Stationen als Soldat der legio XII primigenia pia fidelis, Tribun der sechsten Thrakerkohorte, Präfekt der ersten Ituraierkohorte und schließlich praefectus fabrum absolvierte.159 Ähnliche Karrieren lassen sich auch an weiteren Inschriften von Offizieren aus Ituraiereinheiten aufzeigen.160 So 156

Sartre 1985, S. 194–202. Dentzer 1985, S. 414–415. In diesem Sinne betont Villeneuve, dass die zahlreichen Inschriftenfunde in Griechisch oder Nabataisch lediglich zeigten, dass dies die offiziellen Verwaltungssprachen waren, diese sagten aber nichts darüber aus, was die Bevölkerung tatsächlich gesprochen habe. In ähnlicher Weise belege die dominante Fülle von nabataischen Münzen im gesamten Hauran die Zugehörigkeit zu einem Wirtschaftsraum, aber auch das sage nichts über die Zusammensetzung der Bevölkerung aus: Villeneuve 1985, S. 74. 158 Vgl. Knauf 1998, S. 275. Zu den ituraischen Kohorten vgl. auch Dabrowa 1986, S. 221–230. 159 CIL XIII 6817. 160 Aus Thamugadi in Numidien den römischen Ritter Marcus Plotius Faustus, Sohn des Marcus, Präfekt der 3. Ituraierkohorte: BCTH-1896–285 = BCTH-1932/33–196; aus der Thebais in Ägypten einen Grabstein für Marcus Porcius Marcellus, Präfekt der berittenen 3. Ituraier-Kohorte: AE 2010, 1747; den des Präfekten der siebten IturaierKohorte Caius Cornelius Ucrpetianus: CIL III 59. 157

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stammten die Offiziere Tiberius Iulius Reitugenus und Lucanus aus einer IturaierEinheit in der Pannonia und waren wohl keine gebürtigen Ituraier.161 In wenigen Fällen gibt es aber offenbar Selbstbezeichnungen. So fand sich in Mainz eine Schreibtafel, auf deren Rückseite der Text Dato Itura(eo) / c(enturia)  Pauli, also „An Datus, den Ituraier, (Soldat) in der Centurie des Paulus“ eingeritzt war. Die Schreibtafel fand man in einer Torfschicht, deren weitere Funde den Komplex auf 5 bis 3 v. Chr. datieren. Der Name Datus ist nach Hessinger insbesondere in Nordafrika bekannt, im Osten bislang jedoch kaum nachweisbar.162 Allerdings fand sich der Name Dados in einer Inschrift aus Inkhil163 sowie einer weiteren aus Nejran164, vielleicht ist Datus dessen latinisierte Variante. Aus der Pannonia superior stammt außerdem ein weiterer Beleg einer Selbstbezeichnung als Ituraier, es ist der Grabstein für den Soldaten Soranus, Sohn des Iamelicus: Soranus / Iamelici f(ilius) / mil(es) c(o)ho(rtis) Aug(ustae) / Ituraioru(m) Ituraiu(s) / ann(orum) L stip(endiorum) XIIX / h(ic)  si(tus) e(st) {|(centurio)} [G]ermanus |(centurio) / [h(eres)] t(itulum) m(emoriae) [p(osuit)]165 Knauf versteht den Namen Iamlicus als arabischen Namen.166 Aus der gleichen Provinz stammt auch ein Militärdiplom, dessen Empfänger als Ituraier bezeichnet wird. Das Diplom wurde ausgestellt ex gregale / Thaemo Horati f(ilio) Ituraeo / et Nal f(ilio) eius et Marco f(ilio) eius et Antonio f(ilio) eius.167 Knauf hält den Namen Thaemus für eine latinisierte Variante des arabischen Namens Taim, der auch bei anderen Soldaten syrischer Einheiten geläufig sei. Im Namen des Vaters möchte er eine latinisierte Variante des arabischen Namens Hurrat sehen. Den Namen des Sohnes Nal hält er aufgrund nabataischer und safaitischer Parallelen ebenso für arabisch.168 Ebenfalls aus Pannonien kennt man den Grabstein des Soldaten Bargathes, domo Ituraeus, der in der 2. Hälfte des 1. Jhd. n. Chr. verstarb.169 Sein Name wird von Knauf für eine latinisierte Variante eines aramaischen Namens gehalten, während er den angegebenen Vatersnamen Regebalus für arabisch

161 CIL

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III 04368: Albanus Balvi f(ilius) / dec(urio) ala Augusta Ituraeo / rum domo Betavs an / nor(um) XLII stipendiorum / XX hic situs est titulum / memoriae posuerunt / Tib(erius) Iulius Reitugenus et / Lucanus dec(uriones) ala(e) Aug(ustae) / Ituraeorum, Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. Hessinger 2010, S. 294–296 mit der Übersetzung. IGLS XIV 465. IGLS XV 366. AE 1993, 1291 aus Solva. Knauf 1983, S. 46. Vgl. zu der Inschrift auch Lõrincz 1993, S. 297–299. CIL XVI 57 verabschiedet am 17.2.110 n. Chr. Vgl. Knauf 1983, S. 42–43. CIL III 4371.

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hält. Der Erbe des Verstorbenen, Bricbelus, trägt nach Knauf einen aramaischen Namen.170 Möglicherweise entstand aus der Gemeinschaftsbezeichnung der Ituraier auch ein Gentilname. So fand sich in der Pannonia Inferior ein P(ublius) Itur(ius) Sa(binus)171 und aus Rom kennt man eine Inschrift mit folgendem Text: Dis Manibus / Ituriae Nice vix(it) a(nnos) XXXI / L(ucius) Iturius Zosimus / patronus libertae / pientissimae idem coniugi.172 Dies passt gut zu dem bereits angesprochenen Befund aus dem Hauran bei Umm al-Jimal und seinen Nachbargemeinden, in denen Ituraios als Personenname in Inschriften erscheint.173 Weitere Personen könnten im Vergleich mit dem bereits genannten Namensmaterial aus dem ituraischen Herrschaftsbereich soweit in Verbindung gebracht werden, dass eine tatsächliche Herkunft aus diesem Gebiet möglich scheint. Dies postuliert Schottroff für die Soldaten Monimus, Sohn des Ierombal174, Caeus, Sohn des Hanel, und sein Bruder Iamlik175, Sibbaeus, Sohn des Eron176 sowie Molaecus, Sohn des Samut177. Diese Namen werden von Schottroff als semitisch bezeichnet.178 Für Knauf sind die Namen aramaisch, einzig Molaecus hält er für arabisch.179 Monimus könnte als lateinische Verschreibung auf denselben Namensstamm wie Mennaios, Gründer der Dynastie von Chalkis, zurückgehen. Sibbaeus könnte als lateinische Verschreibung des im Hermon und Hauran überlieferten semitischen Namens Sobaeus verstanden werden.180 Den Namen Monimos trägt in einer weib-

170

Knauf 1983, S. 42–43. AE 1991, 01328 aus Vetus Salina. 172 CIL VI 35503. Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 173 Said 2006, S. 129–131. 174 CIL XIII 7041: Monimus / Ierombali f(ilius) / mil(es) c(o)hor(tis) I / Ituraeor(um) / ann(orum) L stip(endiorum) XVI / h(ic) s(itus) est, Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 175 CIL XIII 7040: Caeus Han / eli f(ilius) m{h}iles / ex coh(orte)  I Itu / raorum / annorum / L stipendio / rum XIX / h(ic)  s(itus) e(st) / Iamlicus / frater f(ecit), Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 176 CIL XIII 7042: Sibbaeus Eron  / is f(ilius) tubicen ex / cohorte I / Ituraeorum / miles ann(orum) XXIV / stipendiorum VIII h(ic) s(itus) e(st), Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 177 AE 1976, 497b = AE 1978, 562: Molaecus / Samuti f(ilius) / an(norum) L ex co(horte) III / Ituraus / stip(endiorum) XIIII / h(ic) s(itus) e(st), Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 178 Schottroff 1982, S. 125–127 mit Quellenangaben. 179 Knauf 1983, S. 42–45. 180 Aliquot 2008, S. 124 mit Quellen. 171

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lichen Variante die Tochter eines Veteranen in der Pannonia inferior, die Familie könnte ursprünglich aus Syrien stammen: D(is) M(anibus) / Claudiae Monimosae / Monimi q(uondam) Aglavi vet(erani) fil(iae)  quae / vix(it) ann(os) L Aelian(us) Genuilis / vet(eranus) leg(ionis) II Ad(iutricis) coniugi rarissim(a)e181 Monimos ist allerdings im griechisch-sprachigen Raum durchaus als Name vertreten182, die latinisierte Variante Monimus kommt vor allem bei Sklaven / Freigelassenen und Soldaten / Veteranen vor, bei denen bei einigen eine syrische Abstammung nahe liegt bzw. auch angegeben ist.183 So etwa bei Monimus Antoninus und seinem Onkel Damas, natione Syrus.184 Auch der im ituraischen Herrschaftsbereich beliebte Name Beliabos ist für einen Soldaten einer Ituraier-Einheit überliefert: Aus der Mauretania Caesariensis kennt man den Reiter Iulius Gallianus und seine Erben Caius Beliabos und Marcus 181

CIL III 10320. Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. Nennungen in LGPN 1, S. 320; LGPN 2, S. 320; LGPN 3 A, S. 305; LGPN 3B, S. 293; LGPN 4, S. 239; LGPN 5A, S. 321; LGPN 5B, S. 302. 183 Memnon 89 aus Luxor / Ä gypten: Monimus ; CIL VIII 24642a aus Carthago / A frica Proconsularis: Q(uintus) Mevius Monimus; CIL VIII 4717: T(itus) Flavius Monimus; AE 1987, 943 aus Dombay Ovasi / Asia: ul(io) Mar[ei]/no mag(istro) Hem(e)/s(e)norum Iu / lius Monim / us et Iulius Bassus / eq(uites) fratr/ nostro du / lcis(s)imo m(emoriam) p(osuerunt)  / fcimus ti / t(u)lu(m); Frei-Stolba 2017, p 200e aus Chesterholm / Britannia: Monimus; CIL XII 5098 aus Narbonne / Gallia Narbonnensis: Monimus; CIL XIV 2466 aus Marino / Regio I: M(arcus) Iunius Silani l(ibertus) Monimus; CIL IV 1218 aus Pompei / Regio I: Monimus; NSA-1916–302 aus Pompei / Regio I: M(arcus) Epidius Monimus; CIL X 2208 aus Puteoli / Regio I: L(ucius) Calpurnius Monimus; CIL XIII 3010 aus Melun / Lugdunensis: Monimus; CIL VIII 9966 aus Lalla Maghnia / Mauretania Caesariensis: Flavius Monimus Faustus; CIL VIII 9983 aus Lalla Maghnia / Mauretania Caesariensis: Monimus; AE 1957, 62 aus Bled Takourat / Mauretania Tingitana: Niger Monimus Veteranus; CIL III 13720 aus Altimir / Moesia Inferior: Publius Aelius Monimus, Centurio; CIL VIII 6109 aus Ain el Bey / Numidien: Quintus Iulius Quintilianus Monimus; ILAlg-02–03, 9899 aus Ibn Ziad / Numidia: Monimus; CIL VIII 2554 aus Lambaesis / Numidia: C(aius) Iul(ius) Monimus; RAA p 164 aus Terlist / Numidia: Caius Fulvius Monimus und Zabinius; AE 2013, 2143 aus Timgad / Numidia: Titus Flavius Monimus; RIU-05, 1205 aus Dunaujvaros / Pannonia inferior: Aurelius Monimus, Soldaten einer Reitereinheit; AE 1986, 579 aus Szigetmonostor / Pannonia inferior: Aurelius Monimus, Dekurio einer Kohorte; CIL VI 2414 aus Rom: Marcus Petronius Marci libertus Monimus; CIL VI 25783 aus Rom: Caius Sallustius Cai libertus Monimus; CIL VI 35980 aus Rom: Quintus Volusius Monimus; AE 1974, 186 aus Rom: Monimus; AE 1988, 62 aus Rom: Papius Monimus; CIL V 5449 aus Ligurno / Regio XI: Caius Virius Cai libertus Monimus; AE 2002, 562 aus Este / Regio X: Monimus Acutius. 184 CIL XI 198a aus Ravenna. 182

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Intaeius oder Manteus.185 Knauf hält Beliabos für einen aramaischen Namen.186 In einer Untersuchung zur Verbreitung dieses Namens kommt Feissel zu dem Schluss, dass Beliabos insgesamt zwölf Mal epigraphisch belegt ist und diese Belege vor allem aus der Region zwischen Libanon-Gebirge und Damaszene stammen, also aus dem ituraischen Herrschaftsgebiet.187 Ein in einem Militärdiplom aus Ägypten genannter Offizier einer cohors II Ituraeorum equitata, Tiberius Claudius Berenicianus188, trägt zwar einen römische Bürgernamen, aber eine syrische Herkunft scheint zumindest denkbar. Die Verbreitung des Namens Berenikianos im ehemaligen Herrschaftsbereich sowohl der Herodier als auch der Ituraier könnte auch eine ituraische Abstammung des Trägers möglich machen.189 Der Name eines Anfang des 1. Jhd. n. Chr. in Ägypten belegten Mammogaios, Soldat wahrscheinlich in der cohors II Ituraeorum, wird von Knauf als Verschreibung des aramaischen Mabogaios gedeutet.190 Aus der Pannonia Superior sind der Soldat Acrabanis, Sohn des Ababunios, und sein Bruder Hanicus bekannt.191 Diese Namen betrachtet Knauf als arabisch.192 In dieser Provinz wurde auch Albanus, Sohn des Balvus, Dekurio der ala Augusta Ituraeorum, mit der Herkunftsbezeichnung domo Betavos bestattet.193 In der gleichen Einheit diente ein Soldat, Sohn des Anamus(?), und erhielt einen Grabstein von Kollegen mit nur noch zum Teil rekonstruierbaren Namen.194 Knauf hält diesen Namen für arabisch.195 185

Aus Tipasa: BCTH-1954–144 = AE 1955, 131 = RHP 146 mit leicht abweichender Lesung. 186 Knauf 1983, S. 46. 187 Feissel 1983, S. 608. 188 CIL III 14147,2 = AE 1896, 40 = AE 1896, 46. 189 Vgl. Aliquot 2008, S. 118. Ob das auch für den Dekurio der zweiten Ituraierkohorte, Caius Iulius Suavis, Sohn des Quintus, gelten kann, muss offen bleiben: CIL III 14147,7: C(aius) Iulius Suavis / Q(uinti) f(ilius) dec(urio) coh(ortis) II Itur(aeorum) / ann(orum) XXXXII a(mici?) f(ecerunt), Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 190 IGR I 1236; Knauf 1983, S. 46. 191 CIL III 04367: Acrabanis / Ababunis f(ilius) ala / Augusta Ituraior / um an(norum) XLV stip(endiorum) XII h(ic)  s(itus) e(st) / Hanicus frater / heres post, Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 192 Knauf 1983, S. 44–45 193 CIL III 04368: Albanus Balvi f(ilius) / dec(urio) ala Augusta Ituraeo  / rum domo Betavs an / nor(um) XLII stipendiorum / XX hic situs est titulum / memoriae posuerunt / Tib(erius) Iulius Reitugenus et / Lucanus dec(uriones) ala(e) Aug(ustae) / Ituraeorum, Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby. 194 CIL III 11083: ] Ana[mi f(ilius?)] / [eq(ues) alae] Aug(ustae) It[u]r[aeor(um)] / [turm]a Nigri an(norum) / [3 stip(endiorum)] VIIII h(ic) s(itus) e(st) / [3 A]nami f(ilius) et Ana/ [3]idi f(ilius) et Catus Moci f(ilius) / t(itulum) m(emoriae) p(osuerunt), Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby 195 Knauf 1983, S. 44.

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Erkennbar ist außerdem eine auch für den Herrschaftsraum der Ituraier epigraphisch fassbare Beliebtheit des Namens(bestandteils) Iulius / Iulianus. Ob dieser mit Aliquot auf die Herrschaft der herodianischen Dynasten unter Augustus, Caligula, Agrippa I. oder Agrippa II. bezogen werden muss196 oder aber schon auf die Aktivitäten ituraischer Bogenschützen unter Caesar zurückverweist, muss offenbleiben. Aus letzterem würde sich vielleicht die Verbreitung des Vornamen Caius erklären, welche auch als latinisierte Variante von Caeus / Quais ein arabischer Name sein könnte.197 Im weiteren Verlauf der Kaiserzeit kann man dann aber eine weitere Entwicklung in der Rekrutierungspraxis des römischen Heeres an den IturaierEinheiten ablesen, nämlich die fortschreitende Integration Syriens ins Römische Reich. Es erscheinen in den Inschriften, speziell den Militärdiplomen, nun cohortes Ituraeorum civium romanorum.198 Die Abstammung der dort dienenden Soldaten ist kaum noch auszumachen.199

196

Aliquot 2008, S. 113. Vgl. Knauf 1983, S. 45. 198 AE 1984, 529 aus Baelo in der Baetica: [Imp(erator) Caes(ar) divi Hadriani f(ilius) di]vi Traiani [Parthic(i) nepos divi Nervae pron(epos) T(itus) Ae]l(ius) Hadrianu[s Antoninus Aug(ustus) Pius pontif(ex)] max(imus) trib(unicia) [pot(estate) XXIV imp(erator) II co(n) s(ul)] IV [p(ater)] p(atriae)  [equit(ibus) et ped(itibus) qui militaver]unt in [a]l(is) V q(uae)  ap[pellantur I Aug(usta)  Gallor(um) et Gemell(iana)] et Taurian(a)  c(ivium) R(omanorum) [Victr(ix) et III Astur(um) et I Hamior(um) Syror(um) sag(ittariorum) et coh(ortibus) 3] I It[uraeor(um) c(ivium) R(omanorum) et V Dalmat(arum) c(ivium) R(omanorum) et II His]panor(um) et IV Ga[l]l[or(um) et I Astur(um) et Callaec(orum?) et II Syror(um) sag(ittariorum?) et III Astur(um) c(ivium) R(omanorum) et II Hispan] a c(ivium) R(omanorum) et I Lemavo[r(um) et III Gallor(um) Felix e]q(uitata?) et IV T[ungror(um) vexillationis et sunt in Mauretania Ting]itan[a sub Q(uinto) Claudio Feroce Aeronio Montano quinis et vicenis pluribusve] // [stip]end(iis) em[er(itis) dimissis ho] / [nes] t(a) mission(e) q[uor(um) nomin(a) sub] / [s]cript(a)  [su]nt civi[tatem Roman(am) qui e]/ or(um) non haber(ent) d[ed(it) et conub(ium) cum u]/xorib(us) quas tunc [habu]iss[ent cum est] / civit(as) is dat(a) aut cum i(i)s q[uas post(ea) du]/xiss(ent) dumtax(at) singulis a(nte)  [d(iem) 3] / M(arco) Annio Libone Q(uinto) Numis[io Iuniore co(n)s(ulibus)] / coh(ortis) I Ituraeorum cu[i praeest] / Baebi[u]s H[3] / ex pedi[tibus 3] / Ze[non]i(?) G[3]ts [f(ilio); Text aus der Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby; Militärdiplom AE 1960,103 aus Volubilis in der Mauretania Tingitana; Militärdiplom aus der Moesia inferior RMD-05, 409; Militärdiplom unbekannter Herkunft AE 1997, 1767 = AE 2005, 1727 = AE 2007, 1781; Militärdiplom aus der Moesia Inferior AE 2003, 1547; Militärdiplom unbekannter Provenienz AE 2006, 77; Militärdiplom aus Mauretania Tingitana AE 2004, 1891 = AE 2009, 1798; Militärdiplom unbekannter Provenienz mit Nennung der I Aug(usta) Itur(a)eor(um) et I c(ivium) R(omanorum): RMD-05, 446 = AE 2003, 2058. Diese Einheit wird auch in einem Militärdiplom aus der Moesia Superior genannt (AE 2002, 1237). 199 Zu dem Problem des Herausfilterns ethnischer Informationen aus den Soldateninschriften vgl. auch die Diskussion bei Myers 2010, S. 115–121. 197

270

Gemeinschaftsidentitäten 

Für Gatier zeigen die onomastische Untersuchungen, dass die Ituraier möglicherweise doch Araber waren, da sie mehrheitlich arabische Namen verwendet hätten.200 Vielleicht wegen der starken aramaischen Elemente nennt Wenninger die Ituraier „arabisch-phoinikisch“.201 Die hier angestellten Untersuchungen erwecken jedoch eher den Eindruck, dass gleichermaßen arabische wie aramaische Namen verwendet wurden und dies auch bei den Personen, die sich entweder in Inschriften explizit als Ituraier bezeichnen oder aber als solche in den literarischen Quellen benannt werden.202 Eine Heterogenität unterstreicht auch Plinius, der explizit eine sonst nicht bekannte Untergruppe der Ituraier nennt: Ituraeorum gentem et qui ex his Baethaemi vocantur.203 Freyne weist außerdem zurecht darauf hin, dass die vielen semitischen / a rabischen Namen im ituraischen Herrschaftsbereich nicht automatisch bedeuten, dass diese Personen sich auch als ethnische Ituraier verstanden.204 Rechnet man dann noch das chronologische Problem der meist aus der Kaiserzeit stammenden Soldateninschriften mit ein, so muss das Ergebnis ernüchternd ausfallen: Im Bereich des ituraischen Herrschaftsgebietes lassen sich bis in die Kaiserzeit Personen mit arabischen wie aramaischen Namen nachweisen. Eine exklusive Aussage über die Ethnizität der Ituraier erlauben die Inschriften nicht. Allerdings könnte die aufgezeigte Beliebtheit theophorer Namen, die sich in Clustern um Beliabos, Diodoros, Zenodoros, Theodoros sowie die vielen Varianten von Zabdas, Zabdibelos etc. bilden, ein Indiz für eine ‚Kulturgemeinschaft‘ sein, die sich offenbar über aramaisch-arabische Sprachgrenzen hinweg entwickelte. Des Weiteren stellt sich auch die Frage, welche Sprache die Ituraier gesprochen bzw. im offiziellen Kontext genutzt haben. Die Münzen der ituraischen Dynasten ebenso wie die Mehrzahl der in die hellenistische Zeit bzw. die frühe Kaiserzeit datierten Inschriften sind Griechisch. Aber aus Yanouh stammt eine fragmentarische aramaische Inschrift, die heute verloren ist.205 Die Inschrift besteht aus zwei unvollständigen Zeilen und behandelt die Dedikation eines Tempels. Die Schrift ist eine bislang kaum bekannte Form des Aramaischen, die sich aber gut mit einer aramaischen Inschrift aus El Mal vergleichen lässt. Als Datierung wurde das Jahr 203 der Seleukidischer Ära, also 110/9 v. Chr., rekonstruiert. Yanouh im Hinterland von Byblos wäre eigentlich ein Raum, in dem man bei Zugehörigkeit zum Territorium von Byblos Phoinikisch als offizielle Sprache vermuten würde. Dass hier aber Aramaisch genutzt wurde, lässt die Herausgeber vermuten, es könne sich um „another political authority […] not subject to the authority of 200

Gatier 2002, S. 120–121. Wenning 2003, S. 146. 202 Vgl. die sehr detaillierte Diskussion bei Aliquot 1999–2003, S. 182–186. 203 Plin. Nat.Hist. 5, 81; die Bedeutung dieser Untergruppe ist unklar, vgl. Aliquot 1999–2003, S. 181 204 Freyne 2001, S. 192. 205 Briquel-Chatonnet / B ordreuil 2001, S.  148–252. 201

Identität und Ethnizität der Ituraier

271

Byblos“ handeln, vielleicht also um die Ituraier. Myers hält diese Thesen für eine „stimulating suggestion“.206 Kropp datiert die Inschrift auf 102 v. Chr., sie stamme vermutlich von dem hellenistischen Vorläufer des römischen Tempels von Yanouh. Er glaubt ebenfalls, dass die Inschrift auf eine andere kulturelle und vielleicht auch politische Sphäre hinweist als die phoinikische, und das könnten Ituraier gewesen sein. Diese These bekommt Gewicht, weil auf den Münzen des Lysanias eine Serie zwei aramaische Buchstaben zeigt, was bezeuge, dass die Ituraier Aramaisch als offizielle Sprache in ihren Dokumenten nutzten.207 Diese aramaischen Buchstaben könnten für Kindler zu b(r) m(’ny), „Sohn des Mennaios“, aufgelöst werden, womit also zu der griechischen eine aramaische Legende auf die Münzen geschrieben worden wäre.208 Briquel-Chatonnet schreibt folglich: „It also reveals that they were sufficiently settled and politically organized to build and dedicate a temple in this region. They cannot have been the wild population of plunderes that some ancient authors describe“ und müssten schon im frühen zweiten Jahrhundert in der Region etabliert gewesen sein.209 Aus dem ituraischen Herrschaftsgebiet im Huleh-Tal stammt darüber hinaus eine bilinguale aramaisch-griechische Inschrift, in der „der Gott in Dan“ von einem Zoilos geehrt wird. Den griechischen Text übersetzt Aliquot mit „Au dieu qui est à Dana, Zoilos (a adressé) une pière“, den aramaischen Text übersetzt er mit „Ceci est le vœu de Silas, au dieu (qui est) à Dana.“210 Diese Inschrift wird auf die Jahre 200 bis 150 v. Chr. datiert.211 Zoilos wird von Aliquot als hellenisierte Variante eines beliebten aramaischen Namens verstanden.212 Eine dritte aramaische Inschrift, eine Votivinschrift anlässlich des Baues eines Tempels aus El Mal in der Gaulanitis, lässt sich vielleicht ebenfalls mit den Ituraiern in Verbindung bringen, denn sie ist auf 7/6 v. Chr. datiert und bezieht sich möglicherweise auf ein größeres Heiligtum im benachbarten Mashara.213 Doch auch wenn die materielle Kultur dieser Golan-Region Ähnlichkeiten zu der des Libanon und des Hauran aufweise, kann für Aliquot eine sichere Zuweisung zu den Ituraiern nicht erfolgen.214 Darüber hinaus nimmt Myers an, die Region sei am Ende des 1. Jhd. v. Chr. unter nabataischer Kontrolle gewesen, weshalb die Inschrift eher Zeugnis dieses Kulturraumes sei.215 Said weist die Inschrift aber

206

Myers 2010, S. 131. Kropp 2013, S. 279–280. 208 Kindler 1993, S. 288. Vgl. Aliquot 1999–2003, S. 190. 209 Briquel-Chatonnet 2005, S. 9. 210 IGLS XI A/12. 211 Ilan 1997, S. 111. 212 Aliquot 2008, S. 119. 213 Vgl. Barkay / I lan et al. 1974, S. 173, 1821–183. 214 Aliquot 2009b, S. 133–134. 215 Myers 2010, S. 130. 207

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Gemeinschaftsidentitäten 

einem ituraischen Kontext zu.216 Diese – wenigen – Zeugnisse lassen es möglich erscheinen, dass Aramaisch mindestens eine offizielle Sprache im Herrschaftsbereich der Ituraier war. Gleichzeitig muss eine Verwendung von Aramaisch in offiziellen Dokumenten der Ituraier nicht auch etwas über ihre ethnische Identität aussagen. Schon Gzella weist darauf hin, dass „ein breiter Graben Sprache und Ethnizität trennt“217. Natürlich spielte aber die Sprache eine wesentliche Rolle bei der Definition der eigenen Identität zwischen indigenen Traditionen und hellenistisch-römischem Einfluss. Dabei konnte das Aramaische offenbar dank der unter den Achaimeniden erfolgten Standardisierung in der Kanzleisprache eine wichtige Rolle spielen. Gzella betont, dass sich diese Sprache aufgrund ihres großen Prestiges in besonderer Weise auch zur Betonung eigener Identitäten unter der hellenistischen Herrschaft geeignet habe und hier eine eigene Orthographie diese Identität sichtbar gemacht habe.218 Kropp weist darauf hin, dass Aramaisch in lokalen Varianten in Palmyra, Petra und Arabien als offizielle Sprache für Inschriften und Rechtstexte genutzt wurde. Gleichzeitig spielte Aramaisch in Judaia neben Hebraisch eine wichtige Rolle als Alltags- und Amtssprache.219 Nur weil also die Ituraier Aramaisch als Amtssprache genutzt haben mögen, muss auch das keine Aussage über ihr ethnisches Selbstverständnis gewesen sein – eher könnte es eine Aussage über die Legitimationsstrategie ihrer Elite erlaubten, auf die im nächsten Teil zurückgekommen wird. Als einzige sicher zuweisbare Selbstzeugnisse zumindest der ituraischen Dynasten müssen die Münzen der Ituraier gelten. Die Ituraier prägten – wie andere lokale Herrschaftsträger im zerfallenden Seleukidischen Reich – Bronzemünzen.220 Aber auch diese Münzen erlauben kein eindeutiges Bild und sind im Gegenteil Objekte einer Forschungsdebatte. Dies gilt sowohl für die Interpretation der Herrscherporträts, als auch der auf den Münzen abgebildeten Götter. Auf beide Aspekte soll im Zusammenhang mit der Legitimations- und Repräsentationsstrategie der ituraischen Dynasten eingegangen werden. Hier sei nur darauf verwiesen, dass die Porträts der Tetrarchen Lysanias und Zenodoros keine Rückschlüsse auf eine spezifische kulturelle Identität der Ituraier ermöglichen: Nach Kropp habe insbesondere Lysanias, Sohn des Ptolemaios, sich in seinen Porträts an den hyperrealistischen Stil der späten Republik und insbesondere auch die Vorbilder des Marcus Antonius und der Kleopatra angelehnt. Sein Nachfolger Zenodoros dagegen habe sich weniger realistisch darstellen lassen und darüber hinaus erkennbar mehr Wert auf die Gestaltung des Porträts von Octavian gelegt, der auf dem Revers abgebildet wurde.

216

Said 2006, S. 130. Gzella 2010, S. 489. 218 Gzella 2010, S. 496, 502–3. 219 Kropp 2013, S. 20–21. 220 Butcher 2005, S. 212. 217

Identität und Ethnizität der Ituraier

273

Abb. 15: Der Priester Narkisos aus Niha; Bild: Blas de Roblès et al. 2004, S. 174.

Abb. 16: Die Säule von Qartaba; Bild: Blas de Roblès et al. 2004, S. 90.

Einzig seine ungewöhnliche Frisur hebe ihn von in der Region üblichen Bildtypen ab.221 Eine ‚ituraische Identität‘ lässt sich aus den Porträts nicht konstruieren. Schwierig auszuwerten sind auch die bildlichen Darstellungen von Einwohnern der ituraischen Territorien, die darüber hinaus in die Kaiserzeit und damit in die Phase nach der ituraischen Herrschaft über die Region datieren. Aus Niha stammt die Darstellung des Priesters Narkisos, Sohn des Cassius, der eine konische Priesterkappe auf seinem bärtigen Haupt und ein orientalisches Gewand mit Hose trägt.222 Auch zwei andere dargestellte Priester tragen die offenbar regional übliche konische Kappe.223 Auf der Säule aus Qartaba finden sich zwei übereinander angeordnete naiskoi mit jeweils einem Adler mit gespreizten Flügeln 221

Kropp 2013, S. 78–81. Blas de Roblès / Pieri / Yon 1998, S.  172. 223 Gatier 2005b, S. 85. 222

274

Gemeinschaftsidentitäten 

im Architrav. In jedem naiskos sind jeweils die Büsten eines Mannes und einer Frau zu sehen, wobei im unteren die Frau links, im oberen rechts abgebildet ist. Unter den Büsten sind Namen eingemeißelt, oben Abidallathos und Melè, unten Cassia und Germanos jeweils im Akkusativ.224 Dabei wird es sich wohl um die Namen der Dargestellten handeln, wobei Gatier die Inschriften als eine Kombination aus Grab- und Ehreninschrift verstanden wissen möchte. Die Namen versteht Gatier als semitisch: Abidallathos möchte er als arabischen und vielleicht ituraischen Namen verstehen. Germanos sieht er als beliebten Namen, der sowohl eine Variante des lateinischen Namens wie auch die Hellenisierung / Romanisierung eines populären semitischen Namens darstelle. Melè sei vielleicht ein semitischer Name wie er auch in Umm al-Jimal belegbar sei. Cassia könne sowohl ein lateinischer Name sein, als auch die latinisierte Variante eines vor allem im Nabataischen bekannten semitischen Namens. Dass keine Patronyme genannt werden erklärt er u. a. mit der Zugehörigkeit zu einer Familie. Während die Männer Togen tragen und der untere von ihnen vor allem durch seine Kappe als Priester kenntlich wird, tragen die Frauen mittig gescheitelte lockige Haare und darüber gelegte Hauben, die Gatier als lokale Mode und vielleicht ‚aramaisch‘ oder ‚ituraisch‘ bezeichnen möchte. Datieren möchte er die Stele grob zwischen 120 und 160 n. Chr.225 Allerdings scheinen die beiden Frauen unter den Tüchern ähnliche Kappen wie der Priester Narkisos zu tragen und damit vielleicht ebenfalls ihre Rolle als Priesterinnen zu betonen. Statuarische Darstellungen von Personen finden sich dann vor allem im Hauran sowie im Golan. Hier zeigen Grabstelen der Region Batanaia und Golan ebenfalls Darstellungen von Frauen mit mittig gescheitelten, lockigen, nach hinten gelegten Haaren unter Tüchern, teils mit Stirnbändern und Medaillons verziert, teils auch mit kugelförmigen Ohrringen.226 Auch auf einer weiteren Grabstele aus der Hauran-Region sind zwei Frauen und ein Mann abgebildet, wobei der Mann offene kurze Locken trägt, während die beiden Frauen nach hinten gelegte Locken unter einem Tuch haben, sowie jeweils kugelförmige Ohrringe und große Perlenketten tragen. Die untere der beiden Frauen trägt außerdem Zöpfe über die Schulter gelegt, ihre Locken sind weniger symmetrisch als die der oberen Frau angeordnet. Alle drei Personen tragen Ge224

SEG 32, 1480. Gatier 2005b, S. 79–87. Auch aus Machnaqa kennt man Grabstelen, deren Erhaltungszustand macht aber eine Beurteilung der Kleidung der Personen schwierig, vgl. Blas de Roblès / Pieri / Yon 2004, S.  126–127. 226 IGLS XIV 495: Frauendarstellung mit in Locken nach hinten gelegten Haaren unter Tuch mit Troddeln, dazu offenbar Stirnband mit Medaillon (?) sowie Perlenkette, ‚römisches‘ Gewand; IGLS XIV 98: Darstellung einer jungen Frau mit lockig nach hinten gelegten Haaren unter einem Tuch, ‚indigenes‘ Gewand; IGLS XIV 618: Darstellung einer Frau mit eventuell bedeckten Haaren, deren Scheitel mit einem dreieckigen Medaillon o.ä. geschmückt ist, sie trägt kugelförmige Ohrringe. 225

Identität und Ethnizität der Ituraier

275

Abb. 17: Grabstele aus dem Hauran mit charakteristischer Frauentracht? Bild: Sartre-Fauriat / Sartre 2014, S. 614.

wänder mit von den Schultern halbkreisförmig abgeleiteten Falten, wobei bei den Frauen kreisförmige Schließen über den Schultern sichtbar sind, die offenbar auch die rechten Enden der Tücher in einer U-förmigen Falte aufnehmen. Der Mann trägt einen offenen Umhang.227 Zu den Frauendarstellungen gehört auch noch ein Grabrelief aus der Nähe von Suwaida, das die Frau wieder mit nach hinten gelegten lockigen Haaren unter einem Tuch und einer Halskette zeigt.228 Diese Art Kette mit kugelförmigen Perlen zeigt auch die obere Frau auf der Stele von Qartaba. Hierzu passt auch die Darstellung der sog. „Athene von Zebdani“ aus Zebdani, die ebenfalls nach hinten gelegte Locken unter einer langen Kopfbedeckung sowie 227

228

Sartre-Fauriat / Sartre 2014, S.  614. IGLS XIII.2 376.

276

Gemeinschaftsidentitäten 

Abb. 18a und b: Athene von Zebdani; Bild: Gatier 2007, S. 310.

kugelförmige Ohrringe trägt. Bei der Kopfbedeckung ist schwer zu erkennen, ob es sich um einen stilisierten Helm handeln soll oder aber um ein Tuch, welches über dem Mittelscheitel mit einem dreieckigen Medaillonfeld verziert ist, auf dem ein Medusa-Kopf abgebildet ist. Auf dem Kopf trug sie offenbar eine zylindrische Kopfbedeckung, die aber heute stark zerstört ist.229 Außerdem fand sich im Hermon noch eine fragmentarisch erhaltene Stele, auf der die untere Partie einer größeren Gestalt in einem offenbar indigenen Gewand sowie in der rechten unteren Ecke zwei kleine Darstellungen von Männern in indigenen Gewändern und konischen Kappen, also Priestern, zu sehen sind. Die Bekleidung wird hier als indigen verstanden, weil die Männer offenbar vertikal eng in Falten gelegte Gewänder tragen, worüber die beiden Priester Schärpen (?) in groben Falten gelegt haben.230 Parallelen für die offenen lockigen Haare finden sich vielleicht bei den Darstellungen der nabataischen Könige auf den Münzen seit Aretas IV. Diese haben aber Lorbeerkränze auf den offenen Haaren. Die oft ebenfalls abgebildeten Königinnen

229

230

Gatier / Hammoud 2007, S.  310–311. Aliquot 2008, S. 29.

Identität und Ethnizität der Ituraier

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Abb. 19: Monument aus Sfiré, Bild: Yon 2010, S. 3.

tragen die Haare dagegen unter einem Stirnband und Tuch verborgen.231 Auch in Palmyra tragen die Frauen in den Porträts die Haare mit einem Tuch bedeckt, doch sind hier Haare, Tücher und oft vorhandenen Stirnbänder viel kunstvoller gestaltet, sowie ebenso wie die Personen selbst mit aufwendigem und individuellem Schmuck ausgestattet. Laut Raja und Kropp bevorzugten in Palmyra die Männer eher ‚griechische‘ Kleidung, während die Frauen eher ‚orientalische‘ Gewänder trugen, was sich grundsätzlich als Trend im gesamten Nahen Osten zeigen ließe.232 Man könnte daher mit aller Vorsicht in den lockig nach hinten gelegten Haaren unter einem Tuch sowie den kugelförmigen Ohrringen und großen Perlenketten eine in der Kaiserzeit im ehemaligen Herrschaftsraum der Ituraier verbreitete Frauentracht sehen.233 Dagegen möchte Sartre-Fauriat bei ihrer Analyse der Grabstelen des Haurans lediglich die frontale und wenig individuelle Darstellung mit Betonung der Augen und eine gewisse Alterslosigkeit als regionale Spezifika ausmachen. Bei den Frisuren betont sie außerdem den Einfluss römischer Moden des ausgehenden 1. bzw. des 231

Vgl. Schwentzel 2005, S. 153–155. Kropp / R aja 2014, S.  400. 233 Dies gilt insbesondere, da unter Septimius Severus in Heliopolis Münzen mit der Tyche der Stadt auf dem Revers geprägt werden – und diese Tyche trägt ihre Haare in runden Locken unter die Mauerkrone gesteckt, von dieser fällt ein faltenreicher Schleier / Tuch: BMC 1, Bronzemünze des Septimius Severus von 193–211 n. Chr. aus Heliopolis. 232

278

Gemeinschaftsidentitäten 

2. Jhd. n. Chr. Einzig das Tragen eines Colliers bei den Frauen, das aber unterschiedliche Formen haben konnte, scheint für sie bei der Kleidung für die Region typisch.234 Dieser „geometric style“ läßt sich mit Mazzilli im gesamten Hinterland des Nahen Ostens vom Hauran über Palmyra bis Dura-Europos nachweisen.235 Tatsächlich könnte man die Frontalität und die Betonung der Augen bei gleichzeitig weniger intensiver Ausarbeitung der anderen Körperteile gut mit der oben gezeigten Athena von Zebdani verbinden, sowie mit einem weiteren Relief auf Sfiré. Dieses zeigt entweder einen Gott oder aber einen Verstorbenen und wird von Yon ähnlich wie die Athena auf das 2. oder 3. Jhd. n. Chr. datiert.236 Auch im Bereich der materiellen Kultur ist die Bestimmung einer spezifisch ituraischen materiellen Kultur mit der aktuellen Befundlage so gut wie unmöglich. Trotzdem hat etwa Dar die im gesamtem Hermon und seinen Ausläufern sowie dem nördlichen Golan aufgefundene grobe Alltagskeramik „Iturean Ware“ nennen wollen, da sie in seinen Augen „of Iturean provenance“ sei.237 In einer umfangreichen Vergleichsstudie zu den Keramikprodukten in Galilaia nehmen Adan-Bayewitz und Wieder allerdings an, dass die Produktion von Keramik im Golan, die sie „Golan groups“ nennen, erst mit der römischen Herrschaft ab der Mitte des 1. Jhd. v. Chr. begann. Die „Golan groups“ seien damit zeitgenössisch zu den Produkten der Kefar Hananya Keramik. Außerdem seien die Produkte der beiden Produktionsregionen oft von außen so ähnlich, dass eine Unterscheidung mit bloßem Auge schwierig sei, nur eine chemische Analyse des Materials zeige erkennbare Unterschiede.238 Ähnlich spricht sich auch Myers dagegen aus, die Golan Ware als die ituraische Keramik par excellence anzusprechen, zumal bislang keine Funde dieser Keramik in der Beka-Ebene oder dem Hauran gemacht wurden.239 Die Probleme mit dieser Interpretation und die bisherige Unmöglichkeit, eine tatsächlich charakteristische materielle Kultur mit den Ituraiern in Verbindung zu bringen, lassen Paturel festhalten, dass es vermutlich keine distinkte materielle Kultur der Ituraier gegeben habe.240 Damit kann auch auf diesem Weg eine Feststellung der ethnischen und kulturellen Identität bislang nicht erfolgen. Andererseits bestätigt dies aber das bereits bei der onomastischen Analyse gewonnene Bild einer über ‚ethnische‘ Grenzen hinweg operierenden Gemeinschaft, wie sie auch in der möglichen Tracht sichtbar wird, die von Personen mit arabischen wie aramaischen Namen getragen wurde.

234

Sartre-Fauriat 2001, Bd. 2, S. 203–207. Mazzilli 2018, S. 81–83. 236 Yon 2010, S. 345–352. 237 Dar 1988, S. 29–31; diese Diskussion gibt es auch in Arbeiten über den Golan: Vgl. Barkay / Ilan et al. 1974, S. 182. 238 Adan-Bayewitz / Wieder 1992, S. 194, 201–202; vgl. auch Freyne 2001, S. 206. 239 Myers 2010, S. 45–64. 240 Paturel 2014, S. 110. 235

Identität und Ethnizität der Ituraier

279

6.3.2 Eine ituraische Religion? Eng verbunden mit der Frage nach den ethnischen Wurzeln der Ituraier ist auch die nach ihren religiösen Überzeugungen bzw. danach, ob es spezifisch ituraische Kulte oder religiöse Traditionen gab – und ob sich diese als ‚arabisch‘, ‚aramaisch‘ oder anders definieren lassen. Dabei ist zunächst einmal zu fragen, was über die Götter der Ituraier bekannt sein kann. Wichtigstes Quellenzeugnis zumindest für die Dynasten sind dabei die Münzen. Ptolemaios ließ Zeus, Artemis, die Dioskuren, Nike, Hermes sowie Athene abbilden. Auf den Münzen des Lysanias finden sich Nike, eine Frauengestalt mit Schleier / Tuch (Tyche?) sowie Athene Parthenos. Bei Zenodoros sind es Zeus und Nike.241 Für Artemis wurde ja bereits darauf verwiesen, dass diese eine offenbar beliebte Göttin in ptolemaischen Garnisonen darstellte, ihr Erscheinen auf den Münzen des Ptolemaios also auf einen Ursprung seiner Herrschaft in einer Indienstnahme seiner Familie unter den Ptolemaiern verweisen könnte.242 Die Forschung hat die – immer in hellenistischer Ikonographie erscheinenden – Göttinnen und Götter der ituraischen Münzen jedoch bislang vor allem als gräzisierte Versionen indigener Gottheiten interpretiert. In den drei von Ptolemaios bevorzugten Göttern Zeus, Artemis und Hermes möchte Herman eine ituraische Götter-Trias erkennen. Er sammelt die in der Forschung postulierten phoinikischen, babylonischen oder ägyptischen Vorbilder der Verehrung von Göttertriaden aus Hauptgott, Hauptgöttin und jüngerem Gott und versteht dann die drei auf den Münzen des Ptolemaios abgebildeten Götter Zeus, Artemis und Hermes als hellenisierte Formen einer solchen indigenen, ituraischen Triade. Diese sei in römischer Zeit in Form der Triade von Baalbek als Jupiter Heliopolitanus, Venus und Merkur romanisiert worden.243 In einem jüngeren Beitrag zu den ituraischen Münzen hält er fest: „Surprisingly, although the Ituraeans are of Semitic origin, the coins depict only Greco-Roman iconography […].“ Er verweist auch darauf, dass die Legenden der Münzen immer Griechisch sind, sie nach seleukidischer Ära datiert werden und nur eine Serie von 41/40 v. Chr. zwei aramaische Buchstaben aufweist.244 Schwentzel möchte trotzdem einen arabisch-semitischen Ursprung der auf den ituraischen Münzen dargestellten griechischen Götter betonen: den auf den Münzen des Ptolemaios dargestellten Zeus sieht er als hellenisierte Interpretation des lokalen höchsten Gottes, den auf einigen Rückseiten dargestellten Adler mit Kranz im Schnabel als Ausdruck der göttlichen Investitur des Ptolemaios als Hohepriester. Die auf einer zweiten Serie auf dem Revers dargestellten Dioskuren

241

Vgl. den Katalog bei Herman 2006, S. 58–72. Wörrle 2015, S. 302. 243 Herman 2002, S. 87–91. Zu der Triade insbesondere Hajjar 1985. 244 Herman 2006, S. 53. 242

280

Gemeinschaftsidentitäten 

Abb. 20: Münze des Lysanias mit Zeus auf dem Avers und Nike mit Kranz auf dem Revers, Hoover 1455.

Abb. 21: Münze des Lysanias mit Athena auf dem Avers und den Dioskuren auf dem Revers, Lindgren 1232.

versteht er als hellenisierte Interpretation der arabischen Götterzwillinge Azizos und Monimos, wobei Monimos möglicherweise eine Anspielung auf den Namen des Vaters von Ptolemaios, Mennaios / Monimos, sein könnte. Die auf Münzen des Ptolemaios und des Lysanias gezeigte Athene versteht er als hellenisierte Interpretation der Allat.245 Auch Kropp hält die von den Ituraiern gewählten Götterdarstellungen für lokale Götter, bezieht dies aber auf einen lokalen Kult in Heliopolis, den die Ituraier übernommen hätten, um die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung zu erlangen.246 Er betont auch, dass die Münzen der Seleukiden zwar oft Zeus, Athene und Nike zeigten, Artemis, Hermes und die Dioskuren aber nur sehr selten gezeigt würden. Artemis sei nur auf einer Münzserie des Seleukos III. und die reitenden Dioskuren auf einer Serie von Antiochos VI. zu finden. Er hält fest: „The tetrarchs of Chalkis thus introduced new deities and made selective use of existing ones. Their unusual choices must be the result of their own deliberations and thus meaningful as records of religious outlook.“247

245

Schwentzel 2009, S. 66–70. Kropp 2013, S. 233. 247 Kropp 2013, S. 235. 246

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Daher versteht er Athene als hellenisierte Allat. Die Dioskuroi seien im ganzen Nahen Osten beliebte Motive, aber nie in Rüstung, so wie die ituraischen Dynasten sie darstellten. Bewaffnete Götter in Rüstung fänden sich vor allem in Palmyra, aber da seien es nie die Zwillinge, die aber wiederum im Umland von Palmyra häufig unter ihren arabischen Namen Monimos und Azizos, Arsu und ’Azizu, Ma’nu und Sha’ru, oder Abgal und Ashar verehrt würden. Diese arabischen Zwillinge trügen in bildlichen Darstellungen immer die typische Tracht der Nomaden mit gegürteter Tunika, Tuch über der Schulter und bewaffnet mit Speer, kurzem Schwert und kleinem Rundschild. Die Dioskuren von Chalkis stünden also einerseits in dieser Tradition der arabischen Zwillinge, seien aber gleichzeitig besonders, weil sie die ersten Götterdarstellungen in Rüstung überhaupt und die einzigen Zwillinge in Rüstung seien. Diese Rüstung ist für Kropp ein klassisches Darstellungselement der hellenistischen Monarchie, ihre Übernahme für die Götterdarstellungen auf den Münzen zeige eine „self-Hellenization“ der Tetrarchen, die aber gleichzeitig eigene Traditionen wie die Sesshaftwerdung der Gemeinschaft oder die Aufwertung eines Gottes im eigenen Pantheon angezeigt hätte. In diesem Kontext interpretiert er auch die Hermes-Darstellung als Hinweis auf einen Kult für Monimos, als Dioskur und Abendstern, der gleichzeitig den Gründer der ituraischen Dynastie von Chalkis, Mennaios / Monimos, ehre.248 Allerdings sind die ituraischen Dynasten nicht die einzigen, die sich aus diesem Repertoire an Götterdarstellungen bedienten. In seiner großen Studie zu den Zwillings-Göttern der griechisch-römischen und indischen Religionen beschreibt Walker die Vorbilder, aus denen die Dioskuren entstanden seien als junge Männer, die als Reiter und Herdentreiber von den Herden und Raub lebten, bis sie als vollwertige Mitglieder in die Gesellschaft aufgenommen wurden.249 Diese Verbindung der Dioskuren zu jungen Männern, die noch nicht als vollwertige Mitglieder in die Gesellschaft aufgenommen wurden, mag auch die Bedeutung des Kultes der Dioskuren in Sparta erklären, wo sie besondere Verehrung gerade unter den jungen Männern und in deren Erziehungsritualen erfuhren. Die in Sparta vorhandene Beziehung zum militärischen Bereich und insbesondere zur Sieghaftigkeit findet sich dann auch in anderen griechischen Gemeinwesen, so etwa in Athen, wo die Dioskuren als Schutzgötter der Kavallerie fungierten. Ein zweiter wichtiger 248

Kropp 2013, S. 235–240: „It is therefore tempting to suspect that behind the Ituraean Hermes is a cult to Monimos, the Dioskouros, and evening star, which indirectly pays homage to the founder of Chalkis. The choice of Hermes would have been particularly ingenious, as it matched its Heliopolitan equivalent and represented an ancestral god of the Ituraeans, and at the same time is one of the prevailing deities of their tetrarchy and whose cult Ptolemy came to preside over as high priest. […] Hermes may have played a vital part as the interface between local Heliopolitan and Ituraean ancestral cults; the tetrarchs might even have been the ones to introduce Hermes to Heliopolis in the first place.“ 249 Walker 2015, S. 18–25.

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Wirkungsbereich der Dioskuren im griechischen Raum war ihre Rolle als Retter von Schiffsbrüchigen und Schutzpatrone der Seefahrer.250 Aliquot sieht in den bewaffneten Göttern eine „tradition religieuse des princes ituréens“, die noch durch die Darstellung eines Rüstung-tragenden Gottes auf den Münzen von Arka unter Antoninus Pius lebendig geblieben sei. Neben den Dioskuren wird auch Athene auf den Münzen, aber auch in Skulpturen auf dem Territorium, bewaffnet und / oder in Rüstung dargestellt. So etwa die bereits genannte Athene von Zebedani, die einen Schuppenpanzer trägt.251 Aber auch die Abbildung Waffen tragender Götter ist nicht völlig neu. Gerade im nordsyrischanatolischen Raum könnte dies eine Annäherung an die übliche Darstellung der lokalen Wettergottheiten sein.252 Des Weiteren kannte man im Raum südlich des ituraischen Herrschaftsbereiches in hellenistischer Zeit waffentragende Götter, so etwa den Stiergott mit Schwert aus Bethsaida, der möglicherweise ebenfalls den aramaischen Wettergott Hadad darstellte.253 Allerdings versteht Seyrig die Darstellung bewaffneter Götter gerade auch in Palmyra und seinem Einflussbereich entlang des Euphrat als Kultpraxis der arabischen Stammeskrieger, die entlang der Karawanenrouten diese gegen Überfälle schützten oder selbst verfeindete Karawanen ausraubten und die gleiche Wehrhaftigkeit und Abwehrbereitschaft von ihren Göttern erwarteten.254 250 Walker

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2015, S. 126–132, 137–147. Die besondere Verbindung der Dioskuren zur Seefahrt geht auch aus der Verwendung ihrer Kappen als Dekoration für Rammsporne hervor: vgl. Murray 1991, S. 54–56. Ein in Athlit gefundene Rammsporn könnte für den Verfasser von einem ptolemaischen Kriegsschiff aus der Flotte von Zypern stammen. Aliquot 2009, S. 185. Zu diesen vgl. Bunnens 2015, S. 111–116. Hier könnten auch die Castores Dolicheni eine ikonographische Parallele bieten: Will 1947–48, S. 23–36; Merlat 1951, S. 229–49. Skupinska-Løvset 2015, S. 334–335. Seyrig liefert auch lokale Parallelen für bewaffnete Götter: Im südlichen Libanon fanden sich 31 Kupfer-Statuetten, von denen 21 Männer darstellen. Sofern die Objekte, die diese in den Händen halten, noch erhalten sind, handelt es sich offenbar um Lanzen. Sie tragen Bärte, haben freie Oberkörper und tragen einen teils gegürteten Schurz, der bis zu den Knien reicht. Diese Statuetten stammen offenbar aus der mittleren Bronzezeit: Seyrig 1953, S. 24–50. Seyrig 1970b, S. 77–111. Sie in Rüstung darzustellen und bei der Wahl der dargestellten Rüstungen auch zeittypische Entwicklungen der Ausrüstung abzubilden zeigt für Gawlikowski, dass diese bewaffneten Götter „the equipment of the merchant leaders and officers of irregular troops keeping the desert safe for caravans“ übernommen hätten: Gawlikowski 2015, S. 252–253. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch HvidbergHansen in seiner Studie zu Arsu und Azizu. Diese Zwillinge sieht er in Emesa, Edessa und Palmyra im epigraphischen und ikonographischen Material verbreitet und versteht die beiden als semitische Parallelen zu den griechisch-römischen Dioskuren und ihrer Gleichsetzung mit dem Morgen- und Abendstern. Dabei gingen die in den Quellen seit der Kaiserzeit sichtbaren semitischen Zwillingsgötter auf assyrische Vorstellungen zurück, ließen sich aber auch in ugaritischen und aramaischen Traditionen, sowie in

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Dioskuren erscheinen in Nachbargemeinschaften der Ituraier wie Palmyra, Emesa und Edessa unter verschiedenen Namen.255 Entsprechend können auch sowohl aramaische wie arabische Wurzeln für die Dioskuren postuliert werden, die als Morgenstern und Abendstern mit dem Mond verbunden waren. So werden sie in der berühmten Zakkur-Inschrift anstelle des Mondes genannt.256 Diese Assoziation mit dem Mond macht auch eine Verbindung zu Artemis möglich, die ebenfalls mit dem Mond zusammengebracht wird.257 Darüber hinaus könnte sogar überlegt werden, ob nicht bewusst auf altmesopotamische Traditionen zurückgegriffen wurde: Sollte die These von H. I.  MacAdam zutreffen, dass die hellenistische Bezeichnung der Beka-Ebene als Massyas auf topographische Traditionen aus dem Gilgamesch-Zyklus zurückgeht258, dann repräsentierten die Dioskuren vielleicht die beiden Gebirge Libanon und Antilibanon: In einer der Versionen des Kampfes von Gilgamesch gegen das den Eingang in den Zedernwald bewachende Monster Huwawa spaltet dessen Kampfgeschrei das Bergmassiv in Sirion / A ntilibanon und Libanon.259 Wenn man dann die Beka-Ebene mit dem Sonnengott Shamash verbinden möchte, könnten die beiden Gebirgszüge als die die Reise des Shamash begleitenden Morgen- und Abendsterne und ‚Bewacher‘ des Sonnengottes verstanden werden.260 Aber die Dioskuren treten auch in ‚griechischen Kontexten‘ im Umfeld der Ituraier auf. So findet sich etwa auf den Münzen von Ake-Ptolemaïs, das seit Antiochos IV. autonom prägen durfte, Münzen mit der Darstellung von Zeus, manchmal von Zeus und Tyche / Atargatis, den Dioskuren und Apollon.261 Dabei werden die Dioskuren entweder als verbundenes Doppelporträt mit Lorbeerkranz oder mit ihren Kappen dargestellt, manchmal auch mit einem Stern über jedem Kopf.262 Die älteste Darstellung der charakteristischen Kappen mit einem Stern darüber findet sich wohl auf einer Münzserie des Ptolemaios V. Epiphanes (204–181 v. Chr.) aus Zypern, wo sie als Beibilder zu finden sind. Als Reversdarstellung erscheinen sie alttestamentarischen Texten nachweisen. Alle von ihm herangezogenen „Vorbilder“ der palmyrenischen Zwillingsgötter hatten dabei als wichtigste Aufgabe die Fürsorge für Reisende (und damit auch Händler) in der Syrischen Wüste: Hvidberg-Hansen 2007, S. 14–15, 36, 96–97. 255 Hvidberg-Hansen 2007, S. 14–15, 36, 96–97. Zu Emesa vgl. Julian Or. IV, 150. 256 Niehr 2014, S. 169. 257 Vgl. die Verbindung von Artemis und Isis etwa in Ephesos, wo sie als Königinnen des Himmels über Sonne und Mond herrschen, oder die Version des Theokrit mit einer Einheit von Artemis, Selene und Hekate: von Stuckrad 2000, S. 597–598; Petrovic 2007, S. 4 ff. 258 MacAdams 2020, S. 376–77. 259 Fleming / M ilstein 2010, S.  57. 260 Vgl. MacAdams 2020, S. 347; Huxley 1997, S. 192 F 10. 261 Vgl. Thiel 2007, S. 94–95. 262 Kadman 1961, 51; 182–183.

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Abb. 22: Tripolis, Phoinikien, ca. 98/97 v. Chr., Hoover 2010 Nr. 306.

auf Silber- und Bronzemünzen aus Tripolis seit dem 2. Jhd. v. Chr., wo sie eines der beliebtesten Rückseitenmotive der lokal geprägten Münzen darstellen.263 Mit Stern erscheint der pileus auch auf Münzen aus Berytos unter Demetrios I. (162–50 v. Chr.), Antiochos VII. (138–29 v. Chr.) und Antiochos X. (94–83 v. Chr.) sowie im weiteren Verlauf der ersten Hälfte des 1. Jhd. v. Chr.264 Erickson betont sogar, dass das häufige Auftauchen der Zwillingsgötter unter den Seleukiden ihre kontinuierlich große Bedeutung für diese unterstreiche.265 Dies führte dazu, dass die Dioskuren etwa in Baktrien beliebte Motive für die von den dortigen Nachfolgeherrschern geprägten Münzen wurden.266 Darüber hinaus waren die Dioskuren im römischen Kontext auf Münzen weit verbreitet, da sie als Schutzgottheiten des Römischen Reiches auch mit militärischer Funktion wahrgenommen wurden. Bis 46 v. Chr. wurde dieses Motiv geprägt, gerade die letzte Serie verbreite sich auch bis nach Judaia.267 Um also bestimmen zu können, ob die Ituraier eine besondere Beziehung zu den Dioskuren hatten, die über die offenkundige große Bedeutung der Zwillingsgötter in der Region hinaus ging, stellt sich insbesondere die Frage, ob sich die Dioskuren auch jenseits der Münzen im Herrschaftsbereich der Ituraier belegen lassen. Die beiden arabischen Zwillingsgötter Azizos und Monimos lassen sich dabei mit wenigen Belegen im Hauran nachweisen, wohingegen vor allem Azizos und weniger Monimos als Personennamen im Hauran verbreitet sind.268 Auf einem rekonstruierten Relief aus Ire bei Kanatha im Hauran erkennt man die Triade von Baalshamin mit Helios und Selene, die in dieser Kombination häufiger im Hauran verehrt wurden. Zwischen Baalshamin und den anderen beiden Köpfen sind noch 263

Hoover 2010, S. 83–85. 1991, S. 54–56. BMC Phoenicia 53 f., Nr. 11–13 und 16, vgl. Lichtenberger 2009, S. 155; SNG Israel 1:370, Nr. 2792–2795; vgl. Ariel / Fontanille 2012, S. 44. 265 Erickson 2009, S. 86–87. Sie waren aber auch auf ptolemaischen Münzen beliebt, vgl. Müller 2021, S. 86–87. 266 Staňco 2012, S. 110; Mann 2014, S. 237–239. 267 Ariel  / Fontanille 2012, S. 44; zu den Dioskuren auf römischen Münzen vgl. auch Crawford 1974, S. 715. 268 Sartre-Fauriat 2015, S. 305, sie sind auch in der Dekapolis vertreten, vgl. Graf / Weber, s. v. Peraia u. Dekapolis, in: RAC XXVII 132. 264 Murray

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kleine Büsten angebracht, die als Epheben Phosphoros und Hesperos und damit als Äquivalente der Dioskuren interpretiert werden.269 Das sind aber bislang zu wenig Belege, um damit eine besondere Bedeutung der Dioskuren für die ituraischen Territorien postulieren zu können. Die zahlreichen nachweisbaren Kultplätze in den ituraischen Gebieten lassen sich dabei nicht immer konkreten Göttern zuweisen. Viele werden in den meist kaiserzeitlichen Inschriften hellenistisch-römisch interpretiert, wobei sie oft ortsbezogene Eigennamen tragen. Ab dem 2. Jhd. n. Chr. werden viele unter Jupiter Heliopolitanus und seinen beiden Begleitern subsumiert. Dies gilt etwa für das Heiligtum von Niha, in dem ursprünglich wohl eine Triade aus Hadaranis, einer hellenisierten Dea Syria Nihatena und einem weiteren Gott, der später mit Merkur gleichgesetzt wird, verehrt wurden.270 Für Yanouh möchte Gatier die Verehrung einer an Allat angenäherten, mit der heliopolitanischen Venus kompatiblen lokalen Göttin annehmen, die vielleicht mit einem männlichen höchsten Gott (Zeus / Jupiter?) gemeinsam verehrt wurde. Ein solcher höchster Gott, assimiliert mit Zeus / Jupiter wurde möglicherweise auch in Qartaba verehrt.271 In Beit Jallouk im nördlichen Libanon fand sich ein Athene-Heiligtum, der Tempel ist allerdings erst kaiserzeitlich.272 Außerdem kann Aliquot für den Libanon an wenigen Beispielen die Verehrung von verschiedenen Heilgöttern aufzeigen.273 Andere indigene Götter, die meist eine hellenisierte Gestalt erhielten, waren etwa Aphrodite Aphakitis an der Quelle des Afqa oder Zeus Beelgalasos in Qal’at Faqra.274 In Tell Arqa wurde des Weiteren eine Venus Lugens verehrt.275 Aus Yammoune im Libanon kennt man eine weibliche Gottheit, die mit der heliopolitanischen Venus verbunden wird.276 Im Hauran-Gebiet lassen sich hellenistische Heiligtümer nachweisen, in denen lokale Gottheiten verehrt wurden. So etwa in Khirbet Massakeb, dessen Keramikhorizont eine Nutzung seit der zweiten Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. möglich macht, wobei aber wohl von einer Kultkontinuität zumindest im Sinne der verehrten Götter seit der Eisenzeit auszugehen ist. Hier wurde ein Sonnengott als Kosmokrator verehrt.277 Im Hermon scheint der Berg selbst als heiliger Ort angesehen worden zu sein, doch das Heiligtum auf seinem Gipfel in Qasr Antar zeigt keine materiellen Zeugnisse vor der Römerzeit. Die zuweisbaren Heiligtümer verehrten oft Zeus, der als griechische Variante einer lokalen Gottheit oder auch des Hermon selbst verstanden worden sein könnte. Daneben lässt sich die Verehrung 269

Niehr 2003, S. 259; Dentzer-Feydy 1992, S. 81f und Dentzer-Feydy 1997, S. 44. Freyberger 1999, S. 570–571. 271 Gatier 2005b, S. 84, 87. 272 Aliquot 2010, S. 314–15. 273 Aliquot 2009, S. 155–158. 274 Sommer 2004, S. 202–203. 275 Starcky 1971, S. 106–109. 276 Vgl. Williams-Reed 2018, S. 224–229. 277 Kalos 1999, S. 786–788. 270

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für Leukothea und Theandrios im Hermon nachweisen, wie bei Zeus wird auch hier ein lokaler / a rabischer Ursprung dieser Götter vermutet, die sich dann in hellenisiertem Gewand präsentiert hätten.278 Niehr möchte darüber hinaus auch eine Verehrung des Baalshamin als höchsten Himmelsgott durch die Ituraier postulieren. In palmyrenischen bilingualen Inschriften wird Baalshamin als Zeus übersetzt, so dass auch er Ursprung der Zeus-Verehrung im ituraischen Herrschaftsbereich sein könnte. Baalshamin würde dabei in Palmyra immer im zivilen Gewand, in der Palmyrene jedoch in Rüstung dargestellt. Außerdem seien ihm astrale Symbole und der Adler, sowie Globus, Blitzbündel, Ähren und Ölzweige zugeordnet, die seine Funktionen als Himmelsherrscher, Wettergott und Fruchtbarkeitsgott anzeigten.279 Niehr verweist dabei vor allem auf die Zeugnisse für eine Verehrung des Baalshamin aus dem Hauran, die auch jüngst von Mazzilli zusammengetragen wurden. In ihrer Untersuchung der ländlichen Heiligtümer des Hauran betont sie, dass Baalshamin und Allat sowie Zeus und Athene als deren griechische Entsprechungen die häufigsten hier in Inschriften genannten Götter darstellten, gefolgt von der semitischen Gottheit Gad, die mit griechischen Vorstellungen der Tyche verbunden worden sei.280 Damit finden sich durchaus Bezugspunkte zu den auf den Münzen dargestellten Göttern. Neben der offenkundigen Verbindung eines höchsten Himmelsgottes zu den Zeus-Darstellungen auf den Münzen, sind diese Bezugspunkte auch zu Athene und Artemis gegeben. Denn Allat wird in Palmyra sowohl mit Athene als auch mit Artemis gleichgesetzt, in Hierapolis wird Atargatis sowohl mit Athene als auch mit Artemis identifiziert und Allat und Atargatis werden ebenfalls gleichgesetzt.281 Die Nabataier identifizierten Allat ebenfalls mit Athene.282 In Zebedani fand sich die bereits genannte Statue der Athene, die Aliquot als Allat anspricht. Die Göttin ist im ituraischen Herrschaftsbereich durch mehrere Weihungen präsent.283 Auch die unter Lysanias auftretende Frauengestalt auf den Münzen kann in diesen Kontext eingeordnet werden: Einerseits ist ein „veiled female head as an obverse type“ seit Seleukos IV. Philopator an der Münzstätte Ake-Ptolemaïs und vor allem unter Antiochos IV. Epiphanes ein häufig verwendetes Motiv der seleukidischen Münzen.284 278

Aliquot 2009c, S. 81–88: Leukothea wird verehrt in Rakhle (ep. 60 n. Chr.), Segeira (ab Trajan), Tyros (mit Herakles), Kafr Zabad (Beka-Ebene mit Jupiter Heliopolitanus), Inkhil im Hauran (mit ihrem Sohn Melikertes), Tel Jezreel bei Skythopolis und Gerasa in der Dekapolis. Sie ist vielleicht eine griechische Version von Astarte und Atargatis. 279 Niehr 2003, S. 103–163, 219–227. 280 Mazzilli 2018, S. 60–76. 281 Teixidor 1979, S. 53–62; Wright 2005, S. 78. Auch in Gerasa gab es ein großes ArtemisHeiligtum und ein Zeus-Heiligtum, beide sind wohl als hellenisierte Varianten lokaler Götter zu sehen: Kuhnen 1990, S. 187. 282 Dentzer-Feydy / Nehmé 2007, S.  19–20. 283 Aliquot 2009, S. 185–187. 284 Wright 2005, S. 71–72.

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Andererseits scheint diese Tyche ebenfalls gelegentlich mit Atargatis gleichgesetzt worden zu sein.285 Für den Hauran sieht Mazzilli eine Gleichsetzung mit Gad.286 Diese Parallelen lassen erkennen, dass die Münzen der ituraischen Dynasten im Herrschaftsbereich vorhandene religiöse Vorstellungen aufgriffen – aber es ergibt sich für diesen Herrschaftsbereich keine einheitliche Götterwelt etwa im Sinne einer Triade, wie dies für Heliopolis postuliert wird.287 Gerade gegen die Rekonstruktion als Triade der drei heliopolitanischen Götter Jupiter, Venus und Merkur wandte sich jüngst Kropp. Er betont, dass der Heliopolitanische Jupiter in seiner charakteristischen römischen Darstellung vermutlich eine römische Neuschaffung war. Die hier verehrte Venus sei außerdem nicht mit Atargatis zu identifizieren.288 Aliquot dagegen legt dar, dass Jupiter Heliopolitanus, wenn er in Begleitung anderer Götter erscheine, mehrheitlich mit Venus und Merkur auftrete. Insgesamt kenne man 13 gemeinsame Weihungen an diese Götter. Dabei habe die Venus vor allem große Ähnlichkeit mit Atargatis. Dafür sieht er Merkur wie Kropp als Vegetationsgott. Merkur / Hermes habe dabei eine besondere Bedeutung für die ituraischen Territorien gehabt, da Hermes auf den Münzen des Ptolemaios von 63/62 v. Chr. auf dem Avers abgebildet sei und auch Kleopatra auf ihren in Damaskos geprägten Münzen Hermes mit dem Caduceus auf das Revers geprägt habe. Aber Aliquot betont, dass die Etablierung einer Triade aus Jupiter, Venus und Merkur auf die römischen Kolonisten in der Region unter Augustus zurückginge.289 Dass später die lokalen Götter mit dem von den Römern aktiv geförderten und in seiner Bedeutung durch die Monumentalisierung des Tempelkomplexes gesteigerten Kult von Heliopolis assoziiert wurden, ist also vor allem ein Reflex auf diese römische Patronage. Dass es keine kanonische ituraische Triade gab, zeigen dabei die Münzen der Dynasten, denn Lysanias ließ auf seinen Münzen auf dem Avers ein Selbstporträt mit Diadem und auf dem Revers Athene Parthenos mit Nike auf der Hand oder Nike mit Kranz sowie in einer zweiten Serie auf dem Avers eine Tyche, auf dem Revers eine doppelte cornucopia darstellen. Auf den Münzen des Zenodoros fand sich einerseits wieder die Büsten von Zeus mit Lorbeerkranz des Ptolemaios sowie die Nike mit Kranz des Lysanias auf dem Revers, andererseits neue Münzen mit Octavian auf dem Avers und einem Porträt von Zenodoros auf dem Revers.290 Einzig die generischen Götter Athene und Nike werden also von allen dreien auf den Münzen abgebildet, Zeus erscheint bei Ptolemaios und Zenodoros. 285

Wright 2005, S. 82. In Gerasa tragen Münzen aus Hadrianischer Zeit die Inschrift Artemis Tyche Gerasón; Artemis ist auch auf Münzen aus Hadrianischer Zeit und später in Ake-Ptolemaïs, Gaza, Raphia und Neapolis abgebildet: Kampen 2003, S. 212. 286 Mazzilli 2018, S. 73–76. 287 Hajjar 1985. 288 Kropp 2010, S. 248–261. 289 Aliquot 2009, S. 200–216. 290 Herman 2006, S. 64–72.

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Gerade für Zeus kann man dabei nach indigenen Ursprüngen suchen. Aus der einzigen sicher lokalisierten ituraischen Hauptstadt, Abila des Lysanias, kennt man einen großen Tempelkomplex für Zeus und Kronos, der als hellenisierte Variante des aramaischen El gelten kann.291 Dies ist insbesondere in Phoinikien üblich, wo ein hellenisierter El / K ronos etwa in Byblos und Berytos verehrt wurde.292 Auch Diodor setzt El mit Kronos, aber auch mit Helios und Saturn, gleich.293 Auf einem Altar aus Berytos wird er mit Helios in Verbindung gebracht.294 In ituraischen Territorien wird Helios in Abila, in Serghaya und Heliopolis verehrt, in Abila und Heliopolis aber als dem Zeus untergeordneter Gott.295 Das erlaubt eine Verbindung zu dem Saturn-Tempel in Majdal Anjar. Die Vorstellung eines höchsten Himmelsgottes mit solaren Qualitäten lässt sich nach Niehr gut mit aramaischen, achaimenidischen und hellenistischen Traditionen verbinden. Er hält sogar die Ituraier für die Vermittler dieser Tradition von Mesopotamien und Syrien nach Phoinikien.296 Wichtiger ist jedoch, dass er die enge Verbindung dieses Kultes mit dem Herrscherhaus betont, da die höchsten Götter das Universum regierten, so wie die Könige ihre Territorien.297 Auch wenn die These einer seleukidischen Patronage für Zeus zur Integration dieser ‚syrischen‘ Vorstellungen nicht von allen Forschern geteilt wird, wurde Zeus doch auf vielen seleukidischen Münzen dargestellt.298 Damit könnte die indigene Bevölkerung durchaus eine Verbindung zwischen Königtum und höchstem Himmelsgott gesehen haben. Und dies könnte auch für die anderen Götter gelten, die häufig auf seleukidischen Münzen erschienen – also neben Zeus Athene, Apollon und Artemis. Apollon scheint offenbar mit Helios verbunden worden zu sein, was wieder zu der El-Kronos-Helios-Analogie zurückführt.299 Auch Hermes erschien auf spätseleukidischen Münzen, wie auf einer Serie von Münzen aus Damaskos unter Demetrios III. Eukarios.300 291

Gatier 2003, 2002. Aliquot 2009, S. 158–159. 293 Diod. 2, 30, 3–4. Zur Analogie Baal Hammon – El – Kronos – Saturn – Pluto: Theuer 2000, S. 316. Zu Zeus und Helios vgl. Merkelbach 2001, S. 78–79. 294 IGR 3, 1076: Weihung an Kronos Helios. 295 Aliquot 2009, S. 160–164. Dazu gehört auch noch die in Heliopolis nachgewiesene Verehrung von Connaros, einer hellenisierten Form einer aramaischen Variante von El. 296 Niehr 2003, S. 51, 85, 87. Vgl. Aristophanes, Frieden 406–413 zu der Bedeutung von Sonne und Mond für die Perser; Lukian Syr.D. 34 zu Sonne / Helios und Mond / Selene in Syrien. 297 Niehr 2003, S. 35. 298 Zur Instrumentalisierung der Zeus-Darstellungen als Propaganda-Angebot an die indigene Bevölkerung Wright 2005, S. 68–69, 71. Zur Rolle des Zeus für die Seleukiden vgl. Dowden 2013, S. 119, Mastrocinque 2002, S. 368; gegen die Nutzung von Zeus als Integrationsfigur für lokale Götter: Mittag 2006, S. 139–145. 299 Lorber / Iossif 2009, S. 21, 32. 300 SC 2456.2; HGC 9, 1312. Hermes ist neben Zeus auch ein wichtiger Gott im Pantheon von Olba in Kilikien, wo Hermes als Hirtengott verehrt wurde. In Olba sind ebenfalls 292

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Insgesamt scheint ins Auge zu fallen, dass in den ituraischen Herrschaftsbereichen eine Vielzahl von unterschiedlichen Göttern mit teils sehr ähnlichen Kompetenzen verehrt wurden, die aber durch die in den Inschriften erhaltenen Beinamen lokale Bezüge hatten. Damit könnten die von den ituraischen Dynasten gewählten Götter als Integrationsangebot verstanden werden, da sie viele dieser lokalen Vorstellungen aufnehmen konnten. In diesem Zusammenhang sind Überlegungen von Kaizer zur Signifikanz von Münzen bei der Etablierung der religiösen Vorstellungen von Gemeinschaften interessant, denn er betont die Bedeutung von Münzbildern aus Ausdruck der Identität der Gemeinschaft als Ganzes. Dabei weist er jedoch darauf hin, dass die Münzbilder lediglich die ‚offizielle‘ Sicht der Dinge vermittelten und keine vollständige Aussage über die reale Situation ermöglichten, denn „the gods would be presented in  a miscellaneous pastiche: one can easily trace the assimilation process, without grasping its full significance.“301 In diesem Sinne könnten also die Götter, die die ituraischen Dynasten auf ihren Münzen abbildeten, lokale religiöse Vorstellungen spiegeln, aber eine Entscheidung, ob diese z. B. eindeutig eine arabische oder aramaische oder hellenisierte Abstammung der Trägergemeinschaft (oder ihrer Teile) wiedergibt, kann damit nicht getroffen werden. Im Gegenteil lassen die Quellen eher erahnen, dass es eine solche Eindeutigkeit auch gar nicht gegeben hat, sondern verschiedene Gruppen unter der ituraischen Herrschaft zusammenfanden. Dies kann mit einem bereits genannten Beispiel belegt werden, der Inschrift für Agrippa II. und Berenike aus Qal’at Faqra mit der Weihung an die Atargatis der Araber, Atargateis Arabón. Diese Inschrift belegt für Rey-Coquais die Präsenz einer arabischen Bevölkerung am Ort, die die lokal bereits verehrte aramaische Göttin Atargatis übernommen hätten und bei denen es sich um Ituraier gehandelt hätte.302 Dem folgt auch Kropp, der den aramaischen Namen der Atargatis und ihre Verbreitung als typische syrische Göttin, als Dea Syria, betont. In der Atargateis Arabón sei ein Kompromiss zwischen zwei distinkten ethnischen Gruppen zu sehen, die damit eine „composite deity“ schufen.303 Wenn es sich hier nicht lediglich um eine einfache Umschreibung von Allat als „arabische Atargatis“ handelte304, dann muss dies als Indiz für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen gewertet werden, die gemeinsam im ituraischen Herrschaftsraum siedelten und damit auch gemeinsam dessen ‚Staatsvolk‘ bildeten. Bezeichnete dann eine arabische Gruppe die lokale Göttin als (aramaische) Atargatis mit dem Beinamen „der Araber“, könnte dies einerseits auf den schon angesprochenen Herakles und die Dioskuren sehr beliebt, was u. a. mit der dort wichtigen Viehzucht in Verbindung gebracht wird: Vgl. Durukan 2001, S. 327–329. 301 Kaizer 2006, S. 45. 302 Rey-Coquais 1999, S. 638–640, 646–648. 303 Kropp 2013, S. 336. 304 Allat wird bei den Nabataiern durch Atargatis ‚ersetzt‘: Kampen 2003, S. 215.

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Trend in der Region zu lokalen Beinamen von Göttern hinweisen, andererseits aber auch darauf, dass die Mehrheitsgesellschaft aramaisch war. Die „arabische Atargatis“ war dann aber keine „composite deity“. Denn die bereits aufgeführten Beispiele zur Gleichsetzung der arabischen wie aramaischen Götter und ihrer hellenistischen Entsprechungen machen doch deutlich, dass man in der Lage und bereit war, solche Synkretismen zu erkennen, ohne die spezifische lokale Identität eines bestimmten Gottes / einer bestimmten Göttin aufzugeben. So weist die Inschrift auf die Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in den Herrschaftsraum der Ituraier. Die These eines Integrationsangebotes durch die Darstellung von Göttern, die von verschiedenen Gruppen im Herrschaftsbereich verehrt wurden, wurde dabei insbesondere schon für die Münzen der (späteren) Seleukiden vertreten. In Bezug auf die Verwendung des Zeus wurde dies ja schon angesprochen. Wright konstatiert für die Verwendung verschiedener Zeus-Varianten, dass dieser Kult viele hellenistische Bildelemente aufnahm, die die Akzeptanz orientalischer Vorstellungen in der griechisch-makedonischen Welt erleichterten. Dabei hätte der Universalismus der indigenen Religionen eine Einheit des eigentlich heterogenen Seleukidenreiches propagieren können, während der Herrscherkult dem König neue Möglichkeiten der Einflussnahme auf die lokalen Bevölkerungen gab. Die seleukidischen Könige nutzten für Wright ihre Münzen auch, um sich in die lokalen Kulte einzuschreiben und damit die göttliche Legitimation ihrer Herrschaft zu unterstreichen.305 In diesem Sinne könnte man auch den ituraischen Dynasten unterstellen, dass sie mit der Wahl ihrer auf den Münzen abgebildeten Götter, die einerseits hellenistischen Bildgewohnheiten entsprachen, andererseits aber auch lokale Vorstellungen aufnahmen, ebenfalls eine vor allem politische Agenda verfolgten, die ihre Herrschaft für ein heterogenes ‚Staatsvolk‘ attraktiv machen sollte.306 Darauf soll zurückgekommen werden. Da das Bild der verehrten Götter so heterogen ist, werden andere Aspekte in der Literatur als Hinweise auf eine ituraische religiöse Identität gewertet: So sieht Freyne in dem „local conservatism“ in den Heiligtümern innerhalb des ehemaligen ituraischen Herrschaftsbereichs bis weit in die Kaiserzeit ein mögliches Zeugnis einer ituraischen Religion, konkret z. B. im Altarrelief von Helios aus dem Heiligtum von Har Senaim im Hermon. Freyne denkt, dass die ‚primitiveren‘ Heiligtümer des Hermons als „high places“ mit nicht ganz so aufwendig gestalteter griechisch-römischer Architektur Zeichen einer ituraischen Nutzung seien.307 Dies könnte aber auch für Anlagen wie Qalaat ed-Diwan im östlichen Antilibanon, 305

Wright 2005, S. 82. Ähnlich auch bei Aliquot 2009, S. 183–185. 307 Freyne 2001, S. 192–194, 206–207. Wright 2012, S. 130 weist auf das Mausoleum im unteren Teil des Heiligtums hin, an welchem er sich eine Kultstätte für einen „ancestral cult“ vorstellen könnte. 306

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sowie im östlichen Hermon die „sanctuaire rupestre“ in Kafr Hawar, den Temple West in Arné und Qasr Antar gelten.308 Auch Myers betont vor allem die bei vielen der Tempel zu findende Lage auf Anhöhen / Bergkuppen und in „harsh, rugged and forbidding landscapes“, wobei einige der Tempel direkt die Felsen der Bergkuppen als Rückwände o.ä. in ihre Architektur einbeziehen (wie die zuvor genannten Beispiele). Die Architektur möchte sie dabei ebenso wie die verehrten Götter als Ausdruck einer sowohl mit alten nahöstlichen als auch hellenistisch-römischen Traditionen verbundenen lokalen Kultur sehen, an der die Ituraier einen schwer zu bestimmenden Anteil gehabt hätten.309 Es scheint entsprechend offensichtlich, dass die ituraischen Herrscher es sehr gut verstanden, eine eigene Identität in hellenistischen Formen zu kommunizieren und dabei lokale indigene Traditionen mit hellenistischen Darstellungskonventionen zu verbinden. Ein spezifischer ituraischer Pantheon oder sogar eine ituraische Triade können dabei nicht rekonstruiert werden, ebenso wie Aussagen zur ‚ethnischen‘ Zugehörigkeit der Ituraier anhand der verehrten Götter nicht möglich sind. Damit bestätigt sich die grundsätzliche Kritik von Macdonald an dem Ansatz, in polytheistischen Gesellschaften aus den verehrten Göttern überhaupt Informationen über ‚ethnische‘ Hintergründe herauslesen zu wollen.310

6.4 Identität und Ethnizität der Emesener Die literarischen Quellenzeugnisse zu den Emesenern zeigen, dass diese von den antiken Autoren für Araber gehalten wurden.311 So spricht Cicero davon, dass Iamblichos ein phylarchus Arabum gewesen sei.312 Auch die bereits zitierte Strabon-Stelle, wiewohl sie Samsigeramos und Iamblichos nicht direkt als Araber bezeichnet, legt eine Zugehörigkeit zu den Arabern nahe: 308

Aliquot 2009, S. 329–332, 357–359, 362–363. Myers 2010, S. 92–101. Dass außerdem auch grundsätzliche orientalische Einflüsse in den Kulten der Ituraier aufgenommen wurden, zeigt etwa die Verwendung von Zweigbündeln in religiösen Opferhandlungen. Diese wurden im gesamten orientalischen und arsakidischen Raum zum Sprenkeln bei religiösen Handlungen verwendet und sind etwa in der Hand des Priesters Narkisos in Niha zu sehen: Krumeich 1998, S. 176–187. Sie finden sich auch auf einem Altar aus Brahlia, der neben einem Apis-Stier sowie der Tyche von Abila im Lorbeerkranz über dem Flussgott Barada so ein Zweigbündel zeigt: Aliquot 2009, S. 179 Und schließlich finden sich diese Zweigbündel vielleicht auch auf Münzen aus Heliopolis unter Septimius Severus, auf denen in der Interpretation von Kropp zwei Männer möglicherweise solche Bündel über den Schultern tragen und mit der rechten Hand jeweils ein Tier füttern: Kropp 2010, S. 248. 310 Macdonald 2003, S. 307. 311 Jos. Ant. Jud 13, 5, 1 und 6,1; 1 Makk. 11, 39 und 54; Diod. 2, 7. 312 Cic. Fam. 15, 1, 2. 309

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Ὅμορος δ᾿ ἐστὶ τῇ Ἀπαμέων πρὸς ἕω μὲν ἡ τῶν φυλάρχων Ἀράβων καλουμένη Παραποταμία καὶ ἡ Χαλκιδικὴ ἀπὸ τοῦ Μασσύου καθήκουσα καὶ πᾶσα ἡ πρὸς νότον τοῖς Ἀπαμεῦσιν, ἀνδρῶν Σκηνιτῶν τὸ πλέον· παραπλήσιοι δ᾿ εἰσὶ τοῖς ἐν τῇ Μεσοποταμίᾳ νομάσιν· ἀεὶ δ᾿ οἱ πλησιαίτεροι τοῖς Σύροις ἡμερώτεροι καὶ ἧττον Ἄραβες καὶ Σκηνῖται, ἡγεμονίας ἔχοντες συντεταγμένας μᾶλλον, καθάπερ ἡ Σαμψικεράμου Ἀρέθουσα καὶ ἡ Γαμβάρου καὶ ἡ Θέμελλα καὶ ἄλλων τοιούτων.

„[…] dann das ganze den Apamaiern südlich gelegene und größtenteils Zeltbewohnern gehörende Land. Diese gleichen den Wanderhirten in Mesopotamien; immer aber sind die den Syrern näher wohnenden gesitteter und weniger Araber und Zeltbewohner, weil sie besser geordnete Verfassungen haben, wie Arethusa des Samsigeramos und die Gebiete des Gambaros und Themella und andere dergleichen.“313

Auch Cassius Dio bezeichnet die Emesener als Araber, wenn er berichtet, Augustus habe dem Iamblichos, Sohn des Iamblichos, die Herrschaft seiner Vorfahren über die Araber gegeben.314 Butcher interpretiert diese Quellen als Beleg für eine tribale, vielleicht vor allem nomadische Gemeinschaftsorganisation mit einer Art Stammeshauptstadt im Orontes-Tal.315 Es ist allerdings unklar, ob diese Gemeinschaft Trägerin des Namens der Emesener war, der dann auf die Stadt Emesa als neuem Hauptort überging, oder ob dieser Name von einer z. B. griechischen Kolonistengruppe ausgewählt wurde, die am Ort eine seleukidische Kolonie bevölkerte. Scharrer, der diese Frage eingehender diskutiert, favorisiert eine seleukidische Gründung von Emesa, bei der ein großer Teil der Einwohner Indigene waren. Allerdings war in spätseleukidischer Zeit Hauptsitz der Dynastie zunächst Arethusa, womit der Phylarch der Emesener ein großes Territorium kontrolliert hätte. Doch auch wenn in der Forschung postuliert würde, dass Emesa die Kontrolle über Nomadenstämme in der Wüste hatte bzw. Zentrum einer dimorphen Gesellschaft sei, gibt es dafür nach Scharrer keine sicheren Quellenanhaltspunkte.316 Weitere Aussagen über Ethnizität und kulturelle Identität lassen sich vielleicht aus onomastischen Untersuchungen gewinnen, obwohl dafür die gleichen Vorbehalte gelten müssen, die schon im Kapitel zu den Namen der Ituraier deutlich gemacht wurden. Hier haben Nitta und Abdulkarim das Namensmaterial der emesenischen Inschriften ausgewertet, die allerdings mehrheitlich aus dem 2. Jhd. 313

Strab. 16, 2, 10–11. Übersetzung von Radt. Cass.Dio 54, 9, 1–3. 315 Butcher 2003, S. 91–92. Dieser Vorstellung folgt auch Newson: „An interesting aspect of this kingdom is that the few Graeco-Roman literary references to it suggest a region dominated by a people whose cultural milieu at least prior to the Roman absorption, was based primarily on a non-sedentary lifestyle.“ (Newson 2015b, S. 270). 316 Scharrer 2010, S. 299–301. 314

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n. Chr. stammen. Nitta listet dabei für Emesa 173 semitische Namen auf, die vor allem auf griechischen Inschriften erscheinen, während es nur sehr wenige lateinische Inschriften gibt. Die Namen sind in seinen Augen sowohl in der Stadt als auch in den Dörfern im Umland vor allem semitisch, aramaisiert und arabisch. Er hält etwa den Namen Samsigeramos für Arabisch, ebenso wie weitere theophore Namen in Emesa. Trotzdem würden aramaische Namen das Bild dominieren, auch eine Reihe der griechisch-römischen Namen wären als ‚Übersetzungen‘ indigener Namen zu erkennen. So könnten etwa Athenodoros, Apollodoros, Diodotos, Diodoros, Heliodoros, Theodotos, Theodoros griechische wie gräzisierte semitische Namen sein. Im Gegensatz zur Küste war für Nitta daher das Binnenland Syriens und auch das Gebiet von Emesa nur schwach hellenisiert. In römischer Zeit sehe man daher vor allem aramaisches und nord-arabisches Erbe im Namensmaterial.317 Abdulkarim konnte aus den Inschriften des IGLS-Bandes zu Emesa 201 Namen herauslesen, von denen in seinen Augen 66 semitischen Ursprungs waren, 44 datiert und davon 38 aus der römischen Epoche stammten. Viele Namen aus Emesa seien dabei auch aus anderen Regionen in Syrien bekannt. Die offenbar wichtigsten Namen für Emesa waren Azizos, Iamblichos, Iotape, Malchos, Monimos, Salimos, Samsigeramos, Soaimos. So komme z. B. Samsigeramos mehrfach in Inschriften zwischen 79 und 137 n. Chr. vor, Monimos komme drei Mal zwischen 128 und 190 n. Chr. vor. Auch Abdulkarim betont das häufige Auftreten theophorer Namen. Er fragt auch nach der Herkunft der semitischen Bevölkerung Emesas und gliedert die 65 semitischen Namen, die er in den Inschriften gefunden hat, in drei Gruppen: ‚typisch‘ arabische Namen (wie Abdsamos, Ausallas, Seidos, Soaimos, Monimos, Nameros), dann ‚typisch‘ aramaische Namen (wie Barathnonna, Bennathalos, Bariocha, Bathasia, Barsamsos, Barnaios, Basoumos, Marion, Malchos, Maranas) und dann Namen, die sowohl arabisch wie aramaisch seien (wie Azizos, Abbosos, Alaphos, Samsigeramos). Zahlenmäßig scheinen bei den semitischen Personennamen die aramaischen Namen zu überwiegen und zwar sowohl in der Stadt als auch im Umland. Für dieses Umland möchte er aber eine spezifische Verteilung der Namen ausmachen: So gäbe es im Norden und Nordwesten des Territoriums aramaische und griechisch-römische, aber keine arabischen Namen, während im Osten und Süden aramaische, arabische und griechisch-römische Namen zu finden seien. Neben den semitischen Personennamen fanden sich auch eine Reihe ‚fremder‘, vor allem persischer Namen (etwa Agamazos, Amasousas, Ariobarzanes, Arzaban Duplicarius, Cyr, mehrfach Kyros und Tigranes). Insgesamt würde die Mehrzahl der Inschriften in Stadt und Umland jedoch Personen mit griechischrömischen Namen, die teils etwa von Herrschern inspiriert (Alexander, Seleukos) oder aus indigenen Namen übersetzt (etwa Diodora, Theodoros, Theodotos) waren, nennen.318 Gerade das Phänomen der ‚übersetzten‘ Namen und deren Dominanz 317

318

Nitta 1989, S. 298–302. Abdulkarim 1997, S. 145–153.

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in den Inschriften aus dem 2. Jhd. n. Chr. lassen vermuten, dass das Aufstellen einer Inschrift eine erst durch die Zugehörigkeit zum Römischen Reich verbreitete Praxis war, die auch als etwas römisches verstanden wurde, selbst wenn man die Texte auf Griechisch verfasste. In jüngster Zeit hat Boadaracco die onomastischen Überlegungen zu Emesa zusammengefasst. Er hält fest, dass die mehrheitlich aus der Kaiserzeit stammenden Inschriften vor allem aramaische sowie arabische Namen zeigten, die insbesondere in der Herrscherdynastie verbreitet waren (wie Samsigeramos, Azizos, Sohaimos, Soamis). Auch er versteht die Namen als Zeugnis einer starken Bedeutung der eigenen lokalen Traditionen v. a. auch in der Religion in der Region.319 Der heterogene Befund, zusammen mit der Tatsache, dass etwa der Name Samsigeramos sowohl als arabisch als auch aramaisch interpretiert werden kann, mahnt zur Vorsicht. Dies gilt auch für das Namensmaterial der verschiedenen vor allem epigraphisch bezeugten emesenischen Hilfstruppeneinheiten, bei denen außerdem die schon für die ituraischen Soldaten im römischen Dienst diskutierte Problematik der tatsächlichen Herkunft besteht. Belegt ist etwa eine cohors I miliaria Hemesenorum sagittariorum equitata in der Pannonia inferior vom 2. Jhd. n. Chr. bis Mitte 3. Jhd. n. Chr.320. Außerdem kennt man ein numerus Hemesenorum aus der Zeit Caracallas in El-Kantara in Africa Proconsularis, was aus berittenen Bogenschützen bestand. Aus einem Papyrus in Ägypten ist ebenfalls ein numerus Hemesenorum bekannt, auch in Koptos stand wohl eine emesenische Einheit. Außerdem gab es eine spätantike Einheit von Emesenern bei Apameia in Phrygien. Hier stellten Iulius Monimus und Iulius Bassus als equites für ihren Bruder Iulius Mareinos Ende des 3./Anfang des 4. Jhd. n. Chr. einen Grabstein auf.321 Die hier erfahrbaren Namen bestätigen das bereits gewonnene Bild einer mehrheitlich semitischen Bevölkerung. Insgesamt muss man daher festhalten, dass die Zuschreibung einer arabischen Abstammung der Emesener in den literarischen Quellen eine Homogenität der Gemeinschaft vorspiegelt, die in der Realität des Herrschaftsbereiches sicher nicht vorhanden war. Vielmehr scheint die beherrschte Bevölkerung mehrheitlich aus aramaischen und dann arabischen sowie vermutlich auch griechischen Gruppen bestanden zu haben, die unter einer gemeinsamen Führung stand. Grundlage deren Führungsanspruchs scheint dabei die Kontrolle einer Gruppe mit Namen Emesenoi gewesen zu sein – diese müssen nicht zwangsläufig Nomaden gewesen sein, wie die Überlegungen zu den Anfängen der Gemeinschaft und ihrer Herrschaftsorganisationgezeigt haben. Ebenfalls diskutiert wird in der Forschung eine Verwandtschaft der Emesener mit den Ituraiern. Diese Verwandtschaft wird aus der Tatsache abgelesen, dass

319

Boadaracco 2017, S. 17–19. Z. B. AE 2008, 1119; AE 1971, 334. 321 AE 1987, 943. Zu den Einheiten vgl. Scharf 1997, S. 343–346. 320

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sowohl Emesener wie ituraische Dynasten den Namen Soaimos tragen.322 Die These erhält ebenfalls Nahrung durch die spätantike Vita des Isidoros, die ihr Autor der Kaiserin Theodora widmete. Diese wird dabei als Tochter des Diogenes, Sohn des Eusebios, Sohn des Flavios, der von Samsigeramos und Monimos abstamme, von denen auch Iamblichos abstamme, bezeichnet.323 Damit wird Theodora vielleicht als Nachfahrin der Dynasten der Emesener durch Samsigeramos und der Ituraier durch Monimos beschrieben und auch der Philosoph Iamblichos von Chalkis als Nachfahre der ituraischen Dynasten bezeichnet. Dies könnte auch als Beleg für eine Eheverbindung zwischen beiden Dynastien gesehen werden. Die tatsächlichen historischen Hintergründe dieser Behauptung bleiben im Dunkeln, aber es zeigt sich die langfristige Bedeutung der lokalen Dynastien auch nach dem Ende ihrer Eigenherrschaft  – und betont damit gleichzeitig deren positiv verstandene Rolle in der Region. Eine mögliche Verwandtschaft der Emesener und der Ituraier ließe sich auch aus den in beiden Gemeinschaften verehrten Göttern herleiten. In jüngster Zeit sieht Boadaracco die Religion der Emesener als Mischung aus lokalen aramaischen Göttern und arabischen Göttern, die mit Samsigeramos und ‚seinen Arabern‘ in die Region gelangt wären. Außerdem hätte Emesa aufgrund seiner strategischen Position im Karawanenhandel vielfältige Einflüsse von außen aufgenommen.324 Die in der älteren Forschung entwickelte These, die Emesener hätten eine Triade aus El / Shams / Sol / Elagabal, Allat / Athene / Minverva und Simia / Venus Genetrix verehrt, wurde in jüngerer Zeit abgelehnt.325 Als Gegenargument wird dabei insbesondere angeführt, dass die Inschriften nicht durchgängig drei gleiche Götter als feste Triade angeben und auch die literarischen Quellen dies nicht nahe legten, obwohl etwa Heliodor als Priester in Emesa so etwas hätte erwähnen müssen.326 Unklar ist auch, wer überhaupt der wichtigste Gott Emesas war, da der bekannte Kult für Elagabal erst in der späteren Kaiserzeit nachweisbar ist. Dass ein Sonnenkult eine wichtige Rolle spielte, ergibt sich für Chad insbesondere aus den Schmuckfunden der Nekropole von Tell Abou Saboun, in der einige Objekte mit dem Sonnenkult verbunden werden könnten.327 Des Weiteren fand sich bei einer Sondage auf dem Tell Homs ein Altar für Elagabal328, der wohl aus einer älteren Tradition der Verehrung eines Betyls entstand. Sein Name ‚Gott Berg‘ ist für Lipínski arabisch und nicht aramaisch. Er könnte sich auf die Felsenerhebung im

322

Kasher 1988, S. 85, F. 120. Zitiert in Photius cod. 181,1 25b32. Übersetzung in Aliquot 2010, S. 307. 324 Boadaracco 2017, S. 39–40. 325 Zur Triade: Chad 1972, S. 132–133, 145; Frey 1989, S. 50–54. 326 Lipiński 2011, S. 1096–97. 327 Chad 1972, S. 56–58. 328 Moussli 1984, S. 9. Inschrift publiziert bei Moussli 1983, S. 254–261 Nr. 2. 323

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Stadtgebiet von Homs beziehen und daher sollte in seinen Augen auch hier der Tempel für diesen Gott gesucht werden.329 Für die Lokalisierung des Haupttempels werden aber verschiedene Standorte diskutiert: unter der Moschee al-Nouri, weil sich in diesem Gebäude Reste eines antiken Gebäudes / Tempels erhalten haben; unter der großen Moschee von Homs (Djami Ibn Lublada), weil man darunter römische Substruktionen gefunden hat; oder auf dem Tell, weil man dort den angesprochenen Altar für Elagabal gefunden hat.330 Aber ohne umfangreiche neue Grabungen wird diese Frage nicht zu lösen sein. Dies gilt auch, obwohl Münzbilder des 2. Jhd. n. Chr. den Tempel zeigen und eine literarische Beschreibung durch Herodian vorliegt.331 Die These von Ball, in dem großen Heiligtum von Heliopolis das Elagabal-Heiligtum der Emesener zu sehen, die jüngst von González García unterstützt wurde, muss aufgrund der territorialen Zugehörigkeiten von Heliopolis / Baalbek zum Herrschaftsbereich der Ituraier aber abgelehnt werden.332 Für Kropp könnte ein ursprünglicher Sonnenkult der Gemeinschaft der Emesener, den er durch den Namen Samsigeramos von Shams / Shamash = Sonne bestätigt sieht, mit nach Emesa gebracht worden sein und dann mit einem dortigen Bergkult zu der Verehrung des solaren Elagabal verschmolzen sein. Dies könnte für ihn Ausdruck des Zusammenwachsens unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in einer neuen politischen Einheit sein.333 Den Sonnenkult im Namen der Dynasten kann man dabei nicht nur bei Samsigeramos und Shams vermuten, sondern nach Schwinghammer ließe sich auch Samsigeramos mit ‚der Sonnengott hat entschieden‘, Soaimos mit ‚schwarzem / wertvollem Stein‘ und Iamblichos mit ‚das Gesetz Gottes‘ übersetzen, womit alle drei Herrschernamen Hinweise auf den Sonnen / Steinkult in Emesa lieferten.334 El ist für Chad bei arabischen Stämmen mit Sonne, Mond und Venus verbunden, die die Karawanen durch die Wüste leiteten. Die theophoren Namen sind dabei für Chad

329

Lipiński 2011, S. 1085–1086. Abdulkarim 1997, S. 84–85. 331 Die Münzen mit der Darstellung von Sol unter Septimius Severus versteht Williams jedoch nicht als Hinweis auf diesen Kult, sondern als eine rein griechisch-römische Assoziation mit der unbesiegbaren Sonne: Williams 1999, S. 308–310. 332 Ball 2000, S. 37–47; González García 2013, S. 316–317. Die Überlegungen von Ball könnten auch andersherum gelesen werden. So argumentierte etwa schon Winnefeld, dass der Komplex erst unter den Severern zu einem überregional bedeutenden Heiligtum ausgebaut worden sei (Winnefeld 1914, S. 146–152, 158–159), womit dann eine gegenseitige Beeinflussung zwischen Emesa und Heliopolis erst viel später fruchtbar geworden sein könnte. 333 Kropp 2013, S. 280–281. Zu der Genese des Elagabal als Verschmelzung eines Sonnenund eines Berggottes vgl. auch Frey 1989, S. 50–54. 334 Schwinghammer 2009, S. 1005. Shams als solarer Hauptgott, wird in nordarabischen Münzen als Zeus Aetophoros assimiliert: Schwinghammer 2007, S. 8–18. 330

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nicht häufig belegt, was als Indiz für die zunächst exklusive Verwendung dieser Namen innerhalb der Herrscherfamilien gewertet werden könnte.335 Auch andere in Emesa offenbar verehrte Götter weisen in die Richtung eines obersten Sonnen- oder Himmelsgottes. Dies ist vor allem die Verehrung von Azizos, der wiederum als Name der Dynasten erscheint.336 Azizos war für Hanslik ein arabischer Wüstengott, der häufig gemeinsam mit Arsu / Monimos verehrt wurde.337 Für Emesa bezeugt Iulian Apostata die Verehrung eines Gottes Monimos.338 Auf die Rolle dieser göttlichen Zwillinge, insbesondere auch für die Ituraier, wurde ja bereits eingegangen. In diese Richtung weisen auch anderer Götter. Wieder namentlich mit dem Herrscherhaus verbunden war Simios, der in den theophoren Namen Suhaim / Soaimos / Soemos / Sohemus wiederfindbar ist. Dieser Name findet sich auch bei Ituraiern, Nabataiern und in Hatra, wobei Chad die Träger dieser Namen als Emesener versteht. Auch Suhaim ist ein Geleitgott für Hadad oder Atargatis.339 Ebenfalls als Dioskure wird der wohl arabische Gott Salaman angesehen, der vor allem im nördlichen Arabien verehrt und in bildlichen Darstellungen mit einem langen Gewand, einer spitzen Kappe und einer Lanze gezeigt wird.340 Offenbar gab es in der Nähe Emesas auch einen Tempel für Athene, die als hellenisierte Allat im ganzen syrisch-phoinikischen Raum verbreitet war. Sie ist ebenfalls mit dem Planet Venus verbunden, womit Allat nicht nur eine kriegerische, sondern auch eine kosmische Funktion hatte. Sie ist auf einem in Homs gefundenen, wohl aber aus Palmyra stammenden Relief dargestellt.341 Vielleicht hiermit in Zusammenhang ist die Verehrung für Aphrodite / Venus in Emesa zu

335 Chad

1972, S. 134–138, 143–144. Spätestens ab dem 2. Jhd. n. Chr. kommen die Namen aber auch außerhalb der ehemaligen Herrscherdynastie und auch außerhalb Emesas vor, so etwa in Palmyra in einer Grabinschrift für „Habba, daughter of Samsigeram, son of Bene Bazi, wife of Ba’lai, son of ’Ogeilû, alas!“ Inv. 1439/8583 nach al-As’ad / Gawlikowski 2012, S.  178. 336 Vgl. Jos. Ant.Jud. 20, 7, 1. Ein Kult für Azizos ist etwa durch IGLS V 2218 bezeugt. 337 Hanslik 1954, S. 178–179. Der Gott erhielt aber nicht nur von arabischen Nomaden Weihungen, vgl. die Weihung für Azizos durch einen Steinmetz aus Phaina aus dem Beth Shean Tal der späten Kaiserzeit: Ovadiah / Roll 1988, S. 177–180 mit Text und Kommentar. 338 Jul. Or. IV 150D. 339 Chad 1972, S. 141–143. Inschrift für Simios aus Kafr Nebo nach Chad in BCH 1902, 182–183. Als Geleitgott kann auch Seimios gelten, der auch in weiblicher (Simeia) oder geschlechtsloser Form (Simeion) verehrt wird. Er wird dabei offenbar in Form einer Standarte dargestellt, die verschiedene Götter, etwa auch den Mondgott Sin, repräsentieren kann. Nach Chad begleiten in mehreren Darstellungen ein oder zwei solcher Standarten einen Betyl: Frey 1989, S. 59–63. Dieser Gott ist durch eine Inschrift in Emesa bezeugt. IGLS V 2089. 340 Chad 1972, S. 144–145. 341 Chad 1972, S. 148.

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sehen, die literarisch und durch eine Vielzahl von Skulpturen nachweisbar ist.342 Des Weiteren gibt es Belege für einen Gott Gennaios / Deo Genea, bei dem es sich entweder um einen eigenständigen Gott oder aber um eine Zusatzbezeichnung für den höchsten Gott handelt.343 Aus diesem Befund lässt sich nur schwer eine ethnische Zugehörigkeit der Emesener oder auch nur eine distinkte eigene religiöse Identität herauslesen, denn die verehrten Götter lassen sich im ganzen Großraum Syrien sowohl einem arabischen wie einem aramaischen Kulturraum zuweisen – wenn diese beiden überhaupt in einem Gegensatz zueinander standen. Trotzdem zeigt für Kaizer die nahöstliche Sitte, Göttern lokale Beinamen zu geben  – wie etwa Zeus von Baitokaike oder Jupiter Heliopolitanus  – dass die lokalen Gemeinschaften durchaus „forms of cultural and possibly ethnic identification“ auf sie bezogen und sie damit als ‚ihre‘ Götter verstanden.344 Die Heterogenität des Namensmaterials ebenso wie der Kulte kann ergänzt werden durch die materiellen Hinterlassenschaften aus einer Nekropole von Emesa, die aufgrund ihres Beigabenreichtums als Nekropole der Herrscherfamilie, mindestens aber der lokalen Elite, interpretiert wird. Die Funde sollen detaillierter für die Frage nach der Legitimations- und Repräsentationsstrategie dieser Gruppe ausgewertet werden, aber aus diesen Funden schließt Konrad gemeinsam mit Onomastik und Religion, dass es in der Gemeinschaft der Emesener ein „arabischen Substrat, welches, wie in vergleichbaren Fällen, vermutlich relativ schnell in der lokal-aramaischen Kultur aufging“345 gegeben habe. Vor diesem Hintergrund betont Konrad, dass das Herrscherhaus der Emesener nach Ausweis der Grabfunde insbesondere bei der Tracht enge Bezüge zu Parthien aufweise, was sie als Versuch der Schaffung einer lokalen Tradition, die zuvor nicht bestand, wertet. Eine solche Konstruktion einer lokalen Identität war für Konrad für die Emesener notwendig, da ihr Herrscherhaus nicht aufgrund einer Stammesführerschaft, sondern lediglich durch den Willen Roms zu seiner Führungsrolle gelangte.346 Konrad postuliert in der Folge, dass dieses ‚Anderssein‘ der nahöstlichen Klientelkönige dann aber auf römischer Seite zu Misstrauen führte, welchem die Klientelkönige durch eine intensive Vernetzung untereinander, etwa mit Heiratsverbindungen, zu begegnen suchten. Damit sollte außerdem eine fehlende dynastische Legitimation der Könige ausgeglichen werden.347 Allerdings wurde bereits gezeigt, dass das Herrscherhaus der Emesener zum Zeitpunkt der Allianz mit Rom über eine bereits mehrere Generationen umspan342

Vgl. dazu Kropp 2016, S. 218–219. Vgl. Decourt 2003, S. 171–174. 344 Kaizer 2006, S. 31, 40. 345 Konrad 2014, S. 48. 346 Konrad 2014, S. 59–60. 347 Konrad 2014, 62–68. 343

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nende lokale Führungsrolle verfügte. Es liegt also nahe, dass genau dieser Aspekt der traditionalen Herrschaft von den Emesener Königen durch die Auswahl einer dezidiert nicht-römischen Tracht betont werden sollte, um sowohl den Römern als auch den eigenen Untertanen und den Nachbarn gegenüber die Rechtmäßigkeit des Herrschaftsanspruches deutlich zu machen. Auf diesen Punkt soll im Kapitel zur Repräsentation der Emesener Dynasten ausführlicher zurückgekommen werden. Hier sei darauf verwiesen, dass sich nicht nur die Arsakiden, sondern auch ihre Nachbarn in Hatra und Palmyra ähnlicher Trachten bedienten, die auf eine gemeinsame Tradition  – nämlich das Erbe der achaimenidisch-medischen Königstracht – zurückgriff.348 Und schließlich steht die Frage nach der Identifizierung der Emesener als ‚Funktionsethnie‘ bzw. als (selbst-)konstruierte Gemeinschaftsidentität im Raum.349 Die Heterogenität der Namen, Götter und materiellen Funde schließt eine ‚biologische Definition‘ der Emesener bzw. genauer der Bevölkerung des Herrschaftsbereichs der Emesener aus. Aber war das überhaupt notwendig? Personenverbände konnten sich durch unterschiedliche Mechanismen zusammenschließen, wie bereits ausgeführt wurde. Die Definition einer Gruppe über ihren Anführer hatte ja spätestens seit Alexanders Zug durch das Perserreich auch gute hellenistische Tradition. Ob der Kern der Gemeinschaft daher ursprünglich ein ‚Stamm der Emesener‘ im Sinne einer tatsächlichen Abstammungsgruppe war, oder ein Personenverband unter einem namengebenden Anführer, spielte für die politische Realität keine Rolle – der Anführer und seine Anhänger kontrollierten ein Territorium, das als Herrschaftsbereich eines Personenverbandes (nämlich der Emesener) beschrieben wurde. Es muss dabei aufgrund der Quellenlage völlig unklar bleiben, ob: „sich die tribalen Eliten ungeachtet dessen über eine gemeinsame Herkunft und ihre kulturellen und wirtschaftlichen Grundlagen definierten: semitische Sprache und Schrift, Religion, seminomadische Lebens- und Wirtschaftsformen, Tracht sowie eine spezifische Architektursprache sind Äußerungen einer gesellschaftlichen Gruppe, die sich von der hellenistisch-römischen klar absetzt. Zugleich ist festzustellen, dass es zur Ausbildung dieser gemeinsamen ‚Identitätszeiger‘, die von den lokalen Dynasten und Phylarchen selbstbewußt nach außen getragen werden, erst in Folge der Interaktion mit den Großmächten kam.“350 348

Die arsakidische Tracht lässt sich mit García Sánchez / A lbaladejo Vivero so beschreiben: „laxas vestes und fluxa velamenta (Luk. 8, 362–387; Just. Epit. 41, 2, 4; Tac., Ger. 17, 1), Hosen oder eng anliegende Beinkleider der Barbaren, manchmal prahlerisch verziert (Herod. 4, 11, 3; 4, 11, 6), kurze tunikaartige Obergewänder (tunica manicata et succincta) mit langen Ärmeln und V-förmigem Ausschnitt oder rundem Kragen, Kaftan (κάνδυς) oder auf persische, also weibliche Art geknotete Gürtel (Curt. 3, 3, 17–19).“ (García Sánchez / A lbaladejo Vivero 2010, S. 127–126). 349 Vgl. Konrad 2014, S. 67–68. 350 Konrad 2014, S. 67–68.

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Auch wenn es sicher zutrifft, dass die Anführer der wie auch immer ursprünglich zusammengesetzte Gruppe der Emesener nach der Etablierung ihres Herrschaftsbereichs eine gemeinsame Identität für alle Bevölkerungsgruppen schaffen mussten, um diese Herrschaft zu stabilisieren,351 kann gerade die Vorstellung einer „seminomadischen Lebens- und Wirtschaftsweise“ nicht unwidersprochen bleiben, wie gezeigt wurde. Dass diese nomadischen oder seminomadischen Ursprünge für die Emesener angenommen werden, wird ganz offensichtlich aus ihrer Bezeichnung als Araber abgeleitet, wie dies bereits thematisiert wurde. Ein wichtiges Argument ist hier die Bezeichnung der Anführer der Emesener als phylarchoi, was jedoch bereits als Titel eines lokalen Amtsträgers ohne direkte Aussagekraft über dessen Lebensweise interpretiert wurde.352 Hier wurde bereits darauf verwiesen, dass mit Kaizer der Titel phylarchos in der Septuaginta als Bezeichnung für den jüdischen Hohepriester verwendet wird.353 Bei diesem handelte es sich ja aber in hellenistischer Zeit nicht um den Anführer einer nomadischen Gemeinschaft. Als zweites Zeugnis für nomadische Ursprünge der Emesenoi könnte die eingangs zitierte Strabon-Stelle gelten, in der ja die Region südlich von Apameia als Territorium der Zeltbewohner beschrieben wird, die – je näher sie den Syrern seien – zivilisierter gewesen wären und bessere Gemeinschaftsorganisationen gehabt hätten, wofür dann offenbar Samsigeramos und seine Gemeinschaft als positives Beispiel genommen wurde.354 Aber ähnlich wie Josephos als Quelle für die Ituraier problematisch ist, weil sein Herkunftsgebiet Judaia und die von ihm überwiegend positiv dargestellten Hasmonaier in harter militärischer, politischer und ökonomischer Konkurrenz zu den Ituraiern standen, kann auch Strabons Zeugnis zu den Emesenern nicht unkritisch übernommen werden. Strabon konnte zwar für sein Werk Geographica, in dem auch die Ituraier und Emesener Erwähnung finden, auch auf seine eigenen Erfahrungen im östlichen Mittelmeer zurückgreifen.355 Darüber hinaus benutzte er aber zahlreiche auch hellenistische Quellen wie etwa Eratosthenes oder Poseidonios von Apameia.356 Gerade Poseidonios von Apameia, dessen Werk in das 1. Jhd. v. Chr. gehört, kannte die Nachbarschaft der Emesener und Ituraier aus eigener Anschauung.357 Vielleicht bestand kein direktes ökonomisches Konkurrenzverhältnis zwischen Arethusa, Emesa und Apameia, aber in den ‚griechischen‘ Städten wird es möglicherweise kulturelle Vorbehalte gegen die ‚indigenen‘ Nachbarn gegeben haben. Denn nach Capomacchia postulierten griechische Autoren bei der Beschreibung des Orients einen Gegensatz zu Griechen351

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Vgl. Konrad 2014, S. 68. Vgl. die Überlegungen in Kapitel 5.2. 1 Es. 7,8; Kaizer 2005, S. 189. Strab. 16, 2, 10–11. Connors, 2011, S. 143–147; zur Datierung der Abfassungszeit vgl. Dueck 1999. Vgl. Clarke 2009, S. 295. Vgl. Villani 2009, S. 283.

Zusammenfassung

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land. Dieser würde durch eine oft indirekte Betonung der Instabilität, der ständigen Bewegung und Veränderung des Orients im Vergleich zum stabilen Griechenland der Polis geschaffen.358 In diese Vorstellung gehört auch die Betonung der vielen nomadischen Gemeinschaften im Orient, die durch ihre Mobilität den Aspekt der Veränderung und Instabilität des Nahen Ostens unterstreichen sollten.359 Wenn man sich nun also wie Poseidonios als ‚echter Hellene‘ aus Apameia mit den indigenen Nachbarn beschäftigte, tat man dies eben vielleicht auch durch eine Betonung von deren ‚Andersartigkeit‘, die am überzeugendsten über klassische Barbaren- und Nomadentopoi gezeichnet werden konnte. Diese Vorbehalte gegenüber der Vorstellung eines nomadischen Ursprungs der Gemeinschaft der Emesener werden durch die bereits vorgestellten Befunde der Siedlungsentwicklung des emesenischen Herrschaftsbereich unterstützt. Denn auch wenn die fehlende Erforschung der beiden städtischen Zentren Arethusa und Emesa sehr zu bedauern ist, zeigen doch die neuen Surveys des Territoriums eine sehr gut mit den Nachbarregionen vergleichbare Zunahme einer Besiedlung durch kleine, verstreute und nicht befestigte Gehöfte und Siedlungen. Diese stehen einer Interpretation der emesenischen Territorien als in hellenistischer Zeit durch Nomaden geprägten Landschaft entgegen.

6.5 Zusammenfassung Die vorangegangenen Überlegungen zu den Identitäten der Ituraier und Emesener konnten zeigen, dass diese sich einer einfachen Einordnung als ‚arabische Nomaden‘ entziehen. Dies gilt zunächst für die Ituraier. Die literarischen Quellen charakterisieren sie mehrheitlich als Volk in Syrien und grenzen sie von ‚den Arabern‘ ab, das Namensmaterial weist eine Durchmischung aramaischer wie arabischer Namen auf, die Amtssprache könnte Aramaisch gewesen sein. Bei der möglichen Tracht steht man in der Tradition des antiken Nahen Osten mit lokalen Charakteristika, die aber angesichts der Datierung der Monumente nicht sauber einem ituraischen Kontext zugewiesen werden können. Auch die Glaubenswelt weist eine solche Durchmischung arabischer wie aramaischer Vorstellungen auf, wobei die Götter eine hellenisierte Gestalt hatten und nur durch ihre Beinamen lokal verortet wurden. Dabei ist zu bedenken, dass Großgruppen-Bezeichnungen wie 358 359

Capomacchia 2006, S. 309. Bei den antiken Autoren entstand dabei mit Plischke ein Interesse an den nomadischen Gemeinschaften im Osten nach Herodot erst wieder ab den Alexanderzügen. Die Nomaden Zentralasiens würden dann als besonders kriegerische und aggressive Reitervölker dargestellt, die im Gegensatz zu den sesshaften Bauern stünden. Dabei verweist Plischke darauf, dass trotz der topischen Dichotomie in den Quellen beide Gruppen der iranischen Sprachgruppe angehörten und auch in ihrer materiellen Kultur kaum Unterschiede aufzeigbar seien: Plischke 2014, S. 71–72.

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‚die Araber‘ von den antiken literarischen Quellen meist als Fremdbezeichnungen vergeben wurden, die nicht immer der Eigenwahrnehmung entsprechen mussten. Umgekehrt können Gruppen sich selbst solchen größeren Verbünden zugehörig gefühlt haben, ohne dass die literarische Überlieferung diese Verbindung zog. Gleichzeitig scheinen die in der Forschung anhand von linguistischen Kriterien aufgemachten Trennlinien zwischen ‚aramaisch‘ und ‚arabisch‘ im Alltag möglicherweise gar nicht als solche Trennlinien wahrgenommen worden sein  – die Frage, ob die Ituraier also Aramaier oder Araber waren, war daher vermutlich für die Ituraier selbst von geringer Relevanz. Zum anderen müssen auch nicht alle in den Quellen im ituraischen Herrschaftsbereich greifbaren Personen mit ihren Namen ‚ethnische‘ Ituraier gewesen sein. Aliquot postuliert daher, dass ihre Ethnogenese vielleicht ähnlich zu der von ­Macdonald für die Nabataier entwickelten Theorie ablief: Hier könnte eine naba­ taische Identität zunächst tatsächlich als Stammeszugehörigkeit im Sinne einer ethnischen Gemeinschaft verstanden worden sein. Im Zuge der Sesshaftwerdung der Nabataier in hellenistischer Zeit und der Etablierung eines eigenen Herrschaftsbereiches hätte diese Identität aber dann für alle unter der Herrschaft des nabataischen Königs lebenden Personen gegolten, um dann schließlich nach der Provinzialisierung des Nabataischen Reiches eine geographische Zuordnung zu werden.360 Auch wenn die Gemeinschaft der Ituraier nicht aus der Sesshaftwerdung nomadischer Gruppen entstand, ist dennoch möglich, dass sich aus einer kleinen, politisch und militärisch dominanten Gruppe, die von den Zentralmächten Herrschaftsaufgaben über einen bestimmten Raum erhielt, eine größere Gemeinschaftsidentität in diesem Raum entwickelte. Diese Entwicklung wurde vermutlich von den Führern der Gemeinschaft gefördert, um den eigenen Herrschaftsanspruch zu festigen. So könnte sich hinter der Überlieferung von Strabon über das Bergland der Ituraier361 verbergen, dass dies ihr ursprünglicher Herkunftsraum war, aus dem heraus sie dann die Kontrolle über die anderen später unter ituraischer Herrschaft stehenden Gebiete erlangten – und dann auch eine gemeinsame Identität für diesen Raum schufen. Ähnlich den Ituraier erlaubte auch den Emesenern ihre starke lokale Stellung gegenüber den im weiteren Verlauf der Geschehnisse konkurrierenden seleukidischen Thronprätendenten Gegenleistungen für eine Unterstützung einzufordern, was eine zunehmende Verselbstständigung ihrer Lokalherrschaft ermöglichte. Dass die Emesener Dynasten dabei in den Quellen als Araber bezeichnet werden, muss wieder nicht automatisch einen nomadischen Ursprung der Gemeinschaft bezeugen, auch wenn sicher auch nomadische Gruppen in ihrem Territorium zu finden waren. Der aufgezeigte Befund der Siedlungsentwicklung in der Region weist auf eine seit hellenistischer Zeit mehrheitlich sesshafte Besiedlung hin. Der hohe Anteil aramaischer Namen in den (kaiserzeitlichen) Inschriften des 360 361

Aliquot 1999–2003, S. 191. Strab. 16, 2, 18.

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Herrschaftsraumes legt eine heterogene Bevölkerung nahe, die aus aramaischen, arabischen und griechischen Gruppen bestand, was sich ebenfalls im Pantheon der Region nachweisen lässt, soweit dieser rekonstruiert werden kann. Für beide Gemeinschaften muss die Berichterstattung der Quellen gerade zu ihrer ethnischen und kulturellen Identität außerdem mit großer Vorsicht behandelt werden, weil die wichtigsten Quellen Josephos und Strabon eben keine objektive Einschätzung geben. Sie sind vielmehr – ob bewusst oder unbewusst – Sprachrohre der Konkurrenten der Ituraier und Emesener, was insbesondere eine Abwertung ihrer ‚kulturellen‘ Leistungen verursachte. Wieder bieten sich Hasmonaier und Nabataier als Vergleichsfolien an. Besäßen wir nicht die Eigensicht der Hasmonaier auf ihre letztlich erfolgreiche Etablierung einer Eigenherrschaft in Judaia, müssten auch die Umstände ihrer Revolte als eine Art ‚Räuberaufstand‘ verstanden werden, bei der die Aufständischen zunächst aus Höhlen in der Wüste operierten362 – und damit eigentlich auch die Kriterien einer Bewertung als räuberische Nomaden erfüllen würden! Auch die Berichte über das Nomadentum der Nabatiaer sind gerade in der jüngeren Forschung vor allem in den Kontext der zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen der Nabataier mit hellenistischen und auch römischen Heeren eingeordnet worden, die für diese Heere nicht immer erfolgreich verliefen. Der Eindruck einer – zumindest ursprünglich – nomadischen Lebensweise der Nabataier entsteht insbesondere durch deren Beschreibung bei Diodor: τὰ μὲν οὖν πρὸς τὴν ἕω μέρη κατοικοῦσιν Ἄραβες οὓς ὀνομάζουσι Ναβαταίους, νεμόμενοι χώραν τὴν μὲν ἔρημον, τὴν δὲ 2ἄνυδρον, ὀλίγην δὲ καρποφόρον. ἔχουσι δὲ βίον λῃστρικόν, καὶ πολλὴν τῆς ὁμόρου χώρας κατατρέχοντες λῃστεύουσιν, ὄντες δύσμαχοι κατὰ τοὺς πολέμους.

„Die nach Osten gelegenen Partien gehören einem arabischen Volk, das Nabataier genannt wird und ein teils wüstes teils wasserloses, auf jeden Fall aber unfruchtbares Land bewohnt. Sie führen ein Räuberleben, unternehmen weite Plünderzüge in die Nachbarländer, und man kommt ihnen im Kampfe nur schwer bei.“363

Gerade die letzte Bemerkung zu ihrer Kampfkraft verweist auf die Niederlagen hellenistischer Heere gegen die Nabataier. Denn zu einem ersten literarisch festgehaltenen Kontakt der Nabataier mit der griechischen Welt kam es 311 v. Chr., als Antigonos Monophthalmos deren Versammlungsort während eines Festes und in Abwesenheit der Verteidiger angreifen ließ und dabei Weihrauch, Myrrhe sowie 500 Talente Silber erbeutete.364 Auf der Flucht waren seine Soldaten dann 362

1 Makk. 2, 17–28; 1 Makk. 2, 27–38; 2 Makk. 8, 1. Diod. 2, 48, 2; Übersetzung aus Hackl / Jenni / Schneider 2003, S. 432. 364 Zur Datierung des Ereignisses vgl. Wenning 2007, S. 28. 363

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jedoch nach Diodor zu nachlässig, weshalb die nachsetzenden Nabataier das Lager nachts überfallen konnten, die Beute zurückholten und die Gegner bis auf wenige Überlebende niedermachten. Die Nabataier wandten sich daraufhin brieflich an Antigonos und boten Frieden an. Antigonos ging darauf ein, schickte jedoch heimlich seinen Sohn Demetrios erneut gegen die Nabataier. Diese waren jetzt aber durch Wachposten gewarnt, so dass Demetrios keine militärischen Erfolge erzielen konnte. Er schloss auf Vorschlag der Nabataier mit diesen einen Vertrag, den Antigonos notgedrungen akzeptierte und erhielt Geiseln sowie Geschenke.365 Bei Plutarch ist die Episode zwar kürzer, dafür aber für Demetrios wesentlich glücklicher geschildert: Hier wird er ausgesandt, um die Nabataier zu unterwerfen und kann trotz des massiven Wassermangels „die Barbaren so in Schrecken“ setzen, dass er ihnen „große Beute und siebenhundert Kamele abnahm.“366 Dazu verweisen Hackl et al. zurecht auf die vielen Topoi der in den klassischen Quellen üblichen Nomadenbeschreibung in diesen Passagen, die eine faktische Bewertung der Aussagen Diodors erschweren.367 Denn natürlich werden die Nabataier hier als die ‚Fremden, Anderen‘ herausgestellt  – und sowohl die Beschreibung ihres unwirtlichen Lebensraumes wie ihrer Kampfkraft müssen auch als Rechtfertigung eines nicht optimal gelaufenen Feldzugsgeschehens gelesen werden. Ganz ähnlich werden auch die harschen Umweltbedingungen – diesmal aber gepaart mit der ‚Verschlagenheit‘ der nabataischen Verbündeten – für die Schwierigkeiten einer römischen Arabien-Expedition unter Augustus angeführt: Aelius Gallus war von Augustus mit einer Militäroperation in Arabien betraut worden, für die ihm nach Strabon immerhin 10.000 Fußsoldaten sowie 1.500 Soldaten aus Judaia und Nabataia zur Verfügung standen. Als Motive nennt Strabon strategische Gründe und vor allem den Reichtum der Araber: ἦν δέ τι καὶ τὸ πολυχρημάτους ἀκούειν ἐκ παντὸς χρόνου, πρὸς ἄργυρον καὶ χρυσὸν τὰ ἀρώματα διατιθεμένους καὶ τὴν πολυτελεστάτην λιθίαν, ἀναλίσκοντας τῶν λαμβανομένων τοῖς ἔξω μηδέν· ἢ γὰρ φίλοις ἤλπιζε πλουσίοις χρήσεσθαι ἢ ἐχθρῶν κρατήσειν πλουσίων. ἐπῆρε δ᾿ αὐτὸν καὶ ἡ παρὰ τῶν Ναβαταίων ἐλπίς, φίλων ὄντων καὶ συμπράξειν ἅπανθ᾿ ὑπισχνουμένων.

365

Diod. 19, 95, 1–100, 1. Plut. Dem. 7, 1–2. 367 Hackl / Jenni / Schneider 2003, S.  449–450. 368 Strab. 16, 4, 22. Übersetzung von Radt. 366

„Es spielte auch eine Rolle, dass sie seit jeher als sehr reich galten, da sie ihre Gewürze und kostbarsten Steine gegen Silber und Gold tauschten, vom Erhaltenen aber nichts an Auswärtige abgaben. So hoffte er, reiche Freunde zu gewinnen, oder reiche Feinde zu besiegen. Zudem ermutigte ihn die Hoffnung auf die Nabataier, die seine Freunde waren und ihn in allem zu unterstützen versprachen.“368

Zusammenfassung

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Syllaios wird dann bei Strabon für die Schwierigkeiten des Aelius Gallus auf diesem Zug verantwortlich gemacht: Ἐπὶ τούτοις μὲν οὖν ἔστειλε τὴν στρατείαν ὁ Γάλλος·ἐξηπάτησε δ᾿ αὐτὸν ὁ τῶν Ναβαταίων ἐπίτροπος Συλλαῖος, ὑποσχόμενος μὲν ἡγήσεσθαι τὴν ὁδὸν καὶ χορηγήσειν ἅπαντα καὶ συμπράξειν, ἅπαντα δ᾿ ἐξ ἐπιβουλῆς πράξας, καὶ οὔτε παράπλουν ἀσφαλῆ μηνύων, οὔθ᾿ ὁδόν, ἀλλὰ ἀνοδίαις καὶ κυκλοπορίαις καὶ πάντων ἀπόροις χωρίοις, ἢ ῥαχίαις ἀλιμένοις παραβάλλων ἢ χοιράδων ὑφάλων μεσταῖς ἢ τεναγώδεσι· πλεῖστον δὲ αἱ πλημμυρίδες ἐλύπουν, ἐν τοιούτοις καὶ ταῦτα χωρίοις, καὶ αἱ ἀμπώτεις.

„Durch diese Überlegungen begann Gallus also seine Kampagne, er wurde aber vom Statthalter der Nabataier Syllaios betrogen, der zwar versprach, auf dem Marsch zu führen und alles zu beschaffen und behilflich zu sein, aber in allem hinterhältig handelte und weder eine sichere Küstenfahrt, noch einen sicheren Landweg zeigte, sondern er führte durch wasserlose Gegenden, auf Umwegen und durch Gebiete bar jeglicher Dinge, an felsige Küste ohne Häfen, voller Riffe und Untiefen; am meisten schadete – besonders in solchen Gegenden – Flut und Ebbe.“369

Strabon war mit Gallus befreundet370, seine Darstellung sollte also offensichtlich auf Kritik an dessen Aktivitäten reagieren und die Schuld einem auswärtigen Verbündeten zuschreiben. Hätte Syllaios die Römer wirklich erkennbar betrogen, wäre es doch überraschend, dass diese keinerlei Strafmaßnahmen gegen Syllaios oder die Nabataier unternahmen.371 Im Gegenteil stellt etwa Plinius den Feldzug des Gallus als erfolgreich dar, da er eine Reihe von Städten zerstört habe.372 Er bezeugt damit die offizielle Interpretation der Ereignisse, wie Augustus selbst sie in seinem Tatenbericht festhielt: Meo iussu et auspicio ducti sunt duo exercitus eodem fere tempore in Aethiopiam et in Arabiam, quae appellatur Eudamon, maximaeque hostium gentis utriusque copiae caesae sunt in acie et complura oppida capta.

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„Auf meinen Befehl und unter meinem Oberkommando wurden etwa zur selben Zeit zwei Heere gegen Äthiopien und dasjenige Arabien geführt, dass das Glückliche genannt wird. Große Truppenkontingente beider Völker wurden in offener Feldschlacht niedergehauen und mehrere Städte eingenommen […].“373

Strab. 16, 4, 22–24. Übersetzung von Radt. Strab. 2, 5, 12: „Aelius Gallus, ein mir befreundeter und vertrauter Mann“. 371 Sartre 2001, S. 518. 372 Plin. Nat.Hist. 6, 160. 373 R.Gest.div.Aug. 26,5. Übersetzung von Giebel. 370

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Es war diese offizielle Lesart des Geschehens – und damit aber auch der impliziten Abwertung der beteiligten Gemeinschaften  – die sich durchsetzen sollte, denn Plinius übernahm ja diese Version und nicht die Darstellung bei Strabon. Die bewusste topische Verzerrung der Beschreibungen der Nabataier im Kontext von Auseinandersetzungen mit Zentralmächten gepaart mit den vielen neuen Erkenntnissen zu ihrer Siedlungsgeschichte haben daher in der Forschung dazu geführt, in ihnen nicht mehr nur Weihrauch transportierende Kamelnomaden zu sehen.374 Die nabataischen Könige herrschten dabei ebenso wie das für die Dynasten der Emesener und Ituraier herausgearbeitet wurde, über eine heterogene Bevölkerung.375 Daher stellt sich auch die Frage, was mit der belegten Selbstbezeichnung als Nabataier gemeint war.376 In der Forschung wird sowohl die Position vertreten, dass eine lokale Bevölkerung nabataische Neuankömmlinge mittelfristig absorbierte und dann alle Nabataier im Sinne einer Zugehörigkeit zum ‚Staat‘ wurden.377 Es findet sich aber auch die These, das damit mehr als eine geographisch-politische Zugehörigkeit und zwar eine „self-identification and identification by outsiders as a label for a visible collectivity“ gemeint war.378 Für 374

Wenning möchte die Nabataier so mindestens als dimorphe oder polymorphe Gesell­ schaft verstehen: Wenning 2013, S. 8; vgl. „Syrmaion: eine Ebene zwischen den Nomaden und den Nabataiern“ bei Steph.Byz. 593, s.v. Συρμαιον. Vgl. auch RosenthalHeginbottom 2003, S. 23. 375 So sind aus anderen Quellen weitere Gruppen bekannt, wie etwa aus dem ersten Makkabaier-Buch die „Söhne des Baean“, der Stamm der Odomera und die „Söhne des Phasiron“ (1 Makk. 5, 4; 1 Makk. 9, 66; 1 Makk. 9, 32–42). Aus safaitischen und griechischen Inschriften kennt man außerdem die „Söhne des Jambri“ in der Umgebung von Medeba. Außerdem erschienen die Nabataier in Inschriften aus Mada in’Salih und Petra gemeinsam mit einem Stamm der Salamu, was den Eindruck einer Stammeskonföderation erweckt (Kasher 1988, S. 7–8; vgl. Lindner 1970, S. 51; zum Problem der Gleichsetzung der safaitischen Bezeichnungen mit solchen aus anderen Quellen: Macdonald 1992, S. 306). Diese Inschriften befassen sich mit Regeln im Grabkontext „entsprechend dem was heilig ist bei den Nabataiern und Salamiern“ bzw. „wie das Heilige, welches geheiligt ist Dushara bei den Nabataiern und Salamiern“ (CIS II 197, CIS II 199 = Hackl / Jenni / Schneider 2003, Nr. Q.047.03, CIS II 206 = 2003, Nr. Q.047.07 = H 1 und H 8 bei Healey 1993). Die Verbindung beider Stämme wird auch durch Stephanos von Byzanz bestätigt, der schreibt „Salamioi, ein Volk Arabiens. Salama heißt Frieden. Sie wurden so genannt, weil sie in friedlicher Allianz mit den Nabataiern waren.“ (Steph.Byz. NSI 220). Daraus ließe sich für Healey vielleicht eine stärkere Position der Nabataier in dieser Allianz ableiten: Healey 1993, S. 68–88 mit weiteren Quellenbelgen für die Salamu aus jüdischen Texten. 376 Eines der wenigen Beispiele für eine solche Selbstbezeichnung stammt aus Palmyra von 132 n. Chr.: Hier bezeichnet sich ein Soldat in Palmyra als Nabataier und nennt dann noch eine Stammeszugehörigkeit: CIS II 3973. 377 Macdonald 1991, S. 106–108. 378 Healey 2009, S. 21. So denkt Bartlett, dass die Bezeichnung Nabataier „probably began as a family name in one locality, and became adopted by an ever-widening number as

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Kropp kann jedoch nur die Stammeselite in Petra wirklich als Nabataier bezeichnet werden.379 Schon in der 2. Hälfte des 2. Jhd. v. Chr. ist die Bezeichnung ‚Nabataier‘ aber eine Herkunftsbezeichnung im Sinne einer griechischen Bürgerschaftszugehörigkeit, wie ein Ehrendekret aus Tenos für einen „Salamanes, der Sohn des Edemon, der Nabataier“ bezeugt, in dem diesem als Dank für seine Wohltaten der Gemeinde gegenüber diverse Privilegien in Tenos zugesichert werden.380 Und auch die Hasmonaier beherrschten bzw. eroberten einen Raum, der von verschiedenen Gemeinschaften besiedelt war, die sie teils mit Gewalt zur Akzeptanz ihrer Herrschaft zwingen mussten. So wurden nicht-jüdische Orte wie Gezer, Beth Sour, Sechem oder Beth Shan aufgegeben und griechische Städte wie Raphia, Stratons Turm, Gadara oder Skythopolis entvölkert und etwa Pella dem Erdboden gleich gemacht.381 Das Kultzentrum der jüdischen Samaritaner auf dem Berg Gezirim wurde zerstört, die Idumaier erobert und zur Konversion und Beschnei­ dung gezwungen oder vertrieben.382 Da nach dem Zeugnis des Herodot Beschneidung aber nicht nur bei den Juden, sondern auch in Syrien, Palaistina und Ägypten nicht unüblich war, ist zu fragen, inwiefern der Zwang zur Beschneidung wirklich ausgeführt werden musste.383 Die Beschneidung wird dabei von Regev als Mittel angesehen, eine neue jüdische Identität für den wachsenden Staat der Hasmonaier zu schaffen, die durchaus im hellenistischen Sinne die Bürgeridentität als Anerkennung gemeinsamer Lebensregeln und nicht nur die Geburt als Jude als Fundament hatte. Diese neue Identität sollte dann auch durch das gemeinsame Feiern von Festen wie Hanukka und durch die Sichtbarmachung von Riten wie den Reinheitsgeboten und den dazu notwendigen Bädern kollektiv  – und in Abgrenzung zu den Nicht-Juden – gelebt werden.384 Wieder erlaubt hier die außergewöhnliche Quellenlage zu den Hasmonaiern einen wesentlich detaillierteren

families associating themselves with an increasingly powerful dominant group in the region.“ (Bartlett 1990, S. 33.) 379 Kropp 2013, S. 43–44; vgl. auch Healey 2001, S. 36–37. Inwiefern die vielen in den sog. Safaitischen Inschriften genannten anderen Stämme parallel zum nabataischen Königreich nachweisbar sind, ist meist unklar, eine Inschrift eines Mitglieds des Stammes der Amrat aus der östlichen jordanischen Wüste datiert allerdings nach „im Jahr als der König der Nabataier starb“, muss also vor der Provinzialisierung aufgestellt worden sein: Hackl / Jenni / Schneider 2003, Nr. D.g.01, S. 163–164. 380 Hackl / Jenni / Schneider 2003, Nr.  A.003.01. 381 Sartre 2001, S. 396–397. 382 Pastor 1997, S. 78; vgl. auch Schäfer 2010, S. 89–90. 383 Herod. 1, 37 zu Ägypten. Vgl. Feldman 1996, S. 4; Spann 2012, S. 226. 384 Regev 2013, S. 274–284. Zur Beschneidung als positivem Distinktionsmerkmal im Judentum vgl. Spann 2012, S. 227, der jedoch betont, dass es daneben noch weitere Zugehörigkeitsrituale gibt, die ebenfalls als Marker der Gruppenidentität gewertet werden, S. 233–242.

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Einblick in die Heterogenität der Untertanen  – und auch in die Konkurrenz verschiedener Gruppen mit den Hasmonaiern.385 Damit waren also auch in den Nachbargemeinschaften der Ituraier und Emesener keine homogenen Untertanengemeinschaften gegeben. Vielmehr waren es offenbar jeweils die Personengruppen, die die lokalen Führungspersönlichkeiten stellten, deren Identität und ‚Ethnizität‘ die Wahrnehmung der Gemeinschaft als Ganzes und bei den Nabataiern wohl auch deren Gruppenbezeichnung bestimmten. Dies unterstreicht noch einmal die Verhandelbarkeit von Identität und Ethnizität, die zu Beginn dieses Teils herausgearbeitet wurde. Ebenso stützt es noch einmal die Überlegungen von Versluys über die „ethnic manoueverings“ und die intentionale Konstruktion von Gruppenidentitäten auch in der materiellen Kultur zur Unterstreichung des Führungsanspruchs der herrschenden Eliten.386 ‚Verhandelte‘ Identitäten konnten von den Eliten aber nur dann in den von ihnen kontrollierten Gemeinschaften durchgesetzt und damit der Herrschaftsanspruch aufrecht erhalten werden, wenn diese Gemeinschaften zur Anerkennung der Ergebnisse bzw. der zu ihnen führenden Prozesse bereit waren. Dafür benötigten die Eliten einerseits (militärische) Machtmittel, andererseits aber auch eine Unterstützerbasis. Diese ließ sich über die Vernetzung mit der lokalen Bevölkerung etwa durch Patronage-Beziehungen gewinnen. Wenn, wie bisher argumentiert, die Dynasten der Ituraier und Emesener ihre Stellung als eigenständige Herrscher einer vorherigen Indienstnahme durch die seleukidische Zentralmacht verdankten, dann lag hier auch der Schlüssel ihres Erfolges: Durch die Übernahme lokaler Herrschaftsaufgaben wie Landverteilung, Mobilisierung, Steuereintreibung, Schutz der Infrastruktur, Kulte, Vermittlung in lokalen Konflikten etc. ließen sich in alle Ebenen der lokalen Gemeinschaft Patronage-Beziehungen aufbauen, die zur Sicherung der eigenen Stellung instrumentalisiert werden konnten.387 Innerhalb dieses Rahmens ließen sich dann aber auch gemeinsame Identitäten entwickeln – und langlebig etablieren, wie die lange Tradition der als ituraisch und emesenisch bezeichneten Hilfstruppeneinheiten im römischen Herr zeigen. Ohne umfangreiche Funde aus den Herrschaftsräumen können dabei aber kaum Aussagen über

385 Dazu

zählten auch andere judaische Gruppierungen wie die Pharisaier oder die Saduzzaier. Diese Gruppierung forderte Johannes Hyrkanos I. zur Niederlegung der Hohepriesterwürde auf, was zu wiederholten Konflikten führte: Vgl. Schäfer 2010, S. 84–89; Schwentzel 2013, S. 64–66. 94 v. Chr. kam es sogar zu einem Aufstand der Pharisaier gegen Alexander Jannaios, dessen Kompetenz als Hohepriester sie in Abrede stellten: Sasse 2009, S. 217–218. Zur Konkurrenz der Hasmonaier vgl. Eckhardt 2016. 386 Versluys 2017, S. 156. 387 Dabei unterschieden sich die lokalen Dynasten nicht wesentlich von den städtischen Eliten, die ja auch durch die Übernahme von Aufgaben für die Städte oder für die Herrscher in den Städten die eigene Position zu stärken wussten, vgl. Schulz 2011, S. 258–265; Dreyer / Mittag 2011, S. 287–292.

Zusammenfassung

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vor allem die materiellen Aspekte der so geschaffenen Gemeinschaftsidentitäten getroffen werden. Aber es kann gefragt werden, welche Strategien die ituraischen und emesenischen Dynasten anwendeten, um ihre Herrschaft zu kommunizieren, denn dies könnte Einblicke in die von ihnen propagierte Gemeinschaftsidentität erlauben. Diesem Themenfeld wendet sich der nächste Teil zu.

7. Herrschaftsstrategien

Wenn, wie in den vorangegangenen Kapiteln herausgearbeitet, die Vernetzung der Dynasten in ihre Untertanengemeinschaften ein wesentlicher Punkt für die Etablierung der Eigenherrschaften war und gleichzeitig diese Untertanengemeinschaften heterogene Gruppen waren, dann mussten die Dynasten Strategien entwickeln, mit denen sie ihre Herrschaft diesen verschiedenen Gruppen gegenüber legitimieren konnte. Das lässt fragen, mit welchen Repräsentations- und Legitimationsstrategien diese Stellung kommuniziert wurde. Hier ist man selbstverständlich mit einem Quellenproblem konfrontiert, da anders als etwa bei den Hasmonaiern keine eigenständige historische Darstellung der Ituraier und auch der Emesener vorhanden ist, die die Eigensicht der Herrscher explizit machen könnte. Insofern können die folgenden Überlegungen nur Wahrscheinlichkeiten plausibel machen. Ausgangspunkt soll eine Bemerkung von Rayak sein, die bei der Diskussion der Legitimationsstrategie der Hasmonaier schreibt: „Arguably, it is precisely when a native ruler is legitimized by a suzerain power, that it becomes particularly desirable for him to make his own authority palatable by stating it in supposedly authentic local terms.“1 Ist dieses Phänomen auch für die ituraischen und Emesener Dynasten zutreffend?

7.1 Repräsentation und Legitimationsstrategien der Ituraier Als einziges bislang überliefertes Selbstzeugnis der ituraischen Dynasten müssen dafür wieder die Münzen in den Blick genommen werden. Das Prägen von Münzen, und wenn es auch ‚nur‘ Bronzemünzen, also Kleingeld, waren, muss sicher als ein politisches Statement des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, und seiner Nachfolger verstanden werden, womit sie – neben einer möglichen ökonomischen Motivation – ihre Stellung und ihren Status gegenüber der eigenen Gemeinschaft, aber auch den Nachbarn in der Region, sichtbar machen wollten.2 Viele der Städte im syrisch-phoinikischen Raum prägten schon unter den Seleukiden und dann wieder unter den Römern Bronzemünzen.3 Laut Butcher nutzen die Städte im Norden Syriens und entlang der phoinikischen Küste unter seleukidischer Herrschaft Münzen mit drei Denominationen, die ca. 2,25g, 4g 1

Rayak 1996, S. 104. Zur politischen Bedeutung der Münzen vgl. Duyrat 2002, S. 58. 3 Vgl. Butcher 2002, S. 147. 2

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und 7g wogen. Bis Augustus wurden dann Münzen ebenfalls mit drei Denominationen und einem Gewicht von ca. 2,5g, 5g und 7,5g geprägt. Vielleicht führte Augustus bei seinem Aufenthalt in Syrien 49/8 v. Chr. größere Veränderungen im lokalen Münzsystem durch, weil sich nun der Gewichtsstandart in Antiocheia und Laodikeia änderte. Die Münzen hatten keine Wertzeichen, man muss also davon ausgehen, dass die Benutzer am Gewicht den Wert der Münzen erkannten.4 Allerdings waren Unregelmäßigkeiten bei den Gewichtstandards gerade im seleukidischen Syrien nicht ungewöhnlich.5 Für die ituraischen Münzen kann Kindler aufzeigen, dass sie offenbar weitgehend dem seleukidischen Gewichtsstandard der Chalkos-, Hemichalkos- und Dilepton-Prägungen folgten.6 Auch dies wird ökonomische Gründe in Bezug auf die Akzeptanz der Münzen als Zahlungsmittel in der Region gehabt haben. Aber es hatte ebenfalls eine ideologische Dimension, denn die Übernahme des seleukidischen Gewichtsstandards war sicher auch ein Zeichen des Selbstverständnisses der ituraischen Dynasten. Hierzu gehört auch die Datierung der Münzen mit der seleukidischen Ära, womit Ptolemaios nach Eckhardt „a statement about legitimate succession based on one of the more important emblems of Seleucid statecraft“ machte.7 Dass außerdem das „L“ entsprechend der Datierungstradition der ptolemaischen Münzen im ehemals ptolemaischen Syrien verwendet wurde, unterstreicht das Bemühen, an die hellenistischen Traditionen der Region anzuknüpfen und dabei auch die Herrschaft des Ptolemaios als Teil dieser langen Tradition darzustellen.8 Technisch scheinen sich eher Parallelen zu den Prägungen des Tigranes von Armenien in Syrien zu ergeben, da diese sich nach Foss ebenfalls durch Gewichtsschwankungen, die Verwendung verschiedener Monogramme sowie Schreibvarianten der Titulatur auszeichneten.9 Dies unterstützt die These, dass der Beginn der Münzprägung des Ptolemaios im Zusammenhang mit seiner Anerkennung durch oder Unterstützung von Tigranes von Armenien steht. Entsprechend der politischen Bedeutung der Münzprägung werden die ituraischen Dynasten gerade die Motive für diese Münzen bewusst gewählt haben. Mehrfach wurde im Verlauf der vorherigen Kapitel bereits darauf hingewiesen, dass die Münzen der ituraischen Dynasten griechische Götter und ihre Symbole in griechischer Form darstellen, auch wenn sich dahinter indigene Vorstellungen verborgen haben könnten.10

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10

Vgl. Butcher 2004, S. 174–178; 206–207. Vgl. die Tabelle bei Houghton 2002, S. 16. Sowie Duyrat 2002, S. 52–53. Kindler 1993, S. 288. Eckhardt 2021, S. 26. Vgl. Myers 2010, S. 30, 156–157. Foss 1986, S. 55, 60–63. Herman 2006, S. 53.

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Abb. 23: Demetrios II. Nikator 129–125 v. Chr., BMC Galatia 7.

Abb. 24: Deiotaros, König von Galatien und Paphlagonien, ca. 62–40 v. Chr., RPC I, 2.

Die Münzen des Ptolemaios mit dem bärtigen Kopf des Zeus mit einem Lorbeerkranz im lockigen Haar weisen dabei nicht nur deutliche Ähnlichkeiten zu einer entsprechenden Prägung des Demetrios II. Nikator von 129–125 v. Chr. in Seleukeia Pieria auf, deren Rückseite die Kappen der Dioskuren über einem Blitzbündel und einen Zweig zeigt.11 Diese Art der Zeus-Darstellung wird auch bei anderen Eigenherrschern auf ehemals seleukidischem Territorium verwendet, so etwa auf den Münzen des Deiotaros von Galatien12 oder Mithradates VI. Eupator von Pontos13. Damit ist unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um ein Porträt des Ptolemaios selbst handelt, wie etwa von Kindler vorgebracht.14 Gerade die Münzen der nördlichen Nachbarstadt Apameia könnten eine der Vorbilder für die Prägungen des Ptolemaios gewesen sein. So gibt es hier etwa auch Avers-Darstellungen eines bekränzten Zeus, die auf 70/69 v. Chr. datiert sind. Etwas später datieren Münzen aus Apameia mit einer Athene mit korinthischem Helm auf dem Avers und einer Nike auf dem Revers.15 Diese mögliche Orientierung an den unmittelbaren Nachbarn sollte dabei doch wohl zuallererst eine Zugehörigkeit des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, zu den seleukidischen Eliten des Großraums Syriens und eine ‚Gleichwertigkeit‘ des 11

BMC Galatia 7; SNG Copenhagen 392. BMC Galatia 7–10. 13 HGC 7; SNG BM 1221–1225. 14 Kindler 1993, S. 288. 15 Zu den Münzen von Apameia im 1. Jhd. v. Chr. vgl. Nurpetlian 2013, S. 20–41. 12

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Abb. 25: Apameia in Syrien, 70/69 v. Chr., BMC Syria 5.

Abb. 26: Apameia in Syrien, 40/39 v. Chr., RPC I 4333–4346.

Abb. 27: Münze des Ptolemaios, SNG Kopenhagen 414.

Abb. 28: Münze der ituraischen Dynasten mit Gegenstempel, Herman 9.a.

von Ptolemaios kontrollierten Raumes mit den griechischen Städten und ihren Territorien unterstreichen. Erkennbar wird bei der Motivwahl des Ptolemaios außerdem, dass die Mehrzahl der Götter ‚wehrhafte‘ Götter waren: Abgesehen von Zeus, der sein Blitzbündel schleudern konnte, trägt Hermes einen Helm ebenso wie Athene. Artemis ist mit Bogen dargestellt und auch die Dioskuren sind in Rüstung mit Waffen abgebildet. Artemis als Göttin der Jagd gehört dabei über die Jagd als herrscherlich Aktivität,

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bei der auch militärischer Kompetenz gezeigt wurde, ebenfalls in diesen militärischen Kontext.16 Dieser wird auch durch die Nähe der Motive gerade zu Apameia betont, denn Apameia war ja eine der wichtigsten Stützpunkte der seleukidischen Armee, wie die Stadt in ihren Münzen etwa auch durch den Elefanten als ReversMotiv unterstreicht.17 Es ist durchaus möglich, dass Ptolemaios damit auch auf eine Rolle in einer militärischen Kommandofunktion unter den Seleukiden verweisen wollte. Es ist sicher kein Zufall, dass dieser Aspekt der Wehrhaftigkeit bzw. der militärischen Qualitäten so großen Raum erhält. Der an einen hellenistischen Offiziersrang angelehnte Tetrarchen-Titel, die Position eines Hohepriesters und die Götter auf den Münzen betonen nämlich die klassischen Aspekte hellenistischen Königtums, wie sie Chaniotis zusammenfasst: „Hellenistic kings founded the legitimacy of their rule not only on dynastic principles, but also to  a great extent on military victories, on  a privileged relationship with the divine (usually in the form of the royal cult), and on their role as benefactors.“18 Militärische Sieghaftigkeit und besondere Beziehung zu den Göttern können dabei mit Titeln und Göttern über die Münzen kommuniziert werden, hier nehmen vielleicht die Dioskuren einen besonderen Stellenwert ein. Ihre Darstellung in Rüstung und mit Waffen erinnert wie gezeigt an die Bilder aramaischer Wetter- und Mondgötter, die ebenfalls mit Waffen wie Bögen, Schwertern und Lanzen abgebildet werden.19 Sie verweisen auf militärische Leistungsfähigkeit zum Schutz der Gemeinschaft. Die göttlichen Zwillinge werden wie angesprochen im syrischen Raum Monimos und Azizos genannt, wobei Monimos möglicherweise mit Mennaios / Monikos, Vater des Ptolemaios assoziiert worden sein könnte.20 Damit liegt hier vielleicht ein beginnender Heroen- oder Herrscher / Gründerkult vor. Die Dioskuren sind aber auch mit dem letzten Punkt der Liste von Chaniotis verbunden, nämlich dem König als Wohltäter. Denn die göttlichen Zwillinge sind Schutzgottheiten, insbesondere von Reisenden, Händlern und Seefahrern.21 Dies könnte nicht nur ein Hinweis auf ökonomische Aktivitäten im Handel sein, sondern ebenfalls auf dessen Schutz bzw. überhaupt den Schutz der Gemeinschaft durch Ptolemaios. Neben der aufgezeigten Wahl der Götter und den Porträts 16 17

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Vgl. Jos. Bell.Jud. 1, 22, 13; dazu van Henten 2016, S. 243. Sartre 2001, S. 181. Chaniotis 2002, S. 106. Theuer 2000, p. 334; Bunnens 2015, S. 111–116; Will 1947–48, S. 21–36; Merlat 1951, S. 229–49. Vgl. Schwentzel 2009, S. 68. Hvidberg-Hansen 2007, S. 14–15, 36, 96–97; Seyrig 1970, S. 77–111; Gawlikowski 2015, S. 252–253; Walker 2015, S. 139–147.

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verdeutlichen dies auch die Füllhörner auf den Münzen von Ptolemaios, auf deren Avers Artemis dargestellt ist.22 Lysanias nimmt die Füllhörner in einer anderen Darstellung auf Münzen mit Tyche auf dem Avers wieder auf.23 Dieses Motiv sollte vielleicht die tryphé hellenistischer Herrscher betonen, also den Wohlstand, den die Herrschaft des Tetrarchen brachte. Es symbolisiert damit eine der wesentlichen hellenistischen Propagandaideale.24 Damit bedienen sich die ituraischen Dynasten eines Bildrepertoires, welches sich gut in die Gepflogenheiten der weiteren Region einfügt. Die autonomen hellenistischen Münzen von Marathos, Gabala, Simyra und Balaneia zeigen z. B. gut vergleichbare Götterbilder.25 Städtische Münzen aus Laodikeia am Meer, die wohl kurz nach der Erlangung der Autonomie 80/1 v. Chr. geprägt wurden, zeigen auf dem Avers die Büste einer Tyche mit Mauerkrone und Schleier sowie auf dem Revers in einem Lorbeerkranz einen auf dem Thron sitzenden Zeus, in dessen ausgestreckter rechter Hand Nike steht und ihm einen Kranz reicht. Dabei führt Mørkholm das Tyche-Motiv auf ein Vorbild aus Arados von 138/7 v. Chr. zurück, während er für den thronenden Zeus auf Vorbilder aus Antiocheia verweist.26 Auch die Münzen der östlichen Nachbarstadt Damaskos könnten als Vorbilder fungiert haben. Auf den für Demetrios III. und Antiochos XII. geprägten Silbermünzen zeigen die Rückseiten nämlich überwiegend eine lokale weibliche Göttin, bei der es sich offenbar um eine lokale Variante der Atargatis handelte, die aber Attribute von Artemis, Aphrodite und Athene übernahm. Außerdem wird Hadad als ihr Begleiter dargestellt, der mit Zeus assoziiert werden konnte. Unter Aretas III. und Tigranes II. wurde die Tyche der Stadt auf den Rückseiten der Münzen dargestellt.27 Für die Motive des Lysanias könnten auch die römischen Prägungen aus Antiocheia Vorbild gewesen sein, denn hier fanden sich Obolen mit der Darstellung des Zeus, Hexachalkon-Prägungen mit der Darstellung von Zeus und Tyche, HemiobolenPrägungen mit Zeus und verschiedenen Rückseitenmotiven, Dichalkoi mit Tyche 22 23

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Herman 2006, S. 64. Kindler 1993, S. 284; Herman 2006, S. 66. Galbois 2013, S. 116. So wurde es ja auch auf ptolemaischen Münzen verwendet, vgl. Müller 2021, S. 86–87. Marathos: Tyche in einer Version mit den Kappen der Dioskuren auf dem Revers, ein Göttinnenporträt mit verhülltem Kopf und Asklepios oder dem Heroen Marathos sowie anderen Motiven auf dem Revers, ein makedonischer Schild, den Kopf des Zeus in einer Version mit Athene auf dem Revers, den Kopf des Hermes, den Kopf eines bärtigen Gottes, die Büste einer Göttin mit Lorbeerkranz sowie den Kopf des Herakles.Gabala: Prägungen mit dem Kopf der Tyche, dem Kopf einer Göttin mit polos, dem Kopf des Zeus, dem Kopf der Medusa, dem Kopf des Helios sowie dem Kopf der Athene. Simyra: Tyche ebenfalls in einer Version mit Athene auf der Rückseite, dem Kopf des Zeus sowie die Büste einer Göttin mit bedecktem Kopf. Balaneia: Darstellungen der Tyche, des Helios und des Hermes, nach Duyrat 2002, Katalog S. 22–44. Mørkholm 1983, S. 90–91. Hoover / Houghton / Veselý 2008, S.  311–314.

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und diversen Rückseiten sowie Chalkos-Prägungen mit Artemis und Apollon.28 Die Auswahl der Motive der ituraischen Münzen passt also gut in diese Nachbarschaft, was sicher vor allem auch die Akzeptanz der Münzen im Großraum erleichtern sollte. Aber es war eben auch eine programmatische Entscheidung, die die Zugehörigkeit der Ituraier in diese Nachbarschaft und ihr hellenistisches Erbe betonte. Denn dass sich die ituraischen Dynasten für ‚klassische‘ Darstellungen auf ihren Münzen entschieden, war keine alternativlose Option. Gerade die späten Seleukiden ließen erkennbar lokale Götter in traditioneller Ikonographie auf Münzen zu, wie Athene von Margasia, Sandan, Ba’al Hadad und Atargatis. Diese Entwicklung wird von Wright als Ausdruck des Niedergangs der seleukidischen Autorität gewertet, die nun Rücksicht auf „regional sensibilities“ hätte nehmen müssen, um lokale Unterstützung zu gewinnen.29 Andererseits bescheinigen andere Forscher gerade den Seleukiden in ihrer Münzprägung ein großes integratives Interesse. So wertet etwa Erickson die intensive Verwendung insbesondere von Apollon als Indiz für die Propagierung eines Gottes, der von einer sehr heterogenen Bevölkerung gut mit den eigenen Hauptgöttern identifiziert werden konnte, so dass die Legitimität der Dynastie gegenüber möglichst vielen Adressaten betont werden konnte.30 Hierzu gehört vielleicht ebenfalls die von den Seleukiden eingeräumte Möglichkeit der eigenständigen Kleingeldprägung. Gerade die phoinikischen Städte hatten im Laufe der seleukidischen Herrschaft das Privileg zur Prägung eigener (Bronze) Münzen erhalten.31 Für Andrade beschritt Antiochos IV. mit seiner Verleihung dieses Privilegs an mindestens 18 Städte einen neuen Weg zur Integration der Städte in sein Reich, denn diese hätten durch die lokale Interpretation griechischer Motive gleichzeitig diese lokale Identität ausdrücken und sie aber auch fest im hellenistisch-seleukidischen Reichsrahmen verorten können.32 Indessen scheint Antiochos IV. auch indigene Gemeinschaften als poleis aufgewertet und ihnen damit die Möglichkeit gegeben zu haben, diese eigene Form der Zugehörigkeit zur hellenistischen Welt auszudrücken.33 In diesem Kontext muss die Auswahl der Motive auf den Münzen der ituraischen Dynasten als bewusste Entscheidung gewertet werden, sich in einem ‚seleukidischen Sinne‘ an eine wie in den vorangegangenen Kapiteln rekonstruierte heterogene Bevölkerung in ihren Territorien zu wenden und diese durch die Verwendung der griechischen Äquivalente möglicher indigener Göttervorstellungen zu binden. Dass dabei für die Betrachter die spezifische Art der Darstellung etwa der Dioskuren durch Ptolemaios, Sohn des Mennaios, in besonderer Weise als hellenisierte 28

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Weiser / Cotton 1996, S.  253. Wright 2005, S. 76; vgl. Wright 2012, S. 41–44. Erickson 2009, S. 249. Kadman 1961, 18–20. Andrade 2013, S. 38, 50 und 51; vgl. Wright 2012, S. 33–34, 41–44. Andrade 2013, S. 54–55.

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Varianten lokaler Vorstellungen erkennbar gewesen sein könnte, funktionierte aber vielleicht weniger als Zeichen von Schwäche und Anbiederung an die lokale Gemeinschaft im Sinne der Interpretation durch Wright, sondern eher im Gegenteil als Zeugnis der Leistungsfähigkeit des Münzherrn, auch gegenüber diesen lokalen Göttern als Schutzpatron aufzutreten. Als ein solches Zeichen von Stärke werden vermutlich auch die seleukidischen Lokalgötter-Prägungen gemeint gewesen sein. In diesem Sinne müssen die Münzen der ituraischen Dynasten als Medium verstanden werden, das deren Herrschaftsanspruch im Kontext einer hellenistischen Herrschaftsideologie vermittelte. Damit scheinen die ituraischen Dynasten vor allem ihren Platz als legitime, da den hellenistischen Vorstellungen entsprechende, Herrscher in der Welt der Nachfolgereiche betont haben zu wollen. Dies gilt umso mehr, weil die Dioskuren sowohl seleukidische, als auch ptolemaische und römische Vorbilder als Münzmotive hatten und damit in allen drei Kontexten gelesen und mit Herrschaft assoziiert werden konnten. Hierzu passt vor allem die Darstellung der Dioskuren in seleukidischer Herrschertracht, die für Cadario über eine reine Betonung der Wehrhaftigkeit dieser Götter hinausgeht. Er sieht in den Rüstung tragenden Dioskuren auf den Münzen des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, die ältesten Beispiele Rüstung tragender Götter, deren Kleidung keine Mode gewesen sei, sondern „the use of the contemporary royal self-representation“ verwendet habe „to the dignity and the role of these local divinities.“34 Dabei diskutiert Cadario auch eine in der Beka-Ebene gefundene Statue eines „archer god“, also eines Bogen führenden Gottes, der die Bedeutung dieser Symbolik für die Beka-Ebene unterstreiche.35 Wie wirkmächtig als Prestige- und Legitimationsgeber dabei gerade eine an die makedonisch-seleukidischen Vorgänger angelehnte Bildersprache war, zeigt sich vielleicht auch an anderen Beispielen: in den späthellenistisch-frühkaiserzeitlichen Gräbern von Tillya-Tepe in Nordafghanistan fand sich neben anderen offenkundig Prestige vermittelnden Beigaben auch eine Schnalle aus lokaler Produktion, die ein den ituraischen Dioskuren sehr gut vergleichbares Motiv mit einem makedonisch gekleidet und bewaffneten Kämpfer zeigt. Pfrommer sieht dabei in der „Kontinuität des Repertoires […] ein Vehikel politischer Propaganda“, das durch „die Übernahme von Göttern wie auch die Usurpation dynastischer Repräsentationsformeln die geradezu programmatische Proklamation herrschaftlicher Kontinuität wie Legitimität“ vermitteln sollte.36 Und ähnliche Botschaften sollten auch die Terrakotta-Objekte aus Kampyr Tepe in Baktrien zeigen, in denen u. a. Männer in makedonischer Rüstung abgebildet sind.37 Dieser Aspekt wird sicher auch die Entscheidung zur Darstellung der Dioskuren auf den ituraischen 34

Cadario 2020, S. 240–241, Zitat S. 241. Cadario 2020, S. 240. 36 Pfrommer 1996, S. 113. 37 Nikonorov / Savchuk 1992, S.  50. 35

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Abb. 29: Schnalle aus Tillya-tepe, Pfrommer 1996, S. 111 (vergrößert).

Abb. 30: Terrakotta-Plakette aus Kampyr Tepe, aus: Nikonorov / Savchuk 1992, S. 50 (vergrößert).

Münzen in makedonisch-hellenistischen Tracht bestimmt haben. Denn auch wenn diese für die indigene Bevölkerung als hellenisierte Variante lokaler Zwillingsgötter erkennbar gewesen sein könnten und damit dieser indigenen Bevölkerung ein Kommunikationsangebot machten das gleichzeitig auch die Legitimation der Herrschaft des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, durch die lokalen Götter betonen konnte, verband sich diese Botschaft aber eben mit einer seleukidischen Bildsprache. Diese stellte die ituraischen Dynasten sehr augenfällig in die Nachfolge der Seleukiden und sollte ihnen damit vielleicht eine Art ‚doppelter‘ Legitimation eben durch die indigenen wie lokal bekannten Götter und gleichzeitig die (reale oder nur behauptete) Einsetzung in die Herrschaft durch die Seleukiden verschaffen. Hier spielte sicher auch der Aspekt der Konkurrenz zu den Nachbarn eine wichtige Rolle, in deren Kreis man sich behaupten musste.38 Auch im Kontext dieser Rechtfertigung vor den Nachbarn war es für Ptolemaios und seine Nachfolger wichtig, sich in einem lesbaren und akzeptierten Rahmen darzustellen, um gegenüber rivalisierenden Ansprüchen die eigene Stellung zu behaupten. Dazu war auch die Betonung einer dynastischen Legitimation nötig. So unterstrich 38

Baltrusch 2012, S. 235: Herodes versucht sein Legitimitäts-Problem u. a. durch Euergesien in der griechischen Welt zu kompensieren, so dass er bei der Eröffnung von Caesarea Gesandtschaften aus dem ganzen griechischen Raum willkommen heißen konnte, die die Akzeptanz seiner Herrschaft im „Außen“ auch im Inneren stärken sollten.

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Lysanias auf seinen Münzen seine Abstammung von Ptolemaios durch verschiedene Monogramme für Ptolemaios neben seinem Porträt39, sowie durch die Verwendung zweier aramaischer Buchstaben, die Kindler zu „Sohn des Mennaios“ auflöst.40 Sollte diese Auflösung zutreffen, ist das sicher im Sinne einer Nachkommenschaft zu Mennaios zu verstehen und sollte damit eine Legitimität der Nachfolge durch Abstammung zeigen. Zenodoros nimmt in diesem Sinne etwa das Zeus-Motiv des Ptolemaios auf.41 In ähnlicher Weise zeigen auch die beiden Herrscherporträts auf den Münzen, nämlich von Lysanias und Zenodoros, deren Bemühen, sich in diesem durch das Eingreifen der Römer verändernden Milieu der Klientelreiche als anerkennungswürdige Herrscher zu verorten. Lysanias prägte in der relativ kurzen Zeit seiner Regierung nach dem Tod seines Vaters wohl 40 v. Chr. Münzen mit seinem Porträt auf dem Avers. Dieses Porträt bildet ihn mit einem hellenistischen Diadem ab.42 Es wurde bereits diskutiert, ob dieses Diadem als Zeichen einer Königswürde für Lysanias verstanden werden kann. Schwentzel überlegt, ob es ihm nicht für seine Hohepriesterwürde verliehen wurde.43 Das mag plausibel erscheinen, angesichts der oben angestellten Überlegungen ist aber vielleicht eher von einer bewussten Nutzung dieses Attributes im Kontext der Konkurrenz zu den Nachbarn auszugehen. In seiner Beschreibung des wenig vorteilhaften Porträt betont Kropp insbesondere die Orientierung an den spätrepublikanischen veristischen Porträts.44 Diese Übernahme römisch-spätrepublikanischer Porträteigenschaften und Betonung der Zugehörigkeit zu diesen „old, experienced, disciplined men“ lässt sich auch bei anderen Klientelherrschern aufzeigen.45 Es ist eine Abkehr von hellenistischen Königsporträts, die oft jugendliche und idealtypische Züge der Herrscher vermittelten.46 Dies weist wieder genau in die aufgezeigte Interpretationsrichtung: Lysanias wollte mit seinem Porträt zeigen, wie gut er über die stilistischen Entwicklungen der (neuen) Zentralmacht unterrichtet war und damit den Römern gegenüber seine Eignung als Tetrarch beweisen. Kropp betont, dass 39

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Herman 2006, Nr. 10.1–10.t4, 12.1–12.b1. Kindler 1993, S. 284. Herman 2006, Nr. 13.1–15.a2 Herman 2006, Nr. 10.1–10.t4. Schwentzel 2009, S. 69. Kropp 2013, S. 78–80: „On the obverses the tetrarch is depicted with striking realism, as an elderly man with large ears, ‚huge, sagging, rather comical nose shaped like a sausage‘, a prominent chin, and a protruding Adam’s apple. He has short-trimmed orderly hair and wears a thin diadem. These portraits are modelled after the hard-bitten veristic style of Late Republican portraits. They fall in  a whole series of philorhomaioi who chose to depict themselves in the fashion of Roman senators to make a programmatic pro-Roman statement.“ Fleischer 1996, S. 139. Vgl. Galbois 2013, S. 118–119.

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Abb. 31: Münze des Lysanias mit Diadem, unter dem Kinn Monogramm ΘΕ, was als Abkürzung für Tetrarch gedeutet wird, Athene Nikephoros auf dem Revers mit der Legende archiereus, RPC 1, 4770.

Abb. 32: Augustus und Zenodoros auf einer Prägung des Zenodoros, RPC 1 4775.

Lysanias über das Maß der von anderen Klientelkönigen angewandten Imitatio hinausging und damit ganz bewusst seine Loyalität zu den neuen Machthabern im Osten unterstrich.47 In diesem Sinne einer besonderen Loyalitätsbezeugung gegenüber Rom muss auch das Porträt des Zenodoros verstanden werden, welches er auf dem Revers von Münzen prägte, die auf dem Avers ein Porträt Octavians zeigen. Kropp betont dabei vor allem die hochwertigere Ausführung des Porträts des Octavians gegenüber dem des Zenodoros.48 Zenodoros’ Münzen sind die ersten Münzen im jetzt römischen Nahen Osten, die ein Porträt des princeps zeigen – ohne Zweifel Ausdruck des besonderen Dankes, den Zenodoros Octavian / Augustus für die Ernennung zum Tetrarchen schuldete bzw. ausdrücken wollte. Anders als Lysanias trägt Zenodoros kein Diadem, die Münzen geben für ihn aber den gleichen Titel 47

Kropp 2013, S. 78–80: „These crude images show him with huge bulging eyes, a large straight nose, small pouting mouth, and a peculiarly long neck. The hair is cropped and he does not seem to wear a diadem. The portraits have vague similarities with those of Octavian / Augustus on the obverse of the same coins, where the eyes are likewise bulging and the nose is very prominent. But the emperor’s portraits are executed with greater care and more individualized features. Zenodoros also has  a very unusual hairstyle with long straight hair all combed back. Even though the rendering of the portrait is schematic, one can clearly see the contrast with the voluminous locks of Octavian on the obverse. Among Eastern client rulers, this hairstyle seems to be unique.“ 48 Kropp 2013, S. 80.

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Tetrarch und Hohepriester an. Aber während das Porträt des Octavian sich offenbar an offizielle Darstellungen des jungen princeps hielt49, scheint das Porträt des Zenodoros abgesehen von der Frisur stärker an hellenistischen Königsporträts, denn an den Bildern seines Vorgängers Lysanias orientiert. Vielleicht war dies ein Versuch, wenn schon nicht das Diadem zur Verfügung stand, dann doch wenigstens auf diese Weise den eigenständigen Herrschaftsanspruch auf den Münzen sichtbar zu machen. Die ungewöhnliche Frisur könnte lose etwa von den Frisuren des Marcus Antonius und des Octavian auf gemeinsamen Prägungen der Zeit vor dem Bürgerkrieg inspiriert worden sein.50 Dies würde ein gewisses Selbstbewusstsein des Zenodoros erahnen lassen, der zwar einerseits die nötige Dankbarkeit für die Etablierung als Tetrarch zeigt, andererseits aber im eigenen und leicht kleineren Porträt seine ‚Unabhängigkeit‘ betonte. Interessant ist, dass er mit dieser Art Münze mit Reichsherrscher auf der einen und lokalem Herrscher auf der anderen Seite offenbar auf das von Kleopatra und Antonius im ituraischen Herrschaftsbereich etablierte Modell zurückgriff: Die Prägungen der Kleopatra zur Zeit ihrer Herrschaft über Chalkis zeigen ihr Porträt auf dem Avers. Es entstanden auch Tetradrachmen mit dem Porträt der Kleopatra auf der Vorder- und dem des Antonius als Triumvir auf der Rückseite. Der Prägeort dieser Münzen ist umstritten, Butcher scheint Antiocheia zu favorisieren, wo Antonius wegen des geplanten Feldzugs Münzmeister zur Verfügung standen.51 Das Porträt des Antonius findet sich in Syrien auf Münzen aus Antiocheia, Balaneia, Arados, Marathos, Tripolis (wohl von 42/1 mit Fulvia) und Ake-Ptolemaïs. Kleopatras Porträt ist auf Tetradrachmen mit Antonius abgebildet, sowie auf Münzen aus Orthosia, Tripolis (mit Antonius, wohl von 35/4), Dora, Chalkis (wohl von 32/1 mit Antonius, wenn die Zuweisung stimmt) und Damaskos (wohl zwei Prägungen 37/6 und 33/2). Das Porträt von Augustus wurde dann in Syrien nur von Damaskos und Chalkis übernommen.52 Aus der Triumviratszeit gibt es darüber hinaus auch Münzen mit Octavian auf dem Avers und Marcus Antonius auf dem Revers.53 Auch hier wäre die Gestaltung der Münzen des Zenodoros wieder eine Balance zwischen Rückgriff auf eine lokale Tradition, die in diesem Fall allerdings vom Rivalen des 49

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Große Ähnlichkeit besteht in Gesichtsaufbau und Augen, aber auch in der Gestaltung der Haare z. B. mit dem Porträt auf einem Kistophoros aus Ephesos (RPC I 2215), wohingegen das Porträt in RPC 4100 insbesondere bei Kinn und Haaren anders gearbeitet ist. Z. B. Marcus Antonius auf RRC 529/3; Octavian auf RRC 517/2; Marcus Antonius und Lucius Antonius auf RRC 517/5. Vgl. aber z. B. auch die Münzen von Juba II. von Mauretanien, dessen Frisur und der Porträtstil gewisse Ähnlichkeiten zu den Münzen des Zenodoros zeigen: z. B. SNG Copenhagen 552, 592, 593. Vgl. Butcher 2004, S. 55–57. Vgl. Burnett 2002, S. 121. Die Zuweisung zu einem Prägeort Chalkis erfolgt aber durch die Forschung! Z. B. Sydn. 1181, RRC 517/2

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Abb. 33: Marcus Antonius und Kleopatra VII., 32–31 v. Chr., SNG Kopenhagen 383, Bild: wildwinds.com

aktuellen römischen Herrschers geschaffen wurde, und Dankbarkeitsbezeugung diesem aktuellen römischen Herrscher gegenüber. Schwentzel diskutiert die Legende der Münzen des Zenodoros, die neben Octavian die Buchstaben NE KAI aufweist. Dies löst er in die Worte NE(OΣ) KAI(ΣAP) auf, während in seinen Augen angesichts der Datierung wohl auf 26/25 v. Chr. eine Bezeichnung des nun zu Augustus gewordenen princeps als ΣEB(AΣTOΣ) zu erwarten gewesen wäre.54 Wenn die Buchstaben von Schwenztel korrekt aufgelöst wurden, könnte es sich hier um eine bewusste Entscheidung des Zenodoros gehandelt haben: Wenn er nicht der Sohn des Lysanias, sondern vielleicht nur dessen Verwandter war, wäre mit dieser Legende, die ja auf die Legitimation des Octavian / Augustus durch die Adoption durch Caesar verweist, auch die eigene Stellung gerechtfertigt. Auch dies könnte Zeugnis eines gewissen Selbstbewusstseins des Zenodoros sein. Andererseits weist Kindler zurecht darauf hin, dass das Monogramm NE bereits bei Ptolemaios, Sohn des Mennaios, auf einigen seiner Münzen erscheint, so dass es vielleicht nicht in Verbindung zu der Legende KAI(ΣAP) steht. Dies oder ΣEB(AΣTOΣ) findet sich dagegen seit Kindler ab 6 n. Chr. auf den Münzen der römischen Prokuratoren in Judaia.55 Das macht es insgesamt sehr schwierig, zu einer überzeugenden Deutung der Buchstaben zu kommen. Wenn die Münzen des Zenodoros aber Aussagen zu seinem Selbstverständnis und seiner Dankbarkeit gegenüber Rom vermitteln wollten, war dies dann auch an Rom gerichtet? So geht etwa Dahmen davon aus, dass die Klientelkönige bewusst auch an die Wirkung ihrer Münzen in Rom dachten.56 Grundsätzlich dienten Münzen der Verbreitung politischer und ideologischer Botschaften an ein breites Publikum, was umso mehr für Bronzemünzen gelten muss, die als Alltagsgeld in allen Bevölkerungsschichten zirkulierten, dafür aber einen begrenzteren überregionalen Verbreitungsgrad als Silber- oder Goldmünzen hatten.57 Kropp weist 54

Schwentzel 2009, S. 70. Kindler 1993, S. 284–285. 56 Dahmen 2010, S. 111. 57 Vgl. Erickson 2009, S. 26–27. 55

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darauf hin, dass Münzen, aber auch andere Monumente und damit auch alle auf ihnen durch Bilder oder Inschriften getroffenen Aussagen, Propaganda für die lokalen Adressaten der Klientelfürsten gewesen seien. Denn die Zentralmacht sei nur selten mit diesen für den lokalen Gebrauch bestimmten Münzen in Berührung gekommen. Ihre Botschaften hätten dabei sowohl den Herrschaftsanspruch der Klientelfürsten als legal präsentieren, wie auch die lokale Identität dieser Fürsten betonen sollen.58 Etwas vorsichtiger formuliert Butcher in seinen Überlegungen zur Bedeutung städtischer Münzprägungen in Syrien. Er diskutiert dabei die Frage nach „authority and audience“ dieser Münzen, die wesentliche Elemente zur Bestimmung der Bedeutung städtischer Münzmotive seien. Diese seien „an expression of identity“, wobei bei den städtischen Münzen die Frage nach der ihre Motive bestimmenden Autorität noch offenbleiben müsse. Dabei sei insbesondere die Nutzung von indigenen Gottheiten und Symbolen ein wichtiger Indikator für die Identität einer Gruppe, wobei die herrschenden Mächte ihren Städten und anderen Untereinheiten durchaus die Betonung einer eigenen Identität zugestanden hätten, um diese besser in das Ganze integrieren und beherrschen zu können.59 Blickt man vor diesem Hintergrund auf die einzelnen Dynasten der Ituraier, ergibt sich ein deutliches Bild: Alle drei bemühten sich insbesondere, ihre Kenntnisse um die Gepflogenheiten der Zentralmächte und ihre Dankbarkeit diesen gegenüber ins Bild zu setzen. Diese große Bereitschaft, die eigene Herrschaft im Kontext einer seleukidisch-hellenistischen und dann römischen ‚Leitkultur‘ zu kommunizieren, wird auch an der Namenswahl für ihre Nachfolger deutlich, denn Mennaios und seine Nachfolger trugen mit Ptolemaios, Philippon, Lysanias und Zenodoros griechische Namen, während die Nachbardynastie in Arka überwiegend indigene Namen wählte.60 Auch dies muss als bewusste Entscheidung zu einer hellenistischen Herrschaftsrepräsentation der Dynastie von Chalkis verstanden werden, wobei sich dabei die bereits angesprochene mögliche Konkurrenz der beiden Dynastien in Chalkis und Arka jeweils verstärkend auf diese Tendenz ausgewirkt haben könnte. Dies könnte eine der Gründe gewesen sein, warum sich Arka im 3. Jhd. n. Chr. auf Münzen Caesarea Ituraeorum nannte und damit auf die Vergangenheit als Zentrum eines ituraischen Herrschaftsbereiches hinwies.61 Es ist aber vielleicht auch ein Indiz für die bewußt ‚indigene‘ Legitimationsstrategie der Dynasten von Arka, die mit ihren Eigennamen und der Betonung ihres ituraischen Hintergrundes einen anderen Weg gingen als die Dynasten von Chalkis. Gleichzeitig spricht die Umbenennung ihrer Hauptstadt in Caesarea dafür, dass man auch hier mit einer großen Geste Loyalität und Ehrung gegenüber der Zentralmacht Rom ausdrücken 58

Kropp 2013, S. 8–10, S. 382–384. Butcher 2005b, S. 145–147 und 151–153. 60 Wright 173, 2013, S. 58. 61 Für Butcher war dies entweder ein Verweis auf diese ethnische Vergangenheit oder aber zumindest der Versuch der prägenden Autorität, dieses Caesarea von anderen Städten dieses Namens zu unterscheiden: Butcher 2005b, S. 148. 59

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wollte. So ist ja auch die Namensgebung für die herodischen Städtegründungen in Caesarea Maritima und Sebaste zu verstehen.62 In diesem Kontext ist noch einmal nach den Hauptstädten der ituraischen Dynasten zu fragen. Chalkis war die Hauptstadt des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, und seines Sohnes und Nachfolgers Lysanias. Auch Kleopatra könnte den Ort als Verwaltungszentrum beibehalten zu haben, begann aber vielleicht wie oben spekuliert bereits mit dem Ausbau eines neuen Zentrums in Heliopolis. Was aber geschah mit Zenodoros? Die Erlangung einer lokalen Herrschaft durch eine entsprechende Privilegierung aus Rom scheint mit dem offenkundigen Wunsch der Römer nach der Errichtung einer neuen Hauptstadt verbunden gewesen zu sein: Herodes gründete sie mit Caesarea Maritima, die Emesener gründeten sie vielleicht in Emesa, die Nabataier in Bosra, für Lysanias von Abila wurde Abila errichtet, die Dynasten von Arka gründeten ihre Hauptstadt offenbar als Caesarea ‚neu‘.63 Musste auch Zenodoros eine neue Hauptstadt gründen? Und tat er dies vielleicht in Heliopolis, wo möglicherweise bereits von Kleopatra mit einem Bauprojekt begonnen worden war, welches er dann fortführte? Eine solche These würde erklären, warum sich später ein Grabmal für Zenodoros, Sohn eines Tetrarchen Lysanias, in Heliopolis fand. Und sie böte auch den Hintergrund zum Verständnis zahlreicher hellenistischer Architekturfragmente, die bei den deutschen Grabungen in Heliopolis / Baalbek ans Licht kamen und bislang noch nicht zufriedenstellend gedeutet werden konnten.64 Es wäre auch eine Erklärung für die von Lohmann und Kropp postulierten Ähnlichkeiten zwischen der ersten Bauphase des JupiterTempels in Heliopolis und dem herodianischen Großen Tempel in Jerusalem.65 Beide Gebäudekomplexe wären dann nämlich etwa zeitgleich konzipiert und in direkter Konkurrenz ihrer Bauherren zueinander begonnen worden. Dies wirft auch die Frage auf, ob sich die ituraischen Dynasten in ähnlicher Weise als Bauherren betätigten, wie dies vor allem für Herodes bezeugt ist.66 Da Chalkis noch nicht lokalisiert ist, können keine Aussagen über dessen mögliche Gestaltung durch die Dynasten getroffen werden. Auch für Arka gibt es nur sehr kurze Nachrichten über die hellenistische Besiedlung, die eine eventuelle Baupolitik 62 63 64

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66

Vgl. Eck 2005, S. 221; Millar 2004, S. 237–238; Marshak 2015, S. 106–107, 148–149; Lichtenberger 2009b, S. 46–48. Zu Caesarea Maritima: Richardson 1996, S. 178; zu Bosra: Bowersock 1983, S. 73–74; vgl. Healey 2001, S. 31–32. Diese These beruht auf Erkenntnissen aus meiner Teilnahme am Baalbek-Workshop des DAI in Berlin im April 2019 und Gesprächen mit Holger Wienholz, einem der langjährigen Mitglieder des Baalbek-Teams des DAI. Sie bedarf sicher einer genaueren Überprüfung und auch einer detaillierteren Diskussion des Materials, was zum aktuellen Zeitpunkt leider noch nicht geschehen konnte. Kropp 2013, S. 277–280; Lohmann 2014, S. 65–66; Kropp / L ohmann 2011, S. 47–49. Zum Bauprogramm des Herodes vgl. Richardson 1996, S. 176–183, Rocca 2008, S. 96–123, Marshak 2015, S. 119 ff.

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seiner Dynastie nicht erkennen lassen. Für Abila liegen zwar epigraphische Erkenntnisse zu einem großen Bauprojekt eines Freigelassenen des Dynasten Lysanias vor, eigene Bauten des Dynasten können aber noch nicht benannt werden. Zwei Monumente können aber für den Aspekt der Repräsentation durch Bauwerke der Dynasten herangezogen werden: Das Monument vom Hermel und die erste Bauphase des Tempels von Horvat Omrit. Das Monument vom Hermel, oder Qamu’at al-Hirmel, wird in der Forschung als Grabmal eines ituraischen Dynasten verstanden und ins 1. Jhd. v. Chr. datiert.67 Das Hermel-Monument ist ein zweigeschossiger Turm mit pyramidalem Dach, dessen erstes Geschoss durch Friese mit Jagdmotiven verziert war. Eine mögliche Bauinschrift ist heute verloren. Oenbrink betont in seiner Analyse, dass neben der Aufnahme hellenistisch-römischer Bauelemente auch regionale Traditionen, so in der steilen Pyramide als Dachabschluss, aufgenommen wurden.68 Auch Kropp unterstreicht diesen lokalen Aspekt des Monumentes. Er interpretiert die Jagdszenen im Kontext der Jagd als klassischer aristokratischer Freizeitbeschäftigung, der insbesondere auch die persischen Großkönige nachgingen. Damit sei das Monument Ausdruck der Selbstrepräsentation einer hoch gestellten Persönlichkeit, vielleicht eines ituraischen Tetrarchen.69 Denn die Jagd war auch beim ägyptischen, persischen und makedonischen Adel eine wichtige repräsentative Freizeitbeschäftigung, die insbesondere herrscherliche Qualitäten betonen sollte. Entsprechend prestigeträchtig und beliebt waren Darstellungen von Jagdszenen.70 Dass das Jagd-Motiv eine Verbindung zu den ituraischen Dynasten hatte bzw. von diesen als Teil ihrer Repräsentationsstrategie verwendet wurde, könnte durch die angesprochene Wahl der Artemis für Münzen der Dynasten plausibel gemacht werden. Jagd spielte in der weiteren Region offenbar eine große Rolle, wie zahlreiche Felszeichnungen mit Jagdszenen z. B. aus dem Hauran belegen.71 Damit stellte sich der Erbauer des Monuments deutlich in eine Herrschaftstradition, wie sie von den Zentralmächten vorgelebt wurde: Seine Repräsentationsstrategie zielte also auf den Nachweis einer ideellen Nachfolge seiner Herrschaft auf 67

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69 70 71

Oenbrink 2000, S. 203–204. Eine Bauinschrift war nach Perdizet vielleicht auf einer Bronzetafel angebracht, deren Halterungslöcher noch erkennbar seien. Perdizet weist auch darauf hin, dass die Jagdszenen zwar die gejagten Tiere und die jagenden Hunde zeigen, nicht aber die Jäger – dies führt er auf eine aramaisch-semitische Tradition der Ablehnung von Personendarstellungen zurück. Für ihn handelt es sich daher auch nicht um ein Grabmonument, sondern um ein Memorialmonument, das möglicherweise als Grenzmarkierung zwischen dem ituraischen und dem emesenischen Territorium diente, wobei Perdizet es als ein Monument der Emesener Herrscher versteht: Perdizet 1938, S. 52 ff. Oenbrink 2000, S. 198–201. Kropp 2010b, S. 207–208. Zur Rolle der Jagd als herrscherliche Aktivität, die die Griechen von den Persern rezipierten, siehe auch Rösener 2000, S. 21. Vgl. Rösener 2000, S. 18–23. Vgl. Rawan 2013, S. 81–83.

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Abb. 34: Das Hermel-Monument, Foto: Blas de Roblès et al. 2004, S. 162.

diese Zentralmächte und einen damit begründbaren Anspruch auf das durch das Monument markierte Territorium. Die lange und weit verbreitete Tradition der Verbindung von Jagd und Herrschaft machte dieses Element der Repräsentation dabei in besonderer Weise für ganz unterschiedliche Untertanengruppen zugänglich. Auch die ersten drei Bauphasen des späteren Tempels von Horvat Omrit könnten, wie bereits angesprochen, auf die Bautätigkeiten ituraischer Herrscher zurückgehen, die die Region um Omrit bis zur Übergabe an Herodes unter Augustus kontrollierten.72 In Horvat Omrit wurde zu einem chronologisch nicht genauen definierbaren Zeitpunkt ein erstes Monument errichtet, dessen Boden unter dem frühesten Altar gefunden wurde und von dem offenbar auch Blöcke in diesem frühesten Altar („early Shrine“) wiederverwendet wurden. Diese früheste Struktur wurde also offenbar für die Anlage des sog. „early Shrine“ abgetragen, der „early Shrine“ selbst erlebte dann zwei Bauphasen. Nelson überlegt, ob dieses erste Monument als Heroon, Mausoleum oder monumentaler Altar anzusprechen sein könnte.73 Damit ergeben sich für diese frühen Bauphasen Ähnlichkeiten zu dem Monument auf dem Hermel. Beide könnten als eine Art Kombination aus Grab / Kenotaph / Heroon und Territorialmarker für den ituraischen Herrschaftsbereich an dessen Nord- bzw. Südgrenze gedient haben. Würde die erste Bebauung aus der Zeit des Ptolemaios, Sohn des Mennaios, stammen, ergäbe sich so auch die

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Berlin 2015, S. 3–4. Nelson 2015, S. 3.

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Motivation zur Errichtung von ES1 und ES2 durch seine Nachfolger, die damit den Herrschaftsanspruch über dieses Gebiet und dessen ‚lange‘ Tradition betonen konnten. Das Monument ES1 erhielt vielleicht erst in einer zweiten Bauphase eine Temenos-Mauer, die einerseits die Sichtbarkeit des Monuments veränderte, andererseits aber auch für dessen architektonische Aufwertung sorgte. Die Mauer war vermutlich nicht höher als der Tempel, aber hoch genug, um die Sicht auf ihn teilweise zu verdecken, weshalb offenbar ein Fenster zur Sichtbarmachung des Ensembles von außen in die Mauer eingelassen wurde.74 Schrein und Temenos-Wände waren in Gestaltung und Ausstattung sowohl der Architektur wie auch deren Verzierung durch bunten und teils als Relief gearbeiteten Putz qualitativ hochwertig angelegt und entsprachen offenbar dem hellenistischen Zeitgeschmack.75 Mindestens die Temenos-Wand erlebte mehrere Umgestaltungsmaßnahmen mit Veränderungen und Erneuerungen des Dekors.76 Der Bau offenbart eine komplexe Rezeption lokaler und überregionaler, auch römischer Trends. Gleichzeitig zeigt die Gestaltung des Baus nach Nelson, dass „a […] desire to commemorate former monuments“ erkennbar sei. Dazu wurde eine aus der ersten Bauphase stammende Mauer auch in weiteren Phasen erhalten und diese durch eine ihr gegenüber eingerichtete Opfernische betont.77 Vermutlich ist die gleiche Ausrichtung aller Tempel ebenfalls ein Zeichen der bewussten Kontinuität. Auch wenn die beschriebenen frühen Bauphasen nicht präzise datiert werden können, könnte das erste Monument etwa anlässlich der Herrschaftsübernahme über das Gebiet durch die ituraische Dynastie an dieser strategisch wichtigen Stelle entlang der Route von Galilaia nach Damaskos angelegt worden sein. ES1 könnte dann etwa anlässlich der Nachfolge des Lysanias oder auch dessen Bestätigung durch Marcus Antonius errichtet worden sein, während mit ES2 eine Bauaktivität des Zenodoros zu greifen sein könnte. Dieser hatte – ob noch als Pächter des Gebietes oder dann als eigenständiger Tetrarch – allen Grund dazu, seinen Anspruch auf das Gebiet durch eine Aufwertung eines vermutlich von seinen Vorgängern errichteten Monuments kenntlich zu machen. Entsprechende Überlegungen stellte bereits Berlin an.78 Sollte diese These zutreffen, würde sich das beschriebene stilistische Programm des Baus ES2 gut in die aus der Münzprägung erschlossene Repräsentationsstrategie 74

Nelson 2015, S. 72. Dies gilt etwa für ein „stucco relief “ mit ähnlicher Komposition jeweils an der Ost- und West-Fassade des Gebäudes: „A large stucco flower composed of two crowns of petals, modeled in high relief, adorned the centre of each pediment. […] Two acanthus-winged serpentine creatures flank either side of the central flower.“ Dieses Relief vergleicht Nelson mit weiteren Beispielen von Grabmonumenten und Tempeln aus Kleinasien und Syrien: Nelson 2015, S. 34–35. 76 Nelson 2015, S. 40–41. 77 Nelson 2015, S. 75–77, Zitate S. 75 und 76. 78 Berlin 2015, S. 3–4. 75

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des Zenodoros einfügen: Wie bei den Münzbildern wurden durch die Aufwertung eines ‚Familienmonumentes‘ wieder traditionelle Aspekte der dynastischen Herrschaft betont, andererseits aber auch durch die Kombination aus regionalen Traditionen mit neuen römischen Trends das ‚Eingeweiht-Sein‘ in die kulturellen Gepflogenheiten und Moden sowohl des Großraums Syrien als auch der Zentralmacht Rom sichtbar gemacht. Dies drückte nicht nur Loyalität gegenüber Rom aus, sondern machte auch den Anspruch des Zenodoros deutlich, als lokaler Herrscher von der Zentralmacht und den Nachbarn ernst genommen zu werden. Die Forschung geht davon aus, dass gegen 20 v. Chr. mit der Anlage eines fünf Mal größeren Tempels (T1) wieder eine drastische Veränderung des Komplexes vorgenommen wurde, die alle früheren Bauphasen an Größe und Umfang übertraf. Damit wurden sowohl technisch als auch rein finanziell deutlich höhere Investitionen zur Errichtung notwendig.79 Die Ausgräber ordnen diese Baumaßnahme der Sichtbarmachung der neuen Herrschaft des Herodes über die Region zu, der sich nach der Schenkung durch Augustus durch eine größere und spektakulärere Anlage einerseits dankbar gegenüber Augustus, andererseits aber auch würdiger zur Herrschaft über den Raum präsentieren wollte. Auch hier machte die Wahl des Ortes und dessen massivere Umgestaltung vor allem Sinn, wenn man von einem Vorgängerbau durch die Vorgängerdynastie ausgeht, den Herodes ökonomisch wie ideologisch übertreffen wollte.80 Berlin scheint die weitere Bautätigkeit am Ort jedoch auf Herodes’ Sohn Philippos zurückzuführen, der in Horvat Omrit nach der Übernahme seiner Herrschaft als Tetrarch den südlichen Rand seines Territoriums mit einem römischen Tempel markiert habe.81 Solange aber keine Bauinschriften oder andere Belege vorliegen wäre es auch möglich, in diesem Tempel eine letzten Baumaßnahme des Zenodoros zu sehen, bevor dieser die Region an Herodes verlor. Interessant ist, dass sich bei den Ausgrabungen eine Reihe von Resten der Marmor-Dekoration wohl für Tempel 1 erhielten und diese Jagdszenen sowie eine Sphinx oder einen Greif darstellen.82 Mit dem Jagdmotiv wird damit ein mögliches visuelles Element der Herrschaftsrepräsentation der ituraischen Dynasten aufgenommen, mit der Sphinx bzw. dem Greif wird vielleicht die Stuckdekoration des Vorgängerbaus zitiert. Damit könnte sich der Bauherr des Tempels 1 bewusst in die Tradition der Vorgängerbebauung eingefügt haben – um diese dann allein durch die Dimensionen des Neubaus für alle sichtbar spektakulär zu übertreffen. Auch wenn keine sicheren Belege für die Zuweisung des Hermel-Monuments sowie der frühen Bauphasen von Horvat Omrit zu den ituraischen Dynasten vor-

79

Nelson 2015, S. 4, 77–78. Vgl. Overman / Olive / Nelson 2007, S.  177–196. 81 Berlin 2015, S. 8. 82 Overman 2008, Sp. 1987–1989. 80

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liegen und auch die Überlegungen, ob Heliopolis vielleicht als neue Hauptstadt des Zenodoros ausgebaut werden sollte, aktuell nicht bewiesen werden können, liegt es doch nahe, dass die ituraischen Dynasten als Bauherren agierten und ihre Legitimations- und Repräsentationsstrategien auch über das Medium der Bauten verfolgten. In diesem Sinne wäre es auch möglich, dass die unterhalb der herodianischen Bauten in Banias nachweisbaren hellenistischen Mauern83 zu einem Bauensemble der ituraischen Tetrarchen gehörte, die Herodes wie an anderen Orten bewusst überbaute und damit auch die Spuren der ituraischen Repräsentationsstrategien tilgte. Diese Strategien können durch die Münzprägung zumindest in Teilen nachvollzogen werden. Dabei zeigte sich, dass es den Dynasten von Chalkis wichtig war, ihr hellenistisches Erbe bzw. ihren Herrschaftsanspruch in hellenistischer Tradition darzustellen und in der Folge auch gegenüber der neuen Zentralmacht Rom zu präsentieren, auch wenn die indigene Bevölkerung in den auf den Münzen abgebildeten Göttern einheimische Götter wiedererkennen konnte. Für die Akzeptanz ihrer Herrschaft war aber offenbar sowohl gegenüber dieser indigenen Bevölkerung wie auch gegenüber den Nachbarn eine Umsetzung hellenistischer, also seleukidischer Herrschafts- und Darstellungsnormen, relevant – oder wurde als relevant empfunden. Ganz in diesem Sinne praktizierten die ituraischen Dynasten auch eine weitere hellenistische Legitimationsstrategie: Dynastische Ehen. Die Quellen berichten über zwei Eheverbindungen des Hauses des Ptolemaios mit benachbarten Lokalherrschern. Da ist zunächst einmal der Tyrann Dionysios von Tripolis, den Flavios Josephos einen angeheirateten Verwandten des Ptolemaios nennt.84 Schwentzel möchte dies als Beleg einer Ehe des Dionysios mit einer Tochter des Ptolemaios verstanden wissen.85 Im Kontext hellenistischer Herrschaftssicherung machte diese Eheverbindung Sinn: Sowohl Dionysios als auch Ptolemaios musste es darum gehen, die eigene Stellung zu legitimieren und abzusichern. Darüber hinaus bestand sicher ein ökonomisches Interesse an einer Kooperation, denn in Tripolis hätten die Ituraier einen Mittelmeerhafen zur Verfügung gehabt, der gleichzeitig auch durch die Einspeisung ituraischer Produkte und Handelsgüter profitierte. Dies gilt auch, wenn Ptolemaios offenbar versuchte, den eigenen Herrschaftsbereich auf die Küste auszudehnen. Eine Kooperation mit Tripolis könnte auch einer der Hintergründe für die Wahl des Dioskuren-Motivs auf den Münzen des Ptolemaios gewesen sein, denn diese sind in verschiedenen Darstellungsvarianten häufige Rückseitenmotive auf Münzen aus Tripolis.86 Hier sind vor allem zwei Münzserien aus Tripolis aus

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Dazu nur ein kurzer Hinweis bei Bar-Nathan / Snyder 2019, S. 25. Jos. Ant.Jud. 14, 3, 2.  85 Schwentzel 2009, S. 65, F. 10. 86 Vgl. Hoover 2010, S. 83–85. 84

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Abb. 35: Prägung von Tripolis in Phoinikien unter Caracalla, 215/6 n. Chr.; auf dem Revers die beiden Dioskuren sich gegenüber stehend, in der äußeren Hand jeweils ein Speer, die inneren Hände halten Pferde am Zügel; BMC 103 var.

der Kaiserzeit interessant, die erkennbare Ähnlichkeiten mit dem Dioskuren-Rückseitenmotiv des Ptolemaios haben. Es ist durchaus möglich, dass das Motiv der Dioskuren damit über eine mögliche indigene religiöse Vorstellung der von Ptolemaios, Sohn des Mennaios, beherrschten Bevölkerung hinausging und gerade die politische Nähe der Ituraier zu Tripolis unterstreichen sollte. Eine solche Interpretation der Dioskuren ist vielleicht überzeugender als die These von Schwentzel, Ptolemaios hätte damit zuerst sein Bündnis mit Tigranes und dann mit Pompeius feiern wollen, indem er sich selbst als Nachfolger des Monimos, Pompeius aber als Repräsentanten von Azizos hätte darstellen wollen.87 Denn es ist doch nicht unbedingt wahrscheinlich, dass Pompeius sich die gleiche Art von Ehrung hätte gefallen lassen, die der gerade von ihm besiegte Feind Tigranes auch schon erhalten hatte. Auch mit den Hasmonaiern verband Ptolemaios sich durch eine Ehe: Wie berichtet nahm er nach der Hinrichtung des Aristoboulos den jüngeren Sohn Alexander und dessen Schwestern auf. Diese sollten durch Ptolemaios’ Sohn Philippion in Askalon bei ihrer Mutter abgeholt und offenbar nach Chalkis gebracht werden. Nach Josephos heiratete aber Philippion Alexandra  – mit Einverständnis der Mutter. Ptolemaios ließ seinen Sohn daraufhin töten und heiratete selbst die junge Frau.88 Und auch die Dynasten von Akra könnten eine Eheverbindung mit einer benachbarten Dynastie eingegangen sein, nämlich mit dem Herrscherhaus von Emesa. Dies legt jedenfalls die bereits zitierte Josephos-Stelle über Varus / Noarus und seine Verwandtschaft mit einem König Soaimos nahe – wenn es sich bei diesem Soaimos nicht doch um einen Dynasten von Akra handelte, der den Königstitel erhielt.89

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Schwentzel 2009, S. 68. Jos. Ant.Jud. 14, 7, 4; Bell.Jud. 1, 9, 1–2. 89 Jos. Bell Jud. 2, 18, 6. 88

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Damit entsprechen die Dynasten von Chalkis nicht dem von Rayak eingangs zitierten Bild ‚von außen‘ legitimierter Herrscher, die sich um eine besonders indigene Darstellung ihrer Herrschaft bemühten.90 Im Gegenteil scheinen sie durch ihre Selbstdarstellung im Rahmen der Vorstellungen der Zentralmächte eine Art ‚Universalität‘ ihres Herrschaftsanspruches zu betonen, der sie als Erben der hellenistischen Herrschaftsideologie ausweist. Ihre Legitimationsstrategie gehört daher eher in die Kategorie des „going Greek“, die Versluys als „a form of Hellenism: a source of social power that should be understood as a choice to associate with civilisation and modernity“ definiert.91 Wie bewußt diese Entscheidung getroffen wurde, zeigt der Vergleich zu den Emesenern.

7.2 Legitimationsstrategien und Herrschaftsrepräsentation der Emesener Nur wenige Selbstzeugnisse lassen Schlüsse über die Legitimationsstrategie und Repräsentation der Emesener Dynasten zu. Essentieller Teil der Legitimationsstrategie muss der Titel der Dynasten gewesen sein, da dadurch ein legitimer Herrschaftsanspruch überhaupt erst kommuniziert werden konnte. Die zunächst belegte Bezeichnung als phylarchoi konnte um die Zeitenwende zu einem Königstitel gesteigert werden. Dies ist sicher ein großer Propagandaerfolg für die Emesener Dynasten gewesen, faktisch wird sich ihre Stellung damit kaum verändert haben. Wie gesagt zeigen Inschriften die Titulatur der Emesener Herrscher im 1. Jhd. n. Chr., insbesondere die bereits mehrfach genannte Inschrift aus Heliopolis / Baalbek: Regi magno / C(aio) Iulio Sohaemo / regis magni Sam / sigerami f(ilio) philo / caesari et philo/[r]ohmaeo honora / t[o ornamentis]consulari / b[us --------------]/patrono coloniae /(duum)viro quinquenn(ali)/ L(ucius) Vitellius L(uci) f(iliius) / Fab(ia tribu) Soss[i]a[nus]92 Gaius Iulius Sohaemos war also Großkönig, römischer Bürger, Sohn eines Großkönigs, Freund des Caesar und Freund der Römer, Träger der Konsularinsignien, Patron der Kolonie sowie Mitglied des fünfjährlichen Zweimännerkollegiums dort. Wichtig sind insbesondere auch die Beinamen philorohmaios und philocaesari, mit denen Sohaemos seine unbedingte Loyalität dem römischen Kaiser gegenüber ausdrückte. Zum selben Zweck führten auch Antiochos von Kommagene sowie Agrippa I. und II. von Judaia die Beinamen philorhomaios und philocaesari. Die beiden Agrippas waren außerdem ebenfalls Großkönige.93 90

Rayak 1996, S. 104. Versluys 2017, S. 247. 92 IGLS 2760 = ILS 8958. 93 CIL III 14387 = IGLS VI 2759, vgl. Kropp 2010b, S. 204. 91

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Die Betonung einer durch Tradition und Dauer legitimierten Herrschaft spiegelt sich in der offenkundigen Verwendung der seleukidischen Ära als Datierungsform der Inschriften wider. Damit wird zum einen eine Zugehörigkeit zu einem angesehenen und traditionsreichen Kulturraum gezeigt, zum anderen aber auch noch während der Zeit der Herrschaft als Klientelherrscher Roms auf diesen Kulturraum als Referenz- und Legitimationsrahmen verwiesen.94

Abb. 36: Siegelring aus der Nekropole von Tell Abou Saboun, Bild: Konrad 2014, Tafel 99.

Die royale Stellung wird auch in dem einzigen Bildzeugnis eines Emesener Dynasten deutlich. Da die Dynastie keine Münzen prägte, kann nur ein Porträt von einem goldenen Siegelring herangezogen werden. Dieser stammt aus einem Grab der Nekropole von Tell Abou Saboun westlich der Stadt, deren Funde durch die Münzen in die ersten Dekaden des 1. Jhd. n. Chr. datiert werden. Da das Porträt ein Diadem trägt, muss die abgebildete Person einen König darstellen. Dieser ist glattrasiert und hat kurze Haare sowie einen neutralen Gesichtsausdruck. Er trägt entweder eine Chlamys über einer Tunika oder aber nur eine Chlamys. Diese ist mit einer runden Fibula auf der rechten Schulter gehalten. In seinem rechten Ohr trägt der König einen Ohrring, was nicht auf hellenistisch-römische, sondern assyrische, persische und arsakidische Kulturtraditionen hinweist.95 Über das Diadem, das mit für hellenistische Herrscher unbekannten Schleifen gebunden ist, kann das Porträt datiert werden: Nach Kropp führte Antonius in den 30ern diesen Diadem-Typ ein, der von Augustus aufgegriffen und ab 10 v. Chr. im römischen Nahen Osten verwendet worden sei. Seit 3 v. Chr. hätten bereits die 94 95

Vgl. Newson 2015b, S. 289. Megow 1999, S. 86. Sargon II. trägt z. B. einen Ohrring, der in Form einer ägyptischen Hieroglyphe gestaltet ist: Morenz 2003, S. 219.

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parthischen Könige diese Diademform übernommen, außerdem zwei weitere römische Klientelkönige, nämlich Artavasdes III. von Armenien und Antiochos IV. von Kommagene. Das vorliegende Porträt müsste daher für Kropp nach 10 v. Chr. entstanden sein und könnte vielleicht Samsigeramos II. darstellen.96 Für ihn wollte der Emesener König einerseits durch die Übernahme dieses Diademtyps seine Nähe zu Rom demonstrieren, andererseits war der Ohrring ein von Rom belächeltes Schmuckstück, dass aber der lokalen Elite als Symbol von Macht galt. Der goldene Siegelring habe sich ja auch primär an die lokale Elite gerichtet, die diese Kommunikationsebene verstand.97 Gerade hier lassen sich also wichtige Erkenntnisse zur Legitimationsstrategie der Emesener Könige gewinnen. Wie Kropp betont, ist diese vor allem auf eine Visualisierung des hellenistischen Erbes ausgerichtet, das trotz des Untergangs der hellenistischen Zentralmächte weiterhin offenbar große Legitimationskraft für die lokalen Dynasten besaß. Damit müsse es aber auch von den Untertanen dieser Dynasten verstanden worden sein, die also ebenfalls diesem hellenistischen Erbe Legitimationskraft zubilligten.98 Die Betonung des hellenistischen Erbes war dabei sicher einerseits auch eine Möglichkeit, eine gemeinsame visuelle Ebene mit den römischen Kommunikationspartnern zu finden, die trotz der realen Asymmetrie der Machverhältnisse eine Art Gleichberechtigung von ‚Machthaber‘ zu ‚Machthaber‘ kolportieren konnte. Andererseits ermöglichte eine hellenistische Selbstdarstellung eben auch die Propagierung einer faktisch ja nicht gegebenen Unabhängigkeit von Rom, die insbesondere gegenüber der eigenen Bevölkerung eine politische wie kulturelle Eigenständigkeit suggerierte. In diesem Kontext scheint vor allem auch dem kulturellen Einfluss der Arsakiden eine große Rolle zuzukommen. Dies zeigt sich in den zahlreichen Grabfunden, die in der Nekropole von Tell Abou Saboun gemacht wurden und von denen der besprochene Siegelring ein Teil ist. Er wurde nämlich im sog. Grab 1 zusammen mit weiteren wertvollen Grabbeigaben gefunden, die die Zuweisung dieses Grabes zu einem Emesener Dynasten sehr wahrscheinlich machen. Chad spekuliert, dass dies sogar das Grab von Iamblichos II. gewesen sein könnte.99 Gefunden wurden hier neben dem Siegelring eine Goldmaske, eine goldene Scheibenfibel, ein massivgoldener Armring, eine massivgoldene Applike mit Widderkopf (vielleicht als Teil einer Dolchbefestigung), goldene Gewandreste und Gewandappliken, ein Glasamulett mit aufwendigen Einlagen, eine Lanze wohl mit goldumwickeltem Schaft, ein goldener Siegelring mit Darstellung des Apollon sowie ein Gesichtshelm mit versilbertem Gesichtsteil. Der Analyse von Konrad folgend lassen sich in fast

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Kropp 2013, S. 80–84. Kropp 2010b, S. 204. 98 Kropp 2013, S. 91–92. 99 Chad 1972, S. 54–56. 97

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allen diesen Beigaben Herrscherinsignien oder zumindest doch Gegenstände erkennen, die den sehr hohen sozialen Stand des Bestatteten demonstrieren.100 Konrad weist die Funde insgesamt drei ‚Kulturgruppen‘ zu, nämlich der römischen Kultur, der mittelsyrischen Kultur und der östlich / parthischen Kultur bzw. den Steppenkulturen.101 Eine ähnliche Mischung von Funden fände sich 100

So ist für sie die Goldmaske, die individuelle Porträtzüge zeigt, Indiz für die Stellung des Toten insbesondere als Priesterkönig: Konrad 2014, S. 23. Einer Interpretation des Emesener Königs als Priesterkönig steht aber wie bereits angesprochen im Wege, dass keine der erhaltenen Textzeugnisse zu den Emesener Königen für diese eine Priesterwürde nennen. 101 Zunächst zu den Funden, die mit Konrad in die ‚römische‘ Kategorie gehören. Hierzu gehört vor allem der goldene Siegelring mit der Darstellung des Apollon: „[…] so wäre der Ring mit der Darstellung des Apollon, persönlicher Schutzgott des princeps, zugleich ein besonderes Zeichen der wiederhergestellten fides nach den Bürgerkriegen, in denen die östlichen Herrscher mehrheitlich auf Seiten des Marcus Antonius kämpften.“ Dieser Siegelring ebenso wie der Siegelring mit dem Herrscherporträt seien daher „Zeichen einer besonderen persönlichen Verbundenheit des Trägers bzw. Empfängers mit der domus Augusta.“ Ob die Schenkung dieses Ringes dabei ein reiner Gunsterweis oder aber sogar eine Erhebung in den Ritterstand bedeutete, muss offenbleiben. Die goldene Scheibenfibel findet nach Konrad Parallelen vor allem in Palmyra, sie ordnet sie dabei in den Kontext romanisierter Tracht von Trägern etwa in Palmyra, Hatra oder Kommagene ein, was im römischen Nahen Osten offenbar beliebt war. Sie weist damit daraufhin, dass der Tote offenbar eine romanisierte Bekleidung getragen hat. Ebenfalls in den römischen Bereich weist der eiserne Gesichtshelm mit versilbertem Gesichtsteil, dem Konrad eine „Schlüsselrolle“ für die Interpretation des Grabes zuweist. Ein solcher Helm ist nach Konrad nicht Teil „der Ausrüstung von Reitersteppenkriegern“ und daher römisch. In der römischen Welt erscheine diese Art Helm in spätaugusteischer Zeit als Teil von Paraderüstungen und angesichts der Parallelfunde scheint dies ein nicht unübliches Geschenk für Klientelherrscher überall an den Rändern des Imperiums gewesen zu sein. Diese sind kostbare Insignien der so ausgezeichneten Herrscher und scheinen in ihrer Bildgestaltung individuell auf die Empfänger abgestimmt worden zu sein. Ausgehend von diesen Überlegungen Konrads könnte dann der auf dem Helm dargestellte Lorbeerkranz ein Hinweis auf eine besondere Ehrung des Emesener Empfängers, vielleicht nach besonderen militärischen Diensten, sein. Da der Helm von Konrad in das 1. Viertel des 1. Jhd. n. Chr. datiert wird, könnte er auch mit der Ernennung zum König, bzw. zum ‚Großen König‘ in Zusammenhang stehen. Für Chad verweist der Helm auf Bedeutung des Kommandos über die Truppen der Emesener und steht auch für den Wandel ihrer Lebensweise von Nomaden zu sesshaften Stadtbewohnern, die sich Luxus-Gegenstände leisten konnten. (Chad 1972, S. 54–56.) Eine leicht größere Gruppe stellen die für Konrad ‚östlichen‘ Funde dar: Für den massivgoldenen Armring, der mit Einlagen aus Türkis verziert war, sieht Konrad Parallelen in den „Steppenkulturen“, deren „Formenkreis“ sich von Pontos bis Zentralasien ziehe. Der „Türkis-Gold-Stil“ zeichne sich dabei durch die Verwendung von Türkisen, Granaten und Lapis als Dekor von Goldschmuck aus und habe offenbar vor allem vom 1. Jhd. v. Chr. bis ins frühe 2. Jhd. n. Chr. Verwendung gefunden. Scharnierarmringe wie der vorliegende sind dabei

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auch in den anderen Gräbern der Nekropole, die sie insgesamt aufgrund der überwiegend qualitativ hochwertigen Ausstattung der Führungsschicht Emesas zuweist. In einem von drei offenbar unter einem gemeinsamen Grabhügel bestatteten Kindergräbern sieht sie die Grablege eines ‚Kronprinzen‘ (sog. Grab 11), der durch Grabbeigaben wie Kinderwaffen und kostbarem Schmuck als Nachfolger eines Herrschers gekennzeichnet gewesen sei. Interessant ist, dass hier, ebenso wie im Grab 1, dieser mögliche Nachfolgeanspruch durch Elemente unterschiedlicher Kulturtraditionen herausgestellt wurde: Schild und Athene-Darstellungen auf den Sarkophagbeschlägen verweisen auf die (zu erwartende)  militärische Leistungsfähigkeit, was sowohl im römisch-hellenistischen wie orientalischen Umfeld eine geforderte Herrschertugend war. Der Halsring war ein iranisches Würdezeichen, das von den Arsakiden ebenso wie mesopotamischen Gemeinschaften rezipiert wurde und in Hatra auch in der Tracht von Göttern zu finden war, womit vielleicht eine besondere Nähe der menschlichen Träger zu den Göttern hinzugedacht worden sein konnte.102

offenbar vor allem als Männerschmuck üblich. Auch die genannte goldene Applike mit Widderkopf weist für Konrad nach Zentralasien. Sollte es sich um das Teil einer Dolchbefestigung handeln, wäre hier ein herrschaftliches Statussymbol mitgegeben worden. In diese Richtung weisen auch die Reste von goldenen Gewändern und Goldappliken, die nach Konrad „typisch für Repräsentationsgewänder von Fürsten und Priestern Mesopotamiens und der Steppenkulturen“ seien. Diskutiert wird in der Forschung offenbar, ob solche Gewänder auf eine Priesterrolle der Träger schließen lassen können. In jedem Fall betont Konrad „die enge kulturelle Verbindung der Lokaldynasten der syrisch-mesopotamischen Steppenzone mit den zentralasiatischen Steppenkulturen“. Eine solche Verbindung kann auch die Lanze mit wohl goldumwickeltem Schaft darstellen, die sowohl Waffe im Kampf wie Herrschaftsinsignie war. Auf letzteres weist für Konrad das Exemplar in Emesa dank der Goldumwicklung und auch einer Länge von über 4,50 m hin. In diese Gruppe der Funde gehört auch die angesprochene goldene Gesichtsmaske, die Konrad dem mesopotamisch-levantinischen Raum zuweist, wobei sie auf andere Arbeiten zu deren Bedeutung vor allem bei den Parthern verweist. Diese Gesichtsmaske wird von Oenbrink ebenso wie der Paradehelm in die Mitte des 1. Jhd. n. Chr. datiert. Er verortet die Gesichtsmaske darüber hinaus als häufigen Fundtyp des syrisch-phoinikischen Raumes. Außerdem plädiert er ebenfalls für die Zuweisung des Grabes an ein Mitglied der Emesener Herrscherdynastie. (Oenbrink 2000, S. 204–205). Als ‚mittelsyrisch‘ sollen mit Konrad schließlich solche Funde charakterisiert werden, die vor allem im Großraum Syrien vorkamen und daher als für die Emesener im weitesten Sinne als ‚einheimisch‘ verstanden werden können. Dazu gehört nach der Funddeutung bei Konrad lediglich das blaue dreieckige Glasamulett mit aufwendigen Marmorierungen und Intarsien, das nach Konrad apotropäischen Charakter hatte. Amulette sind ihren Angaben zufolge „charakteristische Beigaben in Gräbern des Vorderen Orients, in Gräbern von Erwachsenen der griechisch-römischen Welt sind sie jedoch unüblich.“ (Konrad. 2014, S. 22–34). 102 Konrad 2014, S. 35–38.

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Insgesamt zeigt der Befund der Gräber dieser Nekropole mit Konrad, dass „die parthisch-zentralasiatischen Elemente“ offenkundig einen wesentlichen Aspekt der Selbstdarstellung der Emesener Dynasten ausmachten.103 Dass die Emesener Dynasten – mindestens aber doch die lokale Oberschicht, selbst wenn man einen Zusammenhang der Nekropole mit der Herrscherfamilie abstreiten wollte – im Tod eine orientalisch-parthische Tracht wählten, muss als gewichtiges Indiz dafür genommen werden, dass sie auch zu Lebzeiten ähnliche Repräsentationsgewänder trugen. Und dies lässt sich möglicherweise auch belegen: Wielgosz-Rondolino stellt in einem Überblick über Marmorskulpturen aus der Levante eine nicht vollständig erhaltene sitzende männliche Figur vor, die ein orientalisches Gewand trägt. Die wohl bei Qal’at Yahmour südlich von Tripolis gefundene Skulptur beschreibt Wielgosz-Rondolino als sitzende männliche Figur mit aufwendig gestaltetem schwerem Gewand. Die langen Ärmel des Gewandes bezeichnet sie als orientalisch, es sei über einer Tunika oder vielleicht auch Hosen getragen worden. Dies ließe sich aber durch das Fehlen der Beine schwer beurteilen. Der Mann habe außerdem einen Mantel getragen, der über der linken Schulter gerafft geworden sei und dann über den Rücken fiel. Erkennbar ist auch der lederne Schwertgürtel, der diagonal über die Brust getragen wurde und an dem der Griff des Schwertes links unten erkennbar ist. Die Skulptur sei zwar aus Pentelischem Marmor hergestellt, Technik, Stil und Ikonographie wiesen aber auf orientalische Vorbilder. Die reiche Kleidung mit Schwert, die sitzende Position der dargestellten Person und das kostspielige Material des pentelischen Marmors lassen sie vermuten, dass hier eine wichtige Persönlichkeit, ein Mitglied der lokalen Elite oder vielleicht eher ein Herrscher dargestellt wurden. Die Datierung sei mangels Vergleichsstücke schwierig, das Werk könnte aber in das 1. Jhd. v. Chr./1. Jhd. n. Chr. oder auch viel früher weisen. Auch die Funktion etwa als Teil eines Grabmonuments, Ehrenmonuments oder ähnliches sei kaum zu bestimmen.104 Die Beschreibung lässt Parallelen zu der von Konrad für die Gräber aus Tell Abou Saboun beschriebenen Tracht erkennen und macht damit wahrscheinlich, dass es sich in beiden Fällen um lokale Herrscherornate handelte. Der Fundort dieser Skulptur könnte noch auf dem Territorium der Dynasten von Emesa (oder aber dem Territorium der ituraischen Dynasten von Arka) gelegen haben – wenn das zutrifft und die Überlegungen von Wielgosz-Rondolino richtig sind, dann würde das in den Gräbern gefundene Ornat sogar noch deutlicher Bezug auf die ‚indigene‘ Legitimation der Emesener Dynasten nehmen. Diese orientalische Tracht muss dabei nicht als ‚konstruiert‘ verstanden werden, sondern kann auch als Rezeption der lokalen Gepflogenheiten interpretiert werden. Dies lässt sich vielleicht anhand einer Reihe von Grabreliefs mit der Darstellung

103

104

Konrad 2014, S. 45. Wiegosz-Rondolino 2011–2012, S. 16–17.

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Abb. 37: Sitzende Statue in orientalischem Gewand, Bild: Wielgosz-Rondolino 2011–2012, S. 16.

von Männern und Frauen aus der Umgebung Emesas nachweisen. Die hier sichtbare charakteristische Haltung, Gestik, Kleidung, Frisuren und Schmuck zeigen offenbar eine bestimmte Darstellungskonvention: Frauen trugen Tunika und Obergewandt mit Fibel, eine Kopfbedeckung aus Diadem, Turban sowie darüber ein Schleierkopftuch und hatten in der linken Hand meist Spindel oder Spinnrock. Unterschiede finden sich vor allem beim Schmuck, der offenbar individuell verschieden war. Für Oenbrink stand dabei die Kopfbedeckung in orientalischer Tradition, wohingegen Tunika und Spindel / Spinnrock Konventionen aus hellenistischen Grabreliefs des griechischen Ostens übernahmen. Die Darstellung der Männer war in seinen Augen stärker von Vorbildern hellenistisch-römischer Grabreliefs der Küstenstädte beeinflusst. Ihre Kleidung ist ein Chiton und Himation, sie tragen Papyrus-Rolle oder Schedula in der linken Hand. Die manchmal gewählte Darstellung bewaffneter Männer mit militärischer Kleidung versteht er als Einfluss römischer Soldatengräber. Die Gesichtszüge seien dabei nicht individuell gestaltet. Damit hätten die Porträts einerseits an einer als lokal empfundenen kulturellen

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Tradition festgehalten, während sie aber auch zur Übernahme von Einflüssen von außen bereit gewesen seien.105 Diese Überlegungen unterstützt die oben formulierten Ideen zur Bedeutung der ‚orientalischen Tracht‘ der Emesener Dynasten, denn diese würde dann genau auf solche lokalen Traditionen zurückgreifen. Dass die Könige dabei aber anders als andere Männer im Territorium in ihren Bestattungen und zumindest einem Teil ihrer bildlichen Darstellungen keine hellenistischen oder römischen Gewänder trugen, muss entsprechend im Kontext ihrer Legitimationsstrategie verstanden werden: Vielleicht ähnlich des Herrscherhauses von Kommagene unter Antiochos I., dessen Legitimationsstrategie Versluys jüngst analysierte, ging es hier vermutlich auch um eine bewusste und gezielte Verwendung bestimmter Elemente der Selbstdarstellung, die vor allem den indigenen Herrschaftsanspruch der Dynasten betonen konnten.106 Hier wäre vielleicht eine Parallele zum sog. Alexander-Sakrophag aus Sidon zu ziehen, der wohl in das letzte Drittel des 4. Jhd. v. Chr. gehört und von einem griechischen Künstler vielleicht für den Sidonischen König Abdalonymos geschaffen wurde. Dieser – oder ein anderes hier bestattetes Mitglied der Sidonischen Elite – ließ sich selbst in orientalischer / persischer Tracht abbilden, während ebenfalls dargestellte hellenistische Könige die makedonische Herrschertracht und das Diadem trugen.107 Der im Sarkophag Bestattete machte damit seine eigene Position aus einer indigenen Tradition heraus sichtbar, die aber als gleichwertig neben die Legitimation der hellenistischen Herrscher gestellt wurde. Eine weitere Gelegenheit der Herrschaftsrepräsentation – und damit auch der Sichtbarwerdung von Legitimationsstrategien – war die Bautätigkeit. Auch hier lässt die unglückliche Kenntnislage zur Archäologie sowohl von Emesa als auch von Arethusa wieder nur Aussagen über ein einziges Bauwerk zu: ein Grabmal eines möglicherweise aus der Königsfamilie stammenden Mannes, der dieses wahrscheinlich nach der Auflösung des Königreiches errichtete. Dieser Grabbau wurde 1911 zerstört, sein Aussehen kann aber anhand zahlreicher Zeichnungen von OrientReisenden des 19. und frühen 20. Jhd. rekonstruiert werden. Es handelt sich um einen quadratischen, zweigeschossigen Turm mit einem wohl pyramidalen Dach. Das Untergeschoss hatte offenbar ein Eingangstor. Die Fassaden beider Stockwerke waren durch Nischen und Pilaster gegliedert, zwischen denen die Wände aus nicht verputzten alternierend weißen und schwarzen Steinen in opus reticulatum gestaltet waren. Der obere Abschluss der ersten Etage war durch angedeutete Architrave über den Pilastern sowie Girlanden und einem großflächigeren opus reticulatum gestaltet. Im Erdgeschoss war der Innenraum tonnengewölbt, im Obergeschoss befand sich wohl eine Kuppel, möglicherweise mit stuckierter Kassettendecke. Das Monument 105 Oenbrink

2000, S. 206–207. Die Darstellungen zeigen gerade bei den gehaltenen Gegenständen große Parallelen zu den Grabreliefs aus Palmyra: vgl. Heyn 2010. 106 Vgl. Versluys 2017, S. 247–248. 107 Cadario 2020, S. 234–236.

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ist Teil des größeren Gräberfeldes Tell Abu Sabun südwestlich der Stadt.108 Es ist durch eine griechische Bauinschrift datierbar, die darauf verweist, dass es von Gaius Iulius Samsigeramus aus der Tribus Fabia, auch Silas genannt, Sohn des Gaius Iulius Alexionus, zu Lebzeiten für sich und seine Familie errichtet worden sei und zwar im Jahr 390. Bei einer Datierung nach seleukidischer Ära wäre das Monument also bis 78/79 n. Chr. errichtet worden.109 Bau und Inschrift sind auf verschiedenen Ebenen für die Frage nach der Herrschaftsrepräsentation interessant. Zunächst zur Inschrift: Der Bauherr Gaius Iulius Samsigeramus war nicht König von Emesa, auch sein Vater hatte offenbar keinen Titel. Trotzdem geht man in der Forschung aufgrund der Namen und des offenkundig hohen sozialen Status der Personen davon aus, dass beide Mitglieder der Emesener Herrscherfamilie waren. Mit Kropp ist dabei vor allem zu betonen, dass Gaius Iulius Samsigeramus in seiner Inschrift seinen Status als römischer Bürger besonders herausstellt, was dessen Relevanz in einem vermutlich gerade dem Reich eingegliederten Gebiet deutlich mache.110 Eben diese Verbindung zu Rom wird auch am Bau selbst zelebriert, insbesondere durch die Verwendung des opus caementicium und opus reticulatum. Die Bautechnik des opus caementicium war in Rom und Italien um die Mitte 1. Jhd. v. Chr. entwickelt und seither dort angewandt worden. Im Nahen Osten verwendete nach Oenbrink Herodes diese Technik beim Palast in Jericho, außerdem findet sie sich bei einem privaten Grabmonument in Jerusalem, einem Grabmonument in Ayn Bini bei Raphaneia, einem Aquäduktbau in Antiocheia am Orontes sowie einem weiteren privaten Grabmonument in Antiocheia.111 Die Anlage von Mauern mit einer ‚Schale‘ aus opus reticulatum und einem Kern aus opus caementicium erforderte dabei Zugriff auf die dafür nötigen technischen Kenntnisse und Materialien. So musste etwa Herodes die zum Herstellen von opus caementicium nötige Tonerde  – ‚Pozzolana‘  – aus Kampanien importieren. Möglicherweise heuerte er ebenfalls die mit dieser Bautechnik vertrauten Handwerker und Architekten in Italien an. Damit konnte er wie auch die anderen auf diese Bautechnik zurückgreifenden Personen mit Kropp die enge Verbundenheit zu Rom und die Zugriffsmöglichkeiten auf technische Innovationen aus Rom demonstrieren – dafür durfte diese Bautechnik aber nicht, wie eigentlich üblich, unter Stuck verborgen werden. Nur sichtbar konnte sie als Beweis der Zugriffsmöglichkeit des Bauherrn auf dieses Symbol römischer Kultur wirken.112 Trotz dieser starken Betonung des ‚Römischen‘ bricht der Bau aber nicht mit indigenen Traditionen: Weitere Beispiele von Turmgräbern mit PyramidenDächern in der Großregion zeigen die „Auffassung des Grabmonuments als 108

Konrad 2014, S. 10–13. IGLS V 2212 = OGIS 604, dazu Oenbrink 2000, S. 194–195. 110 Kropp 2013, S. 208–213. 111 Oenbrink 2000, S. 196–197. 112 Kropp 2010b, S. 204–207. 109

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Abb. 38: Rekonstruktion des Grabmals des Samsigeramos, Abb.: Konrad 2014, S. 15.

monumentalisierte Stele oder Nefesh  – und nicht etwa als ein Bau, der nach römischer Vorstellung als idyllische Heimstatt des Toten, als locus amoenus, gedacht war“, was auch durch eine entsprechende Bezeichnung in den zugehörigen Inschriften zu einigen dieser Monumente deutlich gemacht wird. Mit Oenbrink hatten die Auftraggeber solcher Monumente „dezidierte Vorstellungen […] über die Entwürfe ihrer Monumente“, um diese als „Ausdruck einer regionalen Identität“ zu nutzen und gleichzeitig „die Herausgehobenheit ihrer Bauherren“ zu betonen.113 Vor diesem Hintergrund bescheinigt Kropp dem Grabmal des Samsigeramos eine bedeutende Außenwirkung.114 Konrad versteht das Grab als den Versuch des Samsigeramos, seine Rolle als Mitglied der alten Herrscherdynastie nach der Auflösung der Eigenherrschaft neu zu definieren. Dabei habe die Betonung des Römischen wie auch das römische Bürgerrecht nicht gegenüber der eigenen Bevölkerung, die traditionale Werte verlangte, Aussagekraft. Es sei vielmehr an Rom selbst als Loyalitätszeichen gerichtet.115 113

Oenbrink, 2000, S. 201, 203, Zitate S. 189. „The pyramid-roofed mausoleum did not boast lavish decoration or impressive collections of sculpture. What was impressive was its sheer size, the amounts of money and effort invested in its construction, and its allegiance to traditional models. […] It would have been understood as a gesture of loyalty to local traditions. The tomb may have evoked the memories of past rulers and associated these memories with Samsigeramos.“ Kropp 2013, S. 208–213, Zitat S. 213. 115 Konrad 2014, S. 64–65. 114

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Kropp vergleicht im Folgenden die politisch-sozialen Aussagen, die einerseits Samsigeramos als Mitglieder der lokalen Elite nach der römischen Übernahme und anderseits der nicht benannte Emesener König mit seinem Porträt auf dem bereits angesprochenen Siegelring treffen wollten: „They express, consciously or not, the paradoxes with which a dynast like the king of Emesa was faced in reality. […] On the one hand he was condemned to loyalty towards his overlords, on the other hand he had to avoid presenting himself merely as a Roman puppet in the face of a resentful local population. […] The portrait and the mausoleum stand for the cultural choices which the ruling class of Emesa had to face when attempting to reconcile Roman allegiance and Near Eastern tradition. The results are hybrid creations and fascinating one-off experiments, which express  a double allegiance and articulate the precarious double identity of the Emesan rulers.“116 Auch wenn diesen Überlegungen im Grundsatz zuzustimmen ist, muss doch im Detail vielleicht genauer hingeschaut werden. Dies gilt insbesondere, da beide Repräsentationsmedien  – Grabmonument und Siegelring  – zunächst einmal an unterschiedliche Empfängerkreise gerichtet waren: Während das Grabmonument einer sehr breiten Öffentlichkeit aus indigener Bevölkerung, vorbeireisenden Römern und natürlich anderen Mitgliedern der lokalen Elite ostentativ Stellung und Eigendarstellung des Erbauers vor Augen führte, richtete sich der Siegelring in erster Linie an Mitglieder des Emesener Königshofes und den elitären Kreis anderer Dynasten und Könige, mit denen der Emesener König durch Briefe etc. in Kontakt stand. Hier musste es also noch viel stärker darum gehen, den eigenen Führungsanspruch gegenüber Nachbarn und auch Konkurrenten im eigenen Reich zu verdeutlichen. Damit musste einerseits ein traditionaler Anspruch auf diese Führung, andererseits aber auch die Sanktionierung der eigenen Position durch Rom unterstrichen werden, um deutlich zu machen, dass diese Position eben von niemand anderem  – auch nicht aus der eigenen Elite  – eingenommen werden konnte. Dieser Selbstdarstellung gegenüber möglichen Konkurrenten kam sicher mehr Gewicht zu als einer möglicherweise unzufriedenen lokalen Bevölkerung, die ja nur durch die Intervention eines Rivalen überhaupt Gefahrenpotential hatte. Auch das Auftreten als Förderer benachbarter Städte und dortige Bautätigkeit gehörte zur Selbstdarstellung und damit Legitimation lokaler Herrscher. Wie die bereits angesprochene Inschrift des Soaimos von Emesa als duumvir quinquennalis und patronus coloniae von Heliopolis / Berytos bezeugt, waren auch die Dynasten von Emesa entsprechend aktiv. Letztere Position hatte auch Agrippa I. oder II. inne.117 Braund betont dabei die Parallelen zu anderen Klientelherrschern, ins116 117

Kropp 2010b, S. 213–214. CIL III 14387 = IGLS VI 2759.

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besondere Juba II. von Mauretanien, der duumvir quinquennalis in Karthago Nova und Gades war, sowie patronus in Karthago Nova.118 Auch in diesen Fällen ging es wie bei der Bereitstellung von Truppen darum, Rom gegenüber Loyalität und hier vor allem Großzügigkeit für prestigeträchtige kaiserliche Städtebauprojekte zu zeigen. Dies wird etwa aus einer Inschrift für Agrippa II. aus Berytos deutlich, in der dieser mit seiner Schwester Berenike ein Gebäude renovieren ließen, welches Herodes ursprünglich dort errichtet hatte.119 Für Syrien kam dabei sicher für die lokalen Dynasten einer Stiftertätigkeit in Berytos und Heliopolis / Baalbek als einzigen augusteischen Kolonien im Großraum besondere Bedeutung zu.120 Aus der Notwendigkeit heraus, stetig vor allem gegenüber Rom die Rechtmäßigkeit und Tradition der eigenen Herrschaft zu betonen, betrieben die Emesener Dynasten wie auch die Ituraier und andere Dynastien eine intensive Heiratspolitik, die sie schließlich mit zahlreichen anderen Dynastien im Mittelmeerraum verbanden. Offenbar waren sie hier offensiver als die ituraischen Dynasten, zumindest hören wir von mehr Verbindungen. Gerade Samsigeramos II. war gut mit den anderen Klienteldynastien vernetzt. Er heiratete Iotape II. von Kommagene121 und nahm an dem sog. ‚Königstreffen‘ von Tiberias teil. Dieses Treffen auf Einladung von Agrippa I. von Judaia war auch eine Art Familientreffen, da Agrippa der Schwiegersohn von Samsigeramos’ Tochter Iotape IV. war, die Aristoboulos, den Bruder von Agrippa I. geheiratet hatte, der dann von seinem Vater das Königreich Chalkis erbte.122 Der bei dem Treffen ebenfalls anwesende Polemon II. von Pontos hatte in erster Ehe Agrippas Tochter Iulia Berenike geheiratet, nach der Trennung heiratet er dann Iulia Mamaea, Prinzessin aus Emesa. Deren genaue Verwandtschaft zu Samsigeramos ist unklar, sie ist vielleicht seine Tochter oder Enkelin.123 Die Heiratspolitik war einerseits von Rom gefördert, weil sie als zusätzliches Element der Kontrolle über die Klientelfürsten wirken konnte. Andererseits barg sie aber mit Konrad auch den Keim für Misstrauen Roms, da die Heiratsallianzen auch zu politischen Allianzen gegen Rom hätten führen können.124 Dieses Misstrauen wird etwa bei der Auflösung des ‚Königstreffens von Tiberias‘ durch den römischen Statthalter deutlich.125 Ebenso macht das militärische Engagement der Emesener gegen Kommagene deutlich, dass im Zweifel die Loyalitäten nicht bei der (angeheirateten) Verwandtschaft, sondern bei Rom zu liegen hatten. Leider mit den Quellen nicht zu beantworten ist die Frage, ob eine solche Vernetzungspolitik durch 118

Braund 1984, S. 78–79. AE 1928, 82. 120 Vgl. Baltrusch 2012, S. 221 zu den entsprechenden Bauaktivitäten des Herodes. 121 Jos. Ant.Jud. 18, 5, 4. Zu den verschiedenen Prinzessinnen mit Namen Iotape vgl. auch Mcurdy 1936, S. 40–42. 122 Chad 1972, S. 67–68. 123 Sullivan 1978, S. 214. 124 Konrad 2014, S. 62. 125 Sartre 2001, S. 501. 119

Vergleich zu benachbarten Dynastien

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Heirat von den Emesenern schon in vorrömischer Zeit betrieben wurde  – aber das ist durchaus wahrscheinlich. Denn durch die Heiraten waren den Emesener Dynasten wie allen anderen lokalen Dynasten die Möglichkeit einer weiteren Vernetzung in der Region gegeben, die ganz im Sinne der seleukidischen (und ptolemaischen) Vorbilder das Potential für neue Handlungsoptionen in sich barg.

7.3 Vergleich zu benachbarten Dynastien Um aus den gewonnenen Erkenntnissen zu den Legitimations- und Repräsentationsstrategien der ituraischen und Emesener Dynasten kontextualisierte Erkenntnisse ziehen zu können, bietet sich ein Vergleich zu benachbarten Dynastien und deren Strategien an. Dieser Vergleich soll zeigen, inwiefern die für die ituraischen und Emesener Dynasten erkennbaren Strategien tatsächlich als charakteristisch für ein bestimmtes Herrschaftsverständnis genommen werden können. Als ein Vergleichsbeispiel bieten sich die Nabataiern an, die ebenfalls Münzen prägten. Die nabataischen Münzen orientierten sich dabei an ptolemaischen und seleukidischen Vorbildern und stellten vor allem dynastische Themen dar.126 Interessant ist der weitgehende Verzicht auf Personendarstellungen, abgesehen vom Herrscherporträt.127 In den Gesichtszügen der Porträtbilder wurden Einflüsse von außen aufgenommen. Die langen Locken, die sich an einer Reihe dieser Herrscherporträts finden, scheinen ein wichtiges Element der Selbstdarstellung der Könige gewesen zu sein.128 Schwentzel sieht darin einen Versuch, sich in spätseleukidischer Herrschertradition der Ikonographie der Darstellung des Dushara – und damit des höchsten Gottes im nabataischen Pantheon – anzugleichen.129 Mit Kropp trugen die Könige Diademe, aber ab Aretas IV. manchmal auch einen Lorbeerkranz. Aretas IV. habe unter seinem Kranz ein parthisches Diadem und einen bestickten Mantel in parthischer Tradition getragen. Außerdem habe sich Aretas IV. vielleicht anlässlich seiner Hochzeit mit Shaquilat auf einer Münze in hellenistischer Königstradition mit Rüstung und auf einen Speer gestützt mit Hand am Schwert darstellen lassen. Auf der Rückseite ist seine Ehefrau mit erhobener

126

Kropp 2013, S. 242–244. 1990, S. 189. Vgl. aber die Zusammenstellung der Motive der nabataischen Münzen bei Schwentzel 2013, S. 198–207. 128 Malichos I. ließ wie schon Obodas II. Münzen mit unterschiedlichen Frisuren prägen, wobei er meist als junger Mann mit sorgfältig gelegten langen Locken dargestellt war. Ab Obodas III. wurden auf dem Avers die Porträts von König und Königin abgebildet. Obodas III. erschien im Porträt mit Korkenzieherlocken und Haarband, wobei ihn die frühen Münzen als jungen und die späteren als natürlich gealterten König präsentierten: Taylor 2002, S. 65. 129 Schwentzel 2013, S. 190. 127 Patrich

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Herrschaftsstrategien 

Abb. 39: Münzporträts der Nabatäischen Könige, Abb.: Kropp 2013, S. 61.

Hand wie eine Göttin vor Adoranten dargestellt.130 Die Königinnen scheinen ptolemaische Königinnen-Darstellungen kopiert zu haben und trugen kleine Isis-Kronen. Ab Obodas III. wurde der Lorbeerkranz die übliche Kopfbedeckung und war offenbar als Referenz an Rom zu verstehen.131 Malichos II. und Rabbel II. hätten darüber hinaus wie schon Aretas IV. arsakidische Königsgewänder getragen. Kropp versteht dies als „Import“ aus der Ikonographie arsakidische Könige und dezidiert nicht als lokale Tracht, während die Locken der Könige typische arabischen Frisuren dargestellt hätten.132 Natürlich zeigt diese Tracht die große stilistische wie politische Strahlkraft der Arsakiden auf Syrien – aber ist sie deshalb automatisch nicht als ‚nabataische‘ Tracht zu verstehen? Im Gegenteil hätte eine als eigenständig erkennbare Tracht in besonderer Weise die Legitimation des nabataischen Königs gegenüber der indigenen Bevölkerung betont und auch gegenüber auswärtigen Gästen gerade das traditionale Element dieser Herrschaft in den Fokus gerückt. Diese Tracht ist daher vielleicht eher als eine von den zeitgenössischen Betrachtern als genuin nabataische Königstracht verstandene Kleidung zu verstehen. Wenn dies zutrifft, dann zeigt sich in der Repräsentations- und Legitimationsstrategie der nabataischen Könige eine ähnliche ‚Mischung‘ hellenistischer und indigener Elemente wie bei den Emesener Königen. Denn auch die nabataischen Könige verwendeten auf ihren Münzen neben der vielleicht indigenen Tracht das hellenistische Diadem als Zeichen ihrer Königswürde. Darüber hinaus trugen 130

Kropp 2013, S. 61–68. Schmid 2008, S. 367. 132 Kropp 2013, S. 61–68. 131

Vergleich zu benachbarten Dynastien

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sie in den Münzlegenden Beinamen, die dem Vorbild der Beinamen vor allem ptolemaischer Herrscher folgen.133 Interessant scheint, dass zwar das hellenistische Prinzip der Beinamen übernommen wurde und damit die Wirkmächtigkeit hellenistischer Herrschaftsideologie bestätigt wird, aber die ‚Übersetzung‘ der Beinamen ins Nabataische und überhaupt die Verwendung der Beinamen im Nabataischen auf die einheimische Untertanenbevölkerung als die Ziel-Rezipienten der Botschaften weist. Denn ihnen sollte der jeweilige König ja als ‚Freund‘ oder ‚Retter‘ präsentiert werden. Insofern ist vielleicht davon auszugehen, dass diese hellenistischen Konzepte auch Teil der indigenen Erwartungshaltung an ihre Könige waren bzw. diesen entsprachen und daher von den nabataischen Königen als wirkmächtige Botschaften für die Münzen gewählt wurden. Umstritten ist, ob es einen Dynastie-Kult der Nabataier gab.134 In jedem Fall wurde die Königsfamilie besonders geehrt, denn vor dem Tempel des Qasr el-Bint in Petra standen in den Höfen und der Vorhalle Porträtstatuen des nabataischen Königshauses, wie aus dem Fund einer Statuenbasis mit einer Weihinschrift für Aretas IV. sowie weiteren Inschriften für nabataische Könige und Mitglieder des Königshauses erschließbar ist.135 Die früheste dieser Inschriften stammt aus dem Jahr 67 v. Chr., „im Jahr 18 des Aretas, des Königs“, und ehrte seinen Vorgänger Rabbel. Da der Text aber davon spricht, Zeugnis einer Restaurierungsmaßnahme an einer älteren Statue zu sein, wird also die ursprüngliche Dedikation der Statue früher anzusetzen sein und die Praxis der Herrscherehrung im Heiligtum von Qasr el-Bint mindestens in die 1. Hälfte des 1. Jhd. v. Chr. zurückreichen.136 Die Praxis 133

Die nabataischen Könige übernahmen für Graf dabei typisch hellenistische Königsbeinamen: Aretas III., als philhellenos; Aretas IV. als ‚Freund seines Volkes‘ was Graf mit dem griechischen philodemos oder besser philopatris gleichsetzten möchte; Rabbel II. ‚der der Leben und Erleichterung für sein Volk bringt‘, was Graf mit dem griechischen soter verbindet: Graf 2005, S. 425.; vgl. Schwentzel 2013, S. 207–210. In den letzten beiden Fällen scheinen nach Roche diese Beinamen durch die Umstände der Herrschaft geboten gewesen zu sein: Aretas IV. könnte sich mit dem Titel eine stärkere Akzeptanz seiner Herrschaft trotz der nicht direkten Erblinie erhofft haben; Rabbel II. könnte auf den Erhalt der Eigenherrschaft gegenüber Rom verwiesen haben: Roche 2009, S. 82. 134 Eine göttliche Verehrung wird für Obodas postuliert, der in Oboda in der Negev und auch in Petra verehrt wurde. Einige Forscher halten diesen Gott jedoch für einen älteren Lokalgott und nicht für einen vergöttlichten nabataischen König: Kropp 2013, S. 303–308. Kaizer betont, dass unabhängig von den Anfängen des Obodas-Kultes aus einer Lokalgottheit oder einem vergöttlichten (ersten) Herrscher, Obodas bis in die Spätantike neben Dushara zumindest in der Außenwahrnehmung der Nachbarn zum Hauptgott der Nabataier avancierte: Kaizer 2010, S. 118–121. Ein Kult für andere Könige kann vielleicht aus der Bezeichnung „Diener des Königs X“ abgeleitet werden, mit der sich Höflinge, Heeresangehörige oder auch Handwerker bezeichneten: Graf 2005, S. 425. 135 Aretas IV.: Hackl / Jenni / Schneider 2003, Nr. N.060.14j.01, S. 240–242; Malichos II. und seine Frau: Nr. N.060.14j.02, S. 242–244. 136 Hackl / Jenni / Schneider 2003, Nr.  N.060.14j.03, S.  244–247.

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ist dabei sicher von Vorbildern aus dem hellenistischen Herrscherkult inspiriert, ob sie aber „zeigt, dass das nabataische Königshaus seine Sakralbauten zur Stätte der eigenen Verherrlichung“137 machte, ist umstritten.138 Inschriften aus Petra, wie etwa eine Inschrift aus an-Numayr ehren dabei nicht nur König und Königin, sondern auch deren männliche wie weibliche Kinder oder Geschwister.139 Die königliche Familie scheint sich also als Familie gemeinschaftlich präsentiert zu haben. In diese Richtung geht auch die Darstellung einiger Königinnen oder Königspaare auf den Münzen.140 Vielleicht inspiriert durch Herodes scheinen auch die nabataischen Könige eine Reihe von Bauprojekten unternommen zu haben. Nach Graf förderte Aretas IV. den Ausbau der Hauptstadt Petra ebenso wie den der Siedlung in Hegra im Hejaz. Rabbel II. ließ darüber hinaus vielleicht Tempel in verschiedenen Orten in der Dekapolis errichten.141 Auch Wenning geht von einer vermehrten Bautätigkeit der nabataischen Könige unter Malichos II. und Rabbel II. aus und nimmt vor allem sakrale Stiftungen etwa im Hauran, aber auch anderen Regionen des Reiches an.142 Allerdings verweist er selbst darauf, dass sich keine Stifterinschriften der Könige erhalten haben.143 Kropp möchte dabei vor allem die Orientierung der Bauten an Vorbildern aus Alexandreia und den Bauten des Herodes betonen.144 Uneinigkeit herrscht in der Forschung über die genaue Lokalisierung des königlichen Palastes der Nabataier und damit auch über die dort erkennbare Repräsentationsstrategie.145 137

Freyberger / Sharp Joukowsky 1997, S. 77. Die Interpretation von Inschriften und Monumenten nicht als Herrscherkult, sondern als besondere Form der Loyalitätsbezeugung z. B. bei Roche 2009, S. 82–83. Seleukidische Vorbilder etwa SEG 39, 1284: Ehrenstatue für Antiochos III., Königin Laodike und ihre Kinder. 139 Z. B. Healy 2009, Nr. 3, S. 55–57 von 15/16 n. Chr.; Nr. 4, S. 58–59 von 20/21 n. Chr.; Nehmé et al. 2012, MP 666, S. 196–197; MP 685, S. 197–198; Hackl / Jenni / Schneider 2003, Nr. N.060.37.01, S. 263–268; Nr. N.064.01, S. 274–275; Nr. O.019.01, S. 284–285 aus Iram / Wadi Ramm. Die Familie des Königs mit Frauen und Kindern wird auch in einem Papyrus aus Nahal Hever genannt: S. 267 mit F 830. 140 Schwentzel 2013, S. 191–198. Das muss aber nicht unbedingt eine nur dem Königshaus vorbehaltene Art der Memoration gewesen sein, denn z. B. aus Duma / Jawf kennt man eine Grabinschrift von 26/27 n. Chr., in der der Stifter eine sehr umfangreiche Filiation bis 7 Generationen zurück sowie ebenfalls seine Kinder angibt: Hackl / Jenni / Schneider 2003, Nr.Q.010.02, S. 304–305. Auch in einer Grabinschrift aus Hegra werden sehr umfangreich die Mitglieder der Familie inkl. Schwiegerfamilie genannt: Q.047.08, S. 322–323. 141 Graf 1994, S. 27. 142 Wenning 1994, S. 30–31. 143 Wenning 2011, S. 298. 144 Kropp 2013, S. 41. 145 Kropp identifiziert den ursprünglich als ‚Großer Tempel‘ bezeichneten Gebäudekomplex im Süden der Hauptstraße von Petra, der gegen Ende des 1. Jhd. v. Chr. bzw. zu Beginn des 1. Jhd. n. Chr. errichtet wurde, als Palastanlage mit paradeisos, zu der 138

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Ein wichtiges Element der Repräsentation war offenbar für die nabataischen Könige das Gastmahl. Zahlreiche Inschriften erwähnen die oft an Grabkomplexe angegliederten Triklinien, die regelmäßigen Zusammenkünften familiär und / oder religiös definierter Gruppen dienten. Die nabataische Sitte des gemeinsamen Gastmahls wird auch bei Strabon beschrieben: συσσίτια δὲ ποιοῦνται κατὰ τρισκαίδεκα ἀνθρώπους, μουσουργοὶ δὲ δύο τῷ συμποσίῳ ἑκάστῳ. ὁ δὲ βασιλεὺς ἐν ὄγκῳ μεγάλῳ πολλὰ συνέχει συμπόσια· πίνει δ᾿ οὐδεὶς πλέον τῶν ἕνδεκα ποτηρίων ἄλλῳ καὶ ἄλλῳ χρυσῷ ἐκπώματι. οὕτω δ᾿ ὁ βασιλεύς ἐστι δημοτικός, ὥστε πρὸς τῷ αὐτοδιακόνῳ καὶ ποτε ἀντιδιάκονον τοῖς ἄλλοις καὶ αὐτὸν γίνεσθαι·

„Sie veranstalten Gastmähler für Gruppen von dreizehn Personen, und bei jedem Gastmahl sind zwei Musiker zugegen. Der König aber hält in einem großen Saal fortwährend viele Trinkgelage. Niemand jedoch trinkt mehr als elf Becher und immer aus einem anderen goldenen Trinkgefäß. Der König ist wie einer aus dem Volk, indem er nicht nur sich selbst, sondern auch die andren bedient.“146

Die Aussagen zur Rolle des Königs beim Gastmahl lassen dabei sowohl eine Rezeption des Herrscherideals nach Alexander als ‚nahbarem‘ König, wie auch mögliche indigene Traditionen zur Selbstdarstellung des Herrschers als primus inter pares als Interpretation zu. Wenning betont, dass Strabons Beschreibung der Rolle des Königs auch der Rolle eines griechischen Symposiarchen entspreche.147 Wichtiger scheint aber die Erkenntnis, dass die nabataische Gesellschaft soziale Vernetzung und in besonderer Weise ihr König den Zusammenhalt seines Hofes durch regelmäßige Gastmähler stärkte. Gastmähler waren damit für die Nabataier (wie auch für die Römer und andere antike Gemeinschaften) „üblicher Bestandteil auch ein großer Pool mit Pavillon gehört habe. Dabei kann er anhand der Ausstattung der Gebäude mit aufwendiger Stuckverzierung der Räume, sowie der Raumfolgen und architektonischen Gestaltung mit Park und Pool die große Ähnlichkeit einerseits zu hellenistischen Palastanlagen und andererseits besonders zu den Palastbauten des Herodes herausstellen: Kropp 2013, S. 156–167. Schmid dagegen möchte nachweisen, dass die Königsfamilie auf dem Umm el-Biyara eine Art Sommerresidenz inklusive luxuriöser Badeanlage errichteten, während ihr tatsächlicher Königspalast im Nordosten der Stadtanlage zu Füßen des Khubta-Massivs gelegen habe. Denn dieses Areal weise die wichtigsten Charakteristika hellenistischer Residenzen auf: es erstrecke sich über ca. ein Viertel der Stadtfläche, es sei an einer Ecke bzw. am Rand der Stadt angelegt, es sei durch die Umleitung von Zuflüssen von Wasser umgeben und schließlich sei ausreichend Platz für Verwaltungsgebäude, Residenzgebäude, Gärten sowie die Gräber der Vorfahren: Schmid 2009, Schmid 2009b. 146 Strab. 16, 4, 26. Übersetzung von Radt. 147 Wenning 1997, S. 180.

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der gesellschaftlichen Interaktion“ und „eine feste Form der Fortsetzung des Alltags mit anderen Mitteln“148 insofern, als dadurch gesellschaftliche Realitäten sichtbar gemacht wurden. Hier interpretiert Wenning die Rolle des Königs beim Gastmahl als Zeichen seiner Nahbarkeit, die aber gleichzeitig auch eine Bestätigung seines Führungsanspruches implizierte. Mit dem Gastmahl fände sich ein Beleg dafür, dass der nabataische König seine Stellung im Sinne eines indigenen Stammeskönigs verstand und entsprechend die Elite des Stammes um Zustimmung für seine Handlungen bzw. seine Herrschaft habe bitten müssen. Dagegen wären „Königstitel, die Königsstatuen, die Residenz in Petra, die prächtige Hofhaltung, die Anwesenheit von auswärtigen Künstlern und Gästen am Hof, der monumentale Ausbau Petras“ nicht Zeichen für die hellenisierte „Stellung des Königs unter den Nabataiern, sondern deuten eher auf seine nach außen gerichtete Repräsentation im Umgang mit der nichtarabischen Umwelt und den Großmächten.“149 Dagegen ließe sich einwenden, dass einerseits die bisher angestellten Überlegungen zur Repräsentation und den Legitimationsstrategien in der Folge etwa von Kropp erkennbar gemacht haben, dass die nabataischen Könige zwar hellenistische Medien wie Münzen und Palastarchitektur verwendeten und ihre Repräsentation dadurch auch für auswärtige Besucher wenn nicht zu verstehen, so doch einzuordnen war. Andererseits wurden diese Medien aber wie bei den Münzen durch die nabataischen Legenden und die in einheimischer Tracht gewandeten Porträts oder in der spezifischen Form des Gastmahls so stark indigen verwendet, dass man von einer ‚nabataischen Interpretation‘ hellenistischer Herrschaftsmedien sprechen kann. Und deren Adressat war die indigene Elite, die möglicherweise auch aus den Oberhäuptern kleinerer eingemeindeter Gemeinschaften oder Stämme bestand, gegenüber denen sich die nabataischen Könige immer wieder als Herrscher behaupten mussten.150 Aber auch damit befanden sich die nabataischen Könige wieder in guter seleukidischer Tradition, denn auch für seleukidische Könige bestand die Notwendigkeit, die Legitimität der eigenen Herrschaft gegenüber den Untertanengemeinschaften sichtbar zu machen. Dies zeigt etwa Haubold für den Besuch Babylons durch Antiochos III. nach dem für ihn schmachvollen Vertrag von Apameia, wo er sich von der lokalen Priesterschaft u. a. mit einer goldenen Krone und dem Mantel des Nebukadnezar ehren ließ. Natürlich drückten die Priester damit ihre Anerkennung seiner Herrschaft trotz der Niederlage aus  – aber Antiochos III. akzeptierte gleichzeitig auch ihre Rolle als Bewahrer seiner Herrschaft.151 Dies entspräche ja den Überlegungen von Wenning zur Rolle des 148

Stein-Hölkeskamp 2005, S. 28. Wenning 1997, S. 180–181. 150 Nach Kasher zeigen die Quellen, dass die Nabataier nur eines von verschiedenen Völkern waren, die ihren späteren Herrschaftsraum besiedelten.: Kasher 1988, S. 7–8; vgl. Lindner 1970, S. 51. Aus den Inschriften ließe sich für Healey vielleicht eine stärkere Position der Nabataier in dieser Allianz ableiten: Healey 1993, S. 68–88. 151 Haubold 2016, S. 100. 149

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bedienenden Königs beim nabataischen Gastmahl. Für den König als ‚Diener‘ beim Gastmahl gibt es darüber hinaus auch ein seleukidisches Vorbild, nämlich im Verhalten Antiochos’ IV. beim Gelange anlässlich der bekannten Prozession von Daphne. Hier beschreibt nämlich Polybios: κατὰ δὲ τοὺς πότους αὐτὸς ἐπὶ τὰς εἰσόδους ἐφιστάμενος οὓς μὲν εἰσῆγεν οὓς δ᾿ ἀνέκλινε, καὶ τοὺς διακόνους δὲ τοὺς τὰς παραθέσεις φέροντας 6αὐτὸς εἰσῆγε. καὶ περιπορευόμενος οὗ μὲν προσεκάθιζεν, οὗ δὲ προσανέπιπτε· καὶ ποτὲ μὲν ἀποθέμενος μεταξὺ τὸν ψωμόν, ποτὲ δὲ τὸ ποτήριον ἀνεπήδα καὶ μετανίστατο καὶ περιῄει τὸν πότον, προπόσεις λαμβάνων ὀρθὸς ἄλλοτε παρ᾿ ἄλλοις, ἅμα δὲ καὶ τοῖς ἀκροάμασι προσπαίζων.

„Bei der Tafel stellte er sich selbst an den Eingang, führte die einen herein, wies den anderen ihre Plätze an und führte die Diener, welche die Gerichte auftrugen, selbst hinein. Dann ging er herum, um sich hier zu setzen, dort zu lagern; bisweilen sprang er, Essen und Trinken auf die Seite setzend, auf, begab sich anderswohin und machte die Runde an der Tafel, wobei er stehend bald da, bald dort sich zutrinken ließ und dabei auch mit denen, die sich während der Tafel hören ließen, scherzte.“152

Es ergibt sich also für die Nabataier eine eklektische Vermischung hellenistischer und eigener indigener Traditionen in der Repräsentation ihrer Herrschaft und damit auch in ihrer Legitimationsstrategie, die durchaus Parallelen zur Strategie der Emesener zeigt. Aber es ergeben sich auch Parallelen zu den Hasmonaiern. Die Hasmonaier leiteten „ihre Legitimation aus der Führerschaft der Familie im Makkabaierauf­ stand gegen die seleukidische Oberherrschaft“ ab und konnten sich dann auf die Kombination der Hohepriesterwürde und des weltlichen Königtums berufen.153 Nach Schwartz waren sie in der Anfangsphase des Makkabaier-Aufstandes darauf bedacht, sich als Verfechter des jüdischen Glaubens und Anhänger der Thora und des Tempels zu stilisieren, wobei diese Propaganda nach der Restituierung des Tempels in Jerusalem und der Amnestie des Antiochos IV. 164 v. Chr. ihre Nützlichkeit in Teilen einbüßte. In der Folge suchten sie sich dann zwar als Traditionalisten darzustellen154, ihre Übernahme von Hohepriesteramt (ohne entsprechende Abstammung) und weltlicher Herrschaft blieb aber nicht unwidersprochen. Dies galt im Detail aber nicht unbedingt den hellenistischen Neuerungen, wie etwa der epigraphischen Publikation von Versammlungsbeschlüssen oder der Münzprägung.155 152

Polyb. 30, 26, 5–6. Übersetzung von Drexler. Wilker 2007, S. 28. 154 Marshak 2015, S. 58–60. 155 Schwartz 2001, S. 33–36. 153

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Honigman kann überzeugend darlegen, dass die Makkabaier aus der gleichen sozialen Schicht der judaischen Elite wie ihre Rivalen stammten und lediglich in der späteren Rechtfertigungspropaganda einen Gegensatz zu der hellenisierten urbanen Elite konstruierten. Teil dieser Legitimationsstrategie war auch die Betonung der Reinigung und Neu-Weihung des Tempels, was als „founding myth of the Hasmonaean dynasty“ in der Tradition östlicher Königsideologie stand.156 Allerdings waren die Hasmonaier in ihrem Repräsentationsverhalten durch das religiöse Verbot der Darstellung von Personen und Tieren im Judentum eingeschränkt und konnten so nicht wie andere hellenistische Herrscher etwa durch Porträtdarstellungen, Statuen etc. die eigene Herrschaft sichtbar machen. Das hinderte die hasmonaischen Könige aber nicht daran, im von der Kleidung der Hohepriester und den Insignien der königlichen Freunde der Seleukiden abgeleiteten Königsornat bei Festen und Feierlichkeiten zu erscheinen, sowie durch entsprechend pompös gestaltete Auftritte den eigenen Machtanspruch zu verdeutlichen.157 Außerhalb Judaias scheint es außerdem sehr wohl auch statuarische Darstellungen der hasmonaischen Herrscher gegeben zu haben.158 Unter Antiochos VII. Sidetes begann in Jerusalem eine Bronzemünzprägung (als für den lokalen Gebrauch bestimmte Münzen), deren Prägeautorität Johannes Hyrkanos I. war. Vermutlich war ihm im Zuge der Verhandlungen mit Antiochos VII. ein solches Privileg zugestanden worden.159 Auf diesen Münzen konnte entsprechend des Bilderverbots im Judentum kein Herrscherporträt erscheinen, dafür wählte man den Anker als seleukidisches Herrschaftssymbol. Dieser fand sich zusammen mit der königlichen Legende auf der Rückseite, auf der Vorderseite stand die Lilie als Symbol für Judaia. Nach dem Tod des Antiochos wurde das Anker-Bild aufgegeben und es entstand eine autonome judaische Münzprägung, deren hebraische Legende Johannes Hyrkanos und mit dem Hever ha-Yehudim wohl den Rat als Prägeautorität angab. Das Motiv des Ankers wurde von Hyrkanos’ Sohn Alexander Jannaios aufgenommen und sollte hier offenbar seine Legitimität als Nachfolger sowie die Anerkennung seiner Stellung durch die Seleukiden unterstreichen.160 Eines der beliebtesten Motive der Hasmonaier für ihre Münzen war das doppelte Füllhorn, das im gesamten hellenistischen Raum als Symbol für Fruchtbarkeit und Fülle stand. Aber das Symbol wurde von den Hasmonaiern abgewandelt, da hier die Füllhörner überkreuz und nicht parallel dargestellt wurden und ihnen anstelle einer Mohnkapsel ein Granatapfel beigegeben wurden.161 Nach Rocca hatten sowohl der ebenfalls beliebte Helm als Symbol der königlichen Autorität, das Füllhorn als dann heraldischem Bild der Hasmonaier ebenso wie 156 157

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Honigman 2014, S. 313–315; 96–97, Zitat S. 97. Dąbrowa 2010, S. 134–135. Schwentzel 2013, S. 92–94. Hoover 2003, S. 31. Hoover 2003, S. 32–35. Marshak 2015, S. 69–70.

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Palmzweig und Lilie in allen Empfängerkreisen – nämlich der eigenen judaischen Bevölkerung und den hellenisierten Nachbarn – akzeptierte Bedeutungen. Unter Aristoboulos I. erfolgte dann die Nutzung des basileus-Titels auf den Münzen, den auch dessen Nachfolger Alexander Jannaios übernahm. Dieser ließ ihn jedoch nur auf Griechisch auf seine Münzen prägen und sprach daher mit dem Königs-Titel für Rocca auch nur die hellenisierte Umgebung seiner Herrschaft an, während die judaische Bevölkerung ihn wesentlich als Hohepriester wahrnehmen sollte.162 In diesen Kontext gehört auch die Verwendung der paläo-hebraischen Schrift als Hinweis auf das traditionale Herrschafts- bzw. Priesterverständnis des Alexander Jannaios. Diese Schrift verwendeten die Hasmonaier auf ihren Münzen, obwohl sie kaum mehr in Gebrauch war, um das eigene Traditionsverständnis und den Anspruch der Fortführung dieser Tradition zu verdeutlichen.163 Für Rocca war diese doppelte Botschaft aus hellenistischem Königstitel und jüdischem Hohepriesteramt für die beiden unterschiedlichen Empfängerkreise charakteristisch für die hasmonaische Herrschaftsideologie.164 Anders als andere hellenistische Herrscher betätigten sich die Hasmonaier nicht als Förderer von Städten oder Siedlungen und auch nur insofern als Bauherren, als sie Festungen und Palastanlagen für die eigenen Herrschaftsbedürfnisse er­richteten.165 Beim Winterpalast in Jericho betont etwa Sartre, wie sehr dieser Ort auch einen defensiven Charakter hatte.166 In seiner Analyse der Paläste der Hasmonaier möchte Regev zeigen, dass diese im Vergleich zu den Palästen des Herodes deutlich kleinere Dimensionen und ein deutlich einfacheres Dekor aufwiesen, während gleichzeitig auch die Ausstattung einfach war. Damit scheinen die Hasmonaier ihre den Regeln des Judentums entsprechende Lebensführung betont haben zu wollen. Dagegen hätten die Gärten, die oft im Zusammenhang mit den Palastanlagen angelegt wurden, durchaus Wohlstand und hellenistischen Luxus repräsentiert, jedoch sei dieser als ‚zugänglicher‘ Luxus für die Öffentlichkeit stilisiert worden.167 Dazu eigentlich im Gegensatz stand das gleichzeitige Bemühen, sich mit den hellenistischen Nachbarn auf Augenhöhe zu verständigen und dazu Freundschaften und (auch fiktive) Verwandtschaftsbeziehungen aufzubauen. Aristoboulos I. nannte sich etwa Philhellene und mit dem Königreich Pergamon bestand eine Freundschaft, die unter Johannes Hyrkanos erneuert wurde.168 Auch mit den 162 163

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Rocca 2008, S. 26–35. Marshak 2015, S. 60–61. Zu den Symbolen und ihrer Bedeutung auf den Münzen der Hasmonaier vgl. auch Schwentzel 2013, S. 84–91. Rocca 2008, S. 26–35. Vgl. Dąbrowa 2010, S. 136. Sartre 2001, S. 407. Regev 2011, S. 45–72. Vgl. Feldman 1996, S. 18; Jos. Ant. Jud. 14, 10, 22.

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Spartanern wurde aufgrund einer postulierten Verwandtschaft der Völker Kontakt gepflegt.169 Die in dieser an unterschiedliche Adressatenkreise verschieden gestalteten Legitimationsstrategie liegende Spannung prägte auch die Interaktion der Hasmonaier mit ihrem Volk.170 Von diesen Spannungen war auch Herodes als Nachfolger der Hasmonaier betroffen, der seine Ernennung zum König von Judaia allein Rom verdankte, und daher in seiner Legitimationsstrategie zunächst vor allem auf die Ehe mit Mariamne, der Tochter des letzten hasmonaischen Herrschers, setzte.171 Herodes stammte nicht aus einer priesterlichen Familie, die bei den Hasmonaiern übliche Kombination aus Hohepriesterwürde und Königtum war daher für ihn nicht möglich. Die zahlreichen Intrigen, die dank der Verbindung mit Mariamne und ihrer Familie am Hof für Unruhe sorgten, führten schließlich zur Tötung aller männlichen Nachkommen der Hasmonaierfamilie, während die letzten beiden weiblichen Familienmitglieder mit seinen Verwandten verheiratet wurden. Dabei sind mit Günther die bei Josephos als persönliche Familienkonflikte dargestellten Rivalitäten Ausdruck von politischen Auseinandersetzungen verschiedener Gruppen innerhalb Judaias, die miteinander verwandt und verschwägert waren und die 169

Seeman 2013, S. 146–149. Trotz ihrer auf die Bewahrung und Rettung der jüdischen Tradition ausgerichteten Propaganda blieb die Herrschaft der Hasmonaier auch unter den Juden nicht unwidersprochen. Vor allem aus dem religiösen Lager kam Widerspruch, etwa von den Pharisaiern. Die Pharisaier waren eine wohl vor allem in der Mittelschicht und unter den Schriftgelehrten populäre Laienbewegung, die sich eine stärkere Rückbesinnung auf die jüdischen Gesetze auch im Alltagsleben wünschten, um die jüdische Identität der Bevölkerung zu stärken: Vgl. Otzen 1990, S. 116–123. Diese Gruppierung forderte Johannes Hyrkanos zur Niederlegung der Hohepriesterwürde auf, was zu wiederholten Konflikten führte: Vgl. Schäfer 2010, S. 84–89; Schwentzel 2013, S. 64–66. Erst durch ihre Einbeziehung in die Regierungsgeschäfte unter Salome Alexandra konnte die Gruppe mit der Dynastie ausgesöhnt werden, vgl. Sartre 2001, S. 399. Die Pharisaier standen dabei in Konkurrenz zu den Sadduzaiern, einer seit dem 2. Jhd. v. Chr. fassbaren Gruppe, die wohl vor allem in der Jerusalemer Priesterschaft und der neu entstehenden Oberschicht verwurzelt war. Ihre Haltung war offenbar einerseits liberalisierend, was die Aufnahme hellenistischer Einflüsse anging, andererseits aber auch traditionalistisch und gegen die oft progressiveren Vorstellungen über die Einbindung des Gesetzes in den Alltag der Pharisaier gerichtet. Seit Johannes Hyrkanos konnte diese Gruppe die alte Aristokratie aus den hohen Staatsämtern verdrängen und großen politischen Einfluss erlangen: Vgl. Otzen 1990, S. 111–115. Daneben gab es weitere Gruppen, die in Konkurrenz zu den Hasmonaiern standen und mit ähnlichen Mitteln wie diese die eigenen Interessen durchzusetzen suchten, siehe Eckhardt 2016. 171 „Herod began establishing his credibility and legitimacy as king of the Jews. In this attempt, he naturally turned to the most recent source of authority, the Hasmoneans. Through his use of dynastic maneuvering, architecture, and coins, he linked himself with this dynastic family and asserted his legitimacy as a quasi-Hasmonean and, perhaps more importantly, their rightful successor.“ (Marshak 2015, S. 110). 170

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ihre Konflikte auslebten, obwohl angesichts der „römischen Vorherrschaft“ die Herrschaft des Herodes „konkurrenzlos gefestigt“ gewesen sei.172 Herodes war dabei in seiner Legitimations- und Repräsentationsstrategie zwei Idealen verpflichtet: einerseits dem Vorbild der Hasmonaier, an deren Herrschaft er aus Legitimitätsgründen anschließen musste173, andererseits aber auch dem Ideal des hellenistischen Herrschers, dem er sich aufgrund der Interaktion mit Nachbarn und anderen Machthabern zur Akzeptanz der neu gewonnenen Stellung unterwerfen musste. Dieses hellenistische Herrscherideal forderte von einem Herrscher wie schon im Kapitel zu den Ituraiern dargelegt, militärisch und diplomatisch erfolgreich zu sein, Volk und Reich zu schützen und Frieden für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu garantieren, den eigenen wie den den Untertanen gehörenden Wohlstand zu mehren und die Versorgung der Bevölkerung zu garantieren, Gerechtigkeit und Milde walten zu lassen, die Künste zu fördern und durch Euergesien das Volk an seinem eigenen Glück teilhaben zu lassen.174 In dieser Tradition stand die Baupolitik des Herodes, über die wir durch zahlreiche Quellen umfangreich unterrichtet sind.175 Meist am Ort hasmonaischer Vorgängerbauten ließ Herodes mit der Antonia in Jerusalem, Alexandreion, Herodeion, Masada, Hyrkania, Kypros und Machaeros große Festungsanlagen

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Günther 2005, S. 106–122, Zitat S. 122. Vgl. Baumann 1983, S. 196. Insbesondere der Neubau des Tempels habe Herodes dabei die Möglichkeit gegeben, sich von den Hasmonaiern zu emanzipieren und in eine Tradition mit dem davidischen Königtum zu stellen: Wilker 2007, S. 33–38. Baltrusch betont dagegen, Herodes habe sich in Abgrenzung von den Hasmonaiern in der Tradition Salomons sehen wollen: Baltrusch 2012, S. 223. Die Traditionslinie mit Salomon betont auch Schwentzel 2013, S. 113–116. Für Rocca ging es Herodes vor allem darum, sich in eine Traditionslinie mit den Königen der Zeit des ersten Tempels zu bringen und entsprechend den jüdisch-traditionalen Charakter seines Königtums zu betonen. Dabei konnte sowohl der schon von den Hasmonaiern verehrte David, als auch der schon in der hellenistischen jüdischen Literatur für sein diplomatisches Geschick und seine tolerante Herrschaft auch gegenüber anderen Religionen gefeierte Salomon als Vorbild fungieren. David konnte zudem als Referenz dienen, da sich das Reich des Herodes mehr oder weniger über seine legendären Grenzen erstreckte: Vgl. Rocca 2008, S. 22–29. 174 Vgl. Rocca 2008, S. 3–38. 175 Er finanzierte Bauten in Jerusalem, Judaia, Samaria und an der Küste sowie im Großraum Syrien und dem weiteren östlichen Mittelmeerraum. Mit Richardson sollte das Bauprogramm 1. die Orte bedenken, an denen sein Programm die meiste Wertschätzung erhalten würde, 2. gleichzeitig Orte fördern, an denen er Augustus nicht in die Quere kam, 3. Orte unterstützen, an denen seine Tätigkeit dem Judentum am meisten zu Gute kam: Richardson 1996, S. 176. Für Schwartz stand das Bauprogramm vor allem im Zeichen von Herodes’ Bemühungen, die Diaspora-Juden zu unterstützen und dadurch im Gegenzug von ihnen als König aller Juden akzeptiert zu werden: Schwartz 2001, S. 46. Zu dem bei Josephus artikulierten Problem der Bevorzugung von Nicht-Juden vgl. Schwartz 2009, S. 81–87. 173

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sowie in Jerusalem, Jericho, Caesarea und vielleicht Sepphoris Paläste errichten.176 Seine im Vergleich mit den hasmonaischen Vorgängerbauten größeren und mit repräsentativeren Räumen zum Empfang von Gesandten und Bittstellern sowie einer luxuriösere Ausstattung versehenen Paläste zeigen, dass es hier weniger um Verteidigung und mehr um die Repräsentation der erfolgreichen Herrschaft ging.177 Adressaten gerade der Palastarchitektur waren dabei nicht nur die Einwohner Judaias, sondern vor allem auch die lokale Elite sowie ‚internationale‘ Besucher, denn die meist außerhalb der Städte gelegenen Anlagen wurden auch primär von ihnen betreten. Die Bauten des Herodes sollten hier durch ihre oft italische Formensprache nicht nur seine Zugehörigkeit zum hellenistisch-römischen Kulturkreis, sondern auch seine Loyalität zu Rom demonstrieren.178 Das prestigeträchtigste Bauprojekt in Judaia war aber der Neubau des Jerusalemer Tempels, der nach der Zerstörung durch den babylonischen König Nebukadnezar nur provisorisch wiedererrichtet worden war. Ab Ende 20 v. Chr. wurde daher in einem groß angelegten Bauprojekt ein neues Tempelareal geschaffen, das auch umfangreiche Erdarbeiten nötig machte.179 Die Einführung eines auch für Nicht-Juden zugänglichen Teiles auf dem bzw. um das eigentliche Tempelareal, sowie die Errichtung einer stoa basileia an einer Seite des Areals mit der entsprechenden Indienstnahme für profane herrscherliche Aufgaben diente dabei für McCane dazu, unter Beibehaltung jüdischer Traditionen Judentum und – über den Klientelkönig Herodes  – Römisches Reich einander näher zu bringen und füreinander zu öffnen.180

176

Richardson 1996, S. 180–183; Rocca 2008, S. 96–22. 2011, S. 50; zu den Palästen vgl. auch die Überlegungen bei Marshak 2015, S. 119ff; Günther 2005, S. 215. Damit hatte sich Herodes in den Augen von Bernett deutlich von der hasmonaischen Herrschaftsrepräsentation abgesetzt, die vor allem die militärischen Erfolge und die daraus resultierenden territorialen Zugewinne betont habe. Herodes aber habe durch seine Baupolitik seine Wahrnehmung als „neuer Reichsgründer, Städtebauer und Bauherr“ auch im Kontext materieller Überlegenheit demonstrieren wollen: Bernett 2011, S. 81. 178 Förtsch 1996, S. 91, 73. 179 „The rebuilding’s organization and careful preparations, the quality and the enormous quantities of materials used, the vast scale and drama of the Temple, its innovations, its integration into the existing cityscape, the demand to continue regular worship – all are truly staggering.“ (Richardson 1996, S. 185). Nach neuneinhalb Jahren Bauzeit wurde der Tempel eingeweiht, allerdings wurden auch danach noch weitere Baumaßnahmen durchgeführt. Der herodianische Tempel, dessen Areal deutlich größer als der ursprüngliche Tempelbezirk war, teilte sich in einen nur den Juden und einen auch der heidnischen Öffentlichkeit zugänglichen Teil. Seine Größe und Ausstattung sollten dabei die Leistung und den Anspruch des Herodes widerspiegeln, der sich darin in die Tradition vorheriger jüdischer Könige stellte: Günther 2005, S. 209–213. 180 McCane 2008, S. 731–732. 177 Regev

Vergleich zu benachbarten Dynastien

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Neben dem Tempel und seinen Festungs- und Palastanlagen soll Herodes in Jerusalem aber auch eine Rennbahn, ein Amphitheater und ein Theater errichtet sowie im Fünfjahreszyklus stattfindende Spiele zu Ehren des Augustus eingerichtet haben.181 Auch Caesarea erhielt nach seiner Einweihung diese drei Gebäudetypen sowie einen Agon, wonach vielleicht der in Jerusalem eingestellt wurde.182 Herodeion und Jericho wurden offenbar ebenfalls mit Hippodrom und Theater ausgestattet. Auch in Idumaia, der Heimat seines Vaters, war Herodes als Bauherr aktiv. Die Errichtung von Memorialanlagen für die Patriarchen und Matriarchinnen in Haram al-Khalil sowie die Anlage für Abraham in Mamre sieht Richardson im Kontext eines Herrschaftsprogramms, mit dem Herodes die gemeinsamen Wurzeln der Israeliten und Idumaier / Edomiter betonen wollte.183 Mit seinem eigenen Grabmal am Herodeion bot Herodes das spektakulärste Beispiel seiner Bauprojekte. Seit 24 v. Chr. hatte Herodes die Anlage an dem Ort errichten lassen, an dem seine Mutter Kypros auf der Flucht vor den Arsakiden mit dem Wagen gestürzt war. Eine Gefangennahme für den ganze Tross schien unmittelbar bevorzustehen, doch es gelang die Rettung.184 In Herodeion gründete Herodes offenbar eine Stadt, die administratives Zentrum des Umlandes werden sollte. Auf einem teils künstlich angeschütteten Hügel entstand außerdem eine runde Festungsanlage mit vier Türmen, die durch eine monumentale Treppenanlage mit einem großen Palastbezirk am Fuße des Hügels verbunden war.185 Der große Palastkomplex unterhalb des Festungsberges war mit einem großen Wasserbecken versehen, in dessen Mitte ein runder Pavillon platziert war.186 Teil dieses Komplexes war eine lange Prozessionsstraße vor dem Hügel, die zu einer großen Empfangshalle führte und vielleicht war dies ursprünglich als Ort der Grablege vorgesehen, bevor sich Herodes zur Anlage eines Mausoleums etwa auf halber Höhe des Festungshügels entschied. Dazu wurde ein wohl anlässlich des Besuches von Marcus Agrippa 15 v. Chr. errichtetes Theater auf der gegenüberliegenden Seite der Treppe zugeschüttet. Das Mausoleum des Herodes war offenbar ein dreistöckiges Bauwerk, auf dessen quadratischem Podium ein rundes Mittelgeschoss mit einem Säulenring saß, welches von einem konischen Dach mit umstehenden Urnen abgeschlossen wurde. Jedes Stockwerk hatte einen Innenraum, in den Überresten wurden 181

182 183

184 185

186

Bei den Spielen in Jerusalem bot Herodes dabei neben athletischen Wettkämpfen auch Tierkämpfe und Kämpfe Verurteilter gegen Tiere an, nicht aber Gladiatorenspiele. Gleichermaßen erhielten die Sieger keine ‚heidnischen Kränze‘ sondern Geschenke – offenbar nahm Herodes hier Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner jüdischen Untertanen. In Caesarea dagegen gab es auch römische Gladiatorenkämpfe: Schipper 2011, S. 271–275. Günther 2005, S. 231. Richardson 1996, S. 187, 184. Jos. Ant.Jud. 14, 13, 8, Bell.Jud. 1, 13, 8. Vgl. Magness 2001, S. 43 zur Aufschüttung des Hügels. Netzer 1981, S. 12–18.

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Herrschaftsstrategien 

drei Steinsarkophage gefunden, von denen der prächtigste vielleicht Herodes gehört haben könnte. Der Bau steht dabei in einer klassischen Tradition, die aber auch von Mitgliedern der Jerusalemer Elite aufgegriffen wurde.187 Peleg-Barkat will aber insbesondere den römischen Einfluss auf die Gestaltung des Mausoleums betonen.188 Herodes zeigte immer wieder deutlich, dass er seine Herrschaft der Gnade Roms zu verdanken hatte. Schon seinen gesamten Aufstieg hatte er seinen guten Beziehungen zu diversen Vertretern der römischen Ordnungsmacht zu verdanken: zunächst dem Statthalter in Syrien, Sextus Caesar. Über seinen Vater bestanden dann Klientelverbindungen zu Iulius Caesar und Marcus Antonius und schließlich nach Aktium die enge Verbindung zu Octavian / Augustus und vor allem auch zu Agrippa. Diese Verbindungen machte er in seinem Bauprogramm sichtbar. So fand sich in seinen beiden großen Stadtgründungen Caesarea und Sebaste nicht nur im Namen eine Huldigung des Augustus, sondern die Städte erhielten in ihren Zentren exponierte und auf visuelle Wirkung angelegte Tempel für Augustus. Auch bei Paneion ließ Herodes nach der Übernahme der Region einen Augustus-Tempel errichten.189 Darüber hinaus etablierte Herodes 28 v. Chr. in Jerusalem und später 10 v. Chr. in Caesarea Spiele zu Ehren des Augustus, die an dessen Sieg bei Aktium erinnern sollten.190 Die engen Verbindungen zu Rom wurden etwa auch durch die Erziehung der Herodes-Söhne in Rom unterstrichen.191 187

Zangenberg 2014, S. 61–65, zu den drei Planungsphasen der Grablege vor allem Netzer 2008, S. 11–16. 188 Peleg-Barkat 2014, S. 154. 189 Eck 2005, S. 221; Millar 2004, S. 237–238. Schon zuvor war Antonius mit der Benennung der Antonia, der Festung in Jerusalem, ein sichtbares Zeichen des Dankes gesetzt worden. In diese Richtung geht auch die Benennung der Repräsentativ-Räume in seinem Palast in Jerusalem nach Augustus und Agrippa sowie von Türmen oder Hafenstrukturen in den Städten nach Augustus: Marshak 2015, S. 106–107, 148–149; Lichtenberger 2009b, S. 46–48. 190 Zu den entsprechend nötigen Bauten vgl. Weiss 2014, S. 98–99. Für seine Bauten, insbesondere aber für die Errichtung der Hafenanlage in Caesarea Maritima, bediente sich Herodes auch römischer Bautechniken und römischen Ingenieurswissens: Weiss 2014, S. 100. So verwendete er für seine Roma- und Augustus-Tempel opus reticulatum und bei der Errichtung des Hafens von Caesarea Pozzolan und andere römische Bautechniken. Ebenfalls nutzte er gerade auch in seinen Repräsentativbauten italische Dekore und Techniken, die seine Zugriffsmöglichkeiten auf den römischen Kulturraum jedem Betrachter augenfällig machen mussten: Marshak, 2015, S. 214–227. Darüber hinaus wird in der Forschung diskutiert, ob Herodes nicht auch alexandrinische Handwerker in seine Bauprojekte und insbesondere in deren Dekor einbezog, die nach Aktium auf der Suche nach neuer Beschäftigung nach Judaia und Syrien gekommen sein könnten: Rozenberg 2014, S. 127. Sehr ähnlich bei Weiss 2014, S. 102: „The king’s building projects were characterized by creativity, daring, and innovation. The bore a local distinctiveness but were clearly eclectic, combining traditions from the Graeco-Roman East and the western Roman Empire. Using existing models, Herod adapted them to meet local needs […].“ 191 Rocca 2008, S. 53–58.

Vergleich zu benachbarten Dynastien

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Grundsätzlich scheint Herodes „much more rich and varied“ Formen von Architekturdekor eingesetzt und damit einen deutlichen Bruch zu den einfacheren Gestaltungsprinzipien seiner Vorgänger vollzogen zu haben. Andererseits scheint er einen einmal gefundenen spezifischen Stil dann in allen Bauprojekten angewandt zu haben, so dass vielleicht die gleichen Handwerker in den Projekten tätig waren.192 Damit können seine Bauprojekte aber nicht als reine Referenz an Rom verstanden werden, denn sie dienten offenbar vor allem einem Bedürfnis des Herrschers, seine spezifische Vision mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sichtbar zu machen. Während dabei die Eliten seines Reiches ebenso wie die auswärtigen Gäste die ‚Anleihen‘ bei römischen wie griechischen Vorbildern verstanden, konnte die übrige Bevölkerung immer noch das ‚Neue‘ und Innovative an seinen Bauprojekten schätzen. Ein wichtiger weiterer Aspekt der Legitimations- und Repräsentationsstrategie des Herodes stellte die Sorge um das Diaspora-Judentum dar. Hier konnte er u. a. seine Intervention bei Agrippa für jüdische Gemeinden in Kleinasien zuhause in Jerusalem „für seine Legitimation als jüdischer König“ nutzen.193 Daneben bemühte sich Herodes, sich im östlichen Imperium durch Euergesien als freigiebiger Förderer des Griechentums zu präsentieren und damit im hellenistischen Kontext als König zu legitimieren.194 Damit übernahm Herodes auch ‚klassische‘ hellenistische Herrschaftsstrategien: Da ihm durch Rom die Möglichkeit zum Akzeptanzgewinn durch militärische Erfolge genommen war, baute er vor allem auf seine Euergesien, Bauten, die Einbindung lokaler Eliten und den „Wettbewerb mit anderen Königen in vergleichbarer Position (z. B. den Nabataiern) um die Gunst Roms“, um die Unterstützung für seine Herrschaft zu stärken.195

192

Peleg-Barkat 2014, S. 145–153, Zitat S. 145. Wilker 2007, S. 43; Vogel 2002, S. 170–176; Baltrusch 2012, S. 210 ff. Auch die Ansiedlung babylonischer Juden unter Zamaris in der Batanaia gehört in diesen Bereich. Einerseits wurde damit diesen neues Siedlungsland nahe der ‚alten Heimat‘ Israel gegeben, andererseits gehörte zu ihren Aufgaben auch der Schutz der Wege, die Pilger aus Babylonien nehmen mussten, wenn sie zu den großen religiösen Festen im neu entstehenden Tempel in Jerusalem anreisten: Applebaum 1989b, S. 47. 194 Vgl. Günther 2005, S. 225–227. So engagierte sich Herodes finanziell und durch Bautätigkeit auf Rhodos, in Olympia, Sparta, Athen, Pergamon, Samos, Kos, Chios, weiteren kleinasiatischen Städten, Nikopolis, Laodikeia, Damaskos, Antiocheia, Si, Phasaelos, Byblos, Tyros, Berytos, Sidon sowie Askalon. Als ‚Gegenleistung‘ für sein Engagement konnte er zur Einweihung seiner Gründung Caesarea Gesandtschaften aus anderen Reichsteilen willkommen heißen, die der eigenen Bevölkerung gegenüber sein Ansehen und die Anerkennung seiner Stellung in der Mittelmeerwelt augenfällig machten: Jos. Ant. Jud. 16, 5, 1; dazu Baltrusch 2012, S. 235–239. 195 Baltrusch 2012, S. 221. 193

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Herrschaftsstrategien 

Seine Repräsentationsstrategie wird auch in den Münzen erkennbar. Als Klientelkönig konnte er nur Bronzemünzen prägen.196 Dabei wählte er nur griechische Legenden für seine Münzen und stellte sich damit klar in die hellenistische Königstradition. Aber um seine Legitimität und seine Verbindung zu den Hasmonaiern zu unterstreichen, prägte er Münzen mit dem Anker, der als wiedererkennbares hasmonaisches Symbol etabliert war. Diese Prägungen endeten spätestens mit dem Tod der Söhne der Mariamne 7 v. Chr.197 Auch das hasmonaische Motiv des Füllhorns bzw. der doppelten Füllhörner nahm er auf und scheint damit die Legitimität seiner Nachfolge betont haben zu wollen.198 Die Bildmotive der Münzen im Laufe seiner Herrschaft waren dann für Baltrusch „breit gestreut, inhaltlich variabel interpretierbar und von unterschiedlicher Prägung; sie konnten von Juden, Orientalen, Polisbürgern und Römern akzeptiert werden, ohne dass sich Herodes auf eine der von ihm beherrschten Ethnien oder auf eine Religion festlegte.“199 Die Adressaten dieser Selbstdarstellung waren in erster Linie die Einwohner seines Königreiches, denen durch die Münzbilder, aber auch die spektakulären Bauwerke die Leistungsstärke ihres Königs vermittelt werden sollte.200 Andererseits scheint die Benennung von Städten und Bauwerken nach Augustus oder Mitgliedern seiner Familie zuallererst an Rom gerichtet gewesen zu sein und damit eine Loyalitätsbekundung dargestellt zu haben. Für beide Kommunikationsgruppen sollte aber etwa die Übernahme römischer Bautechniken und Materialien zeigen, dass der König auf dieses ‚Herrschaftswissen‘ zurückgreifen konnte  – und die Mittel zu dessen Nutzung hatte.201 Nabataier, Hasmonaier und auch Herodes verwendeten damit also ähnliche Repräsentationsstrategien insofern, als dass sie in besonderer Weise herrscherliches Charisma vermittelnde Repräsentationselemente der hellenistischen Könige übernahmen. Aber diese Übernahmen wurden jeweils mit eigenen bzw. mit als für die eigene Gemeinschaft charakterisierend wahrgenommenen Elementen  – wie die langen Locken der nabataischen Könige oder die ostentative Bescheidenheit der Hasmonaier – auf eine eigene Weise bereichert. Für diese Form der Verwendung bekannter hellenistischer Elemente mit als eigen wahrgenommenen Elementen 196

Schalit 2001, S. 162. Rocca glaubt jedoch, dass Herodes 19 v. Chr. das Prägerecht für Silberschekel von Tyros abgekauft und auf den Jerusalemer Tempel übertragen hätte: Rocca 2008, S. 234. 197 Hoover 2003, S. 36. 198 Vgl. Rocca 2008, S. 35. 199 Baltrusch 2012, S. 240, vgl. Galinsky 2009, S. 39. Zu den Motiven der Münzen des Herodes siehe auch ausführlicher Schwentzel 2013, S. 1125–138. 200 Kropp 2013, S. 8. 201 Lichtenberger 2009b, S. 49, 56.

Zusammenfassung

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finden sich verschiedene Begriffe in der Forschung. In seiner Studie zur Kommagene, deren Dynastie ebenfalls ähnliche Strategien verfolgte, verwendet Versluys vor allem die Begriffe Eklektizismus und Bricolage und hält dabei für die Zeit des späten Hellenismus bis zur Herrschaftszeit des Augusts fest: „What makes the late Hellenistic and „pre-provincial“ forms of eclecticism and bricolage particularly interesting is the fact that they purposefully looked for unique and novel combinations. In this process the agency of cultural styles and elements from the Hellenistic koine was enhanced and accumulated.“202 Damit betont er, dass die bewusste Anleihe an politisch und ideologisch aufgeladenen hellenistischen Vorbildern gerade der herrscherlichen Repräsentation durch die persönliche Auswahl der Dynasten großes Innovationspotential besaß – insbesondere durch die Mischung mit als eigen verstandenen kulturellen Markern, die dabei durchaus auch ‚erfunden‘ gewesen sein können in dem Sinne, dass sie sich erst in dieser besonderen Kombination als Charakteristika der in der Spätphase des Seleukidenreiches entstehenden politischen Gemeinschaften und Dynastien etablierten.203 Damit kann aber die eingangs zitierte Überlegung von Rayak, dass lokale Dynasten sich besonders nach einer Legitimierung durch eine Zentralmacht in ihrer eigenen Repräsentations- und Legitimationsstrategie ‚indigen‘ präsentiert hätten204, nicht aufrecht gehalten werden und auch die Repräsentations- und Legitimationsstrategien der ituraischen wie Emesener Dynasten müssen in den Kontext dieses Bricolage-Trends ihrer Nachbarn eingeordnet werden.

7.4 Zusammenfassung Insbesondere bei der Frage nach der Repräsentations- und Legitimationsstrategie der ituraischen und Emesener Dynasten ist man dabei durch das Quellenproblem herausgefordert, da weder literarische Zeugnisse aus der Gemeinschaft selbst (wie bei den Hasmonaiern und Herodes), noch umfangreiche archäologische Zeugnisse (wie bei den Nabataiern oder Kommagene) vorliegen. Dies schränkt die Erkenntnismöglichkeiten ein. Trotzdem konnte ausgehende von den Münzen der Ituraier für diese Dynastie gezeigt werden, wie stark sie sich eben nicht an einer 202

Versluys 2017, S. 250–251. Vgl. Versluys 2017, S. 252, 254. Diese Methode der „invented tradition“ wurde aber auch von seleukidischen Herrschern verwendet: Denn die Wahl der indigenen Götter als Motive der Münzen des Demetrios III. aus Damaskos versteht Eckhardt dabei als bewusstes Bemühen des Königs, sich als „a local ruler quite apart from any „Seleucid“ pattern“ zu gerieren, „by appealing to a local tradition that may have been invented for this very purpose.“: Eckhardt 2021, S. 32. 204 Rayak 1996, S. 104. 203

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Herrschaftsstrategien 

‚indigenen‘ Eigendefinition versuchte, sondern im Gegenteil auf den Münzen eine an den Vorbildern der hellenistischen und später römischen Welt orientierte Bild- und Motivsprache verwendeten. Dabei wurden offenbar nicht nur die Motive, sondern auch die Ikonographie der Münzen der Nachbarn und Zentralmächte als Vorbilder genommen. Natürlich konnte damit eine höhere Akzeptanz der Münzen als Zahlungsmittel sowohl innerhalb des eigenen Territoriums als auch in den Nachbargebieten erzielt werden – dies ist im Übrigen ein weiteres Argument für eine weite ökonomische Verflechtung der ituraischen Territorien mit ihrer Nachbarschaft. Aber die Anlehnung an die hellenistischen Vorbilder muss eben auch als Legitimations- und Repräsentationsstrategie der ituraischen Dynasten verstanden werden, mit der diese sich eben als Teil der hellenistischen Welt des Großraums Syrien zu präsentieren gedachten und in besonderer Weise hellenistische Herrschaftsideale als Grundlage ihrer eigenen Herrschaftsgestaltung propagierten. Dazu würde auch passen, dass die ituraischen Dynasten möglicherweise stärker als von der Forschung bisher betont andere Bereiche der hellenistischen Selbstdarstellung, insbesondere eine ‚Baupolitik‘, betrieben. Diese Baupolitik ist dabei durch die bislang nur bruchstückhaft archäologische Erforschung ihrer Territorien nur in Ansätzen zu erkennen – aber diese Ansätze verweisen darauf, dass die ituraischen Dynasten (und vor allem Zenodoros) darum bemüht waren, auch in diesem Feld sowohl die eigene Leistungsfähigkeit, als auch die Zugehörigkeit zur Welt der hellenistischen Herrscher und ihrer römischen Nachfolger zu demonstrieren. Dass die ituraischen Dynasten von Chalkis nicht zufällig eben ihre Verortung in dieser hellenistischen Welt propagierten, zeigt zunächst der Vergleich zu den Emesenern, deren Legitimations- und Repräsentationsstrategie aus einer ebenfalls schmalen Quellenbasis erarbeitet werden kann. Diese Quellen sind vor allem die Funde aus der Nekropole der Dynasten, die wie gezeigt einerseits ebenfalls ‚klassischen‘ hellenistischen Herrscherstrategien durch Baupolitik und Förderung benachbarter Städte sowie Heiratsallianzen anwandten. Außerdem verwendeten sie offenbar auch typische hellenistische Herrschaftszeichen wie das Diadem und andere durch die Zentralmächte vergebene bzw. erlaubte Insignien wie den Siegelring. Andererseits aber scheinen sie bei der Bestattung indigene Kleidung getragen zu haben, was ein starkes Indiz für deren prestigeträchtige Bedeutung in Emesa sein muss. Dieses starke indigene Element der Repräsentations- und Legitimationsstrategie unterscheidet die Emesener Dynasten von den ituraischen Dynasten von Chalkis, soweit die aktuelle Quellenlage das beurteilen lässt. Aber es lässt die Emesener Dynasten gut mit anderen Nachbardynastien vergleichen, die in ähnlicher Weise hellenistische und indigene Elemente in ihren Legitimations- und Repräsentationsstrategien verwendeten, wie das vorherige Kapitel zeigte. Ihre Strategien lassen sich damit gut in die Entwicklungen des Großraums Syrien einpassen – die bisher in den Quellen erkennbare Strategie der ituraischen Dynasten von Chalkis dagegen muss als ein explizit Sonderweg verstanden werden.

8. Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener – Erkenntnisse

Entgegen der noch immer vielfach in der Forschung vertretenen Meinung, bei der Etablierung der Eigenherrschaften der Ituraiern und Emesenern hätte es sich um eine ‚Landnahme‘ nomadischer Gemeinschaften gehandelt, hat die vorliegende Untersuchung argumentiert, dass die Gemeinschaften weder im Moment ihres ersten Erscheinens in den Quellen als Nomaden verstanden werden müssen, noch ihre Eigenherrschaften im Zuge einer Einwanderung und Sedentarisierung entstanden. Im Gegenteil konnte gerade für die Ituraier aufgezeigt werden, dass die literarische Überlieferung sie von Anfang an im Bereich der späteren ituraischen Tetrarchie verortete, so wie auch die Emesener in den Quellen im Raum der späteren Eigenherrschaft lokalisiert wurden.1 Dazu passt der archäologische Befund, der für die hellenistische Epoche sowohl im Bereich der späteren ituraischen wie Emesener Eigenherrschaften mit der bisherigen Erkenntnislage eine Kontinuität der verstreuten ländlichen Besiedlung, gepaart mit der Anlage neuer Siedlungen an strategisch bedeutsamen Orten, bezeugt. Das Postulat einer in hellenistischer Zeit überwiegend nicht-sesshaften Bevölkerung im Raum der Emesener Eigenherrschaft, welches die Forschung aus den literarischen Quellen rekonstruiert hat, kann nicht bestätigt werden. Die Städtegründungen der Seleukiden entlang des Orontes lassen vielmehr vermuten, dass dieser Großraum eine zentrale strategische Bedeutung für die Seleukiden hatte und daher von Anfang an intensiv herrschaftlich und auch ökonomisch durchdrungen wurde. Dabei werden auch nomadische Gruppen in eine komplementäre Landschaftsnutzung eingebunden gewesen sein, aber hier ging es nicht um eine Sedentarisierung oder Landnahme. Die bessere Studienlage lässt dabei für die Territorien der Emesener einen ersten Landesausbau im 3. Jhd. v. Chr. und dann eine zweite Phase der Aufsiedlung zwischen 160 und 140 v. Chr. erkennen. Für die Territorien der Ituraier, die unterschiedlich gut erforscht sind, wird etwa in Golan und Hermon eine planvolle Besiedlung entlang der Verkehrsachsen seit dem beginnenden 2. Jhd. v. Chr. sichtbar, im Libanon und vielleicht auch AntiLibanon wurden insbesondere Ende des 2./Anfang des 1. Jhd. v. Chr. ebenfalls an strategischen Punkten entlang von Verkehrsrouten neue Siedlungen angelegt.2 Angesichts der Tatsache, dass im gesamten Nahen Osten in der hellenistischen Zeit eine Zunahme der Besiedlung gerade durch kleinere Ortschaften nachvollziehbar wird und dieses Phänomen insbesondere in der späthellenistischen Epoche neuen Impetus gewann3, muss davon ausgegangen werden, dass hier andere Erklärungen 1

Vgl. Kapitel 3.1. und 3.3. Vgl. Kapitel 3.2. 3 Vgl. die Zusammenstellung bei Versluys 2017, S. 138–140. 2

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Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener

als eine großflächige Sesshaftwerdung von Nomaden gefunden werden müssen. Eine Sedentarisierungspolitik würde auch insofern kaum Sinn machen, da die Seleukiden das Wehrpotential von Nomaden auch ohne eine Ansiedlungspolitik abschöpfen konnten und von ihnen ebenso Tribute erhalten würden.4 Entsprechend muss diese Entwicklung mit einer Zunahme der sesshaften Bevölkerung und einer Intensivierung der Landnutzung erklärt werden, die sich einerseits aus der demographischen Entwicklung der Regionen selbst, sowie der Ansiedlung von Soldaten und Kolonisten durch die Zentralmacht und andererseits dem Bedürfnis der Zentralmacht nach wachsenden Einnahmen aus einem schrumpfenden Reich speisten.5 Beispiele wie Sahr al-Leja und möglicherweise auch Nazala lassen dabei eher vermuten, dass nomadische Gemeinschaften über einen zentralen Versammlungspunkt mit Heiligtum von den lokalen Funktionsträgern und späteren lokalen Dynasten eingebunden wurden, ohne ihre mobile Lebensweise aufgeben zu müssen. Die strategische Gebietssicherung durch eine Durchdringung mit Siedlungen (und der zugehörigen Infrastruktur, also Straßen und Wege) konnte dabei nicht nur die herrschaftliche Kontrolle, sondern natürlich auch die Verfügbarmachung von Ressourcen fördern. So hat die Forschung bereits betont, dass das Seleukidische Reich ein Großreich war, dessen administrative Durchdringung im Wesentlichen durch die Indienstnahme örtlicher Autoritäten als lokale Herrschaftsträger funktionierte.6 Dabei war das Seleukidische Reich nicht einheitlich als Ansammlung von Städten und ihren Territorien verfasst, sondern bestand aus unterschiedlichen Gebietskörpern.7 Dies entspricht im Wesentlichen der Gliederung entlang der schon genannten Adressaten eines Schreibens des Seleukos I. mit basileis, dynastes, poleis und ethnè.8. Daraus schufen die seleukidischen Könige eine komplexe und ‚mehrlagige‘ Verwaltungsstruktur, die etwa Chrubasik in seiner Studie zu den Usurpatoren als charakteristisches Element des Seleukidischen Reiches herausarbeiten kann. Er betont, dass es unterhalb der seleukidischen Zentrale eine zweite Ebene regionaler Kontrolle gegeben habe, die als Ebene der „local power-holders“ bezeichnet werden könne. Diese seien lokale Dynasten gewesen, die teils über nur sehr kleine Gebiete, teils aber auch über größere Regionen geboten, wie etwa die Attaliden von Pergamon.9 Diese „local power-holders“ waren in den verschiedenen 4

5 6 7 8

9

Vgl. Sapin 1990, S. 132. Nomaden wurden auch in Klientelverhältnisse aufgenommen, so etwa skythische Nomaden vom Meder-König Kyaxares: Herod. 1, 73, 3–6. Nomaden als Hilfstruppen bei den Karthagern: Polyb. 3, 33, 15–16; 3, 44, 1–3; 3, 55, 7–8; Diod. 13, 80, 3; Plut. Timol. 28, 11; Plut. Marc. 12, 6. Vgl. Capdetrey 2007, S. 158–166; Sartre 2001, S. 217; Kosmin 2014, S. 197–198. Brüggemann 2010, S. 22–26, und S. 51. Vgl. Capdetrey 2007, S. 88. OGIS 229; vgl. Eckhardt 2014, S. 210. Chrubasik 2016, S. 22; vgl. Ma 2003, S. 179–183. Epigraphisch wird dieses sichtbar z. B. in der sog. Hefzibah-Inschrift SEG 29, 1613. Vgl. Teil 2.

Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener

363

Teilen des Reiches in die seleukidische Administration eingebunden, wie dies etwa auch für Babylonien10 und die Persis11 in der Forschung herausgearbeitet wurde. Die mittlere bzw. lokale Ebene der seleukidischen Verwaltung wird insbesondere in Konfliktsituationen sichtbar, weil sich nur dann ein Anlass ergibt, sie in den literarischen Quellen zu erwähnen. Dies ist sicher der Hintergrund etwa der Erwähnung des Zabdibelos im Heer des Antiochos III. durch Polybios.12 Darüber hinaus sorgten auch die Konflikte innerhalb des seleukidischen Königshauses und die Versuche der Prätendenten, so viele Unterstützer wie möglich an sich zu binden, dafür, dass nun auch diese bislang mittleren und unteren Ebenen der Verwaltungshierarchie als Partner interessant wurden, weil sie über Ressourcen und Truppen verfügten. Auch das steigerte deren Sichtbarkeit in den Quellen. Dies ließ sich etwa an den Beispielen von Azizos als Unterstützer für Philippos I. oder Samsigeramos als Unterstützter des Antiochos XII. aufzeigen.13 Ihre Position gegenüber den Prätendenten, ihre offenkundig vorhandenen Truppen, mit denen sie die Prätendenten unterstützten oder eben auch nicht, sowie ihre Vernetzung in die obersten Ebenen der Reichsadministration und auch in andere Reiche schufen ihnen Handlungsoptionen, die es einigen von ihnen in der Konkurrenzsituation der verschiedenen Prätendenten im letzten Jahrhundert der seleukidischen Herrschaft ermöglichten, bis zu Mitgliedern des Hofes der streitenden Thronerben aufzusteigen.14 Die Blaupause, wie ein solcher Aufstieg gelingen konnte, liefert der Hasmonaier Simon, dessen opportunistische Seitenwechsel ihn schließlich zum Hohepriester, Ethnarchen und ‚ersten Freund‘ des Demetrios II. machten.15 Auch wenn mit letzterem ein Ehrentitel gemeint war, bedeutete dies dennoch auch eine funktionale Einbeziehung in die Herrschaft des Demetrios. Und genau dies ist auch der Moment, in dem die Dynasten der Emesener und Ituraier in den Quellen erscheinen. Auch wenn der schon genannte Samsigeramos nicht explizit als Emesener bezeichnet wird, ist doch die fast exklusive Verwendung dieses Namens im späteren Emesener Herrscherhaus ein gewichtiges Indiz dafür, dass mit ihm diese Dynastie in den Quellen sichtbar wird. Und auch der erste ituraische Dynast Ptolemaios, Sohn des Mennaios, erscheint ebenfalls im Kontext von Rivalitäten zwischen verschiedenen Fraktionen: Nach Josephos versuchte er ja, sich Damaskos einzuverleiben, wohingegen die dortige Besatzung „aus Hass“ Aretas, den König der Nabataier in die Stadt einlud.16 Dieser angebliche Hass ist am überzeugendsten mit einer Amtstätigkeit des Ptolemaios unter dem gerade 10 11

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16

Mittag 2015, S. 204–206. Vgl. Strootman 2017, S. 177–178. Polyb. 5, 79, 8. App. Mithr. 16, 106. Contra Chrubasik 2016, S. 22–25. Zu den Privilegien 1 Makk 11, 33–35; 1 Makk. 14, 41–44; vgl. Schäfer 2010, S. 74. Jos. Ant.Jud. 13,15, 2.

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verstorbenen König Antiochos XII. oder eher noch seinem Bruder Philippos zu erklären, mit der die in Damaskos verbliebenen Kräfte des Königs nicht einverstanden waren. Insofern ist auch in ihm ein Funktionsträger des Königs, angesichts der ihm zur Verfügung stehenden Truppen vermutlich sogar ein Mitglied des Hofes, zu sehen. Die Dynasten der Emesener wie der Ituraier verdankten ihren Aufstieg also einer lokalen bzw. regionalen Herrschaftsaufgabe, die sie von der seleukidischen Zentralmacht erhalten hatten. Aus dieser Position und der dadurch möglichen Institutionalisierung ihrer Hausmacht konnten sie als Verhandlungspartner für die seleukidischen Prätendenten auftreten und schlussendlich eine eigene Herrschaft etablieren. Dabei konnten sie einerseits auf die zunächst im seleukidischen Auftrag rekrutierten Truppen und andererseits auf ihre regionale Vernetzung zurückgreifen. Diese regionale Vernetzung war möglich, weil sie als seleukidische Mandatsträger in den Landesausbau ihrer Territorien maßgeblich eingebunden wurden: Wie die Tubiaden und andere hochrangige Hofmitglieder unter den Ptolemaiern, die als eponyme Offiziere wirkten17, waren sie diejenigen, die den Siedlern Land zuwiesen und sich in der Folge um ihre Belange als Patrone vor Ort kümmerten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es dieser durch die Zentralmacht veranlasste, aber von deren regionalen und lokalen Mandatsträgern ausgeführte Landesausbau, der sich archäologisch in den Territorien der Gemeinschaften nachweisen lässt. So muss festgehalten werden, dass die Etablierung der Eigenherrschaften möglich wurde durch die von der Zentralmacht forcierte Intensivierung der Ressourcen- bzw. Landnutzung und die wachsende Bedeutung der diese vor Ort administrierenden ‚local power holders‘, auch bei der Rekrutierung von Soldaten. Denn wenn ‚indigene‘ Verbände einen so wichtigen Anteil am Gesamtaufgebot der faktisch permanent militärisch aktiven Seleukiden ausmachten, wie Wright annimmt18, und gleichzeitig am seleukidischen Hof selbst eine so enge Verquickung von politischen Ehrenämtern und militärischen Kommandopositionen bestand, wie etwa Strootman meint19, dann ist es wahrscheinlich, dass daraus ableitbare Kommandorang- und Truppengruppen-Bezeichnungen entscheidenden Anteil an der Entstehung der dann später fassbaren Titel der ‚local power-holders‘ hatten.20 Dann müsste auch ein phylarchos in Emesa nicht automatisch auf eine Führungsrolle in einer nomadischen Stammesgemeinschaft hinweisen, sondern den militärischen / administrativen Rang des Trägers ausdrücken. Wenn es dann dabei 17

Vgl. Schwartz 2001, S. 27–28. Wright 2012b, S. 20. 19 Strootman 2014, S. 171. 20 So muss man sich den phylarchos vielleicht eher als Anführer des Kontingents aus einer phylakè, also eines „district militaire“ (Sartre 2001, S. 167) vorstellen. Diese nicht sehr gut belegten Territorialeinheiten scheinen Militärdistrikte oder Straßenposten an strategischen Orten zu sein: Capdetrey 2007, S. 261–262. 18

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nicht zu einer einheitlichen Begrifflichkeit kam, lag dies vor allem im Interesse der seleukidischen Monarchen  – denn entsprechend der immer komplexeren Hoftitel waren auch die verschiedenen Titel für die Anführer lokaler Aufgebote eine Möglichkeit der Monarchen, die Konkurrenz dieser Anführer untereinander zu kontrollieren.21 Zum Zeitpunkt ihres Sichtbarwerdens in den Quellen sind diese ‚local power holders‘ schon etablierte Größen, die von ihnen geführten Gemeinwesen zentral organisiert. Um die Bedürfnisse der Zentralmacht nach Steuereinnahmen und Soldaten zu befriedigen, wurde dabei auf Gemeinschaften mit unterschiedlichen Organisationsformen zurückgegriffen – aber in allen Gemeinschaften führte dies zu einer Institutionalisierung des Führungsanspruches bestimmter Personen, die dann in der Übergangsphase von der seleukidischen zur römischen Herrschaft als ‚Tyrannen‘ oder ‚Dynasten‘ in den Quellen erscheinen.22 Dieses Phänomen ist nicht auf die hier untersuchten Gemeinschaften beschränkt, sondern findet sich auch in den Städten des Großraums Syrien. Hier können etwa Marion von Tyros oder Dionysios von Tripolis, Dexandros in Apameia, Demetrios in Gamala sowie Zenon Kotylas in Philadelphia / A mman und sein Sohn Theodoros in Gerasa genannt werden.23 Mit Engels war es nämlich auch den kommunalen Eliten gelungen, durch die Unterstützung von wechselnden seleukidischen Thronprätendenten Handlungsoptionen für die Städte zu schaffen, die neben Autonomierechten und anderen politischen Privilegien vor allem die städtischen Interessen in der Ausbeute bzw. auch Vergrößerung der städtischen Territorien und Ressourcen in den Vordergrund stellten. Als Beispiele führt er neben Arados und seinen Kriegen gegen Marathos auf dem Festland eine Auseinandersetzung zwischen Apameia und dem auf seinem Territorium gelegenen Larissa an, wobei hier Larissa offenbar die Loslösung von Apameia zu erreichen suchte.24 Dabei zeigt die Beschreibung der Anfänge der Hasmonaier und ihre Einwerbung von Unterstützern bei den Verwandten auf den Dörfern, die dann mit ihnen ins Gebirge bzw. die Wüste zogen, dass man sich den Großraum Syrien in hellenistischer Zeit wahrscheinlich insgesamt als komplexe Gemeinschaft auf Basis von Verwandtschafts- und Klanzugehörigkeiten vorstellen muss, in der sesshafte wie mobile Gruppen, städtische wie ländliche Eliten, lokale Kräfte wie Zentralmächte durch vielfältige Patronage-Verhältnisse miteinander verbunden waren: Im 21

Zu den Hoftiteln und der Konkurrenz am Königshof vgl. Strootman 2014, S. 165–177. Vgl. dazu auch Überlegungen von Honeychurch 2014, S. 282, dass „early states were probably less unified and hegemonic than usually thought, and the process of maintaining early regional polities was not one of stable institutional domination as much as on-going negotiations among diverse factions.“ 22 Vgl. Millar 2006, S. 111. 23 Sartre 2001, S. 437–438. 24 Engels 2013, S. 81–82.

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1. Makkabaier-Buch wird beschrieben, wie der ‚Vater‘ der Hasmonaier-Dynastie Mattathias mit seinen Söhnen „ins Gebirge“ floh, während die Anhänger „in die Wüste“ gingen „mit Frauen und Kindern und ihrem Vieh“ und dort in „Höhlen in der Wüste“ lebten.25 Unterstützung fanden sie zunächst einmal unter ihren „Blutsverwandten“26, womit von einer Gemeinschaftsorganisation entlang von Familien und Klans ausgegangen werden muss. Mit diesen Unterstützern beging Judas Makkabaios nächtliche Überfälle auf Dörfer und Städte27 – er agierte also gar nicht so anders, als die Quellen es etwa den Ituraiern später vorwerfen. Dies mahnt zur Vorsicht, die Ituraier aufgrund der negativen Bezeichnungen bei Strabon und Josephos automatisch für räuberische Nomaden zu halten. Denn mit Brüggemann ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Untertanen der Seleukiden in „segmentär, genealogisch organisierte[n] Gesellschaftsformen“ lebten.28 Wie bestimmte Familien dabei zu ‚local power holders‘ wurden, hing damit also weniger mit der Frage nach Nomaden oder Sesshaften, sondern viel mehr mit der Frage nach ihren Möglichkeiten als Patrone ab. Vor diesem Hintergrund ist auch die Rolle der Städte als Ausgangspunkte für Lokalherrschaften neu zu bewerten. Die Vorstellung, dass die lokalen Dynasten wie die Ituraier und Emesener die Städte, mit denen ihre Herrschaft verbunden wird, in Besitz nahmen und dann diese Städte zu Zentralorten ihrer Territorien machten29, muss dahingehend modifiziert werden, dass die Dynasten offenkundig nicht von ‚außen‘ in diese Städte eindrangen. Im Gegenteil muss man sich diese ‚local power holders‘ als in Stadt und Umland vernetzte Anführer vorstellen, die in der Lage waren, eben aus dieser umfangreichen Vernetzung ihre ‚Hausmacht‘ als Grundlage der Eigenherrschaft zu entwickeln. Sie sind damit im Kontext auch der ‚städtischen Tyrannen‘ wie Marion von Tyros, Dionysios von Tripolis und anderer zu sehen, die in Zeiten politischer Umbrüche die Ressourcen der Städte bündeln konnten und dadurch lokale Machtstellungen aufbauten.30 Die Verbindung von lokalen Patronagebeziehungen, also einer ‚Hausmacht‘, und der Überlassung von Herrschaftsrechten durch die Zentralmächte konnte dann durchaus auch zur Entstehung einer Gemeinschaftsidentität der von diesen lokalen ‚power holders‘ kontrollierten Gebieten und Gruppen führen und zwar insbesondere dann, wenn es sich wie in dieser Arbeit immer wieder hervorgehoben um heterogene Gruppen handelte, die durch Patronage-Netzwerke verbunden waren. Es wurde dabei betont, dass die antiken Quellen eine Ordnung der Welt in Städte, Königreiche oder ethnische Gemeinschaften / Stämme favorisieren, die der zitierten 25

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1 Makk. 2, 17–31. 2 Makk. 8, 1. 2 Makk. 8, 5–9. Brüggemann 2010, S. 40. Funke 1996, S. 221. Vgl. Sartre 2001, S. 380–383.

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Gliederung in basileis, dynastes, poleis, ethnè31 entspricht. Insofern suggerieren die literarischen Quellen zu den Gemeinschaften der Emesener und der Ituraier eine ‚ethnische‘ Gemeinschaft, obwohl die Inschriften und das onomastische Material zeigen, dass es sich um heterogene Gemeinwesen handelte. Diese Heterogenität ist dabei aber nicht nur der historischen Tatsache einer aus unterschiedlichen Gruppen gemischten Bevölkerung geschuldet32, sondern auch der Quellensituation: Denn die Gemeinschaften produzierten überwiegend erst seit dem ausgehenden 1. Jhd. v. Chr. schriftliche Eigenzeugnisse, als sie schon seit mehreren Generationen als expandierende Eigenherrschaften existierten. Entsprechend war die Identität als Emesener oder Ituraier im Moment der Sichtbarwerdung in den epigraphischen Quellen schon längst eine von innen wie außen erkennbare Gemeinschaftszugehörigkeit, die mögliche biologisch-ethnische Konnotationen verloren hatte.33 Insofern konnten sich ituraische Soldaten mit arabischen wie aramaischen Namen als Ituraier bezeichnen, denn diese Gruppenbezeichnung konnte ‚supra-ethnisch‘ auf die Herkunft aus dem ‚Staatsgebiet‘ bezogen werden. Trotzdem ist gerade vor dem Hintergrund der Bedeutung, die der materiellen Kultur und hier insbesondere auch der Tracht, in der Diskussion um die Identität der Gemeinschaften beigemessen wird, und der sich daraus ableitenden These der „invented tradition“34 zu fragen, wie man sich die Gruppengenese der Gemeinschaften vorstellen kann. Hier könnten theoretische Überlegungen zur Ethnogenese Denkanstöße bieten. Hu beschreibt verschiedene Formen der Ethnogenese in historischen Gesellschaften, von denen zwei Formen relevant sein könnten. Dies ist zunächst die Entstehung einer ethnischen Gruppe in Reaktion auf die Etablierung territorialer Grenzen, in der dann die Definition von Identität und Kultur Ausdruck des politischen Geschehens waren.35 Dieses Modell ließe sich für die in diesem Buch betrachteten Gemeinschaften insofern anwenden, als Ituraier und Emesener jeweils in den Grenzbereichen des Ptolemaischen bzw. Seleukidischen Reiches zu finden waren: die Ituraier in der Beka-Ebene befanden sich auf ptolemaischer Seite im Grenzgebiet zwischen Ptolemaiern und Seleukiden und die Emesener in dieser Position auf seleukidischer Seite. Gleichzeitig wird die oben postulierte Institutionalisierung der ‚local power holders‘ insbesondere dann unter der seleukidischen Herrschaft dazu geführt haben, dass diesen geographisch definierte Räume zugewiesen wurden, die wie politische Territorialgrenzen wirkten und die Entstehung einer gemeinschaftlichen Identität begünstigten. Hu nennt aber noch einen zweiten Weg der Ethnogenese, der auch komplementär zu der politisch provozierten Gemeinschaftsbildung wirken konnte, nämlich die 31

OGIS 229. Zur grundsätzlichen Heterogenität der Bevölkerung des hellenistischen Nahen Ostens vgl. etwa van der Spek 2009, S. 101–106. 33 Vgl. Teil 6. 34 Versluys 2017, S. 156. 35 Vgl. Hu, 2013, S. 391. 32

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Institutionalisierung von exklusiven Ressourcenrechten.36 Dieser Ansatz findet sich auch bei Hall, die betont, dass sich ‚ethnische Gruppen‘ häufig durch die Aneignung von Ressourcen durch eine spezifische Sektion der Bevölkerung gegenüber anderen Gruppen bildeten, wobei dieser Prozess von Eroberung, Migration oder anderen Faktoren begleitet sein konnte.37 Ethnogenese konnte also auch der Legitimation von usurpierter Ressourcenkontrolle dienen, wobei die neue Gemeinschaft – bzw. deren Führung – effiziente Machtstrukturen der Zentralmächte als Referenzrahmen für die eigene Herrschaftsetablierung übernahm. In diesem Sinne ließen sich die Entstehungen der Eigenherrschaften der hier betrachteten Gemeinschaften als Endpunkt einer Entwicklung verstehen, in der die ‚local power holders‘ im Zuge der Institutionalisierung ihrer Position und ihres ‚Amtsbereichs‘ eine Gruppenidentität prägten, die im Verständnis der antiken Welt als Volkszugehörigkeit beschrieben wurde und deren Ziel die Rechtfertigung der Ressourcenkontrolle der Anführer war. Diese Form der Ethnogenese konnte auch in heterogenen Gemeinschaften funktionieren, weil sie integrativ war  – denn die Führung der neuen Gemeinschaften nutzten und förderten eine Art ‚Traditionskern‘, der der Gemeinschaft als Identifikationsgrundlage diente.38 Es war also vielleicht auch bei den Emesenern und Ituraiern ein solcher ‚Traditionskern‘, der von der Selbstwahrnehmung der führenden Eliten bestimmt war und der die Identität sowie Bezeichnung der entstehenden Gruppe bestimmte. Aber das angesprochene Beispiel der Tubiaden zeigt, dass auch andere Konstellationen – nämlich die Installierung eines lokalen Anführers als Träger herrscherlicher Gewalt durch eine Zentralmacht – so etwas möglich machten.39 Genauso konnte eine Usurpation von Ressourcen auch aus einer Revolte entstehen, angeführt von einer urban integrierten Elite wie den Hasmonaiern. Insofern kann aus dem vorhandenen Quellenmaterial zu den Emesenern und Ituraiern nicht geschlossen werden, ob ihre Elite aus sesshaft gewordenen arabischen Nomaden bestand. Im Kontext der in antiken Gemeinschaften üblichen mehrschichtigen Identität aus Familien-, Klan-, Bürgerschafts-, ‚Staats‘- und weiteren Zugehörigkeiten war dabei die Teilhabe an einer Territorialgemeinschaft, als die die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener verstanden werden müssen, vielleicht ein ‚inklusives‘ Konzept, das sowohl ‚ethnische Kategorien‘ wie ‚Araber‘ oder ‚Aramaier‘, als auch ‚Klan / Stammes-Kategorien‘ wie die bei Plinius überlieferten Ituraier und Baethaemi unter ihnen aufnehmen konnte.40 36

Hu 2013, S. 389. J. Hall 1997, S. 30. 38 Vgl. Derks / Roymans 2009, S. 1–2. 39 Vgl. Schwartz 2001, S. 27–28; Pfeiffer 2010, S. 245–255. 40 Plin. Nat.Hist. 5, 81. Vgl. J. Hall 1997, S. 30: „Owing to the duality of personal and social identities in the self-concept of the subject, individuals might choose at different times and under different circumstances to interact with each other as individuals rather 37

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Nimmt man diese Überlegungen zusammen mit der angesprochenen Idee des ‚Traditionskerns‘, muss der Selbstdarstellung der Eliten der Gemeinschaften besondere Beachtung zukommen, zumal ihre mögliche Rolle als ‚Traditionskern‘ komplementär zum politisch-militärischen Führungsanspruch auch eine verfestigende Wirkung ihrer sozialen Anführer-Stellung hatte. Dabei muss überlegt werden, ob es sich bei der dabei kolportierten kulturellen Identität um eine „invention of tradition“ handelte. Dies postuliert etwa Rayak für die Hasmonaier, die darin einen Schlüssel zu deren Verständnis sieht.41 Die schlechte Befundlage zur materiellen Kultur der Ituraier und Emesener macht wieder Vergleiche zu ihren Nachbarn nötig, denn nur hier sind Aussagen etwa über die Keramik möglich. Die Feinkeramik wird dabei insbesondere für die Nabataier als Identifikationsmarker verwendet, da sich die nabataische Feinkeramik in einem relativ gut definierbaren Verbreitungsgebiet fand, das man als Kerngebiet des Nabataischen Reiches ansprechen kann. Insofern kann sie als nabataischer Identifikationsmarker verstanden werden, denn ihre Nutzer scheinen damit tatsächlich ihre Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft der Nabataier angezeigt zu haben.42 Es ist zu bedauern, dass beide Hauptorte der Emesener, Arethusa und Emesa, nicht umfassend ergraben und die Hauptstadt der Ituraier, Chalkis, noch nicht einmal lokalisiert wurde und damit keine Aussagen zur materiellen Kultur in diesen Orten zu leisten sind. Jedoch muss festgehalten werden, dass die nabataische Feinkeramik zwar als Identifikationsmarker wirkte, wahrscheinlich aber doch nicht als solcher geschaffen wurde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ihre Erschaffung primär ästhetische Gründe hatte und erst ihre Beliebtheit in der Führungsschicht zu einer Imitation und Verbreitung in den weiteren Schichten der Gesellschaft führte. Insofern ist diese Verbreitung vor allem ein Zeichen für die große Akzeptanz der Elite von Petra im Kerngebiet der Nabataier. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt der Vergleich zu Herodes in Judaia. Denn hier zeigen die Funde aus den Wohnhäusern der Jerusalemer Oberschicht unter Herodes, dass diese den von Herodes vorgelebten hellenistischrömischen Luxus kopierte und ebenfalls bemüht war, sowohl bei der Keramik, als auch der Architekturdekoration etc. den vom König vorgelebten Moden zu folgen. In diesen Kreisen verbreiteten sich daher auch entsprechende Importwaren. Gleichzeitig benutzte man aber auch in der Oberschicht lokale Waren, vielleicht um, wie McCane postuliert, die eigene kulturelle Identität zu betonen. Außerhalb der Eliten fand aber eher eine ‚Rückbesinnung‘ auf die lokalen Produkte und Produktformen than as group-members. In addition, each individual has the potential to choose one or more of a whole repertoire of social identities that make up his or her social persona.“ 41 Rayak 1996, S. 115. 42 Zur Entwicklung der nabataischen Keramik vgl. Parlasca / Schmid / Z ayadine / ’Amr /  Rosenthal-Heginbottom 1997, S. 133–137; Schmid 2004; Schmid 2008, S. 362, 378–385; Schmid 2007, S. 323. Zum möglichen Export vgl. auch Hammond 1973, S. 66–67.

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statt, so dass sich die Funde im Laufe des 1. Jhd. n. Chr. immer stärker zwischen der Landbevölkerung und der städtischen Oberschicht unterschieden, bis auch die Oberschicht im Umfeld der Rebellion unter Nero die eigenen Traditionen materiell betonte. Man könnte daraus folgern, dass einerseits, wie McCane betont, Luxus teuer war und daher Importwaren nur der Oberschicht zur Verfügung standen, und andererseits, dass die materielle Kultur in Judaia extrem politisiert war.43 Während man daher für die Nabataier spekulieren kann, dass die Elite tatsächlich eine Art ‚Traditionskern‘ bildete, die durch ihr Verhalten und ihren Konsum die materielle Kultur der Gemeinschaft als Ganzes maßgeblich beeinflusste, ist die Situation in Judaia komplizierter, weil offenbar die von den Hasmonaiern propagierte Identität so wirkmächtig war, dass alternative Konzepte der Herodianer nicht in gleicher Weise alle Bevölkerungsgruppen überzeugen konnten. Es ist sehr zu bedauern, dass durch das Fehlen systematischer Grabungen in den Siedlungszentren der Emesener und Ituraier keine vergleichbaren Aussagen zu ihrer materiellen Kultur und damit auch zur darüber möglichen Identitätskonstruktion getroffen werden können.

Karte 4: Das Verbreitungsgebiet der nabataischen Feinkeramik, Karte aus Gerber 2014, S. 199.

Besser ist die Situation wie gezeigt bei den Münzen. Die ituraischen Dynasten, die nabataischen Dynasten und die Hasmonaier und Herodes in Judaia prägten Münzen, die in ihrer formalen Gestaltung deutlich hellenistische Einflüsse zeigten, 43

McCane 2016, S. 45–46.

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was sicher auch durch die Notwendigkeit der Entsprechung einer durch seit zwei Jahrhunderten zirkulierenden hellenistischen Münzen geformten Erwartungshaltungen bedingt war. Trotzdem fällt auf, dass die ituraischen Münzen sich in besonderer Weise um ein hellenistisches Aussehen bemühten, während sowohl die Nabataier als auch Hasmonaier und Herodes stärker indigene Traditionen sichtbar machten. Dies wird etwa in der Vermeidung figürlicher Darstellungen auf den judaischen Münzen oder den Frisuren der nabataischen Könige in ihren Münzporträts deutlich.44 Bei Nabataiern und Judaiern müssen die Münzen daher im Kontext der Appropriierung hellenistischer Herrschaftsmedien verstanden werden, die dann eigenständig interpretiert wurden. Dass die Ituraier offenbar bewusst einen anderen Weg wählten, könnte einerseits als Ausdruck ihres Stolzes auf die Legitimation durch eine seleukidische Amtstätigkeit und andererseits als Versuch der Alleinstellung in der Rivalität zu den Nachbarn verstanden werden.45 Bei der Tracht der Dynasten steht zu fragen, ob die Einschätzungen von Konrad zu dem großen arsakidischen Einfluss bzw. dem Einfluss von „Steppenkulturen“ auf die Emesener zutreffen.46 Dabei muss zuerst überlegt werden, welche anderen ‚Inspirationsquellen‘ die Dynasten zur Verfügung hatten. Sucht man nach möglichen Vorbildern für die Tracht der emesenischen Dynasten, so muss der erste Blick zu den Seleukiden gehen. Informationen zum seleukidischen Königsornat sind dabei aber sehr schwierig zu erlangen. Zwei Quellen scheinen nahezulegen, dass die hellenistischen Könige allgemein prächtige Gewänder trugen. So soll sich Demetrios Poliorketes nach Plutarch neben Purpurgewändern einen Mantel (mit langen Ärmeln?) haben anfertigen lassen, der eine Darstellung „des Weltalls und der Himmelserscheinungen“ zeigte.47 Zum anderen beschreibt ebenfalls Plutarch die Kleidung des Königs Kleomenes von Sparta, die als eine Art Gegenbild zu den opulenten hellenistischen Höfen erscheint, denn er wird insbesondere für seine schlichte und einfache Lebensweise, sichtbar auch in einer einfachen Kleidung, gelobt.48 Alexander der Große hatte dabei nach der Eroberung des Achaimenidenreiches eine eigenständige Herrschertracht etabliert, die Elemente der makedonischen Königskleidung mit Aspekten des Ornats des achaimenidischen Großkönigs verband. Insbesondere das Tragen einer purpurfarbenen Chlamys mit weißer Front sowie des persischen Gürtels, der kausia und des Diadems zeichnete diese aus. Die langen Hosen und der Übermantel mit langen Ärmeln der sog. medischen Tracht wurden jedoch nicht übernommen. Aus seiner Hofhaltung entstand die später in 44

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Zu den Münzen der Hasmonaier: Hoover 2003, S. 32–35; Marshak 2015, S. 69–70. Zu den Münzen der Nabataier vgl. Schwentzel 2013, S. 190; Schmid 2008, S. 367; zur ‚parthischen Tracht‘ der nabataischen Könige auf den Münzen: Kropp 2013, S. 61–68. Vgl. Kapitel 7.1. So Konrad 2014, S. 59–60. Plut. Demetr. 41, 3–4. Plut. Kleom. 13.

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den hellenistischen Reichen übliche Entfaltung von Luxus und Pracht.49 Gleichzeitig wurden auch die Mitglieder der Hofgesellschaft, insbesondere die Freunde des Königs, durch eine besondere Kleidung ausgezeichnet, denn Alexander verteilte an sie weiße Roben mit purpurfarbenem Rand.50 Insbesondere purpurfarbene kausiai scheinen dann ein besonderes Symbol der Nähe zum König dargestellt zu haben, was offenbar schon am makedonischen Hof praktiziert und später etwa von Eumenes von Pergamon aufgegriffen wurde.51 Hier sind Überlegungen von Janssen aus seiner Studie zur Verwendung der kausia von großem Interesse. Janssen stellt nämlich die literarischen wie archäologischen Belege für die Nutzung der kausia als Kopfbedeckung im hellenistischen Raum zusammen und kommt zu dem Schluss, dass die kausia ursprünglich die übliche Kopfbedeckung der Makedonen war und als solche durch die Eroberungen Alexanders des Großen und die Etablierung der Nachfolgereiche zum Symbol der Zugehörigkeit zum in diesen Reichen exklusiven Kreis der privilegierten griechisch-makedonischen Bevölkerung wurde. Daraus konnte sich dann eine besondere Verwendung in der bildlichen Darstellung gerade für Soldaten und im Kontext des Gymnasions (also für Bürger und angehende Soldaten) entwickeln. Die hellenistischen Könige trugen dabei offenbar auch die kausia, die dann ihren herausgehobenen Rang durch die für den Herrscher und seine engste Umgebung exklusive Verwendung der Farbe Purpur und – für den Herrscher  – ein umgelegtes Diadem betonte.52 Dass die makedonische Tracht insbesondere auch für Soldaten als Distinktionsmerkmal gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen genutzt wurde, zeigt sich z. B. auch an den gemalten Grabstelen ptolemaischer Kavalleristen aus Alexandreia.53 Dabei kann mit Lampropoulos betont werden, dass am makedonischen Königshof seit dem 5. Jhd. v. Chr. luxuriöse Stoffe und Gewänder aus dem Orient bekannt und in Gebrauch waren, natürlich insbesondere als Mittel der sozialen Distinktion im Kontext der Konkurrenz um Status und Ansehen.54 Schaut man auf die Seleukiden, so rekonstruiert Wright aufgrund des vor allem numismatischen Materials, dass der König durch das Tragen eines Diadems und ein königliches Aussehen, angelehnt an die Bildsprache Alexanders des Großen, aber auch der Achaimeniden, ausgezeichnet worden sei. In einer Silbermünz-Serie aus Ekbatana sei mit hoher Wahrscheinlichkeit Seleukos I. in Ganzkörperansicht reitend dargestellt. Er trage einen gehörnten attischen Helm, einen langärmeligen chiton mit chlamys und vielleicht sogar Hosen. Der Helm und der lange Speer der makedonischen Kavallerie 49 50 51

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Angeblich kostümierte sich Alexander auch gerne: Ephippos von Olynth FGrHist 126F5. Diod. 17, 77, 5. Plut. Eumen. 8; vgl. Collins 2012, S. 372–387. Janssen 2007, S. 228–258. Cole 2019. Lampropoulos 2008, S. 79–81.

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zeigten dabei das makedonische Erbe, während die langen Ärmel und möglichen Hosen einen orientalischen Einfluss in der königlichen Selbstdarstellung offenbaren könnten. In den folgenden Überlegungen betont Wright, dass die Seleukiden sichtbar makedonische Tracht und überwiegend keine Hosen trugen, aber dazu offenbar einen langärmeligen chiton, was im klassischen Griechenland als orientalische Sitte angesehen worden sei. Andere Darstellungen der Könige vom Hierothesion am Nemrud Dag in Kommagene oder eine mögliche Abbildung Seleukos’ I. aus einem Tempel in Dura-Europos zeigten den König immer in Rüstung.55 Dem entsprechen Überlegungen von Tuplin, der zu den seleukidischen Könige konstatiert: „The king dressed in Macedonian style – boots, cloak, kausia. Evidence about Demetrius’ remarkable extravagance suggest that royal clothing was usually modestly decorated. Since, moreover, purple was available to his Friends, only the diadem really set the king apart.“56 Vor diesem Hintergrund scheinen die Ituraier bemüht gewesen zu sein, diesen seleukidischen Vorbildern insofern zu entsprechen, als die auf ihren Münzen dargestellten Dioskuren die seleukidische Herrschertracht imitierten.57 Dies muss als bewusster Maßnahme verstanden werden, sich in das hellenistisch / seleukidische Erbe einzuschreiben – und sich damit auch von etwaigen indigenen Traditionen abzusetzen. Dagegen trugen die Emesener eine explizit orientalische Tracht – aber diese muss weder „invented“ noch von den Arsakiden inspiriert gewesen sein. Denn vielleicht könnte man dafür eher eine andere Erklärung postulieren: Wenn, wie oben dargelegt, die Eigenherrschaften von ‚local power holders‘ etabliert wurden, die ursprünglich nicht aus der Reichselite, sondern aus der mittleren und unteren Ebene der seleukidischen Administration stammten, dann hatten diese möglicherweise bis dahin keinen Zugang zu den Medien und Ausdrucksmöglichkeiten dieser Reichselite. Die zitierten Quellenstellen zur hellenistischen Königstracht und insbesondere der Reglementierung des Zugangs zu spezifischen purpurnen Gewändern und den kausiai für die Freunde des Königs machen es wahrscheinlich, dass die Hierarchieebenen unterhalb der Freunde eben solche Gewänder nicht tragen durften. Das ließe sich vielleicht auch an dem Hasmonaier Simon belegen, der im Zuge der Verleihung verschiedener Kompetenzen durch Rat und Volk der Judaier u. a. auch als Einziger das Recht haben sollte, purpurne Gewänder zu tragen.58 Wenn aber Purpurgewänder und insbesondere bestimmte makedonische Gewänder einer hierarchischen Reglementierung unterlagen, mussten sich die anderen Ebenen 55

Wright 2012, S. 18. Tuplin 2009, S. 119. 57 Vgl. die Münzen aus dem Katalog bei Herman 2006, S. 58–72; Cadario 2020, S. 240–241. 58 1 Makk. 14, 44. 56

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entsprechend anderer, nicht-makedonischer Kleidungen zur Kenntlichmachung ihrer gegenüber der restlichen Bevölkerung herausgehobenen Stellung bedienen. Es liegt nahe, dass sie entsprechend kostbare und luxuriöse Gewänder wählten, wie sie im Großraum seit achaimenidischer Zeit verbreitet waren. Gerade die sog. medische Tracht, die von den hellenistischen Herrschern nicht verwendet wurde, könnte für diese Gruppe von besonderem Interesse gewesen sein. Denn sie bot nicht nur die Möglichkeit, den eigenen Reichtum zur Schau zu stellen. Sie erlaubte es den Trägern auch, sich in einer nicht durch den König reglementierten Nische gegenüber einer mit der Symbolik dieser Tracht vertrauten indigenen Bevölkerung zu profilieren.59 Es ist durchaus möglich, dass der ituraische Dynast Ptolemaios, Sohn des Mennaios, mit der hellenistischen Tracht der Dioskuren auf seinen Münzen ganz gezielt seinen Untertanen vermitteln wollte, dass er schon unter den letzten Seleukiden eben nicht mehr nur zu der ‚mittleren‘ Verwaltungsebene gehört hatte, sondern ‚reguläres‘ Mitglied eines seleukidischen Königshofes war und daher auch das ‚Recht‘ hatte, die entsprechend aufgeladene hellenistische Eliten-Kleidung zu tragen. Der ‚mittleren‘ hierarchischen Ebene waren bis zum Zerfall des Seleukidischen Reiches nicht nur die makedonische Herrschertracht, sondern vermutlich auch die makedonischen Medien der Selbstdarstellung verwehrt, bzw. standen nur eingeschränkt zur Verfügung. Denn die ‚local power holders‘ in Syrien prägten keine Münzen und es ist unklar, ob und wie sie sich etwa durch Statuen oder Inschriften im öffentlichen Raum präsentierten. Die angesprochene Skulptur eines möglichen Dynasten aus der Nähe von Tripolis, die ein orientalisches Gewand trägt60, könnte ein Hinweis darauf sein, dass so eine Selbstdarstellung im öffentlichen Raum durchaus stattfand und auch hier eben auf diese orientalische Tracht als Distinktionsmöglichkeit zurückgegriffen wurde. Andererseits könnte die Selbstinszenierung der ‚local power holders‘ erst mit dem Niedergang der Zentralmacht begonnen haben. So betont Emberling in seinem Beitrag zu Ethnizität aus archäologischer Perspektive, dass mit dem Kontrollverlust der Zentralmächte auch andere Gruppen, also auch indigene Gemeinschaften, sich deren Symbole aneignen

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Das könnte einer der Hintergründe der Bezeichnung als medischer König für Timarchos, einen Usurpator gegen Demetrios I., gewesen sein, vgl. Kosmin 2014, S. 256. Die hier angestellten Überlegungen zur Nutzung der orientalischen Tracht als Distinktionsmerkmal einer indigenen ‚mittleren‘ Hierarchieebene müssen auch gelten, wenn, wie Brüggemann 2010, S. 30 postuliert, ein nicht unwesentlicher Anteil des seleukidischen Hofes aus indigenen Eliten rekrutiert wurde – denn diese werden sich am Hof den ‚makedonischen Kleidungsregeln‘ unterworfen haben, um die Nähe zum König sichtbar zu machen. Sie widersprechen aber in Teilen Überlegungen von Versluys 2017, S. 150–151, dass die Verwendung achaimenidischer Symbole etc. als „Persianism“ und „Achaemenid revival“ zu verstehen sind. 60 Wiegosz-Rondolino 2011–2012, S. 16–17, vgl. Kapitel 7.2.

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konnten.61 Aber diese Appropriierung erstreckte sich eben auch auf die Medien der Selbstdarstellung selbst – denn erst durch die Notwendigkeit der seleukidischen Prätendenten und in ihrer Folge der römischen Bürgerkriegsparteien, diese ‚local power holders‘ zu Unterstützern und Partnern zu machen, konnten diese sich das Recht nehmen, diese Medien zu nutzen. Wieder könnte man dies mit dem Hasmonaier Simon belegen, denn unter den ihm durch Volk und Rat verliehenen Rechten waren auch folgende: καὶ ὅπως γράφωνται ἐπὶ τῷ ὀνόματι αὐτοῦ πᾶσαι συγγραφαὶ ἐν τῇ χώρᾳ, καὶ ὅπως περιβάλληται πορφύραν καὶ χρυσοφορῇ·

„Jede Urkunde im Land müsse in seinem Namen ausgestellt werden. Auch dürfe er sich in Gold und Purpur kleiden.“62

In Anbetracht der Tatsache, dass die Simon hier von Volk und Rat der Judaier verliehenen Rechte usurpierte seleukidische Herrschaftsrechte darstellen, könnte diese Passage als Ermächtigung gelesen werden, auch die herrscherlichen Medien der Selbstdarstellung – nämlich Tragen eines Herrscherornats und Einschreibung in öffentliche wie private Texte als sichtbare einzige Autorität – zu nutzen. Insbesondere nach dem Erscheinen des Pompeius scheint eine Imitation der Arsakiden in der Herrschertracht vor dem Hintergrund der großen Sensibilität der Römer für ihre Grenze mit den Arsakiden nicht sehr attraktiv – schließlich musste den Nachbarn das Ende des Lysanias von Chalkis zeigen, dass selbst der leiseste Verdacht einer Konspiration mit dem Feind jederzeit zum Verlust von Reich und Leben führen konnte.63 Die Übernahme einer erkennbar arsakidischen Tracht wird dabei trotz des sicher großen kulturellen Einflusses der Arsakiden im gesamten Nahen Osten doch eher vermieden worden sein. Nicht abzustreiten ist jedoch die Wirkmächtigkeit des achaimenidischen Erbes gerade auch bei der Tracht, die auch unter den Seleukiden noch als Herrschaftszeichen fungieren konnten. So hält Versluys fest, der Persianismus, also der Rückgriff auf achaimenidische Symbole, sei eine Quelle sozialer Macht, um dynastische Legitimität zu beanspruchen, denn vor allem die achaimenidische Architektur und Architekturdekoration habe als erfolgreiches Modell zur Präsentation von Königtum und königlicher Herrschaft gewirkt. Daher habe jeder Anklang an achaimenidische Traditionen dem Betrachter sofort royale Macht signalisiert.64 Gleichzeitig betonen neuere Studien zum Fortleben achaimenidischer Traditionen in den Nachfolgereichen, dass es auch unter den Achaimeniden keine einheitliche reichspersische Tradition gegeben habe, so dass die lokalen Dynasten in Anatolien, 61

Emberling 1997, S. 309. 1 Makk. 14, 43. Übersetzung nach der Einheitsübersetzung. 63 Cass.Dio 49, 32, 4–5. 64 Versluys 2017, S. 247–248. 62

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dem Kaukasus oder Iran unterschiedliche Aspekte des persischen Erbes herausgriffen, um daraus ihre eigene (Herrschafts)Identität zu schaffen.65 Insofern konnten sich Arsakiden wie Emesener oder auch Nabataier aus einem großen Repertoire an orientalischen Formen bedienen, um den eigenen Führungsanspruch gegenüber der lokalen Gemeinschaft sichtbar zu machen. Und mit dem Schritt in die unabhängige Eigenherrschaft wurde die „cultural memory“ an das Achaimenidenreich dann auch für die „deliberate construction of meaningful common knowledge“ über dessen Herrschaftskonzeption verwendet66 – unter seleukidischer Herrschaft scheint man dagegen auf der Ebene der ‚local power-holders‘ achaimenidische Satrapenrepräsentation kopiert zu haben. Dies lässt sich etwa an den Fratarakā zeigen, die anders als in der älteren Forschung gedacht, wohl zunächst als den Seleukiden untertänige Klientelherrscher wirkten. In dieser Funktion trugen sie auf ihren Münzen die achaimenidischen Satrapen-Kopfbedeckung und weitere Insignien67 – und diese Wahl könnte ähnliche Hintergründe wie die oben postulierte Entscheidung bei der Tracht der Emesener und Nabataier haben. Denn wenn makedonisch-griechische Kleidung ebenso wie Teile des alten achaimenidischen Großkönigs-Ornats einer obersten Reichsebene in der direkten Umgebung der seleukidischen Könige vorbehalten war, dann stellte die persische Satrapen-Kleidung eine anschlussfähige Alternative für die ‚local power-holders‘ dar. Es ist sehr bedauerlich, dass die Hauptstädte der Emesener wie Ituraier nicht ergraben sind und daher auch keine Aussagen darüber getroffen werden können, ob diese als Städte im griechisch-institutionellen Sinne organisiert waren – und ob die Dynasten sich hier z. B. als griechische Polis-Bürger darstellen ließen. Das Beispiel des judaischen Hohepriesters Jason, der Antiochos III. um die Einrichtung einer griechischen Bürgergemeinde in Jerusalem bat, könnte ein Hinweis auf die Attraktivität einer solchen Bürgeridentität geben, die nicht als Widerspruch zu der lokalen Anführerrolle verstanden werden musste.68 Gegen diese Kooperation wandten sich die Hasmonaier, wobei deren Revolte des Ergebnis von Rivalität innerhalb der Jerusalemer Führungsschicht war, in deren Zuge die Hasmonaier sich als Retter der indigenen Traditionen gerierten. Damit sollte ein legitimatorisches Defizit verdeckt werden, da die Hasmonaier weder von der Zentralmacht autorisiert, noch in der eigenen Gemeinschaft als Anführer etabliert waren.69 Ein umgekehrtes Phänomen ließe sich für das ituraische Herrschaftsgebiet postulieren: Wenn Ptolemaios, Sohn des Mennaios, einen seleukidischen Funktionsträger war, ergab sich seine 65

Canepa 2017, S. 222. Strootman / Versluys 2017, S.  17. 67 Vgl. Strootman 2017, S. 187–192, 196–197; Wiesehöfer 2013, S. 725. 68 van der Spek 2009, S. 102, S. 108–110: griechische Gemeinschaften betonten ihre griechische Identität durch eine ostentative griechische Lebensweise mit Gymnasion, Ephebie, Theater, Agonen sowie der Verwendung der griechischen Sprache. 69 Schwartz 2001, S. 33–36. 66

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Legitimierung eben aus der Autorisierung durch die Zentralmacht. Die wohl zu ihm in Konkurrenz stehende Elite in Arka, die damit keinen Führungsanspruch über die Gemeinschaft geltend machen konnte, berief sich vielleicht auch daher so explizit auf ihre ituraischen Wurzeln, um wie die Hasmonaier daraus einen alternativen Autoritätsanspruch zu konstruieren.70 Die kulturelle Identität der untersuchten Gemeinschaften war aber nicht von ihren Eliten konstruiert oder ‚erfunden‘. Im Gegenteil wurde durch die Usurpierung von Herrschaftsprivilegien und Herrschaftsmedien im Prozess der Entstehung der Eigenherrschaften dieser Eliten die kulturelle Identität ihrer Gruppe in den Quellen sichtbar. Dass die dann als identitätsstiftend verstandenen Gegenstände, Trachten, Rituale etc. im Vergleich zu den älteren Textzeugnissen Veränderungen aufgewiesen haben mögen, muss weniger mit einer bewussten Neustiftung eigentlich vergessener (oder nie geschehener) Vergangenheiten zusammenhängen, als mit der permanenten Aktualisierung der Traditionen durch Einflüsse von außen. Dieses Phänomen könnte etwa mit der Tempelanlage von Umm el-Amed in Phoinikien aufgezeigt werden, deren architektonische Gestaltung ebenso wie die verehrten Götter starke Einflüsse aus Ägypten, dem Iran, aber auch aus Griechenland aufweisen. So bezeichnet Wright die Anlage als „a truly vernacular fusion of merging cultural influences.“ Auch hier wurde also die eigene phoinikische Kultur mit Hilfe von Stilen und Formen benachbarter Kulturräume aktualisiert, während die ausschließlich phoinikischen Inschriften aus der Entstehungszeit die Zugehörigkeit zu diesem Kulturraum bezeugen.71 Insofern praktizierten auch die Emesener mit ihren Herrschertrachten keine Neuschaffungen, sondern eine Aktualisierungen existenter lokaler Traditionen, die aber durch die Usurpation der Herrschaftsrechte auch in neuen Medien sichtbar gemacht werden konnten. Dies ist nur insofern eine „invention“, als die „appropriation of concepts is in itself a form of cultural formation.“72 Hier muss dann noch einmal betont werden, dass die Ituraier unter Ptolemaios, Sohn des Mennaios, einen Sonderweg gingen, denn dieser verließ sich ausweislich

70

Vgl. Kapitel 7.1. Wright 2012, S. 112. 72 Vgl. Kropp 2013, S. 384 zur Übernahme kultureller Einflüsse von außen in den lokalen Dynastien: „Ruling over populations that had hardly been exposed to Hellenism in previous centuries, these monarchs were able to exploit their privileged contacts with the Graeco-Roman world to introduce ‚modern‘ Mediterranean culture from abroad and, thanks to considerable resources, integrating them into large-scale projections of their own royal authority. The selective use of ‚foreign‘ elements reveals both  a familiarity with things Greek and Roman and  a thorough consideration of how to employ them. Hellenized and Romanized artefacts did not necessarily carry precise cultural messages per se, but were integrated as lavish, exotic, and modern elements.“; vgl. Strootman / Versluys 2015, S. 18. 71

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seiner Münzen eindeutig auf eine stark an seleukidischen Vorbildern orientierte Repräsentationsstrategie, welche anders als bei anderen Gemeinschaften keine bewusste Bezugnahme zu einem wie auch immer gearteten indigenen Erbe erkennen lässt. Dabei schloss Versluys in seiner Analyse zu Kommagene: „It was concluded that „going Greek“ in the first-century BC Mediterranean and Near East was mostly a form of Hellenism: a source of social power that should be understood as a choice to associate with civilisation and modernity.“73 Vor diesem Hintergrund muss also die hellenistische Selbstdarstellung des Dynasten in den Münzen als bewusste Entscheidung verstanden werden, sich gerade auch gegenüber den Nachbarn als Erbe der Seleukiden zu präsentieren. Dies stützt die angestellte Überlegung, dass es sich bei Ptolemaios, Sohn des Mennaios, um einen seleukidischen Funktionsträger gehandelt haben muss, der im Zuge des Zerfalls des Seleukidenreiches eine eigenständige Machposition erringen konnte. Und offenbar war es dieser Hintergrund, den er in der Konkurrenz zu Nachbarn und Rivalen insbesondere betonen wollte. Aber auch seine Nachfolger zeigten sich in ihren Münzen wie beschrieben in den Traditionen der Zentralmächte und scheinen damit offenbar ihre Herrschaftslegitimation besonders unterstrichen zu haben. Dass die Ituraier damit so stark auf die seleukidischen Vorbilder rekurrierten, muss sicher auch als Ausdruck der Wirkmächtigkeit der seleukidischen Legitimationsstrategien verstanden werden, die noch unter Ptolemaios, Sohn des Mennaios, als Legitimation gebend galten. Den Seleukiden war es damit gelungen, erfolgreich eine komplexe und stabile Verwaltungshierarchie in ihren Territorien zu etablieren, die sich durch eine Autorisierung von Herrschaftsträgern sowohl ‚von oben‘ auf die Mitglieder des Hofes, als auch ‚von unten‘ auf lokale Kräfte in den Regionen des Reiches stützte.74 Die personale Struktur des seleukidischen Königtums sorgte dabei über die Zeit nicht nur für eine Institutionalisierung dieser Strukturen, sondern auch für eine Festigung der Stellung der so autorisierten Personen bzw. deren Familien.75 Auf der Ebene des Hofes beschreibt dies etwa Strootman.76 Er betont dabei auch die große Konkurrenz der Hofmitglieder untereinander, die der König über die Etablierung neuer Hofämter oder über die Kultivierung eines Favoriten als Zwischenebene zwischen König und restlichem Hof zu regulieren suchte. Gleichzeitig bemühten

73

Versluys 2017, S. 247. Den Erfolg der Seleukiden betont auch Aphergis 2004, S. 298. 75 Das meint etwa Engels unter dem Begriff der „feudalisation“, Engels 2011, S. 25. 76 Strootman 2014, S. 178: „The longer the kingdoms existed, the more the families of leading philoi – who were rewarded for their services to the crown with riches, landed estates and status – acquired sources of income and prestige of their own.“ 74

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sich aber auch die Hofmitglieder, ihre eigenen Handlungsoptionen auszubauen, indem sie Allianzen mit Mitgliedern der Königsfamilie oder anderen Freunden des Königs schmiedeten und insbesondere ganz grundsätzlich ihr Patronage-Netzwerk in alle Ebenen der königlichen Verwaltung vertieften.77 Sehr ähnlich muss man sich auch die Situation in den unteren Ebenen der Herrschaftsträger vorstellen, denn einerseits musste diesen Amtsträgern ebenfalls an einer Perpetuierung ihrer Stellung gelegen sein, die nur durch ein entsprechendes Netzwerk von Patronen und Klienten möglich war, über die für die jeweilige Aufgabe vom König eingeforderte Leistungen erbracht werden konnten.78 Und andererseits musste aber genau dies mittelfristig zu einer Verfestigung von sowohl Zuständigkeitsbereichen wie auch Zuständigen führen, die vor Ort Herrschaftsstrukturen dieser Zuständigen, nämlich der ‚local power-holders‘, entstehen ließen.79 Dieser Prozess muss von Anfang an durch Aushandlungen, Zugeständnisse und Restituierungen von stärkerer Kontrolle begleitet gewesen sein, in denen auch militärische Mittel zur Erweiterung der Handlungsoptionen eingesetzt wurden.80 Mit den Auseinandersetzungen der verschiedenen Prätendenten um den seleukidischen Thron, den dadurch bedingten häufigen Wechseln des Königs sowie insbesondere der Notwendigkeit der Prätendenten, so viele Unterstützer wie möglich anzuwerben, werden die bis dahin in den Quellen unsichtbaren ‚unteren‘ Ebenen dieses seleukidischen Herrschaftssystems sichtbar. Die Entstehung der in dieser Arbeit betrachteten Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener zeigt dabei die Handlungsoptionen, die den ‚local power holders‘ durch diese Situation offenstanden, denn sie konnten nun direkt mit den Königen in Verhandlungen treten. Damit wurden sie von den Königen wie die anderen lokalen politischen Einheiten des Reiches behandelt, nämlich die Städte. Viele von diesen hatten ja wie gezeigt vor allem seit dem 2. Jhd. v. Chr. durch Verhandlungen, Unterstützungsangebote und Bitten Statuserhöhungen erlangen können.81 In der Folge könnte die Eroberung Syriens durch Tigranes eine wesentlich größere Rolle als Initiator eines strukturellen Wandels gespielt haben, als die des Pompeius. Denn es war offenbar Tigranes, der die lokalen Anführer in ihren Positionen bestätigte und ihnen den Status ‚autonomer‘ Verbündeter ermöglichte. Dies mag seine Ursachen nicht nur in der grundsätzlichen Notwendigkeit eines Eroberers zur Kooperation mit lokalen Kräften gehabt haben, sondern auch in der Tatsache, dass Tigranes aus seinem eigenen armenischen Königreich eine starke 77 78

79

80 81

Vgl. Strootman 2014, S. 165, 177; die Patronage-Netzwerke betont auch Brüggemann 2010, S. 39. Vgl. Boiy / Mittag 2011, S. 121–122. Für die Ebene ‚von oben‘ vgl. dazu Kosmin 2014, S. 254. Vgl. Chrubasik 2016, S. 22–25, 229–230. Vgl. Capdetrey 2007, S. 193–195 zum strukturellen Umgang der Seleukiden mit den Städten.

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lokale Elite und ihm untertänige „para-feudal principalities“ kannte.82 Seine Herrschaftsstruktur ähnelte dabei wohl dem arsakidischen System, in dem nach Hartmann ebenfalls solche eigenständigen Lokaldynastien eingebunden waren. Diese hätten, so Hartmann, ihre Gebiete überwiegend autonom verwaltet, aber die Oberhoheit der parthischen Könige anerkannt und Heeresfolge geleistet. Durch entsprechende langjährige Treue konnten die Lokalherrscher damit eigene lokale Dynastien etablieren. Hartmann führt weiter aus, dass diese Vasallen als Belohnung für ihre Treue zum König der Könige neben dem Recht des Tragens der aufrechten Tiara das Münzrecht und den Königstitel erhalten konnten.83 Es ist wahrscheinlich, dass es solche Maßnahmen sind, von denen auch die hier untersuchten Gemeinschaften profitierten – etwa beim Münzrecht für Ptolemaios, Sohn des Mennaios, oder vielleicht auch dem Königstitel der Emeserner?84 Die römischen Eroberer unter Pompeius fanden demnach ein bereits umgestaltetes Syrien vor, in dem ein ‚Zurückdrehen‘ der Zeit auf die seleukidische Ordnung aus untertänigen Funktionsträgern nicht mehr möglich war. Im Gegenteil beförderte die Situation der Bürgerkriege nach der Ermordung Caesars dieses System, weil sich wieder unterschiedliche Akteure um Unterstützer bemühten.85 Neben einer politischen Aufwertung der ‚local power holders‘ und ihrer Gemeinschaften sorgte dies aber auch für eine zunehmende insbesondere auch ökonomische Konkurrenz der entstehenden Eigenherrschaften. Denn deren politisch-militärischer Erfolg war ganz wesentlich von der Verfügbarmachung von Ressourcen sowohl zur Versorgung der Gemeinschaft als auch – noch wichtiger – zur Finanzierung von Truppen abhängig. In diesem Kontext musste neben einem effizienten Landesausbau und dem Zugriff auf alle natürlichen Ressourcen des kontrollierten Gebietes großes Augenmerk auch den Möglichkeiten zu Einnahmen aus Handelsgeschäften zukommen. Entsprechend muss man sich das späthellenistische Syrien bis zur Eingliederung ins Römische Reich ähnlich vorstellen wie die Situation, die Strabon noch in augusteischer Zeit für die Euphrat-Region beschreibt: καμηλῖται δ᾿ εἰσί, καταγωγὰς ἔ­ χοντες τοτὲ μὲν ὑδρείων εὐπόρους, τῶν λακκαίων τὸ πλέον, τοτὲ δ᾿ ἐπακτοῖς χρώμενοι τοῖς ὕδασι. παρέχουσι δ᾿ αὐτοῖς οἱ Σκηνῖται τήν τε εἰρήνην καὶ τὴν μετριότητα τῆς τῶν τελῶν πράξεως, ἧς χάριν φεύγοντες τὴν παραποταμίαν

82

„Jene Kaufleute aber sind Kamelreiter und haben Einkehrorte, welche zum Teil mit Wasservorrat, meist mit Zisternen, versehen sind, anderenteils aber bedienen sie sich auch mitgeführten Wassers. Die Sceniten zeigen sich gegen sie friedlich und auch mäßig im Abfordern

Garsoian 2005. Hartmann 2015, S. 303–305. 84 Zum Königstitel der Emesener vgl. IGLS 2760 = ILS 8958. 85 Vgl. die Maßnahmen des Cassius in Syrien: Jos. Ant.Jud. 14, 12, 1. 83

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διὰ τῆς ἐρήμου παραβάλλονται, καταλιπόντες ἐν δεξιᾷ τὸν ποταμὸν ἡμερῶν σχεδόν τι τριῶν ὁδόν. οἱ γὰρ παροικοῦντες ἑκατέρωθεν τὸν ποταμὸν φύλαρχοι, χώραν οὐκ εὔπορον ἔχοντες, ἧττον δὲ ἄπορον νεμόμενοι, δυναστείαν ἕκαστος ἰδίᾳ περιβεβλημένος ἴδιον καὶ τελώνιον ἔχει, καὶ τοῦτ᾿ οὐ μέτριον. χαλεπὸν γὰρ ἐν τοῖς τοσούτοις καὶ τούτοις αὐθάδεσι κοινὸν ἀφορισθῆναι μέτρον τὸ τῷ ἐμπόρῳ λυσιτελές.

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der Durchgangszölle, derentwegen jene den Uferstrich des Flusses vermeiden und seitwärts durch die Wüste ziehen, indem sie den Strom fast drei Tagesreisen zur Rechten lassen. Denn die auf beiden Seiten des Stromes wohnenden Phylarchen, welche ein zwar nicht fruchtbares, noch weniger aber ganz unergiebiges Land besitzen und von welchem jeder eine selbstständige Herrschaft führt, erheben auch jeder einen eigenen und zwar nicht eben mäßigen Zoll. Denn es ist schwer, bei so vielen und obendrein selbstsüchtigen Menschen einen allgemeinen und für den Kaufmann vorteilhaften Zollsatz zu bestimmen.“86

Die Erhebung von Zöllen, die Verfügbarmachung alternativer Handelsrouten mit niedrigeren Abgaben, der Ausbau der Handelsrouten und die Bereitstellung von Herbergen etc. zur Attraktivitätssteigerung der eigenen Routen gingen dabei Hand in Hand und ließen sich auch für die hier untersuchten Gemeinschaften nachvollziehen. So konkurrierten die Nabataier mit den Judaiern um den Zugang zum Mittelmeer bzw. nach Damaskos87 und gerade hier ermöglichte ihnen vielleicht Zenodoros, Tetrarch der Ituraier, alternative Routen durch seine Territorien. In ähnlicher Weise waren die Ituraier unter Ptolemaios in die Konkurrenz um den Zugriff auf die Küstenroute durch Phoinikien sowie mit Akra um den Zugriff auf das Eleutheros-Tal eingebunden, welches wiederum eine der Zugänge zum Mittelmeer für die Emesener darstellte, die möglicherweise schon früh in den Überlandhandel durch die Syrische Wüste verwickelt waren.88 In dieser Situation erschienen mit Tigranes von Armenien und in seiner Folge Römern und Arsakiden neue Zentralmächte, die als alternative Quellen von Herrschaftsautorisierung (und damit auch Ressourcenverfügbarkeit) wirken konnten. Und mit diesen alternativen Quellen verfuhren die ‚local power holders‘ nun so, wie sie es in den Prätendenten-Kriegen der späten Seleukidenzeit gelernt hatten. Denn sie sicherten ihre eigene Position durch Bestechung, wie dies etwa Ptolemaios, Sohn des Mennaios, mit Pompeius oder Herodes bei Antonius und Octavian / Augustus

86

Strab. 16, 1, 27. Übersetzung von Radt. Vgl. Atkinson 2016, S. 31–32; Pastor 1997, S. 73–74. 88 Vgl. Teil 5. 87

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taten89, und durch militärische Unterstützung, wie Lysanias von Chalkis bei den Arsakiden oder Malichos von Nabataia beim Feldzug des Aelius Gallus unter Augustus90. Dafür erhielten sie im Gegenzug die Bestätigung existenter Privilegien bzw. weiteren Privilegien hinzu, wie etwa Lysanias möglicherweise den Königstitel durch die Arsakiden oder Herodes seinen Königstitel durch den römischen Senat.91 Auch das Prinzip der häufigen Seitenwechsel, um durch Verhandlungen ein Maximum an Privilegien herauszuholen, bleibt zunächst bestehen. So wechselte Ptolemaios von Tigranes zu Pompeius und sein Sohn Lysanias von den Römern zu den Arsakiden und wieder zurück.92 Diese Situation wurde durch die römischen Bürgerkriege verstärkt, denn dadurch gab es verschiedene Interessengruppen in Rom, die um Unterstützung warben und dafür Privilegien verteilten. Erst der Sieg Octavians gegen Marcus Antonius änderte diese Rahmenbedingungen. Einmal bedeutete das Ende der Bürgerkriege, dass in Rom mit Augustus nur noch eine zentrale Entscheidungsinstanz vorhanden war, der man ausgeliefert war. Der Konflikt zwischen Herodes und Syllaios zeigt, dass damit ein Ausleben der inter-dynastischen Konkurrenz auf militärischem Weg schließlich nicht mehr möglich war.93 Ebenso sorgte die Einigung, die Tiberius 20 v. Chr. für Augustus mit den Arsakiden aushandelte und in deren Zuge auch die Feldzeichen der römischen Legionen rückerstattet wurden, dafür, dass zwischen dem Römischen Reich und dem Arsakidischen Reich ein Status Quo erreicht war, der zunächst einmal weitere direkte Interventionen der Arsakiden in römischem Interessensgebiet ausschloss.94 Diese veränderten Rahmenbedingungen hatten auch Auswirkungen auf die als Klientelherrscher im Dienste Rom agierenden Dynasten, weil die erprobten Mechanismen der Herrschaftsabsicherung durch Ausspielen konkurrierender Zentralmächte so nicht mehr möglich waren. Damit verlagerte sich die Konkurrenz der Dynasten untereinander auf das Feld der Ressourcenmaximierung – das Mittel der Durchsetzung der Interessen war jetzt die Diplomatie, insbesondere eine Diplomatie der reichen Geschenke. Auch hier ist Herodes das sinnfälligste Beispiel, schreibt doch Josephos so spitz über den Seitenwechsel von Antonius zu Octavian / Augustus:

89

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Zu den ‚Geschenken‘ des Herodes vgl. Marshak 2015, S. 14 ff. Strab. 16, 4, 22–24; vgl. Bowersock 1983, S. 46–49; Buschmann 1991, S. 91–92. Wilker 2007, S. 28–30. Vgl. die Überlegungen von Hartmann 2015, S. 393–342 zu den Klientelreichen zwischen Rom und Parthien; Ball 2000, S. 30–31; über die Rolle der Konkurrenz zu Parthien für den Arabien-Feldzug unter Augustus: Macdonald et al. 2015, S. 68–69. Jos. Ant.Jud. 19, 9, 2–4. Zu den Ereignissen vgl. Eck 2003, S. 92.

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αὐτόν γε μὴν Καίσαρα ταλάντοις ὀκτακοσίοις ἐδωρήσατο καὶ παρέστησεν ἅπασιν ἔννοιαν λαβεῖν ὅτι τῆς βασιλείας ἧς εἶχε πολὺ μείζω καὶ λαμπρότερα κατὰ τὰς ὑπουργίας ἐπεδείκνυτο. τοῦτ᾿ αὐτὸν καὶ μᾶλλον εἰς πίστιν εὐνοίας καὶ προθυμίας ἐπισυνίστη, καὶ πλεῖστον ἠνέγκατο τῇ χρείᾳ τοῦ καιροῦ τὸ μεγαλόψυχον ἁρμόσας.

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„Obendrein schenkte er dem Cäsar achthundert Talente und brachte so allen die Meinung bei, dass er einen größeren und glänzenderen Aufwand gemacht habe, als die Kräfte seines Reiches gestatteten. Infolgedessen bereitete sich nur umso mehr die Überzeugung seiner Ergebenheit und Treue aus, und es gereichte ihm [Herodes] zu großem Nutzen, dass er seine Freigebigkeit den Zeitverhältnissen so richtig angepasst hatte.“95

Diese diplomatischen Bemühungen wurden aber nicht nur durch Geschenke unterstützt, sondern auch durch Propaganda-Kampagnen, die die eigene Herrschaft im Gegensatz zu der der Nachbarn legitimieren und die Nachbarn in Misskredit bringen sollte. Auch das lässt sich wieder an den Folgen der militärischen Auseinandersetzung zwischen Herodes und Syllaios als Stellvertreter des nabataischen Königs zeigen, in deren Zuge Syllaios Herodes vor Augustus beschuldigt und dort auch zunächst Gehör fand. Augustus glaubte zunächst die persönlich durch den anwesenden Syllaios ihm vorgetragenen Anschuldigungen gegen Herodes (es ging wie immer um Gebietskonflikte).96 Herodes gelang es erst nach zwei Gesandtschaften und nur durch die Vermittlung des Nikolaos von Damaskos, sich mit Augustus zu versöhnen. Damit konnte er aber auch seine Version der Ereignisse – und seine Gebietsansprüche – durchsetzen.97 Es ist dann die Ebene der ökonomischen Rivalität zwischen Judaia, den Nabataiern und den Ituraiern um die Kontrolle der großen Handelswege, die die negative Beschreibung vor allem der Ituraier in den Quellen bedingt. In der älteren Forschung wurde dabei die gerade bei Josephos häufige Bezeichnung von Personen oder Gruppen als Räuber in den Kontext einer nomadischen Lebensweise gerückt.98 Allerdings konnte die neuere Forschung gerade zu Palaistina zeigen, das hier viele Gruppen explizit als Räuber und Banditen bezeichnet oder als solche implizit dargestellt wurden, die aus einer Reihe von unterschiedlichen sozialen, politischen, ökonomischen oder religiösen Motiven heraus mit dem Gesetz in Konflikt kamen oder aber gegen die Moralvorstellungen der überliefernden Autoren

95

Jos. Ant.Jud. 15, 6, 7; Übersetzung nach Clementz. Vorher hatte er aber auch Geschenke an Antonius verteilt: Jos. Ant.Jud. 14, 12, 2; Bell.Jud. 1, 12, 4. 96 Jos. Ant.Jud. 16, 9, 3. 97 Jos. Ant.Jud. 19, 9, 3–4 und 19, 10, 7–9. 98 Vgl. Isaac 1984, S. 175; Freyne 2001, S. 194.

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verstießen.99 So nutzte gerade Josephos, der auch als wichtigste Quelle zu den Ituraiern dient, den Begriff Räuber, lestés, „for a category of persons he absolutely despises. […] once the label was attached to them (by Nicolaos of Damascus or others in Herod’s circle?) it stuck to them. Josephus used that term as one of the most negative characterizations in his vocabulary, […].“100 Entsprechend nutzte Josephos den Begriff der Räuber auch nicht nur, um tatsächliche Kriminelle zu bezeichnen, sondern umfassend für alle Personen und Gruppen, die gegen die herrschende Ordnung verstießen bzw. gegen seine Vorstellung davon.101 Es ging offenkundig nicht um eine möglichst realitätsgetreue Beschreibung der Lebenswirklichkeit und der ökonomischen Aktivitäten der bezeichneten Personen und Gruppen, sondern um eine moralische Bewertung – und Verunglimpfung. Damit sollten diese vor allem auch als Gegner der Personen und Gruppen erscheinen, die Josephos in seiner Darstellung positiv wahrgenommen wissen wollte. Vor diesem Hintergrund konnte er auch den Tetrarchen der Ituraier Zenodoros und seine Truppen als Räuber brandmarken102, um sie zu diskreditieren und ein mögliches legitimes Handeln, welches auch in ökonomischer Konkurrenz zu judaischen Interessen stand, zu negieren. Denn gerade zwischen den Ituraiern und den Judaiern herrschte ein massiver ökonomischer Interessenskonflikt, den Herodes durch seine erfolgreiche Anbiederung an Augustus letztlich für sich (und Judaia) entscheiden konnte: Indem Herodes in drei Schritten die Küstenstädte mit Gaza sowie Hippos und Gadara, als nächstes Trachonitis, Batanaia und Auranitis103 und schließlich auch den Rest der Tetrarchie des Zenodoros mit Paneion und Ulatha von Augustus erhielt, konnte er die drei wichtigsten Nord-Süd-Achsen der Küste, des Jordan-Tals und der alten Königsstraße sowie durch Paneion und Ulatha eine wichtige Ost-West-Achse des Handelsverkehrs in Mittelsyrien kontrollieren und die Warenströme zu seiner Hafenneugründung Caesarea Maritima umleiten.104 Damit konnte er auch massiven Druck auf die Nabataier ausüben, die ihre Waren so nur noch durch seine Territorien vermarkten konnten, und er schnitt die Ituraier von den Handelsrouten aus dem Süden ab. Vielleicht hatte dies sogar Auswirkungen bis nach Emesa, dass dadurch möglicherweise eine Intensivierung des Handels mit Palmyra betrieb.

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Vgl. Horsley 1978, S. 48 ff.; Grunewald 2004, S. 98. Sievers 2009, S. 105–106. Dieser Interpretation folgend Ries 2011, S. 693–741. Ries 2011, S. 693–741. Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1. Zu deren strategischer Bedeutung für den Handel der Nabataier vgl. Peters 1980, 113. Hoffmann-Salz 2017, 463–475.

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In dieser Konkurrenzsituation waren alle Seiten bemüht, die jeweilige Gegenseite in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken – und aus diesem Kontext stammen vermutlich auch die Beschimpfungen des Zenodoros als Räuberhauptmann105, die vor allem Josephos etwa über Nikolaos von Damaskos rezipiert haben könnte. Gemeinsam mit einer vielleicht ähnlich in der ökonomischen Rivalität in der Region zu verortenden Bewertung der Ituraier als kakourgoi106 bei Strabon entstand damit ein negatives Bild der Ituraier, das die Kontextualisierung ihrer Eigenherrschaft deutlich erschwert hat. Dies ist eine in literarischen Quellen durchaus übliche Vorgehensweise gerade gegenüber Gruppen, um diese als Gegner und Feinde zu brandmarken und damit dann auch deren schlechte Behandlung – meist durch Gewalt – zu rechtfertigen. So betont etwa Mata, dass durch die ideologische Brandmarkung der Germanen an der römischen Rheingrenze diese als ewige Feinde und permanente Bedrohung stilisiert worden seien, womit römische Überfälle und Plünderungen auf Gebiete jenseits des Rheines als legitime Verteidigungskriege gerechtfertigt worden wären.107 Ähnlich spielt auch bei den Ursprungslegenden der Arsakiden-Dynastie, die in unterschiedlichen Versionen in den griechisch-römischen Quellen berichtet werden, oft das Motiv eines Ursprungs der arsakidischen Herrschaft als Räuberbande eine Rolle.108 Für Hauser weisen die Quellen aber nicht auf einen nomadischen Ursprung der Arsakiden, sondern auf Konflikte in einer sesshaften Bevölkerung. Vielmehr entspräche die Darstellung der einfachen Anfänge, die durch große persönliche Leistungen eines Anführers zu einer Reichsgründung geführt habe, klassischen ‚Reichsgründungs-Topoi‘.109 Aber die Arsakiden gründeten eben ein Reich, das in militärischer wie ökonomischer Konkurrenz zum Römischen Reich stand – und wie die Germanen mussten sie entsprechend als ewige Feinde und stetige Bedrohung stilisiert werden, während ihnen durch eine Verunglimpfung ihrer Anfänge grundsätzlich jegliche Herrschaftslegitimität abgesprochen werden konnte. Es sind diese Muster, die offenbar auch auf der Ebene lokaler Dynastien zum Tragen kamen, wenn die Römer sich genötigt sahen, ihnen gegenüber ihre eigenen Herrschaftsansprüche zu unterstreichen. So kann etwa Shaw herausarbeiten, dass Cicero bei der Beschreibung der Kilikier ganz bewusst einen Gegensatz zwischen den räuberischen Bergbewohnern und der von diesen gegängelten Bevölkerung der Ebenen konstruierte, um seine eigenen militärischen Aktivitäten als römischer Statthalter in der Region zu legitimieren.110 Diesen Topos der gesetzlosen Gebirgs­ 105

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Jos. Ant.Jud. 15, 10, 1. Strab. 16, 2, 18. Vgl. Mata 2017, S. 8–9. Just. Epit. 41–42; Amm. Marc. 23, 2–6; vgl. Strab. 11, 9, 2–3. Hauser 2006, S. 170–182. Cic. Fam. 15,1,3; 2,9,1–2; dazu Shaw 2014, S. 227–228.

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Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener

bewohner, denen die Zentralmacht mit den Mitteln der Ebene entgegentrat, konnten die Römer dabei im Nahen Osten von ihren hellenistischen Vorgängern nahtlos übernehmen, denn das Motiv spielte etwa auch schon in der Auseinandersetzung zwischen dem Hasmonaier Jonathan und Demetrios II. eine Rolle, in der Jonathan vorgeworfen wurde, er sei „ja nur stark im Gebirge“, während die Seleukiden die größeren Ressourcen der Ebene zur Verfügung hätten.111 Für die Römer und auch die römerzeitlichen Quellen war dieser Topos der Brandmarkung der konkurrierenden Bergbewohner als brutale Räuber zur Rechtfertigung der eigenen Herrschaft ein gerne gebrauchtes und plakativ zur Schau gestelltes Motiv, wie noch die berühmte Rom-Rede des Aelius Aristides zeigt. Er schreibt nämlich, dass unter der römischen Herrschaft die Bewohner der Berge sogar friedlicher als die der Täler seien und keinen Widerstand mehr leisten würden, so dass endlich alle in Ruhe die Felder (zu Gunsten der römischen Steuereinnahmen) bestellen könnten.112 Diese gängige Brandmarkung der Bergbewohner zur Rechtfertigung der eigenen Herrschaft konnte sich dabei für Autoren wie Strabon und Josephos in ihren durch die interne Konkurrenz der lokalen Dynastien und Akteure geprägten Quellen problemlos wiederfinden – es macht die so dargestellten Gemeinschaften wie Ituraier und Emesener aber weder zu räuberischen Nomaden, noch zu „lords of the mountains.“113 Denn die intensive  – vor allem ökonomische  – Konkurrenz der Dynastien untereinander und die fragmentarische Überlieferungslage sorgen für ein Ungleichgewicht in den Quellen, die den aufgezeigten Strukturwandel in der Herrschaftsorganisation des spätseleukidischen Syriens, der eigentlich Folge der erfolgreichen Politik der Seleukiden war, im Gegenteil als Ausdruck deren Scheiterns wirken ließ, indem das Reich als ‚Beute der Nomaden‘ erschien. Die Genese der Eigenherrschaften der Ituraier und ihrer Nachbarn, den Emesenern, ist aber vielmehr im Kontext der Institutionalisierung lokaler Führungsaufgaben durch die seleukidische Zentralmacht und deren Aufwertung unter Tigranes von Armenien zu verstehen, was aus Funktionsträgern bis zum Erscheinen der Römer eigenständige Dynasten machte. Deren Herrschaftsansprüche mussten dann wieder die Römer negieren, indem sie sowohl das Seleukidische Reich, als auch die lokalen Dynasten – natürlich je nach ihren eigenen Interessen – als eine Art ‚failed states‘ geprägt von Räuberwesen und Konspirationen mit äußeren Feinden darstellten.

111

1 Makk. 10, 69–73. Arist. Rom. 30. 113 Shaw 2014, S. 240. 112

9. Quellen- und Literaturverzeichnis

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10. Karten- und Abbildungsverzeichnis

Karte 1, S. 7:

Karte des Untersuchungsraumes, zusammengestellt von J. Hoff­mannSalz. Karte 2, S. 78: Schematische Darstellung der von den Ituraiern kontrollierten Landschaften, zusammengestellt von J. Hoffmann-Salz Karte 3, S. 94: Schematische Darstellung des Herrschaftsraums der Emesener und seines Umfelds, zusammengestellt von J. Hoffmann-Salz Karte 4, S. 370: Das Verbreitungsgebiet der nabataischen Feinkeramik, Karte aus Gerber 2014, S. 199. Abb. 1, S. 68: Umzeichnung der in Satellitenbildern sichtbaren Reste von Hosn ech Chadoura, zusammengestellt von J. Hoffmann-Salz Abb. 2, S. 69 (links): Festungsanlage von Karasis, Kilikien, Plan: Radt 2009, S. 37. Abb. 3, S. 69 (rechts): Hellenistische Festungen in Kleinasien, aus: Radt 2009, S. 44. Abb. 4, S. 69: Mögliche Lage von Chalkis mit Least Cost Path Analysis, Grafik: Abou Diwan 2018, S. 28. Abb. 5, S. 75: Nordseite des Jupitertempels mit den beiden Bauphasen des Podiums, Foto: Kropp und Lohmann 2011, S. 40. Abb. 6, S. 90: Rekonstruktion des Heiligtums ES 2 in Horvat Omrit, aus: Berlin 2015, S. 4. Abb. 7, S. 126: Münze des Antiochos IV., aus: Houghton 1992, Plate 16. Abb. 8, S. 189: Münze des Ptolemaios, Sohn des Mennaios mit dem Kopf des Zeus auf dem Avers, den Dioskuren auf dem Revers und der Legende Ptolemaiou (rechts) Tetrarchou (links) Archi (im Abschnitt) im Lorbeerkranz, SNG Kopenhagen 414, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds. com Abb. 9, S. 190: Münze des Ptolemaios, Sohn des Mennaios mit Gegenstempel, auf dem Avers Zeus mit Lorbeerkranz, auf dem Revers fliegender Adler nach rechts, Herman 2009, 7.1, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds. com Abb. 10, S. 195: Münze des Lysanias mit Diadem, unter dem Kinn Monogramm ΘΕ, was als Abkürzung für Tetrarch gedeutet wird, Athene Nikephoros auf dem Revers mit dem erkennbaren Titel archiereus, RPC 1, 4770, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com Abb. 11, S. 201: Münze des Ptolemaios, Sohn des Mennaios mit dem Kopf des Zeus auf dem Avers, den Dioskuren auf dem Revers und der Legende Ptolemaioi (rechts) Tetrarchoi (links) Archi ier (unten) im Lorbeerkranz, SNG Kopenhagen 414, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com Abb. 12, S. 202: Grabstele eines berittenen Soldaten aus Alexandreia, aus: Cole 2019. Abb. 13, S. 203: Münze aus Apameia am Orontes, 150/149 v. Chr., BMC 1, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex CNG Auktion 296, Februar 2013. Abb. 14, S. 207: Ostrakon aus der Beka, Bild aus Ghadban 2014, S. 264 und 268. Abb. 15, S. 273: Der Priester Narkisos aus Niha, Bild: Blas de Roblès et al. 2004, S. 174. Abb. 16, S. 273: Die Säule von Qartaba, Bild: Blas de Roblès et al. 2004, S. 90.

Karten- und Abbildungsverzeichnis Abb. 17, S. 275:

427

Grabstele aus dem Hauran mit charakteristischer Frauentracht?, Bild: Sartre-Fauriat / Sartre 2014, S.  614. Abb. 18a u. b, S. 276: Athene von Zebedani, Bild: Gatier 2007, S. 310. Abb. 19, S. 277: Monument aus Sfiré, Bild: Yon 2010, S. 3. Abb. 20, S. 280: Münze des Lysanias mit Zeus und auf Revers Nike mit Kranz, Hoover 1455, Bild mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex Roma Numismatics E-Sale 62, Oktober 2019. Abb. 21, S. 280: Münze des Lysanias mit Athena auf Avers und Dioskuren auf dem Revers, Lindgren 1232, Bild mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex CNG coin shop 2009. Abb. 22, S. 284: Münze aus Tripolis, Phoinikien, ca. 98/97 v. Chr., Hoover 2010 Nr. 306, Bild: Courtesy of Fritz Rudolf Künker GmbH Auktion 326 über wildwinds.com. Abb. 23, S. 312: Münze des Demetrios II. Nikator 129–125 v. Chr., BMC Galatia 7, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com. Abb. 24, S. 312: Münze des Deiotaros, König von Galatien und Paphlagonien, ca. 62–40 v. Chr., RPC I, 2, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex CNG Auction 88, 2008. Abb. 25, S. 313: Apameia in Syrien, 70/69 v. Chr., BMC Syria, 5, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex Fritz Rudolf Künker GmbH, Auktion 226, März 2013. Abb. 26, S. 313: Apameia in Syrien, 40/39 v. Chr., RPC I 4333–4346, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex CNG Auction 284, August 2012. Abb. 27, S. 313: Münze des Ptolemaios, SNG Kopenhagen 414, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com. Abb. 28, S. 313: Münze der ituraischen Dynasten mit Gegenstempel, Herman 9.a., Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com ex CNG coin shop 2009. Abb. 29, S. 318: Schnalle aus Tillya-tepe, Abbildung: Pfrommer 1996, S. 111. Abb. 30, S. 318: Terrakotta-Plakette aus Kampyr Tepe, Abbildung:: Nikonorov / Savchuk 1992, S. 50. Abb. 31, S. 320: Münze des Lysanias mit Diadem, unter dem Kinn Monogramm ΘΕ, was als Abkürzung für Tetrarch gedeutet wird, Athene Nikephoros auf dem Revers mit dem erkennbaren Titel archiereus, RPC 1, 4770, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com. Abb. 32, S. 320: Augustus und Zenodoros auf einer Prägung des Zenodoros, RPC 1 4775, Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex CNG Auktion 69, June 2008. Abb. 33, S. 322: Marcus Antonius und Kleopatra VII., 32–31 v. Chr., SNG Kopenhagen 383, Bild: with permission of wildwinds.com, ex CNG Auction 103, Sept 2016. Abb. 34, S. 326: Das Hermel-Monument, Bild: Blas de Roblès et al. 2004, S. 162. Abb. 35, S. 330: Prägung von Tripolis in Phoinikien unter Caracalla, 215/6 n. Chr.; auf dem Revers die beiden Dioskuren sich gegenüberstehend, in der äußeren Hand jeweils ein Speer, die inneren Hände werden gehalten, darunter Trauben, BMC 103 var., Bild: Mit Erlaubnis von wildwinds.com, ex CNG Auktion 33, 2005.

428 Abb. 36, S. 332: Abb. 37, S. 337: Abb. 38, S. 340: Abb. 39, S. 344:

Karten- und Abbildungsverzeichnis Siegelring aus der Nekropole von Tell Abou Saboun, Bild: Konrad 2014, Tafel 99. Sitzende Statue in orientalischem Gewand, Bild: Wielgosz-Rondolino 2022–2012, S. 16. Rekonstruktion des Grabmals des Samsigeramos, Abbildung: Konrad 2014, S. 15. Münzporträts der Nabatäischen Könige, Abbildung: Kropp 2013, S. 61.

Register

Ortsregister Abae  117, 121 Abila in der Dekapolis  77, 112, 260 Abila des Lysanias  14, 67, 75 f., 113, 121, 146, 157, 167–169, 197 f., 288, 324 f., Karte 1 Abilene  75 f., 155, 167 Actium  73, 155–157, 162, 178 Ake-Ptolemaïs  140, 153, 197, 283, 286, 321, Karte 1 al-Chufra 100 Aleppo  13, 125, 170 Alexandreion 353 Alexandreia  162, 176, 202, 251, 346, 372 al-Jawf  249, 346 Amman / Philadelphia / R abbatama  13, 41, 111, 184, 251, 365 Anjar / Majdal Anjar  65–68, 87, 89, 146, 288 Antarados  92, 232 Anthemousia 223 Antilibanon  11 f., 50 f., 54–58, 64–71, 77, 87, 89, 91, 106, 108, 115, 118, 120, 125, 128, 130, 132, 138, 203, 210–213, 228, 259, 263, 283, 290 Antiocheia am Orontes  24, 45, 101 f., 107, 112, 115 f., 118 f., 121 f., 125, 127, 133, 147, 165, 191, 213 f., 232 f., 311, 315, 321, 339, Karte 1 Antiocheia am Libanon  97 Antiocheia-Hippos (Sussita)  28, 77, 384 Antiocheia im Huleh-Tal / Tell Dan (?)  80 Apameia am Orontes  15, 17, 24–28, 33, 37, 39, 45, 64, 91 f., 101 f., 109 f., 116, 118, 122–125, 133, 139, 145, 152, 173–175, 188, 202 f., 231–233, 239, 251, 253, 294, 300 f., 312–314, 348, 365, Karte 1 und Karte 3 Apollonia  33, 64, 92, 101 Arados  28, 40–42, 127, 130, 197, 211, 232 f., 315, 321, 365, Karte 1

Aram-Zoba  53 f. Arethusa / R astan  14 f., 64, 91–101, 126, 132, 173–178, 221, 226, 228, 234 f., 292, 300 f., 338, 369, Karte 1 und Karte 3 Arka / Herakleia / Caesarea Ituraeorum /  Tell Arka  14, 59–62, 76, 97, 109, 113, 148, 150, 161–163, 166 f., 184, 196 f., 201, 213 f., 282, 323 f., 336, 356, 377, Karte 1 Armenia Minor  163, 181 f., 258 Armenien  37, 45, 84, 138, 141, 146, 171, 181, 183, 197, 311, 333, 381, 386 Askalon  17, 28, 147, 149, 330 Auranitis  83–85, 157–159, 220, 384, Karte 2 Ayn Bini  339 Baalbek / Heliopolis  50, 60, 64, 66 f., 70–76, 87, 91 f., 98 f., 110–114, 121, 129, 145 f., 155, 160 f., 164, 168, 170, 176, 180–182, 188, 192, 204, 206–212, 223, 233, 277, 279, 280, 287 f., 296, 324, 329, 331, 341 f., Karte 1 Babylon  22, 115, 189, 245 Babylonien  24, 38, 40, 127, 189, 252, 363 Balaneia  315, 321 Banias / Paneion / Caesarea Panias  37, 54, 59, 75–77, 80–84, 88, 114 f., 262, 329, 356, 384, Karte 1 Batanaia  83–85, 156, 165–167, 213, 220, 262, 274, 357, 384, Karte 2 Beit Jallouk  285 Beka-Ebene  11, 39, 44, 50–77, 87, 89–92, 98 f., 107–115, 118, 120 f., 125–132, 146, 148, 150, 152, 160, 164, 171, 204, 205- 216, 232 f., 249, 259, 263, 278, 283, 317, 367, Karte 2

430

Register

Berytos  11, 55, 62, 74 f., 110 f., 143, 160 f., 199, 206, 214, 233, 257, 284, 288, 341 f., Karte 1 Beth Shan  307 Beth Sour  307 Beth Zabdai  128 Bethsaida 282 Bithynien  31, 35 Boramma 63 Bosra  83, 156, 239, 262, 264, 324, Karte 1 Botrys  62 f., 213 Brahiya-Kafr el-Awamid  75 Brochoi  57, 106, 110 f. Byblos  11, 28, 55, 143 f., 199, 213, 270 f., 288, Karte 1 Caesarea Ituraeorum / A rka / Herakleia  14, 59–62, 76, 97, 109, 113, 148, 150, 161–163, 166 f., 184, 196, 197, 201, 213 f., 282, 323 f., 336, 356, 377, Karte 1 Caesarea Maritima  324, 356, 384, Karte 1 Caesarea Panias / Paneion / Banias  37, 54, 59, 75–77, 80–84, 88, 114 f., 262, 329, 356, 384, Karte 1 Capua im süd-westlichen Hermon  82 Carrhae 179 Chalkis am Belos  25, 39, 101, 114, 170, Karte 1 Chalkis am Libanon  11, 14, 39, 55, 57–60, 64–76, 91, 97, 113 f., 121, 125–129, 144–146, 153, 156, 161, 164, 167–184, 187 f., 197, 212, 214, 260, 266, 280 f., 295, 321–324, 329–331, 342, 369, 375, 382 Chouita / Mzérib  61 Damaskos  14, 17, 28, 42, 44 f., 53 f., 64–66, 74 f., 84, 89, 96, 108, 111, 115, 120 f., 130, 136–151, 158–160, 171, 184–186, 201, 212 f., 217–220, 229, 232, 235, 287 f., 315, 321, 327, 357, 359, 363 f., 381–385, Karte 1 Dekapolis  28, 42, 251, 286, 346 Dora 28

Dura-Europos  24, 28, 278, 373 Edessa  13, 64, 175, 192, 223, 282 f. Ekbatana  166, 372 El Fourzol  57 El-Hosn 61 El Qa’  210 El-Kantara 294 Emesa / Homs  14, 31, 39, 45, 92, 94–102, 118, 123, 125, 131 f., 148, 161, 163, 166 f., 174, 176–184, 192, 213, 222, 224–235, 249, 253, 261, 282 f., 292–301, 324, 330, 335–342, 360, 364, 369, 384, Karte 1, Karte 3 Ephesos  117 f., 214, 251, 283, 321 Epiphaneia / Hama  95–97, 120, 214, 228, 233, 248 f., Karte 1, Karte 3 Gabala 315 Gadara  28, 77, 99, 159, 219, 220, 307, 384 Gades 342 Galatien  152, 312 Galilaia  42, 54, 76 f., 80–84, 130, 150 f., 163, 167, 181, 185, 200, 206, 277, 327 Gamala  76 f., 166, 365 Gaza  24, 28, 115, 186, 246, 249 f., 384 Gerasa  13, 28, 138, 184, 286 f., 365 Gerrha  106, 110, 250 Gezer 307 Gigartos  11, 55, 143, 199, 213 Golan  54, 71, 76–82, 88 f., 91, 106, 130, 138, 146, 156, 263, 271, 274, 277 f., 361, Karte 2 Hama / Epiphaneia  95–97, 120, 214, 228, 233, 248, 249, Karte 1, Karte 3 Har Senaim  290 Haram al-Khalil  355 Harra 51 Hatra  254, 297, 299, 334 f. Hauran  11, 49 f., 55, 83–88, 109, 111, 138, 146, 158, 197, 206, 223, 225, 260–263, 266, 271, 274–278, 284–287, 325, 346, Karte 2 Hefzibah  26, 206, 362 Hegra 346

Ortsregister Heliopolis / Baalbek  50, 60, 64, 66 f., 70–76, 87, 91 f., 98 f., 110–114, 121, 129, 145 f., 155, 160 f., 164, 168, 170, 176, 180–182, 188, 192, 204–212, 223, 233, 277, 279, 280, 287 f., 296, 324, 329, 331, 341 f., Karte 1 Herakleia / A rka / Herakleia / Caesarea Ituraeorum  14, 59–62, 76, 97, 113, 148, 150, 161–163, 166, 167, 184, 196 f., 201, 213 f., 282, 323 f., 336, 356, 377, Karte 1 Hermel  60, 204, 325 f., 329 Hermon  54, 80–82, 88, 106, 130, 138, 170, 203, 212, 215, 260, 262 f., 266, 276 f., 285, 290 f., 361, Karte 2 Herodeion  353, 355 Hippos-Sussita / A ntiocheia  28, 77, 384 Homs / Emesa  14, 31, 39, 45, 92, 94–102, 118, 123, 125, 131 f., 148, 161, 163, 166 f., 174, 176, 177, 179–184, 192, 213, 222–235, 249, 253, 261, 282 f., 292–301, 324, 330, 335–342, 360, 364, 369, 384, Karte 1, Karte 3 Horvat Omrit  75, 89 f., 204, 325–329, Karte 1 Hosn ech Chadoura  66–68, Karte 1 Hosn Niha  63 f., 216, 263 Huleh-Tal  54, 58, 78–83, 88, 204, 213 f., 271 Hyrkania 353 Iabrouda / Yabroud  67, 76, 98, 198, 225–227, Karte 1 Iasos in Karien  23 Idumaia  42, 45, 186, 355 Inkhil  265, 286 Jamnia-am-Meer  29, 84, 261 Jebel Sartaba  67 Jericho  32, 339, 351, 354 f. Jerusalem  31, 40, 42, 53, 73 f., 82, 120, 134, 192, 324, 339, 349 f., 352–358, 369, 376, Karte 1 Jotapata 200 Judaia  16 f., 19, 20, 30, 37- 42, 81, 104, 107, 119, 121, 125, 134, 138, 140, 142, 151–153, 160, 162, 165, 167, 177, 180, 201, 204, 218 f., 222, 235, 242, 272,

431

284, 300, 303 f., 322, 331, 342, 350, 352, 354, 369 f., 383 f. Julias 181 Kafr Hawar  291 Kamid el-Loz  58, 111, 214, Karte 1 Kampyr Tepe  317 f. Kanatha  49, 85, 248, 284 Kap Theuprosopon  11, 55, 60, 62, 143, 199, 213 Kappadokien  31, 35, 152 Karasis  67, 69 Karthago Nova  342 Khirbet Bilaas  96, Karte 1 Khirbet Massakeb  285 Khirbet Zemel  79 Kilikien  29, 37, 45, 56, 67, 69, 116, 152, 173, 190, 192 Koilé-Syrien  25, 29, 45, 55 f., 80, 103, 109, 112, 114, 116, 137 f., 145, 152, 155, 190 Kommagene  14, 19, 20, 38, 47, 52, 53, 173 f., 180, 182, 243, 245, 331, 333 f., 338, 342, 359, 373, 378 Kos  214, 357 Kypros  353, 355 Laboué 120 Laodikeia am Libanos / L aodikeia Skabiosa /  Tell Nebi Mend  11, 55, 58, 92, 94, 98 f., 146, 164, 178, 225, 232, 235, Karte 2 Laodikeia am Meer  45, 101, 127, 139, 191, 311, 315, 357 Laodikeia am Lykos  98 Laodikeia in Phoinikien / Berytos  28 Larissa am Orontes  24, 28, 64, 92, 95, 97, 101, 122 f., 177, 203, 233, 365, Karte 3 Larissa in Thessalien  122 Leja  85–87, 107, 264 Libanon  11, 32, 51- 64, 66, 68, 71, 77, 82, 87, 89, 91 f., 94, 97 f., 105–109, 115, 116, 118 f., 125 f., 129–132, 138 f., 142, 146, 148–150, 155, 161- 170, 178, 187, 196, 198, 200, 203, 205, 210–216, 228, 232, 235, 249, 257–259, 263, 268, 271, 282, 283, 285, 361, Karte 1, Karte 2

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Register

Machaeros 353 Machnaqa  203, 274 Magnesia 37 Mahadje 86 Main / a l-Gawf  248 Mainz 265 Majdal Anjar / A njar  65- 68, 87, 89, 146, 288 Makras  11, 55, 58 Marathos  41, 315, 321, 365 Mariamme / Miryamin  93, 96, Karte  1 Marisa 67 Masada 353 Massyas  11, 15, 55, 70, 92, 109, 283 Megara  33, 92, 101 Mesopotamien  15, 29, 36, 44, 92, 118, 173, 175, 221, 223, 236, 241, 246 f., 251–253, 288, 292, 335 Milet  22 f. Mysien 152 Nadabath 54 Nazala / Qaryatain  96, 225–227, 231, 362, Karte 1 Nébi Abel  75 Nejran 265 Niha  63, 64, 216, 273, 285, 291 Nysa  22, 118 Olba in Kilikien  190, 288 Orthosia  62, 111, 321 Palmyra  92, 96, 119, 179 f., 213, 231 f., 239, 249, 272, 277 f., 281–283, 286, 297, 299, 306, 334, 384, Karte 1 Paneion / Banias / Caesarea Panias  37, 54, 59, 75–77, 80–84, 88, 114 f., 262, 329, 356, 384 Paradeisos 98 Pella  64, 67, 77, 82, 138, 251, 269, 307 Pelusion  38, 149 Peraia  42, 181, 284 Pergamon  14, 35, 37, 39, 149, 351, 357, 362, 372 Petra  19, 104, 107, 133, 216, 272, 306 f., 345, 346–348, 369, Karte 1

Philadelphia / A mman / R abbatama  13, 41, 111, 184, 251, 365 Phoinikien  25–29, 45, 52, 56, 59, 80, 109, 113, 116, 139, 154, 172, 191, 262, 288, 277, 381 Phrygien  152, 294 Pontos  31, 35, 260, 312, 334, 342 Qal’at as-Salūk / a l Mudik  57 Qal’at al Hosn / K rak des Chevaliers  93 Qal’at el Hosn (bei Douma)  63, 106, 130, 214, 216 Qal’at Faqra  170, 204, 285, 289 Qal’at Yahmour  336 Qal’at Nemroud  61 Qartaba  273, 275, 285 Qasr Antar  285, 291 Rakhle  262 f., 286 Raphia  30, 36, 112, 115, 117, 251, 287, 307 Rastan / A rethusa  14 f., 64, 91–101, 126, 132, 173–178, 221, 226, 228, 234 f., 292, 300 f., 338, 369, Karte 1 und Karte 3 Rhodos  77, 214, 357 Rom  12, 37–41, 46, 53, 63, 73, 101, 139, 147 f., 151, 153, 159, 164, 173, 176–182, 184, 194, 203, 219, 224, 227, 233, 235, 243, 258, 266 f., 298, 320, 322–324, 328 f., 332 f., 339–342, 344 f., 352, 354–358, 382, 385, 386 Sahr al-Leja  86 f., 96, 107, 225, 362, Karte 1 Samaria  24, 41 f., 104, 107, 353 Sardis  12, 115 Sebaste  324, 356 Sechem  29, 307 Seleukeia im Golan / Slouqiyé  71 Seleukeia / Qusbiyye el-Jdeideh  77 Seleukeia am Tigris  229 Seleukeia Pieria  28, 36, 44, 127, 191, 233, 312, Karte 1 Sepphoris  28, 128, 354 Sfiré  204, 277, 278 Si  85–88, 96, 197, 357,

Personenregister Sidon  11, 24, 28, 41, 55, 66, 108, 111, 130, 143, 153 f., 157, 171, 199, 262, 338, 357, Karte 1 Simyra  41, 315 Skythopolis  28, 286, 307 Sophene  31, 181, 182 Spasinou Charax  231 Stratons Turm  307 Sur al-Leja  86 Susa 38 Tarichaia 181 Tell Abbous  209 Tell Abou Benama  77 Tell Abou Saboun  100, 295, 332 f., 336, 339 Tell al-Naqera  99 Tell al-Hasan  87 Tell Anafa  79–81 Tell Arqa / A rka / Caesarea Ituraeorum  14, 59 f., 62, 76, 97, 109, 113, 148, 150, 161–163, 166 f., 184, 196 f., 201, 213 f., 282, 323 f., 336, 356, 377, Karte 1 Tell Baaloul  57 Tell Buken  64 Tell Dan  63, 79 f., 170 Tell Dili  86 Tell Dor  67 Tell Ektebe  86 Tell el-En  86 Tell el-Jetime  86 Tell es-Sheilye  86 Tell esh-Sheikh  86 Tell Hamad  86 Tell Hira  67 Tell Mishirfeh / Qatna  95

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Tell Nebi Mend / L aodikeia am Libanon / K adesh  94, 225, 98 Tell Kalakh  97 Tell Kazel  59, 213 Tell Kedesh  73, 81 Tell Quleib  87 Thamugadi 264 Thessalien  122, 188 Tiberias  181, 342 Tillya-Tepe  317 f. Trachonitis  55, 76, 83–85, 88, 142, 156 f., 159, 167, 199–201, 213, 217 f., 220, 247, 259, 262, 384, Karte 2 Tripolis  28, 44, 62, 111,129, 144–147, 232, 284, 321, 329 f., 336, 365 f., 374, Karte 1 Tyros  27, 28, 52, 56, 77, 81, 108, 127, 130, 143, 151–154, 157, 171, 184, 191, 205, 211, 233, 249, 257, 286, 357, 365 f., Karte 1 Ulatha  76, 83 f., 384 Umm al-Jimal  49, 85, 264, 266, 274 Umm al-Quttain  86 Umm ar-Rumman  87 Umm el-Amed  377 Umm el-Biyara  347 Umm az-Zeitun  87 Yabroud / Iabrouda  67, 76, 98, 198, 225–227, Karte 1 Yahfufa  67 f. Yanouh  63, 106, 204, 210, 214, 270 f., 285 Zebdani  275 f., 278 Tal von Zebedani  57, 64, 67, 74, 106, 121, 146, 282, 286

Personenregister Abaris 238 Abdalonymos 338 Achaios 36 Aelius Gallus  304 f., 382, 386 Q. Aemilius Secundus  62 Aequus Modius  166

M. Agrippa  110, 160, 355 Agrippa I.  157, 164, 168–170, 176, 194, 224, 269, 331, 341 f., 356 f. Agrippa II.  75, 85, 98, 164–166, 169–171, 180–182, 198, 224 f., 257, 269, 289, 331, 341 f.

434

Register

Alchaidamos, König der Rhambaier  175 Alexander (der Große)  25, 42, 60, 108, 205, 243, 249 f., 257, 293, 347, 371 f. Alexander Balas  39 f., 115–117, 119–125 Alexander Helios, Sohn des M. Antonius und der Kleopatra  74, 154 Alexander Jannaios  42, 76 f., 80 f., 128, 130, 143, 186, 308, 350, 351 Alexander Zabinas  40, 44 Alexander, Sohn des Aristoboulos II.  147, 330 Alexander, Bruder des Iamblichos II.  178 f. Alexandra, Tochter des Aristoboulos II.  147, 151, 330 Antigonos Monophthalmos  64, 205, 216, 250, 303 f. Antigonos, Bruder des Hasmonaiers Aristoboulos  81 f. Antiochos I.  22, 23, 25, 35, 115, 243, 338 Antiochos II.  22, 25, 35 Antiochos III.  25 f., 30 f., 35, 36–38, 43, 56, 59, 71, 77, 88, 98, 103, 109–119, 211, 250 f., 327, 346, 348, 363, 376 Antiochos IV.  28 f., 33, 37–39, 62, 123, 134, 190, 243, 283, 286, 316, 349 Antiochos V.  30, 39, 42 Antiochos VI.  39 f., 77, 117, 124–127, 280 Antiochos VII.  40 f., 77, 127, 284, 350 Antiochos VIII.  40, 44, 129 Antiochos IX.  44, 129, 145 Antiochos X.  44, 284 Antiochos XII.  84, 115, 136 f., 143, 184, 193, 315, 363 f. Antiochos XIII.  45, 131, 139, 144 Antiochos Hierax  36 Antiochos I. von Kommagene  245 Antiochos IV. von Kommagene  124, 173, 180, 182, 331, 333 Antipater  148–151, 162, 176, 186 Antoninus Pius  99, 182, 224, 282 M. Antonius 74, 82, 151–155, 157, 160, 162, 177 f., 181, 184 f., 188, 227, 250, 258–260, 272, 321 f., 327, 332, 356, 381–383 Apame 23 Aretas I.  43

Aretas II.  43 Aretas III.  45, 136–138, 141, 179, 204, 315, 345 Aretas IV.  276, 343–346, 363 Aristoboulos I.  42 f., 53, 81 f., 129, 351 Aristoboulos II.  147 Aristoboulos, Bruder des Johannes Hyrkanos II.  140–142, 148, 151, 153, 187, 204, 330 Aristoboulos, König in Kleinarmenien  181 Arsakes  I.  35 f. Artavasdes III.  333 Ashurbanipal 249 Attalos I.  36 Attalos II.  39 Augustus / Octavian  14, 62, 73 f., 77, 83–85, 88, 90, 98, 152–163, 171, 176, 178 f., 184, 194, 196, 199, 219 f., 243, 261, 263, 269, 272, 287, 292, 304 f., 311, 320–322, 326, 328, 332, 353, 355 f., 358, 381–384 Azizos von Aleppo  13 Azizos, Dynast in Syrien  45, 131 f., 172, 363 Azizos I. von Emesa  180 f. Barzapharnes 153 Berenike, Ehefrau von Antiochos II.  36 Berenike (Schwester von Agrippa II)  170, 198, 257, 260, 289, 342 Caecilius Bassus  97, 174, 176, 185–188, 257 Caligula  163, 168 f., 180, 194, 258, 263, 269 Caracalla  98, 230, 330 C. Cassius Longinus  151 f., 170, 380 Cestius Gallus  165, 181 f., 228 Cicero  151, 173, 192, 258, 291, 385 Claudius  169 f., 180 Crassus  148, 152, 185, 247 David, König in Judaia  52 f., 353 Deiotaros 312 Demetrios I.  31, 38–40, 44, 124, 250, 284, 304, 371, 374

Personenregister Demetrios II.  28, 38–41, 115–128, 312, 363, 386 Demetrios III.  131, 288, 315, Demetrios, Dynast von Gamala  365 Dexandros, Dynast von Apameia  365 Diodotos, seleukidischer Satrap in ­Margiana  35 Diodotos, Usurpator in Baktrien  197 Diodotos Tryphon  34, 39 f., 116, 122, 124–127 Diokles / Zabdiel, Dynast in Syrien  117, 119, 122, 132 Dionysios von Tripolis  145, 147, 329, 365, 366 Domitian  63, 182, 224 Drusilla, Schwester des Agrippa II.  180 Drusilla, erste Ehefrau des Procurators Felix 181 Elagabal 183 Esarhaddon 51 Eumenes von Pergamon  372 Felix, Procurator von Judaia  180 f. Germanicus  179 f., 224, 231, 232 Gindibu, arabischer Anführer  248 Herodes  14, 17, 54, 73–77, 83–85, 88, 90, 147, 148, 150–163, 169, 178, 185 f., 194–196, 199, 201, 219–221, 227, 261, 318, 324, 326, 328 f., 339, 342, 346 f., 351–359, 369–371, 381–384 Herodes Antipas  168 Herodes, Tetrarch von Galilaia  167 f., 194 Herodes von Chalkis, Bruder des ­A grippa II.  169 f., 181 Johannes Hyrkanos I.  17, 42, 128–130, 308, 350–352 Hyrkanos II.  82, 142, 151–153, 186 f., 260 Hyspaosines 39 Iamblichos, Phylarch in Syrien  39, 123–125, 148–150, 161, 291 f. Iamblichos I.  91 f., 173–179, 292 Iamblichos II.  176, 179, 291 f., 333 Iamblichos von Chalkis  114, 116, 295

435

Iotape, Ehefrau des Emesener Königs Samsigeramos 183 Iotape II.  342 Iotape IV.  342 Iulia Berenike  342 Iulia Domna  183 Iulia Mamaea, Ehefrau des Ptolemon II. von Pontos  342 G. Iulius Alexionus  183, 339 C. Iulius Caesar  148–151, 161 f., 174, 176 f., 204, 269, 322, 356 G. Iulius Glaucus  176 G. Iulius Samsigeramus  183, 339–341 G. Iulius Soaimos  176 Jason, Hohepriester in Jerusalem  31, 376 Jonathan  40–42, 119–122, 125, 386 Juba I.  243 Juba II.  243, 321, 342 Judas Aristoboulos I.  81 Judas Makkabaios  38–41, 53, 84, 134, 366 Kabneskir / K amneskires  38 Kajaphas, Hohepriester in Jerusalem  167 Kleopatra I.  37 Kleopatra II.  40 Kleopatra V.  45, 139–142 Kleopatra VII.  14, 73 f., 154–157, 178, 181, 259, 272, 287, 321–324 Kotys  163, 258 Kypros  353, 355 Labienus 152 Laodike  22, 23, 25, 36, 44, 346 Lucius Verus  183 Lucullus  45, 139, 185 Lysanias, Tetrarch von Chalkis  14, 72, 75 f., 147, 152–157, 184, 194–198, 217, 224 f., 235, 259 f., 271 f., 279 f., 286 f., 315, 319–327, 375, 382 Lysanias, Tetrarch von Abila  167–170, 288 Malichos I.  85, 154–157, 177, 259 Malichos II.  343–346 Q. Marcius Rex, Prokonsul in Kilikien  45

436

Register

Mariamme, Ehefrau des Herodes  162, 163 Marion, Dynast von Tyros  151, 184, 365, 366 Mattathias, Stammvater der Hasmonaier ​ 134, 366 Mattathias Antigonos  151, 153 Mennaios, Vater des Tetrarchen ­Ptolemaios  65, 72, 76, 82, 91 f., 113–116, 129–132, 136–142, 145, 148–152, 156, 161–163, 167 f., ­184–192, 201–205, 217, 219, 221, 257, 260, 262, 271, 280 f., 310, 312, 314–319, 322–326, 330, 363, 374–381 Menneas, lokaler Dynast ?  112–114, 260 Milesios, Kommandant von Damaskos ​ 136–138 Mithradates VI. von Pontos  145, 149 f., 260, 312 Molon, Satrap von Mesopotamien  36 Moschos, Hohepriester in Nazala  225 f. Narkisos, Priester aus Niha  273 f., 291 Nebukadnezar  249, 348, 354 Nero  164, 181, 370 Nikolaos von Damaskos  130, 141, 160, 219, 235, 383, 385, 429 Obodas I.  345 Obodas II.  343 Obodas  III.  343 f. Octavian / Augustus  14, 62, 73 f., 77, 83–85, 88, 90, 98, 152, 156–163, 171, 176, 178 f., 184, 194, 196, 199, 219 f., 243, 261, 263, 269, 272, 287, 292, 304 f., 311, 320–322, 326, 328, 332, 353, 355 f., 358, 381–384 Olympias 114 Pakoros  152, 153 f., 177 Philippos I.  45, 131, 136 f., 184, 193, 363 Philippos II.  45, 131 Philippos, Sohn des Herodes und Tetrarch von Ituraia  83 f., 88, 90, 167–170, 328 Philippion, Sohn des ituraischen ­Tetrarchen Ptolemaios  137, 147, 197, 260, 330

Polemon II. von Pontus  163, 342 Pompeius  11, 14, 45 f., 55, 64, 66, 77, 84 f., 118, 131, 143–148, 152, 161, 164, 172 f., 177, 184, 188 f., 192 f., 199, 204, 221, 227, 234 f., 330, 375, 379–382 Ti. Pomponius Atticus 173 Pontius Pilatus  167 C. Popilius Laenas  33 Ptolemaios  260 v. Chr. 23 Ptolemaios  II.  35 f. Ptolemaios III.  36 Ptolemaios IV.  36, 62, 112 f., 116–119, 251 Ptolemaios V.  37 Ptolemaios VI.  34, 37–40, 110 Ptolemaios VIII.  40 Ptolemaios von Mauretanien  181 Ptolemaios, Sohn des Soaimos  148–150, 164, 167, 176 Ptolemaios, Tetrarch von Chalkis  14, 67, 73, 76, 82, 92, 113, 116, 126, 129–131, 136–156, 161–163, 167 f., 184–197, 201–204, 213, 217, 219, 221, 257, 260–262, 279 f., 283, 287, 310–330, 363, 374–382 Ptolemaios, Sohn des Traseas, Satrap in Syrien 25 Quirinus, Statthalter in Syrien  62, 207 Rabbel I.  345 Rabbel II.  344–346 Rhoimetalkes 163 Salome Alexandra  140, 142, 162, 352 Samos von Kommagene  38 Samsigeramos, Phylarch der Emesener  15, 45, 91 f., 100, 116, 131 f., 171–177, 291 f., 300, 363 Samsigeramos II. von Emesa  179 f., 183, 221, 223, 232 f., 333, 342 Sargon II.  249, 332 Seleukos I.  22, 25, 26, 34–37, 64, 96, 98, 100, 102, 229, 362, 372 f. Seleukos II.  30, 36 Seleukos III.  36, 280

Stellenindex der literarischen Quellen Seleukos IV.  37, 39, 77, 115, 190, 286 Seleukos V.  40 Sextus Caesar  356 Shalmaneser III.  248 Simon, Dynast der Hasmonaier  41, 363, 373, 375 Soaimos, Dynast von Arka  149 f., 161–170, 176, 196, 341 Soaimos, Dynast der Ituraier unter Caligula 258–261 Soaimos, Dynast von Emesa  180–183, 228, 293, 295, 330, 341 Syllaios  179, 305, 382 f. Theodora 295 Theodoros, Dynast von Gerasa  13, 41, 138, 184, 365 Tiberius  75, 83, 167 f., 179, 194, 382 Tiglathpileser III.  51, 249 Tigranes II. von Armenien  45, 51, 84, 138–146, 171 f., 181, 184–189, 193, 197, 211, 311, 315, 330, 379, 381 f., 386 Timagenes  81, 178

437

Timarchos, Satrap in Medien  38, 374 Trajan  182, 223, 286 Trakondimotos von Kilikien  173 Varus / Noarus, Nachfahre ituraischer Dynasten  164–167, 170, 260 f., 330 Varro, römischer Statthalter in Syrien  158 Ventidius Bassus 154 Vespasian 228 Zabdibelos, lokale Anführer im Heer Antiochos’ III.  119, 122, 132, 177, 363 Zabdiel / Diokles, lokaler Anführer  119, 122, 132 Zenodoros, Tetrarch der Ituraier   14, 76, 83–85, 88, 90, 129, 155–161, 168, 184, 192, 195 f., 199 f., 217–221, 260, 262, 272, 279, 287, 319–324, 327–329, 360, 381, 384 f. Zenodoros, Nachkommen der ituraischen Tetrarchenfamilie 72 Zenon Kotylas, Dynast in Amman  13, 41, 184, 365

Stellenindex der literarischen Quellen Ael. Nat.Anim. 6, 10 252 Amm.Marc 23, 2–6

385

12, 144 16, 106 17, 117

192 45, 131, 144, 363 144

App.Civ. 4, 88 151 5, 8, 75 152 5, 1, 7 152 5, 1, 10 152 5, 5–6 227 5, 7 258 5, 75 227 58 176

App.Syr. 8, 47 31 8, 50 144 8, 51 45 8, 49 144 50, 1 56 57 64, 97, 98 62 25 68 123, 127

App.Mithr. 3, 21 4, 27 7, 48

Apul. Flor. 6, 1

210, 259

Aristid. Rom. 30

61, 386

260 260 260

438

Register

Arr.Anab. 2, 2 2, 20, 4–5 2, 25, 4

249, 257 108 250

Athen. 5, 205B

205

Bell.Afr. 20 150, 162 65 176 Cass.Dio 36, 2, 5 37, 7a 37, 7, 2 40, 20, 1 43, 51, 1 48, 25–26, 2 48, 41, 5 49, 20, 4 49, 24, 2 49, 31, 4–5 49, 32, 4–5 50, 13, 7 51, 1–2 54, 8, 2 59, 8, 2 54, 9, 1–3 59, 12, 2 66, 15, 4 68, 21 69, 32, 15

185 171, 172 172 185 176 152 154 177 177 154, 155 259, 375 178 178 179 168 179, 180, 199, 292 164, 258, 261 182 223 194

1 Chron. 18, 3–11

212

2 Chron. 7

120

Cic.Ad.Q.Fr. 2, 12, 2

173

Cic.Att. 2, 16, 2 2, 14, 1 14, 9, 3 16, 1–2 23, 2–3

173 173 174 173 173

Cic.Fam. 2, 9, 1–2 8, 10, 2 15, 1 15, 1–2 15, 1, 3 15, 4, 4–7 15, 4, 6 15, 4, 7

385 173 152, 291 173 385 173 192 173

Cic.Phil. 1, 44, 12 258 2,8 258 2, 113 151 2, 19 151 Curt. 3, 3, 17–19 4, 1, 4–5 4, 2 4, 3, 1 4, 6, 7

299 109 205 249, 257 250

Diod. 2, 7 123, 291 2, 30, 3–4 288 2, 48, 1 54, 118, 251, 259 2, 48, 2 303 2, 48–54 247 3, 42,4–5 103 13, 80, 3 362 17, 48, 7 250 17,77, 5 372 19,50 114 19, 94, 2–9 103, 118, 251, 259 19, 95, 1–100, 1 250, 304 28, 58 205 32,9c 39 32, 9–11 117 33, 3 116 33, 4a 39, 122, 123, 125, 126, 203 33, 4, 2 122 40, 1a-1b 131 47, 27, 5 174

Stellenindex der literarischen Quellen

439

13, 1, 2 13, 4, 8 13, 4, 9 13, 5, 1 13, 5, 3 13, 5, 10 13, 6, 1 13, 7, 2 13, 11, 3 13, 12, 3 13, 13, 3 13, 13, 4 13, 13, 5 13, 14, 1–15, 2 13, 14, 2 13, 15, 1–2 13, 15, 3 13, 15, 3–4 13, 16, 2 13, 16, 3–4 13, 16, 4 13, 16, 5 14, 1, 4 14, 2, 3 14, 3, 1 14, 3, 2

185 39, 116 122 123, 124, 291 125 121 291 127 81 54 76 44 143 84 143 137, 143, 219, 363 42, 76, 77 76 186 140, 186 139, 141 142 186 204 203 64, 144, 145, 147, 204, 329 84, 144 204 85 186 137, 187, 330 149, 161, 164, 167, 196 351 174 143, 151, 380 185, 383 260 153 355 160 201 150, 162 145 155 154

Ephippos von Olynth FGrHist 126F5

372

Epol. Frag. 2

52, 115, 257

1 Es. 7, 8

132, 300

Eus. Chron. (arm.) S. 79

194

Eus. Onom. 110, 27

83

Eus. Praep.Ev. 9, 30, 3

52, 115, 257

Eutr. 6, 14, 1

257

Fest. Brev. 14

175

Gen. 25, 12–16

48, 256

Glaucos FGrH 674 F 13

118, 251, 252

Herod. 1, 37 1, 73, 3–6 3, 4–9 4, 11, 3 4, 11, 6 7, 69–70 7, 86–87 8, 144, 2

307 362 249 299 299 249 249 238

Hohelied 4, 8–5

210

Himer.Or. 23, 4–8

238

Itin.Anton. 188, 2 184, 5

97 97

Jos.Ant.Jud. 12, 3, 3 12 ,4, 3 12, 4, 11

205 211 185, 200

14, 4, 4 14, 5, 1 14, 7, 1–4 14, 7, 3 14, 7, 4 14, 8, 1 14, 10, 22 14, 11, 1 14, 12, 1 14, 12, 2 14, 12, 3 14, 13, 1 14, 13, 8 14, 14, 4 14, 15, 4–5 14, 15, 11 14, 34–36 15, 3, 8 15, 4, 1

440 (Jos.Ant.Jud.) 15, 4, 2 15, 6, 5 15 ,6, 7 15, 7, 3 15, 7, 4 15, 10, 1 15, 10, 2 15, 10, 3 15, 10, 4 16, 5, 1 16, 9, 3 16, 9, 4 17, 8, 1 17, 11, 4 17, 11, 5 18, 5, 4 18, 6, 7 18, 6, 10 18, 7, 1 19, 5, 1 19, 6, 3 19, 7, 1 19 ,8, 1 19, 8, 3 19, 9, 2–4 19, 9, 3–4 19, 10, 7–9 20, 7, 1 20, 8, 4 Jos.Bell.Jud. 1, 3, 3–4 1, 4,3–4 1, 4, 4 1, 4, 7–8 1, 4, 8 1, 5 ,3 1, 7, 7 1, 8, 9 1, 9, 2 1, 9, 3 1, 12, 4

Register

157 163, 196, 261 383 163 163 11; 83, 156; 158, 195, 199, 217, 384, 385 84, 156; 158; 159, 195, 220 76, 83, 84, 88, 159, 160 221 357 160, 383 160 84, 211 84, 157, 221 84 180, 342 169 157, 168 194 169 169 170 180 170 382 383 383 170, 180, 297 180 82 143, 184 42, 76 137, 143, 219 42, 76 140, 219 144 186 137, 147, 187, 330 148, 161, 167, 176 383

1, 13, 1 1, 13, 4 1, 13, 8 1, 16, 2 1, 16, 4 1, 18, 5 1, 19, 1–6 1, 20, 2 1, 20, 4 1, 22, 3 1, 22, 13 1, 29, 3 2, 6, 3 2, 9, 6 2, 11, 5 2, 13, 8 2, 18, 6 2, 18, 9 2, 20, 6 3, 4, 2 7, 7, 1

153, 194 153 355 201 201 157 85 156 160, 195, 199 194 314 179 157 168 169 170 164, 165, 196, 330 181, 228 200 181, 228 182

Jos.Vita 11 164, 166, 196 37 200 52 150 Jul. Or. IV 150D

297

Just. Epit. 35, 2 124 40, 2, 2–5 46, 139 41, 2, 4 299 41–42 385 Liv.Per. 52

117, 127

Lucan.Bell.Civ. 7, 514 258 Luk.SyrD. 8

212

Luk. 3, 1–2 8, 362–387

54, 83, 167 299

Stellenindex der literarischen Quellen 1 Makk. 1, 39–40 123 2, 17–28 38, 303 2, 17–31 366 2, 27–38 134, 303 5, 4 306 5, 6 185 5, 24–44 84 5, 25 185 5, 39 185 9, 32–42 185, 306 9, 37 54 9, 66 306 10, 70–73 119, 386 11,7 119 11, 13 116 11, 14f 39 11, 16–17 117 11, 17–18 117 11, 33–35 363 11, 39 123 11, 39–40 123, 291 11, 54 123, 291 11, 55–56 125 11, 57–59 125 12, 1–4 41 12, 24–32 120 12, 25 120 12, 25–30 54 12, 31 121 14, 41–44 41, 363, 373, 375 15, 10–12 127 15, 28–31 32 2 Makk. 8, 1 134, 303, 366 8, 5–9 366 12,10–12 185 8, 32 185 MegTaan 35

128

Oros. 6, 6, 1

257

Philo 25

168

Phot.Bibl.cod. 181, 125b32 Plin.Nat.Hist. 5, 24 5, 32 5, 74 5, 77 5, 81 5, 89 6, 32 6, 144–146 6, 160 7, 99 12, 48, 104–106 13, 7, 30 37, 11–18 Plut.Alex. 24, 6

441

116, 295 255 97 184 111 99, 100, 188, 258, 270, 368 231 97 213 305 144 215 216 145 249, 257

Plut.Ant. 34 177 37, 1–2 177 46, 4 177 61 178 80 178 Plut.Cic. 35 152 Plut.Crass. 22, 5 31, 7

247 176

Plut.Dem. 7, 1–2

304

Plut. Demetr. 41, 3–4

371

Plut. Eumen. 8 372 Plut.Kleom. 13 371

442

Register

Plut.Luc. 18 260 21, 2 139 25 ,6 139, 171 29, 5 139 Plut.Marc. 12, 6

362

Plut. Pomp. 3, 6–7 145 36, 2 172 37 260 38, 2 172 39 45, 118 83, 3 146 Plut.Timol. 28, 11

362

Polyb. 3, 33, 15–16 3, 44, 1–3 3, 55, 7–8 5, 40, 1–4 5, 45, 7 5, 45, 8–46, 2 5, 46, 3 5, 61, 4 5, 61, 7–8 5, 68, 8 5, 70–71, 1 5, 71, 1–4 5, 71, 2 5, 79, 8 5, 82, 12 5, 85, 4 5, 87, 6 11, 34, 1–14 13, 9, 4–5 16, 18–19 16, 22 30, 25–26 30, 26, 5–6

362 362 362 25 98 57, 110 110 25 110 62 112 251 112, 260 117, 251, 363 251 251 112 35 251 88 24 33 34, 349

Pomp. Mela 1, 12

62

Porph. Chronik FGrH 260 F 2,17 194 Psalm 104,1b-30: 210 Ps.-Heges. 1, 13 1, 14 1, 17 1, 23

142 149 138 147

Ptol. 5, 14, 16 6, 15, 22

98 54, 75

R.Gest.div.Aug. 1, 27–28 26, 5

178 305

1 Sam. 8, 12–14

53

2 Sam. 8, 3–12

212

Steph.Byz. 683 s. v. Chalcis

65, 260

Steph.Byz. 593 s. v. Syrmaion

306

Steph.Byz. NSI 202

306

Strab. 1, 2 ,33 2, 5, 12 11, 9, 2–3 12, 3, 31 13, 4, 2 14, 5, 2 15, 3, 1 15, 4, 2 16, 1, 8 16, 1, 26 16, 1, 27 16, 1, 28 16, 2, 4 16, 2, 1 16, 2, 7

251 305 385 145 46 127 253 253 252 252, 253 118, 381 172, 252 25 118,252 117

Stellenindex der literarischen Quellen (Strab.) 16, 2, 10

16, 2, 11 16, 2, 18

16, 2, 19 16, 2, 20 16, 4, 2 16, 4, 21–22 16, 4, 22–24 16, 4, 23 16, 4, 26 16, 7–10 17, 1 ,45 17, 2 ,2 17, 2, 19 17, 3, 19 17, 3, 23

33, 92, 102, 116, 125, 126, 132, 174, 175, 177, 185, 188, 257, 292, 300 15, 92, 97, 118, 132, 174, 221, 253, 292, 300 11, 54, 55, 58, 64, 65, 118, 126, 143, 144, 164, 199, 206, 213, 253, 257, 302, 385 110; 160 55, 83, 160, 218, 257 252 259, 304 382 253, 304 347 229 253 253 253 252, 253 253

Suet.Aug. 48 179 Suet.Iul. 54, 3

204

Synk. 1, 555 559, 5–12

130 143

Tab.Peut. 9, 3 9, 4

97 98

443

Tac.Ann. 12, 12, 3 12, 23 13, 6–7 13, 17 13, 23 15, 15–16

175 164, 196, 261 181 181 180 181

Tac.Ger. 17, 1

299

Tac.Hist. 2, 81, 1 5, 1, 2–4 5 ,9

181, 228 181, 228 180

Theoph. Hist.pl. 9, 7, 1 13, 7, 30

58, 215 216

Varro Rust. 1, 10, 2

230

Verg.Georg. 2, 448

211, 258

Vibius Sequ. Gentes 335 258 Vit.Isid. p.2,9 f. Zintzen

116, 260

Xen.Anab. 1, 4, 19–5, 1, 1–5 249 7, 8, 25–26 109 Xen.Cyrop. 2, 1 4, 11–16 5, 7

249 149 249