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German Pages 142 [148] Year 1950
SAMMLUNG
G Ö S C H E N
BAND
264
Geschichte der Chemie in kurzgefaßter Darstellung Von
Dr. G e o r g
Lockemann
Univers.-Professor, Geh. Reg.-Rat
Erster
Band
Vom Altertum bis zur Entdeckung des Sauerstoffs Mit 8 Bildnissen
W a l t e r de G r u y t e r & Co. vormals G
J. Gösdien'sdie Verlagshandlung . J . Gutcentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer
• Karl J Trübner
• Veit &
B e r l i n 19 5 0
Comp
Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungsrechc, von der Verlagshandlung vorbehalten
A r c h i v - N r . 11 02 64 Druck von Erich Spandel, N ü r n b e r g Printed in G e r m a n y
Inhaltsübersicht Bücher über Geschichte der Chemie S. 4 Einleitung
S. 5 — 9
D e r Name Chemie S. 6 — 7 Übersicht über die Zeiteinteilung S. 7 — 9 I. Z e i t a l t e r
der Vorgeschichte
S. 9 — 2 6
1. Geschichtliche Quellen S. 1 0 — 1 1 2. Chemische Kenntnisse im Altertum S. 1 1 — 1 9 3. Theoretische Anschauungen der griechischen Philosophen S. 1 9 — 2 6 II. Z e i t a l t e r
der
Alchemie
S.
26—54
Allgemeines S. 2 6 — 3 0 Hellenistische Alchemie in Ägypten S. 3 0 — 3 3 D i e Alchemie bei den Arabern S. 3 3 — 3 9 Die Alchemie im christlichen Abendlande. Zeit der Scholastik S. 3 9 — 4 9 5. V e r f a l l der Alchemie und ihre Nachläufer S. 4 9 — 5 4
1. 2. 3. 4.
I I I . Z e i t a l t e r d e r I a t r o d i e m i e S. 5 4 — 7 9 1. Paracelsus und seine Nachfolger S. 5 5 — 6 7 2. Angewandte und technische Chemie im iatrochemischen Zeitalter S. 6 7 — 7 7 3. Übergang zur selbständigen Chemie S. 7 7 — 7 9 IV. S e l b s t ä n d i g e C h e m i e b i s z u r e n t d e c k u n g S. 7 9 — 1 3 5
Sauerstoff-
1. Begründung der selbständigen Chemie durch Jungius und Boyle S. 7 9 — 8 5 2. Andere bedeutende Chemiker des 17. Jahrhunderts S. 8 5 — 8 9 3. Zeitalter der Phlogistondiemie S. 8 9 — 1 2 9 4. Rüdeblick auf die Zeit der Phlogistontheorie S. 1 2 9 — 1 3 1 5. Kurzer Überblick über die Vorgeschichte und Geschichte der Sauerstoffentdeckung S. 1 3 1 — 1 3 5 Personennamen-Verzeichnis S. 136—138 Schlagwort-Verzeichnis S. 1 3 8 — 1 4 2 .
Bücher über Geschichte der Chemie 1. Hermann Kopp: Geschichte der Chemie in 4 Bänden. (Braunschweig, Friedrich Vieweg & Sohn 1843—47). 2. Hermann Kopp: Beiträge zur Geschichte der Chemie. 3 Bände. (Braunschweig, Friedrich Vieweg & Sohn 1869—75). 3. Hermann Kopp: Die Alchemie in älterer und neuerer Zeit, ein Beitrag zur Culturgeschichte. 2 Bände. (Heidelberg, C a r l Winters Universitätsbuchhandlung 1886). 4. Ernst von Meyer: Geschichte der Chemie von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. (Leipzig, Veit & Comp., I. Aufl. 1888, IV. Aufl. 1914). 5. Walter Herz: Grundzüge der Geschichte der Chemie. (Stuttgart, Ferdinand Enke 1916.) 6. Eduard Färber: Die geschichtliche Entwicklung der Chemie. (Berlin, Springer-Verlag 1921). 7. Richard Meyer: Vorlesungen über die Geschichte der Chemie. (Leipzig, Akademische Verlags-Gesellschaft 1922). 8. Günther Bugge: Das Buch der großen Chemiker. Band I. Von Zosimos bis Schönbein. Mit 62 Abbildungen. (Berlin, Verlag Chemie G.m.b.H. 1929). Band I I . Von Liebig bis Arrhenius. Mit 1 Bibliographie und 78 Abbildungen. (Berlin, Verlag Chemie G.m.b.H. 1930). 9. W. Ganzenmüller: Die Alchemie im Mittelalter. (Paderborn, Verlag der Bonifacius-Druckerei 1937). 10. Paul Waiden: Drei Jahrtausende Chemie. (Berlin, Wilhelm Limpert-Verlag 1944). 11. Paul Waiden: Geschichte der Chemie. (In der Sammlung: Geschichte der Wissenschaften, herausgegeben von Erich Rothacker. (Bonn, Universitäts-Verlag 1947).
Einleitung Die Chemie ist eine der jüngsten Naturwissenschaften. Mathematik, Physik, Astronomie blicken auf eine mehrtausendjährige Geschichte zurück, wovon die bekannten Namen T h a i e s , P y t h a g o r a s , E u k l e i d e s , A r c h i m e d e s , A r i s t a r c h o s , P t o l e m a i o s u. a. noch heute lebendige Kunde geben. Die auf die Chemie hinführenden Bestrebungen sind lange in die Irre gegangen. Während andere Wissenschaften, wie z. B. die Arzneikunde oder die Rechtswissenschaft, von Anfang an ihr Ziel klar vor Augen hatten, mögen auch im Laufe der Jahrhunderte die Wege, die dahin führen sollten, noch so sehr gewechselt haben, wurden die Betätigungen, die sich allmählich zur Chemie entwickelten, jahrhundertelang plan- und ziellos betrieben, oder sie sollten anderen Zwecken dienen. Erst sehr spät setzte sich die Erkenntnis durch, daß es die eigentliche Aufgabe der Chemie sei, die Eigenschaften der verschiedenen Stoffe und deren wechselseitige Umwandlungen zu erforschen. Hierzu kam es im 17. Jahrhundert. Erst zu dieser Zeit entstand die eigentliche Chemie als selbständige Wissenschaft, die dann auch in ihrer weiteren Entwicklung ihre eigene Geschichte beanspruchen darf und muß. Wollte man jedoch mit der geschichtlichen Betrachtung nur bis auf die Zeit vor dreihundert Jahren zurückgehen, so würde man für die damals herrschenden Anschauungen und den Stand der Naturforschung keinerlei Verständnis haben und auch dem weiteren Entwicklungsgange schwer folgen können. Mehr als in anderen Wissenschaften spiegelt sich in der Vorgeschichte und der Geschichte der Chemie das Bild der allgemeinen Kulturgeschichte. Das scheinbar Verworrene und Krause, das sich in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geistes offenbart, tritt auch auf diesem Gebiete immer wieder hervor und verlangt zu seinem Verständnis ein Eingehen auf die Art und Weise, wie es zu diesen für die heutigen Anschauungen teils höchst sonderbar oder fast unbegreiflich erscheinenden Ansichten kommen konnte. Man muß verfolgen können, wie der Gang der Erkenntnis nach mancherlei Kreuz- und Querzügen schließlich in die große H a u p t richtung einer wirklichen Wissenschaft einschwenkt.
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Einleitung
Man könnte vielleicht b e z w e i f l n , ob es für einen Chemiker oder einen exakten Naturforscher überhaupt angebracht und r a t sam ist, sich mit geschichtlichen Betrachtungen zu beschäftigen. E r hat es j a mit den naturgegebenen Tatsachen zu tun, die an und für sich gänzlich ungeschichtlich sind. Die Eigenschaften der Stoffe waren vor Jahrtausenden dieselben wie heute. Aber die Wissenschaft verkörpert immer nur den jeweiligen Stand der tatsächlichen Erkenntnis dieser naturgegebenen Tatsadien. U n d so wandelt sich ihr Zustand mit der fortschreitenden Erkenntnis immer mehr. I m Laufe der Zeit nimmt nidit nur die Zahl der Einzelerkenntnisse zu, es kommt auch bisweilen zu grundstürzenden Änderungen der allgemeinen wissenschaftlichen Anschauungen und grundlegenden Voraussetzungen. Der Naturforscher muß sich darüber klar werden, daß der Zustand, in dem sich seine Wissenschaft zur Zeit befindet, kein dauernder ist, daß sich alles in Fluß befindet, daß. das Heute nur eine Brücke von gestern zu morgen bedeutet. N u r wenn er sich dies vergegenwärtigt, kann er ein richtiges Verständnis für die Gegenwart gewinnen. N u r das an der Betrachtung der geschichtlichen Wandlungen geschärfte Auge wird fähig sein, die heutigen Vorstellungen und Anschauungen kritisch zu betrachten und ihrem wirklichen W e r t e nach einzuschätzen. H i e r gilt das G o e t h e - W o r t : Die Geschichte einer Wissenschaft ist die Wissenschaft selbst. Somit stellt für den exakten Naturforscher die geschichtliche Betrachtung seiner Wissenschaft keine Liebhaberei dar, sie ist vielmehr zu einem richtigen V e r ständnis durchaus notwendig.
Der Name Chemie Der Name Chemie selbst fordert schon Erklärung. Woher stammt er? Zum ersten Male findet er sich bei dem alexandrinischen Gelehrten Z o s i m o s aus Panopolis (Chemmis) in Ägypten im dritten christlichen Jahrhundert. D a „Chemi" der alte N a m e für das Land Ägypten ist, so wurde die griechische Bezeichnung „chemeia" (zu ergänzen „rechne") als ägyptische Kunst gedeutet, die von den Priestern in den ägyptischen Tempeln ausgeübt, auch als „hagia techne", als „heilige Kunst", bezeidinet wird. Aber es gibt noch zwei andere Deutungsmöglichkeiten. Der Chemie-Historiker E d m u n d O . v o n Lippmann leitet den Namen ab von dem ägyptischen W o r t e „chame" oder
Einleitung
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„käme", was soviel wie „schwarz" bedeutet und vor allem die schwarze Erde des Nillandes bezeichnen soll. Wenn hiervon das Wort „Chemie" abzuleiten wäre, würde es soviel bedeuten wie „schwarze Kunst", als welche sie sidi ja das ganze Mittelalter hindurch erwiesen hat. Am wahrscheinlichsten ist aber folgende Ableitung zu betrachten, die besonders der Altphilologe H e r m a n n D i e 1 s geltend gemacht hat und die besonders von J u l i u s R u s k a vertreten wird. Neben „chemeia" wurde früher auch vielfach der N a m e „ c h y m e i a " angewendet, der sich von dem griechischen Worte „chyma" = „Guss" ableitet. Das Wort „Chymie" würde also als Metallgußtechnik zu deuten sein. Durch Hinzufügung des arabischen Präfixes „al" entstand dann das Wort „ Alchymie", mit dem die das ganze Mittelalter hindurch bis in die neueste Zeit betriebenen Versuche zur künstlichen Metallverwandlung bezeichnet werden, die in den früheren Zeiten bisweilen auch geradezu „Chrysopoiia" = „Goldmacherei" genannt werden. A n Stelle des „y" hat sich dann immer mehr das „e" eingebürgert, und so spricht man heute meist von „Alchemie" und „Chemie", während die Italiener und die Franzosen in den Worten „chimica" und „chimie" den Y-Laut zum I-Laut abgewandelt haben.
Übersicht über die Zeiteinteilung Unsere heutige Kultur ist aus den Kulturen der alten Völker im Gebiete des Mittelländischen Meeres hervorgegangen. Die Ägypter, Babylonier, Perser, Griechen und Römer haben die Grundlagen geschaffen, auf denen sich die europäische Wissenschaft aufbaut. Wenn wir nun in unseren geschichtlichen Betrachtungen mit der Zeit beginnen, in der diese alten Völker auf der Höhe ihrer Kultur waren, so lassen sich in der Entwicklung bis zur Gegenwart einzelne Zeitabschnitte erkennen, die ihr besonderes Gepräge tragen. Gewisse Grundgedanken treten hervor, die sich mit der allgemeinen Kulturlage wandeln und so den Beginn eines neuen Zeitabschnittes herbeiführen. Der Übergang erfolgt allmählich; es gibt einzelne Vor- und Nachläufer für jede Periode. Wenn auch ohne scharfe Grenzen, heben sich dodi
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Einleitung
die einzelnen Abschnitte deutlich voneinander ab. So lassen sich in großen Zügen folgende Zeitalter unterscheiden: I. Z e i t a l t e r d e r V o r g e s c h i c h t e . Im Altertum bis zum 4. Jahrhundert nach Christus. Kenntnisse und Anschauungen der alten Kulturvölker im Gebiet des Mittelländischen Meeres, besonders der Griechen und Römer. II. Z e i t a l t e r d e r A i c h e m i e. Im Mittelalter vom 4. bis Anfang des 16. Jahrhunderts. Ursprung in Ägypten im hellenistischen Kulturkreis. Mitte des 7. Jahrhunderts von den erobernden Arabern übernommen; nach Spanien und Italien übertragen. Anfang des 13. Jahrhunderts weitere Ausbreitung der Alchemie ins christliche Abendland. Aufgabe und Arbeitsziel: Metallverwandlung (Goldmacherei) und Auffindung des Allheilmittels und zauberhaften Ferments, des „großen Elixiers", des „Magisteriums", des „Steins der Weisen". Verworrenes Schrifttum mit größter Geheimniskrämerei. Allmähliches Abgleiten in Lug und Trug. Späte Nachläufer bis ins 19. Jahrhundert. III. Z e i t a l t e r d e r I a t r o c h e m i e . Vom Anfang des 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts. Von P a r a c e l s u s wird die Chemie in den Dienst der Medizin gestellt mit der Aufgabe, die Lebens Vorgänge chemisch zu deuten und statt des von den Alchemisten gesuchten einen Allheilmittels die verschiedensten diemischen Verbindungen, besonders Metallsalze, als Heilmittel („Arcana") gegen die Krankheiten zu verwenden. Die Nachfolger von Paracelsus teils große Marktschreier, teils ernsthafte Forscher. Gleichzeitige Entwicklung der chemischen Technik von A g r i c o 1 a an. IV. Z e i t a l t e r d e r s e l b s t ä n d i g e n C h e m i e . Seit Mitte des 17. Jahrhunderts. Von dem Deutschen J u n g i u s und dem Engländer B o y 1 e heraufgeführt. Als eigentliche Aufgabe der Chemie die Erforschung der Eigenschaften und der wechselseitigen Umwandlungen der verschiedenen Stoffe erkannt. Jetzt erst eine selbständige chemische Wissenschaft. Die von B e c h e r und S t a h l begründete P h l o g i s t o n t h e o r i e beherrscht alsbald die ganze
Einleitung
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Chemie; Klärung des Elementbegriffs, aber völlig unklare Vorstellungen über Masse und Gewicht. Qualitative Periode. Auf Grund der Sauerstoffentdeckung von S c h e e l e (1771) und P r i e s 11 e y (1774) wird von L a v o i s i e r die neue Oxydationstheorie entwickelt (1777—1789). Dieser klärt auch die Begriffe von Masse und Gewicht des diemischen Stoffes und begründet als Physiker das Zeitalter der quantitativen C h e m i e . Begründung der Stöchiometrie durch J . B. R i c h t e r (1792), der neuen Atomtheorie durch D a l t o n (1803) und Auffindung der verschiedenen Grundgesetze. Weitere Entwicklung der Chemie besonders unter der Führung von B e r z e l i u s . Mit W ö h l e r s künstlicher Darstellung des Harnstoffs (1828) Beginn der organisch-synthetischen Chemie. L i e b i g s große Bedeutung für Forschung und Unterricht. Ausbildung der einzelnen Forschunesgebiete mit wechselseitiger Förderung. Klärung der theoretischen Vorstellungen und Begriffe. Entwicklung der physikalischen Chemie, in Deutschland besonders durch B u n s e n. Immer schnellere Entwicklung der verschiedenen Forschungszweige mit teilweise grundstürzenden Ergebnissen (Radioaktivität usw.) bis zur Gegenwart hin.
I. ZEITALTER DER VORGESCHICHTE (Im Altertum bis zum 4. Jahrhundert nach Christus.) Im ganzen Altertum war die Chemie im heutigen Sinne unbekannt. Vereinzelte Kenntnisse in chemischer Hinsicht brachten die tägliche Erfahrung und das Erwerbsleben mit sich; es fehlte jedoch jeeliche planmäßige weitere Erforschung. Die von den alten Kulturvölkern der Ägypter, Babylonier und Assyrer, Juden und Phönizier, Meder und Perser gesammelten Erfahrungen naturwissenschaftlicher Art wurden zum Teil von den Griechen und den Römern übernommen, ohne noch wesentlich vermehrt zu werden. Für die gebildeten Griechen galt im allgemeinen das W o r t von A r i s t o t e l e s : Gewerbliches Schaffen führt zu niederer Sinnesart. U m so glänzender waren die Ergebnisse ihres rein geistigen Schaffens. W a s die griechischen Philosophen erdacht und ergründet haben, bildet noch heute die Grundlage unserer Kultur und Wissenschaft.
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l. leitalter
der
Vorgeschichte
1. Geschichtliche Quellen Durch Ausgrabungen wurde mancherlei zutage gefördert, was auf den Stand der Kenntnisse und der technischen Fertigkeiten bei den alten Völkern schließen läßt. Das gilt besonders für Ägypten, wo auch die Aufdeckung der Königsgräber höchst überraschende Funde gebracht hat. Eine andere Erkenntnisquelle bilden einzelne erhaltene Sdiriften, deren wichtigste folgende sind: „Papyrus Ebers", von dem Ägyptologen Georg E b e r s im Jahre 1872 bei Theben in Ägypten aufgefunden und der Universitäts-Bibliothek in Leipzig zur Aufbewahrung übergeben. Der vorzüglich erhaltene Papyrus stammt aus der Zeit um 1600 vor Christus und ist hauptsächlich pharmazeutischmedizinischen Inhalts. Ebenso der im Jahre 1826 bei Memphis gefundene und jetzt in Berlin aufbewahrte „Papyrus B r u g s c h major", der aus der Zeit von Rhamses II (zweite H ä l f t e des 14. vorchristlichen Jahrhunderts) stammt. Uber die naturwissenschaftlichen Kenntnisse der Juden gibt das Alte Testament der Bibel vielfach Auskunft. Aus dem griechisch-römischen Kulturkreise kommen folgende Schriften in Betracht: H o m e r s „Ilias" und „Odyssee" (10. vorchristl. Jahrh.), P 1 a t o n s „Timaios" (5. vorchristl. Jahrh.) und von A r i s t o t e l e s die Schriften „Über den Himmel"' und „Über Entstehen und Vergehen" (4. vorchristl. Jahrh.) Der bedeutendste Schüler dieser beiden Philosophen T h e o p h r a s t o s hat ein besonderes Buch „Über die Gesteine" geschrieben; ein naturwissenschaftliches Lehrbuch, in dem z. B. Steinkohle, Zinnober, Schwefelarsen zum ersten Male erwähnt werden. Von den römischen Gelehrten hat G a j u s P l i n i u s S e c u n d u s , der Ältere, der beim Vesuv-Ausbruch im Jahr 79 nach Chr. zu Tode kam, die naturwissenschaftlichen Kenntnisse seiner Zeit in den 37 Büchern seiner „Historia naturalis" zusammengestellt. Der zur gleichen Zeit als römischer Militärarzt in Kleinasien lebende Grieche D i o s k o r i d e s (neuerdings auch Dioskurides geschrieben!) berichtet in seinem großen Sammelwerk „Materia medica" sehr eingehend über die medizinischen und chemischen Kenntnisse seiner Zeit. Ferner finden sich in den Schriften des berühmten Arztes C l a u d i u s G a l e n o s aus Pergamon (zweite H ä l f t e des 2. christlichen Jahrhunderts), von denen allerdings einige nicht echt sind, zahlreiche naturwissenschaftliche Angaben. Aus dem dritten christlichen Jahrhundert stammen die beiden im Jahre 1828 in den Gräberfeldern bei Theben aufgefundenen
2. Chemische Kenntnisse im Altertum
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Schriften, die nach ihren jetzigen Aufbewahrungsorten Leyden und Stockholm als „Papyrus Leydensis" und „Papyrus Holmiensis" genannt werden. Diese geben Auskunft über die in den ägyptischen Tempelwerkstätten ausgeübten und teilweise geheim gehaltenen Verfahren der Bearbeitung von Metallen, der Herstellung künstlicher Edelsteine, Perlen und anderer Schmuckstücke, sie enthalten auch Vorschriften für das Färben von Wollgeweben mit verschiedenen Farbstoffen. Zur gleichen Zeit etwa hat der bereits genannte Z o s i m o s aus Panopolis seine naturwissenschaftlichen Schriften verfaßt.
2. Chemische Kenntnisse im Altertum Bildung und Kultur sind bei den verschiedenen Völkern von Anfang an mit der Pflege der Religion verknüpft. Die Priester sind gleichzeitig die Lehrer und Erzieher des V o l kes, sie fördern und bilden die geistigen Kräfte und sind die eigentlichen Kulturträger. So wurde auch in den ägyptischen Tempeln neben der Religion die Wissenschaft gepflegt, und nicht nur die Gebildeten des eigenen Volkes, sondern auch einzelne Wissensdurstige fremder Völker suchten dort Belehrung. Auch griechische Staatsmänner und Philosophen, wie S o l o n , P y t h a g o r a s , D e m o k r i t o s und selbst P 1 a t o n haben dort ihr Wissen zu bereichern gesucht. Das praktische Erwerbsleben brachte schon frühzeitig einige naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit sich. Dabei kommen hauptsächlich folgende Gebiete in Betracht: Metallbearbeitung, Töpferei, Glasmadierei, Färberei und Bierbrauerei neben der Herstellung von Arzneimitteln und Gewinnung von Pflanzengiften. Die Arzneikunde lag natürlich zu Anfang auch in den Händen der Priester. Die Gewinnung der M e t a l l e aus den in der Natur vorkommenden Erzen und deren weitere Bearbeitung bildet die erste Stufe zur höheren Kultur. Das Wort „to metallon" kommt schon bei H e r o d o t o s (5. vorchristl. Jahrh.) vor, und zwar in der Bedeutung „das Bergwerk". Nach P l i n i u s (l.christl. Jahrh.) soll der Name von den griechischen Worten ,,met' aila" = „hinter einander" abzuleiten sein wegen des geschichteten Vorkommens in den Erzgängen. Wahrscheinlich ist aber der Name
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I. Zeitalter der Vorgeschichte
semitischen Ursprungs, da „matal" im Hebräischen „schmieden" heißt; auch eine Ableitung aus dem Arabischen käme in Betracht. Am frühesten bekannt waren natürlich die in der N a t u r gediegen vorkommenden Metalle, und das sind außer K u p f e r die Edelmetalle G o l d und S i l b e r .
Im Alten Testament und in anderen alten Schriften ist von einem sagenhaften Goldlande „Ophir" die Rede; ebenso wird das südlich von Ägypten gelegene Nubien seines Goldreichtums wegen gerühmt. Die Aufdeckung der ägyptischen Königsgräber, besonders des in jüngster Zeit gefundenen des T u t a n c h A m m o n , hat gezeigt, in welch verschwenderischem Maße das Gold auch für die Zwecke des Totenkults verwendet wurde. Von H e r o d o t wird über märchenhafte Goldschätze der Lydierkönige G y g e s und K r ö s u s (7. u. 8. vorchristl. Jahrh.) berichtet. Man kannte auch Gold-Silber-Legierungen, die teils in der Natur vorkommen, teils künstlich zusammengeschmolzen wurden. Derartige Legierungen, z. B. drei oder vier Teile Gold mit einem Teil Silber, werden im Griechischen mit dem W o r t e „ho elektros" bezeichnet, zum Unterschied von dem Bernstein, der „to elektron" heißt. Die legierten Metalle konnte man aber nicht wieder von einander trennen, da noch kein „Scheidewasser" bekannt war. Als der berühmte Gelehrte A r c h i m e d e s (im 3. vorchristl. Jahrh.) vom König H i e r o II. von Syrakus beauftragt wurde, den Goldgehalt seiner Krone zu bestimmen, löste er diese schwierige Aufgabe durch Bestimmung des spezifischen Gewichts, was ihm den triumphierenden Ausruf entlockte: „ H e u r e k a " — „Ich hab's gefunden".
Das gediegen vorkommende Kupfer war als erstes Werkmetall schon im 4. vorchristlichen Jahrtausend in Ägypten, Vorderasien, Babylon bekannt. Die Hauptfundstätten waren die Halbinsel Sinai, die Insel Cypern und Spanien. An den "Werksteinen der ältesten Pyramiden sind noch Kupferspuren von den zur Bearbeitung benutzten Werkzeugen, wie Steinsägen und dergleichen, nachweisbar. Der griechische Name „chalkos" bedeutet sowohl Kupfer wie auch dessen Legierungen, hauptsächlich Bronze. Von der
2. Chemische Kenntnisse im Altertum
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weithin bekannten Fundstätte Cypern wurde die Bezeichnung „aes cyprium" abgeleitet, woraus dann der N a m e „cuprum" = K u p f e r entstanden ist. Von P 1 i n i u s werden auch schon Kupfersalze, z. B. der „blaue Vitriol" erwähnt. Nächst dem K u p f e r spielt das Zinn frühzeitig eine wichtige Rolle. Es wurde auch in Spanien und später besonders in Britannien (Cornwall') als Zinnstein gefunden, an verschiedenen Orten auch als Kupfer-Zinn-Mischerz. D'ieKupferZinn-Le%ierun% w a r in Ägypten schon um das J a h r 3000 v. Chr. bekannt und f ü h r t e im Abendlande um die Mitte des 3. Jahrtausends das auf die Steinzeit "folgende Bronzezeitalter herbei. Wegen der größeren H ä r t e wurde die Bronze besonders zur Herstellung von Schneidewerkzeuiren und W a f f e n benutzt. So waren auch die homerischen H e l den im Trojanischen Kriege (12. vorchristl. Jahrh.) mit Bronzewaffen ausgerüstet. V o n Brindisi in Unteritalien, w o die Bronzeindustrie besonders blühte, z. B. auch vorzügliche Metallsniepel angefertigt wurden, ist der N a m e „aes Brindisinum" oder „aes Brundusinum" abgeleitet, woraus dann das W o r t „Bronze" entstanden ist. Zink ist als freies Metall erst sehr spät bekannt geworden (im 16. christl. Jahrh.): aber durch Zusatz des Kieselzinkerzes „Galmei" zu schmelzendem K u p f e r w u r d e eine hellgelbe Legierung schon frühzeitig gewonnen, die unter dem N a m e n „Messing" f ü r die verschiedensten Zwecke verwendet w u r d e . Nach A r i s t o t e l e s soll diese Legierung besonders bei dem sagenhaften Volke der „Moessinöken" in Gebrauch gewesen sein und daher den N a m e n „Mössing" oder „Messing" erhalten haben.
Blei, das in der N a t u r meistens mit Silber zusammen vorkommt, lernte man in der Feuerhitze auf dem Treibherde frühzeitig von diesem trennen. Es w a r den Griechen und Römern in verschiedenen Formen, als Beiglätte (lithargyrum), Bleiweiß (cerussa), Mennige (minium) und als freies Metall (plumbum nigrum, zum Unterschied vom Zinn = plumbum candidum) bekannt. H e r o d o t berichtet schon, daß die Griechen ihre Schiffe mit Mennige anzustreichen pflegten. Die Römer verwendeten das metallische Blei zur
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I. Zeitalter
der
Vorgeschichte
Herstellung verschiedener Gefäße und besonders auch schon von Wasserleitungsröhren. Ihnen w a r bereits die giftige Wirkung bekannt. Quecksilber wird zuerst bei T h e o p h r a s t o s (um 300 vor Chr.) erwähnt. Aus dem natürlichen Zinnober wurde es durch Behandeln mit Kupfer oder Eisen unter Zusatz von Essig gewonnen und als „hydrargyros" („hydor" = "Wasser, „argyros" = Silber), flüssiges Silber, bezeichnet. P 1 i n i u s unterscheidet das künstlich gewonnene Quecksilber von dem natürlichen, besonders in Spanien vorkommenden metallischen Quecksilber und beschreibt auch seine Reinigung vermittels Durchpressen durch Leder, D i o s k o r i d e s die durch Destillation. Audi zu Amalgamierungszwecken, zum Beispiel des Goldes, wurde das Quecksilber benutzt. Eisen ist in der Natur in verschiedenen Verbindungsformen zwar weit verbreitet, bedarf aber zur Überführung in den metallischen Zustand besonderer Verfahren, die erst im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende mühsam gefunden werden mußten. In Ägypten sind allerdings Eisenschmelzöfen aufgefunden worden, die bereits aus der Zeit um 3000 vor Chr. stammen. Aber bei den europäischen Völkern wurde die Gewinnung von metallischem Eisen erst viel später bekannt. Etwa um die Mitte des letzten vorchristlichen Jahrtausends folgt auf die Bronzezeit das Eisenzeitalter. Die Härtung zu Stahl kannten schon die alten Ägypter, und auch bei den anderen Völkern wurde diese Technik allmählich ausgebildet. Die Römer bezogen ihre stählernen Waffen hauptsächlich aus Kärnten und Steiermark. P 1 i n i u s berichtet von dem Magnetischwerden von Stahl durch Einwirkung von Magneteisenstein, der seinen Namen von dem Vorkommen in der Nähe der kleinasiatischen Stadt Magnesia erhalten hat. Die hier aufgeführten sieben Metalle: Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Quecksilber und Eisen sind die einzigen, die im ganzen Altertum und auch während des Mittelalters bekannt waren.
2. Chemische Kenntnisse im Altertum
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Das ist ungefähr ein Zehntel von den tatsächlich vorhandenen Metallen. Die sieben Metalle wurden als die irdischen Symbole der sieben Himmelskörper: Sonne, Mond und fünf Planeten, betrachtet. Der Umstand, daß die Sieben zu den heiligen Zahlen gehört, hat noch nach Beginn der Neuzeit die Zuordnung neu entdeckter Elemente zu .den Metallen erschwert. Die Töpferei ist das älteste, als erstes Zeichen einer beginnenden höheren Kultur betriebene Gewerbe, weshalb auch die Form und Verzierungsart von ausgegrabenen T o n gefäßen zur Kennzeichnung der verschiedenen Kulturstufen und Volksstämme benutzt wird. In Italien blühte das Töpfergewerbe besonders in Arretium, dem heutigen Arezzo in Toskana. I n der Glasur der dort aus roter „Siegelerde", „terra sigillata", angefertigten Tongefäße konnte ein Gehalt an Borsäure nachgewiesen werden. Bei den Chinesen, deren Kultur bis ins 3. vorchristliche Jahrtausend zurückgeht, verfeinerte sich die Töpferei frühzeitig zum Porzellanmachen. D o r t sowohl wie in Ägypten findet sich auch früh die Kenntnis der Glasbereitung, die wohl auf die Beobachtungen zurückzuführen ist, die beim Ausschmelzen von goldhaltigem Quarzsand mit K a l k , Soda oder Pottasche gewonnen wurden. W ä h r e n d die ältesten ägyptischen Gläser undurchsichtig-trübe und mehr oder weniger dunkel gefärbt sind, wurden bei den Ausgrabungen von T e i l el -Amarna auch völlig durchsichtige, farblose Gläser gefunden, die aus dem Ende des 15. vorchristlichen Jahrhunderts stammen. Andererseits gibt es auch zahlreiche Funde von künstlich gefärbten Gläsern und Emaillen, z. B. kupfer- oder kobalthaltige blaue Gläser, wie den blauen Lasurstein von Nippur, der aus der Zeit von 1500 vor Chr. stammt. Geblasene Gläser jedoch sind erst aus der Zeit des Kaisers A u g u s t u s nachzuweisen, wo die Kenntnis der Glasbereitung durch alexandrinische Werkleute nach R o m gekommen war und von da in die römischen Provinzen (Spanien, Gallien, Rheinland) weiter verbreitet wurde. So konnte sich im 1. christlichen Jahrhundert schon eine eigene Glasindustrie in den Städten T r i e r , "Worms und K ö l n entwickeln.
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1. Zeitalter
der
Vorgeschichte
Aus dem natürlichen Kalkstein wurde schon frühzeitig durch Brennen der zur Mörtelbereitung verwendete Kalk gewonnen. Neben dem seit Urzeiten aus dem Meerwasser oder einzelnen Salzquellen gewonnenen Kochsalz waren Soda, die in Ägypten als „ T h r o n a " natürlich vorkommt, und Pottasche, als Rückstand bei der Holzfeuerung erhalten, seit alters bekannt. Im Orient und in China wird noch in manchen Gegenden das Kochsalz in „Salzgärten" durch Verdunsten von Seewasser an der Sonne gewonnen. Ein anderes primitives Verfahren besteht darin, daß Salzwasser auf brennendes Holz gegossen wird. Auch bei der v o n den Ä g y p t e r n zur höchsten Kunst entwickelten Mumifizierung der Leichcn — noch heute sind die J a h r tausende alten Mumien der Pharaonen unverändert erhalten — spielt, wie neuere Untersuchungen erwiesen haben, neben dem austrocknenden K l i m a Ä g y p t e n s das Kochsalz die Hauptrolle. Die von den Eingeweiden, Gehirn usw. befreiten Leichen w u r den mehrere W o d i e n oder Monate lang in ein Kochsalzbad gelegt, also richtig „eingepökelt". Salpeter oder Soda konnten in den Mumien nicht nachgewiesen werden. Die an der L u f t gut getrockneten Leichen wurden dann mit Ocker und Gummischleim angestrichen und weiterhin mit Harzstoffen und verschiedenen Spezereien behandelt, wodurch zugleich das Eindringen v o n zerstörenden Kleinlebewesen verhindert wurde. In der Nähe der Cheopspyramide wurden in den Felsengräbern dicht verschlossene Alabastergefäße gefunden, die, aus der Zeit um 3 0 0 0 v o r Chr. stammend, noch unveränderte dreiprozentige Natronlauge enthielten.
Der Salpeter war ebenfalls im Altertum bekannt. Das griechische Wort „to nitron", lateinisch „nitrum", kann auch Natron, Soda oder Kochsalz bedeuten. Später wird der Salpeter mit „sal nitri" bezeichnet. Bei den Chinesen wurde er frühzeitig zur Herstellung von Brandsätzen verwendet, die als Vorläufer des Schießpulvers anzusehen sind. Der natürlich vorkommende Alaun wurde in der Gerberei und zu mancherlei anderen Zwecken benutzt. Schon H e r o d o t berichtet, daß nach dem Brande des Tempels von Delphi (6. Jahrh.) das Holz für den Neubau zum Feuerschutz mit Alaun getränkt wurde. Verschiedene
2. Chemische
Kenntnisse
im
Altertum
17
Mineralsalze wurden zu bestimmten Zwecken benützt; so z. B. Kupfervitriol von den römischen Schustern zum Schwärzen des Leders. P l i n i u s sowohl wie D i o s k o r i d e s kannten auch seine brechenerregende Wirkung. Der Schwefel war außer den sieben Metallen neben Kohlenstoff das einzige Element, das als solches im Altertum und im Mittelalter bekannt war. Schon bei Homer wird brennender Schwefel zum Räuchern benützt. Im Mittelalter galt er neben Quecksilber und zeitweilig auch neben Arsenik, als eines der Grundelemente, die an die Stelle der antiken vier Grundstoffe gesetzt oder auch neben diesen als solche angesehen wurden. Die Färberei gehört auch zu den ältesten Gewerben. Besonders pflanzliche und tierische Säfte wurden zum Färben der Kleidungsstücke benützt. Krapp, Indigo, Lackmus, Waid und andere Pflanzen lieferten brauchbare Farbstoffe. Der kostbare Saft der Purpurschnecke blieb dem Königsmantel vorbehalten. Als Mineralfarben waren Bleiweiß, Mennige, Blau(lasur)stein, Smalte, Grünspan, Eisenocker, Zinnober, Aurigpigment, Realgar usw. in Gebrauch. Feingepulvertes Grauspießglanzerz („Stimmi") lieferte die dunkle Schminke der ägyptischen Schönen, deren Puder- und Schminkkästen auch den modernen Anforderungen weitgehend genügen würden. Salben und wohlriechende öle wurden aus pflanzlichen und tierischen Fetten gewonnen. Ebenso wie Terpentinöl und zahlreiche ätherische öle war schon das Wollfett (Lanolin) bekannt; letzteres wird von P l i n i u s erwähnt. Ebenso kannte man die aus Weizenkörnern gewonnene Stärke. Aber weder die Ägypter noch die Griechen und Römer kannten die Seife. Diese ist eigenartiger Weise erst durch die Germanen und Gallier nach Rom gebracht worden. Die Bierbrauerei geht in ihren Anfängen sehr weit zurück. Schon vor Jahrtausenden verstanden sich die alten Ägypter darauf, und noch jetzt wird dort in derselben Art teilweise ein Bier gewonnen, wie es Z o s i m o s bereits beschreibt. Audi die anderen Völker, wie die Kelten und 2 Gesdiidite der Chemie 1
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I. Zeitalter
der
Vorgeschichte
Germanen, waren eifrige Bierbrauer. Das noch heute bei einzelnen slawischen Völkern aus dem Mehl verschiedener Getreidearten gewonnene eigenartige Getränk „ K w a s s " soll das Bier des Altertums sein. Noch älter als die Bieraus dem brauerei ist wahrscheinlich die Weinbereitung Traubensaft. Es sei nur an die biblische Erzählung von N o a h erinnert. Da sich neben der alkoholischen Gärung auch die saure Gärung bemerkbar machte, gehört der Essig ebenfalls zu den gewerblichen Erzeugnissen, die schon im frühesten Altertum gewonnen wurden. Er blieb zugleich die einzige Säure, die man im ganzen Altertum und im Mittelalter bis Ende des dreizehnten Jahrhunderts kannte. Dem Essig, als dem Prinzip des Kalten, schrieb man geheimnisvolle Wirkungen zu. H a n n i b a l soll mit seiner Hilfe bei seinem Alpenübergange mit den Elefanten die großen Felsen gesprengt haben. Wahrscheinlich geschah das in der Weise, daß die Gesteine durch Abbrennen großer Holzstöße stark erhitzt und dann durch Aufgießen von kaltem Wasser, dem man Essig beigemischt hatte, rissig und für die Bearbeitung mit eisernen Werkzeugen geeignet gemacht wurden. K l e o p a t r a löste ihre kostbarste Perle in Weinessig, um sie mitzutrinken. Als Arzneimittel wurden im Altertum vorwiegend pflanzliche und tierische Stoffe verwendet. Die Ägypter hatten aber auch bereits die verschiedensten diemischen Präparate, wie Soda, Salpeter, Alaun, Grünspan, Bleiglätte, Auripogment und dergleichen in den Holzkästen, Ton- und Glasgefäßen ihrer priesterlichen Tempelgemächer und verstanden auch, Pillen, Salben, Pflaster und Schmiermittel der verschiedensten Art herzustellen. Besondere Abtreibemittel für Spul- und Bandwürmer fehlten nicht. Im Berliner Museum wird eine Hausapotheke aus der Zeit der elften Dynastie (um 2000 vor Chr.) aufbewahrt, die mit allerlei Heilmitteln ausgestattet ist. Die Zahl der Medikamente nahm im Laufe der Zeit so sehr zu, daß sich P 1 i n i u s scheute, alle Arzneien aufzuführen. Später gewannen die nach dem griechisch-römischen Arzte C 1 a u -
3. Theoret. Anschauungen der griech. Philosophen
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d i u s G a l e n o s (im 2. christl. Jahrh.) benannten „Galenischen Präparate" besondere Bedeutung, und unter diesen besonders das, ursprünglich von dem König M i t h r i d a t e s (letztes vorchristl. Jahrh.) und dem Leibarzte des Kaisers N e r o , A n d r o m a c h o s (Mitte des ersten christl. Jahrh.) stammende, aus mehreren Dutzend verschiedener Bestandteile zusammengemischte Präparat „Theriak", das das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hinein (noch in der ersten deutschen Pharmakopoe von 1874 aufgeführt!) eine bedeutende Rolle gespielt hat. Bestimmte Pflanzenauszüge wurden als Zauberund Giftmittel („bonum venenum" und „malum venenum", auch „necandi causa") verwendet. Es sei nur an den Schierlingsbecher von S o k r a t e s erinnert. Im Mittelalter waren z. B. die Henker im Besitz von Betäubungsmitteln, um den „Hexen" und anderen Opfern der Scheiterhaufenjustiz den letzten Gang zu erleichtern.
3. Theoretische Anschauungen der griechischen Philosophen Weit wichtiger als die nach heutigen Begriffen recht dürftigen praktischen Kenntnisse der Alten sind f ü r uns die theoretischen Anschauungen, und zwar in erster Linie die desjenigen Volkes, das auf dem Gebiete der Philosophie der Lehrmeister der Welt geworden ist. So wenig bei .den G r i e c h e n der Sinn f ü r experimentelle N a t u r forschung ausgebildet war, um so glänzender bewährte sich ihre hervorragende Begabung f ü r reines logisches Denken. Sie sind die eigentlichen Begründer der Philosophie und haben die Grundprobleme nicht nur f ü r sich, sondern f ü r alle nachfolgenden Geschlechter durch- und zu Ende gedacht. Unsere heutige Kultur und geistige Verfassung ruht auf dem Boden der griechischen Philosophie. Als Grundfrage erhob sich f ü r den denkenden Menschengeist zunächst die Frage nach dem Urstoff. Man suchte zu ergründen: Woraus besteht die Welt? Mit der richtigen Beantwortung dieser Frage schienen alle Rätsel des Daseins und der Naturerscheinungen gelöst zu sein. Das war die Aufgabe der i o n i s c h e n Naturphilosophen oder P h y s i k e r . 2*
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/. Zeitalter
der
Vorgeschichte
T h a i e s von Milet steht um das Jahr 600 vor Chr. an dem Tore des gewaltigen Tempels der griechischen Philosophie. Er war ein Zeitgenosse des Königs K r ö s u s und des Gesetzgebers S o 1 o n. In der griechischen Inselwelt schien das unendliche, die Erdscheibe tragende Meer der Urgrund allen Seins, zugleich die Urmutter aller Lebewesen zu sein. So erklärte T h a i e s das Wasser für den Urstoff ("he physis") aller Dinge. „Ariston men to hydor", lautet sein Ausspruch: „Das Edelste (Beste) ist das Wasser". Aus ihm ist alles hervorgegangen, in das Wasser kehrt alles zurück. Sein Schüler A n a x i m a n d e r setzt an die Stelle des Wassers ein ewiges Unendliches („apeiron"), Unbegrenztes („aoriston") als den Anfangs-Urstoff („arche"). Und dessen Schüler A n a x i m e n e s erklärt die Luft („pneuma") für das eigentliche Grundwesen, durch dessen Verdichtungen alle Einzelwesen entstanden sein sollen. In anderen philosophischen Köpfen drängte sich die Frage nach der Grundform, nach der aligemeinen Weltordnung auf. P y t h a g o r a s aus Samos (zweite Hälfte des 6. Jahrh. vor Chr.), der seine wissenschaftliche Ausbildung durch lange Studienreisen, auch bei den ägyptischen Priestern, vervollständigt hatte und dessen Name durch seinen Lehrsatz über das rechtwinklige Dreieck in der Mathematik unsterblich geworden ist, sah in der Zahl („ho arithmos") die gestaltende Urkraft aller Dinge. Erst durch die Zahl wird Ordnung, wird Harmonie geschaffen, entsteht aus dem ungeordneten Universum ein „Kosmos" (dieser Ausdrude zuerst bei Pythagoras). Wie berechtigt diese Anschauung ist, geht mit besonders eindringlicher Deutlichkeit aus den neuesten Anschauungen über die Anordnung der Elektronen im Aufbau der Atome hervor. Durch Zusammenfassung der beiden Fragen nach dem Grundstoff und nach der Grundform ergab sich das eigentliche Hauptproblem der griechischen Philosophie, das erst auf ihrer klassischen Höhe gelöst wurde. Dieses Problem lautet: Wie kommt der Stoff zur Form? Wie entstehen die Dinge der Welt? Wie ist das dauernde Werden und Vergehen, der ewige Wechsel zu erklären? Diese dritte große Frage nach dem Weltentstehen, nach dem Weltgeschehen überhaupt, beschäftigte die nachfolgenden Philosophen. Streng genommen gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Frage zu beantworten. Und diese beiden Möglichkeiten werden auch von den griechischen Philosophen mit unerbittlicher Denkfolge durchgeführt.
J. Theoret.
Anschauungen
der griech. Philosophen
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Die von X e n o p h a n e s (um 500) in Eleu in Unteritalien begründete Philosophenschule der „Eleaten", deren Hauptvertreter dann P a r m e n i d e s mit seinem epischen Gedicht „Über die Natur" („Peri physeos"), Z e n o n und M e 1 i s s o s (im 5. Jahrh.) waren, vertraten die Ansicht: Es gibt nur Ein unveränderliches Sein („to on"), das „Alleine" („hen kai pan"), das so bleibt, wie es ist. Alles andere ist Täuschung. Eine Veränderung des Seins und damit ein Entstehen und Vergehen der Dinge ist unmöglich, denn ein Ding kann nicht im selben Augenblick sein und nicht mehr sein. Unsere auf Grund der sinnlichen Beobaditung gewonnene Vorstellung von dauernder Änderung ist logisch unerklärlich, kann also nicht die richtige sein. Es ist eine Sinnestäuschung. Vom absoluten Sein führt keine Brücke zum sinnlich vorgestellten konkreten Sein. So ist der Widerspruch zwischen natürlicher Anschauung und absolutem theoretischem Denken aufs schärfste dargelegt. Der entgegengesetzte Standpunkt, die zweite Möglichkeit der Beantwortung der schwierigen Frage wurde von H e r a k l e i t o s aus Ephesos (um 500), der auch der „Dunkle" oder der „weinende Philosoph" genannt wird, vertreten. Die von uns wahrgenommene dauernde Änderung ist zwar ein Widerspruch in sich selbst, aber ein notwendiger Widerspruch. Das Weltgeschehen ist zwar unerklärbar, aber es ist eine ursprüngliche Tatsache. Das Urwesen aller Dinge ist in fortwährender Veränderung, in dauernder Umwandlung begriffen. Alles ist in Fluß: „Panta rhei". Das Feuer („to pyr"), die dauernd entstehende und vergehende Flamme, ist das Symbol des Urwesens. Das Werden, die Veränderung, ist die Einheit von Sein und Nichtsein. Die göttliche Vernunft („ho logos"), das Urfeuer selbst, hält die Weltordnung aufrecht. Diese beiden entgegengesetzten Anschauungen scheinen sich gegenseitig völlig ausschließende Antithesen von hoffnungsloser Unversöhnlichkeit zu sein. Und doch mußte weiter versucht werden, eine Lösung zu finden, die beiden Standpunkten gerecht wird, und sie womöglich zu einer höheren Einheit zu verbinden. Das war nur möglich, wenn das Seiende nicht als Eines, sondern als Vieles gedacht wurde; wenn man statt des einen Urwesens eine Mehrheit von Urwesen annahm, die an und für sich zwar unverändert bleiben, aber durch gegenseitige Einwirkung, durch Verbindung und Trennung die dauernde Änderung, das scheinbare Werden und Vergehen bewirken. Diese Lösung des schwierigen Problems, durch die das Weltgeschehen als mechanischer
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1. Zeitalter der
Vorgeschichte
Prozeß gedeutet wird, wird nun wieder auf zweierlei Weise erreicht: durch die Elementenlehre und durch die Atomistik.
Die Elementenlehre ist ursprünglich aus der Betrachtung des Sternenhimmels hervorgegangen und beruht auf der altbabylonischen Vorstellung, daß alles Irdische als Spiegelbild des Himmlischen aufzufassen sei. Sie wurde in der Mitte des 5. Jahrhunderts von E m p e d o k l e s ausgebildet, dem Philosophen, der sich schließlich aus Lebensüberdruß oder aus ungestilltem Wissensdrang in den Ätna stürzte. Den vier Planeten am Himmel entsprechen vier irdische Grundstoffe, aus denen die "Welt zusammengesetzt ist, die vier Elemente: Feuer, Luft, Wasser, Erde. Durch die beiden Grundkräfte Liebe („philia") und Haß („neikos") werden sie wechselseitig vereinigt und getrennt, wodurch die dauernde Änderung bewirkt wird. Diese vier Elemente (der Name „Element" entstand erst zur Zeit Ciceros durch Zusammenstellung der drei Buchstaben aus der Mitte des Alphabets L M N ; im Griechischen bedeutet „stoicheion" dasselbe), unter denen weniger die wirklichen Stoffe selbst als die ihnen anhaftenden charakteristischen Eigenschaften zu verstehen sind, haben dann bis in die neueste Zeit hinein eine große Rolle gespielt. In der Naturwissenschaft ist der wahre Elementbegriff erst im 17. Jahrhundert geklärt worden. Der andere Versuch, das schwierige Dilemma zu lösen, gestaltete sich noch erfolgreicher und hat sich bei wechselndem Schicksal im Laufe der Jahrhunderte gerade in der neuesten Zeit in seiner Grundvorstellung als der unbedingt allgemein gültige erwiesen. Es ist die Atomenlehre, deren Begründer die in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts lebenden Philosophen L e u k i p p o s und D e m o k r i t o s (aus Abdera in Kleinasien) sind. Der letztere, im Gegensatz zu H e r a k l i t der „lachendePhilosoph" genannt, gilt als der bedeutendere. Er soll, wie P y t h a g o r a s , auch die ägyptischen Tempelschulen besucht haben. Die Grundanschauung ist folgende: Die Stoffe bestehen aus kleinsten, sinnlich nicht wahrnehmbaren („aorata"), quali-
3. Theoret. Anschauungen der griech. Philosophen
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tätslosen, nicht weiter teilbaren Einheiten („atoma"). Diese „Atome" im leeren Räume sind das „Seiende im Nichtseienden", voneinander nur durch Größe und Gestalt verschieden. Durch den leeren Raum wirbelnd, stoßen sie zusammen und trennen sich wieder, nur von dem Naturgesetz, der blinden Notwendigkeit („anagke") beherrscht, Es gibt keinen Zufall, keine Willkür, alles ist notwendig, dem Zwang unterworfen. Audi der Geist und das Feuer bestehen aus (besonders feinen und glatten) Atomen. Mit dieser Anschauung wurde der wissenschaftliche Materialismus begründet. Einen etwas anderen Standpunkt nahm A n a x a g o r a s aus Klazomene in Kleinasien ein. Auch er leugnete wie E m p e d o k l e s , wie L e u k i p p o s und D e m o k r i t o s das eigentliche Werden und Vergehen, auch er sah alle Vorgänge als Mischung und Entmischung von unveränderlichen Teilchen an. Aber seine Atome sind qualitativ verschieden. Es sind die „Ursamen aller Dinge" („Spermata panton chrematon" ), später von A r i s t o t e l e s als „Homöomerien" ( „homoiomereia" ) bezeichnet. Nicht von einem blinden Naturgesetz werden sie beherrscht, sondern die göttliche Vernunft („ho nous") schafft aus dem ungeordneten Chaos des Urzustandes den wohlgeordneten Kosmos. A n a x a g o r a s ist der erste ausgesprochene Dualist; er faßt die Grundgedanken seiner Vorgänger zur Totalität zusammen. Mit ihm schließt die realistische Periode der griechischen Philosophie. Anderthalb Jahrhunderte später wurde die Atomistik noch von dem „Philosophen der Glückseligkeit" E p i k u r o s (342—270) in Athen vertreten. Dieser schrieb den Atomen außer bestimmter Gestalt und Größe auch Schwere zu. Der letzte bedeutende Anhänger der Atomlehre im klassischen Altertum war der römische Schriftsteller T i t u s L u c r e t i u s C a r u s (98—55), der ein großes Lehrgedicht „De rerum naturae" verfaßte. Die griechische Philosophie hatte sich bereits im 5. Jahrhundert von der Beschäftigung mit der Naturerkenntnis abge-
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I. Zeitalter
der
Vorgeschichte
wandt und sich auf rein menschliche Probleme zurückgezogen. Es ist die Zeit der Sophistik, in der die Rhetorik besonders ausgebildet wurde, aber schließlich zu leerer, spitzfindiger Dialektik entartete. Dem trat S o k r a t e s (469—399) entgegen mit seinem Suchen nach Wahrheit und nach Erkenntnis des Guten bei gleichzeitiger Reinigung der Begriffe. Sein großer Schüler P i a t o n (429—347), der im Jahre 387 in dem bei Athen gelegenen Garten des A k a d e m o s eine Philosophenschule, die „Akademie", gründete, lehnte die Atomistik ab; er faßte die Welt auf als ein Abbild ewiger Ideen („Ideenlehre"), als ein lebendiges Kunstwerk. In seinem Buche „Timaios" greift er die vier Elemente des E m p e d o k l e s wieder auf, die er sich aus demselben Urstoff („hyle") bestehend durch verschieden gestaltete Oberflächen (aus zwei Arten von rechtwinkligen Dreiecken gebildet) unterschieden denkt. Den vier Elementen schreibt er folgende Formen zu: Feuer = Tetraeder, Luft = Oktaeder, Wasser = Ikositetraeder, Erde — Würfel. Im Sinne von P y t h a g o r a s weist P 1 a t o n auf die tiefe Bedeutung der Zahl und der mathematischen Verhältnisse hin. Zu seiner Akademie hatte keiner Zutritt, der sich nicht eingehend mit Geometrie beschäftigt hatte. Diese Wissenschaft erklärte er für das Bindeglied zwischen Idee und W i r k lichkeit. Auch bei seinem Schüler A r i s t o t e l e s ( 3 8 1 — 3 2 2 ) aus Stagira in T h r a z i e n spielte die A t o m l e h r e keine Rolle. D a sich grundsätzlich die Teilung des Stoffes unendlich weit fortsetzen läßt, erschien ihm die A n n a h m e unteilbarer Teilchen unzulässig. D e r Begründer der „peripatetischen Schule" ( „ p e r i p a t e i n " = u m h e r w a n d e l n ) glaubte auch, durch rein gedankliche Überlegung ( D e d u k t i o n ) alle Rätsel der Naturerscheinungen lösen zu können, und verachtete die induktive Methode, denn „gewerbliches Schaffen führt zu niederer Sinnesart". D e n vier empedokleischen E l e m e n ten fügte A r i s t o t e l e s noch ein fünftes hinzu, die „Ousia" oder den „Aither" = „Äther", in der späteren Philosophie als „quinta essentia* bezeichnet. Indem er die Elemente nicht als stofflich verschieden a u f f a ß t , vielmehr als Verkörperungen verschieden vereinigter Eigenschaften, die wechselweise miteinander ausgetauscht werden können, führt er den für die Folgezeit so außerordentlich bedeu-
3. Theoret. Anschauungen der griech. Philosophen
25
tungsvollen Begriff der Umwandlung der Elemente, der „Transelementation", ein. Es gibt vier Grundeigenschaften („qualitates primae"), von denen je zwei einander entgegengesetzt sind: trocken-feucht, kalt-warm. Von diesen beiden Eigenschaftspaaren besitzt jedes Element je eine Eigenschaft. Es ist entweder trocken und kalt — Erde, oder feucht und kalt = Wasser, es ist trocken und warm = Feuer, oder feucht und warm = Luft. Die anderen Eigenschaften („qualitates secundae") werden durch die Haupteigenschaften bedingt. Auf diese Weise sind die vier Elemente gekennzeichnet; sie können jeweilig durch Austausch einer Eigenschaft gegen die entgegengesetzte ineinander umgewandelt werden, während das fünfte Element, der Äther, ewig unwandelbar über allen schwebt und alles durchdringt. Durch folgendes Schema läßt sich diese Anschauung näher verdeutlichen: Die E l e m e n t e des trocken
Erde schwer
Y
feucht
Wasser
warm
L u f t
relat. schwer relat. leicht
Feuer leidit
Äther gewichtslos
Bewegungsrichtungen in m i t t l e r e r H ö h e
n a d i unten
Aristoteles,
kalt
nach oben
kreisförmig
warm
vv feucht
t¡>
trocken kalt
Auf andere Weise lassen sich die vier Elemente mit ihren auswechselbaren Eigenschaften in nebenstehendem Schema anordnen.
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77. Zeitalter
der
Alchemie
Dieser Gedanke der Umwandlung der Elemente durdi Austausch der Eigenschaften bildet die theoretische Grundlage der späteren Bemühungen der Alchemisten. So ist A r i s t o t e l e s , der „Stagirit", der im frühen Mittelalter allerdings im christlichen Abendlande noch unbekannt war, dann aber, nachdem seine Schriften in lateinischer Übersetzung durch die gelehrten Araber übermittelt worden waren, als unbedingte Autorität verehrt wurde, auch noch zum geistigen Schutzherrn der Alchemie geworden.
II. ZEITALTER DER ALCHEMIE (Im Mittelalter, vom 4. bis Anfang des 16. Jahrhunderts.)
1. Allgemeines Die Kenntnisse und technischen Fertigkeiten, die das gewerbliche Leben im Altertum mit sich gebracht hatte, haben nach dem Untergang der antiken Welt keine geradlinige Fortentwicklung erfahren. Das klassische Griechentum hatte sich durch mannigfache Berührung und Mischung mit dem Orient allmählich zu einem Kulturstand gewandelt, der als Hellenismus bezeichnet wird, und dessen geistiger Mittelpunkt die von Alexander dem Großen im Jahre 331 vor Chr. gegründete Stadt Alexandria in Ägypten war. So ist auch in Ägypten der Ursprung derjenigen Forschungsrichtung und der eigenartigen Bestrebungen zu suchen, die zusammenfassend mit dem Namen Alchemie bezeichnet werden. D i e in den T e m p e l w e r k s t ä t t e n ausgebildete K u n s t der Bearbeitung von Metallen und verschiedenen Mineralien hatte zu einer großen Fertigkeit in der H e r s t e l l u n g künstlicher Erzeugnisse geführt, durch welche auch natürliche F u n d e , die wegen ihrer Seltenheit und K o s t b a r k e i t besonders geschätzt waren, ersetzt werden konnten. M a n verstand es nicht nur, M e t a l l e zu f ä r b e n , sondern auch künstliche Edelsteine herzustellen. Diese i m Dienst der G ö t t e r getriebene „heilige K u n s t " ( „ h a g i a t e d i n e " ) f a n d ihre besondere Pflege im T e m p e l v o n Memphis, w o der Oberpriester als „Oberster der K ü n s t l e r " waltete. A u d i die G ö t t e r b i l d e r muß-
1. Allgemeines
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ten sich schließlich an Stelle der echten Edelmetalle und Edelsteine mit künstlichen Ersatzstoffen begnügen. In dem Leydener und dem Stockholmer Papyrus (3. diristl. Jahrh.) sind zahlreiche Vorschriften für derartige Arbeitsverfahren angegeben. Neben diesen durch jahrhundertelange praktische Erfahrung gewonnenen Kenntnissen machten sich Einflüsse verschiedener Art geltend. Die Anschauungen der griechischen Philosophen mischten sich mit Vorstellungen aus dem persisch-babylonischen Kulturkreis. P 1 a t o n s Lehre von der gemeinsamen Urmaterie weckte den Gedanken eines ewigen Kreislaufs, des „anulus Piatonis" oder der „catena aurea Homeri", und im gleichen Sinne wirkte die Umwandlungslehre von A r i s t o t e l e s . Wie die irdischen Vorgänge als Spiegelbilder der himmlischen betrachtet wurden, so glaubte man andererseits, das Verhalten der Metalle und Erze im Erdinnern sowohl wie bei der Behandlung im Laboratorium in mystischer Deutungsweise mit gewissen Lebensvorgängen vergleichen zu können. Sogar das Prinzip des Männlichen und Weiblichen wurde auf die mineralisch-metallischen Verhältnisse übertragen. Gewisse praktische Erfahrungen und Beobachtungen, wie z. B. die völlige Änderung der Eigenschaften der Kiese und Blenden beim Glühen, die Verkupferung eiserner Werkzeuge unter der Einwirkung von (kupfernaltigen) Grubenwässern, bestärkten den Glauben an die Möglichkeit der Metallumwandlung und -Veredlung. A n die Stelle der empedokleisch-arostotelischen Elemente, die ganz der griechischen Naturverbundenheit entsprachen, traten in den „schwarzen Küchen" der Alchemisten unter arabischem Einfluß Quecksilber und Schwefel als Grundstoffe, denen sich zeitweilig noch Arsenik hinzugesellte. Für die Wahl dieser Elemente waren natürlich bestimmte Beobachtungen maßgebend: Quecksilber amalgamiert sich leicht mit anderen Metallen und läßt sich durch Erhitzen wieder verflüchtigen; die metallisch glänzenden Erze, wie Bleiglanz, Grauspießglanz, Eisenkies usw. entwickeln beim Rösten schweflige Dämpfe. So verkörpert das Quecksilber mit seinem Glanz und mit seiner Schwere vor allem das metallische Prinzip. Der „mercurius philosophorum" ist zugleich Vertreter der „kalten, passiven" Gruppe der griechischen Elemente, Erde und Wasser, während der „sulphur
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II. Zeitalter
der
Aldoemie
philosophorum" das Prinzip des Brennbaren, die „heiße, aktive" Gruppe, Luft und Feuer, vertritt. Außerdem wurde das Quecksilber oder das Arsen (im Griechischen bedeutet das Wort „arsen" soviel wie „Mann") als männliches, der Schwefel als weibliches Prinzip betrachtet, aus deren Vermählung Neues hervorgehen sollte. Im späteren. Mittelalter kam noch das Salz, der Vertreter des Unverbrennlichen, Wasserlöslichen, als Grundstoff hinzu. Das alcbemistiscbe Schrifttum ist von vornherein dadurch charakterisiert, daß entweder ältere Schriften umgearbeitet, oder neu verfaßte Schriften älteren bekannten Gelehrten und Philosophen untergeschoben, oder auch mit erdichteten Verfassernamen versehen wurden. Erst in der neuesten Zeit ist es durch mühseligste philologisch-historische Untersuchungen gelungen, in die unsäglich verworrenen Verhältnisse der alchemistischen Schriften etwas Licht zu bringen. Das gilt auch teilweise schon von den Schriften, auf die sich die Alchemisten vielfach berufen, wie von denen, die dem griechischen Philosophen D e m o k r i t o s untergeschoben sind. Diese sind, wie M a x W e l l m a n n nachgewiesen hat, hauptsächlich von einem in der zweiten Hälfte des dritten vorchristlichen Jahrhunderts lebenden hellenistischen Schriftsteller B o 1 o s aus Mendes im Nildelta verfaßt und dann in den ersten christlichen Jahrhunderten in alchemistischem Sinne umgearbeitet worden. Dieser P s e u d o - D e m o k r i t o s gehölte dem asketischmystischen Orden der „Neupythagoräer" an, der sich von Ägypten aus auch nach Syrien und Palästina ausbreitete, wo die jüdischen „Essäer" als Ableger von ihnen anzusehen sind. Mit seinem Werke „Physika kai mystika" vertritt B o l o s die auf einen persischen Propheten O s t a n e s zurückgehende Lehre von geheimnisvollen magischen Kräften in der Natur, die von Tieren, Pflanzen und Steinen ausgehen sollen. Zahlreiche andere Schriften über die verschiedensten Gebiete verfaßte B o l o s und gab sie f ü r uralte, von ihm wieder entdeckte Werke der Geheimwissenschaft aus. Audi wollte er die Schriften des jüdischen Magiers D a r d a n o s aus der Zeit des Königs S a l o m o in dessen Grabe aufgefunden haben.
1. Allgemeines
29
In diesen pseudo-demokritischen Schriften sind schon die drei verschiedenen Arten der Metallverwandlung angegeben: 1. Behandeln der Oberflächen unedler Metalle mit bestimmten Chemikalien oder Überziehen mit dünnen Schichten edler Metalle, 2. Auftragen von Firnis mit Gold- oder Silberglanz, 3. Herstellung von Legierungen mit gold- oder silberähnlichem Aussehen. — Später berufen sich auch verschiedene Alchemisten auf I s i s , H e r m e s oder C h y m e s, auf Z o r o a s t e r und M o s e s, ja selbst auf C h r i s t u s . Aus alledem geht zur Genüge hervor, welch buntes Gemisch religiöskultureller Strömungen ägyptischen, persischen, jüdischen und anderen Ursprungs zusammenfloß, damit die wunderliche Pflanze der Alchemie gedeihen konnte. Ähnlich wie bei den pseudo-demokritischen Schriften des B o l o s , deren Einfluß auf Umwegen über verschiedene andere Schriftsteller bis auf P 1 i n i u s und weiterhin bis zu dem Leydener und Stockholmer Papyrus zu verfolgen ist, liegen die Verhältnisse in vielen anderen Fällen. Für das ganze aldiemistisdie Zeitalter sind derartige Fälschungen, Unterschiebungen, mystische Verhüllungen der wahren Verhältnisse bei geheimnisvoller, unklarer Ausdrucksweise besonders kennzeichnend. Eine große Zahl magisdi-alchemistischer Schriften stammt aus den ersten christlichen Jahrhunderten, von deren angeblichen Verfassern nichts Näheres bekannt ist. Hierhin gehört z. B. die mythische Gestalt der Jüdin M a r i a , die später mit M i r j a m , der Schwester von M o s e s , gleichgesetzt oder auch als eine Prinzessin von Saba bezeichnet wird. In ihren Schriften finden sich die ersten Beschreibungen der Destilliergeräte, die bereits aus Füllgefäß, Abflußrohr und Vorlage bestehen. Tedoch ist das schon viele Jahrhunderte früher bekannte Wasserbad, das „balneum Mariae" („bain Marie") in den erhaltenen Bruchstücken ihrer Schriften nicht erwähnt. Eine andere Schriftstellerin jener Zeit, K l e o p a t r a , wird von manchen mit der gleichnamigen ägyptischen Königin gleichgesetzt. Sie hat unter anderem ein Werk über das Goldmadien „Chrysopoiia" verfaßt. Ihr Lehrer soll der Philosoph und Oberpriester K o m a r i o s gewesen sein. Audi aus dem zweiten und dritten christlichen Jahrhundert stammen noch mancherlei apokryphe Schriften, in denen die absonderlichsten Gemische von griechischen, ägyptischen, jüdischen, frühchristlichen, gnostischen Anschauungen
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IL Zeitalter
der
Alchemie
vertreten werden, und die teils nur in Auszügen oder in vielfach umgearbeiteter Gestalt überliefert sind.
Aus solchen weitverzweigten, unklaren und verworrenen
Untergründen hervorgegangen, hat sich die Alchemie
im
stücks, des „Steins
des
Laufe der Jahrhunderte, den durch Kriegszüge und allgemeine Kulturentwicklung bedingten Völkerschicksalen folgend, immer weiter entwickelt, oder, da von einer eigentlichen Entwicklung kaum die Rede sein kann, hat sie sozusagen im Dämmerlicht ein mystisdies Dasein geführt, indem sie den Menschen die Erfüllung des uralten Wunschtraumes vorgaukelte, auf geheimnisvolle Weise durch Umwandlung der minderwertigen Metalle in Gold und Silber kostbare Schätze herbeizuzaubern und gleichzeitig auch ein Allheilmittel zu verschaffen, eine „Panacee" (griech. „panakeia"), oder das große „Arcanum" (latein. Geheimnis), das alle Krankheiten der Menschen wie die der Metalle heilen und womöglich ewiges Leben verleihen sollte. Das Phantom der Auffindung dieses „Magisteriums", des großen Meisterder
Weisen"
(lapis
philosophorum),
„Elixirs", oder wie es sonst noch genannt wurde, hat den Menschengeist über ein Jahrtausend in seinem Bann gehalten und noch bis in die Neuzeit hinein seine verführerische Wirkung ausgeübt.
2. Hellenistische Alchemie in Ägypten (Vom 4. bis Mitte des 7. Jahrhunderts.) Die nach ihrem Gründer genannte Stadt A l e x a n d r i a entwickelte sich unter der Herrschaft der P t o l e m ä e r z u einer der prächtigsten Großstädte des Altertums. Ihr 160 m hoher Leuchtturm, dessen Licht den heranfahrenden Schiffen auf mehr als 50 km Entfernung Ziel und Richtung gab, war ein Symbol ihrer überragenden Bedeutung für das wirtschaftliche und kultureelle Leben der Völker am Mittelmeer. Prächtige Bauten von Palästen, Tempeln, Theatern, Museen und einer großen Bibliothek schmückten die Millionenstadt, in der sich ein reiches kulturelles und wissenschaftliches Leben entwickelte. Unter den hier wirkenden Gelehrten, den „Alexandrinern", finden wir vom 4. christlichen Jahrhundert an auch die Hauptvertreter der Alchemie.
2. Hellenistische
Alcbemie in Ägypten
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Als erster wirklich alchemistischer Schriftsteller gilt der aus Panopolis (griech. Name) oder Chemmis (ägypt. Name) in Oberägypten stammende Z o s i m o s, der als gnostischer Christ in Alexandria gelehrt und geschrieben haben soll. Über sein Leben ist nichts Näheres bekannt; seine Lebenszeit wird auf 350—420 angesetzt. Das Hauptwerk des Z o s i m o s , das seinen Ruhm jahrhundertelang lebendig erhalten hat, ist eine Enzyklopädie des ganzen naturwissenschaftlichen Wissens der damaligen Zeit, die man zugleich als erstes Lehrbuch der AI chemie bezeichnen könnte. Das Werk ist in Form von Lehrbriefen an eine vornehme Frau, seine „mystische Schwester" T h e o s e b e i a abgefaßt, von denen aber nur noch zusammenhanglose Bruchstücke in griechischer, syrischer und arabischer Sprache vorhanden sind. Ein anderes, ebenfalls nur unvollständig erhaltenes Werk mit dem Titel „Über die Kraft" ist in dunkler, rätselhafter Ausdrucksweise geschrieben und schildert seltsameVisionen und Traumgesichte. Z o s i m o s beruft sich auf H e r m e s und andere Autoritäten und nennt die von den ägyptischen Priestern stammende heilige, göttliche Kunst der Metallveredlung zum erstenmal „C h e m e i a"—Chemie. Auch entwickelt er zum ersten Male die für das ganze alchemistische Zeitalter maßgebende Lehre von dem „großen Mysterium", dem „Xerion", das hefeartig wirken soll, indem es, als Streupulver angewendet, große Massen Metall in Gold verwandelt. Andere aldiemistische Schriftsteller aus dem 4. Jahrhundert sind noch: P e 1 a g i o s, der ein Werk „Über die göttliche und heilige Kunst" verfaßte, und S y n e s i o s , früher fälschlicherweise mit dem gleichnamigen Bischof von Ptolemais gleichgesetzt. Im 5. Jahrhunden schrieb O l y m p i o d o r o s , der als Gesandter des Kaisers H o n o r i u s im Jahre 412 den Hof von A t t i l a besuchte; und aus der späteren Zeit sind noch der P h i l o s o p h o s C h r i s t i a n o s und S t e p h a n o s (7. Jahrh.) erwähnenswert. Die "Werke dieser und anderer Schriftsteller jener Zeit bestehen im wesentlichen aus abgeschriebenen Wiederholungen der älteren Schriften.
Als höchste Autorität wurde während dieser hellenistischägyptischen Zeit eine mystische Person, der „dreimal größte
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II. Zeitalter der Alchemic
H e r m e s " („Hermes trismegistos") verehrt. Dieser galt als Gebieter der Seelen und Geister, als der Herr aller Zauberer und Magier. Man setzte ihn mit verschiedenen orientalischen und ägyptischen Göttern gleich, besonders mit T h o t , der im ägyptischen Götterhimmel sozusagen das Amt des Kultusministers innehatte. Der schlangenumwundene Stab ist sein Abzeichen. Seine geheimnisvollen Kenntnisse sollte er in Schriften niedergelegt haben, deren Zahl allmählich immer mehr zunahm. Diese „Hermetischen Schriften", die zum Teil schon im ersten christlichen Jahrhundert verfaßt wurden, aber in der jetzt vorliegenden Form etwa aus dem Jahre 300 stammen, sind später noch durch christliche Schriftsteller unter Nachahmung der hermetischen Schreibweise vermehrt worden. Obwohl ihre Zahl im Laufe der Jahrhunderte auf etwa 20 000 anwuchs — anderen Nachrichten zufolge sollen es genau 36 525 gewesen sein—, haben sie lange für echt gegolten. Ein bloßer Auszug aus diesem unendlichen Schriftenwust umfaßte allein 42 Bände. Erst im 17. Jahrhundert kam man zu der Erkenntnis, daß es sich um Nachahmungen und Fälschungen handelte. Die hermetische Kunst und die hermetische Philosophie haben noch sehr lange eine.Rolle gespielt. Noch heute spricht man vom „hermetischen Verschluß", da H e r m e s angeblich die Kunst beherrschte, Schätze und geheime Dinge durch magische Siegel dicht abzuschließen und vor Raub zu schützen. H e r m e s galt auch als Verfasser zweier sehr berühmt gewordener Tafeln, der „Tafel von Memphis" und der „Tabula smaragdina". Besonders die letztere, die der Sage nach von A l e x a n d e r dem Großen im Grabe von H e r m e s aufgefunden war, ist mit ihrem im 13. Jahrhundert auftauchenden lateinischen Text als Apokalypse, Symbolum oder „Kanon und wahrer Prüfstein der göttlichen Kunst" während des ganzen späteren Mittelalters aufs höchste verehrt worden. Erst in jüngster Zeit (1926) ist es E. J . H o 1 my a r d geglückt, den arabischen Urtext in einer echten Abhandlung des D s c h ä b i r ( 8 . Jahrh.) zu entdecken, und J u l i u s R u s k a , ihre ursprüngliche Stelle in einem Buche
2. Hellenistische Alchemie in Ägypten
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aufzufinden, das dem H e r m e s T r i s m e g i s t o s zugeschrieben wird und angeblich vor A p o l l o n i o s von Tyrana (9. Jahrh.) in dessen Grabe „entdeckt" sein soll. Der eigentliche Verfasser scheint ein Philosoph und Dichter zu sein, der das Ziel der Alchemie, die Gewinnung von Gold mittels des Steins der "Weisen, kannte und in der Sprache des H e r m e s geheimnisvoll darstellte. So wurde die Tabula Smaragdina von den Alchemisten als Grundund Gesetzbuch ihres Glaubens an die Möglichkeit der Metallverwandlung und künstlichen Goldgewinnung, als Offenbarung höchster göttlicher Weisheit und als Schlüssel zu den letzten Geheimnissen der Natur angesehen und entsprechend verehrt. Um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert erlebte die Weltstadt Alexandria als Mittelpunkt der hellenistischen Kultur und Wissenschaft ihre höchste Blüte. Dann ging allmählich die Führung an die neue Hauptstadt des römischen Reiches Konstantinopel über, dem früheren Byzanz, das 330 von K o n s t a n t i n d. Gr. zur Hauptstadt erklärt worden war. Durch den Einfall der A r a b e r in Ägypten und die Eroberung von Alexandria nach vierzehnmonatiger Belagerung im Jahre 641 wurde das Schicksal dieser Stadt nach fast tausendjährigem Bestände völlig besiegelt. Die große, berühmte Bibliothek hatte allerdings schon vorher wiederholt Schaden genommen; so bei der Belagerung durch J u l i u s C a e s a r im Jahre 48 vor Chr., und be~ sonders während der kriegerischen Unruhen im Jahre 391, wo bei den Christenkämpfen das dem ägyptischen Gott der Unterwelt S e r a p i s geweihte Heiligtum, das „S e r a p i e i o n", zerstört wurde. Das Handels- und Reitervolk der Araber hat es verstanden, auf seinem siegreichen Zuge nicht nur die große Weltstadt zu erobern, sondern dabei die vorhandene Kultur zu schonen und sich selbst anzueignen. So wurden die Araber auch die Erben der Alchemie und übernahmen für die nächsten Jahrhunderte die Führung.
3. Die Alchemie bei den Arabern (Von Mitte des 7. bis Anfang des 13. Jahrhunderts.) Nachdem die Araber auf ihren Kriegszügen weitere Eroberungen gemacht und sich in Spanien niedergelassen hat3
Geschichte der Chemie I
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11. Zeitalter der Alchemie
ten, widmeten sie sich mit erstaunlichem Eifer der Wissenschaft und Kunst. Neben mathematischen u n d astronomischen wurden medizinische und alchemistische Studien ganz besonders getrieben. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts wurde in Bagdad die erste öffentliche Apotheke eingerichtet. Nach der Eroberung von Spanien wurde 755 in Cordova ein selbständiges Kalifat errichtet und zugleich eine Pflegestätte der islamischen Gelehrsamkeit gegründet, von w o sich die Wissenschaften auf das übrige Europa weiter verbreiteten. Audi in Italien erblühten neue Pflanzstätten der Kultur und Wissenschaft. In Salerno, auf dem Monte Cassino und in Neapel entstanden im 10. Jahrhundert Medizinschulen, in denen die „Alexandriner" lehrten und die besonders f ü r die Entwicklung der Pharmazie von großer Bedeutung wurden. So finden wir in Salerno im 11. Jahrhundert die erste Apotheke im christlichen Abendlande, und im 12. J a h r hundert wird dort auch die erste europäische Pharmakopoe des N i k o l a u s von Alexgeschrieben, das „Andidotarium" andria, mit dem Zunamen „Myrepsos", des Leiters der salernischen Schule. Im 13. Jahrhundert wurden auch in Deutschland öffentliche Apotheken eingerichtet. Wie die Forschungen von J. R u s k a (1867—1949) ergeben haben, wurden in den geschichtlich recht dunklen Zeiten vom 5. bis 8. Jahrhundert Alchemie und Astrologie besonders in den nördlichen und östlichen Gebieten Persiens eifrig gepflegt. Aus den dortigen, an den Völkerstraßen Zentralasiens liegenden Großstädten wanderten dann seit dem 8. Jahrhundert einzelne Vertreter dieser Wissenschaften nach Südwesten zu den neuen Brennpunkten des geistigen Lebens des Islam aus. Auch der von den Arabern als höchste Autorität verehrte D s c h ä b i r i b n H a j j ä n , der im 8. J a h r hundert aus Tus, der alten H a u p t s t a d t von Choras^n, nach Bagdad übersiedelte, w a r wahrscheinlich der Sohn eines Arabers und einer Perserin. Er galt als Begründer der arabischen Alchemie. Die Zahl der Schriften, die er verfaßt haben soll und von denen Ende des 10. Jahrhunderts (987) der arabische Gelehrte I b n a n - N a d i m in einem großen
3. Die Alchetnie bei den Arabern
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bibliographischen Sammelwerk „Fihrist" ein Verzeichnis aufstellte, ist so groß, daß bereits zu jener Zeit Zweifel geäußert wurden, ob eine solch ungeheure Menge von Büchern, damals schon mehrere hundert, von einem einzigen Menschen hätte geschrieben werden können; ja, ob der angebliche Verfasser überhaupt je gelebt habe. Dessen ungeachtet vermehrten sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte die D s c h a b i r -Werke noch weiter. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts tauchten dann im Abendlande noch mehrere lateinische Schriften auf, als deren Verfasser ebenfalls der arabische Gelehrte unter dem latinisierten Namen G i a b e r oder G e b e r angegeben war. Daneben erschienen auch lateinische Übersetzungen einiger der arabischen Sdiriften. Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts ist man zu der endgültigen Erkenntnis gekommen, daß die lateinischen G e b e r - - Schriften nicht aus dem 8. Jahrhundert stammen können, daß sie vielmehr den Stand der Kenntnisse vom Ende des 13. Jahrhunderts wiedergeben. Sie werden deshalb als Pseudo-Geber-Schriften bezeichnet. Zur Aufklärung der D s c h ä b i r - G e b e r - Frage hat der französische Chemiker M a r c e l l i n Berthelot (1826—1907) durch Herausgabe mehrerer arabischer Schriften mit französischer Ubersetzung viel beigetragen. In der neueren Zeit hat sich besonders der Engländer E. J. H o 1 m y a r d darum verdient gemacht. Nach jahrelangen, außerordentlich mühseligen kritischen Forschungen ist es R u s k a und seinem Mitarbeiter P a u l K r a u ß gelungen, weitgehende Aufklärung in diese so lange umstrittene, äußerst schwierige Angelegenheit zu bringen. Dabei hat sich nun herausgestellt, daß nicht nur die lateinischen G e b e r Schriften Fälschungen sind, sondern daß auch die bis dahin für echt gehaltenen arabischen Schriften nicht von dem historischen D s c h a b i r verfaßt sein können. Sie stammen vielmehr erst aus der Zeit nach 900, und zwar von den Angehörigen einer religiösen arabischen Sekte der „Ismailija", die nach bewährtem Muster den Namen D s c h ä 3*
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II. Zeitalter der Alchemie
b i r als Verfasser unterschoben. So ist die ganze D s c h ä b i r - G e b e r - Legende schließlich in sich selbst zusammengebrochen. Der Inhalt der Schriften ist aber natürlich noch insofern von Bedeutung, als er über die Kenntnisse, die Denk- und Arbeitsweise der arabischen Alchemisten genaue Auskunft gibt. Die Titel einiger der wichtigsten angeblichen D s c h ä b i r Schriften lauten: „Buch des Königs", „Buch der Milde", „Buch des Gewichts", „Buch des Quecksilbers", „Buch der Siebzig", „Budi der H u n d e r t z w ö l f " . Alle diese Schriften enthalten Anweisungen zur künitlidien Goldgewinnung mit H i l f e des „Ferments der Fermente", des „Elixirs der Elixire" (arabisch „al-iksir", vom griechischen „xerion"), das auch „ I m ä m " ( = Führer) genannt wird. Dabei ist die richtige Mischung der vier Elemente notwendig, und der „Geist" (das erhitzte, flüchtige Quecksilber) m u ß in die „ K ö r p e r " (Blei, K u p f e r usw.) eindringen, was durch Z u satz von etwas fertigem Gold erleichtert w i r d . D a s geheimnisvolle „Elixir" selbst kommt nur zustande durch die richtige Vereinigung der vier Elemente, des Körpers (Metalls) u n d Geistes (Quecksilbers), des Männlichen und des Weiblichen. Es assimiliert die „Leiber" und f ä r b t sie (deshalb auch „Ttnctur" genannt), indem es sie in Silber und Gold verwandelt, und z w a r bis zur tausendfachen Menge. Es macht die „ K ö r p e r " lebendig und läßt die toten auferstehen. Mit den „ K ö r p e r n " sind die Metalle außer Quecksilber gemeint, die stets die vier Elemente enthalten, je zwei in offenem, zwei in verborgenem Zustande. Z u diesen „ K ö r p e r n " muß dann noch das Quecksilber als „Geist" hinzukommen.
_ Von Salzen und Mineralien werden in den D s c h ä b i e r - Schriften folgende erwähnt: Alkali („al-kaja"), Salmiak, Vitriol, Auripigment, Tutia (Zinkoxyd), Kühl (Grauspießglanzerz). Als chemische Arbeitsverfahren werden folgende beschrieben: Die Gewinnung und Reinigung verschiedener Metalle, die Sublimation von Salmiak und von Quecksilbersublimat, die Gewinnung pflanzlicher ö l e , das Waschen mit Seife und Alkali und die Destillation verschiedener Flüssigkeiten. Außerdem werden die für diese Arbeiten erförderlichen Gerätschaften und Öfen beschrieben.
3. Die Aichemie bei den Arabern
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Andere erhaltene arabische Werke sind die „Schriften der treuen Bruder", der Mitglieder eines in Basra in der Mitte des zehnten Jahrhunderts gegründeten Geheimbundes. Es ist darin von der Weltseele und der Urmaterie die Rede, von den vier Hauptqualitäten (kalt, warm, trocken, feucht), von den Atomen, von der Metallverwandlung usw. Besonders wird die Lehre von den Elementen Quecksilber und Schwefel auf Grund philosophischer Voraussetzungen entwickelt. Diese Schriften hängen eng mit den Dschäbir-Schriften zusammen; sie stellen eine Art Enzyklopädie dar, die gegen Ende des 10. Jahrhunderts schon bis Spanien verbreitet war und im ganzen Okzident wie im Orient auf geistigem Gebiete einen sehr goßen Einfluß ausgeübt hat. Eine andere Schrift, das „Steinbuch des Aristoteles", wurde für die Übersetzung eines griechischen Originals ausgegeben; sie ist aber in der 2 e i t vor 850 in arabischer Sprache geschrieben. Darin sind über 70 Mineralien besprochen und mit magischen Zutaten versehen.
Außer dem sagenhaften D s c h ä b i r sind noch folgende Gelehrte als Hauptvertreter der arabischen Aichemie zu nennen: Der Arzt a 1 - R ä z i, der R h a z e s oder R a s e s des Mittelalters, der um 900 lebte und wahrscheinlich 923 gestorben ist. Er hat ein kurzgefaßtes Lehrbuch geschrieben, „Buch der Geheimnisse", das auch nach Spanien gelangt ist und neben einigen Werken ägyptischen Ursprungs die Grundlage der lateinischen Aichemie gebildet hat. Der berühmteste der arabischen Ärzte ist der aus Turkestan stammende I b n S i n ä , latinisiert A v i c e n n a (980—1037), der in seinen philosophischen und medizinischen Schriften als ausgesprochener Gegner der alchemistischen Anschauungen auftritt; die Entstehung von Silber und Gold vielmehr aus den Dünsten der Erde unter dem Einfluß von Sonne und Mond erklärt. Sein Hauptwerk ist der große „Canon medicinae", der in dem Rufe vollkommener Unfehlbarkeit die gesamte medizinische "Wissenschaft Europas über das Mittelalter hinaus bis in das 17. Jahrhundert beherrscht hat und bei den Arabern noch heute in hohem Ansehen steht. Das Werk zeichnet sich durch strenge Systematik und sorgfältige Anordnung aus. Ein anderes ihm zugeschriebenes Buch „Tractatus
de anima", das alchemistische Anschauungen bei
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II. Zeitalter
der
Alchemie
endlosen Wiederholungen und planlosen Abschweifungen enthält, ist offenbar dem berühmten A v i c e n n a als Verfasser nur untergeschoben. Es ist wahrscheinlich, wie die Pseudo-Geber-Schriften, ohne arabisches Original gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstanden. Von den übrigen arabischen Gelehrten sei noch I b n R u s c h d, gewöhnlich A v e r r o e s genannt (1126—1198), aufgeführt, der aus Cordova in Spanien gebürtig, mit seinem Kommentar zu Aristoteles sich lange eines hohen Ansehens zu erfreuen hatte. Eins der wenigen Verdienste der Alchemisten um die Förderung der Chemie ist die Ausbildung der Destillierkunst. Allerlei Gefäße aus T o n und aus Glas wurden dazu verwendet. Über die Form der Öfen, der Retorten und Destilliergefäße mit Aufsätzen, Abfluß- und Kühlrohren und der Vorlagen sind wir durch erhaltene Abbildungen in griechischen und arabischen Handschriften unterrichtet. Das arabische W o r t „Alembik" f ü r den Destillieraufsatz oder Helm stammt aus dem Griechischen („bikos" = bauchiges Gefäß). Durch Verbesserung der Kühlvorrichtungen wurde es möglich, auch leichtflüssige Destillate als Flüssigkeiten aufzufangen. Diese Kunst wurde in der Schule von Salerno ganz besonders gepflegt, und ihr ist als ein wesentlicher Erfolg um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Darstellung des Weingeistes zu verdanken. Die älteste Kunde darüber stammt von dem im Jahre 1167 gestorbenen Gelehrten M a g i s t e r S a l e r n u s , dessen eigentlicher Name unbekannt ist. Alle anderen Angaben über die Kenntnisse des Alkohols im frühen Mittelalter beruhen auf Mißverständnissen. Der aus dem Wein gewonnene „Geist", Spiritus, wurde wegen seiner Brennbarkeit auch „aqua ardens" genannt, oder „aqua vitis", Rebenwasser, weil er aus den rebenartig gewundenen Kühlrohren hervorfloß, oder auch „aqua vitae", weil er bei schweren Erkrankungen als Heilmittel angewendet wurde. Bei der um die Mitte des 14. Jahrhunderts auftretenden schweren Lungenseuche (Pest), dem „schwarzen Tode", hat die aqua vitae eine große Rolle
4. Die Alchemie im christlichen Abendlande
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gespielt. Die Bezeichnung „Alkohol" ist erst im 16. Jahrhundert durch P a r a c e l s u s aufgekommen. Das Wort stammt aus dem Arabischen („al kühl") und bedeutet eigentlich ein sehr feines Pulver, wie es durch Verreiben von Spießglanz (Stimmi) gewonnen und von den arabischen Frauen als Schminke benutzt wurde.
4. Die Alchemie im christlichen Abendlande Zeit der Scholastik (Vom 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts.) Die arabischen Kulturkreise in Spanien und Italien berührten sich allmählich immer mehr mit der christlichen Kultur des Abendlandes. So ging denn auch, etwa vom 12. Jahrhundert ab, die Alchemie nach Frankreich, Deutschland und England hinüber. Es ist die Zeit der sogenannten Scholastik. Von den naturwissenschaftlichen Kenntnissen des klassischen Altertums ist aber auch vieles ohne den Umweg über die Araber durch schriftliche Überlieferung unmittelbar in die mittelalterliche "Welt des Abendlandes gekommen, wo sich die gelehrten Mönche in den Klöstern mit dem Abschreiben alt überlieferter Urkunden, wie auch der klassischen Schriftsteller, beschäftigten. In der Beziehung sind vor allem zwei lateinische Schriften zu nennen, die sich mit den verschiedenen Arten der Färberei beschäftigen.
Die eine Schrift führt den Titel „Compositiones ad tingenda musiva", also „Mischungen zum Färben von Mosaik". Die älteste Handschrift stammt aus dem 8. Jahrhundert und wurde im 18. Jahrhundert in der Bibliothek zu Lucca in Italien aufgefunden. Sie enthält wahllos zusammengetragene Vorschriften, teils byzantinischen Ursprungs, für die Darstellung von Metallen aus ihren Erzen, für das Uberziehen der Oberflächen unedler Metalle mit Gold und Silber, sowie für die Herstellung von Legierungen. Dabei ist auch von einer solchen aus Kupfer, Blei und Zinn als „compositio Brundusii", der Bronze, die Rede (s. S. 1 2 — 1 3 ) . Die andere Schrift, die „Mappae clavicula" („Schlüssel der Färberei") wird in einer aus dem 10. Jahrhundert stammenden kürzeren Form in Schlettstadt aufbewahrt, während eine im 12. Jahrhundert
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II.
Zeitalter
der
Alchemic
geschriebene ausführlichere Fassung als sogenanntes „ W a y sdies Manuscript" in England vorhanden ist. Die darin enthaltenen Vorschriften zur Gewinnung silber- und goldähnlicher Legierungen, darunter auch der „compositio brondisona"., sind griechisch-byzantinischen Ursprungs. Ferner wird die Herstellung von Feuerpfeilen und Brandsätzen aus Harzen, Erdölen und dergleichen beschrieben, wobei aber der Salpeter noch nicht erwähnt wird. Das W a y sehe Manuskript enthält außerdem eine Anweisung zur Gewinnung von Weingeist durch Destillation von altem, starkem Wein unter Zusatz von einem Drittel Salz. Als älteste Schrift des christlichen Abendlandes, die ein alchemistisches Rezept enthält, gilt das von einem Priester T h e o p h i l u s gegen Ende des 10. Jahrhunderts verfaßte W e r k „Schedula diversarum artium", eine der wertvollsten Schriften des ganzen Mittelalters. Darin wird die Herstellung der verschiedenen für den kirchlichen Dienst erforderlichen metallenen Gerätschaften (Kelche, Weihrauchfässer, Glocken usw.) sowie auch farbiger Glasfenster beschrieben. Unter Anwendung geheimnisvoller Ausdrücke, die nur dem Eingeweihten verständlich sind, wird die künstliche Gewinnung von zwei Arten Gold angegeben, des „arabischen" und des „spanischen" Goldes. Letzteres ist in Wirklichkeit nichts anderes als Messing. Uber den vermutlidi aus Griechenland stammenden Verfasser T h e o p h i l u s ist nichts weiter bekannt. D i e erste N a c h r i c h t v o n d e m A u f t r e t e n eines Alchemisten in Deutschland s t a m m t aus d e m J a h r e 1 0 6 3 , w o ein get a u f t e r J u d e P a u l u s a m H o f e des E r z b i s c h o f s A d a l b e r t v o n B r e m e n m i t der B e h a u p t u n g a u f t r i t t , er h a b e in Griechenland gelernt, K u p f e r in reines G o l d z u v e r w a n d e l n . E r versprach, G o l d m ü n z e n herzustellen, w u r d e jedoch als L ü g n e r abgewiesen u n d blieb eine v e r e i n z e l t e Erscheinung, bis sich die Alchemie erst sehr viel später i m christlichen A b e n d l a n d e allgemeiner durchsetzte. Die Alchemie wurde von den arabischen Gelehrten jahrhundertelang als Geheimwissenschaft streng gehütet und vor unberechtigten Blicken und Eingriffen ängstlich bewahrt. Als aber die spanischen Herrscher einzelne von dem fremden Volke besetzten Gebiete zurückeroberten und mehrere Pflanzstätten islamischer Wissenschaft mit ihren Bücherschätzen in ihre H ä n d e fielen, wurden diese auch den christlichen Gelehrten zugänglich. Deren
4. Die Alchemie im christlichen Abendlande
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Aufgabe war es nun zunächst, die arabischen Texte ins Lateinische zu übertragen. Auf diese Weise ist auch erst der Philosoph A r i s t o t e l e s auf dem Umwege über arabische Übersetzungen in den christlichen Kulturkreis gekommen, wo dann der gefeierte „Stagilit", als höchste Autorität anerkannt, das ganze spätere Mittelalter hindurch unbedingt geherrscht hat. Eine der berühmtesten Übersetzerschulen wurde durch G e r h a r d von C r e m o n a in dem 1085 durch A l f o n s VI. von Kastilien zurückeroberten Toledo gegründet. Z u diesen arabisch-lateinischen Übertragungen gehört auch die aus dem Ende des 11. J a h r h u n d e r t s stammende Schrift „Buch der Alaune und Salze" („De aluminibus et salibus"), das v o n einzelnen fälschlicherweise dem a 1 R ä z i zugeschrieben w i r d , weil es der von diesem a n gegebenen Einteilung der Mineralien folgt. Andererseits wird die in den D s c h ä b i r -Schriften zu findende Theorie vertreten, d a ß die Metalle aus Quecksilber u n d Schwefel im Innern der Erde durch tausendjährige „Kochung" entstünden, durch die alchemistische K u n s t aber a n einem Tage. N e b e n den spanischen spielten auch die auf Sizilien u n d in Italien gegründeten arabischen Bildungsstätten eine erhebliche Rolle als Vermittler der als ein Teil der allgemeinen Naturwissenschaft betrachteten Alchemie zu den anderen europäischen L ä n d e r n . Die bedeutendste der aus dem 12. J a h r h u n d e r t stammenden Schriften ist die „Turba philosophorutn", die in drei verschiedenen Fassungen überliefert ist. Nach den eingehenden Untersuchungen v o n J u l i u s R u s k a handelt es sich um die lateinische Übersetzung eines arabischen Originals, das in der Zeit zwischen 750 u n d 1150 v o n einem u n bekannten Gelehrten v e r f a ß t ist. Es wird darin über eine phantastische Versammlung v o n griechischen Philosophen u n d berühmten Alchemisten berichtet, die unter dem V o r sitz von P y t h a g o r a s über die Frage der Metallverw a n d l u n g disputieren, um die infolge des überhandnehmenden Gebrauchs von alchemistischen Decknamen entstandene V e r w i r r u n g zu beseitigen. D a b e i sind die N a m e n der einzelnen Philosophen durch die Übertragung aus dem Grie-
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II. Zeitalter der Alchemte
chischen ins Arabische und von da wieder ins Lateinische meistens bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Nach modernen Begriffen könnte man diese „ P y t h a g o r ä i s c h e S y n o d e", die trotz, oder vielleicht gerade wegen ihrer schweren Verständlichkeit das ganze Mittelalter hindurch aufs höchste angesehen war, und von der noch im 17. Jahrhundert deutsche Übersetzungen im Druck erschienen, als eine Art Weltkongreß zur Reform der chemischen Nomenklatur bezeichnen.
Ihre eigentliche Blütezeit erlebte die abendländische Alchemie im 13. und 14. Jahrhundert, wo in den verschiedenen europäischen Ländern hervorragende Vertreter zu finden sind. Und wie in einer Zeit, wo die Kirche als alleinige Kulturträgerin auch die einzige Pflegerin der Wissenschaft war, nicht anders zu erwarten ist, handelt es sich um Angehörige des geistlichen Standes. In den Klöstern wurde die Kunst des Lesens und Schreibens geübt, dort wurden die Männer ausgebildet, die sich auf den verschiedenen Gebieten der Wissenschaft betätigen konnten. U n d mit den N a t u r wissenschaften fand auch die Alchemie dort ihre Pflege.
Der auf diesem Gebiete führende Mann des 13. Jahrhunderts in Deutschland war A l b e r t u s M a g n u s (1193 bis 1280). Er war der jüngere Sohn eines Grafen von B o 1 s t ä d t aus der Umgegend der schwäbischen Stadt Lauingen an der Donau (45 km unterhalb von Ulm), und gehörte dem Dominikanerorden an. Er hat sich in verschiedenen Klöstern dieses Ordens, in Köln, Hildesheim, Freiburg i. Br., Regensburg, Straßburg, Paris aufgehalten und wiederholt am päpstlichen Hofe in Rom geweilt; dort war er auch viel mit seinem berühmten Schüler T h o m a s v o n A q u i n o (1225—1274), der sich ebenfalls als Aldiemist betätigte, zusammen. Als „Provincial" seines Ordens hat er zeitweilig fast ganz Deutschland zu Fuß durchwandert und dabei mineralogische, botanische und zoologische Studien getrieben. Einige Jahre (1260—1262) war er auch Bischof von Regensburg. Den Rest seines Lebens verbrachte er im Kloster zu Köln, wo er bei einem Besuch des Kaisers R u d o l f von Habsburg diesen mitten im Winter in einen (wohl durch Anwendung von warmen Gewächshäusern) gezauberten
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Blumengarten geführt haben soll. Dieser „ A r i s t o t e l e s des Mittelalters" war einer der geistvollsten Scholastiker. Er beherrschte das ganze Wissen seiner Zeit auf geistigem und naturwissenschaftlichem Gebiete und damit auch die gesamte Alchemie. Diese außerordentliche Vielseitigkeit hat ihm den Titel „Doctor universalis" eingebracht. Nach dem Urteil seiner Zeitgenossen war A l b e r t u s „magnus in magia, major in philosophia, maximus in theologia". Von den ihm zugeschriebenen Werken haben sich mehrere als unecht erwiesen, so z. B. das Buch „De mirabilibus mundi", in dem u. a. von Salpeter, Schwarzpulver und Feuerwerkskörpern die Rede ist. Fraglos echt sind dagegen die Bücher „De mineralibus", die teils aristotelische, teils arabische Lehren und Anschauungen enthalten. Wenn auch von eigenen Versuchen nicht die Rede ist, so werden aber doch die Vorzüge der Sublimation und Destillation hervorgehoben und die dazu erforderlichen Gerätschaften beschrieben, wie das Wasserbad '(„vas aquae bullientis), der Destillierhelm („alembicus") usw. A l b e r t u s glaubt zwar an die Möglichkeit der künstlichen Golddarstellung, dodi sagt er, daß er keinen Alchemisten gefunden habe, dem die Metallumwandlung völlig gelungen sei. Alle Proben von alchemistischem Gold oder Silber- die er selbst geprüft hat, haben die schärfste Feuerprobe nicht ausgehalten. Deshalb erklärt er die angeblichen Goldmacher für Betrüger. Der eigentliche Alchimist sei die Natur, deren Wirken durch die „Medicinen" höchstens unterstützt werden könne. In England treffen wir zu jener Zeit den hervorragenden Franziskanermöndi R o g e r B a c o n (etwa 1210—1292), den „Doctor mirabilis". Aus der Grafschaft Sommerset gebürtig, studierte er zunächst in Oxford; später hielt er sich ein Jahrzehnt lang (1240—50) in Paris auf, w o er die arabischen und jüdischen Schriften kennenlernte, besonders die arabischen Kommentatoren des A r i s t o t e l e s (Avicenna, Averroes u. a.), und die früher begonnenen naturwissenschaftlichen Studien fortsetzte. Nach seiner Rückkehr trat er in den Franziskanerorden ein; doch war seine Feuernatur wenig für das Mönchsleben geeignet und seine experimentellen Studien waren mit der Ordensregel schwer vereinbar. Der Gebrauch geschliffener Gläser oder durchsichtiger Mineralien
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(Quarz, Beryll) zu Vergrößerungszwecken — Vorläufer der späteren Brillen — die Herstellung kunstvoller Medianismen (Automaten) und andere seiner Zeit weit vorauseilende Beschäftigungen machten ihn verdächtig, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Mit seinem Grundsatz: „Sine experimentis nihil sufficienter sciri potest" ist er der ausgesprochene Vertreter der induktiven Naturforschung. Dabei unterscheidet er eine „Alchimia speculativa" und eine „Alchimia practica". Ihm sowohl wie A l b e r t u s M a g n u s war, wahrscheinlich aus dem um die Mitte des 13. Jahrhunderts (nicht, wie früher angenommen, bereits im 9. oder 8. Jahrhundert) verfaßten Feuerbuche des M a r c u s G r a e c u s , das den Titel führt „Liber ignium ad comburendos hostes", eine schwefel- und saipeterhaltige Mischung bekannt, die er in seinem „opus majus" näher beschreibt und über die er auch in einem Briefe an den Erzbischof von Paris im Jahre 1265 berichtet. Aber als „Schießpulver" wurde diese Mischung noch nicht benutzt. Dazu waren noch weitere Erfindungen notwendig. Außer dem „opus majus" schrieb er noch ein „opus minus" und ein „opus tertium". Von seines Ordens-Oberen scharf gerügt, wurde er in das Pariser Kloster verbannt, wo er starken Demütigungen durch seine Klostergenossen ausgesetzt war und schließlich die letzten anderthalb Jahrzehnte seines langen Lebens im Kerkei zubringen mußte. B a c o n glaubte an den Stein der Weisen, aber er wollte die letzten Geheimnisse der Natur durch Experimentalforschung ergründen und suchte so die Mystik mit der Naturforschung zu vereinen. Als hervorragendster Vertreter der Alchemie in Frankreich ist der Dominikanermönch V i n c e n z v o n B e a u v a i s (Vincentius Bellovacensis) (1190—1254) zu nennen. Das Hauptwerk dieses Polyhistors, der ein Vertrauter des Königs L u d w i g IX., des Heiligen, war, heißt „Speculum quadmplex naturae". Einen besonders hohen Ruf in den westlichen europäischen Ländern genoß der Spanier A r n a l d u s V i l l a n o v a n u s (etwa 1238—1313). Er lehrte zunächst an der Universität Barcelona, dann, wegen seiner anstößigen Lehrmeinungen vertrieben, hielt er sich in Paris und an verschiedenen Orten in Italien auf, bis er in Sizilien bei dem dort herrschenden König von Aragonien schützende Aufnahme fand. Er stand mit dem Papst B o n i -
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f a t i u s VIII. in näherer Verbindung, der selbst ein Anhänger der Alchemie war und noch lange nach seinem Tode als Ketzer und Zauberer mit dem päpstlichen Bannfluch belegt wurde. Als angesehenster Arzt seiner Zeit hat er nidit nur diesen Papst bei einem schmerzhaften Steinleiden behandelt; er wurde auch von dessen Nachfolger C 1 e m e n s V. nadi Avignon berufen. Auf der Fahrt dorthin fand er angesidits der französischen Küste durch Schiffbruch den Tod. Sein Hauptwerk, in dem er seine alchemistische Lehre auseinandersetzt, hat den Titel: „Liber appellatus tbesaurus thesaurorum, Rosarius philosophorum."
Arnaldus wandte sowohl magische wie chemische Mittel an, z. B. Quecksilberpräparate, und auch das „Aurum potabile" oder die „Aqua auri". Dieses Medikament, das in der mittelalterlichen Heilkunde lange eine große Rolle gespielt hat, enthielt in "Wirklichkeit gar kein Gold; es war wahrscheinlich eine stark gezuckerte alkoholische Lösung von allerlei Gewürzen, die goldartig schimmerte. Audi beschäftigte er sich mit der Gewinnung ätherischer öle durch Destillation und mit der Herstellung von Giften, über, die er ein besonderes Buch „De venenis" schrieb. Von A r n a l d u s stammt auch der großprahlerische Ausspruch, der sich in ähnlicher Form aber bereits in der „Turba philosophorum" findet: „Mare tingerem, si mercurius esset." Diese Worte wurden früher einem andern spanischen Gelehrten zugeschrieben, der durch allerlei Legenden und Mythen besonders verherrlicht und als „Doctor illuminatus" oder sogar „illuminatissimus" bezeichnet worden ist. Das ist der aus vornehmem Adelsgeschlecht stammende, in Palmas auf Mallorka geborene R a m o n L u l l , latinisiert R a y m u n dus L u l l u s (1235—1315), der zunächst als Offizier und HofmanR ein ziemlich zügelloses Leben führte, sich dann in Klöstern (Montserrat, St. Jago) und auf Universitäten (Montpellier, Paris) den Wissenschaften widmete und nach mehreren abenteuerlichen Reisen in den Orient, als Franziskanermönch den Heiden in Afrika das Evangelium predigend, schließlich als Achtzigjähriger den Märtyrertod durch Steinigen fand. Von der ungeheuren Zahl der unter seinem Namen überlieferten Schriften, etwa 500, sind die aller-
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II. Zeitalter der Alcbemie
meisten gefälscht, und gerade diejenigen, auf denen sich sein Ruf als W u n d e r m a n n gründet. Erst in der neueren Zeit ist er richtig beurteilt worden. In den als echt anzusehenden Büchern, wie der „Ars magna", ist L u 11 u s ein ausgesprochener Gegner der islamischen Lehren von A v e r r o e s und der Alchemie überhaupt. Er benutzt zum ersten Male einzelne Buchstaben sowie gewisse besondere Zeichen, wie Dreiecke, Vierecke, Kreise, zur Bezeichnung bestimmter Begriffe und Gegenstände. Durch wissenschaftliche Systematik und logische Kombination sucht er eine Lehre des Entdeckens und Erfindens zu begründen. In den gefälschten L u 11 u s -Schriften, wie in dem lange für echt gehaltenen „Testamentum", wird dagegen ausführlich beschrieben, wie durch eine kleine Menge „Tinctur" oder „Medicin" die tausendfache Menge Quecksilber in ein rotes Pulver verwandelt wird, durch das wiederum die tausendfache Menge Quecksilber verwandelt werden kann, und so fort, bis schließlich reines Gold entsteht, das besser sein soll als das natürliche.
U m das J a h r 1300 tauchen im christlichen Abendlande fünf lateinische Schriften auf, die den sagenhaften Araber D s c h ä b i r i b n H a j j ä n zum Verfasser haben sollten und nach dessen lateinischem N a m e n „Geber-Schriften" genannt wurden. Ihre Titel lauten: I. „Summa, perfectionis Magistern", II. „De investigatione perfectionis", III. „De inventione veritatis", IV. „Liber fornacum", V. „Testamentum Geben". W i e bereits erwähnt (S. 35), stammen diese Schriften nicht aus dem 9., sondern aus dem Ende des 13. oder A n f a n g des 14. Jahrhunderts. W e r sie v e r f a ß t hat, ist nicht zu ergründen gewesen. Jedenfalls waren sie den hier aufgeführten großen Alchemisten des 13. Jahrhunderts noch unbekannt. Wie so viele andere Schriften der Alchemistenzeit sind auch sie einem berühmten Manne als Verfasser untergeschoben; sie werden daher jetzt als „Pseudo-GeberSchriften" bezeichnet. Ihr Inhalt gibt neben den auch in den anderen Alchemistenschriften immer wieder vertretenen Lehren über den Stand der praktischen Kenntnisse zur Zeit vom A n f a n g des 14. Jahrhunderts A u s k u n f t ; sie sind insofern f ü r die Geschichte der Aldiemie besonders bedeutungsvoll.
4. Die Alchemie im christlichen Abendlande
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Als Grundstoffe werden die drei „Geister" Quecksilber, Schwefel und Arsen angegeben. Neu ist der Gedanke, daß zur Veredlung der Metalle zehn verschiedene „Medicinen" notwendig seien und daß für diese zehn verschiedenen eine einzige Universalmedizin in langwieriger, kostspieliger Arbeit gefunden worden sei. Zahlreiche verbesserte Arbeitsverfahren und Gerätschaften werden beschrieben: bessere Öfen und Retorten, Aschenbäder zum Verdunsten, Vorrichtungen zum Filtrieren, Schmelzen, Sublimieren, Destillieren, Kristallisieren usw. Ferner finden sidh da Vorschriften zur Bereitung von Schwefelmilch, Quecksilberoxyd, Sublimat, Zinnober, Silbernitrat, Bleiacetat und anderen essigsauren Salzen . . . Vor allem aber ist in dem Buche„De inventione veritatis" die Darstellung der bis dahin unbekannten Mineralsäuren beschrieben: Schwefelsäure wird durch starkes Erhitzen von Alaun, Salpetersäure durch Erhitzen eines Gemisches von Alaun, Kupfervitriol und Salpeter gewonnen. Diese „aqua prima", „aqua fortis", „aqua dissolutiva", mit der man das Silber vom Gold scheiden kann („Scheidewasser"), wird durch Auflösen von Salmiak in die „aqua secunda" oder „aqua regis", das „Königswasser". übergeführt, das auch den König der Metalle löst und auch den sonst unlöslichen Schwefel. Die älteste Handschrift der Pseudo-Geber-Sdiriften wird in München aufbewahrt, eine andere in der Vadianischen Bibliothek zu St. Gallen in der Schweiz. Ihr Inhalt fand bereits im 14. Jahrhundert große Verbreitung; im Jahre 1481 erschien die erste gedruckte Ausgabe, der dann noch weitere folgten. Aus der gleichen Zeit wie die Pseudo-Geber-Schriften stammt das Sammelbuch „Pro conservanda sanitate" von V i t a l i s d e F u r n o (etwa 1247—1327), der, aus Tour in der Bretagne stammend, als Franziskanermönch zum Kardinal und zum Bischof von Albano ernannt wurde. Eine in der Klosterbibliothek zu Eberbad} aufgefundene Abschrift des Werkes wurde 1531 in Mainz gedruckt. Das Buch bringt Auszüge aus den alten als Autoritäten anerkannten Schriftstellern bis etwa zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Unter vielem anderen ist darin auch von der Darstellung der Salpetersäure und des Königswassers die Rede. Diese Säuren werden ohne bestimmten Namen unter die „aquae arti-
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II. Zeitalter
der
Alchemie
ficales" eingereiht, denen auch der Weingeist „aqua ardens" zugeordnet wird. Die Angaben über die Salpetersäure stammen aber höchstwahrscheinlich nicht aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, sondern sind später eingeschoben. Ein Zusammenhang mit dem P s e u d o - G e b e r ist zwar zu vermuten, bisher aber nicht nachgewiesen.
Im 14. Jahrhundert trat eine Erfindung zutage, die auf die Art der Kriegführung und auf die ganze politische und wirtschaftliche Entwicklung des Abendlandes einen außerordentlichen Einfluß ausgeübt hat: die Erfindung der Feuergescbütze. Früher galt der Franziskanermönch B e r t h o 1 d S c h w a r z , B e r t h o l d u s N i g e r , als Erfinder des Schießpulvers; er sollte um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Freiburg im Breisgau gelebt haben. Tatsächlich sind schwarzpulverähnliche Mischungen schon viel länger bekannt. Als erster Vorläufer des Schießpulvers ist das sogenannte „griechische Feuer" anzusehen, das, von dem byzantinischen Ingenieur K a l l i n i k o s erfunden, zum ersten Male 678 zur Verteidigung von Konstantinopel gegen die Araber angewendet wurde. Es bestand aus einem Gemisch von leichtentzündlichem Erdöl, Asphalt, Harz und dergleichen mit feingepulvertem, gebranntem Kalk, der durch die bei der Berührung mit Wasser entwickelte Hitze die Entzündung bewirkte. Der schwimmende Brandsatz trug das Feuer zu den feindlichen Schiffen. Salpeter war wahrscheinlich nicht darin enthalten. Die erste Beschreibung zur Bereitung von richtigem Schwarzpulver findet sich in dem Feuerbuche des M a r c u s G r a e c u s (s. S. 44) um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Derartige salpeterhaltige Pulvergemische dienten aber zunächst nur als Brandsätze für Feuerwerk und Raketen und wurden wohl zuerst in China als solche angewendet. Dort wird bereits im Jahre 1255 von einer „Lanze des ungestümen Feuers" berichtet, einem mit Pulver gefüllten Bambusrohr. Darin ist vielleicht die erste Verwendung einer Feuerwaffe zu erblicken.
In Europa sind wirkliche Feuergeschütze erst im 14. Jahrhundert urkundlich nachweisbar. Im Jahre 1321 waren sie bei der Planung eines neuen (nicht zur Ausführung gekom-
5. Verfall der Alchemie und ihre Nachläufer
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menen) Kreuzzuges noch unbekannt. Aber zehn Jahre später (1331) wurde die norditalienische Stadt Cividale von deutschen Rittern aus dem Friaul mit Feuergeschützen, allerdings vergeblich, beschossen. Die erste Nachricht von der Anwendung eines Feuergeschützes auf deutschem Boden stammt aus dem Jahre 1365, wo der Herzog Albrecht II. von Grubenhagen seine Heldenburg (bei Salzderhelden in Südhannover) mit einer „Blybüssen" erfolgreich verteidigte. Dann hat sich das Geschützwesen schnell weiter entwickelt, so daß am Ende des 14. Jahrhunderts die größeren Städte bereits mit großkalibrigen Geschützen ausgerüstet waren.
5. Verfall der Alchemie und ihre Nachläufer Nachdem die Alchemie im 13. und 14; Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht hatte, in einer Zeit, wo die Kultur des christlichen Abendlandes mit ihren kunstvollen gotischen Bauwerken ihre größte und erhabenste Entwicklung erfuhr, versank sie in der Folgezeit immer mehr in hoffnungslose Wirrnis. Die dauernde Erfolglosigkeit der in den „schwarzen Küchen" mit größter Geheimniskrämerei betriebenen Arbeiten führte immer mehr dazu, daß an die Stelle eines ursprünglich vorhanden gewesenen aufrichtigen Bemühens, den „Stein der Weisen" zu finden, das große Geheimnis zu entdecken, enttäuschte Ratlosigkeit trat, und damit entwickelte sich allmählich immer mehr ein unaufrichtiges Wesen, das in Lug und Trug endete. Dabei wurde nach außen hin der Schein bewahrt, als ob man dem großen Werke dicht auf der Spur sei. In der überkommenen verworrenen, verschleierten und unklaren Schreibweise wurden immer wieder neue Schriften verfaßt, die aber nichts Neues enthielten und erdichteten oder bekannten Autoren von hohem Ansehen untergeschoben wurden. Wenn auch im allgemeinen der alchemistlsche Wahn vorherrschte, so machten sich doch bereits im 14. Jahrhundert auch einzelne kritische Stimmen bemerkbar, und es kam sogar zu Verboten der Alchemie durch päpstliche Bullen oder Androhung der Exkommunikation auf dem Generalkonzil der Dominikaner; auch 4
Geschichte der Chemie I
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IL Zeitalter der Alchemie
einzelne weltliche Fürsten, wie König A l f o n s X . von Kastilien, verboten die Beschäftigung mit der schwarzen Kunst. D a n t e und P e t r a r c a wie andere führende Geister der Renaissance
waren ausgesprochene Gegner
der Alchemisten,
die sie als ver-
brecherische Fälscher bezeichneten. In ähnlicher Weise wurden sie später (1494) von S e b a s t i a n B r a n t in seinem berühmten „Narrenschiff" behandelt. Aber bei alledem blühte doch die Alchemie ungehindert weiter; im 14. Jahrhundert waren Paris und die oberitalienischen Universitäten ihre besonderen Pflegestätten.
Das spätere Mittelalter des 14. und 15. Jahrhunderts brachte an chemischen Erkenntnissen tatsächlich nichts Neues hervor. In diesem Zusammenhange müssen aber einige Schriften erwähnt werden, von denen man bis in die neueste Zeit annahm, daß sie im 14. Jahrhundert verfaßt worden seien, obwohl darin neben altüberkommenen Anschauungen von Dingen die Rede ist, die im übrigen zu jener Zeit noch völlig unbekannt waren. Die erste dieser Schriften, deren angeblicher Verfasser B a s i l i u s V a l e n t i n u s als Benediktinermönch im St. Peterkloster zu Erfurt gelebt haben soll, hat den Titel: „Von dem großen Stein der Uralten" und wurde im Jahre 1599 von dem Ratskämmerer J o h a n n e s T h ö 1 d e in Frankenhausen am Kyffhäuser im Druck herausgegeben. In den folgenden Jahren erschienen unter demselben Verfassernamen noch mehrere Schriften, im ganzen etwa 20, im Druck, von denen diejenige von 1604 besonders bemerkenswert ist, die den Titel führt: „Triumphwagen des Antimonii fratris Basilii Valentini", in späterer lateinischer Ubersetzung als „Currus triumphalis Antimonii". Auch mehrere der anderen Schriften sind ins Lateinische übersetzt und wiederholt bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts neu gedruckt worden. Außer von den verschiedenen Antirrfonverbindungen ist darin von den Metallen Zink und Wismut, von der Salzsäure und von vielen anderen chemischen Dingen die Rede, die in Wirklichkeit erst im 16. Jahrhundert bekannt wurden. Das große Rätsel wurde durch eingehende Untersuchungen von K a r l S u d h o f f aufgeklärt. Die Schriften stammen tatsächlich aus viel späterer Zeit; sie sind dem J o h . T h ö l d e auf irgendeine Weise in die Hände
J. Verfall der Alchemie und ihre Nachläufer
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geraten und von diesem vielleicht in gutem Glauben veröffentlicht worden. Als wirkliche Verfasser kommen mehrere in Betracht, über die sich aber nichts hat ermitteln lassen. Nur die Herkunft einer unter dem Namen „Letztes Testament" im Jahre 1626 erschienenen und 1651 in erweiterter Form neu aufgelegten Schrift, die aber nicht von T h ö 1 d e herausgegeben wurde, konnte ermittelt werden. Ihr liegt ein Buch zu Grunde, das 1600 von einem N i c o l a u s S o l e a s unter dem Titel „Ein Büchlein von dem Bergwergk" in Zerbst in Druck gegeben wurde." Da aber trotz dieser Feststellungen der angebliche Benediktinermönch immer noch hin und wieder in geschichtlichen Darstellungen auftaucht, hat man ihn B a s i l i u s V a l e n t i n u s „den U nverwüstlichen" genannt. Eine ähnliche Rolle haben lange Zeit die Schriften alchemistischen Inhalts gespielt, die unter dem Verfassernamen von I s a a c und J o h a n n I s a a c H o l l a n d u s , Vater und Sohn, ebenfalls gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Druck auftauchten, aber bereits aus dem 14. Jahrhundert stammen sollten. Die Titel einiger dieser Schriften lauten: „Opera mineralia", „Opera vegetabilia", „De spiritu urinae", „De lapide seu elixir philosophico". Der Stein der Weisen wird in seinen Wirkungen, auch als Heilmittel, genau beschrieben. Über den oder die eigentlichen Verfasser dieser Schriften hat sich trotz eifrigen Forschens nichts Bestimmtes feststellen lassen; nur so viel, daß sie erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts verfaßt sein können. Soweit sich die alchemistischen Bestrebungen auf die Herstellung von medizinischen Heilmitteln beziehen, haben sie ihre treffendste Schilderung in den Worten gefunden, die G o e t h e seinen F a u s t auf dem Osterspaziergang sprechen läßt: „Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, Der über die Natur und ihre heiigen Kreise In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise Mit grillenhafter Mühe sann, Der in Gesellsdiaft von Adepten Sich in die schwarze Küche schloß Und nach unendlichen Recepten Das Widrige zusammen goß. Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier, Im lauen Bad der Lilie vermählt, 4*
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II. Zeitalter
der
Alchemie
Und beide dann mit offnem Flammenfeuer Aus einem Brautgemach ins andere gequält" usw. Wenn man das Zeitalter der Alchemie um die Wende des 15. zum 16. Jahrhunderts im allgemeinen als beendet ansieht, so ist damit natürlich durchaus nicht gesagt, daß die Alchemie selbst in der Folgezeit keine Anhänger mehr gehabt hätte. Im Gegenteil, die alchemistischen Vorstellungen und Bestrebungen haben ein außerordentlich zähes Leben geführt, weniger bezüglich der Auffindung eines wirksamen Allheimmittels als der Möglichkeit künstlicher Goldgewinnung. Die Alchemisten fanden mit ihrem geheimnisvollen Treiben besonders willkommene Unterkunft an den Fürstenhöfen. Die deutschen Kaiser des 16. und 17. Jahrhunderts (Rudolf II., Ferdinand III., Leopold I.) hatten ihre Hof alchemisten; auf dem Hradschin in Prag gibt es noch heute das Goldmacher-Gäßchen. Ebenso haben sich die meisten anderen deutschen Fürsten, wie die Herzöge von Württemberg, von Sachsen* Weimar, von Holstein, von Mecklenburg usw., auch die Kurfürsten von Brandenburg (Joachim II., Johann Georg, Friedrich Wilhelm der Gr. Kurf.) viel mit der schwarzen Kunst abgegeben. Und sogar Friedridi der Große, der doch zu den aufgeklärtesten Geistern seiner Zeit gehörte, hat sich in großer Geldnot dazu verleiten lassen, diese dunklen Bestrebungen zeitweilig zu unterstützen; nach der großen endgültigen Enttäuschung gesteht er dann allerdings: „Ich habe mir sehr geschämet." Mancher dieser „Goldmacher" hat, wenn er sich durch lügnerische Angaben erhebliche Geldbeträge erschwindelt hatte, schließlich sein betrügerisches Treiben am Galgen büßen müssen, falls es ihm nicht glückte, durch irgend einen ganz anderen positiven Erfolg seiner experimentellen Tätigkeit das drohende Unheil abzuwenden und sich die Gunst des geldgebenden Fürsten wieder zu erwerben. Auf diese Weise ist z. B. das Rubinglas von K u n c k e 1 und das Porzellan von B ö 11 g e r entstanden. Der verführerische Wunschtraum des künstlichen Goldes tritt bis in die neueste Zeit immer wieder zu Tage. Nicht nur ausgesprochene Schwindler, wie der „Graf Cagliostro" u. a. lebten davon; in gleichem Sinne wurde von dem Jobsiaden-Dichter Karl Arnold K o r t ü m (1745—1824) in Bochum eine „Hermetische Gesellschaft" gegründet, und in Königsberg entstand 1805 der „Verein der Rosenkreuzer". An die Möglichkeit der Metall Verwandlung glaubte noch, wie mancher andere Gelehrte, auch der Professor Karl Chr. S c h m i e d e r (1778—1850) in Kassel, der
i. Verfall der Alchemie und ihre Nachläufer
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im Jahre 1832 eine „Geschichte der Alchemie" in Druck erscheinen ließ. Ja, in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts wurde in der Gerichtsverhandlung gegen einen Schwindler, der auch wieder vorgegeben hatte, er könne künstliches Gold machen, festgestellt, daß er zu diesem Zwecke nicht nur vom „gemeinen Volke", sondern audh von mehreren, sonst intelligenten und teilweise hochgestellten Persönlichkeiten nicht unbeträchtliche Summen erhalten hatte. Und auch in der Wissenschaft reichen die letzten Nachläufer bis in unsere Tage. Nachdem noch im Jahre 1780 die dänische Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen einer Schrift über Zerlegung der Metalle den ausgesetzten Preis zuerteilen konnte, ist fast anderthalb Jahrhunderte später die chemische Wissenschaft noch einmal ernsthaft in Aufregung geraten (1923), als von einem Berliner Hochschul-Professor mitgeteilt wurde, es sei ihm in Gemeinschaft mit seinem Assistenten gelungen, Quecksilber durch Behandlung mit elektrischen Strömen in Gold umzuwandeln. Die Richtigkeit dieses Befundes wurde zunächst nicht nur von verschiedenen Seiten bestätigt, sondern es meldeten sich, wie das bei großen Entdeckungen meistens zu geschehen pflegt, auch mehrere „Forscher" (selbst in Japan), die dasselbe schon früher gefunden haben wollten. Bei einer gründlichen experimentellen Nachprüfung durch verschiedene Wissenschaftler stellte sich dann, aber erst nach etwa zwei Jahren, heraus, daß die geringen Spuren Gold, die sich tatsächlich in dem mit elektrischen Strömen behandelten Quecksilber nachweisen ließen, obwohl dieses zu Beginn der Versuche völlig goldfrei gewesen war, aus den angewendeten Materialien, besonders den Eisen-Elektroden, stammten. Damit ist wohl der „Goldtraum", ;ier über ein Jahrtausend lang immer wieder phantastische Köpfe in seinen Bann geschlagen hat, endgültig ausgeträumt. Und doch hat die neueste Entwicklung der chemischen und physikalischen Forschung bewiesen, daß der schon von A r i s t o t e l e s vertretene Gedanke der Transmutation der Elemente, der später von den Alchemisten mit fanatischem Eifer völlig erfolglos in die Wirklichkeit umzusetzen versucht wurde, durchaus nicht so abwegig und absurd ist, wie er noch vor wenigen Jahrzehnten den Vertretern der Wissenschaft erscheinen mußte. Die mit der Entdeckung des Radiums (1898) einsetzende neue Forschungsrichtung hat nicht nur den Elementbegriff völlig gewandelt; es ist der „Kernphysik" neuerdings auch geglückt,
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III. Zeitalter
der
Iatrocbemie
Atome zu spalten, Elemente umzuwandeln und bisher unbekannte Elemente (innerhalb und außerhalb des periodischen Systems) künstlidi darzustellen. So ist der alte Alchemistentraum, wenn auch auf ganz andere Weise, als man ehemals gehofft und mit heißem Bemühen versucht hatte, durch die Wirklichkeit noch übertroffen worden. Das eigentliche „Goldmadien" ist allerdings auch nicht geglückt.
III. ZEITALTER DER IATROCHEMIE ( V o m Anfang des 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts) Mit der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert wird allgemein der Übergang des Mittelalters zur N e u z e i t angesetzt. D a beginnt auch in der Entwicklungsgeschichte der Naturwissenschaften ein neuer Abschnitt. D i e Erfindung der Buchdruckerkunst (um 1450) ermöglichte eine schnellere Verbreitung der geistigen Güter, die Entdeckung Amerikas (1492) erweiterte den äußeren, die Renaissance und Reformation den inneren Gesichtskreis. Aus den verstaubten, weltfremden Stuben der Scholastik strebte man in die frische, lebendige Natur zurück. Nicht nur die antike W e l t wurde neu entdeckt, der Mensch als solcher sollte „wieder geboren" werden. Er erwachte wie aus einem Dämmerzustande und erkannte mit Entsetzen seine Lage. Der aufgerüttelte F a u s t bricht in die Worte aus: „Weh! Steck ich in dem Kerker noch? Verfluchtes dumpfes Mauerlodi!" — Wie die Reformation von den Fesseln der Kirche befreien wollte, so machte der Humanismus den Geist der Antike wieder lebendig: „Es ist eine Lust zu leben, die Wissenschaften wachen wieder auf", so rief U l r i c h von H u t t e n . Auch in der Naturwissenschaft machte sich dieser neue Geist geltend. Man wollte nicht mehr das Wissen von der Natur aus vergilbten Blättern holen, man wollte zu den Dingen selbst. Die alten Autoritäten wurden gestürzt. Hinaus aus der stickigen Luft der Studierstuben, aus den verräucherten Küchen! „Wo faß' ich dich, unendliche Natur? Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens?"
1. Paracelsus und seine
Nachfolger
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Wie sidi auch sonst in den Zeiten grundstürzender Umwälzungen der neue Geist auf den verschiedenen Gebieten in einzelnen Männern personifiziert, so ist es auch hier der Fall. In bewußtem Gegensatz zur Gesinnung und Lebensführung der Zeitgenossen trat er als fanatischer Revolutionär auf. Ganz seiner Aufgabe hingegeben, rücksichtslos sein Ziel verfolgend, erlitt er das Schicksal so manches anderen stürmischen Neuerers: sein äußeres Leben scheiterte.
1. Paracelsus und seine Nachfolger Der vollständige N a m e dieses merkwürdigen Mannes war Philippus Aureolus Theophrastus Bomb a s t u s a b H o h e n h e i m , meistens aber mit dem von ihm selbst nach Humanistenart gewählten griechisch-lateinischen Namen P a r a c e l s u s bezeichnet. Kurz nach der Entdeckung Amerikas ist er im Jahre 1493 oder 1494 in E i n s i e d e l n in der Schweiz geboren, weshalb er sich auch bisweilen noch E r e m i t a nennt. Sein Vater entstammte dem alten schwäbischen Adelsgeschlechte der Bombaste von Hohenheim (bei Stuttgart) und hatte sich als Arzt in Einsiedeln niedergelassen, wo er die Tochter des Kloster-Leibeigenen O c h s n e r heiratete. Ein Jahrzehnt später übersiedelte er mit Frau und dem neunjährigen Sohne, der das einzige Kind dieser Ehe blieb, nach Villach in Kärnten, wo er in gräflich Fuggersche Dienste trat und neben seinem ärztlichen Beruf auch eine unterriditende Tätigkeit als Scheidekünstler an der dortigen Bergschule ausübte. Auch der junge T h e o p h r a s t wurde von seinem Vater und in der benachbarten Klosterschule frühzeitig unterrichtet; er hatte außerdem die beste Gelegenheit, das Berg- und Hüttenwesen aus eigener Anschauung kennenzulernen, sich auch durch eifriges Studium von Büchern (z. B. des berühmten Abtes T r i 11 h e i m) die naturwissenschaftlichen Kenntnisse der damaligen Zeit anzueignen. Dann ist er jahrelang auf Reisen gewesen. Von seinem Studium der Heilkunde auf verschiedenen Universitäten ist nur so viel bekannt, daß er schließlich in F e r r a r a zum Dr. med. promoviert wurde. Von der Buchweisheit hat sich P a r a c e l s u s immer mehr abgewendet, um sich ganz dem Studium der Natur selbst hinzugeben. „Wie kann denn einer hinter die Bereitung kommen der
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III.
Zeitalter
der
Iatrochemie
N a t u r , wenn er sie nicht sieht, wo sie ist." Ruhelos hat er fast ganz Europa durchwandert. In E n g l a n d , S c h w e d e n , in F r a n k r e i c h , S p a n i e n und P o r t u g a l ist er gewesen. P o l e n und R u ß l a n d hat er bereist, sogar in K o n s t a n t i n o p e ' I und auf der Insel R h o d o s soll er gewesen sein. „Also acht ich", schreibt er in seiner „Vierten defensión von wegen meines Landfahrens", „daß ich bisher mein wandern billig verbracht hab, mir ein lob und kein schand zu seyn. Denn das will ich bezeugen mit der N a t u r . Der sie durchforschen will, der muß mit den Füßen ihre Bücher tretten. Die Geschäft wird erforscht durch ihre Buchstaben, die N a t u r aber durch Land zu Land; als o f t ein Land, als o f t ein Blatt. Also ist Codex naturae. Also muß man ihre Blätter umbkehren." Schließlich wollte er sich als Arzt in Strasburg niederlassen: es ist noch ein vom Rate der Stadt f ü r ihn ausgestellter Bürgerbrief vom 5. Dezember 1526 vorhanden. Inzwischen war er jedoch schon nach Basel übergesiedelt, w o er infolge einer an dem angesehenen Buchhändler F r o b e n ausgeführten, überaus glücklichen K u r und auf Empfehlung des in dessen Hause wohnenden D e s i d e r i u s E r a s m u s von Rotterdam die Stellung eines Stadtarztes erhielt und gleichzeitig als Professor an einer, wie es scheint, vom Rate der Stadt neben der Universität neu gegründeten medizinischen Akademie angestellt wurde. Unter Verwerfung der überkommenen Anschauungen von G a l e n o s und A v i c e n n a trug er als Neuerer dort seine eigenen Lehren in deutscher Sprache vor, während sonst — wie noch lange Zeit nachher — das Lateinische als internationale Gelehrtensprache auch in den akademischen Vorlesungen im Gebrauch war. Durch sein rücksichtsloses Vorgehen zog er sich die bittere Gegnerschaft der Ärzte und der Universitäts-Professoren zu, deren gespreiztes Auftreten in roten Mänteln er scharf verhöhnte. L u t h e r s Beispiele folgend, verbrannte er mit seinen Studenten im St. Johannis-Feuer 1527 die „Summa der Bücher", „auf daß alles Unglück mit dem Rauch in die L u f t gang." O b darunter der „Canon medicinae" von A v i c e n n a oder ein anderes angesehenes Werk von arabisch-hellenistischen Gelehrten zu verstehen ist, läßt sich nicht entscheiden. In heftigste Streitereien verwickelt, von einigen seiner Freunde und Schüler verleumdet, mußte er im Februar 1528 aus Basel flüchten. Nach kurzem Aufenthalt in Kolmar i. Elsaß hält er sich vorübergehend in Nürnberg und mehreren anderen Orten auf. Von
1. Paracelsus und seine Nachfolger
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1531 ab führt er ohne bestimmten Wohnsitz ein ruheloses Wanderleben. Meist im Sattel, das Schwert an der Seite, durchstreift er die Lande, treibt sich mit allerlei fahrendem Volk in den Schänken und Herbergen herum, trinkt in munterer Tafelrunde auch öfters über den Durst. Bei diesem bunt bewegten Vagantentum behält er jedoch sein Ziel unablässig im Auge: die Erforschung der Naturvorgänge und die Erneuerung der Heilkunde. Ja, er schreibt in kurzen Ruhepausen zahlreiche Büdier oder diktiert sie anderen in die Feder. Von 1535 ab beschäftigen ihn auch religiöse Fragen, über die er ebenfalls mehrere Schriften verfaßt. Wo sich Gelegenheit dazu bietet, übt er auch immer wieder ärztliche Praxis aus. Im Spätsommer 1541 trifft er müde und krank in Salzburg ein; vorzeitig gealtert, mit 47 Jahren ein gebrechlicher Greis. Nachdem er. noch seine geringe Habe durdi letztwiilige Verfügung den Armen und Heimatlosen vermacht hat, haucht er am 24. September 1541 seine unruhvolle Seele aus, bis zuletzt seinem Wahlspruch getreu: „Alterius non sit, qui suus esse potest." V o n den zahlreichen Schriften des P a r a c e l s u s sind die wichtigsten: „Arcbidoxa", „De tinetura physicorum", „Paramirun", „Paragranum", „Thesaurus thesaurorum alchemistorum", „De morbis ex tartaro oriundis", „Grosse Wundarzney". Viele Schriften sind ihm untergeschoben. W i e S u d h o f f nachgewiesen hat, sind im Laufe der Jahrhunderte nicht weniger als 376 verschiedene Ausgaben seiner Schriften erschienen. S u d h o f f und M a t t h i e s s e n haben dann in neuerer Zeit (1922—1933), eine kritische Ausgabe der echten P a r a c e l s u s - Schriften veranstaltet. P a r a c e l s u s hatte sich durch eifriges Experimentieren gründliche Kenntnisse in der Chemie angeeignet, und ging bei seiner ärztlichen Tätigkeit v o n der Anschauung aus, daß a l l e L e b e n s v o r g ä n g e c h e m i s c h zu deuten und auf chemischem Wege zu beeinflussen seien. Bei ihm kommt zum ersten Male (1528) das Wort „Chemy" statt der bis dahin gebräuchlichen Bezeichnung „Alchemie" vor. Er übernahm allerdings die alchemistischen Grundstoffe Schwefel und Quecksilber, denen er als dritten das Salz hinzufügte. „Mercurius" war ihm das Prinzip des Schweren, des Flüssigen und Flüchtigen, „sulphur" das Prinzip der Brenn-
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III.
Zeitalter
der
latrochemie
barkeit, der Hitze, und „sal" das Prinzip der Feuerbeständigkeit und "Wasserlöslichkeit. Diese „drei Principien" oder „tria prima" setzen alle Stoffe des Mineralreidis sowohl wie der Pflanzen und Lebewesen in wechselnder Mischung zusammen. Ist das richtige Mischungsverhältnis gestört, so treten Krankheiten auf. Zu viel Quecksilber verursacht Lähmungen und Schwermut, zu viel Schwefel Hitze und Fieber, zu viel Salz Wassersucht und Durchfall. Das gestörte Gleichgewicht kann durch Zufuhr geeigneter Chemikalien wieder in Ordnung gebracht, die Krankheit geheilt werden. In seinem „Paragranum" sagt P a r a c e l s u s : „Nicht als die sagen, Alchemia mache Gold, mache Silber. Hie ist das fürnehmen, mache arcana und richte dieselbigen gegen den krankheiten." So führte er an Stelle der Galenischen Latwergen, Dekokte und Mixturen bestimmte Chemikalien als Arzneimittel ein, darunter besonders verschiedene Schwermetallsalze, die bis dahin nur als Gifte bekannt waren. Er zeigte, daß es auf die Dosierung ankommt, wie die einzelnen Stoffe wirken sollen, damit in genialer Erkenntnis das sogenannte Arndt-Schultzsche Grundgesetz vorwegnehmend. Arsenverbindungen sowohl wie verschiedene Salze von Kupfer, Blei, Silber, Quecksilber, und Antimon wurden in den Arzneischatz eingeführt. Die Quecksilbersalze bewährten sich besonders bei der Behandlung der zu jener Zeit teilweise in erschreckender Form auftretenden Lustseuche, der Syphilis, die wahrscheinlich durch die Schiffsmannschaft des C o l u m b u s als Morgengabe der neuen Welt an die alte mitgebracht, dann von den in Norditalien kämpfenden französischen Truppen verschleppt, als „Franzosenkrankheit" ungeheuer schnelle Verbreitung fand.
Auch andere Chemikalien verwendete P a r a c e l s u s als Heilmittel; so z. B. Schwefelmild) und den Weingeist, dem er den Namen Alkohol (arabischer Name für ein sehr feines Pulver) gab, und ein Gemisch von Alkohol und Schwefelsäure, das später als „H aller sches Sauer" („Elixir acidum Halleri") noch lange in Gebrauch gewesen ist. Er betont besonders die Notwendigkeit, die verschiedenen Stoffe zu reinigen und auch das, was die Natur an Heilmitteln darbietet, durch entsprechende Behandlung zu vollenden. So
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macht er bereits Versuche, die wirksamen Bestandteile aus den Drogen und Heilpflanzen als „quinta essentia" herauszuholen. Indem er die Chemie ganz in den Dienst der Medizin stellt, wird P a r a c e l s u s zum Begründer der Iatrochemie und der sich daraus entwickelnden pharmazeutischen Chemie. Er hat auch bereits Vergiftungen durch Blei und andere schädliche Stoffe erkannt und damit die wissenschaftliche Toxikologie begründet. Bei all diesen grundsätzlichen Neuerungen blieb P a r a c e l s u s doch noch vielfach dem Mittelalter verhaftet. Neben den „tria prima" spielen bei ihm auch noch die vier empedokleischen Elemente eine Rolle; aus ihnen setzen sich die „drei Prinzipien" zusammen. Ein besonderer Geist, der „Archeus", soll die Verdauung regeln. Ein anderer, der „Tartarus" (gleichzeitig der Name des Weinsteins und des Gottes der Unterwelt mit ihren Höllenqualen) soll die Gicht und ähnliche Leiden verursachen. Chemie, Philosophie, Astrologie und Tugend erklärt er für die „vier Säulen der Medizin". Auf die große Bedeutung der Chemie weist er immer wieder hin. „Kein arzt darf on diese Kunst nicht seyn." Jedoch hat es lange gedauert, bis sich sein Standpunkt gegenüber dem Widerstand der schulmäßigen Medizin und der allgemeinen Ärzteschaft durchsetzte. Das als erstes deut:dies amtliches Arzneibuch 1547 in Nürnberg erschienene „Dispensatorium pharmacorum omnium" von V a l e r i u s C o r d u s (1515 bis 1544), der auch den „Schwefeläther" (Äthyläther) 1540 zuerst darstellte, ist noch ganz im Sinne der überkommenen arabischgalenischen Medizin abgefaßt. Die aus Amerika eingeführten neuen Heilpflanzen und Hölzer fanden schneller Aufnahme in den deutschen Arzneischatz. Die chemischen Heilmittel sind im allgemeinen erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts in den Apotheken zu finden. Die Anhänger und Nachfolger des Paracelsus sind sehr verschiedener Art. Teils sind es großprahlerische Scharlatane, die in erster Linie die rauhe Umgangsart und ungebundene Lebensweise des Meisters nachzuahmen suchten, dabei gewissenlos durch ungeschickte Anwendung der neuen chemischen „Heilmittel" mehr Unheil anrichteten, so daß sie „weit ärger als die Pest getobt" haben. Teils aber sind es auch ernste Männer, die mit wissenschaftlichem Verständ-
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III. Zeitalter der
Iatrochemie
nis und ärztlichem Pflichtgefühl ihren Beruf ausübten und segensreich wirkten. Besonders die Antimonpräparate waren es, mit denen viel Mißbrauch getrieben wurde. Bereits im Jahre 1566 wurden diese durch einen Beschluß des französischen Parlaments verboten, und 1603 entschied die medizinische Fakultät der Universität Paris im gleichen Sinne. Einige der Hauptvertreter dieser iatrochemisdien Richtung sollen hier genannt werden. Dabei ist zu bedenken, daß auch in den Köpfen dieser Männer immer noch der alte Alchemistentraum spukte und daß mancher von ihnen sich auch noch als „Goldmacher" abmühte. Eine der hervorragendsten Gestalten war L e o n h a r d T h u r n e y s s e r z u m T h u m (1530—1596), der Sohn eines Goldschmiedes in Basel. Anfangs das väterliche Gewerbe treibend, führte er bald ein unstetes Leben, betätigte sich als Aldiimist, trat auch, ohne die nötige Vorbildung erworben zu haben, als Arzt auf; vorübergehend war er in Kriegsdiensten, dann wieder in verschiedenen Tiroler Bergwerken tätig. Im Auftrage des Erzherzogs F e r d i n a n d bereiste er Schottland, Spanien, Portugal und andere Länder, bis er im Jahre 15/0 bei dem Kurfürsten J o h a n n G e o r g von Brandenburg, dessen Gemahlin er mit glücklichem Erfolg ärztlich behandelt hatte, im Granen Kloster zu Berlin eine bleibende Unterkunft fand. Dort wurde ihm ein Laboratorium eingerichtet, in dem er seine alchemistische Kunst betreiben konnte. Fast anderthalb Jahrzehnte hindurch hat er dort ein großartiges Leben geführt. Er hat sogar eine eigene Druckerei eingerichtet und bei allem marktschreierischen Wesen auch manche ernsthafte Untersuchung gemacht. So bemühte er sich als erster, die Zusammensetzung von Mineralwässern durch Abdampfen und Untersuchung des Rückstandes zu ermitteln. Da ihm aber als Alchemist der Boden unter den Füßen allmählich zu heiß wurde, flüchtete er im Jahre 1584 bei Nacht und Nebel aus Berlin nach der Schweiz. Er trieb sich in Oberitalien und in anderen Gegenden herum und starb nach jahrelangem Vagantentum 1596 in K ö 1 n. Derartige „dunkle Ehrenmänner" gab es zu jener Zeit viele. Ein ernsthafter Wissenschaftler war dagegen A n d r e a s L i b a u (1550 (?)—1616), der sich nach Humanistenart L i b a v i u s nannte.
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Aus Halle a. d. Saale gebürtig, studierte er in Jena, wo er zum Dr. med. promoviert und auch zum „poeta laureatus" ernannt wurde. Ein tüchtiger Mann konnte sich zu jener Zeit auf sehr verschiedenen Gebieten betätigen. So war L i b a u zunächst Lehrer an den Schulen in Ilmenau und Coburg, dann „Professor historiarum et poeseos" an der Universität Jena, bis er 1591 den Posten eines Stadtarztes in Rothenburg ob der Tauher übernahm, wo er gleichzeitig als „Inspector scholae" am Gymnasium Unterricht erteilte. Im Jahre 1607 wurde er Direktor des neu gegründeten „Gymnasium Casimiranum" in Coburg, wo er noch 9 Jahre wirken konnte. Von der großen Zahl seiner Schriften, unter denen sich auch „Exercitia logica", theologische Abhandlungen und lateinische Gedichte „Poemata", befinden, sind hier erwähnenswert: die „Alchymia collecta", 1595 erschienen und später als vorzüglichstes chemisches Lehrbuch wiederholt neu aufgelegt, die analytischen Lehrbücher „ A r x p r o b a n d i mineralia" und „De judicio aquarum mineralium" (1597) und „Alchymistische Practic" (1603). Dabei ist unter Alchymie nichst anders als die richtige Chemie zu verstehen. Seine „Opera omnia medicochymica" erschienen in drei Bänden 1616. L i b a v i u s w a r z w a r ein Anhänger und Verehrer v o n P a r a c e l s u s , w a r aber dessen Lehren gegenüber durchaus kritisch eingestellt und hat in seiner ärztlichen Praxis den v o n manchen anderen getriebenen Mißbrauch m i t chemischen H e i l m i t t e l n , w i e z. B. den Antimonpräparaten, gemieden. Als tüchtiger A n a l y t i k e r wies er den Gehalt der natürlichen Bleierze an Silber nach; andererseits hat er aber auch die grundsätzliche Möglichkeit der Metallumwandlung, in einer besonderen Schrift gegenüber der U n i v e r s i t ä t Paris verteidigt. Er untersuchte die Mineralwässer u n d wies in den Säuerlingen den Gehalt an Kohlensäure nach. Auch mit chemisch-technischen Fragen beschäftigte er sich viel. D e n „spiritus salis" g e w a n n er durch Glühen eines Gemenges v o n Kochsalz u n d T o n , Schwefelsäure stellte er durch Verbrennen v o n Schwefel und O x y d a t i o n der D ä m p f e an der L u f t oder durch Zusatz v o n Salpeter dar, und er wies deren A n wesenheit in den Vitriolen und A l a u n e n nach. Durch Erhitzen eines Gemenges v o n amalgamiertem Zinn und Quecksilbersublimat g e w a n n er das Zinntetrachlorid, das unter dem
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III.
Zeitalter
der
latrochemie
Namen „Spiritus fumans Libavii" seinen Namen in der Chemie bis heute lebendig gehalten hat. Auch mit verschiedenen anderen technischen Fragen, wie z. B. mit der Herstellung farbiger Gläser, hat er sich beschäftigt. Besonders bemerkenswert ist noch der von ihm entworfene Plan eines großartig ausgestatteten Laboratoriumsgebäudes mit allen möglichen, auch hygienischen Einrichtungen, der allerdings niemals zur praktischen Ausführung gekommen ist. Auch einen amtlichen Vertreter der latrochemie an einer deutschen Universität hat es gegeben. Der um die Förderung der "Wissenschaften sehr verdiente Landgraf M o r i t z von Hessen ernannte seinen ehemaligen Hof-Mathematiker J o h a n n e s H a r t m a n n (1563—1631), der dann als Mathematik-Professor noch Medizin studiert hatte, im Jahre 1609 zum Professor der „Chymiatrie" an der Universität Marburg. Als solcher gründete dieser das erste chemische UniversitätsLaboratorium, in dem er seine Studenten arbeiten ließ. Seine für den Laboratoriumsunterricht zur Darstellung der medizinischen Präparate verfaßte Anleitung wurde nach seinem T o d e 1633 als „Praxis chymiatrica" herausgegeben. Dieses erste akademische Unterrichtslaboratorium stand also ganz im Dienste der latrochemie. Von einem andern vorzüglich eingerichteten Universitäts-Laboratorium wird aus dem Jahre 1683 in Altdorf berichtet. Dort hatte die Freie Reichsstadt Nürnberg 1623 eine Universität errichtet, die bis 1809 bestanden hat.
Auch in den außerdeutschen Ländern sind einige hervorragende Vertreter der latrochemie zu nennen. Der aus Genf stammende T h e o d o r T u r q u e t d e M a y e r n e (1573 bis 1655) machte sich als tüchtiger Arzt in Paris einen Namen und wurde der Leibarzt des französischen Königs. Seine übermäßige Anwendung der Antimonpräparate veranlaßte die medizinische Fakultät 1603, diese den Ärzten überhaupt zu verbieten. Den dadurch entstandenen Mißhelligkeiten entzog sich T u r q u e t d e M a y e r n e , indem er 1611 nach London übersiedelte, wo er dann auch Leibarzt der Könige J a c o b I. und J a c o b I I . war und wo er als 82jähriger starb. Als Chemiker erwarb er sich durch eigene Versuche mancherlei
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Kenntnisse. So stellte er unter anderem die Brennbarkeit des durch Einwirkung von Säuren auf Eisen entwickelten Gases fest, ohne aber den Wasserstoff als solchen näher charakterisieren zu können.
Der Italiener A n g e l u s S a l a (1576(?)—1637) aus Vicenza in Venetien war als tüchtiger Arzt und Chemiker an verschiedenen Orten außerhalb seines Vaterlandes tätig, in Zürich, in den Haag und in Hamburg. 1625 wurde er Leibarzt des Herzogs von Mecklenburg.
Er führte das Silbernitrat als „Lapis infernalis" („Höllenstein") in den Arzneischatz ein und bekämpfte die Geheimmittel, indem er gleichzeitig wertvolle Anweisungen für die Bereitung verschiedener Arzneien gab. Er erkannte die Zusammensetzung des Salmiaks aus Salzsäure und flüchtigem Laugensalz, die Fällung von Kupfer durch Eisen, die Entwicklung von Salpetersäure aus Salpeter durch Schwefelsäure und einige andere chemische Vorgänge.
Die bedeutendste Gestalt unter den Nachfolgern von P a r a c e l s u s ist J o h a n n B a p t i s t v a n H e l m o n t (1577—1644), der, als Sproßeines alten brabantischen Adelsgeschlechts in Brüssel geboren, an der Jesuiten-Universität Löwen zunächst Philosophie und Theologie studierte, sich dann aber bald mit größtem Eifer den Naturwissenschaften (Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie) und der Medizin zuwandte und 1599 zum Dr. med. promoviert wurde. Nach größeren Reisen, die ihn nach Frankreich, Italien und auch nach London führten, kehrte er 1605 in die Heimat zurück, verheiratete sich und führte als sehr wohlhabender Mann — er war auch Graf von Merode — in Vilvorden, einem Vorort von Brüssel, das zurückgezogene Leben eines Naturforschers und Arztes, in jeder Beziehung das völlige Gegenteil des Begründers der Iatrochemie. Obwohl er nach außen sehr wenig hervortrat — auch verschiedene Berufungen, z. B. nadi Wien, lehnte er ab —, war sein Einfluß auf die Zeitgenossen sehr groß. Er veröffentlichte sehr wenig und wurde doch eine europäische Berühmtheit. Erst nach seinem Tode wurden von seinem Sohne seine gesammelten Schriften 1648 unter dem Titel herausgegeben: „Ortus medicinae vel
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der
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opera et opuscula omnia", die dann auch in französischer, englischer und deutscher Übersetzung erschienen. Ein v o n ihm verfaßtes Arzneibuch „Pharmacopolium ac dispensatorium moderneum" wurde ebenfalls erst 1648 gedruckt. In seinen Anschauungen konnte sich v a n H e l m o n t trotz nüchterner Naturbetrachtung in mancher Beziehung von den überkommenen Vorstellungen nicht frei machen. Er glaubte an die Metallumwandlung und an den „Stein der WeisenEin Universallösungsmittel „Alkahest", das im Mittelalter und auch bei P a r a c e l s u s eine Rolle spielte, wurde von ihm ebenfalls angenommen. Ebenso glaubte er an den paracelsischen Lebensgeist „Archeus", der alle biologischen Vorgänge beherrschen sollte. Und manche andere hödist sonderbar anmutende mystische Anschauungen sind bei ihm zu finden. So äußerte er z. B. die Ansicht, daß sich in einem Gefäß mit Mehl und beschmutzter Wäsche Mäuse bilden könnten. Wenn man ihm im einzelnen auch derartige Zugeständnisse an den „Geist seiner Zeit* machen muß, so war er doch im übrigen ein ernster und nüchterner Naturforscher, der durch eigene Versuche die Wahrheit zu ergründen suchte, und der sich auch tatsächlich große Verdienste um die Chemie erworben hat. In ihm haben wir den eigentlichen Schöpfer der Gaschemie zu verehren. Auch als Begründer der physiologischen Chemie kann man ihn betrachten. Und er hat zahlreiche Versuche ausgeführt, um das Gesetz der Erhaltung des Stoßes experimentell zu beweisen. v a n H e l m o n t s Grundanschauungen waren folgende: Alles Stoffliche hat zwei innere Ursachen: 1. die „materia", das Substrat der Dinge, das „initium, ex quo"; 2. die „causa efficiens", das „initium seminale, per quod" oder das wahre „Urferment", das innere „Agens". Die Materie ihrerseits besteht aus zwei ursprünglichen Grundstoffen oder „elementa primogenia", Wasser und Luft, die nicht ineinander verwandelbar sind. Die Erde ist kein Element, sie ist aus Wasser entstanden. D i e drei „Principien" von P a r a c e l s u s , Quecksilber, Schwefel und Salz, sind keine eigentlichen Grundstoffe und spielen eine sekundäre Rolle. D i e verschiedenen Eigenschaften der einzelnen Stoffe beruhen auf verschiedener räumlicher Anordnung der drei „Principien". Das ist eine Vorstellung, die zweieinviertel Jahrhunderte später
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(1874) ein anderer großer Niederländer, J a c o b u s H e n r i c u s v a n ' t H o f f , durch die Aufstellung der Stereochemie des Kohlenstoffs in vollendeter Form entwickelte. Von ganz besonderer Bedeutung sind v a n H e l m o n t s Untersuchungen der Gase, die er zum ersten Male streng von den Dämpfen unterscheidet. Beide sind „Dunst", „halitus", aber die Dämpfe verflüssigen sich in der Kälte wieder. Er hat auch das aus dem schon von P a r a c e l s u s benutzten griechischen „Chaos" ( = leerer Raum) abgeleitete Wort „Gas" in die chemische Sprache eingeführt: „Hunc spiritum incognitum hactenus novo nomine Gas voco, qui nec vasis cogi, nec in corpus visibile reduci, nisi extincto prius semine potest." In erster Linie hat er sich mit der Kohlensäure beschäftigt, die er „gas sylvester", bisweilen auch „gas carboneum" nannte. Er erkannte, daß es dieselbe Gasart war, die bei der Einwirkung von Säuren auf Marmor oder Pottasche, beim Verbrennen von Kohle, oder bei der alkoholischen Gärung entwickelt wird; daß diese auch in den natürlichen Säuerlingen enthalten ist und in der Hundsgrotte bei Neapel aus der Erde quillt. Ihre feuerauslöschende Wirkung hat sie mit einigen anderen Gasen, wie Schwefeldioxyd und Stickoxyd, gemeinsam. Aber auch brennbare Gase untersuchte er: das Sumpfgas und die beim Auflösen von Eisen oder Zink in Säure oder bei der trockenen Destillation organischer Stoffe entwickelte „Luftarten", „gas flammeum", „pingue" oder „ventosum". Er untersuchte den Verbrennungsvorgang und stellte fest, daß ein Teil der Luft dabei verbraucht wird. Auch sonst machte er einige wichtige Beobachtungen: z. B. daß sich Salpeter beim starken Erhitzen in gewöhnliches „Laugensalz" verwandelt, daß sich Kieselerde durch Erhitzen mit Alkali in eine wasserlösliche Schmelze überführen läßt, aus deren Lösung sie durch Zusatz von Säure wieder ausgeschieden werden kann. Von den übrigen Iatrochemikern sind noch zwei erwähnenswert, ein Holländer und ein Deutscher, die die Iatrochemie auf ihre letzte Höhe geführt haben, bevor sie, 5 Gesdiidite der Chemie I
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III. Zeitalter der latrochemie
von der fortschreitenden Wissenschaft überholt, gänzlich verfiel. F r a n ç o i s d e l e B o ë S y l v i u s ( d u B o i s ) (1614 bis 1 6 7 2 ) in Hanau geboren, aber aus holländischer Familie stammend, war nach vollendetem medizinischem Studium als Arzt in Hanau und in Amsterdam tätig, bis er 1658 an die Universität Leyden berufen wurde, wo er als hochangesehener Arzt und akademischer Lehrer bis zu seinem T o d e wirkte. Unter v a n H e l m o n t s Einfluß stehend, machte er sich jedoch von dessen teils mystischen Anschauungen (Archëus usw.) frei und suchte alle normalen und pathologischen physiologischen Vorgänge ohne die Annahme spiritualistischer Kräfte rein chemisch zu erklären. Atmung und Verbrennung betrachtete er als gleichartige Vorgänge. Den Unterschied zwisdien arteriellem und venösem Blut schrieb er der Wirkung der eingeatmeten Luft zu. Für den normalen Ablauf der biologischen Vorgänge machte er in erster Linie den Gehalt an Säure und Alkali verantwortlich. Durch das Vorwalten des einen oder anderen wird Krankheit verursacht, die deshalb auch entsprechend chemisch zu heilen ist. Die gesamte Medizin sollte zur angewandten Chemie werden. Neben Säuren (Salpetersäure, Essigsäure) und Laugen (flüchtiger Hirsdihorngeist) verwendete er besonders die Schwermetallsalze (von Silber, Quecksilber, Zink, Antimon) als innere Medikamente. Den Glauben an den Stein der Weisen und an die Metallverwandlung teilte er mit seinen Zeitgenossen. Mit der Annahme, daß der Schwefel aus Schwefelsäure und einem brennbaren ö l zusammengesetzt sei, näherte er sich dem Standpunkt der späteren Phlogistoncbemie. Der Westfale O t t o T a c k e oder T a c h e n i u s , von dem Geburts- und Sterbejahre unbekannt sind, aus Herford stammend, wandte sich zunächst der Pharmazie zu, ging dann 1644 nach Italien, wo er Medizin studierte und als Arzt in Padua, später in Venedig wirkte. E r hatte ein ganz besonders gutes chemisches Verständnis und war in der Beziehung seiner Zeit voraus; wenn er auch einzelne alt überkommene Vorstellungen beibehielt, z. B. die Annahme des All-Lösungsmittels „ Alkahe st". Während man unter Sah bis dahin alle wasserlöslichen Stoffe zu verstehen pflegte, erklärte T a c h e n i u s die Salze für Ver-
2. Angewandte
H. techn. Chemie während d. iatrochem. Zeitalt.
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bindungen von Säure und Alkali. Er erkannte auch das Glas für ein Salz der Kieselsäure und vermutete in den ölen und Fetten eine „verborgene Säure", fast zweihundert Jahre, bevor C h e v r e u 1 die Konstitution der Fette aufklärte. Bei ihm finden wir die ersten Anfänge der diemischen Analyse auf nassem Wege, z. B. den Nachweis der verschiedensten Schwermetallsalze in wässriger Lösung durch Galläpfeltinktur oder die Fällungsreaktion von Chloriden durch Silberlösung, die von Quecksilberlösungen mit Ammoniak und mit Alkali. Sogar quantitative Versuche führte er aus. So stellte er fest, daß das Blei beim Übergange in Mennige etwa ein Zehntel an Gewicht zunimmt. T a c h e n i u s w a r der letzte bedeutende Iatrochemiker. Diese Forschungsrichtung m u ß t e t r o t z einer beachtlichen E n t w i c k l u n g d e r chemischen K e n n t n i s s e scheitern, weil sie noch g a r nicht f ä h i g sein k o n n t e , d i e v o n i h r a u f g e s t e l l t e n P r o b l e m e einer rein chemischen E r k l ä r u n g a l l e r biologischen V o r g ä n g e z u lösen. So teilte sie d a s Schicksal m i t i h r e r V o r g ä n g e r i n , d e r A l d i e m i e , die e b e n f a l l s ein u n e r r e i c h b a r e s Z i e l verfolgt hatte.
2. Angewandte und technische Chemie während des iatrochemischen Zeitalters "Während des M i t t e l a l t e r s h a t t e sich n e b e n d e n alchemistischen B e s t r e b u n g e n auch d a s a u f die p r a k t i s c h e G e w i n n u n g v o n M e t a l l e n u n d a n d e r e n technischen R o h s t o f f e n gerichtete Berg- und Hüttenwesen allmählich immer mehr entwickelt. N a c h d e r E r f i n d u n g d e r Feuergeschütze w a r e n die s o g e n a n n ten Feuerwerksbücher d i e j e n i g e n S c h r i f t e n , in d e n e n d i e Büchsenmeister, o f t M ä n n e r h ö h e r e n S t a n d e s u n d in a n gesehenen S t e l l u n g e n , nicht n u r i h r e K e n n t n i s s e a u f d e m G e b i e t e des Geschützwesens einschließlich d e r G e w i n n u n g d e r Schieß- u n d S p r e n g s t o f f e n i e d e r l e g t e n , s o n d e r n auch ü b e r d i e verschiedensten G e b i e t e d e r T e c h n i k , des I n g e n i e u r w e sens, d e r M e t a l l k u n d e , des M ü n z w e s e n s u s w . berichteten. Eine Schrift mit derartig vielseitigem, auch medizinischem Inhalt und mit den schönsten Abbildungen versehen ist das aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts stammende sogenannte 5*
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III.
Zeitalter
der
Iatrochemie
„Mittelalterliche Hausbuch". Daneben wurden zahlreiche andere Einzelschriften durch Druck veröffentlicht, die Titel trugen wie: „Destillirbüchlein", „Kunst- und Aichemiebüchlein", „Bergbüchlein" usw. Darin finden sich die verschiedensten Vorschriften für die Darstellung chemischer Produkte, Bearbeitung von Metallen, von Perlen und Edelsteinen, im Gemisch mit allerlei alchemistischen Überlieferungen. In dem alten Kulturlande Italien, w o sich neben den weitreichenden Handelsbeziehungen, besonders im Bezirk von Venedig (Murano). allmählich auch eine gewisse Industrie (Metallurgie und Glashüttenwesen) entwickelte — in Mailand wurde besonders der Messinggu& gepflegt, in Tolfa im Bezirk von R o m unter päpstlicher Herrschaft die Alaungewinnung — finden wir auch den Mann, der das erste H a n d buch der chemischen Technologie verfaßt hat: V a n n o c c i o B i r i n g u c c i o (1480—1538). In Siena geboren, war er dort im Dienste des Stadttyrannen P a n d o l f o P e t r u c c i als Architekt, Büchsenmeister, Metallurge und technischer Chemiker tätig. Er war ein ausgesprochener Gegner der Alchemie. In der kampferfüllten, wildbewegten Zeit hat er ein sehr wechselvolles Schicksal erlitten. Das Meisterstück seiner Metallgießkunst war ein Bronzerohr von 6,7 m Länge, eins der größten Geschützrohre, die je gegossen worden sind. B i r i n g u c c i o machte auch größere Studienreisen nach Süddeutschland, wo er die Bergwerke und Hütten kennenlernte. Nachdem er, zeitweise als Geächteter vertrieben, noch oberster Dom-Baumeister in Siena geworden war, trat er schließlich 1538 in den Dienst des Papstes und ist dann bald darauf in Rom gestorben. Seine reichen Erfahrungen und Kenntnisse legte er in dem umfassenden W e r k e „De la pirotechnia lihri X" nieder, das erst nach seinem T o d e im J a h r e 1540 in Drude erschien. Dieses ist in der Folgezeit noch mehrmals gedruckt worden; bis zum Jahre 1 6 7 8 sind noch vier italienische Auflagen und drei in französischer Übersetzung erschienen. In Deutschland w a r der Hauptvertreter dieser Richtung G e o r g A g r i c o l a (eigentlich B a u e r ) ( 1 4 9 4 — 1 5 5 5 ) . In Glauchau in Sachsen geboren, studierte er zunächst an der Universität Leipzig Theologie, Philosophie und Philologie, und lehrte dann als „Magister artium" zwei Jahre an der Stadtschule
2. Angewandte
u. techn. Chemie
während
d. iatrochem.
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in Zwickau. H i e r v e r f a ß t e er auch eine lateinische G r a m m a t i k , die 1 5 2 0 in Leipzig erschien. Sein Wissensdrang führte ihn aber auf die U n i v e r s i t ä t zurück, w o er sich hauptsächlich medizinischen Studien widmete, die er an italienischen Universitäten, in Bologna und Padua und auch in Venedig, fortsetzte. N a c h dieser gründlichen Ausbildung kehrte er in sein V a t e r l a n d zurück und ließ sich 1 5 2 7 als S t a d t a r z t in der neu gegründeten B e r g s t a d t St. Joachimsthal nieder. E i n Altersgenosse von P a r a c e l s u s , ging er jedoch seine eigenen W e g e . D e r Bergbau und das Hüttenwesen nahmen sein Hauptinteresse in Anspruch. U n d ganz besonder suchte er die einzelnen Mineralien genauer kennenzulernen, was ihn auch veranlaßte, sich eingehend mit C h e m i e zu beschäftigen. I m J a h r e 1 5 3 3 siedelte er nach Chemnitz über, wo er als Stadtphysikus tätig w a r und auch mehrmals das A m t des Bürgermeisters innehatte. Seine Verdienste um die Kenntnis der Mineralien sind derartig, d a ß m a n ihn als den Begründer der wissenschaftlichen Mineralogie bezeichnen kann.
Während der sechs Jahre seines Aufenthalts in Joachimsthalj die für sein ganzes ferneres Leben bestimmend wurden, schrieb oder bereitete A g r i c o 1 a seine Werke vor, die, wie G o 0 t h e in seiner Farbenlehre sagt, „den ganzen Kreis des alten und neuen Bergbaues, alte und neue Erz- und Steinkunde umfassen, und die uns als ein köstliches Geschenk vorliegen." Im Jahre 1530 erschien sein Buch: „Bermannus sive de re metallica dialogus", in dem ein wissenschaftliches Gespräch zwischen einem Bürger von Joachimsthal, dem mit ihm befreundeten L o r e n z B e r m a n , und zwei gelehrten Ärzten über verschiedene Erze und Mineralien wiedergegeben wird. Und zwar handelt es sich um die Frage, welche Mineralien die Griechen und Römer wohl unter den überlieferten Namen verstanden hätten. Dabei kommen sie zu dem Schluß, daß die tatsächlichen Verhältnisse viel mannigfaltiger sind, als den alten Schriftstellern, wie D i o s k o r i d e s und P 1 i n i u s, bekannt war. Man solle daher seine Kenntnisse nicht aus den alten Schriften holen, sondern sie durch eigene Untersuchungen erwerben. Dabei wird eine Fülle neuer Beobachtungen über das Vorkommen von Silber-, Blei- und anderen Erzen mitgeteilt, vor allem auch zum ersten Male über das neue Metall Wismut.
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III.
Zeitalter
der
latrochemie
Erst 16 Jahre später kamen von ihm in Basel einige andere Werke mineralogisch-geologischen Inhalts heraus: „De ortu et causis subterraneorum", „De natura, fossilium", „De veteribus et novis metallis" usw. Unter „fossilia" sind die Mineralien zu verstehen. Wenn A g r i c o l a auch natürlich im allgemeinen den alchemistischen Anschauungen huldigt, so lehnt er aber doch die Goldmacherei entschieden ab. Eine eigentliche chemische Analyse ist ihm noch unbekannt. Die Erze und Mineralien beschreibt und beurteilt er hauptsächlich nach ihren äußeren Eigenschaften, wobei auch der Geschmack und der Geruch eine Rolle spielen. Audi geologische Fragen, wie Entstehung der Gebirge, U m bildungen durch den Einfluß des Wassers usw., behandelt er. Und bei alledem macht sich seine historisch-philologische Einstellung immer wieder geltend.
Sein Hauptwerk, dessen Druck er nicht mehr erleben sollte, trägt den Titel: „De re metallica libri XII". Mit über 300 Holzschnitten ausgestattet, ist dieses Werk, das über das ganze damalige Berg-und Hüttenwesen in eingehender Weise Auskunft gibt, 1556 in Basel erschienen. Im folgenden Jahre kam eine von dem Baseler Professor B e c h i u s veranstaltete deutsche Übersetzung heraus. Auf die alten deutschen „Feuerwerksbücher" zurückgehend, aus anderen Quellen, vor allem der „Pirotechnia" von B i r i n g u c c i o (von dem er einzelne Abschnitte ganz übernommen hat) schöpfend, und auf Grund eigener sorgfältiger Beobachtungen hat A g r i c o l a mit diesem „Bergwerksbuch" ein großartiges Handbuch des Bergbaues, der Hüttenkunde und der chemischen Technologie geschaffen, das bis Ende des 18. Jahrhunderts in Gebrauch gewesen ist. Neuerdings hat der Verein Deutscher Ingenieure eine vorzüglich ausgestattete deutsche Ausgabe mit genauen Nachbildungen der Originalholzschnitte veranstaltet, nachdem schon vorher eine Ausgabe in englischer Sprache in Amerika erschienen war. In den einzelnen Abschnitten dieses Bergwerksbuches wird die Probierkunst genau beschrieben, und es wird eingehend Auskunft gegeben über die Bearbeitung der Erze, das Rösten, die Gewinnung und Reinigung des Schwefels, Darstellung der Schwermetalle, Ausseigern des Silbers mit Blei, Trennung von
2. Angewandte u. techn. Chemie während d. iatrochem. Zeitalt.
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Gold und Silber usw. Audi die Darstellung verschiedener chemischer Präparate, wie Salpeter, Alaun, grüner Vitriol und dergl. wird beschrieben. Neben dem Wismut wird auch da* Zink als neues Metall aufgeführt, das wohl zuerst als Nebenprodukt des Rammeisberges in den Schmelzöfen von Goslar gewonnen wurde, von dem aber die Kunde erst durch A g r í c o l a s Handbuch sich weiter verbreitete. Es wird zunächst noch mit verschiedenen N a m e n bezeichnet als „Kobelt", „Conterfey", „Cadmia metallica", während unter „Zink" meistens das Erz (Galmei) verstanden wird. Ebenso wie das Wismut galt das Zink zunächst nicht als echtes Metall, zumal dadurch die heilige Siebenzahl, die den himmlischen Wandelsternen entsprach, um zwei überschritten wurde. Erst 1617 wird von L ö h n e y s s in seinem „Buch vom Bergwerk* das W o r t „Zink" zum ersten Male eindeutig auf das Metall angewendet, wobei aber Zink und Wismut noch miteinander verwechselt werden. Als Förderer der technischen Chemie in außerdeutschen Ländern sind noch einige andere zu nennen: zunächst der Franzose B e r n a r d P a l i s s y (1499 (?)—1589), der sich vom einfachen T ö p f e r zum angesehenen Gelehrten emporarbeitete. Er bekämpfte den Autoritätsglauben und wollte sich nur auf die Ergebnisse eigener Versuche verlassen. Vor allem machte er sich um die höhere Entwicklung der Keramik verdient, um die Herstellung von Emaille auf T o n , Glasuren mit Blei- und Zinnschmelzen und ganz allgemein um die Bereitung der Fayence (von der italienischen Stadt Faenza abgeleitet). Seine Schriften „L'art de terre" und „Des terres d'argile" wurden sogar 1777 und 1844 nochmals neu gedruckt. P a l i s s y k a n n in gewissem Sinne als Vorläufer von L i e b i g bezeichnet werden, indem er die Notwendigkeit erkannte, dem Ackerboden die durch die Pflanzen entzogenen Mineralstoffe durch Zusatz entsprechender Chemikalien wieder zuzuführen. Er empfahl den Landwirten Mergel als Kunstdünger. Der Italiener G i o v a n n i B a p t i s t a d e l l a P o r t a (1538—1615) war ein Mann ganz anderer N a t u r , ein Poly-
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III.
Zeitalter
der
Iatrochemie
histor, der sein Wissen aus Büchern und a u f umfangreichen Reisen durch mehrere europäische L ä n d e r zusammenholte. Sein Hauptwerk „Magiae naturalis libri IV", 1558 erschienen, stellt eine Art Konversationslexikon des gesamten damaligen naturwissenschaftlichen Wissens dar. Es wurde in fünf Sprachen übersetzt und erschien in Nürnberg 1612 als „Natürliche Magie". Eines ähnlichen Ansehens hat sich der böhmische Bergmeister L a z a r u s E r c k e r mit seinem 1574 in Prag erschienenen Buche „Aula subterránea" oder „Beschreibung aller fürnemisten Mineralischen Ertz- und Bergwercksarten usw." zu erfreuen gehabt, das über anderthalb Jahrhunderte lang als maßgebendes Werk über Metallurgie galt und noch im Jahre 1736 in Frankfurt neu gedruckt worden ist. D e r bedeutendste V e r t r e t e r und F ö r d e r e r der a n g e w a n d ten und technischen Chemie im 17. J a h r h u n d e r t w a r J o h a n n R u d o l p h G l a u b e r ( 1 6 0 4 — 1 6 7 0 ) ; sein Leben fällt zum T e i l in die Zeit des großen Krieges, der alle kulturelle und wirtschaf tliche Entwicklung jäh unterbrochen und Deutschland 3 0 J a h r e lang verwüstet hat. Als Sohn eines Barbiers in Karlstadt in Franken geboren, hat er, früh verwaist, ein unstetes, wechselvolles Leben geführt, so daß man ihn den „Paracelsus des siebzehnten Jahrhunderts" genannt hat. Seine Bedeutung ist ebenso wie die des Begründers der Iatrochemie vielfach verkannt worden. Beide konnten noch 1787 von dem Leipziger Professor J o h . C h r i s t o p h A d e l u n g (1732—1806) in seiner „Geschichte der menschlichen Narrheit" als die Muster von typischen Scharlatanen aufgeführt werden. Nach eigener Aussage hat G 1 a u b e r auf seinen rastlosen Reisen „ein ziemlich Theil von Europa" kennengelernt. Über seinen buntbewegten Lebenslauf ist nur wenig zuverlässig bekannt. In verschiedenen Stellungen, zeitweise auch als Apotheker, war er in Gießen, Frankfurt und anderen Orten tätig. Schließlich taucht er 1646 in Holland auf, wo er sich in Amsterdam auf zwei Jahre niederläßt, nach einer gescheiterten ersten Ehe eine zweite eingeht und im Laboratorium eifrig tätig ist. Nach Friedensschluß (Oktober 1648) kehrt er in „das geliebte Vatterland" zurück, richtet sich erst in Wertheim, dann in Kitzingen wieder ein Laboratorium ein und treibt Weinhandel. V o m Kurfürsten von Mainz erhält er ein Privileg zur Herstellung von Weinessig. antimonalis" Als wirksames Heilmittel gibt er seine „ P a n a c e a
2. Angewandte
u. techn. Chemie während d. iatrochem. Zeitalt.
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(Antimonpentasulfid) „umbsonst an Reich und Arm". Audi schreibt er eine „Pharmacopoea spagyrtca" (Nürnberg und Amsterdam 1654). In höchst verdrießliche Streitereien verwickelt, verläßt er 1654 Kitzingen und siedelt wieder nach Amsterdam über. In seinem unermüdlichen Forscher- und Tatendrange richtet er sich von neuem ein großes Laboratorium ein, in dem er zeitweise sechs Mitarbeiter beschäftigt. Auch ein Getreideversuchsfeld zur Erprobung von künstlichem Dünger auf sandigem Boden legt er an. Nach einigen Jahren erkrankt er jedoch an einer Lähmung, die ihn von 1666 an ganz ans Bett fesselt. Unablässig tätig, hat er in dieser mißlichen Lage noch vier Jahre verbracht; als Sechsundsechzigjähriger ist er 1670 gestorben.
Ähnlich wie P a r a c e l s u s war G 1 a u b e r trotz aller Unruhe bei seinem wechselvollen Leben ein außerordentlich fleißiger Schriftsteller; er hat etwa 40 Bücher verfaßt. W ä h rend der ersten Jahre seines zweiten Amsterdamer Aufenthalts schrieb er das sechsbändige Werk „Des Teutschlands Wolfarth", das in Amsterdam 1656—1661 erschien. Die wichtigsten seiner Schriften, von denen noch „Opus minerale", „Miraculum mundi", „De natura salium" erwähnt seien, wurden 1661 als „Opera omnia" in sieben Bänden herausgegeben; sie sind später noch mehrmals, auch in französischer und englischer Ubersetzung, gedruckt worden. Eine kurze Zusammenfassung seiner Lehren erschien 1668 als „Glauberus concentratus" oder „Laboratorium Glauberianum". Einige seiner letzten Schriften, z. B. „De tribus principiis metallorum" (1666), „De Elia Artista" (1668), „De igne secreto philosophorum" (1669), sindganz alchemistischen Inhalts. So finden wir bei ihm auch noch das allgemeine Auflösungsmittel „Alkahest" mit seiner Heilkraft in allen Krankheiten sowohl wie das „Aurum potabile". Das sind noch zeitbedingte Zugeständnisse. G 1 a u b e r s Bedeutung liegt vor allem in dem Verdienst, das er sich um die praktische Anwendung der Chemie erworben hat. Und das ist außerordentlich groß. Man könnte ihn als den Begründer der chemischen Industrie bezeichnen, nicht nur der anorganischen, sondern auch der ersten Anfänge der organischen Chemie. Seiner schöpferischen Tätigkeit ist
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III. Zeitalter
der
Iatrochemie
außerdem eine große Menge wissenschaftlicher Beobachtungen und auch Begriffsbildungen zu verdanken, so daß dieser Autodidakt auch der wissenschaftlichen Chemie seinen geistigen Stempel aufgedrückt hat. Auf dem Gebiete der anorganischen Chemie hat sich G l a u b e r vor allem mit der Darstellung der Mineralsäuren beschäftigt. In seinem 1648—1650 in Amsterdam erschienenen fünfbändigen Werke „Furni novi philosophici" gibt er dafür die Vorschriften, soweit er diese zur öffentlichen Kenntnis geben wollte. Einige von ihm erst durch mühselige Versuche entwickelte Verfahren hat er auch, man könnte sagen als „patentierte", geheimgehalten und nur gegen besondere Vergütung anderen mitgeteilt. Die Schwefelsäure gewinnt er sowohl durch trockene Destillation von Alaun und Vitriolen wie auch durch Verbrennen von Schwefel, wobei er das „Oleum acidi vitrioli" der fraktionierten Destillation unterwirft. Die Salpetersäure lehrt er als „Aqua-fort" oder „Starkwasser" sowohl wie als „Spiritus nitri fumans Glauben" darstellen. Durch Einwirkung von arseniger Säure auf Salpeter erhält er sogar das noch ganz unbekannte blaue Distickstofftrioxyd, das sich bereits bei gewöhnlicher Temperatur wieder zersetzt. Zur Darstellung der Salzsäure gewinnt er den „Spiritus salis' auf verschiedene Weise (z. B. durch Verbrennen von salzgetränkter Holzkehle oder durch Auftragen eines Gemisches von Kochsalz und Vitriol oder Alaun auf glühende Holzkohle); am vorteilhaftesten aber nach seinem Geheimverfahren durch Einwirkung von Vitriolöl auf Kochsalz. Außer der gewöhnlichen konzentrierten Salzsäure stellt er auch die rauchende dar, die nodi fast zwei Jahrhunderte als „Spiritus" oder „Acidum salis fumans Glauberi" bezeichnet wurde. Das gabei entstehende schön kristallisierende Natriumsulfat, dessen wunderbare Eigenschaften zu beschreiben er nicht müde wird, hält als „Sal mirabile Glaubeti" oder als „Glaubersalz" noch heute seinen Namen in der Chemie lebendig. Aus den gereinigten Säuren und Basen konnte er verschiedene bis dahin noch unbekannte Salze, wie z. B. Ammoniumsulfat, das „Sal ammoniacum secretum Glauberi", gewinnen und durch fraktionierte Kristallisation in einer ungewöhnlichen Reinheit darstellen. Den Begriff „Salz" beschränkte er — ebenso wie T a c h e n i u s (s. S. 66) — auf die binären Verbindungen von Säure und Base. Er untersuchte auch die wechselseitigen Umsetzungen der verschiedenen Salze und machte wie T a c k e Versuche zur chemischen Analyse auf nassem Wege.
2. Angewandte u. tedin. Chemie während d. iatrochem. Zeitalt.
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Beim Neutralisieren von Pottasche- oder Sodalösungen durdi Zusatz von Salzsäure benützte er das Aufhören der Kohlesäureentwicklung als „Indikator". Auch mehrere organisch-chemische Verbindungen hat G l a u b e r in seinem Laboratorium, das sich zu einer kleinen Fabrik chemischer Präparate entwickelte, dargestellt. Den Weingeist entwässert er mit geglühter Pottasche und er unterwirft ihn, ebenso wie den Essig und die durch trockene Destillation gewonnene „Holzsäure" der fraktionierten Destillation. Er stellt die verschiedensten Salze der Essigsäure dar und gewinnt sogar manche bis dahin noch ganz unbekannte Produkte, wie Aceton und Akrolein. Auch die Steinkohle hat er zu seinen Untersuchungen herangezogen, und er hat, wie sich bei näherer Prüfung seiner Angaben herausstellt, bereits Benzol und Phenol aus den Destillationsprodukten isolieren können. Das letztere beschreibt er als „hitziges und blutrothes Oleum, welches alle feuchte Ulcera gewaltig trocknet und heilet". So hat G l a u b e r schon zwei Jahrhunderte vor der wissenschaftlichen Großtat L i s t e r s (1867) die antiseptische Wirkung der Karbolsäure entdeckt. Die wirksamen Stoffe der Arzneipflanzen suchte G1 a u b e r durch Behandeln der zerschnittenen Pflanzenteile mit warmer Salpetersäure oder auch Schwefelsäure zu gewinnen, und durch Zusatz von Pottaschelösung erhält er als „zarte Pulver" tatsächlich die Pflanzenbasen oder Alkaloide, deren Entdeckung anderthalb Jahrhunderte später (1805) den Namen S e r t ü r n e r unsterblich gemacht hat.-"Wie aus seinen Berichten hervorgeht, hat G 1 a u b e r tatsächlich schon Morphin, Brucin und Strychnin in Händen gehabt. Die Gewinnung der aromatischen Öle und die Darstellung von Brechweinstein hat er verbessert. Er hat ferner das Vorkommen von Traubenzucker im Honig und anderen Naturerzeugnissen beobachtet und in der Färbereitt&xük verbessernde Vorschläge gemacht. So hat dieser ganz auf sich und seine mit unverdrossenem Eifer ausgeführten experimentellen Forschungen gestellte Autodidakt für die Chemie ganz Außerordentliches geleistet, in vielen Dingen ist er seiner Zeit weit voraus gewesen. Auch die Laboratoriumseinrichtungen und Gerätschaften hat G 1 a u b e r vielfach verbessert. Er hat nicht nur neue Formen der „philosophischen Öfen", der Destillations- und Kondensationsapparate angegeben, er hat auch viele Geräte statt aus Metall oder Ton aus Glas anfertigen lassen und dabei manche praktische
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III.
Zeitalter
der
Iatrocbemie
Neuerungen (eingeschliffene Stopfen, Quecksilberverschluß, R ü h r werke usw.) eingeführt. Früher als B o y 1 e und K u n c k e l hat er Rubinglas dargestellt. D a z u benützte er den von dem herzoglich holsteinschen Leibarzt A n d r e a s C a s s i u s (f 1673) erfundenen und von dessen gleichnamigem Sohne 1685 beschriebenen „Cassius'sehen Goldpurpur (erhalten durch Fällen einer verdünnten Goldlösung mit einem Gemisch von Z i n n d i - und tetrachlorid). Von seinen erstaunlich vielseitigen Leistungen sei nur noch die Herstellung verschiedenfarbiger künstlicher Edelsteine und seine durch die kriegerische Zeit bedingte Betätigung als Sprengstoffchemiker erwähnt. Er hat sogar Füllungen f ü r eine Art von Gasgranaten angegeben.
G l a u b e r s Interessen beschränken sich aber nicht auf die chemischen Vorgänge im Laboratorium und deren technische Anwendung, sein Blick geht weiter. Ihn beschäftigen aufs lebhafteste national-ökonomische Fragen. Obwohl er den Hauptteil seiner schöpferischen Tätigkeit außerhalb Deutschlands, in Amsterdam, ausgeübt hat, ist er gesinnungsgemäß seinem Vaterlande treu geblieben. Davon legt sein 1656—1661 in Amsterdam erschienenes sechsbändiges Werk „Des Teutschlands Wolfarth" glänzendes Zeugnis ab. Nach den Verwüstungen des großen Krieges gibt er eingehende Ratschläge zum Wiederaufbau und zur Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen und gewerblichen Wirtschaftslebens. Er rät dringend, die in Deutschland gewonnenen Erze, Mineralien und sonstigen Rohstoffe nicht erst ins Ausland auszuführen und sie von dort in bearbeitetem Zustande für teures Geld wieder zurückzuholen, sondern sie selbst im eigenen Vaterlande zu bearbeiten, also die deutsche Industrie zu entwickeln. Er schreibt: „Teutschland ist von Gott sonderlidi hoch begabt mit allerhand Bergwerken . . . mangelt nur an erfarnen Leuten, welche dieselbe zu recht wissen zu bringen . . . W a r u m sind wir so schlecht, d a ß wir unser K u p f f e r nach Frankreich oder Hispanien, und das Bley in H o l l a n d und Venedig schicken, Spanisch grün und Bleyweiß daraus zu machen, denen wir es hernach so teuer abkauffen müssen? Ist unser H o l z , Sand und Asche in Teutschland nicht so gut, Crystallinisch Glas daraus zu machen, als jenes zu Venedig oder Frankreich?"
J. Übergang zur selbständigen
Chemie
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Hier sehen wir G l a u b e r nicht nur als weitschauenden chemischen Industriellen, wir sehen ihn hier vor allem auch als den um sein Vaterland besorgten deutschen Patrioten.
3. Übergang zur selbständigen Chemie Je mehr die Vertreter der Iatrochemie das Dogma vertraten, daß alle organisch-biologischen Geschehnisse als chemische Vorgänge zu deuten seien, um so mehr mußte die Unzulänglichkeit dieses Standpunktes wegen des völligen Mangels an den erforderlichen chemischen Kenntnissen hervortreten und um so schneller mußte sich der Verfall der iatrochemischen Richtung vollziehen. Es war notwendig, sich nicht nur von den alt überkommenen Dogmen der Scholastik zu befreien, sondern sich auch vor neu aufgezwungenen zu hüten. Mit dem Beginn der Neuzeit war schon der Gedanke der induktiven Forschung, des experimentellen Empirismus von einzelnen Wissenschaftlern ausgesprochen und ausdrücklich betont worden: von dem Universalgenie L e o n a r d o d a V i n c i (1452—1519), von dem spanischen Philosophen L u d o v i c u s V i v e s (1492—1540) und einigen anderen. Auch P a r a c e l s u s hatte sich ja zu diesem Standpunkte bekannt, wenn auch seine ganzeVorstellungswelt dem Mittelalter verhaftet blieb. Als der hervorragendste Vertreter und Förderer dieser neuen Geistesrichtung gilt zumeist der englische Philosoph und Staatsmann F r a n c i s B a c o n o f V e r u l a m (1561—1626), der die Forderung aussprach: „Geist und Sinne sind von abstrakten Vorurteilen zu reinigen, und alle Forschung ist auf dieErfahrung zurückzuführen." Die Ansichten über die wahre Bedeutung von B a c o n f ü r die Entwicklung der exakten Naturwissenschaften sind sehr verschieden. J u s t u s L i e b i g hat ihm jedenfalls in seiner M ü n chener Akademie-Rede von 1863 sein Verdienst sehr streitig gemacht. Aber bei allem diesbezüglichen Vorbehalt spielt B a c o n in der Geschichte der Naturwissenschaften als Erneuerer der Atomistik eine führende Rolle. In seinem „Novum Organum" (1620) setzt er seine Anschauung über den stofflichen A u f b a u der Dinge dar. Die kleinsten Teile, aus denen sich die K ö r p e r zu-
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III. Zeitalter der
Iatrochemie
sammensetzen, faßt er nicht im Sinne D e m o k r i t s auf als qualitätsgleiche Atome im leeren Räume, sondern als letzte, sich gegenseitig berührende Teilchen des sieht- und greifbaren Körpers selbst, die sich von diesem nur durch die Größe unterscheiden und die er „Corpuscula" („Körperchen") nennt. B a c o n ist der Begründer der Corpusculartheorie.
Der erste entschiedene Vertreter dieser neuen Anschauung in Deutschland war D a n i e l S e n n e r t (1572—1637), der, aus Breslau stammend, zu Anfang des Dreißigjährigen Krieges als Professor der Medizin in Wittenberg wirkte. Ein eifriger Anhänger des P a r a c e l s u s und der Erfahrungswissenschaft, betonte er die Bedeutung der Chemie für die Medizin, verwarf aber die mystischen Spekulationen und teilweise absurden Anschauungen seines Meisters. In seiner 1619 erschienenen Schrift „De chymicorum cum Galenicis et Peipateticis consensu ac dissensu" gibt-S e n n e r t eine Darstellung seiner Auffassung der Atomtheorie im Anschluß an D e m o k r i t. Seine „ Atoma corpuscula" oder „Corpora individua" sind keine mathematischen Punkte im leeren Räume, sie haben dreidimensoiale Ausdehnung; sie stellen zugleich den letzten Grad der Teilung und den ersten Anfang der Zusammensetzung der physischen Körper dar. In der Bildung des Rauches, in den Vorgängen der Sublimation und der Lösung sieht er experimentelle Beweise dieser Anschauung. Zum ersten Male hebt er den Begriff des chemischen Stoffes als des in allen Verbindungen und bei allen Umwandlungen Beharrenden hervor. Diese Lehre von der Unveränderlichkeit der Elementarteile wurde neben der Mechanik G a l i l e i s mit ihrem Kraftbegriff die Grundlage der theoretisdien Physik und Chemie. Dabei huldigt S e n n e r t noch der alten empedokleischen Elementenlehre von Feuer, Luft, Wasser, Erde. Aus diesen Grundatomen sind die verschiedenen chemischen Elemente als „prima mixta" zusammengesetzt. Von den antiken Vorstellungen über Elemente und Atome aus konnten sich erst allmählidi die Begriffe weiter bis zur völligen Klärung entwickeln. Wegen seiner „ketzerischen" Anschauungen angegriffen, erklärte S e n n e r t offen, daß er die unbedingte Autorität des A r i s t o t e l e s nicht an-
IV. 1. Begründung, d. selbständ. Chemie durch Jungius u. Boyle
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erkenne; die Wahrheit bestehe in der Übereinstimmung der Begriffe mit den Dingen und nicht mit denen eines anderen Menschen. So wurden gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts in den hervorragendsten Köpfen die Überreste der mittelalterlichen Anschauungsweise so weit fortgeräumt, daß auch für die Chemie ein neues Zeitalter beginnen konnte.
IV. SELBSTÄNDIGE CHEMIE BIS ZUR SAUERSTOFFENTDECKUNG (Von der Mitte des 17. bis zum letzten Viertel des 18. Jahrhunderts.) Alles was bisher in chemischer Hinsicht geschah, wurde unter ganz bestimmten Voraussetzungen, zu ganz bestimmten praktischen Zwecken unternommen. Man stellte nicht Fragen an die Natur, um zunächst die Eigenschaften der verschiedenen Stoffe zu ergründen. W i e die Alchemisten auf alle mögliche Weise die Darstellung des Steins der Weisen, die Umwandlung unedler Metalle in Gold erzwingen wollten, so trieben die Iatrochemiker die chemische Forschung nur unter dem Gesichtspunkte der Herstellung brauchbarer Arzneimittel und versuchten, mit völlig unzureichenden Mitteln physiologisch-biologische Probleme zu lösen. An der Unlösbarkeit dieser Aufgabe mußten sie ebenfalls scheitern.
1. Begründung der selbständigen Chemie durch Jungius und Boyle In Übergangszeiten, in denen Altes abstirbt und Neues zur Entwicklung drängt, treten meistens einzelne bedeutende Persönlichkeiten hervor, die in ihrem Wesen und ihrem H a n deln das neue Zeitalter verkörpern und als dessen Anführer gelten können. In Deutschland war neben S e n n e r t (siehe S. 75) ein solcher ganz besonders dessen Zeitgenosse J o a c h i m J u n g i u s (eigentlich J u n g e ) (1587—1657), dessen wahre Bedeutung, ähnlich wie die von P a r a c e l s u s , lange ver-
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IV. Selbständige
Chemie
bis zur
Sauerstoffentdeckung
kannt und erst in neuerer Zeit (hauptsächlich von P a u l W a i d e n ) gewürdigt worden ist. In Lübeck geboren, studierte er in Rostock zunächst Philosophie und Mathematik, erhielt bereits mit 22 Jahren einen Lehrstuhl der Mathematik an der Universität Gießen, den er nach fünf Jahren wieder aufgab, um sich nach längerem Aufenthalt in Augsburg und Lübeck dem Studium der Medizin wiederum in Rostock zu widmen und schließlich (1619) in Padua zum Dr. med. zu promovieren. Als Arzt war er in Lübeck und in Rostock tätig; er gründete eine gelehrte Gesellschaft, die „Societas ereunetica", und wurde 1623 Professor der Ethik und Mathematik in Rostock, zwei Jahre später als Professor der Medizin nach Helmstedt berufen. Nach dieser wechselvollen Tätigkeit wurde er 1628 zum Rektor des Gymnasium Johanneum in Hamburg ernannt, welchen Posten er bis zu seinem Tode innegehabt hat. Von einer umfassenden naturwissenschaftlichen Bildung — auch als Botaniker hat er Grundlegendes geleistet, indem er die Begriffe von Art und Gattung aufstellte und die, später von L i n n é weiterentwickelte Kunstsprache begründete — war er ein schroffer Gegner der Scholastiker. Von L e i b n i z wurde er Männern wie C o p p e r n i c u s und G a l i l e i an die Seite gestellt. Ebenso wie S e n n e r t tritt J u n g i u s f ü r die Erneuerung der demokritischen Atomtheorie als Corpusculartheorie ein, die er in einer besonderen Dissertation 1 6 4 2 näher erläutert. In einer zweiten Dissertation desselben Jahres gibt er eine Begriffsbestimmung der chemischen Elemente zum ersten Male in dem noch heute gültigen Sinne, als einheitliche, nicht weiter zerlegbare Stoffe. Durch verschiedene räumliche A n ordnung erklärt er bereits die verschiedenen Eigenschaften von Körpern, die aus denselben Grundstoffen bestehen, w o mit er den modernen Isomeriebegrift vorausnimmt. Durch diese „Metasyncrisis" erklärt er die diemische Verwandlung einer Verbindung in die andere, aber die Umwandlung der Metalle lehnt er, ebenso wie die „tric prima" von P a r a c e 1 s u s , ab. Die Rotfärbung eines blanken Eisenstabes in der Lösung von blauem Kupfervitriol erklärte er zum ersten Male dadurch richtig, daß die „Atome des Kupfers an die Stelle der Atome des Eisens treten". Er betonte auch die Bedeutung
1. Begründung
d. selbständ.
Chemie durch Jungius u. Boyle
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der Waage zur Feststellung der Gewichtsverhältnisse bei den diemischen Vorgängen. Sein H a u p t w e r k „ D o x o c o p i a physicae minoris seu Isagoge physica doxocopiae" erschien erst nach seinem T o d e ( 1 6 6 2 ) ; ebenso seine „Isagoge phytoscopiae" ( 1 6 7 9 ) . In England tritt als Anführer der neuen Zeit R o b e r t B o y l e ( 1 6 2 7 — 1 6 9 1 ) hervor, der gewöhnlich als der eigentliche Begründer der selbständigen Chemie betrachtet wird. Einem altangesehenen Adelsgeschlecht entstammend, war er als siebenter Sohn (14. Kind) des E a r l o f C o r k in Lismore in der irisdien Grafschaft W a t e r f o r d geboren und genoß eine sorgfältige Erziehung und weitere Ausbildung in dem berühmten Eton-College. Schon frühzeitig, als Elfjähriger, trat er unter der Führung eines Hausmeisters die damals in den . vornehmen Familien übliche „große Fahrt" an, die ihn durch Frankreich in die Schweiz und nach Italien führte. Bei längerem Aufenthalt in Genf und in Florenz widmete er sich dem Studium der Juristerei, der Philosophie und Theologie, zugleich auch der Mathematik und der Naturwissenschaften. Durch die inzwischen in seiner Heimat ausgebrochenen revolutionären Unruhen — es war die C r o m w e l l -Zeit — zurückgerufen, fand er nach achtjähriger Abwesenheit (1646) den Vater tot und die Güter verwüstet. In ländlicher Einsamkeit jahrelang zurückgezogen lebend, beschäftigten ihn naturwissenschaftliche wie auch religiöse Fragen, und er schrieb ein Buch über Ethik. Er siedelte dann 1654 nach Oxford, 1668 nach London über und wurde Mitglied der von dem Gesandten der Freien Hansestadt Bremen H e i n r i c h O l d e n b u r g (1615—1677) im Verein mit einigen englischen Gelehrten 1660 begründeten naturwissenschaftlichen Gesellschaft, die drei Jahre später als „Royal Society" die königliche Bestätigung erhielt. Ganz der Wissenschaft hingegeben hat er auch von 1680 ab bis zu seinem Tode (1691) das Amt des Präsidenten der Gesellschaft verwaltet. In gleicher Weise wie J u n g i u s bekämpfte B o y l e die alten alchemistischen und iatrochemischen Anschauungen und suchte — ganz im Sinne von B a c o n — sich von überkommenen Vorurteilen zu befreien und die Chemie wie die Naturwissenschaften überhaupt auf den Boden der experi6
Gesdiidite der Chemie I
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IV. Selbständige Chemie bis zur
Sauerstoffentdeckung
mtntellen Erfahrung zu stellen. „Die Chemiker", sagte er, „erblickten ihre Aufgabe in der Bereitung von Heilmitteln, in der Extraktion und Transmutation der Metalle. Ich habe versucht, die Chemie von einem ganz anderen Standpunkt aus zu behandeln, nicht wie dies ein Arzt oder Alchemist, sondern ein Philosoph zu tun hat. — Läge den Menschen der Fortschritt der wahren Wissenschaft mehr am Herzen als ihre eigenen Interessen, dann könnte man ihnen leicht nachweisen, daß sie der Welt den größten Dienst leisten würden, wenn sie alle ihre Kräfte einsetzten, um Versuche anzustellen, Beobachtungen zu machen und keine Theorien auszusprechen, ohne zuvor die darauf bezüglichen Erscheinungen geprüft zu haben." Hiermit wird als die eigentliche Aufgabe der Chemie die experimentelle Erforschung der Eigenschaften der Stoffe ohne jede andere Nebenabsicht erklärt, und die Chemie wird erst jetzt eine selbständige Wissenschaft. B o y 1 e war auch Anhänger der Corpusculartheorie. Die kleinsten „Körperchen" der verschiedenen Elemente sollten sich durch die drei Grundeigenschaften der Gestalt, Größe und Bewegung voneinander unterscheiden. Auch im festen Zustande dachte er sich die Corpusceln in dauernder, mit steigender Temperatur zunehmender Bewegung. So erklärte er auch das Leuchten geriebener Diamanten im Dunklen. In seinem 1661 erschienenen Hauptwerke „Sceptical Chemist" oder „Chemista scepticus" setzt er auch seine Anschauungen über das Wesen der chemischen Elemente auseinander. In gleicher Weise wie J u n g i u s erklärt er sie für einfache, chemisch nicht weiter zerlegbare Stoffe. Als „skeptischer Chemiker" läßt er dabei die Frage offen, ob diese Elemente nicht vielleicht aus drei, vier oder fünf Grundstoffen, etwa den „spagyrischen Principien", oder den empedokléisch-aristotelischen Elementen als fest zusammengeschlossene „Clusters" gebildet sind. Wenn man die neuesten Ergebnisse der Atomforschung bedenkt und an die Stelle der Principien oder Elemente die Protonen, Neutronen, Elektronen usw. setzt, so muß man zugestehen, daß B o y 1 e
1. Begründung d. selbständ. Chemie durch Jungius u. Boyle
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mit seinen Anschauungen von dem modernen Standpunkt nicht sehr weit entfernt war. Nicht nur als Theoretiker hat sich B o y l e ausgezeichnet; er hat auch durch eigene experimentelle Forschungen die Chemie sehr gefördert. Während sich die Untersuchungen der verschiedenen Stoffe bis dahin meist darauf beschränkten, deren Veränderungen beim starken Erhitzen, bis zum Glühen, zu beobachten, führte er die Untersuchung in wäßriger Lösung ein, indem er die mit bestimmten Lösungen anderer Stoffe entstehenden Niederschläge oder Färbungen als charakteristische Kennzeichen benutzte. Nach den ersten tastenden Versuchen von T a c k e und G1 a u b e r (siehe Seite 67 u. 74) ist B o y 1 e der eigentliche Begründer Chemie im heutigen Sinne geworden. der analytischen Auch das Wort „Analyse", eigentlich „Auflösung" bedeutend, hat er als Bezeichnung für diese Untersuchungsart eingeführt. Er hat auch die Verwendung bestimmter Pflanzensäfte (Lackmus, Veilchen, Galläpfel) als „Indikatoren" angegeben. In ähnlicher Weise wie G1 a u b e r hat sich B o y l e auch vielfach mit Fragen der technischen Chemie beschäftigt. Nicht nur fraktionierte Destillationen hat er ausgeführt, bei denen er den Methylalkohol und das Aceton entdeckte, sondern sogar schon Destillationen unter vermindertem Druck, also sogenannte „Vacuumdestillationen". Zum Heizen verwendet er neben Holz und Torf auch Steinkohle. Der Hamburger Alchemist H e i n r i c h B r a n d hatte bei seinen Versuchen zur Darstellung eines wirksamen „Elixirs" durch starkes Erhitzen von abgedampftem Harn 1669 den Phosphor entdeckt und damit ungeheures Aufsehen erregt. Es war auch nach der Entdeckung von Zink und Wismut (s. S. 71 u. 69) das erste neue Element und blieb das einzige, das im 17. Jahrhundert aufgefunden wurde. Der Entdecker hütete natürlich ängstlich sein Geheimnis und teilte es nur gegen hohe Vergütung anderen mit. Der große Philosoph Gottfr. Wilh. L e i b n i z (1646—1716) hatte durch fragwürdige Mittelspersonen auch davon Kenntnis erhalten und veranstaltete eine Phosphordarstellung im großen, indem er
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IV. Selbständige Chemie bis zur
Sauerstoffentdeckung
den von der gesamten Garnison der Stadt H a n n o v e r gesammelten H a r n verarbeiten ließ. (In ähnlicher Weise wurde bei der Berliner Maifeier 1933 auf dem Tempelhofer Felde der männliche und der weibliche H a r n getrennt gesammelt, um daraus die neu entdeckten Hormone zu gewinnen.) Ebenso beschäftigte sich B o y 1 e eingehend mit diesem merkwürdigen Stoff, und er verbesserte das Darstellungsverfahren durch gewisse Zusätze (Sand, Kohle usw.) zu dem H a r n - A b d a m p f rückstande. Er stellte auch fest, daß sich beim Verbrennen von Phosphor eine Säure bildet. Sein Laborant G o t t f r i e d H a n k e w i t z h a t die Phosphordarstellung lange J a h r e als Monopol betrieben und an alle europäischen Chemiker dieses kostbare P r ä p a r a t geliefert. Der Preis f ü r eine U n z e (etwa 30 g) Phosphor betrug in England 10 bis 11 Dukaten, in Amsterdam etwa 16 D u k a t e n (1 D u k a t e = etwa 10 Goldmark).
B o y 1 e beschäftigte sich auch eingehend mit den Verbrennungsvorgängen. Er erkannte, daß beim Verbrennen ebenso wie beim Atmen vnd beim Verkalken der Metalle Luft verbraucht wird. Ihm entging auch nicht die Tatsache, daß z. B. Blei oder Zinn beim Verkalken an Gewicht zunehmen, wenn auch seine Wägungen nicht besonders genau waren. Diese Gewichtszunahme suchte er durch die Annahme eines wägbaren Feuerstoffs zu erklären. Der an diesen Versuchen beteiligte R o b e r t H o o k e (1635—1703) stellte dagegen die Theorie auf, der verbrannte Stoff werde in fein verteiltem Zustande von einem, auch im Salpeter enthaltenen Bestandteile der Luft aufgenommen. H o o k e war ihm auch bei den Versuchen behilflich, die er mit der von dem Magdeburger Bürgermeister O t t o von G u e r i c k e (1602—1686) im Jahre 1652 erfundenen Luftpumpe ausführte, die durch die Vorführung der „Magdeburger Halbkugeln" auf dem Reichstage zu Regensburg 1658 solch staunende Bewunderung erregt hatte. Das Problem des Luftdruckes beschäftigte ihn ganz besonders. Der G a l i l e i - Schüler E v a n g e l i s t a T o r r i c e l l i (1608 bis 1647) hatte 1643 das Barometer erfunden. Seinem Bei-
2. Andere bedeutende
Chemiker
des 17. Jahrhunderts
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spiele folgend stellte B o y 1 e Versuche mit U-förmig gebogenen Röhren an. Durch Ausmessen der sich das Gleichgewicht haltenden Flüssigkeitssäulen von Wasser und Quecksilber bestimmte er das spezifische Gewicht von Quecksilber zu 1 3 , 7 6 (statt 13,54). Indem er nun in dem kürzeren mit Wachs verschlossenen Rohrschenkel eine bestimmte Menge Luft absperrte und in dem längeren Schenkel Quecksilber nachgoß, verfolgte er die Volumabnahme der Luft messend und konnte dabei das Verhältnis zwischen Druck und V o lumen feststellen. So entdeckte er 1 6 6 0 das Naturgesetz, daß das Volumen eines Gases dem auf das Gas ausgeübten Druck umgekehrt proportional ist (vi : V2 = p2 : pi). Dieselbe E n t deckung machte 16 Jahre später unabhängig von ihm der französische Geistliche E d m e M a r i o t t e ( 1 6 2 0 — 1 6 8 4 ) , weshalb man von einem Boyle-Mariottescben Gesetze spricht. Von B o y l e s großer Vielseitigkeit gibt die Tatsache Kunde, daß er als erster eine Bluttransfusion, und zwar an Hunden ausgeführt hat. Trotz seiner klaren Begriffsbestimmung vom Wesen der chemischen Elemente stand er den alchemistisdien Bestrebungen der künstlichen Metallumwandlung nicht ganz ablehnend gegenüber. Er war und blieb ein Skeptiker; die Lehrmeinungen der anderen erschienen ihm nach seiner eigenen Aussage kaum weniger unbefriedigend als seine eigenen. Außer dem „Sceptical chemist" (1661) hat B o y 1 e noch eine Anzahl anderer Bücher geschrieben, und in den „Philosophical Transactions" der Royal Society hat er über seine Arbeiten berichtet.
2. Andere bedeutende Chemiker des 17. Jahrhunderts Einer der bedeutendsten Chemiker jener Zeit w a r in Deutschland J o h a n n e s K u n c k e l ( 1 6 3 0 — 1 7 0 2 ) . In Halten bei Rendsburg als Sohn eines herzoglich holsteinschen Scheidekünstlers und Hofalchemisten geboren, folgte er dem väterlichen Berufe im Dienste verschiedener Fürsten und blieb auch, wie wohl alle Chemiker der damaligen Zeit, in den alchemistischen Anschauungen befangen, wenn er auch einzelne Lehren (z. B. des „Alkahest" und des „Aurum potabile") ablehnte. Eine kurze Zeit lang (1677) hielt er an der Universität Wittenberg Vorlesungen über Experimentalchemie, „Collegium
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IV.
Selbständige
Chemie
bis zur
Sauerstoffentdeckung
chymicum experimentelle", und von dort wurde er 1679 vom Großen Kurfürsten nach Berlin berufen, wo er als „Geheimer Kammerdiener" seine alchemistischen Künste bewähren sollte. E r erhielt auf der Pfaueninsel bei Potsdam ein Laboratorium eingerichtet und konnte dort Jahre hindurch ungestört arbeiten. Die B r a n d sehe Entdeckung veranlaßte auch ihn zur Beschäftigung mit der Phosphordarstellung, und es gelang ihm, auch aus den Knochen dieses Wunderelement zu gewinnen. Besonders eingehend widmete er sich der Glasbereitung. E r baute große Schmelzöfen; dabei glückte ihm, ebenso wie einige J a h r e früher G 1 a u b e r, unter Anwendung von Gold, dessen künstliche Darstellung er immer noch vergeblich versucht hatte, die Gewinnung des tiefroten Rubinglases. Auch Bleiglas, Smalte und künstliche Edelsteine hat er dargestellt. Zum Härten des Glases hat er bereits Borax verwendet. Unter Benutzung des 1612 erschienenen Werkes des Florentiner Abbate A n t o n i o N e r i „De arte vitraria" schrieb K u n c k e 1 ein Buch „Ars vitraria experimentalis oder vollkommene Glasmacher-Kunstdas 1 6 9 9 erschien und lange Zeit eine maßgebende Rolle gespielt hat. Noch 1756 wurde das Buch in Nürnberg neu aufgelegt. Als sein kurfürstlicher Beschützer am 9. Mai 1688 gestorben war, mußte K u n c k e 1 das Feld räumen. Seine Schmelzöfen und sonstigen Anlagen auf der Pfaueninsel wurden von böswilligen Menschen zerstört. Er zog sich zunächst auf ein in der Mark erworbenes Landgut zurück und ging dann nach Schweden, wo er noch chemisch-technisch tätig war und vom König K a r l X L a l s K u n c k e l v o n L ö w e n s t e r n geadelt wurde. In Frankreich war von besonderem Einfluß auf die E n t wicklung der Chemie der A r z t und Pharmazeut N i c o l a u s L e m e r y (1645—1715). Er hielt in Paris mehrere Jahre öffentliche Vorlesungen über Chemie. Obwohl er unter der Protestantenverfolgung sehr zu leiden hatte, schlug er die Aufforderung des Großen Kurfürsten, nach Berlin zu kommen, ab. Schließlich mußte er, nach einem längeren Aufenthalt in London nach Paris zurückgekehrt, dem unablässig auf ihn ausgeübten Drucke nachgeben und zur katholischen Kirche übertreten.
2. Andere bedeutende
Chemiker
des 17. Jahrhunderts
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Als Vertreter der Corpusculartheorie entwickelte er phantastische Hypothesen über die Gestalt der kleinsten Teilchen, Vim deren festen Zusammenhalt auf mechanische Weise (durch Haken und Ösen u. dergl.) verständlich zu machen. Die Elastizität der Luft erklärte er sich (wie auch B o y 1 e) in der Weise, daß er den Luftcopuskeln spiralförmige Gestalt, ähnlich den Wollfasern, zuschrieb. Andere als rein mechanische Vorstellungen konnte man sich damals noch nicht machen. Es ist zu bedenken, daß die berühmte Schrift von I s a a c N e w t o n (1643—1727) „ P h i l o s o p h i a e naturalis principia mathematica", in der die Theorie der allgemeinen Gravitation entwickelt wurde, erst im Jahre 1687 erschien. L e m e r y hat sich aber als Systematiker in der Chemie besondere Verdienste erworben. Er hat zum ersten Male die Einteilung in mineralische, vegetabilische und animalische Chemie getroffen. Durch sein 1675 erschienenes Buch „Cours de Chymie" hat er der Chemie das erste wirklich brauchbare Lehrbuch geschenkt, das mehrmals neu aufgelegt und in verschiedene Sprachen, auch ins Lateinische, übersetzt worden ist. Noch im Jahre 1763 erschien eine italienische Ausgabe des Buches. Ein anderer Chemiker, der zu jener Zeit in Paris wirkte, war der Deutsche W i l h e l m H o m b e r g (1652—1715). A l s Sohn eines in holländischen Kolonialdiensten stehenden Deutschen in Batavia geboren, w a r er zunächst Jurist und wandte sich dann als Rechtsanwalt in Magdeburg unter dem Einfluß v o n O t t o v o n G u e r i c k e ganz den Naturwissenschaften und der Medizin zu. Nach sehr wechselvollem A u f e n t h a l t in Deutschland, Italien, Frankreich und England — einige Zeit w a r er auch im Laboratorium v o n B o y l e tätig — nahm er 1 6 9 1 seinen dauernden W o h n s i t z in Paris, w o er Leibarzt des Herzogs v o n Orleans wurde. A u d i er mußte, w i e L e m e r y , sein protestantisches Glaubensbekenntnis mit dem katholischen vertauschen.
H o m b e r g hat mancherlei chemische Beobachtungen gemacht. Er konnte durch Verkohlen von Alaun mit Zucker Leuchtsteine gewinnen, „Hombergsche Pyrophore"; stellte aus Blei. Zinn und Wismut niedrig schmelzende Legierungen her und schied aus dem Borax die Borsäure ab, allerdings
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ohne ihren sauren Charakter zu erkennen („Sal Sedativum Hombergi"). Indem er die für die Neutralisation derselben Alkalimenge erforderlichen Mengen der verschiedenen Säuren bestimmte, machte er die ersten stöchiometrischen Versuche. Noch der Anschauung von den paracelsischen „drei Principien" huldigend, schrieb er dem Schwefel eine dem späteren Phlogiston ähnliche Rolle zu. Ein anderer Vertreter jener unruhvollen Zeit, der bei einer außerordentlichen Vielseitigkeit und erstaunlichem Tatendrang seinen Zeitgenossen weit vorauseilte und mit seinen theoretischen Anschauungen einen ganz besonderen Einfluß auf die weitere Entwicklung der Chemie ausgeübt hat, war J o h a n n J o a c h i m B e c h e r ( 1 6 3 5 — 1 6 8 2 ) . Als Sohn eines aus Wittenberg stammenden lutherischen Geistlichen in Speyer geboren, mußte er, früh verwaist, sich selbst die Mittel zum Studium verschaffen. Nach seiner Promotion zum Dr. med. an der Universität Mainz erhielt er dort bald eine Professur und wurde Leibarzt des Kurfürsten. Diesen Posten vertauschte er mit einem gleichartigen in München. Doch hielt er auch dort nicht lange aus. Er hat ein äußerst unruhiges Leben geführt und sich mit den allerverschiedensten Dingen beschäftigt. Dabei war er ein unerschöpflicher Plänemacher (Rhein—DonauKanal, Kolonialgründungen, Weltsprache, industrielle Gründungen usw. usw.); auch als diplomatischer Unterhändler war er vielfach, sogar in kaiserlichem Auftrage, tätig. Er hat sich wiederholt in Holland, in Wien und an anderen Orten kürzere oder längere Zeit aufgehalten, bis er schließlich (1680) nach England übersiedelte, wo er sich vorwiegend dem Kohlenbergbau und der industriellen Verwertung der Steinkohle widmete. Er ist der eigentliche Begründer der Steinkohlen-Teerund Gasindustrie und hat zum ersten Male das Steinkohlengas als „philosophisches Licht" zum Leuchten benützt. Erst ein Jahrhundert später (um 1785) hören wir von ähnlichen Versuchen: Die Professoren M i nk e 1 e r s in Löwen und B i c k e 1 in Würzburg erleuchteten Hörsaal und Laboratorium mit Gasflammen. Nadt verschiedenen Einzelversuchen — der Professor an der Bergakademie Freiberg in Sachsen, W i l h e l m A u g u s t L a m p a d i u s (1772—1842), erleuchtete bereits 1811 einen Teil der Stadt mit Gas — wurde die Gasbeleuchtung im Anfang des 19. Jahrhunderts in England
3. Zeitalter der Phlogistonchemie allgemeiner und von da 1825 in Hannover,
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1826 in Berlin ein-
geführt, denen die anderen größeren Städte dann folgten.
B e c h e r , der, sich in seiner erstaunlichen Vielseitigkeit völlig zersplitternd, nur ein Alter von 47 Jahren erreichte — er ist in der St. James-Kirche in London beigesetzt — hat auch eine größere Zahl von Schriften verfaßt, darunter eine solche mit dem Titel „Närrische Weisheit und weise Narrheit". W ä h r e n d seines Münchener Aufenthalts ließ er 1669 ein Buch in Druck erscheinen, durch das er einen äußerordentlichen Einfluß auf die weitere Entwicklung der Chemie ausgeübt hat. Dieses Buch f ü h r t den Titel „Acta laboratorii chymici Monacensis seu Physica subterranea" und ist unter dem zweiten Titel auch später noch einmal gedruckt worden. In dieser „unterirdischen Physik" entwickelt B e c h e r unter gewisser Abwandlung der „tria prima" von P a r a c e l s u s eine „Theorie der dre Erden": der „terra fusilis", „terra pinguis" und „terra mercurialis". Aus diesen drei verschiedenen Erscheinungsformen derselben „Urerde" sollen alle Körper zusammengesetzt sein. V o n besonderer Bedeutung ist die „fettige Erde", die „terra pinguis", die in allen brennbaren und verkalkbaren Stoffen enthalten ist und beim Erhitzen oder mit der Flamme entweicht. In seiner letzten Schrift „Alphabetum minerale seu viginti quartuor theses chymicae" (1682) hat er seine Anschauungen noch einmal ausführlich auseinandergesetzt. D a m i t hat B e c h e r die Grundlagen der Phlogistontheorie gegeben.
3. Zeitalter der Phlogistonchemie Die Phlogistontheorie wurde dann in ihren Einzelheiten weiter entwickelt von G e o r g E r n s t S t a h l (1660 bis 1734), der, in Ansbach geboren, in Jena Medizin studierte, bereits im Alter von 23 Jahren als Dozent a u f t r a t und 1687 Leibarzt des Herzogs von Sachsen-Weimar wurde. Bei der Gründung der Universität Halle 1693 wurde er als zweiter Ordinarius der Medizin berufen, der die „Institutiones" (Physiologie, Pathologie, Diätetik, Arzneimittelkunde, Botanik)
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zu vertreten hatte. Nach dreiundzwanzigjähriger erfolgreicher akademischer Tätigkeit folgte er 1716 einem Rufe als Leibarzt des Königs Friedrich Wilhelm I. nach Berlin, wo er dann bis zu seinem Tode geblieben ist. Von den überkommenen alchemistischen Anschauungen machte er sich los, er entwickelte sich zum unbestrittenen ersten Chemiker seiner Zeit. Gleichzeitig genoß er auch als Arzt einen großen Ruf. Aber er hielt, im Gegensatz zu den Iatrochemikern, beide Gebiete streng voneinander getrennt. In einer 1708 erschienenen Schrift „Theoria medica vera" vertrat er die Lehre des „Animismus", indem er die Seele für den eigentlichen Träger aller Lebensvorgänge erklärte. Außerdem war er ein Anhänger des von Ph. J. S p e n e r (1635—1705) begründeten und in Halle von A u g . H e r m a n n F r a n c k e (1663—1727) besonders erfolgreich vertretenen „Pietismus". I n seinen chemischen experimentellen Forschungen suchte S t a h l das Problem der chemischen Verwandtschaft zwischen Alkalien u n d Metalloxyden einerseits u n d Schwefel u n d Säuren andererseits zu ergründen. Für den G r a d der V e r w a n d t s c h a f t sah er die Bildung v o n Niederschlägen in w ä ß r i g e n Lösungen als besonders maßgebend an. E r u n t e r suchte die verschiedene Stärke der Säuren u n d erkannte, d a ß der „laugenhafte Bestandteil" des Kochsalzes ein anderer ist als der der Pottasche u n d d a ß im Alaun ein besonderer erdiger Bestandteil enthalten ist. Er machte auch noch einige andere diemische Untersuchungen; jedoch als seine H a u p t aufgabe sah er an, f ü r die Vorgänge der Verbrennung, der Metallverkalkung, A t m u n g usw. eine genügende theoretische E r k l ä r u n g zu finden, u n d er glaubte, sie in der B e c h e r schen Lehre gefunden zu haben. „Becheriana sunt, quae p r o fero", sagte er in seinen Vorlesungen, die er dem damaligen allgemeinen Gebrauche entsprechend in lateinischer Sprache hielt. Die fettige Erde „terra pinguis" w u r d e bei ihm zum „Phlogiston" (griech. „phlox = Flamme, „ p h l o g i s t o n = b r e n n bar). Schon v a n H e l m o n t benützte dieses W o r t in ähnlichem Sinne. Das Phlogiston sollte in allen brennbaren u n d in der H i t z e veränderlichen Stoffen enthalten sein, beim Verkalken der Metalle ebenso entweichen wie beim V e r brennen organischer Stoffe mit der Flamme. Ebenso sollte
3. Zeitalter der Phlogistonchemie
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das Phlogiston beim Atmen, Gären, Verwesen die entscheidende Rolle spielen. Die nach der Abgabe von Phlogiston bleibenden Stoffreste lassen sich in vielen Fällen durch erneute Zufuhr von Phlogiston wieder in die ursprünglichen Stoffe zurückverwandeln. So gehen die Metallkalke durch Erhitzen mit Kohle, die aus fast reinem Phlogiston besteht, wieder in die Metalle über, ebenso die Schwefelsäure in Schwefel usw. Diese Phlogistontheorie, die unter völliger Vernachlässigung der Gewichtsverhältnisse — S t a h l w a r ebenso wie den anderen Chemikern jener Zeit die Gewichtszunahme der Metalle beim Verkalken bekannt — die verschiedensten diemischen Vorgänge von einem einheitlichen theoretischen Standpunkte aus zu deuten verstand, fand alsbald allgemeinen Beifall. Der große Philosoph K a n t schreibt noch in seiner 1787 erschienenen „Kritik der reinen Vernunft": „Durch die Stahlsche Phlogistontheorie ging allen Naturforschern ein Licht auf." Die Begriffe von Materie, Masse und Gewicht waren zu jener Zeit noch höchst unklar.
Von S t a h ls zahlreichen Schriften — es sind über 200 — sind die wichtigsten „Zymotechnia jundamentalis seu fermentationis theoria generalis" (Halle 1697) und „Zufällige Gedanken und nützliche Bedenken über den Streit von dem sogenannten sulphure" (1718). In diesen beiden Büchern setzt er seine Phlogistonlehre ausführlich auseinander. B e c h e r s „Physica subterránea" von 1669, die er als „opus sine pari, primum hactenus et princeps" bezeichnet, hat er 1702 neu herausgegeben mit einem von ihm verfaßten Anhang: „Specimen Becherianum fundamentale, documenta et experimenta sistens." Seine Vorlesungen erschienen unabhängig von ihm selbst als Nachschriften seiner Schüler unter Titeln wie „ F u n d a m e n t a chymico-pharmaceutica" mehrfach in Druck. Die von seinem Schüler J o h a n n J u n c k e r (1683—1759) verfaßte und 1730 erschienene Schrift „Conspectus chemiae theoretico-practicae" wurde später (1757) von J. F. D e m a c h y (1728—1803) ins Französische übertragen und hat besonders zur Verbreitung der Phlogistonlehre in Frankreich beigetragen.
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Ein Alters- und Berufsgenosse von Stahl war F r i e d r i c h H o f f m a n n (1660—1742), ein Sohn des Stadtarztes von Halle. Durch den frühen Tod der Eltern auf sich selbst angewiesen, ermöglichte er sich trotzdem eine gründliche Sdiulausbildung, und das ärztliche Studium in Jena., gleichzeitig mit S t a h l . Er machte eine Studienreise nach Holland und England, wo er Männer wie S y d e n h a m und B o y 1 e besuchte, und wurde dann Stadtund Garnisonarzt in Minden, später in Halberstadt. Von dort wurde er 1693 an die neue Universität Halle berufen, w o er die „praktischen" Fächer der Medizin (Anatomie, Physik, Chemie) zu vertreten hatte. Mit seinem Studienfreunde S t a h l , dessen Berufung er veranlaßt hatte, geriet er in Meinungsverschiedenheiten, da er im Gegensatz zu dem „Animismus" einer mechanischdynamischen Auffassung huldigte. Seine akademische Tätigkeit in Halle unterbrach er 1709—1712 durch einen Aufenthalt in Berlin als Leibarzt des Königs Friedridi I. Auch von dessen Nachfolger Friedridi Wilhelm I. wurde er nadi Stahls Tode als Arzt zu Rate gezogen.
H o f f m a n n beschäftigte sich viel mit der Untersuchung von Mineralwässern, wozu er während seines Aufenthalts in Minden durch das benachbarte Bad Pyrmont angeregt worden war. So hat er auch das Wasser von dem unweit von Halle gelegenen Lauchstädt analysiert. In seinem 1703 erschienenen Lehrbuch „Methodus examinandi Aquas salubras" gibt er die Nachweisverfahren für Kohlensäure und die verschiedenen Bestandteile der Mineralquellen an. Er macht zum ersten Male auf Grund der chemischen Untersuchung die Einteilung in alkalische, Salz- und Bitterwässer, in Eisen- und Schwefelwässer. Auch stellte er die irrige Annahme von einem Gold- oder Silbergehalt einzelner Wässer richtig. Er führte auch mineralogisch-geologische Untersuchungen aus, wobei er den verschiedenen Kristallformen seine besondere Aufmerksamkeit widmete. Der Stahlschen Phlogistontheorie pflichtete er nur in beschränktem Maße bei. Die Reduktion der Metalle aus ihren „Kalken" (Oxydon) sollte nicht durch Aufnahme von Phlogiston, sondern durch Abtrennung eines besonderen Stoffes, des „sal acidum" (Sauerstoff) erfolgen.
3. Zeitalter
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Leider hat H o f f m a n n diesen richtigen Gedanken nicht weiter verfolgt und in ähnlicher Weise wie S t a h l den seinigen zu einer umfassenden Theorie ausgebildet. Seine „Opera omnia physico-chemica" erschienen 1 7 4 0 ; mehrere Jahre nach seinem T o d e erst sein ausführliches Lehrbuch „Chymia rationalis et experimentalis" ( 1 7 4 8 ) . In der Pharmazie und Medizin wird sein Gedächtnis durch die „Hoffmanns-Tropfen" („Liquor anodinus Hoffmanni" oder „Spiritus aethereus") festgehalten. Als 1 7 2 6 ein „Schatzgräber" auf rätselhafte Weise in einem Gartenhäuschen zu T o d e gekommen war, bewies H o f f m a n n , daß er nicht durch den Teufel, sondern durch die giftige Wirkung des Kohlendunstes sein Leben verloren hatte. Während das wissenschaftliche Ansehen der Chemie in Deutschland von diesen beiden Hallenser Professoren sehr gehoben wurde, wirkte in Holland im gleichen Sinne H e rm a n B o e r h a v e (1664—1734). Als Pfarrerssohn in Voerhout bei Leyden geboren, mußte et,früh verwaist, ähnlich wie Hoffmann, durch Erteilen von Privatunterricht sich seine wissenschaftliche Ausbildung ermöglichen. Auf der kleinen Universität Hardewijk (1811 aufgehoben) studierte er Medizin und Naturwissenschaften, besonders Mathematik, und promovierte in der philosophischen sowohl wie in der medizinischen Fakultät. Zunächst als praktischer Arzt tätig, wurde er 1701 Lektor der Medizin an der Universität Leyden und 1702 zum Professor der Medizin und Botanik ernannt"; mehrere Jahre später (1709) erhielt er auch einen Lehrauftrag für Chemie, der sein ganz besonderes Interesse galt. „Chemiam dies noctesque exercuit", schreibt er von sich in einer Selbstbiographie. Er vereinigte in sich das Wissen ganzer Fakultäten und übte als hochangesehener Arzt eine umfangreiche Praxis aus, die ihm auch reiche Einnahmen gewährte. Er wurde zu einer europäischen Berühmtheit und hatte einen ungeheuren Briefwechsel zu bewältigen. Sein Ruf ging so weit, daß ihn Briefe aus den fernsten Ländern erreicht haben sollen mit der einfachen Anschrift:„An Herrn Boerhave, Arzt in Europa." Obwohl er ein glänzendes Einkommen hatte — seiner einzigen Toditer hat er ein Vermögen von zwei Millionen Gulden hinterlassen —, lebte er bei ununterbrochener wissenschaftlicher und ärztlicher Tätig-
94 IV. Selbständige Chemie bis zur Sauerstoffentdeckung keit schlicht und einfach, gemäß seinem Wahlspruch: sigillum veri."
„Simplex
B o e r h a v e suchte die Chemie, die er von der Medizin streng getrennt hielt, von immer noch vielfach geltenden alchemistischen Anschauungen zu befreien. Indem er eine Quecksilberprobe 15 Jahre lang ununterbrochen erhitzte und eine andere nicht weniger als 500mal destillierte, widerlegte er experimentell die überkommene Ansicht, auf die Weise könne Quecksilber in ein festes Metall oder in eine flüchtigere Substanz verwandelt werden. Ebenso bewies er die völlige Haltlosigkeit der Behauptung, man könne aus Blei durch besondere Behandlung Quecksilber gewinnen, durch genaues Nacharbeiten der dafür gegebenen Vorschriften. Die Anschauungen der Phlogistontheorie übernahm er; jedoch vermutete er in der Luft ein „vitae cibum", das näher zu erforschen er für eine der wichtigsten Aufgaben der Chemie hielt. „In obscuro habetur. Felix, qui detegat", so spricht er vorahnend von der Sauerstoffentdeckung, die noch ein halbes Jahrhundert auf sich warten lassen sollte. B o e r h a v e s große Bedeutung für die Chemie liegt weniger in eigenen neuen Beobachtungen und Entdeckungen als vielmehr in einer klaren systematischen Behandlung des vorhandenen Wissensstoffes und in seiner außerordentlich erfolgreichen Lehrtätigkeit. Als aber einige seiner Schüler ohne sein Wissen Nachschriften von seinen chemischen Vorlesungen unter seinem Namen
als „Institutiones et experimenta Chemiae" (1724) hatten in Drude erscheinen lassen, denen in Paris und in London alsbald Nachdrucke folgten, geriet der sonst so ruhige, selbstbeherrschte Mann in großen Zorn, zumal mancherlei fehlerhafte Angaben in den Büchern enthalten waren. Eine geharnischte in einer Leydener Zeitung veröffentlichte Erklärung, in der er diesen Mißbrauch seines Namens aufs schärfste geißelte, hatte nur den Erfolg, daß alsbald noch französische und englische Übersetzungen der unrechtmäßigen lateinischen Ausgabe erschienen.
So sah sich B o e r h a ve schließlich genötigt, selbst ein Lehrbuch zu verfassen, das 1732 unter dem Titel „Elementa Chemiae" erschien und alsbald auch in den anderen europäischen Ländern, teils in deutschen, englischen und fran-
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zösischen Übersetzungen weiteste Verbreitung fand, da es in seiner klaren Systematik einen ausgezeichneten Überblick über das Gesamtgebiet des chemischen Wissens bot. In Deutschland wurde die phlogistisdie Chemie vor allem in der von S t a h l begründeten „Berliner Schule" gepflegt, als deren Hauptvertreter der Hofapotheker und Professor am„Collegium medico-chirurgicum" C a s p a r N e u m a n n (1683—1737) zu nennen ist. Er beschäftigte sich mit verschiedenen chemisdien Untersuchungen, besonders mit Pflanzenölen, bei denen er die Ausscheidung von Stearoptenen beobachtete; auch gewann er durch Destillation von Ameisen ein flüchtiges ö l . Seine eigentliche Bedeutung für die Chemie liegt in seiner lehrenden Tätigkeit durch Wort und Schrift. Er hat mehrere Abhandlungen sowohl in den Schriften der Berliner Akademie wie in den „Philosophical Transactions" der „Royal Society" erscheinen lassen und auch seine Vorlesungen über die verschiedensten Gebiete der Chemie in Druck herausgegeben, die nach seinem Tode 1740 gesammelt als „Praelectiones chymicae" erschienen und auch ins Holländische, Französische und Englische übersetzt worden sind. Ein anderer Lehrer an derselben militärärztlichen Bildungsanstalt, der sich und seine Hörer ebenfalls mit Chemie beschäftigte, war der Professor der Anatomie und Direktor der physikalisch-mathematischen Klasse der königlichen „Societät der Wissenschaften" (Akademie) J o h. T h. E 11 e r (1689—1760), Leibarzt F r i e d r i c h s des Großen. Nach N e u m a n n s Tode (1737) wurde J o h . H e i n r . P o t t (1692—1777), der sich als Schüler von S t a h l und H o f f m a n n zu einem kenntnisreichen Chemiker und geschickten Experimentator ausgebildet hatte, sein Nachfolger. Ein gläubiger Anhänger der S t a h l sehen Lehre, hielt P o t t das Phlogiston für eine eigentümliche Art von Schwefel. Hauptsächlich beschäftigte er sich mitMineralien, die er in eigens zu diesem Zweck verbesserten Öfen sehr hohen Temperaturen aussetzte. Er erhielt von Friedrich d. Gr. den Auftrag, das so großes Aufsehen erregende Meißener Porzellan nachzumachen. Mit bewunderungswürdiger Ausdauer soll P o t t über dreißigtausend Versuche mit
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allen möglichen Mineralien gemacht haben, ohne zum Ziele zu gelangen, da ihm die eigentliche Porzellanerde, das Kaolin, nicht in die H ä n d e kam. Seine Untersuchungen, deren Ergebnisse bei der späteren Porzellanbereitung nutzbringende V e r w e n d u n g f a n den, die auch als Vorarbeiten f ü r die Lötrohranalyse gelten können, hat er teils in den Schriften der Berliner Akademie, teils in besonderen Büchern über die „Lithocognosia" veröffentlicht. Mit E 1 1 e r hat er mehrere Streitschriften gewechselt, unter anderem über die alte Frage der Umwandlung von Wasser in Erde, eine Ansicht, die P o t t durch Versuche zu widerlegen sich bemühte. In seinen 1739—41 erschienenen „Collectiones observationum et animadversionum chymicarum" hat er auch nähere Angaben über die Eigenschaften verschiedener Metalle, wie Wismut, Zink usw. gemacht. D i e Erfindung des Porzellans ist einer der wesentlichsten technischen Fortschritte jener Zeit. Sie kam, w i e s o manche andere, als N e b e n - oder „Angsterzeugnis" alchemistischer B e m ü h u n g e n zustande. D i e aus w e i ß l i c h durchschimmernder, gebrannter Masse g e f o r m t e n G e f ä ß e k o n n t e n nur f ü r sehr teures G e l d aus d e m f e r n e n L a n d e China b e z o g e n w e r d e n . A l l e B e m ü h u n g e n , sie in E u r o p a herzustellen, w a r e n v e r geblich gewesen, bis dieses schließlich i m Jahre 1 7 0 9 glückte. E i n aus Schleiz s t a m m e n d e r A p o t h e k e r l e h r l i n g J o h a n n F r i e d r i c h B ö t t g e r ( 1 6 8 2 — 1 7 1 9 ) e r w a r b sich durch alchemistische Versuche bei dem A p o t h e k e r Z o r n in Berlin den R u f eines geschickten Goldmachers u n d w u r d e als solcher sogar v o n K ö n i g F r i e d r i c h I. ausgezeichnet. D a ihm aber der Boden unter den Füßen allmählich zu heiß wurde, flüchtete er dem Beispiele Thurneyssers (1584) folgend 1701 nach Wittenberg, das damals noch zu Kursachsen gehörte. Eine f ü r seine H a b h a f t m a c h u n g ausgesetzte Belohnung von 1000 Talern blieb ebenso erfolglos wie die mit dem Dresdener H o f e angeknüpften Verhandlungen, die beinahe zu einem Kriege zwischen Brandenburg-Preußen und Sachsen geführt hätten. A u g u s t der Starke ließ den Zauberkünstler in Wittenberg aufgreifen und auf die Festung Königstein bringen. U n t e r strenger Bewachung gehalten, sollte B ö t t g e r dem prunkliebenden, geldbedürftigen Fürsten Gold schaffen. Bei einem Fluchtversuch wieder ergriffen, kam er nach Dresden und w u r d e d a n n dem
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berühmten Physiker E h r e n f r i e d W a l t e r von T s c h i r n h a u s (1651—1708) als Laborant zugeteilt. Dieser hatte sich eingehend mit der Glasmacherei beschäftigt und auch versucht, das chinesische Porzellan zu gewinnen. Auf längeren Studienreisen in Italien, Holland und Frankreich- hatte er besonders in Paris den Gebrauch großer Brennspiegel zur Erzeugung hoher Temperaturen kennengelernt. Es gelang ihm schließlich auch, Gefäße aus braunem Porzellan herzustellen, als er im Oktober 1708 durch einen frühen Tod abgerufen wurde.
B ö 11 g e r, der bei der Aussichtslosigkeit seiner alchemistischen Versuche ein eifriger Gehilfe bei den Arbeiten des angesehenen Gelehrten geworden war, trat kurz nach dessen Tode mit richtigem weißen Porzellan hervor, denn inzwischen war die Auffindung des weißen Kaolins geglückt, das mit Feldspat zusammen die richtige Masse ergab. Am 7. Juni 1710 wurde in Meißen die Porzellanmanufaktur eröffnet, die B ö 11 g e r nur noch 9 Jahre leiten konnte. Das streng gehütete Geheimnis ließ sich auf die Dauer nicht halten. In den folgenden Jahren wurden an verschiedenen anderen Orten Porzellanfabriken angelegt: 1720 in Wien, 1740 in Höchst, 1744 in Fürstenberg, 1747 in Nymphenburg. Von preußischer Seite wurde bereits 1713 in Plaue (Bezirk Potsdam) eine Fabrik gegründet, die aber keinen langen Bestand hatte, weil in ihr nur rotes Steinzeug hergestellt wurde. Erst als das Geheimnis der richtigen Porzellangewinnung aus Kaolin und Feldspat auch dorthin gedrungen war, konnte im Jahre 1751 die Porzellanmanufaktur in Berlin eröffnet werden. Der bedeutendste der von N e u m a n n ausgebildeten Berliner Chemiker war A n d r e a s S i g i s m u n d M a r g g r a f e (1709—1782). Sein Name wird zwar gewöhnlich Marggraf geschrieben, doch findet sich bei seinen eigenhändigen Unterschriften stets ein e dem Namen angehängt, und so muß man ihm diese Schreibweise wohl billig zugestehen. Dem Berufe seines Vaters, der königlich preußischer Hofapotheker war, folgend, erhielt er die erste pharmazeutische Ausbildung bei diesem, während er bei Professor N e u m a n n weiteren Unterricht in Chemie genoß. Seine wissenschaftlichen 7
Gesdiidite der C h e m i e I
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Studien setzte er auf den Universitäten Frankfurt
a. O.,
Straß-
bürg und Halle, sowie an der Bergakademie Freiberg in Sach-
sen fort. Nach dieser gründlichen Ausbildung machte er noch eine berg- und hüttenmännische Studienreise und kehrte 1735 nach Berlin zurück, wo er bereits mit 29 Jahren Vorsteher des chemischen Laboratoriums der Hofapotheke und zugleich Mitglied der königlichen „Societät der Wissenschaften" wurde. Diese stellte ihm 1754 ein Wohnhaus mit chemischem Laboratorium (Dorotheenstraße 10) zur Verfügung, und nach E 11 e r s Tode ernannte ihn Friedrich d. Gr. zum Direktor der physikalischmathematischen Klasse, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode geblieben ist.
M a r g g r a f e war ein eifriger, ernster wissenschaftlicher Forscher, allen Streitereien abgeneigt, von großer Bescheidenheit, die Verdienste der anderen neidlos anerkennend. Er hat sich ganz besonders um die Weiterbildung der analytischen Chemie im Sinne von B o y 1 e verdient gemacht. "Wenn z. B. H o f f m a n n schon vermutete, daß in Alaun, Kalk und Bittererde verschiedene „Erden" vorhanden seien, ohne unterscheidende Merkmale angeben zu können, so lehrte M a r g g r a f e , wie man sie, jede für sich, durch bestimmte Reaktionen nachweisen kann. Im Gips wies er den Gehalt an Kalk, Schwefelsäure und Wasser nach. Zum Unterscheiden vonNatrium- und Kaliumsalzen benützte er bereits die flammen färbung. Im Jahre 1748 hatte der spanische Gelehrte D o n A n t o n i o d e U l l o a berichtet, daß er als Teilnehmer an einer französischen Forschungsreise zur Gradmessung unter dem Äquator einen „unangreifbaren metallischen Stein" entdeckt habe, der von dem Engländer R i c h a r d W a t s o n als neues Metall erkannt (1750) und als solches von Professor H. Th. S c h e f f l e r (1710—1755) in Upsala auf seine Eigenschaften näher untersucht wurde (1752). Die Spanier nannten es als minderwertiges Silber nach dem Fundorte an dem Flusse Pinto „Piatina del Pinto" („Piatina" = Diminutivum des spanischen „Plata" = Silber). Erst allmählich lernte man die Bedeutung und den wahren Wert dieses Edelmetalles Platin richtig schätzen.
3. Zeitalter der Phlogistonchemie
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M a r g g r a f e wußte sich auch davon zu verschaffen und benützte die Lösung in Königswasser (Platinchlorid) als chemisches Reagens, mit dem er die Kalium- von den Natriumsalzen trennen konnte (1757). Er verbesserte die Darstellungsweise des Phosphors aus Harn und stellte fest, daß der Phosphor beim Verbrennen an Gewicht zunimmt. Die Eigenschaften der Phosphorsäure und ihrer Salze untersuchte er genauer, wobei er das „Phosphorsalz" (Natrium-Ammoniumphosphat) als „Sal microcosmicum" in die Chemie einführte. Noch mancherlei andere Untersuchungen hat der fleißige Forscher ausgeführt, wobei ihm trotz seiner analytischen Geschicklichkeit auch, wie beim Braunstein, Schwerspat und Flußspat, Entdeckungen entgangen sind, die einem Größeren vorbehalten blieben. Ein ganz besonderes Verdienst hat sich M a r g g r a f e dadurch erworben, daß er das von den holländischen Brillenschleifern J o h a n n e s und Z a c h a r i a s J a n s s e n 1590 erfundene Mikroskop in das chemische Laboratorium einführte. Mit diesem Hilfsmittel gelang ihm 1747 die Entdeckung des Rohrzuckers in der Runkelrübe. Jedoch machte er keinerlei Versuche, diesen wichtigen Fund praktisch zu verwerten. Sein Schüler und späterer Nachfolger F r a n z C a r l A c h a r d (1753—1821) baute in Kaulsdorf bei Berlin 1786 eine kleine Fabrikanlage, die aber, noch ehe sie in Betrieb genommen werden konnte, abbrannte. Als er dann 1799 mit Hilfe des Königs Friedrich Wilhelm III. das Gut Cunern im Bezirk von Breslau erworben hatte, gründete er dort eine neue Fabrik, in der nach Überwindung großer Anfangsschwierigkeiten zum ersten Male Rübenzucker in größeren Mengen fabrikmäßig gewonnen wurde. Während der napoleonischen Kontinentalsperre (1806—1813) konnte sich das Unternehmen gut entwickeln, und A c h a r d erhielt sogar von der „Société d'Agriculture de la Seine" 1810 die goldene Medaille verliehen. Als dann aber nach Aufhebung der Sperre der Rohrzucker aus den englischen Kolonien wieder in um so größeren Massen ins Land strömte, mußte die Fabrik ihre Tore schließen. In Frankreich dagegen ging die 7*
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industrielle Entwicklung weiter. A c h a r d (der auch 1 7 8 4 den ersten Platintiegel herstellen ließ) h a t sein Leben in größter Dürftigkeit beenden müssen. N a c h seinem T o d e hat sich dann, als der Zuckergehalt der R ü b e n durch besondere Zucht erhöht und das F a b r i k a t i o n s v e r f a h r e n in vieler H i n sicht verbessert ' w o r d e n w a r , die Zuckerindustrie sowohl in Deutschland wie in den anderen europäischen L ä n d e r n aufs kräftigste entwickelt. Seine chemischen Abhandlungen schrieb M a r g g r a f e zunächst in deutscher Sprache nieder. Für die „Miscellania Berolinensia" wurden sie dann ins Lateinische übersetzt und von da weiter („traduit du Latin") ins Französische, um in der „Histoire de l'Académie royal des Sciences et Belles Lettres" abgedruckt zu werden. 1760 wurde der erste Teil seiner „Chymischen. Schriften" von dem preußischen Bergrat, später Professor der Chemie in St. Petersburg J o h a n n G o t t l i e b Lehmann (+ 1767) herausgegeben. Der zweite Band konnte wegen des Siebenjährigen Krieges erst 1767 erscheinen. Als M a r g g r a f e 1774 einen Schlaganfall erlitten hatte und infolgedessen längere Zeit nichts von sich hören ließ, glaubte der König, er sei gestorben, und wollte einen Nachfolger für ihn berufen lassen. Auch war er über die Höhe seines Gehalts völlig im Unklaren. Deshalb berichteten die Akademie-Professoren: „Le directeur Marggrafe n'est point mort, non seulement il est plein de vie, mais il travaille toujours avec la même application. Il n'avais jamais eu 1600 écus, mais seulement 900, y compri la pension de directeur." Seine auf eigene Kosten angeschafften Laboratoriumsgerätschaften und Apparate überließ er, als nach dem Hubertusburger Frieden die Staatskasse allmählich wieder zahlfähig geworden war, der Akademie zum Gesamtpreis von 300 Talern, obwohl ihr Wert auf 322 Taler geschätzt war. I n Frankreich treten mehrere Chemiker als A n h ä n g e r und eifrige Verfechter der Phlogistontheorie h e r v o r . D a ist z u nächst S t e p h a n F r a n ç o i s G e o f f r o y ( 1 6 7 2 — 1 7 3 1 ) , genannt „der Ä l t e r e " ( z u m Unterschied zu einem weniger bedeutenden jüngeren B r u d e r C l a u d e J o s e p h G. ( 1 6 8 6 bis 1 7 5 2 ) zu nennen, der, gleichzeitig P h a r m a z e u t und A r z t , sidi auch als Chemiker eifrig betätigt hat. D e n v o n S t a h l vertretenen Gedanken der chemischen Verwandtschaft der
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verschiedenen Elemente untereinander verfolgte er weiter; er stellte Affinitätstabellen auf, für deren Anordnung die Bildung von Niederschlägen in den Lösungen der verschiedenen Salze maßgebend waren. Seine 1718 veröffentlichten „Tables des rapports" haben lanee in der Chemie eine große Rolle gespielt und haben Anlaß "',u mancherlei Ergänzungen und Verbesserungen der Systematik in gleichem Sinne gegeben. Wie dieser entfalteten auch die anderen hervorragenden französischen Chemiker ihre Tätigkeit in Paris, wo ihnen außer der Universität die verschiedenen anderen wissenschaftlichen Anstalten die Möglichkeit des Forschens und Lehrens boten. Da war J e a n H e i l o t (1685—1765) auf dem Gebiete der technischen Chemie, besonders in der Färberei, und der Landwirtschaft (Kartoffelbau) tätig. H e n r y Louis D u h a m e l d e M o n c e a u (1700—1781) beschäftigte sich hauptsächlich mit der Untersuchung der Alkalien. Er erkannte, daß die alkalische Natur der im Kochsalz enthaltenen Basis dieselbe ist wie die des in Ägypten natürlich vorkommenden „Natron" oder der „Throna" und der durch Veraschen von Strandgewächsen, besonders in Spanien, gewonnenen „Soda"; verschieden von der aus Landpflanzen dargestellten „Pottasche". D u h a m e l machte auch (1736) die ersten Versuche zur künstlichen Darstellung von Soda, ohne allerdings ein brauchbares Verfahren zu finden. Nach weiteren Versuchen verschiedener anderer Chemiker gelang die Lösung dieser immer dringender werdenden Aufgabe dann dem Leibarzt des Herzogs von Orleans N i c o l a s L e b l a n c (1742 bis 1806), der Kochsalz zunächst durch Behandeln mit Schwefelsäure in Glaubersalz überführte und dieses durch Glühen mit Kohle und Kreide in Soda verwandelte. Bei der Ausarbeitung des technischen Verfahrens ist ihm M i c h . J e a n J é r ô m e D i z é (1764—1852) behilflich gewesen. Das für dieses Verfahren am 25. September 1791 erteilte Patent wurde infolge der revolutionären Entwicklung im Februar 1794 aufgehoben. Dadurch wirtschaftlich ruiniert, hat L e -
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b l a n c , der Begründer der Sodaindustrie, nach Jahren bitterster Not schließlich seinem Leben im Armenhause von St. Dénis durch einen Pistolenschuß ein Ende gemacht. Unter den französischen Chemikern jener Zeit ist ferner bemerkenswert G u i l l . F r a n ç o i s R o u e l l e (1703 bis 1770), der ein ausgezeichneter Theoretiker und erfolgreicher Lehrer war. L e b l a n c sowohl wie L a v o i s i e r verdanken ihm ihre chemische Ausbildung. Er hat den Begriff „Salz" zum ersten Male in allumfassender Weise klargestellt und die Einteilung in neutrale, saure und basische Salze getroffen. P i e r r e J o s e p h M a c q u e r (1718—1784) hat sich als Technologe, besonders in der Färberei und der Porzellanfabrikation große Verdienste erworben. Er beschäftigte sich auch mit dem am Anfang des 18. Jahrhunderts von dem Berliner Farbenkünstler D i e s b a ch unter Verwendung der von dem Theosophen und Alchemisten J o h . C o n r a d D i p p e l (1673—1734) bei der Reinigung seines tierischen Öles, des „Oleum animale Dippeli", benutzten alkalischen Abfallstoffe dargestellten „Berliner" oder „Preußisch Blau" (beschrieben 1710 in den Miscell. Berolinens). M a c q u e r entdeckte bei seinen Untersuchungen das gelbe Blutlaugensalz. Er hat außerdem mehrere ausgezeichnete chemische Lehrbücher verfaßt: „Eléments de Chimie théorétique" (1749). „Eléments de Chimie pratique (1751), „Dictionaire de Chimie" (1766). Auch in England wurde die Chemie im 18. Jahrhundert von mehreren tüchtigen Forschern gefördert. Zunächst ist J o s e p h B l a c k (1728—1799) zu nennen. Als Sohn eines aus Belfast in Schottland stammenden Weinhändlers in Bordeaux geboren, studierte er in Glasgow und Edinburgh Medizin. Durch die ausgezeichneten Vorlesungen von W i l l i a m C u l l e n (1712—1790) in Glasgow wurde sein Interesse für Chemie geweckt. So stellte er selbst eingehende diemische Versuche an, um das Thema seiner medizinischen Doktorarbeit zu behandeln, das die Heilung von Blasensteinleiden durch Anwendung kaustischer Wässer betraf. Durch eine Abhandlung von F r . H o f f m a n n angeregt, beschäftigte er sidi außerdem mit der als Geheim-Laxiermittel angepriesenen
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weißen Magnesia (Magnésica alba), die aus dem in dem Mineralwasser von Epson, einem südwestlich von London gelegenen Badeorte, enthaltenen Bittersalz (Magnesiumsulfat), dem „Eponsalz", durch Vermischen der heißen Lösung mit einer heißen Pottaschenlösung dargestellt wurde. Mit der Dissertation „De humore acido a Cibis orto et magnesia alba" promoviert er 1754 in Edinburgh zum Dr. med.
Nachdem er dann seine Untersuchungen noch weiter vervollständigt hatte, veröffentlichte er sie im folgenden Jahre unter dem Titel „Experiments upon Magnesia alba, Quickline and other Alkaline Substances". Diese seinem Lehrer C u 11 e n gewidmete Arbeit bildet die Grundlage seines hohen wissenschaftlichen Ansehens. Bereits 1756 wurde er C u 11 e n s Nachfolger in Glasgow, und als dieser zehn Jahre später seine Professur für Chemie in Edinburgh mit einer solchen für Medizin vertauschte, wurde B l a c k auch dieser Lehrstuhl übertragen. Eine andere wissenschaftliche Großtat besteht in der Entdeckung der latenten Wärme, die er erst auf eine besondere Aufforderung hin 1775 in den Philosophical Transactions veröffentlichte. Im übrigen hat B l a c k nur sehr wenig in Druck erscheinen lassen; sein ganzes großes Können und Wissen entfaltete er in seinen Vorlesungen, die später auch von seinen Schülern herausgegeben wurden. Ein Mann wie J a m e s W a t t (1736—1819) hat in den Vorlesungen bei B l a c k die Anregung zur Konstruktion des Dampfkondensators empfangen, die den entscheidenden Fortschritt in der Dampfmaschinentechnik bewirkte. Welches Ansehen B l a c k in wissenschaftlichen Kreisen genoß, beweist die Tatsache, daß er von der französischen „Académie des Sciences" zu einem der nicht mehr als acht betragenden auswärtigen Mitglieder gewählt wurde. Die Chemie verdankt B 1 a c k die Aufklärung der chemischen Natur der sogenannten „milden" und „ätzenden Alkalien". Während man bis dahin annahm, der Kalkstein nehme beim Brennen einen ätzend wirkenden Feuerstoff auf, zeigte B l a c k , daß dabei im Gegenteil die „fixe Luft" ausgetrieben wird und daß der gebrannte Kalk wiederum
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Chemie
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die milden Alkalien ä t z e n d mache, indem er die v o n diesen gebundene Kohlensäure übernehme. B l a c k hat auch als erster die „fixe Luft" gewogen und ihr Vorhandensein in geringer Menge in der gewöhnlichen L u i t nachgewiesen. Die aufklärende Wirkung seiner grundlegenden Untersuchungen wurde eine Zeitlang durch eine sonderbare Theorie aufgehalten, die der Osnabrücker Apotheker J o h a n n F r i e d r i c h M e y e r entwickelte und im Jahre 1764 veröffentlichte. Die „Kausticität" sollte durch eine aus dem Feuer stammende fettige Säure, dem „acidurn p'tngue", verursacht werden. Diese Abart der Phlogistontheorie f a n d viele Anhänger, so d a ß sich zwei sich gegenseitig bekämpfende Gruppen der „Blackianer" und Azr„Meyerianer" bildeten; bis Ende der siebziger Jahre hat sich der Streit hingezogen, bis endlich B l a c k s Lehre allgemein anerkannt wurde. V o n nicht geringerer Bedeutung ist der englische Forscher H e n r y C a v e n d i s h ( 1 7 3 1 — 1 8 1 0 ) , der (ähnlich w i e B o y 1 e) aus vornehmer Adelsfamilie stammend — sein Vater w a r ein S o h n des z w e i t e n H e r z o g s v o n D e v o n s h i r e — , ohne äußere Stellung sidi ganz der Wissenschaft w i d m e t e . Geboren in Nizza, wo sich seine Mutter aus Gesundheitsgründen aufhielt, genoß er seinen Schulunterricht in Hackney und studierte dann in Cambridge Mathematik und Naturwissenschaften. Ohne eine Abschlußprüfung zu machen, siedelte er nach einigen Jahren nach London über, wo er sich in dem Stadthause seines Vaters ein Laboratorium einrichtete, und auch Mitglied der „Royal Society" wurde. Ein ausgesprochener Sonderling, schüchtern und menschenscheu, führte er ein zurückgezogenes Leben in größter Schlichtheit. N u r mit wissenschaftlichen Fragen beschäftigt, machte er von seiner Wohlhabenheit keinerlei Gebrauch, auch nicht als er nach dem T o d e seines Vaters und einer nahen Verwandten in den Besitz eines selbst f ü r die Verhältnisse des hohen Adels ungewöhnlich großen Vermögens gelangt war. Er hatte sich eine große Bibliothek eingerichtet, die er auch guten Bekannten zur Verfügung stellte und aus der er sich selbst gegen die übliche Bescheinigung die Bücher holte. In dem Vorort Clapham hatte er ein einfaches Landhaus, in dem er sich w ä h rend des Sommers zeitweise aufhielt. Auch dort hatte er sich, um seine Forschungen nicht unterbrechen zu müssen, ein Laboratorium eingerichtet. Den ihn besuchenden Freunden wurde regel-
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mäßig eine Hammelkeule vorgesetzt. Für einen in Not geratenen Familienvater, der früher bei ihm angestellt gewesen war, um eine Spende gebeten, schrieb er einen Scheck über 10 000 Pfund Sterling aus und fragte, ob das genügen würde. Einsam, wie er als Junggeselle gelebt, ist er auch gestorben. In einem Nachruf wird von ihm gesagt: Er war der reichste Gelehrte und der gelehrteste Reiche.
Die wissenschaftlichen Arbeiten von C a v e n d i s h sind dadurch besonders ausgezeichnet, daß er nicht nur Chemiker, -sondern zugleich Physiker und Mathematiker war. So war er im Gegensatz zu den meisten Chemikern der Phlogistonzeit ein mit Maß, Zahl und Gewicht arbeitender quantitativer Forscher. Ebenso wie B 1 a c k (s. S. 103) hat er die latente Schmelz- und Verdampfungswärme entdeckt, ohne etwas darüber zu veröffentlichen. Diese beiden teilen den Entdeckerruhm mit einem dritten, dem deutsch-schwedischen Physiker J. C. W i l c k e (1732—1796). Auch den Begriff der spezifischen Wärme hat C a v e n d i s h geklärt und deren Werte für eine größere Zahl von Stoffen bestimmt. Die rätselhafte Erscheinung der von dem sogenannten Zitterfisch ausgeübten Schläge klärte er als Entladungen hoher elektrischer Spannungen auf. Als seine bedeutendste physikalische Arbeit gilt die mit Hilfe einer Bleikugel-Drehwaage ausgeführte Bestimmung der Gravitationskonstanten, die gewöhnlich als „Bestimmung des Gewichts der Erde" bezeichnet wird. Eine seiner ersten chemischen Arbeiten, die er aber, wie manche andere, nie veröffentlicht hat, betrifft das metallische Arsen und dessen beide Oxyde, von denen nach damaliger Anschauung das Pentoxyd weniger Phlogiston enthalten sollte als das Trioxyd, während der Arsenregulus am phlogistonreichsten war. Er stellte die Löslichkeit von Magnesium- und Calciumcarbonat unter der Einwirkung überschüssiger Kohlensäure (Bicarbonatbildung) fest. Bei seiner sorgfältigen quantitativen Untersuchungsweise machte er sogar ähnlich wie H o m b e r g (s. S. 88) Ansätze zu stöchiometrischen Bestimmungen, indem er die Menge „Vitriolöl" (Schwefelsäure) be-
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stimmte, die einerseits 100 Gewichtsteile „Plumbum vitriolatum" erzeugen, andererseits 33 Gewichtsteile Marmor auflösen können, und stellte fest, daß diese Menge Vitriolöl ebensoviel „fixes Alkali" sättigt •wie die Gewichtsmenge Salpetersäure, die ebenfalls 33 Gewichtsteile Marmor auflösen kann. Diese Gesetzmäßigkeit fand C a v e n d i s h , bevor die Begriffe der Äquivalenz (1792 von J. B. R i c h t e r ) oder der atomistischen Proportionen (1803 von J. D a 1t o n) entwickelt worden waren. Das Gewichtsverhältnis von PbSOi (303,23) zu CaCOs (100,08) hat er mit 100 : 33 tatsächlich genau ermittelt. Die Chemie und Physik der Gase ist das Gebiet, mit dem sich C a v e n d i s h am eingehendsten beschäftigt und auf dem er das Höchste geleistet hat. Von dem Begründer der Gaschemie, J. B. v a n H e l m o n t , erschlossen, war es von B o y 1 e sowohl wie von B l a c k weiter gepflegt worden. Die großen Schwierigkeiten, die für die Untersuchung der verschiedenen „Luftarten" bestanden, waren durch die ErWanne" von dem englischen findung der „pneumatischen Landgeistlichen S t e p h e n H a l e s (1677—1761) im Jahre 1727 im wesentlichen überwunden worden. Dieser Vorrichtung bediente sich auch C a v e n d i s h , um die einzelnen Gase für sich'aufzufangen und ihr Verhalten näher zu prüfen. Als Absperrflüssigkeit benutzte er statt des "Wassers in vielen Fällen Quecksilber zur Vermeidung der Absorption. In seiner ersten 1766 erschienenen Veröffentlichung „Experiments on factitious air" berichtet er über die Ergebnisse dieser Untersuchungen. Außer mit dem „Gas sylvester" oder der „fixen Luft" (CO2) beschäftigte er sich besonders mit der schon von früheren Chemikern, wie P a r a c e l s u s , v a n H e l m o n t , B o y l e und anderen, ebenfalls beobachteten „brennbaren Luft", der „inflammable air" (Wasserstoff), die bei der Auflösung von Metallen in Säuren entwickelt wird. C a v e n d i s h bestimmte nun die Dichte dieser Gase auf verschiedene Weise (Abwägen in Tierblasen oder Bestimmung des Gewichtsverlustes der miteinander reagierenden Mengen Metall und Säure) und fand, die Didite der Luft
3. Zeitalter der Phlogistonchemie
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= 1 setzend, für Kohlensäure den "Wert 1,57, für Wasserstoff 0,09 (statt 1,59 und 0,069). Mit den verschiedenen Metallen und Säuren wurde immer dieselbe „brennbare Luft" entwickelt, wofür C a v e n d i s h sonderbarerweise auch geltend machte, daß diese, in gleicher Weise mit Luft gemischt, auch immer beim Entzünden dieselbe Knallstärke ergab. Durch die genauen Untersuchungen von C a v e n d i s h wurde der Wasserstoff zum ersten Male als selbständiges Gas charakterisiert und somit als solches „entdeckt". Da die „fixe Luft" aus der Magnesia oder dem Marmor durch die Säuren ausgetrieben wird, so lag nichts näher aL die Annahme, die „brennbare Luft" werde aus den Metallen durch Einwirkung der Säuren entwickelt und sei im Grunde nichts anderes als das viel gepriesene, aber nie als solches greifbare „Phlogiston". Später hat C a v e n d i s h den Wasserstoff nicht als reines Phlogiston, sondern als „Phlogistonhydrat" angesehen. Die Wasserstoff-Phlogiston-Theorie wurde dann von dem Engländer R i c h a r d K i r w a n (1750—1812) besonders eifrig vertreten und in Deutschland von J o h . C h r . W i e g l e b (1732—1800) in Langensalza. Nach einer Pause von 17 Jahren entschloß sich (1783) C a v e n d i s h zu einer neuen „pneumatischen" Abhandlung mit dem Titel: „An account of a new Eudiometer". Inzwischen waren Anfang der siebziger Jahre auf dem Gebiete der Gaschemie mehrere wichtige Entdeckungen gemacht worden, C a v e n d i s h selbst hatte, wie er 1772 P r i e s t 1 e y brieflich mitteilte, durch Uberleiten von Luft über glühende Holzkohle und über Ätzkali ein Gas erhalten, das eine Flamme zum Verlöschen brachte und etwas leichter als Luft war. Er nannte diese, von der „fixen Luft" deutlich verschieden, „phlogistierte Luft" oder (nach der altitalischen Göttin der schädlichen Dünste „Mephitis") „mephitische Luft". Da er sich seiner Gewohnheit gemäß mit der Veröffentlichung nicht beeilte, mußte er die Ehre der Entdeckung des Stickstoffs Daniel Rutherford (1749—1819) überlassen, der im gleichen Jahre mit seiner unter der Leitung
108 IV. Selbständige Chemie bis zur Sauerstoff entdeckung von B l a c k ausgeführten „Dissertatio inauguralis de aere fixo dicto aut mephitico" hervortrat. Die Sauerstoffentdeckung durch S c h e e l e und durch P r i e s t l e y (1771, 1774) hatte die Zusammensetzung der Luft aus zwei verschiedenen Gasen endgültig bewiesen. C a v e n d i s h setzte sich nun zur Aufgabe, diese beiden Luftbestandteile genau zu bestimmen, indem er die Eigenschaft des „Salpetergases" (Stickoxydes), sich mit dem „dephlogistierten" Anteil der Luft unter Rotbraunfärbung zu verbinden, benützte, durch Absorption in Wasser quantitative Bestimmungen auszuführen. Der Erfinder der pneumatischen Wanne S t e p h e n H a i e s , hatte bereits auch ein „Eudiometer" ( = Gütemesser) erfunden, mit dessen Hilfe die „Güte" der Luft geprüft werden konnte. C a v e n d i s h bildete das Bestimmungsverfahren noch genauer aus und machte umfangreiche Untersuchungen an verschiedenen Orten, um die Frage zu prüfen, ob die Luft tatsächlich, wie man damals annahm, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten verschieden zusammengesetzt sei. Aus mehr als 400 ausgeführten Einzelbestimmungen ging hervor, daß die Zusammensetzung der Luft bei den verschiedensten Witterungsverhältnissen überall und immer dieselbe ist, und zwar ergab sich nach Entfernung der „fixen Luft" als Mittelwert ein Gehalt von 20,84 % „dephlogistierter Luft" (Sauerstoff). In den dann 1784—1788 veröffentlichten „Experiments on Air" berichtete C a v e n d i s h über eingehende Versuche zur Prüfung der Frage, was aus der bei Verbrennungsvorgängen verschwindenden „dephlogistierten Luft" wird. Er stellte fest, daß nur beim Verbrennen pflanzlicher und tierischer Stoffe „fixe Luft" gebildet wird, beim Verbrennen von Schwefel und Phosphor aber nicht, auch keine Salpetersäure. Letztere entsteht bei längerer Einwirkung des elektrischen Funkens. Diese Versuche führte er in äußerst einfacher Weise aus, indem er durch die in einem mit beiden offenen Enden in Quecksilber stehenden Knierohr eingeschlossene Luft aus dem Konduktor einer Elektrisiermaschine Funken schlagen ließ. Hierbei bewies er die Zusammensetzung
3. Zeitalter
der Phlogistonchemie
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der Salpetersäure aus (in der heutigen Bezeichnungsweise) Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Um nun zu prüfen, ob der gesamte „phlogistierte" Anteil (Stickstoff) der Luft in Salpetersäure übergeführt werden könne, behandelte er eine bestimmte Menge Luft mit überschüssiger „dephlogistierter Luft" (Sauerstoff) so lange mit elektrischen Funken, bis keine Raumverminderung mehr eintrat. Als er den überschüssigen Sauerstoff dann mit Hilfe von Schwefelleber fortgenommen hatte, blieb ein geringer Gasrest, etwa der 120. Teil der angewendeten „phlogistierten" Luft zurück. Dieser Befund des so außerordentlich gewissenhaft verfahrenden Forschers C a v e n d i s h i s t sonderbarerweise über ein Jahrhundert lang unbeachtet geblieben, obwohl sich mehrere ausgezeichnete Physiker und Chemiker, darunter G a y - L u s s a c und B u n s e n , eingehend mit der Luftanalyse beschäftigt haben; erst im Jahre 1894 wurde von Lord J o h n W i l l . R a y l e i g h (1842—1919) und W i l l . R a m s a y (1852—1916) das Argon entdeckt, mit Hilfsmitteln, die zu Zeiten von C a v e n d i s h noch völlig unbekannt waren. Ein Beispiel verspäteter Vollendung einer vorzeitigen Entdeckung. Veranlaßt durch eine 1781 veröffentlichte Mitteilung von W a r l t i r e a n P r i e s t l e y über das Auftreten von Feuchtigkeit bei der Explosion eines Gemisches von „brennbarer" mit gewöhnlicher Luft, führte C a v e n d i s h zur näheren Prüfung dieser Frage eingehende Versuche aus. Unter Verwendung einer großen Glasröhre von 8 Fuß Länge und 3A Zoll Durchmesser gelang es ihm, 135 Grain ( = 8,7 g) Wasser zu erhalten, das weder Geschmack noch Geruch hatte und beim Verdunsten keinen Rückstand hinterließ. Hiermit hatte C a v e n d i s h nachgewiesen, wie er sich selbst ausdrückte, daß „dephlogistierte Luft" aus Wasser bestünde, dem das Phlogiston entzogen sei; in Wirklichkeit aber, daß zusammengesetzt das Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff ist. Auch J a m e s W a t t , von P r i e s t l e y deswegen befragt, äußerte sich in gleichem Sinne. Seiner quantitativen Forschungsweise gemäß bestimmte C a v e n d i s h auch die
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miteinander reagierenden Gasmengen (das erst zwei Jahrzehnte später [1805] von G a y - L u s s a c und A1. y. H u m b o l d t entdeckte Raumgesetz der Gase vorwegnehmend) und fand, daß 423 Maß "Wasserstoff fast genau 1000 Maß Luft (entsprechend etwa 210 Maß Sauerstoff) zum Verbrennenbenötigen. Auch diese Bestimmung ist überraschend genau. Diese Synthese des Wassers, wodurch die aus dem Altertum überkommene Anschauung von der elementaren Natur des Wassers endgültig widerlegt wurde, konnte dann später durch die elektrolytische Zerlegung (1789 durch Reibungs-, 1800 durch Galvanische Elektrizität) in "Wasserstoff und Sauerstoff noch ergänzt werden. Ein Mann ganz anderer Art, der sich auch um die Chemie der Gase sehr verdient gemacht hat, war T o s e p h P r i e s t l e y (1733—1804). Aus einfachen Verhältnissen stammend — der Vater war Tuchmacher in Fieldhead bei Leeds in Yorkeshire —, wurde er nach dem frühen Tode der Mutter bei einer Verwandten erzogen und für den Kaufmannsberuf bestimmt. Da sich aber schon frühzeitig seine ungewöhnliche Begabung, besonders für Sprachen, zeigte und auch religiöse Interessen wach wurden, widmete er sich 1752—1755 auf der Akademie zu Daventry dem Studium der Theologie, Philosophie und Philologie; er hörte außerdem mit größtem Eifer naturwissenschaftliche Vorlesungen, besonders über Physik. Er begnügte sich nicht mit den modernen europäischen und den klassischen antiken Sprachen, sondern lernte auch Hebräisch, Chaldäisch, Syrisch, Arabisch usw. Bei dieser ungewöhnlichen. Vielseitigkeit machte sich bei ihm auf religiösem Gebiete eine einseitige Unduldsamkeit geltend in ausgesprochenem Gegensatz zur englischen Staatskirche. Er war ein Fanatiker des religiösen Freisinns, der keine anderen Anschauungen neben der seinigen duldete. Da er außerdem eine unerschrockene Kampfnatur war, wurde es ihm unmöglich, mit seiner Umgebung auf längere Zeit in Ruhe und Frieden auszukommen. Er hat nicht nur Stellung und Wohnort öfters gewechselt, sondern, was er sich bei seiner Vielseitigkeit leisten konnte, auch den Beruf. Länger als sechs Jahre hat er kaum ausgehalten. Als er diesen seiner Natur scheinbar angemessenen Zeitraum einmal erheblich überschritten hatte, wurde ihm
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von der wütenden Volksmenge das Haus über dem Kopfe angesteckt, und er konnte nur mit Mühe und Not das nackte Leben retten. Das widerfuhr ihm 1791 als Pfarrer in Birmingham. Und doch hat dieser sonderbare Mann trotz dieses wild bewegten Lebens der chemischen Wissenschaft große Dienste erwiesen. Er ist abwechselnd Pfarrer von Dissentergemeinden, Sprachlehrer, Privatsekretär und Reisebegleiter (1773—SO) und zwischendurch auch wieder Pfarrer gewesen, bis er schließlich (1794) mit allem und allen zerfallen, nach Amerika auswanderte, wo er, eine ihm angebotene Professur an der Universität Philadelphia ausschlagend, noch ein Jahrzehnt an den Quellen des Susqnehanna als Farmer gelebt hat und als Einundsiebzigjähriger gestorben ist. Er soll schließlich einer Vergiftung zum Opfer gefallen sein; doch ist es nicht sicher, ob das wild bewegte Leben tatsächlich auf diese Weise endete. V o n P r i e s t l e y s wissenschaftlichen Arbeiten können uns hier nur die chemischen beschäftigen, die allerdings nur einen geringen T e i l der großen Zahl seiner vielfältigen V e r öffentlichungen ausmachen. E r hat auch u. a. eine Geschichte der Elektrizitätslehre geschrieben, die ihm sonderbarerweise die juristische Doktorwürde von Edinburgh einbrachte. V e r hältnismäßig spät ist er zur Chemie gekommen, angeregt durch Vorträge, die ein D r . T u r n e r aus Liverpool in Warrington hielt, als P r i e s t l e y gerade als Sprachlehrer an der dortigen Akademie tätig war ( 1 7 6 1 — 1 7 6 7 ) ; und als er dann nach Ablauf der sechs J a h r e zur Abwechslung wieder Pfarrer, und zwar in Leeds, wurde, hatte er Gelegenheit, in einer Brauerei die Gasentwicklung bei dem Gärvorgange zu beobachten. So begann er, ohne weitere fachliche Vorbildung, sich aus Liebhaberei, gewissermaßen zur Ausfüllung seiner trotz mannigfachster Beschäftigung immer noch vorhandenen Mußestunden, mit den Gasen zu beschäftigen; und seiner ganzen Anlage gemäß, nicht wie etwa B l a c k oder C a v e n d i s h mit einigen wenigen, sondern mit möglichst vielen verschiedenen. A u f die Weise hat er denn auch ein halbes Dutzend neue Gase entdeckt oder als solche näher charakterisiert und nachgewiesen. Ebenso wie C a v e n d i s h , aber wohl unabhängig von diesem, verwendete er als Absperr-
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flüssigkeit in der pneumatischen Wanne Quecksilber, so daß er auch die von Wasser leicht verschluckbaren Gase näher untersuchen konnte. Bei seinen ersten (in Leeds 1767 ausgeführten) Gasversuchen untersuchte P r i e s t l e y die elektrische Leitfähigkeit von atmosphärischer Luft, von „fixer" und von „brennbarer" Luft. Auch stellte er mit der fixen Luft künstliche Säuerlingswasser her. Dann wandte er sich dem „salpetrigen" Gase, dem Stickoxyd, zu, dessen Braunfärbung durch Luft bereits hundert Jahre früher J o h n M a y o w beobachtet hatte und das auch C a v e n d i s h bei seinen Luftanalysen benützte. P r i e s t l e y machte mit diesem Gase (vor C a v e n d i s h ) „Gütebestimmungen" der Luft, ohne aber — bei seiner ausgesprochen qualitativen Einstellung — dessen Genauigkeit entfernt zu erreichen. Er begnügte sich mit der Feststellung, daß ein Fünftel bis ein Viertel der Luftmenge von dem salpetrigen Gase weggenommen würde. Aber er gewann durch Einwirkung feuchter Eisenfeile auf das salpetrige Gas noch eine neue Gasart, in der überraschenderweise ein Licht brennen konnte, das Stickoxydul. Mit der Luft führte er noch mancherlei andere Versuche aus. Dabei stellte er fest, daß die fixe Luft bei Tageslicht durch grüne Pflanzen wieder die Fähigkeit gewinnt, das Atmen und Brennen zu unterhalten. Seine bedeutendste Tat aber war die Entdeckung des Sauerstoffs, wenn diese auch erst einige Jahre später als durch S c h e e l e geschah. Als Privatsekretär und Bibliothekar bei dem Earl of S h e l b u r n e (späterem Marquis of L a n d s d o w n ) , wo er sogar sieben Jahre aushielt (1773—1780), konnte P r i e s t l e y seine experimentellen Studien fortsetzen. Am 1. August 1774 gelang ihm der Nachweis, das aus „Mercurius praeeipitatus per se" (rotes Quecksilberoxyd) beim Erhitzen (in einem Glasgefäß über Quecksilber mit Hilfe einer großen Brennlinse) ein Gas entwickelt wurde, das, in Wasser unlöslich, ein Licht viel heller brennen und einen glimmenden Holzspan aufflammen ließ. Beim Vermischen
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mit atomsphärischer Luft trat keine Verfärbung und keine Raumverminderung ein, dagegen rief salpetriges Gas Rotbraunfärbung hervor. Auch aus Mennige konnte diese „dephlogestierte Luft" in der sich vorzüglich atmen ließ, gewonnen werden. Als er einige Wochen später den Earl of S h e l b u r n e nach Paris begleitete, hatte er Gelegenheit, an der gastlichen Tafel von L a v o i s i e r in Gegenwart der bedeutendsten Pariser Gelehrten über seine Versuche zu berichten, wodurch er die Aufmerksamkeit des Gastgebers aufs höchste erregte, denn L a v o i s i e r hatte sich schon lange mit dem Problem des Brennens und Atmens beschäftigt, ohne in seinem mit den besten Apparaten ausgestatteten Laboratorium diese Frage experimentell klären zu können. Als er sich dann später in seinen Veröffentlichungen den Anschein gab, als habe er selbst den Sauerstoff entdeckt, hat sich P r i e s t l e y noch von Amerika aus gegen diese Anmaßung verwahrt, indem er den Vorgang an der Tafel in Paris genau schilderte. Bei alledem bleibt er der alten Phlogistontheorie treu, ja seine Rechtfertigung gegenüber L a v o i s i e r geschieht in einer Schrift, die der Sauerstoffentdecker in seinem Eigensinn zum Lobe des Phlogiston noch zu einer Zeit geschrieben hat (1800), als fast alle anderen Chemiker schon die neue Sauerstofftheorie angenommen hatten, und die den Titel führt: »The Doctrine of Phlogiston established." Nach P r i e s t l e y s Anschauung bestand die v o n ihm entdeckte „dephlogistierte Luft" aus einem Gemisch von Salpetersäure, Erde und Phlogiston; erst später hat er sie für ein einheitliches Element gehalten. Der Wert seiner experimentellen Befunde wird durch derartige krausen Vorstellungen natürlich nicht gemindert. Er hat durch seine Versuche außerdem der Chemie noch die Kenntnis folgender, bis dahin unbekannten Gase erschlossen: die „salzsaure Luft" (Chlorwasserstoff) und das alkalische Gas Ammoniak, die v o n Wasser so gierig verschluckt werden, daß sie als freie Gase bis dahin noch nicht gewonnen werden konnten. Weil er mit Quecksilber als Absperrflüssigkeit arbeitete, konnte er auch schweflige Säure oder Schwefeldioxyd als Gas gewinnen; ebenso das durch Wasser zersetzliche Siliciumfluorid. Schließlich hat er noch in Amerika (1799) das giftige Kohlenoxyd 8
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entdeckt. Und alle diese reichen Gaben verdankt die Chemie gewissermaßen der Nebenbeschäftigung eines eigensinnigen Querkopfes. Unter den Ländern, in denen zu jener Zeit die Chemie besonders gepflegt wurde, tritt auch Schweden hervor, auf das dann im Anfange des 19. Jahrhunderts durch B e r z e l i u s (1779—1848) für eine gewisse Zeit die unbedingte Führung übergehen sollte. An der Universität Upsala hatte den Lehrstuhl für Chemie T o r b e r n B e r g m a n (1735—1784) inne, der sich besonders in der analytischen Chemie auszeichnete. Er versuchte als erster, einen systematischen Analysengang für die Untersuchung in wässriger Lösung auszubilden. Ganz besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Gebrauch des von dem schwedischen Bergrat S v e n R i n m a n (1720—1792) im Jahre 1746 in die Mineralanalyse eingeführten Lötrohrs — noch heute dient „Rinmans Grün" zum Zinknachweis —, wobei er verschiedene Salze (Soda, Borax, Phosphorsalz) zum Schmelzen auf Holzkohle verwendete und auf die verschiedene Wirkung der äußeren und inneren Lötrohrflamme hinwies. Bei diesen Versuchen wurde er aufs trefflichste von seinem Schüler J o h a n n G o t t l i e b G a h n (1745—1818) unterstützt, der die Lötrohranalyse zu einer besonderen Kunst ausbildete und schließlich an B e r z e l i u s weitergab. B e r g m a n zeigte auch, wie man Schmiedeeisen, Gußeisen und Stahl durch ihr chemisches Verhalten unterscheiden könne, klärte die chemische Natur von Bleiweiß, das man für eine Verbindung der Essigsäure hielt, als Salz der Kohlensäure auf und machte manche andere wichtige Beobachtungen. Außer mit Kohlendioxyd, dessen Säurecharakter er nachwies, hat er auch mit verschiedenen anderen Gasen gearbeitet. Ein gläubiger Anhänger der Phlogistontheorie, hat er sich auch viel mit dem Problem der chemischen Verwandtschaft beschäftigt und die „Tables des rapports" von G e o f f r o y weiter vervollständigt. Er faßte die chemische Verwandtschaft als eine der allgemeinen Schwe entsprechende „Attractio" der kleinsten Teilchen auf. Von ihm stammt auch die Be-
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Zeichnung „Wahlverwandtschaft", die G o e t h e in seinen bekannten Roman übernahm. In die Verwirrung der noch aus der Alchemistenzeit stammenden symbolischen Bezeichnungsweise suchte er Ordnung zu bringen, indem er „Gattungssymbole" einführte: Dreiecke f ü r Feuer, Luft, Wasser, Erde; Kreise f ü r Salze, Alkalien; Kreuze f ü r Säuren; Kronen f ü r Metalle usw. Neben M a r g g r a f e galt B e r ? r a a n f ü r den bedeutendsten Chemiker seiner Zeit. Einen Ruf an die Berliner Akademie hat er iedoch, seiner schwächlichen Gesundheit wegen, abgelehnt. Sein Ruhm mußte v o r dem aufsteigenden Glänze eines genialeren Forschers allmählich verblassen. Dieser größere, vielleicht der größte Chemiker aller Zeiten, w a r C a r l W i l h e l m S c h e e l e ( 1 7 4 2 — 1 7 8 6 ) , ein Deutscher, der aber infolge der zu seiner Zeit herrschenden politischen Verhältnisse sein l e b e n vom Jünglingsalter an in Schweden verbrachte und daher auch von den Schweden zu den Ihrigen gerechnet wird. Die Familie S c h e e l e ist seit Jahrhunderten in verschiedenen Städten Norddeutschlands urkundlich nachweisbar; Kaufleute, Geistliche, Lehrer und höhere Beamte dieses Namens werden vielfach genannt. Im 15. Jahrhundert war ein S c h e e l e Bischof von Lübeck; nach dem Dreißigjährigen Kriege treten dann verschiedene Angehörige der Familie in Schweden hervor, da Vorpommern im Westfälischen Frieden an Schweden gefallen war. Ein Zweig der Familie wurde auch in Schweden geadelt. Erst nach mehr als anderthalb Jahrhunderten (1815) sind die schwedisch gewordenen deutschen Gebiete wieder an Deutschland zurückgekommen. So wurde auch unser C a r l Wilhelm S c h e e l e noch unter schwedischer Herrschaft in der vorpommerschen Hauptstadt Stralsund als Sohn eines angesehenen Bürgers und Kaufmannes, dessen Gattin eine geborene W a r n e k r o s war, am 21. Dezember 1742 geboren. Er war das siebente von elf Kindern. Das in der Fährstraße gelegene, von der mütterlichen Familie stammende Wohnhaus (in dem neuerdings ein Scheele-Museum eingerichtet worden ist) mußte die Familie bereits 1745 verlassen, da das geschäftliche Unternehmen des Vaters in Konkurs geraten war. So wuchs der kleine C a r l W i l h e l m unter ziemlich dürftigen Verhältnissen auf. Aber er wurde in der Privatschule eines Kandidaten S m i t h unterrichtet, die unter 8*
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anderen auch der spätere Greifswalder Professor der Chemie Christian Ehrenfried Weigel (1748 — 1831), der eigentliche Erfinder des „Liebigschen Kühlers", besucht hat. An den Spielen seiner Mitschüler beteiligte sich der junge S c h e e l e wenig; er sonderte sich ab, beschäftigte sich grüblerisch mit allerlei H a n d a r b e i t e n , wie Tischlern, Drechseln, Malen, und hatte ein ausgesprochenes Interesse f ü r naturwissenschaftliche Dinge. Beim Arzt und Apotheker suchte er sich Kenntnis im Lesen von Rezepten und chemischen Zeichen zu verschaffen. Bereits mit elf Jahren soll er die Absicht geäußert haben, Apotheker werden zu wollen; denn das schien ihm die einzige Möglichkeit zu sein, seinem großen Drange zur experimentellen Naturforschung folgen zu können. So verließ er, noch nicht 15 Jahre alt, Schule und Elternhaus und t r a t bei dem aus Mecklenburg stammenden Apotheker B a u ch in Gotenburg in die Lehre, w o auch der älteste Bruder von ihm die Lehre durchgemacht hatte, jedoch bereits als Z w a n zigjähriger gestorben war. W ä h r e n d drei andere Brüder K a u f leute wurden, studierte der jüngste P a u l J o a c h i m (1749 bis 1825) Medizin; er ist als Stadt-Physikus von Köslin gestorben. In der Gotenburger Apotheke „Zum Einhorn" konnte nun der junge C a r l W i l h e l m , von seinem Lehrherrn verständnisvoll gefördert, seinen großen Wissensdurst ungehindert stillen. Die teilweise schon recht alten Lehrbücher von K u n c k e l , N e u m a n n , L e m e r y und B o e r h a v e studierte er mit heißem Bemühen, so d a ß B a u c h besorgt an den Vater schreibt, der Junge sitze bis in die Nächte hinter den Büchern und schade seiner Gesundheit. Auch seine experimentellen Versuche setzte er teilweise nachts f o r t . Hierbei erlebte er (infolge eines ihm von mißgünstiger Seite gespielten Schabernacks) eine Explosion, die das ganze H a u s in A u f r u h r brachte, aber nicht die strengen Folgen hatte wie ein ähnliches Ereignis, das 60 J a h r e später dem Apothekerlehrling J u s t u s L i e b i g w i d e r f u h r und gleichzeitig dessen A p o t h e k e r l a u f b a h n f ü r immer beendete. Mit den wenigen wirklichen Chemikalien, die sich in der Gotenburger Apotheke unter den meist aus allerlei Drogen, Kräutern, W u r z e l n und Stoffen tierischer H e r k u n f t bestehenden „Materialien" anfanden, stellte S c h e e l e mit unablässigem Eifer die verschiedensten Versuche an., und er hat aus fast allen Stoffen,, mit denen er sich beschäftigte, irgendeine neue Beobachtung herausgeholt. E r hatte, wie auch L i e b i g , ein besonders ausgeprägtes Gesichtsgedächt-
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nis, so d a ß er jede einmal beobachtete Erscheinung unverlierbar in Erinnerung behielt. A u d i nach Beendigung seiner Lehrzeit blieb S c h e e l e in Gotenburg, bis B a u c h 1765 seine Apotheke verkaufte. Die nächsten zwei Jahre w a r S c h e e l e in Haimo bei dem hochangesehenen P. M. K j e 11 s t r ö m in der Apotheke „Zum gefleckten Adler" tätig. Auch hier konnte er seinen wissenschaftlichen Neigungen weiter nachgehen. Fast seinen gesamten Verdienst verwendete er zur Anschaffung guter Bücher, die er sidi aus dem benachbarten Kopenhagen kommen ließ. Eine wertvolle Bekanntschaft machte er in dem gleichaltrigen A n d e r s J o h a n n R e t z i u s (1742—1821), der seinen praktischen P h a r m a zieberuf d a n n mit der akademischen L a u f b a h n vertauschte und später Professor an der Universität Lund wurde. Dieser hat auf S c h e e l e s wissenschaftliches Leben erzieherisch eingewirkt, indem er ihn veranlaßte, sich ein Laboratoriums-Tagebuch anzulegen, um in seine meist ganz systemlos und willkürlich durcheinander ausgeführten Versuche O r d n u n g zu bringen. „Sein Genie", sagt R e t z i u s , „war ganz und gar f ü r physische Wissenschaften geschaffen, f ü r andere hatte er durchaus gar keinen Sinn." Das einmal begonnene Tagebuch hat S c h e e l e dann gewissenhaft weiter g e f ü h r t ; 1892 ist es von N . A. T . N o r d e n s k j ö l d (1832—1901) veröffentlicht worden. Von Malmö aus hat S c h e e l e noch einmal seine Angehörigen in Stralsund besucht, und bei dieser Gelegenheit hat auch ein Maler B r ü g g e m a n n ein kleines Medaillonbild auf Elfenbein von ihm angefertigt. Dieses einzige authentische Bildnis, das den jungen Forsdier im Alter von 24 Jahren darstellt, hat später ein sonderbares Schicksal gehabt. Es w a r eine Zeitlang völlig verschwunden, bis es einem besonderen Beauftragten der schwedischen Apotheker-Societät nach zweijährigem eifrigsten Suchen endlich 1931 gelang, es bei einer mit der Scheeleschen verwandten Familie in Berlin aufzufinden.
In Stockholm, wo S c h e e l e im Frühjahr 1768 in der Apotheke „Zum Raben" (schwedisch „Apotheket Korpen") als Gehilfe eintrat, konnte er seine diemischen Forschungen nur in beschränktem Maße fortsetzen. Er wurde in der Rezeptur beschäftigt und hatte für seine Versuche nur eine enge Fensternische zur Verfügung. Doch au~h da gelang ihm eine bemerkenswerte Entdeckung: die verschieden starke Ein-
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Wirkung der verschiedenen Teile des Sonnenspektrums auf Chlor Silber. Als sein Freund R e t z i u s dann auch nach Stockholm kam, ließ er diesen an seinen chemischen Arbeiten teilnehmen. Sie wählten sich den Weinstein für ihre Versuche aus und konnten darin das Vorhandensein einer noch unbekannten Säure nachweisen. Einen Bericht über diese Untersuchungen schickte S c h e e l e zur Veröffentlichung an Professor B e r g m a n in Upsala. Da dieser aber nichts von sich hören ließ, schrieb S c h e e l e eine neue Abhandlung und übergab sie R e t z i u s , damit er sie als Adjunkt der Akademie der Wissenschaften zum Druck befördere. Das hat R e t z i u s dann auch getan; aber sonderbarerweise nur unter seinem eigenen Namen, so daß S c h e e l e bei dieser seiner ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung, an der er den weitaus größten Anteil hatte, überhaupt nicht genannt ist. Eine andere an B e r g m a n gesandte Abhandlung soll dieser zwar in einer Sitzung der Akademie verlesen, dann aber beiseite gelegt haben, so daß der junge Forscher bei seinen ersten Schritten in die Öffentlichkeit recht arge Enttäuschungen erlebte. Im Sommer 1770 siedelte S c h e e l e von Stockholm in die alte Universitätsstadt Upsala über, wo er bei dem auch wissenschaftlich tätigen Apotheker Ch. L. L o k k in der Apotheke „Zum Wappen von Uppland" eine etwas selbständigere Stellung als Vorsteher des Laboratoriums erhielt. So wurde es ihm auch möglich, sich seinen eigenen Forschungsarbeiten mehr zu widmen. Mit Professor B e r g m a n , den er der verdrießlichen Erfahrungen wegen zunächst völlig mied, kam er auf eigenartige Weise in nähere Berührung. Eine aus der Apotheke bezogene Probe Salpeter wurde von dem Professor als unbrauchbar zurückgeschickt, weil sie nach Erhitzen bereits mit Essigsäure braune D ä m p f e entwickelte. Diese Erscheinung, die weder der gelehrte Professor noch der erfahrene Apotheker L o k k erklären konnte, war dem L a b o ranten S c h e e l e nichts Neues; er hatte bei seinen zahlreidien Versuchen den Übergang des salpetersaueren Salzes durch E r hitzen in das salpetrigsaure öfter beobachtet und konnte die ganz normale Erscheinung ohne weiteres erklären. Aber erst,
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nachdem ihm mehrfach versichert war, daß nicht Mißgunst und Achtungsmangel die Ursache des unerauicklichen Benehmens B e r g m a i s gewesen sei, sondern lediglich seine Vergeßlichkeit und Unordnung, ließ sich S c h e e l e zu einem Besuch bei ihm bewegen. Die beiden sehr ungleichen Männer sind dann die besten Freunde geworden, die sich gegenseitig vorzüglich ergänzen konnten. „Es läßt sich", schreibt R e t z i u s, „schwer sagen, ob S c h e e l e oder B e r g m a n docens oder discens w a r ; denn unbestreibar hatte B e r g m a n den größten Teil seiner praktischen Kenntnisse von S c h e e l e , wogegen S c h e e l e es B e r g m a n zu danken hatte, daß seine Kenntnisse in den späteren Jahren klarer als in den früheren waren." S c h e e l e stand als tüchtiger Experimentator in solch hohem Ansehen, daß er auch herbeigeholt wurde, als Prinz H e i n r i c h von Preußen, der Bruder Friedrichs des Großen, auf einer Reise durch Schweden in Begleitung des Herzogs von Södermansland das Universitäts-Laboratorium in Upsala besichtigen wollte. Die vorgeführten Versuche und die Art seines Auftretens machten den größten Eindruck auf die Prinzen, so daß diese den Wunsch aussprachen, man möchte dem tüchtigen Laboranten für seine eigenen Versuche das Laboratorium zur Verfügung stellen. Dieser hat von einer solchen Vergünstigung allerdings keinen Gebrauch gemacht, da er ein Meister in der Kunst war, sich mit den einfachsten Mitteln zu behelfen. A b e r ihm w u r d e eine andere öffentliche wissenschaftliche Anerkennung zuteil: im Februar 1 7 7 5 w u r d e er zum Mitglied der schwedischen Akademie derWissenschaften gewählt; eine Auszeichnung, die weder vorher noch nachher einem anderen „Studiosus pharmaciae" im A l t e r v o n 32 Jahren widerfahren ist. Bald darauf bot sich S c h e e l e die Gelegenheit zu einer selbständigen Lebensstellung, indem er als Provisor die Leitung der Apotheke in Köping am Mälarsee übernahm, dessen Besitzer im A p r i l 1 7 7 5 gestorben w a r . Er siedelte im Sommer 1 7 7 5 nach K ö p i n g über und konnte nach Ü b e r w i n dung unvorhergesehener Schwierigkeiten (durch einen w o h l habenden Nebenbuhler hervorgerufen^ im nächsten J a h r e die Apotheke käuflich erwerben. T r o t z dieser aufregenden Erlebnisse ermöglichte er es — was er schon längst hätte tun müssen — , seine in den letzten Jahren gemachten experimen-
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teilen Beobachtungen und Entdeckungen zu einer großen Abhandlung zusammenzuschreiben, die er einem Verleger zum Druck übergab. Aber auch hier verfolgte ihn das Mißgeschick. Erst nach zwei Jahren ( 1 7 7 7 ) erschien seine „Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer", in der er neben mehreren anderen Untersuchungen besonders die bereits in den Jahren 1 7 7 1 — 1 7 7 2 gemachte Entdeckung, der „Feuerluft" beschrieben hatte. Inzwischen war längst die Entdeckung von P r i e s t l e y ( 1 7 7 4 ) bekanntgeworden, und L a v o i s i e r hatte am 26. April 1775 seinen berühmten Vortrag in der Pariser Akademie gehalten, so daß S c h e e l e befürchten mußte, er werde für einen Plagiator gehalten werden. Das war aber nicht der Fall; selbst L a v o i s i e r spendete dem Inhalt des Buches das höchste Lob. Das Jahr 1777 war für S c h e e l e s äußeren Lebensgang ganz besonders bedeutungsvoll und führte ihn auf die Höhe seines Ruhms. Kein geringerer als F r i e d r i c h der Große bemühte sich darum, ihn für seine Berliner Akademie zu gewinnen. Der Name des tüchtigen schwedischen Chemikers war dem König wieder entfallen, und so erreichten die von dem preußischen Gesandten in Stockholm geführten Verhandlungen erst auf Umwegen (über B e r g m a n und einen unbedeutenden Angehörigen des Bergwerkskollegiums) den Apotheker „Scheel" oder „Schell" in der kleinen Provinzstadt. Dieser aber lehnte ab, da er lieber seinen experimentellen Forschungen ungestört leben -wollte. Er unterzog sich statt dessen der für seine selbständige Stellung vorgeschriebenen staatlichen Prüfung in Stockholm, die jedoch von den Examinatoren zu einer Huldigung für den berühmten Mann gestaltet wurde. Die Gelegenheit benützte er außerdem, in der Akademie seine Antrittsvorlesung zu halten. Dabei wurde ihm in Anwesenheit des Königs die hohe Ehre zuteil, bei der Präsidentenwahl mit in die engere Wahl zu kommen. Das entscheidende Los fiel dann auf einen anderen, durchaus nicht zum Kummer von S c h e e l e . Dieser kehrte, allen Verlockungen ausweichend, in seine kleine Apotheke in Höping zurück und setzte sein mühevolles Leben fort, um im Dienste der chemischen Wissenschaft bis zum letzten tätig zu sein. Dabei vernachlässigte er seinen Apothekerberuf durchaus nicht, zeitweise nur von einem Lehrling oder einem Gehilfen (schwedisch „Subject") unterstützt.
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Nachdem er sich jahrelang mit einem schuppenartigen Raum als Laboratorium begnügt hatte, erwarb er sich 1782 am „Großen P l a t z " ein ansehnliches Haus und richtete sich ein schönes Laboratorium mit größeren Nebenräumen ein, in dem er auch mehrere auswärtige Besucher empfing, wie z. B. das spanische Brüderpaar d'E 1 h u j a r t, dem es gelungen war, aus der von S c h e e l e entdeckten Wolframsäure das Metall auszuscheiden. S c h e e l e hatte von seinem fünfzehnten Jahre ab fast sein ganzes Leben in der Apotheke und dem Laboratorium zugebracht, ohne sich größere Erholungen zu gönnen. Dabei hatte er teilweise mit den giftigsten Stoffen, wie Arsenwasserstoff und Blausäure, gearbeitet, deren tödliche Wirkung erst noch erprobt werden mußte. Aber er ist nicht, wie spätere Gerüchte wissen wollten, an einer solchen Vergiftung gestorben. Noch drei J a h r zehnte später ist der Münchener Chemie-Professor A. T . G e h l e n ( 1 7 7 5 — 1 8 1 5 ) einer Arsenwasserstoffvergiftung zum O p f e r gefallen, die er sich bei einem Vorlesungsversuche zugezogen hatte. S c h e e l e wurde jedoch bei dem mangelhaften Schutz gegen die Wetterunbilden in seinem behelfsmäßigen Laboratorium von einem rheumatisch-gichtischen Leiden befallen, das sich allmählich immer schmerzhafter bemerkbar machte. Dazu kamen Entzündungen der Atmungsorgane, die ihn im Frühjahr 1786 aufs Krankenbett warfen. D a er den Ernst seiner Lage fühlte, ließ er sich noch mit der W i t w e seines Vorgängers Pohl trauen, um ihr und ihrem Sohne den Besitz der Apotheke zu sichern. Zwei T a g e später, am 21. M a i 1786, hauchte der geniale Forscher und edle Mensch im 44. Lebensjahre seine Seele aus. Die W i t w e bereitete ihm das ehrenvollste Leichenbegängnis, das die Stadt je gesehen, und — heiratete nicht lange darnach den neuen Provisor ihrer Apotheke. In Köping sowohl wie in Stockholm hat man S c h e e l e Denkmäler errichtet. Eine ausführliche Biographie ist von O . Z e k e r t erschienen. S c h e e l e s wissenschaftliche Arbeiten umfassen fast alle Gebiete der d a m a l i g e n C h e m i e . „ D i e K ö r p e r geschickt in ihre Bestandteile zu zerlegen, deren Eigenschaften zu entdecken u n d sie a u f verschiedene A r t zusammenzusetzen, ist der G e genstand u n d H a u p t z w e c k der g a n z e n C h e m i e . " So schreibt er in der E i n l e i t u n g z u seiner „Chemischen A b h a n d l u n g v o n d e r L u f t u n d d e m F e u e r " , u n d in einem Briefe ä u ß e r t er sich einm a l : „ E s ist ja n u r die W a h r h e i t , welche w i r wissen w o l l e n ,
122 IV. Selbständige Chemie bis zur Sauerstoffentdeckung und welche Freude bereitet es nicht, sie erforscht zu haben." In dieser Art und in diesem Sinne hat er seine chemisdien Forschungen mit unablässigem Eifer betrieben. Seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung (1770) betraf, wie schon erwähnt, die Auffindung einer besonderen Säure im Weinstein und die Angabe eines Verfahrens allgemeiner Art zum Nachweis verschiedener organischer Säuren in pflanzlichen und tierischen Stoffen. Außer der altvertrauten Essigsäure waren noch die durch Sublimation aus dem Benzoeharz gewonnene Benzoesäure und die Bernsteinsäure bekannt. Audi hatten verschiedene Chemiker schon aus Ameisen durch Destillation eine Säure gewonnen, die M a r g g r a f e 1749 genauer untersuchte; er stellte verschiedene Salze dieser Säure dar, ohne sie aber als besondere organische Säure kennzeichnen zu können. Die Ameisensäure wurde noch 1802 von A. F. F o u r c r o y (1755—1809) und L. N . V a u q u e l i n (1763—1829) für ein Gemisch von Essigsäure und Apfelsäure erklärt und erst 1812 von G e h l e n endgültig als selbständige organische Säure nachgewiesen. Zu der Zeit, als S c h e e 1 e seine Weinsteinuntersuchungen begann, führte man noch alle sauren Eigenschaften organischer Stoffe auf einen Gehalt an Essigsäure zurück. Der Weinstein war auch schon einmal von M a r g g r a f e genauer untersucht, der die wichtige Feststellung machte (1764), daß das darin enthaltene Kalium nicht, wie man früher annahm, erst beim Glühen entsteht, sondern als ursprünglicher Bestandteil als „pflanzliches Alkali" darin enthalten ist. Aber um die zugehörige Säure hatte er sidi nicht weiter gekümmert. S c h e e l e zeigte nun, wie man die in den organischen Säften enthaltenen Säuren durch ihre Überführung in Kalkoder Bleisalze abtrennen und aus den Salzen durch Schwefelsäure in Freiheit setzen kann. Auf diese Weise entdeckte er außer der Weinsäure, dem „actum tartari" (1769), die Zitronensäure (1784), die Aufelsdure (1785), und die Gallussäure (1786). Durch Behandlung von Zudker mit Salpetersäure hatte er bereits 1776 eine eigentümliche Säure erhalten, die
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B e r g m a n nadi näherer Untersuchung in einer „Dissertatio de acido sacchari" beschrieb, ohne S c h e e l e s Namen zu nennen. Dieser wies dann 1784 nach, daß die von ihm dargestellte „Zuckersäure" nichts anderes sei als die von dem Langensalzaer Apotheker J o h . C h r . W i e g l e b (1732 bis 1800) im Sauerklee aufgefundene „Kleesäure", die dann den Namen „Oxalsäure" erhielt. Bei der Untersuchung von Blasensteinen entdeckte S c h e e l e 1776 die Harnsäure, bei der Untersuchung von Milch 1780 die Milchsäure. Als er den Milchzucker mit Salpetersäure behandelte, gewann er neben Oxalsäure noch eine andere Säure, die er „Acidutn sacchari lactis" oder „Acidutn galactosaccharinum" nannte und die er später in ähnlicher Weise auch aus Tragantgummi erhalten konnte. Von F o u r c r o y wurde dieser auch aus anderen Pflanzenschleimen darstellbaren Säure der Name „acide muqueux" beigelegt, auf deutsch Schleimsäure. Bei der Untersuchung von Olivenöl erhielt S c h e e l e durch Einwirkung von Bleiglätte eine eigentümliche ölige Flüssigkeit, die er des süßen Geschmacks wegen „Ölsüß" nannte, das Glyzerin (1783). Dasselbe gewann er aus anderen Fetten, ohne allerdings den eigentlichen Verseifungsvorgang aufzuklären. Das ist dem französischen Chemiker M i c h . E u g . C h e v r e u l (1786—1889), dem Nestor unter den Chemikern, vorbehalten geblieben (1823). Durch Einwirkung von Salpetersäure konnte S c h e e l e das ölsüß in Oxalsäure überführen und dadurch seine Verwandtschaft mit dem Zudter nachweisen. Bei seinen äußerst mannigfachen Arbeiten unterzog er auch das Berliner Blau einer genaueren Prüfung (1782) und erhielt durch Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure das „färbende Prinzip" desselben als flüchtige, brennbare Substanz, die er „Berliner Blausäure" nannte. Aus der Darstellungsweise des Blutlaugensalzes schloß S c h e e l e , daß diese so leicht flüchtige Säure, deren Name dann später in Blausäure abgekürzt wurde, aus flüchtigem Laugensalz (NHs), Luftsäure (CO2) und Phlogiston (H) zusammengesetzt sei. Es gelang ihm auch, für die Darstellung vonCyanverhindungen statt der Tierkohle Graphit zu verwenden, so
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daß man eigentlich, wenn man die Cyanide zu den organischen Verbindungen rechnet, auch S c h e e l e , fast ein halbes Jahrhundert vor W ö h 1 e r (1828), das Verdienst der ersten organischen Synthese aus anorganischen Stoffen zuerkennen müßte. Eine andere Stickstoffverbindung eigener Art war das „Knallgold", als „aurum fulminans" schon den Alchemisten bekannt. S c h e e l e konnte zeigen, daß die bei der Explosion entweichenden Gase aus Stickstoff und Ammoniak bestehen. Neben mehreren kleineren Untersuchungen über den Borax (1768), über das „Eisöl" (SO3) (das „philosophische Salz" des B a s i l i u s V a l e n t i n u s ) , dessen wahre Natur er erkannte, beschäftigte er sich eingehender mit der „stinkenden Schwefelluft" ,demSchwefelwasserstoff (1776). Er lehrte seine Entwicklung durch Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure auf verschiedene Schwefelverbindungen, am besten auf Schwefeleisen, und konnte ihn auch durch Erhitzen von Schwefel in Wasserstoff gas gewinnen. Während R o u e l l e (s. S. 102) noch die Ansicht vertreten hatte, daß der Schwefelgehalt des Gases nur eine Verunreinigung bedeute, konnte S c h e e l e zeigen, daß der Schwefel der charakteristische Bestandteil dieser „stinkenden Luft" ist, und er konnte außerdem aus Alkalipolysulfiden das Wasserstoffpersulfid (H2S2) als ölige Flüssigkeit gewinnen. konnte Von den Metallen Eisen, Kupfer, Quecksilber S c h e e l e zeigen, daß sie in zwei verschieden „phlogistierten Zuständen", oder nach heutiger Ausdrucks weise in zwei Oxydationsstufen auftreten können. Er untersuchte (1778 bis 1779) die Mineralien „Wasserblei" und „Reißblei", die vielfach noch für dasselbe gehalten wurden, und erhielt aus dem ersteren, dem „Molybdaena", durch Behandeln mit Salpetersäure eine weiße erdige Masse, die er ihrer sauren Eigenschaft wegen „Acidum molybdaenae" (Molybdänsäure) nannte. Einige Jahre später (1782) gelang dem schwedischen Chemiker P e t e r J a c o b H j e l m (1746—1813), daraus das metallische Molybdän zu gewinnen. Das Reißblei, „Plumbago", konnte S c h e e l e durch Einwirkung von Salpetersäure fast ganz in „fixe Luft" überführen, woraus er schloß,
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daß dieses Mineral, das jetzt Graphit genannt wird, nichts anderes als Kohle sei, mit noch etwas fixer Luft und Phlogiston vermischt. Im Gußeisen wies er den Kohlenstoffgehalt ebenfalls nach (1781). Bei der Untersuchung des „Tungsteines" konnte er zeigen, daß darin ein Kalksalz mit einer unbekannten Säure vorliege. Als dann die spanischen Chemiker J u a n J o s e p h und F a u s t o d' E l h u j a r t , die bei B e r g m a n in Upsala studierten, 1783 dieselbe Säure, aber an Eisen und Mangan gebunden, in dem Wolframmineral entdeckt hatten, wurde das neue Metall, das von ihnen reduziert werden konnte, Wolfram genannt. Der von dem Mineralogen A. G. Werner (1750—1817) dafür vorgeschlagene Name „Scheel" hat sich nicht eingebürgert; doch hat der Tungstein den amen„Scheelit" erhalten. Bei Wiederholung der 1768 von M a r g g r a f e veröffentlichten Versuche mit Flußspat bewies S c h e e l e (1771/1781), daß die durch Schwefelsäure daraus entwickelte flüchtige Säure nicht kieselhaltig ist, daß die in Wasser ausgeschiedene Kieselsäure vielmehr aus dem Glasgefäß stammt, in dem das Flußspat-Schwefelsäuregemisch erhitze wurde; daß man bei Anwendung von Bleigefäßen die reine Flußsäure erhält. Gegenüber A c h a r d, der trotz alledem an der verkehrten Ansicht seines Lehrers festhielt, mußte er noch in seinem letzten Lebensjahre den wahren Sachverhalt verteidigen. Ebenso wie C a v e n d i s h , der aber seine Versuche nich, veröffentlichte, erkannte S c h e e l e , daß sich Arsenik noch weiter „dephlogistieren" läßt, indem es durch Königswasser oder Chlor in eine Säure übergeht (Arsensäure), deren Eigenschaften er näher untersuchte. Durch Einwirkung dieser Säure auf Zink erhielt er ein Gas, das beim Verbrennen wieder Arsenik lieferte. So wurde S c h e e l e auch zum Entdecker des Arsenwasserstoffes (1775), dessen ungeheure Giftigkeit er aber nicht erprobt hat. Er stellte außerdem das Kupfersalz der arsenigen Säure her, das als „Scheeles Grün" in der Ölmalerei und als Tapetenfarbe lange Zeit sehr beliebt war, aber schließlich, ebenso wie das 1814 von S a t t l e r dargestellte „Schweinfurter Grün" (arsenigsaures und essig-
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saures Kupfer) der großen Giftigkeit wegen als Farbe verboten werden mußte. Durch B e r g m a n veranlaßt, beschäftigte sich S c h e e l e 1774 eingehend mit dem Braunstein, der seiner chemischen Natur nach noch unbekannt war und vielfach mit dem Magneteisenstein verwechselt wurde. Diese Arbeit war wissenschaftlich ganz besonders ertragreich. Durch Einwirkung von Salzsäure erhielt er ein grünliches Gas, die „dephlogistierte Salzsäure", dessen elementare Natur erst ein Menschenalter später (1810) von H u m p h r y D a v y (1778 bis 1829) erkannt wurde, und das dann den Namen Chlor erhielt. Als Hauptbestandteil des Braunsteins konnte S c h e e l e eine unbekannte „Erde" feststellen, die mit der Kalkerde viel Ähnlichkeit zeigte. Sein Freund J. G. G a h n (1745—1818) konnte 1780 daraus das metallische Mangan gewinnen. Auch die in den Braunstein eingesprengten Schweripaistücke unterwarf S c h e e l e einer genauen Untersuchung, indem er sie durch Schmelzen mit Kohle und Alkali aufschloß. Er konnte darin ebenfalls eine unbekannte „Erde" nachweisen, die mit Schwefelsäure ein besonders schwer lösliches Salz bildete. Mit diesen neuentdeckten Baryumsalztn wurde der Chemie das wertvollste Reagens auf Schwefelsäure geschenkt. In der wichtigsten seiner Veröffentlichungen, der 1777 erschienenen „Chemischen Abhandlung von der Luft und dem Feuer", berichtet S c h e e l e in der Vorrede auch über Versuche zur Prüfung der aus der Alchemistenzeit stammenden Frage, ob sich Wasser durch anhaltendes Kochen in Erde verwandeln lasse. Er hielt ein halbes Lot destilliertes Schneewasser in einem eiförmigen Glaskolben mit engem, ellenlangem Halse 12 Tage und Nächte lang im Sieden. Das Wasser wurde allmählich milchig und sonderte beim Erkalten ein weißes Pulver ab, das sich als „Kiesel mit wenig Kalk" erwies, während sich aus dem Wasser durch Säure gallertartige Kieselsäure abscheiden ließ. Daß diese Abscheidungen aus dem Glase stammten, ging auch aus dem Zustande der inneren Kolbenoberfläche hervor. — Der Haupt-
3. Zeitalter der Phlogistonchemie
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inhalt dieser „chemischen Abhandlung" ist der Erforschung der Zusammensetzung der Luft gewidmet. Um die Zusammensetzung der Luft aus „elastischen Flüssigkeiten von zweierlei Art" zu beweisen, führt er nicht ein oder zwei Verfahren an; er nennt mindestens neun verschiedene Chemikalien, die bei längerer Einwirkung auf eine abgeschlossene Luftmenge einen Teil derselben verschlucken. Im Gegensatz zu C a v e n d i s h legt er aber auf quantitative Bestimmungen äußerst geringen Wert. Er begnügt sich, ebenso wie P r i e s t i e y , mit der Feststellung, daß etwa ein Fünftel bis ein Drittel der Luft bei de: Einwirkung der verschiedenen Reagentien verschwinde, ebenso beim Verbrennen der verschiedensten Stoffe, wobei er die etwa entstehende „Luftsäure" mit Kalkwasser fortnimmt. Er begnügt sich nicht damit, die Luft in ihre Bestandteile zu zerlegen, er will sie auch wieder künstlich zusammensetzen, indem er die „verdorbene Luft" (Stickstoff) mit der die Verbrennung unterhaltenden „Feuerluft" mischt. "Wie soll er aber diese gewinnen? Da kommen ihm die bei seinem unablässigen Experimentieren gesammelten Erfahrungen zu Hilfe. Nicht nur durch Erhitzen von Salpeter oder von Quecksilberoxyd, er gibt zehn verschiedene Verfahren an, „Feuerluft" zu entwickeln, unter anderen auch durch Erhitzen eines Gemisches von Braunstein und Vitriolöl weshalb er das entwickelte Gas auch „Vitriolluft" nennt. Durch Vermischen mit der dreifachen Menge „verdorbener Luft" erhält er wieder die gewöhnliche Luft. Und bei seinen Versuchen bedient er sich nicht, wie C a v e n d i s h und P r i e s t i e y , der pneumatischen Wanne. „Meine Einrichtung und Gefäße sind die allersimpelsten", schreibt er, „Kolben, Retorten, Bouteillen, Gläser und Ochsenblasen sind es, welche ich gebrauche." Wie aus den Aufzeichnungen in seinem Laboratoriumstagebudh hervorgeht, hat S c h e e l e diese Versuche, die erst 1777 veröffentlicht wurden, bereits in den Jahren 1771—1772 ausgeführt, so daß man ihm die Priorität in der Entdeckung des Sauerstoffs zugestehen muß. Die chemischen Versuche mit der Feuerluft hat er auch durch Atmungsversuche mit ver-
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Chemie bis zur
Sauerstoffentdeckung
schiedenen Tieren (Ratten, Fliegen, Bienen) und an sich selbst ergänzt, wobei er durch besondere Versuche beweist, daß die Feuerluft beim Atmen, ebenso wie beim Brennen, in „Luftsäure" verwandelt wird. So sehr sich S c h e e l e hier wie in allen anderen Fällen als glänzender Experimentator erweist, so versagt er doch völlig bei seinen Bemühungen um die theoretische Deutung der beobachteten chemischen Vorgänge. Er blieb wie die anderen Chemiker ganz in dem Banne der Phlogistontheorie befangen. Das Phlogiston ist auch für ihn „ein wahres Element und ein ganz einfaches Principium", das für sich allein unmöglich erhalten werden kann. Er sucht zu beweisen, daß die Feuerhitze sowohl wie das Licht aus Feuerluft und Phlogiston bestehe. Den vollständigen Sieg der neuen Sauerstofftheorie von L a v o i s i e r hat S c h e e l e nicht mehr erlebt. Aber es ist sehr zweifelhaft, ob er nicht trotzdem — ebenso wie P r i s t l e y — der Phlogistontheorie treugeblieben wäre.
Von S c h e e l e s sonstigen vielfältigen Arbeiten sind noch seine Versuche mit Phosphor erwähnenswert, für dessen Darstellung aus Knochen er ein verbessertes Verfahren angab. Er führte auch die bei Gußeisen auftretende Brüchigkeit auf einen Phosphorgehalt z urück. Er zeigte ferner, wie man Essig (durch eine Art von „Pasteurisierung") haltbar aufbewahren kann, und erkannte die Absorptionsfähigkeit der Holzkohle für Gase, eine Entdeckung, von der erst über ein Jahrhundert später in verschiedenster Weise bei wissenschaftlichen Versuchen und in der Praxis vielfältigster Gebrauch gemacht wurde; es mag nur an die Gasschutzmaske erinnert werden. Außer seiner 1777 erschienenen Abhandlung von der Luft und dem Feuer sind S c h e e l e s Arbeiten in den Schriften der schwedischen Akademie der Wissenschaften (1770 bis 1786) und C r e l l s „Chemischen Annalen" (1784—1787) erschienen. Seine gesammelten Werke wurden 1788 von S. F. H e r m b s t ä d t (1760—1833) in lateinischer Sprache herausgegeben und erschienen 1792 in deutscher Sprache als „Scheeles
Sämtliche
physische
und
chemische
Werke",
von denen auch englische und französische Übersetzungen
4. Rückblick
auf die Zeit der Phlogistontheorie
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veröffentlicht worden sind. Seine Briefe und Aufzeichnungen hat A. E. N o r d e n s k j ö l d 1 8 9 2 in deutscher Sprache herausgegeben.
4. Rückblick auf die Zeit der Phlogistontheorie Um das richtige Verständnis f ü r die einzelnen Entwicklungsstufen in der Geschichte der Chemie zu gewinnen, muß man diese nicht nur vom heutigen Standpunkt der Wissenschaft aus beurteilen; man muß sich vielmehr bemühen, ihr Werden aus den zeitbedingten Verhältnissen zu begreifen und ihre Bedeutung als Übergang zur weiteren Höherentwicklung zu würdigen und dementsprechend einzuschätzen. Eine solche Betrachtungsweise ist bei der Phlogistontheorie ganz besonders notwendig, denn diese w i r d häufig als unbegreiflicher Irrwahn kurzerhand verworfen. Aber schon die Tatsache, daß sie ideenmäßig über hundert Jahre in der Chemie geherrscht hat, und daß sich unter ihren unbedingten Anhängern dodi mehrere hervorragende Naturforscher befanden, sollte zum näheren Nachdenken über W e r t und Bedeutung dieser eigenartigen Theorie veranlassen. Der eigentliche Wert einer naturwissenschaftlichen Theorie liegt in der dadurch geschaffenen Möglichkeit, die gewonnenen Beobachtungen verschiedenster Art nach bestimmten Gesichtspunkten zu ordnen und sie in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Ob die Theorie dabei „richtig" oder „falsch" ist, kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Die Entscheidung dieser Frage wird bei dem weiteren Fortschreiten der Wissenschaft getroffen. Die von B e c h e r begründete und von S t a h l weiter ausgebaute Phlogistontheorie brachte nach Überwindung der alchemistisdi-iatrochemischen Anschauungen zum ersten Male eine sinnvolle Ordnung in die verschiedensten chemischen Vorgänge des Verbrennens, der Verkalkung der Metalle, der Atmung, der Gärung usw., indem sie in allen diesen Fällen als einheitlich wirksames Prinzip ein hypothetisches „Etwas" annahm, das, in der Flamme sichtbar hervortretend, „ P h l o g i s t o n " genannt wurde. Daß die Metalle beim Verkalken trotz des Entweichens des Phlogiston an Gewicht zunehmen, war als längst beobachtete 9 Gesdiidite der Chemie I
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Sauerstoßentdeckung
Tatsache bekannt. Aber das war kein genügender Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der phlogistischen Anschauung, denn die Begriffe von Schwere und Gewicht waren nodi völlig ungeklärt. Der berühmte Professor J . R. S p i e l m a n n (1742—1783) in Straßburg, bei dem G o e t h e Botanik und Chemie hörte, erklärt in seinen 1763 erschienenen „Institutiones chemiae", da die Ursache der Schwere unbekannt sei, wage er nicht den Grund für die Gewichtszunahme bei der Calcination des Bleies anzugeben. Man war noch ganz qualitativ eingestellt und hoffte, die rätselhafte Tatsache vielleicht später erklären zu können. Einzelne nachdenkliche Forscher machten aber auch Versuche, das Rätsel zu lösen. Das geschah auf zweierlei Weise: Entweder nahm man (unter Verwechslung von absolutem und spezifischem Gewicht) verschiedene „Schwere" des Metalls und des Phlogiston an, indem das leichte Phlogiston das Metallgewicht vermindere, wie der Kork an der Angelschnur das anhängende Blei zum Schwimmen bringt — diese Anschauung wurde besonders von dem französischen Chemiker C h a r d e n o n in einer 1 7 6 9 in den „Mémoires de l'Académie de Dijon" veröffentlichten Abhandlung und auch von G u y t o n d e M o r v e a u ( 1 7 3 7 — 1 8 1 6 ) vertreten — oder dem Phlogiston wurde geradezu ein negatives Gewicht, eine „absolute Leichtigkeit", zugeschrieben. Eine derartige Theorie entwickelte der Hallenser Professor F. A. G r e n (1760-—1798) in seiner Schrift „Dissertatio inauguralis circa genesin aëris fixi et phlogistici" (1786). Das erinnert an die Aristotelischen Elemente, von denen die Erde als das nach unten strebende Prinzip des Schweren, das Feuer dagegen als das nach oben strebende des Leichten betrachtet wurde, während sich Wasser und Luft in mittlerer Höhe bewegen. Die Anschauungsweise der Phlogistiker wird verständlicher, wenn man sie nicht vom Standpunkt der stofflichen Vorgänge aus betrachtet, sondern vom Standpunkt der Energetik aus. Beim Verbrennen sieht man nicht nur die Flamme entweichen, es wird auch Wärme entwickelt. Diese sich den Sinnen unmittelbar kundgebende Tatsache wird bei einer rein stofflichen Deutung der Vorgänge nicht berücksichtigt. Setzt man an Stelle von Phlogiston die Energie, so wird man dem physikalischchemischen Vorgange bei der Sauerstoffaufnahme in gewisser
i.Überbl. über Vorgeschichte u. Geschichte d. Säuerst.-Entdeckg. 131 Weise gerecht. In ihren allerdings sehr unklaren Vorstellungen haben die Anhänger der Phlogistontheorie wohl etwas derartiges geahnt, und so fühlten sie doch festen Boden unter den Füßen. So wird auch verständlich, daß bedeutende Köpfe diese Lehre vertreten und verteidigen konnten. Als letzte Nachläufer blieben ihr noch bis an ihr Lebensende treu: der Begründer der „Chemischen Annalen" L. Fr. v o n C r e l l ( 1 7 7 4 — 1 8 1 6 ) und S c h e e l e s schwedischer Freund A. J . R e t z i u s ( 1 7 4 2 — 1821). Als diese starben, hatte sich im übrigen die Oxydationslehre von L a v o i s i e r siegreich durchgesetzt.
5. Kurzer Überblick über die Vorgeschichte und Geschichte der Säuerstoffentdeckung Die Entdeckung des Sauerstoffs hat eine lange Vorgeschichte, die hier kurz im Zusammenhang erörtert werden soll. Der geniale Italiener L e o n a r d o d a V i n c i (1452 bis 1519), der ein ebenso großer Künstler und Techniker wie Naturforscher war, hatte bereits die Ansicht geäußert, daß die Luft, die ja von alters her als Element betrachtet wurde, aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt sei, von denen der eine beim Atmen und Brennen verbraucht wird. Diese Erkenntnis ist aber in der Folgezeit unbeachtet geblieben. Man glaubte im Gegenteil, daß beim Verbrennen sowohl wie beim Verkalken der Metalle ein gewisser flüchtiger Stoff an die Luft abgegeben würde, ohne den eigentlichen Vorgang näher aufklären zu können. Der französische Arzt J e a n R e y ( t 1645), von einem Apotheker B r u n um Auskunft darüber gebeten, weshalb metallisches Zinn und Blei beim Verkalken durch längeres Erhitzen an der Luft bedeutend an Gewicht zunehmen, veröffentlichte 1630 einige Abhandlungen unter dem Titel: „Essays sur la recherche de la cause, pour laquelle l'Etain et le Plomb augmentent de poids, quand on les calcine." Darin setzt R e y auseinander, daß die Luft, wie alle natürlichen Stoffe, auch eine gewisse Schwere besitze, und dadurch, daß sie von den Metallkalken aufgenommen wird, eine Erhöhung des Gewichts bewirkt, ähnlich wie Sand durch 9*
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Anfeuchten mit Wasser schwerer wird. Das eigentliche Wesen des Verkalkens hat er allerdings nicht erklärt. Diese Frage aber, zugleich mit der nach dem Wesen des Verbrennens und der Atmung, trat immer mehr in den Vordergrund. R a l p h B a t h u r s t (1620—1704), ursprünglich Theologe, aber durch die politischen Wirren der C r o m w e l l zeit gezwungen, sein Pfarramt mit dem Medizinstudium zu vertauschen — später ist er zu seinem eigentlichen Berufe zurückgekehrt — promovierte 1654 in der medizinischen Fakultät der Universität Oxford mit der Dissertation: „Praelectiones tu es de respiratione", in der er folgende Anschauung entwickelt: Beim Atmen wird aus der Luft ein gewisser Nährstoff aufgenommen, den B a t h u r s t „pabulum nitrosum" nennt; denn er ist auch im Salpeter enthalten, der als künstlicher Dünger so fördernd auf das Wachstum der Pflanzen wirkt. Auch im Regenwasser befindet sich dieses „pabulum nitrosum" und wirkt z. B. bleichend auf die Wäsche. Beim Atmen wird dieser salpetrige Stoff vom Blute aufgenommen, in der Lunge und durch die Adern in den anderen Körperorganen verteilt, wo er, ähnlich wie die festen Speisen, zur Nahrung dient. Ebenso wie das Atmen ist auch das Brennen unter Luftabschluß nicht möglich. Einen salpeterartigen Bestandteil der Luft nahm auch R o b e r t H o o k e ( 1 6 3 5 — 1 7 0 3 ) an, der in seinem 1665 erschienenen Buche „Micrograpbia", das eigentlich über die Farben dünner Blättchen handelt, die Vorgänge beim Brennen in der Weise deutet, daß ein bestimmter Bestandteil der Luft die Fähigkeit habe, alle verbrennlichen Stoffe bei erhöhter Temperatur aufzulösen. Im Salpeter sei dieser Bestandteil in gehäufter Menge vorhanden, weshalb dieser so sehr die Verbrennung fördere. Der richtigen Deutung viel näher kam der leider so früh verstorbene Arzt J o h n M a y o w ( 1 6 4 5 — 1 6 7 9 ) in seiner 1669 in Oxford eingereichten Doktordissertation: „Tractatus duo de respiratione et de rhachitide", die er einige Jahre später ( 1 6 7 2 ) zu den „Tractatus quinque physico-medici" erweiterte. Den die Verbrennung und Atmung unterhaltenden Bestandteil der Luft nennt er „spiritus nitroaereus" oder „spiritus igneus" und „spiritus Vitalis". E r betrachtet ihn als Element im Gaszustande, und zwar als das wichtigste Element, das auch im Salpeter enthalten ist und z. B. das
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Weiterbrennen eines Schwefel-Salpetergemisches unter Wasser ermöglicht. M a y o w machte sogar mit Hilfe von Stickoxyd, das er sich aus Salpetersäure und Eisen entwickelte, Versuche zur quantitativen Bestimmung dieses wirksamen Bestandteils in der Luft, konnte seiner selbst aber nicht habhaft werden. Nodi zwei Menschenalter später ruft der um dieselbe Aufgabe bemühte H e r m á n B o e r h a v e aus: „Beatus, qui detegat!" M a y o w , der mit der Deutung seiner experimentellen Beobachtungen — er machte auch Tierversuche — auf dem richtigen Wege war, blieb fast unbeachtet. Es ist ein eigenartiges Zusammentreffen, daß im gleichen Jahre wie die „Tractatus duo" von M a y o w (1669) die „Physica subterránea" von J o h . J o a c h . B e c h e r in München erschien. Diese beiden Schriften bilden gleichsam die Wegweiser an einem wichtigen Scheidewege der Chemie. Diese ist nicht der von M a y o w gewiesenen Richtung gefolgt, sondern der von B e c h e r , auf der sie erst nach weiten Umwegen durch den Irrgarten der Phlogistontheorie zur endgültigen Sauerstoffentdeckung gelangen sollte.
Der erste, der Sauerstoff in freiem Zustande entwickelt hat, ohne ihn aber richtig als solchen zu erkennen, ist der dänische Polyhistor O l e B o r c h (1620—1690). In seiner 1674 erschienenen Abhandlung: „Nitrum non inflammari" berichtet er darüber, wie lebhaft Kohle auf Salpeter brennt, weil der darin zusammengepreßte wirksame Bestandteil wie aus einem Blasebalg herausgeblasen werde. Er konnte dieses Gas durch einfaches Erhitzen des Salpeters entwickeln, aber nicht getrennt von der Luft auffangen, da die pneumatische Wanne von S t e p h e n H a l e s erst ein halbes Jahrhundert später (1727) erfunden wurde. Auch dieser hat dann den Sauerstoff, gemischt mit Kohlendioxyd, durch Erhitzen von Salpeter mit gepulverter Knochenkohle dargestellt, aber ebenso wie die anderen von ihm in seinen zahlreichen Versuchen entwickelten Gase nicht weiter untersucht, obwohl ihm die Abhandlung von M a y o w bekannt war. Er hatte nur Interesse für die Menge des entwickelten Gases.
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In diesem Zusammenhang ist auch der geniale Russe M i c h . W . L o m o n o s s o w ( 1 7 1 1 — 1 7 6 5 ) zu erwähnen, der, aus einfachsten ländlichen Verhältnissen stammend, bei einer ungewöhnlich vielseitigen Begabung — er wird auch als einer der ersten russischen Lyriker gefeiert — zum Akademie-Professor für Chemie und Mineralogie in Petersburg aufstieg. Seine wissenschaftliche Ausbildung hat er hauptsächlich in Deutschland, auf der Universität Marburg und der Bergakademie Freiberg, erhalten. L o m o n o s s o w machte sich von der phlogistischen Anschauungsweise frei; er erkannte, daß ein Teil der Luft beim Verbrennen verbraucht wird, ohne allerdings weitere Aufklärung über den Vorgang verschaffen zu können.
Als der eigentliche Sauerstoffentdecker muß C a r l W i l h e l m S c h e e l e (1742—1786) gelten, der die entscheidenden Versuche in den Jahren 1771—1772 ausführte. Da aber seine Veröffentlichung darüber erst im Jahre 1777 erschien, ist ihm P r i e s 11 e y mit seiner Entdeckung vom 1. August 1774 zuvorgekommen, und erst sehr viel später konnte S c h e e l e s Verdienst gewürdigt werden. Aber noch vor P r i e s t l e y hatte im Frühjahr 1774 der französische Pharmazeut P i e r r e B a y e n (1725—1787), der während des Siebenjährigen Krieges Inspecteur der französischen Feldapotheken war, ebenfalls durch Erhitzen von rotem Quecksilberoxyd eine „fluide élastique" erhalten, in der metallisches Quecksilber beim Erwärmen wieder in den „Mercurius praecipitatus per se" überging. Aus diesen Versuchen ergab sich also, daß ein Metallkalk auch ohne Zufuhr von Phlogiston, ja sogar unter Abgabe eines Gases, in Metall übergehen konnte. B a y e n stand seinen Versuchsergebnissen, die er im April 1774 veröffentlichte, verständnislos gegenüber. Er hatte sozusagen den Schlüssel zur Aufdeckung des großen Geheimnisses in der Hand, wußte ihn aber nicht richtig zu gebrauchen. Hätte er nur einen kleinen glimmenden Holzspan in seine „fluide élastique" gehalten, dann würde er statt P r i e s t l e y als Sauerstoffentdecker gefeiert worden sein. Da er jedoch diesen, allerdings sehr geringfügigen, aber entscheidenden Versuch unterließ, ging er dieses Ruhmes verlustig.
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Auf Grund der experimentellen Befunde von S c h e e l e und P r i e s 11 e y konnte dann L a v o i s i e r seine Oxydationstheorie entwickeln und dadurch die Sauerstoffentdeckune erst vollenden. Man kann hier von einer wahren „Entdeckungssynthese" sprechen. Dabei handelte es sich nicht nur um die Entdeckung eines bis dahin unbekannten Grundstoffes. Indem L a v o i s i e r die Oxydationsvorgänge endgültig aufklärte und gleichzeitig die maßgebende Bedeutung der Gewichtsverhältnisse für alle chemischen Vorgänge darlegte, führte er für die Chemie ein neues Zeitalter herauf. Bis dahin hatte man sich im wesentlichen nur mit den qualitativen Eigenschaften der Stoffe beschäftigt. Jetzt entwickelte sich mehr und mehr eine quantitative Forschungsweise, bei der die Begriffe von Maß, Zahl und Gewicht die führende Rolle spielen. Nachdem durch J e r e m i a s B e n j a m i n R i c h t e r (1792) die Stöchiometrie begründet und in gleichem Sinne durch J o h n D a l t o n (1803) die antike Atomistik neu belebt worden war, konnte die chemische Wissenschaft in vielfältiger Verzweigung im Verein mit der Physik zu dem heutigen Stande ihres Wissens und Könnens emporsteigen.
Personen namen - Verzeichnis Achard, Fr. C . 99—100, 125. Adalbert von Bremen 40. Adelung, Joh. Chr. 72. Agrícola, Georg 8,68—71. Albertus Magnus 42—43, 44. Albrecht II, Herzog v. Grubenhagen 49. Alexander der Große 32. Alexandriner 34. a l - R á z l (Rases, Rhazes) 37, 41. Anaxagoras 23. Anaximander 20. Anaximenes 20. Andromadios 19. Apollonius 33. Archimedes 5, 12. Aristardios 5. Aristoteles 9, 10, 12, 13, 24, 26, 27, 37, 38, 41, 43, 53, 78, 130. Arnaldus Villanovanus 44—45. August d. Starke, König v . Sachsen, 96. Averroes 38, 43, 46. Avicenna 37, 38, 43, 56.
Biringuccio, Vannoccio 68, 69, 70. Black, Joseph 102—104, 105, 106, 108, 111. de le Boë-Sylvius, François 66. Boerhave, Hermán 93—95, 116, 132. von Boilstädt, G r a f , 42. Bolos 28, 29. Bombastus von Hohenheim 55. Bonifatius V I I I . , Papst, 44—45. Borch, Ole 133. Böttger, Joh. Frdr. 52, 96—97. Boyle, Robert 8, 76, 81—85, 87, 92, 98, 104, 106. Brand, Heinr. 83, 86. Brant, Sebastian 50. Brüggemann, Maler, 117. Brun, Apotheker, 131. Bunsen, Rob. Wilh. 9, 109.
Bacon, Roger 43—44. Bacon of Verulam, Franc. 77—78, 81. Basilius Valentinus 50, 51, 124. Bathurst, Ralph 132. Baudi, Apotheker, 116, 117. Bayen, Pierre 134. Bedier, Joh. Joadi. 8, 88—89, 90, 91, 129, 133. Bediius 70. Bergman, Torbern 114, 118, 119, 120, 123, 125,
Caesar, Julius 33. Cagliostro 52. Cassius, Andreas 76. Cavendish, Henry 104—110, 111, 112, 125, 127. Chardenon 130. Chevreul, Midi. Eug. 67, 123. Chymes 29. Clemens V , Papst, 45. Columbus, Chr. 58. Coppernicus, Nic. 80. Cordus, Valerius 59. von Crell, L . F . 128, 131. Cromwell, Oliver 81, 132. Cullen, Will. 102, 103.
Berman, Lor. 69. Berthelot, Marc. 35. Berthold (Sdhwarz) 48. Berzelius, Jons Jacob 9, 114. Bickel 88.
Dalton, John 9, 106, 135. Dante 50. Dardanos 28. D a v y , Humphry 126. Demachy, J . E. 91.
126.
Demokritos 11, 22, 23, 28, 78, 80. Diels Herrn. 7. Diesbadi 102. Dioskorides 10, 14, 17, 69. Dippel, J o h . Conrad 102. Dizé, Midi. J . J . 101. Dsdiâbir ibn H a j j â n (Geber) 32, 34, 35, 36, 37, 41, 46. Duhamel de Monceau, H . L . 101. Eleaten 21. d'Elhujart, Juan Joseph und Fausto, 121, 125. Eller, Joh. T h . 95, 96, 98. Empedokles 22, 23, 24. Epikuros 23. Erasmus von Rotterdam 56. Erdter, Lazarus 72. Eukleides (Euklid) 5. Faust 51, 54. Ferdinand I I I . , D . Kalter 52. Ferdinand, Erzherzog, 60. Fourcroy, Ant. François 122, 123. Frantke, Aug. Herrn. 90. Friedrich I., König v . P r . 92, 96. Friedridi I I . d. Große 52, 95, 98, 100, 120. Friedridi Wilhelm d. Gr. K u r f . 52, 86. Friedridi Wilhelm I., K ö n i g v . Pr. 90, 92. Friedridi Wilhelm I I I . , K ö n i g v. Pr. 99. Froben 56. de Furno, Vitali 47. Gahn, J o h . Gottl. 114, 126. Galenos, 10, 18—19, 56. Galilei, Gal. 78, 80, 84. Gay-Lussac, Louis Jos. 109 110.
Personennamen-Verzeichnis Geber (Giaber) 32, 34, 35, 36, 37, 41, 46. Gehlen, A d . Ferd. 121, 122, Geoffroy, Claude Jos., d. Jüngere, 100. Geoffroy, Stephan F r a n çois d. Ältere, 100—101, 114. G e r h a r d von Cremona 41. Glauber, Joh. R u d o l p h 72—77, 83, 86. Goethe 6, 51, 69. 115, 130. Gren, F. A. 130. von Gueridce, O t t o , 84, 87. G u y t o n de M o r v e a u , Louis Bernard 130. Gyges 12. Haies, Stephen 106, 108, 133. H a n k e w i t z , G o t t f r . 84. H a n n i b a l 18. H a r t m a n n , J o h . 62. H e i n r i d i , Prinz v. P r e u ßen 119. H e l l o t , Jean 101. van H e l m o n t , Joh. B a p t . 63—65, 66, 90, 106. Herakleitos ( H e r a k l i t ) 21, 22. H e r m b s t ä d t . S. E. 128. Hermes Trismegisto« 29, 31—33. Herodotos 11, 12, 13, 16. Hiero I I . , König v. Syrakus, 12. H j e l m , Pet. Jac. 124. v a n ' t H o f f , Jac. H e n r . 65. H o f f m a n n , Friedr. 92—93, 95, 98, 102. v o n H o h e n h e i m , Bombastus 55. H o l l a n d u s , Isaac u. Joh. Isaac 51. H o l m y a r d , E. J . 32, 35. H o m b e r g , W i l h . 87—88, 105. H o o k e , Rob. 84, 132.
von H u m b o l d t , Alex. 110. von H u t t e n , Ulrich, 54. Ibn a n - N a d i m 34. Ibn Ruschd 38. Ibn S i n a (Avicenna) 37, 38, 43, 56. Isis 29. ismailija 35. Jacob I. u. I I . , Könige v. England, 62. Janssen, J o h . u. Zacharias 99. J o h a n n Georg, K u r f . v. Brandenburg, 60. Julius Caesar 33. Juncker, J o h . 91. Jungius, Joadiim 8, 79—81, 82. K a n t , Immanuel 91. K a r l X I . , König von Schweden, 86. K i r w a n , Ridi. 107. KjellstrÖm, P . M. 117. K l e o p a t r a 18, 29. Komarios 29. K o n s t a n t i n d. Gr. 33. K o r t ü m , K a r l Arn. 52. K r a u ß , Paul 35. Kunckel, Joh. 52, 76, 85, 86, 116. Lampadius, W i l h . Aug. 88.
Lavoisier, Ant. Laur. 9, 102, 113, 120, 128, 131, 135. Leblanc. N i e . 101, 102. Lehmann, Joh. Gotti. 100. Leibniz. G o t t f r . Wilh. 80, 83. Lemery. N i e . 86, 87, 116. Leonardo da Vinci 77, 131. Leopold I., D. Kaiser, 52. Leukippos 22, 23. Libavius (Lìbau), A n d r . 60—62.
137 Liebig. Just. 9, 71, 77,
116.
Linné, K . 80. von L i p p m a n n , E d m . 0. 6. Lister, Sir Jos. 75. Löhneiß 71. Lokk, C h r . , A p o t h e k e r , 118. Lomonossow, M . W . 134. Lucretîus Carus 23. Ludwig I X . , König von Frankreich, 44. Lullus, R a y m u n d u s 45—46. I uther 56. Macquer, Pierre Jos. 102. Magister Salernus 38. Marcus Graecus 44, 48. Marggrafe, A n d r . Sigîsm. 97—100, 115, 122, 125. Maria 29. Mariotte, Edme 85. Matthiessen, W . 57. M a y o w , John 112,132,133. Melissos 21. Meyer Joh. F r d r . 104. Minkelers 88. Miriam 29. Mithridates 19. M o r i t z , Landgr. v.Hessen, 62. N e r i , Ant. 86. N e u m a n n , Caspar 95, 97, 116. N e w t o n , Isaac 87. Nikolaus Myrepsos 34. N o r d e n s k j ö l d , A. E. 117, 129. Ochsner 55. Oldenburg, H e i n r . 81. Olympiodoros 31. Ostanes 28. Palissy, Bernard 71 Paracelsus, Theophrastu« Bombastus 8, 39, 55, 59, 63, 64, 69, 72, 73, 77, 78, 79, 80, 89, 106. Parmenides 21. Paulus, Alchemist, 10.
138
Personennamen-V
Pelagios 31. Petrarca 50. Petrucci, P a n d o l f o 68. Philosopho5 Christianos 31. P l a t o n 10, 11, 24, 27. Plinius, Gajus Secundus 10, 11, 13, 14, 17, 18, 29, 69. Pohl, Apotheker 121. della P o r t a , G i o v . B a p t . 71. P o t t , Joh. H e i n r . 95, 96. Priestley, Jos. 9, 107, 108, 109, 110—114, 120, 127, 128, 134, 135. Pseudo-Demokritos 28,29. Pseudo-Geber 35, 36, 48. Ptolemaios 5. Pythagoras 5, 11, 20, 22, 24, 41.
erzeichnii
R u s k a , Julius 7, 32, 34, 35, 41. R u t h e r f o r d , D a n . 107.
Sala, Angelus 63. Scheele, C a r l W i l h . 9 , 1 0 8 , 115—129, 131, 134, 135. Scheele, Paul Jacob 116. Sdieffer, H . T h . 98. Schmieder, C h r . 52. Sdiwarz, Berthold 48. Sennert, Daniel 78—79,80. Sertürner, F r d r . W i l h . 75. of Shelburn, Earl 112,113. Smith, P r i v a t l e h r e r , 115. Sokrates 24. Soleas, Nicol. 51. Solon 11, 20. Spener, Phil. J. 90. Spielmann, J. R. 130. Stahl, Georg Ernst 8, 89—91, 92, 93, 95, 100, Ramsay, Will. 109. 129. Ravleigh, Lord John Will. Stephanos 31. 109. Sudhoff, K a r l 50, 57. RaymundusLullus(Ramön Sydenham 92. Lull) 45—46. Retzius, Anders Joh. 117, Synesios 31. 118, 119, 131. Tachenius (Tadte), O t t o Rey, Jean 131. 66—67, 74, 83. Rhazes (Rases, a l - R ä z t ) Thales 5, 20. 37, 41. Theophilus 40. Riditer, Jerem. Benjam. 9, Theophrastos 10, 14. 106, 135. Theosebeia 31. R i n m a n 114. T h ö l d e , J o h . 50, 51. Roger Bacon 43—44. Rouelle, Guill. F r a n g . 102, Thomas v o n Aquino 42. T h o t , ägypt. G o t t , 32. 124. Rudolf v. H a b s b u r g 42. Thurneysser zum T h u m , Leonh. 60, 96. Rudolf II., D. Kaiser, 52.
T r i t t h a i m , A b t , 55. v o n Tschirnhaus, E h r e n f r . W a l t e r 97. T u r n e r , Chemiker, 111. T u r q u e t de Mayerne, T h e o d o r 62—63. T u t anch Ammon 12. de U l l a , Don Anton 98. Vauquelin, L. N . 122. Villanovanus, Arnaldus 44. Vincenz v o n Beauvais 44. Vitalis de F u r n o 47. Vives, Ludovicus 77. W a i d e n , Paul 80. W a r l t i r e 109. W a r n e k r o s 115. W a t s o n , Ridi. 98. W a t t , James 103, 109. Weigel, Christ. E h r e n f r . 116.
W e l l m a n n , M a x 28. W e r n e r , A. G. 125. Wiegleb, J o h . C h r . 107, 123. Wilcke, J. C. 105. W ö h l e r , Frdr. 9, 124. Xenophanes 21. Z e k e r t , O t t o 121. Zenon 21. Z o r n , Apotheker, 96. Zoroaster 29. Zosimos 11, 17, 31.
Schlagwort-Verzeichnis Absolute Leichtigkeit 130. Aceton 75, 83. Acidum pingue 104. Acidum salis 74. Aes Brindisinum 13. Aes cyprium 13. Affinitätstabellcn 101. Akademien 24, 81, 100, 119, 120, 128. A k r o l e i n 75.
Alaun 16, 18, 41, 47, 61, 68, 71, 74, 87, 90, 98. Althemie 7, 8, 26—54, 57, 61. Aldiemistisdies S d i r i f t t u m 28. Alembik 38, 43. Alexandria 26, 30, 33. Alkahest 64, 66, 78, 85.
Alkali, Alkalien 36, 66, 67, 101, 103, 104, 106, 115, 122. Alkaloide 75. Alkohol 38, 39, 58. Ameisensäure 122. A m m o n i a k 113, 124. A m m o n i u m s u l f a t 74. Analytische Chemie 67, 70, 74, 83, 98, 114.
Schlagwort-Verzeichnis Angewandte Chemie 67—77. Animalische Chemie 87. Animismus 90, 92. A n t i d o t a r i u m 34. Antimon, Antimonpräparate 50, 58, 60, 61, 62, 66, 72, 73. Antiseptische W i r k u n g 75. Anulus Piatonis 27. Aoriston 20. Apeiron 20. Apfelsäure 122. Apotheke 34. Aqua ardens 38, 48. Aquae artificiales 47—48. Aqua auri 45. Aqua fortis (prima, dissolutiva) 47, 74. Aqua regis 47. Aqua secunda 47. Aqua vitae, vitis 38. ArabischeAlchemie 33—39. Arcanum 8, 30, 58. Archéus 54, 64, 66. Argon 109. Arndt-Schultzsches Grundgesetz 58. Aromatische Öle 75. Arsen, Arsenik 17, 27, 28, 47, 58, 74, 105, 125. Arsensäure 125. Arsenwasserstoff 121, 125. Arzneibuch 34, 59, 73. Arzneimittel (Heilmittel) 18, 58, 59, 63, 66, 75, 79. Äther (aither) 24. Äther (Schwefeläther) 59. Ätherische ö l e 17, 45. Atmung 66, 90, 91, 113, 127, 129, 132. Atom, Atomtheorie 9, 23, 37, 77, 78, 80, 87, 106, 135. Auripigment 18, 36. Aurum postabile 45, 73, 85. Balneum Mariae Marie) 29. Barometer 84. Baryum 126.
(bain
Benzoesäure 122. Benzol 75. Berg- und Hüttenwesen 55, 67, 69, 70. Bergwerksbuch 70, 71, 72. Berliner Blau 102, 123. Berliner Schule 95. Bernsteinsäure 122. Bicarbonate 105. Bierbrauerei 17. Bittererde 98. Bittersalz 103. Blausäure 121, 123. Blei, Bleisalze 13, 14, 18, 36, 39, 58, 59, 61, 67, 69, 70, 76, 86, 87, 94, 106, 123, 125, 130, 131. Bleiweiß 114. Blutlaugensalz 102, 123. Bluttransfusion 85. Borax 15, 86, 87, 114. Boyle-Mariottesches Gesetz 85. Brandsätze 40. Braunstein 99, 126, 127. ßrediweinstein 75. Brennbare L u f t 106, 107, 109, 112. Brennen s. Verbrennungsvorgänge. Bronze 12, 13, 39, 40. Brucjn 75. Buch der Alaune und Salze 41. Buch der Geheimnisse 37. Canon medicinae 37, 56. Cassiusscher G o l d p u r p u r 76. Catena aurea H o m e r i 27. Chaos 23, 65. Chemie (Name) 6—7, 31. 57, 61. Chemische Abhandlung von der L u f t und dem Feuer 120,121,126—127, 128.
Chemische Industrie 73—76. Chemischer Stoff 78. Chlor 126. Chlorwasserstoff 113.
139 Chrysopoiia 7, 29. C h y m i a t r i e 62. Cibum vitale 94. Citronensäure 122. Compositiones ad ting. mus. 39. Corpusculartheorie 78,89, 82, 87. Currus triumphalis Antimonii 50. Cyanverbindungen 123—124. Cyanwasserstoff 121, 123. D ä m p f e 65. Dephlogistierte L u f t 108, 109, 113. Dephlogistierte Salzsäure 126. Destillierkunst 29, 36, 38, 43, 47, 75, 83. D i a m a n t e n 82. Dippelsdies ö l 102. Dünger, künstlicher 71, 73, 132. Dunst 65. Edelsteine, künstliche 76. 86. Eisen 14, 63, 80, 114, 124, 125, 133. Eisöl 124. Elektron 12. Elektros 12. Llemente 15, 22, 24, 25, 27, 36, 53, 54, 59, 64, 78, 80, 82, 83, 128, 130, 132. Elixir 8, 30, 36, 83. Emaille 71. Empirismus 77, 81—82. Energetik 130. Entdedcungssynthese 135. Epsonsalz 103. Erde (Urstoff) 22, 24, 25, 64, 78, 115, 126, 130. Erden, Theorie der drei 89. E r h a l t u n g des Stoffes 64. Essig, Essigsäure 14, 18, 66, 72, 75, 114, 122, 128.
Eudiometer 107, 108,
140
Schlagwort-Verzeichnis
Färberei 17, 39, 75, 101, Glasur 15, 71. Glaubersalz 74, 101. 102. Glycerin 123. Fayence 71. Gold, Goldmacherei 12, Ferment 36. 14, 31, 36, 37, 39, 40, Fette 67, 123. 43, 46, 47, 52, 53, 54, Fettige Erde 89, 90. 58, 60, 70, 71, 76, 86, Fettige Säure 104. 96. Feuer 21, 22, 24, 25, 78, 115, 130. G r a p h i t 123, 125. Feuer, griechisches 48. Grauspießglanzerz 17, 27, Feuerbuch 48. 36, 39. Feuergeschütze 48 , 49, 67. Gravitationskonstante Feuerluft 120, 127, 128. 101. Feuerstoff 84. Griechisches Feuer 48. Feuerwerksbücher 48, 67, Grundstoffe 47, 64, 82. 70. G r ü n s p a n 18. Fibrist 35. Fixe L u f t 103, 104, 106, H a r n 83, 84. 107, 108, 112, 124, 125. t i a r n s ä u r e 123. Fixes Alkali 106. Hallersches Sauer 58. F l a m m e n f ä r b u n g 98. H a u p t q u a l i t ä t e n 25, 37. Flüchtiges Laugensalz 123. Heilige Zahlen 15, 71. Fluide ¿lastique 134. Hellenismus 26. Flußsäure 125. Hermetische Gesellschaft Flußspat 99, 125. 52. Fossilien 70. Hermetische Schriften 32. Hermetischer Verschluß 32. H o f f m a n n s t r o p f e n 93. Galenische P r ä p a r a t e 19, Höllenstein 63. 58. H o l z k o h l e 128. G ä r u n g 65, 129. Holzsäure 75. Gallussäure 122. Homöomerien 23. Galmei 13, 71. Hüttenwesen 55, 69—70. Gas (Name) 65. H y d r a r g y r o s 14. Gasabsorption durch K o h l e 128. Iatrochemie 54—67. Gasbeleuchtung 88—89. l m a n 36. Gase 65, 108, 111, 112. Indikatoren 75, 83. Gattungssymbole 115. Industrie, chemische 73, 76. Gegner der Alchemie 49, Inflammable air 106. 68. Isomerie 80. Geister 36, 38, 47. Geschützwesen 48—49. Gewicht 19, 45, 58. Kaliumsalze 98, 99, 122. Gewicht, negatives 130. K a l k 15, 16, 48, 98, 103, Gewichtszunahme beim 122. Verkalken u. Verbren- K a o l i n 96, 97. nen 67, 84, 91, 99, 130. Karbolsäure 75. Kausticität 104. G i f t e 19, 45, 58. Keramik 71. Gips 98. Glas 15, 40, 62, 67, 68. Kieselsäure 65, 67, 126. 75, 76, 79, 86, 97, 126. Kleesäure 123, 125.
Knallgas 107, 109. Knallgold 124. Kochsalz 16, 74, 90, 101. K o h l e n o x y d 93, 113. Kohlensäure 61, 65, 92, 104, 105, 107, 112, 114, 133. Königswasser 47. K ö r p e r 36. Korpusculartheorie s. Corpusculartheorie K u n s t d ü n g e r 71, 73, 132. K u p f e r 12, 14, 36, 39, 58, 63, 76, 124. K u p f e r v i t r i o l 13, 17, 47, 80. Kwass 18. L a b o r a t o r i u m 60, 62, 72, 73, 75, 86, 112. Lackmus 83. Lapis infernalis 63. Lasurstein 15. Latente W ä r m e 103, 105. Legierungen 39, 40, 87. Lehrbücher 87, 93, 94, 95, 102. Leichtigkeit, absolute 130. Leuchtgas 88. Leuchtsteine 87. I.iebigscher Kühler 116. Lötrohranalyse 96, 114. L u f t 20, 22, 24, 25, 64, 78, 85, 108, 110, 115, 130, 131. L u f t a n a l y s e 108, 109, 112, 127, 133. L u f t p u m p e 84. L u f t s ä u r e 123, 127, 128. Magisterium 8, 30. Magnesia alba 103. Magneteisenstein 14, 126. Mangan 126. M a p p a e clavicula 39. Medicinen 43, 46, 47. Mennige 13, 113. Mephitisdie L u f t 107,108. Mercurius philosopho" m m 27, 57. Mercurius praeeipitatus per se 112, 134. Messing 13, 40.
Schlagwort-Verzeichnis M e t a l l e 11, 26, 36, 39, 40, 41, 68, 115. M e t a l l k a l k e 84, 91, 92, 134. M e t a l l u r g i e 72. M e t a l l v e r w a n d l u n g 29, 31, 36, 37, 41, 43, 47, 61, 64, 66, 79, 80, 85. M e t a s y n c r i s i s 80. M e t h y l a l k o h o l 83. M i k r o s k o p 99. M i l c h s ä u r e 123. M i l c h z u c k e r 123. M i n e r a l f a r b e n 17. M i n e r a l i e n 36, 37, 41, 43, 69, 70, 9 5 . M i n e r a l o g i e 69. M i n e r a l s ä u r e n 47, 74. M i n e r a l w a s s e r 60, 61, 92. Mittelalterliches H a n d buch 68. M o l y b d ä n 124. M o r p h i n 75. M u m i f i z i e r u n g 16. N a t r i u m s a l z e 98, 99, 101. N a t r o n 16. N e g a t i v e s G e w i c h t 130. N e u t r a l s a l z e 102. N i t r o n 16. Ö f e n 38, 47, 75, 95. ö l e 17, 36, 67, 75, 95, 123. Oleum animale Dippeli 124. O r g a n i s c h e S ä u r e n 122. O r g a n i s c h e S y n t h e s e 124. O x a l s ä u r e 123. Oxydationstheorie 9,131, 135. P a b u l u m n i t r o s u m 132. P a n a c e e 30. P a p y r u s Brugsch 10. P a p y r u s E b e r s 10. P a p y r u s H o l m i e n s i s 11, 27. P a p y r u s L e y d e n s i s 11, 27. P f l a n z l i c h e s A l k a l i 122. P h a r m a k o p o e 34, 59, 73. P h i l o s o p h i s c h e s Salz 124.
P h l o g i s t i e r t e L u f t 107, 109. Fhlogiston, Phlogistont h e o r i e 8, 9, 66, 86, 88, 89—91, 94, 104, 107, 113, 114, 123, 125, 128, 129—131, 133, 134. P h o s p h o r 83, 84, 99, 108, 128. P h o s p h o r s a l z 99, 114. P h o s p h o r s ä u r e 84, 99. P l a t i n 98, 99, 100. P l u m b a g o 124. P n e u m a t i s c h e W a n n e 106, 112. 127, 133. P o r z e l l a n 15, 52, 9 5 — 9 7 , 102. P o t t a s c h e 15, 16, 18, 75, 90, 101, 103. P r e u ß i s c h B l a u 102. P r i n c i p i e n 55, 59, 64, 73, 82, 88, 128. P r o b i e r k u n s t 70. Pseudo-Geber-Sdiriften 35, 38, 4 6 — 4 7 . P u l v e r ( S c h i e ß p u l v e r ) 16, 43, 44, 48. P y t h a g o r ä i s c h e S y n o d e 42. Q u a n t i t a t i v e C h e m i e 9, 105, 135. Q u e c k s i l b e r 14, 17, 27, 28, 36, 37, 41, 46, 47, 53, 57. Q u e c k s i l b e r als A b s p e r r flüssigkeit 76, 106, 112, 113. Q u e c k s i l b e r o x y d 112, 127, 134. Q u e c k s i l b e r p r ä p a r a t e 45, 47. Q u e c k s i l b e r s u b l i m a t 36,61. Q u i n t a essentia 24, 59. Räumliche A n o r d n u n g 64, 80. R e i ß b l e i 124. R e t o r t e n 38, 47. R i n m a n s G r ü n 114. R o h r z u c k e r 99. R o s e n k r e u z e r 52.
141 R o y a l S o c i e t y 81, 85, 95, 104. R ü b e n z u c k e r 99. R u b i n g l a s 52, 76, 86. Sal a c i d u m 92. S a l e r n o 34, 38. S a l m i a k 36, 47, 63. S a l m i c r o c o s m i c u m 99. S a l m i r a b i l e G l a u b e r i 74. S a l p e t e r 16, 18, 40, 43, 44, 47, 48, 61, 63, 65. 71, 74, 84, 118, 127, 132, 133. S a l p e t e r s ä u r e 47, 48, 63. 66, 74, 75, 106, 108, 109, 113, 124, 133. S a l p e t r i g e G a s e 112, 113. S a l z 36, 41, 57, 58, 64, 66, 74, 102, 115. S a l z g ä r t e n 16. S a l z s ä u r e 50, 74, 113, 126. S a u e r s t o f f 109, 110, 113, 120, 127, 128, 133. S a u e r s t o f f e n c d e c k u n g 94, 112, 113, 127, 128, 131—135. S ä u r e n 47, 66, 67, 74, 90, 115, 122. Schedula d i v e r s , a r c . 40. Scheelit 125. Scheeles G r ü n 125. Scheidewasser 12, 47. Schießpulver (Schwarzp u l v e r ) 16, 43, 44, 48. Schleimsäure 123. S c h o l a s t i k 39, 77. Schriften der treuen Brüd e r 37. S c h w e f e l 17, 27, 28, 37, 41, 44, 47, 57, 58, 61, 64, 66, 70, 74, 88, 90, 91, 95, 108, 124, 133. S c h w e f e l ä t h e r 59. S c h w e f e l d i o x y d 65, 113. Schwefeleisen 124. S c h w e f e l m i l c h 58. S c h w e f e l s ä u r e 47, 61, 63, 66, 74, 75, 91, 98, 101, 105, 122, 124, 125, 126. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f 124. Schweflige S ä u r e 6 5 , 1 1 3 .
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Schlagwort-Verzeichnis
Schwere 130, 131. S c h w e r k r a f t 114. Schwermetalle 70. Schwerspat 99, 126. Seife 17, 36. S e r a p i o n 33. Sieben (heilige Z a h l ) 15, 71. Siegelerde 15. Silber 12, 14, 36, 37, 39, 40, 43, 47, 58, 61, 63, 66, 67, 69, 70, 71. S i l i c i u m f l u o r i d 113. S m a l t e 86. Soda 15, 16, 18, 101-102, 114. Specifisdies Gewicht 130. Specifische W ä r m e 105. S p i r i t u s 38, 39, 58. S p i r i t u s a r d e n s 35. Spiritus fumans Libavii 62. S p i r i t u s igneus, n i t r o a e reus, Vitalis 132. Spiritus nitri f u m a n s G l a u b e n 74. S p i r i t u s salis 61, 74. Sprengstoffe 76. Stahl 14, 114. S t ä r k e 17. S t a r k w a s s e r 74. Stein der Weisen 8, 30, 33, 44, 49, 50, 51, 64, 66, 79. S t e i n k o h l e 75, 83, 88. S t i c k o x y d e 65, 74, 108, 112. 113. Stickstoff 107, 109, 124, 127. S t i m m i 17, 39. Stöchiometrie 9, 88, 105. S t r y c h n i n 75. S u b l i m a t i o n 26, 43, 47, 78. Sulphur philosophorum 27—28. S u m p f g a s 65. S y n t h e s e , organische 124.
Table6 des r a p p o r t s 101, 114. Tabula smaragdina 32, 33. T a f e l v o n M e m p h i s 32. T a r t a r u s 59, 122. Technische C h e m i e 67-77, 83, 101, 102. T e r r a p i n g u i s 89, 90. T e r r a sigillata 15. T h e r i a k 19. T h r o n a 16, 101. T i n c t u r 36, 46. T o n e r d e 98. T ö p f e r e i 15. T o x i k o l o g i e 59. T r a n s m u t a t i o n 25,29, 33, 36, 37, 53. T r a u b e n z u c k e r 75. T r i a p r i m a 58, 59, 64, 73, 80, 88, 89. T r i u m p h w a g e n des A n t i m o n i i 50. T u n g s t e i n 125. T u r b a p h i l o s o p h o r u m 41, 45. T u t i a 36. U m w a n d l u n g von Wasser in E r d e 96. U n i v e r s a l m e d i z i n 47. U r e l e m e n t , Urstoff 19, 20, 24, 37, 47, 64, 89.
V i t r i o l l u f t 127. V i t r i o l ö l 74, 105, 106, 127. V i t r i o l s ä u r e 124. Vorzeitige Entdeckung 109, 110. W a a g e 81. W a h l v e r w a n d t s c h a f t 115. W ä r m e , l a t e n t e 103, 105. W ä r m e , specifische 105. W a s s e r ( U r s t o f f ) 20, 22, 24, 25, 64, 78, 115, 126, 130. Wasser (Zusammensetzung) 109, 110. W a s s e r b a d 29, 43. W a s s e r b l e i 124. Wasserstoff 63, 65, 106, 109, 110, 122. W a s s e r s t o f f p e r s u l f i d 124. Waysches M a n u s k r i p t 40. W e i n 18. W e i n g e i s t 38, 40, 41, 54, 75. W e i n s ä u r e 118, 122. W e i n s t e i n 59, 118, 122. W i s m u t 50, 69, 71, 83, 87, 96. W o l f r a m 121, 125. X e r i o n 31, 36.
V a c u u m d e s t i l l a t i o n 83. V e r b o t d e r Alchemie 49. V e r b r e n n u n g s v o r g a n g 65, 66, 84, 89, 90, 108, 123, 129, 130, 131, 132. V e r d o r b e n e L u f t 127. V e r k a l k u n g der M e t a l l e 84, 90, 129, 131, 132. V e r w a n d t s c h a f t , chemische 90, 100, 101, 114, 115. V i t r i o l 13, 36, 61, 71, 74.
Z a h l 20, 135. Z a u b e r m i t t e l 19. Z i n k 13, 36, 50, 66, 71, 83, 96, 125, 131. Z i n n 13, 14, 39, 61, 76, 84, 87. Z i n n o b e r 14, 47. Z i t r o n e n s ä u r e 122. Zitterfisch 105. Zucker 75, 99, 122, 123. Z u c k e r f a b r i k 99, 100. Z u c k e r s ä u r e 123.
Theophrastus Bombastus ab H o h e n h e i m (Paracelsus) (1493 1541) (Nach einem Ölgemälde eines unbekannten Meisters ( H a n s Baidung Grien?) in der Sdileißheimer Galerie)
Georg Agricola (1494—1555) (Aus „E. D a r m s t a e d t e r , Georg Agricola", Verlag Münchener Drucke)
Georg Ernst
Stahl
(1660—1734)
H e n t y Cavendish (1731—1804) ( P h o t o : Deutsches Museum, München)
Carl Wilhelm Scheele (1742—1786) ( P h o t o : Deutsches Museum, München)
Für Studium und Praxis Biltz-Klemm-Fischer, ganische Chemie.
Experimentelle Einführung in die anor4 2 . - 4 4 . Aufl. 24 Abb. 1 Taf. 204 S. 1949. Ganzleinen DM 7.80
Blücber-Winckelmann, Auskunftsbuch für die chemische Industrie. 17. Aufl. Bearbeitet von J. Winckelmann. 1038 S., mit Bezugsquellenverzeichnis. 1948. Halbleinen DM45.— Edlbacher, S., Praktikum der physiologischen gesehene Aufl. VII, 108 S. 1948.
Chemie. 3. durchGeb. DM 5.50
Gattermann-Wieland, Praxis des organischen Chemikers. 33. durchgesehene Aufl. Bearbeitet von Heinrich Wieland. Mit 58 Abb. 414 S. 1948. Halbleinen DM 20.— Ginsberg, H., Leichtmetallanalyse. 2. Aufl. Mit 27 Textabb. 427 S. 1945. (Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften.) Geb. DM 18 — Holleman-Wiberg, Lehrbuch der anorganischen Chemie. 24. und 25. Aufl. Völlig neubearbeitet von Prof. Dr. Egon Wiberg. Gr.-Okt. Mit 154 Figuren. 578 S. 1945. Ganzleinen DM22.— Holleman-Richter, Lehrbuch der organischen Chemie. 26., völlig neubearbeit. Aufl. von Fr. Richter. Gr.-Oktav. Mit 97 Fig. XII, 526 S. 1949. Ganzleinen DM 22.— Holleman-Schuler, Einfache Versuche auf dem Gebiet der organischen Chemie. 6., vermehrte und verbesserte Aufl. von L. Schuler. Mit zahlreichen Abb. XVI, 171 S. 1949. DM4.80 Küster-Thiel-Fischbeck, Logarithmische Rechentafeln für Chemiker, Pharmazeuten, Mediziner und Physiker. Neubearbeitet von K. Fischbeck. 56.—60. verbesserte und vermehrte Aufl. Mit 1 Mantissentafel. 314 S. 1947. Ganzleinen DM9.25 (Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften.) Strohecker, R., Methoden der Lebensmittelchemie. 3. Aufl. Mit 45 Abb. und 16 Taf. XV, 208 S. 1949. Ganzleinen DM 12.— (Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften.)
Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35
Chemie in der Sammlung Göschen Klemm, W., Anorganische Chemie. 6. Aufl. Mit 18 Abb. 1944. 184 S. (Bd. 37) Schlenk, W., Organische Chemie. 5. Aufl. Mit 17 Fig. 1949. 239 S. (Bd. 38) Schulze, W., Allgemeine und physikalische Chemie. I. Teil. 3. durchgesehene Aufl. Mit 22 Figuren. 1949. 146 S. (Bd. 71) — —, II. Teil. 3. durchgesehene Aufl. Mit 36 Figuren. 1949. 160 S. (Bd. 698) Jander, G., u. K. F. Jahr, Maßanalyse. Theorie und Praxis der klassischen und der elektrochemischen Titrierverfahren. Bd. I. 5. Aufl. Mit 18 Figuren. 1948. 140 S. (Bd. 221) — — —, Theorie und Praxis der klassischen und der elektrochemischen Titrierverfahren. Band 2. 5. Aufl. Mit 24 Fig. 1948. 139 S. (Bd. 1002) Hoppe, /., Analytische Chemie I. Reaktionen, 5., verbesserte Aufl. 1950. 135 S. (Bd. 247) —, —, II. Gang der qualitativen Analyse. 5., verbesserte Aufl, 1950. 168 S. (Bd. 248) Daßler, A., Elektrochemie und ihre physikalisch-chemischen Grundlagen. Band I. Mit 21 Abb. 1950. 149 S. (Bd. 252) , Band II. Mit 18 Abb. 1950. 178 S. Asmus, E., Physikalisch-Chemische 1949. 96 S.
Rechenaufgaben.
(Bd. 253) 2. Aufl. (Bd. 445)
Henglein, M., Lötrohrprobierkunde. Mineraldiagnose mit Lötrohr und Tüpfelreaktion. 3., verbesserte Aufl. Mit 11 Fig. (Bd. 483) 1949. 91 S. Roth, W. A., Thermochemie.
2., verbesserte Aufl. 1947. 109 S. (Bd. 1057)
Jeder Band DM 2.40
Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35