127 60 4MB
German Pages 314 [315] Year 2019
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 500
Die Haftung der Gewerkschaft gegenüber ihren Tarifpartnern und Dritten für Schäden bei rechtswidrigen Streiks
Von
Friederike Malorny
Duncker & Humblot · Berlin
FRIEDERIKE MALORNY
Die Haftung der Gewerkschaft gegenüber ihren Tarifpartnern und Dritten für Schäden bei rechtswidrigen Streiks
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 500
Die Haftung der Gewerkschaft gegenüber ihren Tarifpartnern und Dritten für Schäden bei rechtswidrigen Streiks
Von
Friederike Malorny
Duncker & Humblot · Berlin
Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany
ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15745-7 (Print) ISBN 978-3-428-55745-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85745-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meiner Familie, allen voran meinem Mann Johannes und meiner Tochter Franziska, meinen Eltern Maria († 2010) und Michael Besenthal und meinem Großvater Franz Gamillscheg († 2018)
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Januar 2019 von der Bucerius Law School in Hamburg als Dissertation angenommen. Die mündliche Promotionsprüfung fand am 6. März 2019 statt. Aktualisierungen wurden bis April 2019 vorgenommen. Die Arbeit wurde mit dem KLIEMT.Arbeitsrecht-Dissertationspreis ausgezeichnet. An erster Stelle bedanke ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Matthias Jacobs, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand und fachlich sowie menschlich eine große Unterstützung war. Herrn Prof. Dr. Rüdiger Krause danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die konstruktiv kritischen Anmerkungen. Bei meinen Kollegen am Lehrstuhl bedanke ich mich für eine wunderschöne und lehrreiche Zeit. Der Studienstiftung des Deutschen Volkes gilt ein großer Dank für die Förderung durch ein Promotionsstipendium. Von Herzen danken möchte ich Frau Dr. Rabea Kjellsson, die meine Arbeit nicht nur Korrektur gelesen hat, sondern mir durch ihre Freundschaft und das gemeinsame Bestreiten des Weges zur Promotion Kraft und Motivation gegeben hat. Ein herzlicher Dank gilt auch meinem Vater Michael Besenthal, der meine Arbeit mit sehr viel Muße und Zeit Korrektur gelesen hat und mir stets ein wertvoller Diskussionspartner war. Mein größter Dank gilt meinem Mann Dr. Johannes Malorny: Danke, dass du mich seit Schulzeiten in all meinen Vorhaben unterstützt, motivierst und mir den Rücken frei hältst, ganz besonders seitdem unsere Tochter Franziska auf der Welt ist. Ohne dich wäre diese Arbeit nicht in dieser Zeit entstanden. Hamburg im April 2019
Friederike Malorny
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht
Erster Teil Einführung 25 § 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Arbeitskampfrecht ist Zivilrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts . . . . . . . . . . . . 28 C. Unsichere Rechtslage .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 2 Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zweiter Teil
Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks für Schäden der Tarifpartner und ihrer Mitglieder 37
Haftung aus Vertrag 37
Erster Abschnitt
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGBwegen Verletzung der Friedenspflicht 37 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Pflichtverletzung i. S. d. § 283 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 D. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 § 4 Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGBwegen Verletzung der Einwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 A. Einwirkungspflicht als leistungsbezogene Nebenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Abgrenzung von § 281 I 1 BGB und § 283 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 § 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGBwegen Schutzpflichtverletzung 130 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Schutzpflichtverletzung i. S. d. § 241 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 C. Vertretenmüssen und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Zusammenfassung des Ersten Abschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
10
Inhaltsübersicht Zweiter Abschnitt
Haftung aus Delikt 178
§ 6 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 A. Eigentumsverletzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 § 7 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht . . . . . . 183 A. Eigenschaften eines sonstigen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 B. Art. 9 III GG als sonstiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 § 8 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 A. Verletzung eines Schutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 B. Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 § 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 A. Vorüberlegungen zum Institut des ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 B. Anwendungsbereich des ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 § 10 Schadensersatz aus § 826 BGBwegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung . 232 A. Verstoß gegen die guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 B. Vorsätzliche Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 C. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 § 11 Schadensersatz aus § 831 BGBwegen Haftung für den Verrichtungsgehilfen . . . 235 A. Verrichtungsgehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Unerlaubte Handlung in Ausführung der Verrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 C. Kein Entlastungsbeweis i. S. d. § 831 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 D. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
Fazit des Zweiten Teils 240
Inhaltsübersicht
11
Dritter Teil
Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter bei rechtswidrigen Streiks 241 Erster Abschnitt
Haftung aus Vertrag 241
§ 12 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGBwegen Verletzung der Friedenspflicht 245 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 § 13 Schadensersatz nach §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. dem Vertrag mit Schutzwirkungzugunsten Dritter wegen Schutzpflichtverletzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 § 14 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB; §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. § 398 S. 2 BGB aus abgetretenem Recht im Rahmen der Drittschadensliquidation . . . . 255 A. Grundsätze der Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 B. Keine Drittschadensliquidation beim rechtswidrigen Streik . . . . . . . . . . . . . . . 256 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Zusammenfassung des Ersten Abschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Zweiter Abschnitt
Haftung aus Delikt 259
§ 15 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 § 16 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht . . . . . . 263 § 17 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 § 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m dem ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 A. Unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 § 19 Schadensersatz aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung . 278 § 20 Schadensersatz aus § 831 BGB wegen Haftung für den Verrichtungsgehilfen . . . 279 Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
Fazit des Dritten Teils 281
12
Inhaltsübersicht Vierter Teil
Wesentliche Ergebnisse 282
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Sachwortregister .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Erster Teil Einführung 25 § 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Arbeitskampfrecht ist Zivilrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts . . . . . . . . . . . . 28 C. Unsichere Rechtslage .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 2 Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zweiter Teil
Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks für Schäden der Tarifpartner und ihrer Mitglieder 37
Haftung aus Vertrag 37
Erster Abschnitt
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGBwegen Verletzung der Friedenspflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis zwischen den Tarifparteien . . . 38 II. Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB .. . . . . . . 39 1. Drittbegünstigungsabrede .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Anspruch auf Leistung an den Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 B. Pflichtverletzung i. S. d. § 283 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I.
Anknüpfung an die Herbeiführung der Unmöglichkeit und die bloße Nichtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Friedenspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Inhalt der Friedenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Zweck der Friedenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Umfang der Friedenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Charakter der Friedenspflicht: selbstständige Unterlassungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 aa) Friedenspflicht als dauerhafte Unterlassungspflicht .. . . . . . 50 bb) Friedenspflicht als selbstständige Unterlassungspflicht . . . 51
Inhaltsverzeichnis
14
d) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Verletzung der Friedenspflicht als Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Einordnung als Schadensersatzanspruch statt der Leistung . . . 54 b) Voraussetzung des § 283 S. 1 BGB: Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Dauerhafte Unterlassungspflicht als absolute Fixschuld .. 56 (1) Charakter der absoluten Fixschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Abgrenzung nach der Parteiabrede: typischerweise absolute Fixschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 bb) Friedenspflicht als absolute Fixschuld .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Kein Interesse an nachgeholter Unterlassung . . . . . . . 59 (2) Keine andere Bewertung bei bloß vorübergehenden Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 cc) Vollständiger oder nur Teilausschluss der Leistungspflicht? 62 (1) Teilbarkeit der Friedenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (2) Interesse des Arbeitgebers an der Teilleistung als weitere Voraussetzung? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Zurechnung der Friedenspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Handeln von Organen, § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Handeln von Erfüllungsgehilfen, § 278 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Friedenspflicht als Verbindlichkeit i. S. d. § 278 S. 1 BGB . . . . 66 b) Zurechnung sowohl des Verschuldens als auch des Handelns . 67 c) Handeln in Erfüllung der Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 C. Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I.
Sorgfaltsmaßstab im Arbeitskampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Bewegliches Arbeitskampfrecht führt zu Unsicherheiten . . . . . . . . . . 71 2. Hohes Schadenspotential wirkt existenzbedrohend . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch hohes Haftungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Fehlendes Druckmittel bei unsicherer Rechtslage . . . . . . . . . . . . 75 b) Konsequenzen für den Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4. Konkretisierung der erforderlichen Sorgfalt im Arbeitskampf .. . . . . 77 a) Sehr beachtliche Gründe für Rechtmäßigkeit des Streiks . . . . . 78 b) Hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit des Streiks . . . 80
Inhaltsverzeichnis
15
c) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Telos des § 619a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Gewerkschaft als Schuldner beweisnäher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 D. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Haftungsausfüllende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Gefährdung einer funktionsfähigen Tarifautonomie auch bei Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Keine Unsicherheit bei vorsätzlichem Handeln der Gewerkschaft .. 89 3. Übermaßverbot fordert Einschränkung der gewerkschaftlichen Haftpflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. Entwicklung einer Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln . 92 1. Auslegung gesetzlicher Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Beschränkungen im Rahmen der Gefährdungshaftung . . . . . . . 94 b) Beschränkungen im Rahmen verschuldensabhängiger Haftung 95 c) Beschränkung bei Mitverschulden nach § 254 BGB . . . . . . . . . . 95 d) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Haftungsbeschränkung analog §§ 431 I, III, 433, 323 II HGB . . . . . 98 3. Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Voraussetzungen der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Verantwortlichkeit durch Organisationsherrschaft . . . . . . . . 101 bb) Gemeinsamer Verantwortungsbereich aufgrund der Tarifpartnerschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Rechtsfolge der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Keine abstrakten Quotelungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Keine starre Haftungobergrenze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Feststehende Haftungssumme und Bemessungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Weder feststehende Haftungssumme noch Bemessungsregel geeignet .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Ermittlung der Haftungsobergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Insolvenzverfahren: Eröffnungsgründe . . . . . . . . . . . . . 110 (a) Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 110 (b) Überschuldung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (c) Drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO . . . . . 111 (2) Eignung der Eröffnungsgründe zur Ermittlung der Haftungsobergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Inhaltsverzeichnis
16
4. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 IV. Probleme bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Verfahren nach § 58 III ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Zur Verschwiegenheit verpflichteter Sachverständiger .. . . . . . . . . . . . 116 3. Wirtschaftsprüfervorbehalt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. In-camera-Verfahren im Zivilprozess? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 V. Regelung einer summenmäßigen Haftungsbeschränkung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Anknüpfung an eine Bemessungsformel vorzugswürdig . . . . . . . . . . . 120 2. Mitgliederzahl als Maßstab geeignet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Erhöhte Rechtssicherheit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 § 4 Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGBwegen Verletzung der Einwirkungspflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 A. Einwirkungspflicht als leistungsbezogene Nebenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Abgrenzung von § 281 I 1 BGB und § 283 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 § 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGBwegen Schutzpflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I.
Schuldverhältnis zwischen den Tarifpartnern .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Vorvertragliches Schuldverhältnis aus c. i. c., § 311 II BGB . . . . . . . . 131 a) Geschäftlicher Kontakt als Voraussetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Beide Tarifpartner streben Tarifabschluss an . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Kein Verhandlungswille eines Tarifpartners .. . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Nachwirkendes Schuldverhältnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Tarifverhältnis als Dauerrechtsbeziehung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Schuldverhältnis zwischen Gewerkschaft und Mitgliedern des Tarifpartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Gleiche Ausgangskonstellation .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Vorvertragliches Verhältnis, § 311 II , III 1 BGB . . . . . . . . . . . . . 139 b) Nachwirkendes Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Übertragung des Dauerrechtsverhältnisses auch auf die Verbandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 B. Schutzpflichtverletzung i. S. d. § 241 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Inhaltsverzeichnis
17
I. § 241 II BGB als Einfallstor verfassungsrechtlicher Wertungen .. . . . . . 144 II. Bestehen einer Schutzpflicht der Gewerkschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Konkretisierung der Schutzpflicht der Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Einwirkung auf grundrechtliche Rechtsgüter der Arbeitgeberseite durch Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Einwirkung auf die Gewerbefreiheit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Einwirkung auf die Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Einwirkung auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit .. . . . . . . 152 d) Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 e) Handeln der Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 f) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Zumutbarkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 9 III GG beim rechtswidrigen Streik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Schutzumfang von Art. 9 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (1) Keine enge Auslegung im Sinne einer immanenten Begrenzung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (a) Allgemeine Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (b) Streik nicht nur Hilfsinstrument der Tarifautonomie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (2) Weite Auslegung aufgrund völkerrechtsfreundlicher Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Konsequenzen für die Konkretisierung der Schutzpflicht nach § 241 II BGB .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Rechtfertigung der Einwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Geeignetheit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (1) Legitimer Zweck: tariflich regelbares Ziel . . . . . . . . . . 164 (2) Förderung des legitimen Zwecks durch Streik . . . . . . 165 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Erforderlichkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (1) Verletzung der Kampfparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Gebot fairer Kampfführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Korrektur wegen drohender Aushöhlung von Art. 9 III GG? . . . . . . . 171 4. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Kein Schutz durch die Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Kein geeigneter Streik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Kein erforderlicher Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d) Kein verhältnismäßiger Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Inhaltsverzeichnis
18
e) Zusammenfassendes Schaubild .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Zurechnung der Schutzpflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 C. Vertretenmüssen und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Zusammenfassung des Ersten Abschnitts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Zweiter Abschnitt
Haftung aus Delikt 178
§ 6 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung .. . . . . . . . . . . . . . 179 A. Eigentumsverletzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 § 7 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht .. . 183 A. Eigenschaften eines sonstigen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I.
Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion als Grundlagen des Deliktsschutzes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. Voraussetzungen eines sonstigen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Art. 9 III GG als sonstiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 § 8 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 A. Verletzung eines Schutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Merkmale des Schutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Einschlägige Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Keine Einordnung der richterrechtlichen Arbeitskampfregeln als Schutzgesetz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Richterrecht als Gesetz i. S. d. Art. 2 EGBGB? . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Ge- oder Verbotscharakter der richterrechtlichen Arbeitskampfregeln .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Art. 9 III 2 GG als Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Verstoß gegen das Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 B. Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 § 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
Inhaltsverzeichnis
19
A. Vorüberlegungen zum Institut des ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Herleitung des ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Kritik am ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Gewährung von reinem Vermögensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Kein Zuweisungsgehalt und keine Ausschlussfunktion gegenüber Dritten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Voraussetzungen eines „sonstigen Rechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) ReaG als sonstiges Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Lösung originär vertraglicher Konstellationen mit Hilfe des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4. ReaG als Gewohnheitsrecht? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 B. Anwendungsbereich des ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 I. Subsidiarität des ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 II. Unmittelbarer Eingriff in das ReaG durch Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Unmittelbarer Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Betriebsbezogenheit als Konkretisierung der Unmittelbarkeit 206 aa) Auslegung mit Hilfe des Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Subjektive oder objektive Stoßrichtung des Eingriffs? . . . . 209 cc) Betriebsbezogenheit allein bei Eingriffen von außen? .. . . . 210 b) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Streik als unmittelbarer Eingriff der Gewerkschaft in den Gewerbe betrieb des bestreikten Arbeitgebers .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Rechtmäßige wie rechtswidrige Streiks als Eingriff denkbar? 212 b) Betriebsbezogenheit von Streiks .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Schadensgefahr mit sozialunüblicher Behinderung . . . . . . . 215 bb) Objektive Stoßrichtung des Streiks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 cc) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Streik als zurechenbarer unmittelbarer Eingriff der Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 III. Rechtswidrigkeit des unmittelbaren Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Umfassende Güter- und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Abstrakte Güter- und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Abzuwägende Rechtsgüter des bestreikten Arbeitgebers .. 221 (1) Gewerbefreiheit (Art. 12 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (2) Wirtschaftliche Handlungsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers (Art. 2 I GG) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (3) Kollektive Koalitionsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers (Art. 9 III GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
20
Inhaltsverzeichnis (4) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Abzuwägende Rechtsgüter der Gewerkschaft .. . . . . . . . . . . . 222 (1) Streikfreiheit (Art. 9 III GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (2) Hohes Haftungsrisiko kein abzuwägendes Interesse der Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 cc) Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . 223 (1) Abwägung beim rechtmäßigen Streik .. . . . . . . . . . . . . . 223 (2) Abwägung beim rechtswidrigen Streik . . . . . . . . . . . . . 224 (a) Kein generelles Überwiegen der Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . 224 (b) Aber tendenzielles Überwiegen der Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . 225 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Konkrete Güter- und Interessenabwägung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Schutzbedürftigkeit des Betroffenen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Abwägung des Einzelfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Rechtfertigungsgründe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 IV. Verschulden und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
§ 10 Schadensersatz aus § 826 BGBwegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 A. Verstoß gegen die guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 B. Vorsätzliche Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 C. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 § 11 Schadensersatz aus § 831 BGBwegen Haftung für den Verrichtungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Verrichtungsgehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Unerlaubte Handlung in Ausführung der Verrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 C. Kein Entlastungsbeweis i. S. d. § 831 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 D. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
Fazit des Zweiten Teils 240
Inhaltsverzeichnis
21
Dritter Teil
Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter bei rechtswidrigen Streiks 241 Erster Abschnitt
Haftung aus Vertrag 241
§ 12 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGBwegen Verletzung der Friedenspflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 § 13 Schadensersatz nach §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. dem Vertrag mit Schutzwirkungzugunsten Dritter wegen Schutzpflichtverletzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . 248 A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Keine Leistungsnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II. Keine Gläubigernähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 III. Keine Erkennbarkeit für den Schuldner .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 IV. Schutzwürdigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 § 14 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB; §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. § 398 S. 2 BGB aus abgetretenem Recht im Rahmen der Drittschadensliquidation 255 A. Grundsätze der Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 B. Keine Drittschadensliquidation beim rechtswidrigen Streik . . . . . . . . . . . . . . . 256 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Zusammenfassung des Ersten Abschnitts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Zweiter Abschnitt
Haftung aus Delikt 259
§ 15 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung .. . . . . . . . . . . . . . 262 § 16 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht .. . 263 § 17 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 § 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 A. Unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I.
Betriebsbezogenheit obsolet bei mittelbaren Folgen von Arbeitskämpfen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
22
Inhaltsverzeichnis II. Schadensgefahr mit sozialunüblicher Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Objektive Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Kenntnis der mittelbaren Streikfolgen nicht schädlich . . . . . . . . . . . . . 270 2. Keine Auswirkung von Grad und Intensität der Drittbetroffenheit . 271 3. Keine Auswirkungen der „Fluglotsenstreik“-Fälle des BGH . . . . . . . 273 4. Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
§ 19 Schadensersatz aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 § 20 Schadensersatz aus § 831 BGB wegen Haftung für den Verrichtungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
Fazit des Dritten Teils 281
Wesentliche Ergebnisse 282
Vierter Teil
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
a. A. andere Ansicht a. F. alte Fassung BAG Bundesarbeitsgericht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BVerfG Bundesverfassungsgericht ca. circa c. i. c. culpa in contrahendo ECSR European Committee of Social Rights EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ESC Europäische Sozialcharta EU-GrCharta Europäische Grundrechtecharta EVG Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft Fn. Fußnote GdF Gewerkschaft der Flugsicherung GDL Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GdP Gewerkschaft der Polizei gem. gemäß GEW Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft g. h. M. ganz herrschende Meinung HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung IAO Internationale Arbeitsorganisation i. e. S. im engeren Sinne IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie IG Metall Industriegewerkschaft Metall i. S. d. im Sinne des i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiteren Sinne LAG Landesarbeitsgericht NGG Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten rd. rund ReaG Recht auf eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb s. siehe sog. sogenannt/e UFO Unabhängige Flugbegleiter Organisation
24
Abkürzungsverzeichnis
usw. und so weiter VC Vereinigung Cockpit VDF Verband Deutscher Flugleiter Ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft vgl. vergleiche z. B. zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung
Erster Teil
Einführung 1. Teil: Einführung
§ 1 Problemstellung „Tarifverhandlungen ohne das Recht zum Streik wären nicht mehr als ,kollektives Betteln‘.“1 Erst das Recht der Arbeitnehmer, ihre Arbeit niederzulegen und damit dem Arbeitgeber Nachteile oder Schäden anzudrohen und auch zuzufügen, stellt eine Verhandlungsparität her und macht den Arbeitgeber verhandlungsbereit.2 Die Folgen eines Streiks treffen aber nicht nur die Arbeitgeberseite, sondern oft auch kampfunbeteiligte Dritte: Fluggesellschaften können ohne Fluglotsen3 ihre Flugzeuge nicht starten, Automobilhersteller ihre Autos ohne Lieferung von Zubehör nicht bauen, Reedereien ihre Schiffe ohne Kranführer4 nicht einsetzen. Am Ende der Kette stehen Passagiere, Käufer und Auftraggeber, die am Flughafen festsitzen, ihr Auto verzögert erhalten oder Lieferverpflichtungen nach Übersee nicht rechtzeitig erfüllen können. Sowohl die Arbeitgeberseite als auch kampfunbeteiligte Dritte können beim Streik also Schäden erleiden. Haftet aber die zum Streik aufrufende Gewerkschaft für diese Schäden? Und für den Fall, dass sie haftet: Was bedeutet es für die Gewerkschaft, wenn die Höhe der Haftung ihre Existenz bedroht? Ist der Streik rechtmäßig, trifft die Gewerkschaft jedenfalls keine Ersatzpflicht: Die Schädigung des Dritten ist (unvermeidbare) Folge der Garantie aus Art. 9 III GG, die ihr Tun rechtfertigt.5 Ist der Streik dagegen rechtswidrig,
1
BAG v. 10. 6. 1980 – 1 AZR 822/79, BAGE 33, 140 = NJW 1980, 1642 (1643). aber DäublerAK-Däubler, § 8 Rn. 28 und Däubler, Arbeitsrecht 1 (2006) S. 356 Rn. 551 ff., der darauf hinweist, dass auf Arbeitgeberseite nicht in allen Fällen auch Schäden entstehen müssen. 3 Fluglotsen werden typischerweise von Flughafenbetreibergesellschaften beschäftigt und nicht den Fluggesellschaften. 4 Kranführer werden in der Regel von Hafenbetreibergesellschaften beschäftigt und nicht von Reedereien. 5 Die überwiegende Ansicht sieht das Streikrecht als institutionelle Garantie und leitet sie aus der Gewährleistung des Tarifvertragssystems ab, vgl. nur BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809; Wank, RdA 2009, 1 (3); Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 939; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 163; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht (2015) S. 561. 2 S.
26
1. Teil: Einführung
scheidet eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung regelmäßig aus.6 Eine etwaige Haftung der Gewerkschaft setzt also in jedem Fall die Rechtswidrigkeit des Streiks voraus.7 Die folgende Untersuchung zur Haftung der Gewerkschaft nimmt daher an, dass der Streik rechtswidrig war. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt also nicht auf der Frage, ob der Streik rechtswidrig war.8 Im Kern steht die Frage, wer das Risiko von Schäden aufgrund rechtswidriger Streiks trägt. Aus der Verfassung selbst ergibt sich keine Rechtsfolge, vielmehr ist eine einfachgesetzliche Konkretisierung erforderlich. Obwohl der Gesetzgeber mehrfach Ansätze zur Schaffung eines Arbeitsgesetzbuchs unternommen hatte9, gibt es bis heute keine einfachgesetzlichen Regelungen zum Arbeitskampfrecht. Vor allem fehlen spezielle Regelungen der Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks. Der Arbeitskampf mit seinen haftungsrechtlichen Folgen ist vom „Gesetzgeber sich selbst überlassen“10.
A. Arbeitskampfrecht ist Zivilrecht Das entbindet den Richter jedoch nicht von seiner Pflicht, die sich aus dem Rechtsverweigerungsverbot ergibt, über einen von ihm zu entscheidenden konkreten Lebenssachverhalt ein abschließendes Urteil zu fällen.11 Das Arbeits6 Ausführlich dazu unten § 5 „Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB wegen Schutzpflichtverletzung“, S.130 ff.; s. zudem § 9 „Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG“, S. 196 ff. 7 Die Rechtsprechung des BAG zu den Rechtswidrigkeitsgründen ist (einfach-)gesetzesvertretendes Richterrecht, s. nur BAG Großer Senat v. 21. 4. 1971 – GS 1/68, BAGE 23, 292 (320) die Frage nach der verfassungsrechtlich gewährten Streikfreiheit muss folglich nicht parallel zur Frage nach der einfachgesetzlichen Rechtswidrigkeit des Streiks laufen – wie noch zu zeigen sein wird, kann ein Streik trotz Rechtswidrigkeit durch Art. 9 III GG geschützt sein; die verfassungsrechtlichen Kriterien für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 9 III GG und diejenigen für die richterrechtliche Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Streiks sind mithin nicht identisch. 8 S. aber die Ausführungen unter § 5 B. II. 2. „Zumutbarkeit“, S. 155 ff. 9 Die Reichsregierung kündigte bereits 1919 an, dass „ein Gesetz über ein einheitliches, demokratisches und soziales Arbeitsrecht […] alsbald vorgelegt“ werden soll, Zitat abgedruckt bei Iannone, Kodifizierung Arbeitsvertragsrecht (2009) S. 80; s. zudem Art. 30 des Einigungsvertrags zwischen der BRD und der DDR, der dem Gesetzgeber zur Aufgabe machte, „das Arbeitsvertragsrecht […] möglichst bald einheitlich neu zu kodifizieren“. 10 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 953. 11 Zum Rechtsverweigerungsverbot s. Schumann, ZZP 81 (1968), 79 (80) m. w. N.; Höpfner, RdA 2006, 156; vgl. auch BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809 (810) I. 2. a); im Zusammenhang mit Art. 9 III GG s. ebenfalls ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 50; dazu auch Baer, Verfassungsrecht und Arbeitsrecht, in: Assistententagung im Arbeitsrecht 7 (2017), S. 9 (S. 20): „Ein Gesetzgeber darf sich
§ 1 Problemstellung
27
kampfrecht ist Zivilrecht12 , obwohl es Teil des Rechts der Tarifautonomie und damit eines wichtigen Bausteins unserer staatlichen und wirtschaftlichen Ordnung ist13. Anregung und Hilfe sucht das Richterrecht deshalb zunächst in den (einfachgesetzlichen) Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).14 Zwar stammt das BGB aus einer Zeit, die den Arbeitskampf kaum beachtet hat. Für eine Lösung über das BGB spricht aber, dass sich der Arbeitskampf vor allem auf das Zivilrechtssystem auswirkt: auf das Arbeitsverhältnis, aber auch auf Kauf- und Werkverträge zwischen Arbeitgeber und Dritten oder sogar fernere Dritte.15 Der Streik beeinflusst das Zivilrechtssystem.16 Die Rechtsfolgen dieser Störungen müssen daher auch im Zivilrecht gesucht werden. Hinzu kommt, dass das Individualarbeitsrecht Vertragsrecht ist, wie die Regelungen zum Dienstvertrag in §§ 611 ff. BGB zeigen. Zwar gehört das Arbeitskampfrecht zum Kollektivarbeitsrecht. Der Große Senat des BAG hatte am 28. 1. 1955 aber entschieden, dass kollektivrechtlich rechtmäßige Streiks individualrechtlich nicht rechtswidrig sein können (sog. Einheitstheorie).17 Die Bewertung des Kollektivarbeitsrechts wirkt sich demnach auf das Indivifast immer gegen Gesetzgebung entscheiden. Aber Rechtsschutzverweigerung darf im Rechtsstaat nicht sein. Also springen Fachgerichte ein, um Konflikte zu klären.“. 12 S. nur Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 959, ebenfalls S. 46 f.; s. auch BAG v. 10. 09. 1985 – 1 AZR 262/84, BAGE 49, 303 , Erwägungsgründe 32 f.; zudem Richardi, ZfA 1985, 101 (125 f.): „Die Analyse ergibt, dass die Arbeitskampfproblematik nicht auf das Arbeitsrecht beschränkt ist, sondern allgemein im Zivilrecht eine Rolle spielt. Bereits diese Erkenntnis verbietet es, das Arbeitskampfrecht als Sonderrechtskreis zu etablieren.“; ebenfalls Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie (2005) S. 57 f.: „Damit ist auch das Arbeitsrecht selbst schlicht ein Teilgebiet der zivilrechtlichen Rechtsdogmatik, mithin weder Statusrecht noch ein Recht der Klasse oder eines Standes.“; a. A. Däubler, NZA 1988, 857 (862). 13 Das Arbeitskampfrecht ist also Zivilrecht, das sein Fundament fest im Verfassungsrecht verankert hat: „Verfassungsrecht ist nicht die andere Welt, sondern zwingendes Fundament des Arbeitsrechts und ist mit ihm tief verwoben.“, Baer, Verfassungsrecht und Arbeitsrecht, in: Assistententagung im Arbeitsrecht 7 (2017), S. 9 (S. 12). 14 „Soweit der Arbeitskampf diesen Zweck [Gewährleistung des Verhandlungsgleichgewichts] verfolgt, ist er nicht systemfremd und muss deshalb mit dieser teleologischen Ausrichtung in das Zivilrechtssystem integriert werden.“, Richardi, Arbeitskampf und Deliktsschutz, in: FS Säcker (2011), S. 285 (S. 292); s. auch Richardi, ZfA 1985, 101 (110 ff.); Richardi, Arbeitskampf und Deliktsschutz, in: FS Säcker (2011), S. 285 (S. 293), 296; dazu, dass die Arbeitsgerichte zur Beurteilung des Arbeitskampfrecht das Zivilrecht heranziehen Deinert/Kittner, Richterrechtliches Verhältnismäßigkeitsprinzip im Arbeitskampf, in: FS Lörcher (2013), S. 283 (S. 285). 15 Dazu Richardi, Arbeitskampf und Deliktsschutz, in: FS Säcker (2011), S. 285 (S. 291 ff.), insb. S. 296; Richardi, JuS 1984, 825. 16 Nicht ohne Grund ordnet Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 303 das BAG als Teil der „zivilrechtlichen Judikative“ ein. 17 BAG Großer Senat v. 28. 1. 1955 – GS 1/54, BAGE 1, 291 = NJW 1955, 882 (883).
28
1. Teil: Einführung
dualarbeitsrecht aus.18 Das spricht ebenfalls dafür, haftungsrechtliche Folgen rechtswidriger Arbeitskämpfe im Zivilrecht zu suchen und damit das Arbeitskampfrecht in das allgemeine Zivilrecht weiter zu „integrieren“.19 „Für den Arbeitskampf gilt also kein anderes Recht, sondern maßgebend ist das zivilrechtliche Haftungssystem, wobei lediglich der Besonderheit Rechnung getragen wird, dass wegen des Funktionszusammenhanges mit dem Tarifvertragssystem der Arbeitskampf unter Voraussetzungen, die zur Herstellung und Wahrung eines Verhandlungsgleichgewichts in der Tarifautonomie notwendig sind, einen zulässigen Eingriff in einen fremden Rechtskreis darstellt.“20
B. Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts Gleichzeitig liegen dem allgemeinen Schadensersatzrecht Systeme zugrunde, die sich wesentlich vom Arbeitskampfrecht unterscheiden. Die das Vertragsrecht prägende Vertragsautonomie, die verfassungsrechtlich in Art. 2 I GG verankert ist21, herrscht im Arbeitskampfrecht gerade nicht. Nach dem Grundgedanke der Vertragsautonomie gestalten die Parteien ihr Rechtsleben nach freiem Willen und gleichen ihre Interessen selbst angemessen aus.22 Dazu zählt, seinen Vertragspartner frei zu wählen.23 Diese Wahl haben Tarifpartner meist nicht, da regelmäßig nur eine Gewerkschaft oder ein Arbeitgeberverband zuständig ist.24 Die Tarifpartner können nicht dadurch Druck ausüben, dass sie drohen, das Geschäft mit einer anderen Partei abzuschließen – ein freier Wettbewerb mit mehreren Anbietern fehlt typischerweise.25 18 Zur kollektivrechtlichen Einheitstheorie des BAG s. Ausführungen bei Richardi, ZfA 1985, 101 (102 ff.). 19 Zur Integration in das allgemeine Zivilrecht, also der vertragsrechtlichen Erklärung des Arbeitskampfs s. Richardi, Arbeitskampf und Deliktsschutz, in: FS Säcker (2011), S. 285 (S. 292); Jacobs, ZfA 2011, 71 (72). 20 Richardi, ZfA 1985, 101 (113). 21 S. BVerfG v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 (38). 22 S. BVerfG v. 19. 10. 1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36 (38); Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 30. 23 S. nur Seiter, ZfA 1989, 283 (299 f.) m. w. N. 24 Dazu Seiter, ZfA 1989, 283 (284); Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 37, 85; vgl. Wiedemann7-Wiedemann, Einleitung TVG Rn. 39: „Anders als im Bereich der Privatautonomie ist ein beliebiges Ausweichen auf einen anderen Vertragspartner im Tarifvertragsrecht weitgehend ausgeschlossen […].“; möglicherweise ändert sich das zukünftig, weil immer mehr Spartengewerkschaften entstehen. 25 Dazu Paulus/Zenker, JuS 2001, 1; Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 70, 78.
§ 1 Problemstellung
29
Zur freien Gestaltung des Rechtslebens zählt zudem, nicht mit Druck zu einem Vertragsschluss gezwungen zu werden. Zentrales Element des Arbeitskampfs ist aber die Druckausübung auf den Tarifpartner, um diesen zum Verhandeln zu zwingen (sog. Einigungszwang)26: Der Arbeitskampf dient gerade als Ausgleich27, als „Mittel der Preisbildung am Arbeitsmarkt“28. Während unter Druck zustande gekommene Verträge im Vertragsrecht anfechtbar (§ 123 I Var. 2 BGB) oder wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) nichtig sind 29, kann Druck von Seiten der Gewerkschaft im Arbeitskampfrecht gerade erforderlich sein, um zu gewährleisten, dass die Tarifpartner auf Augenhöhe verhandeln und angemessene Arbeitsbedingungen vereinbaren (sog. Angemessenheitsvermutung).30 Ohne die Möglichkeit eines Arbeitskampfs fänden sich Arbeitnehmer in einer Verhandlungssituation wieder, in der die Arbeitgeberseite einseitig Bedingungen diktieren oder sich stets auf ein „Nein“ zurückziehen kann. Und höhere Gehälter oder bessere Arbeitsbedingungen kosten Geld. Ausgeglichene Machtverhältnisse werden daher erst durch das Druckmittel „Streik“ erreicht. Es kommt noch eine weitere Besonderheit des Arbeitskampfrechts hinzu: Die Tarifvertragsparteien sind – anders als im allgemeinen Vertragsrecht – im Vertragsinhalt nicht frei, sondern auf ihren Aufgabenbereich, nämlich auf die Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 III GG) beschränkt.31 Auch in das Deliktsrecht fügt sich das Arbeitskampfrecht nicht nahtlos ein: Die 26 Dazu Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht (2015) S. 546 f., 549; ebenfalls auf die Unterschiede von Vertrags- und Tarifautonomie hinweisend Wiedemann7-Wiedemann, Einleitung TVG Rn. 1; allgemein zum Begriff „Arbeitskampf“ s. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 934; ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 94. 27 Dazu Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 70, 78. 28 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 925. 29 Wie beispielsweise denkbar in den Fällen von Bürgschaften naher Angehöriger oder anderer Ausnutzungen von Übermacht; ebenfalls in Fällen des Eingriffs in die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit; für weitere Beispiele s. MüKo-BGB-Armbrüster, § 138 BGB Rn. 27 ff. 30 Tarifverträge können inhaltlich nicht nach § 307 BGB überprüft werden, da sie gem. § 310 IV 1BGB von der AGB-Kontrolle ausgeschlossen sind; diese Regelung ist letztlich auf den Gedanken der Parität zurückzuführen: Es wird vermutet, die Tarifpartner verhandeln auf Augenhöhe, sodass der Tarifvertrag das Ergebnis von angemessenen und ausgewogenen Verhandlungen ist; zunächst wurde diese Vermutung als „Richtigkeitsgewähr“ bezeichnet, präziser ist jedoch der inzwischen vorherrschende Begriff der „Angemessenheitsvermutung“, allgemein zur Angemessenheitsvermutung des Tarifvertrags: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 284 ff.; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 123 f.; zum Paritätsgedanken s. Krämer, Richtigkeitsgewähr des TV (2015) S. 88 ff.; vgl. ebenfalls Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, Grundlagen Rn. 232. 31 S. nur Sachs-Höfling, Art. 9 GG Rn. 90; vgl. dazu Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 85.
30
1. Teil: Einführung
Tarifparteien stehen sich gerade nicht unverbunden gegenüber wie jedermann.32 Das Deliktsrecht ist zudem auf eine Individualsituation zugeschnitten, nicht auf einen kollektiven Tatbestand.33 Daher scheinen auf den ersten Blick weder vertragliche noch deliktische Schadensersatzansprüche des BGB unmittelbar auf das Wesen des Arbeitskampfrechts passend. Dennoch können sie als Ausgangspunkt für eine gewerkschaftliche Haftung dienen, solange die Besonderheiten des Arbeitskampfrechts beachtet werden. Das wird erreicht, indem die vertraglichen und deliktischen Haftungssysteme wo nötig erweitert, eingeschränkt oder modifiziert werden. Dogmatisch geschieht das durch Auslegung und Rechtsfortbildung.34 Dadurch wird das kollektive Arbeitskampfrecht nicht zum einfachen Zivilrecht degradiert. Vielmehr wird sein verfassungsrechtlicher Rang gewahrt – mit all den daraus resultierenden Besonderheiten. Für den Richter bedeutet das, dass er in erster Linie auf das allgemeine Schadensersatzrecht des BGB zurückgreift.35 Wo die Regelungen des BGB mit den Wertungen des Art. 9 III GG unvereinbar sind, muss und darf der Richter im Rahmen des methodisch Möglichen davon abweichen. Planwidrige Regelungslücken können mit Hilfe von Analogie und teleologischer Reduktion geschlossen werden.36 32 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 559; dazu, dass Tarifparteien sich ihren Vertragspartner nicht aussuchen können s. ebenfalls Seiter, ZfA 1989, 283 (284). 33 Ähnlich auch Däubler, Arbeitsrecht 1 (2006) Rn. 632: „Zum anderen passt das auf den autonomen Marktbürger zugeschnittene Deliktsrecht nicht auf den kollektiven Tatbestand «Arbeitskampf».“; s. auch Däubler, NZA 1988, 857 (862), der dort für die Entwicklung einer eigenständigen Haftungsordnung mit unterschiedlichen Haftungsmaßstäben und unterschiedlichen Haftungsrisiken für die Gewerkschaft und den Einzelnen eintritt. 34 Zum traditionellen Auslegungsmodell s. nur Larenz, Methodenlehre (1991) S. 312 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre (1995) S. 133 ff.; allgemein zur richterlicher Rechtsfortbildung s. Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (1978); Canaris, Feststellung von Lücken (1983); Engisch, Juristisches Denken (2018) S. 193 ff.; Bydlinski, Methodenlehre und Rechtsbegriff (1991) S. 472 ff.; Larenz, Methodenlehre (1991) S. 366 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre (1995) S. 133 ff.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik (1996) S. 220 ff.; Rüthers, Rechtstheorie (2018) S. 507 ff.; vgl. auch die Darstellung bei Fikentscher, Rechtsprechungsübersicht Gewerbebetrieb, in: FS Kronstein (1967), S. 261 (S. 701 ff.); zum Umgang mit Savigny Rückert, Methode beim Klassiker Savigny, in: Methodik des Zivilrechts (2012), S. 35 ff.; zu den zivilprozessualen Grundlagen Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung (1995); zur Bedeutung im Arbeitskampfrecht Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 953 ff.; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 188 ff.; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 80 ff.; zur Bedeutung im Delitksrecht Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 40 ff. 35 Ausführlich zu den einzelnen Ansprüchen des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts sogleich im Zweiten und Dritten Teil der Arbeit. 36 Grundlegend zur Ausfüllung von Gesetzeslücken s. Larenz, Methodenlehre (1991) S. 370 ff.; Canaris, Feststellung von Lücken (1983) S. 144 ff.; s. ebenfalls Rüthers, Rich
§ 1 Problemstellung
31
Die betroffenen Grundrechte sind vor allem ein funktionierendes Tarifwesen und die Berufs- und Eigentumsordnung als Grundlagen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung: Art. 9 III GG und auf völker- und europarechtlicher Ebene ebenso Art. 11 EMRK, Art. 28 EU-GrCharta, Art. 3, 4 IAO-Übereinkommen Nr. 98, Art. 6 Nr. 2 ESC erteilen den Gewerkschaften den im allgemeinen Interesse liegenden Auftrag, mit dem sozialen Gegenspieler Tarifverträge auszuarbeiten. Das Richterrecht darf daher nicht zur Folge haben, dass prohibitiv wirkende Schadensersatzansprüche den Gewerkschaften die Erfüllung dieser Aufgabe unmöglich machen.37 Auf der anderen Seite stehen Gewerbe- (Art. 12 I GG) und unternehmerische Freiheit (Art. 2 I GG), ggf. auch die Eigentumsfreiheit (Art. 14 I GG) der Arbeitgeberseite und Dritter, die ebenfalls völker- und europarechtlich geschützt sind (Art. 15 EU-GrCharta, Art. 16 EU-GrCharta, Art. 17 EU-GrCharta, Art. 18 ESC). Auch diesen Rechten ist so weit wie möglich Geltung zu verschaffen. Es geht um den schonendsten, also angemessenen Ausgleich dieser Grundwerte im Wege der sog. praktischen Konkordanz.38 Methodisch ist zunächst auf das traditionelle Auslegungsmodell zurückzugreifen, sodann auf die etwas „freiere“39 Rechtsfortbildung.
terrecht als Methoden- und Verfassungsproblem, in: FS Molitor (1988), S. 293 (S. 300 ff.); zu den methodischen Möglichkeiten der Rechtsprechung zudem Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 311; Heußner, Rechtsprechung des BVerfG zum Richterrecht, in: FS Hilger/ Stumpf (1983), S. 317 (S. 318). 37 So mit Blick auf die Anwendung allgemeiner Haftungsgrundsätze auch DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 92. 38 Zwar sind Verhältnismäßigkeit und praktische Konkordanz nicht gleichzusetzen, die praktische Konkordanz ist aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und zwar in der Angemessenheit zu thematisieren: „Der Unterschied liegt im Prüfungsumfang, weshalb die praktische Konkordanz als besondere (besonders strenge) Form der Verhältnismäßigkeitsprüfung angesehen wird.“, Kalenborn, JA 2016, 6 (8); zur Herstellung praktischer Konkordanz im arbeitskampfrechtlichen Zusammenhang s. Deinert/Kittner, Richterrechtliches Verhältnismäßigkeitsprinzip im Arbeitskampf, in: FS Lörcher (2013), S. 283 (S. 300); Rudkowski, ZfA 2014, 281 (336); vgl. auch Dieterich, Grenzen der Tarifautonomie, in: FS Wiedemann (2002), S. 229 (S. 236); allgemein zum Prinzip des schonendsten Ausgleichs im Wege praktischer Konkordanz BVerfG v. 25. 2. 1975 – 1 BvF 1 - 6/74, BVerfGE 39, 1 = NJW 1975, 573 (576); s. auch ErfK-Schmidt, Einleitung GG Rn. 72; im Zusammenhang mit Art. 9 III GG Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 232, 309 m. w. N.; ausführlich zur Abwägung der widerstreitenden Grundrechte unten § 5 B. III. „Konkretisierung der Schutzpflicht der Gewerkschaft“, S. 150 ff. und § 9 B. III. 1. „Umfassende Güter- und Interessenabwägung“, S. 220 ff. 39 „Freier ist [die Rechtsdogmatik], wenn das geltende Recht keine unmittelbaren Lösungen vorschreibt, z. B. im Bereich der Rechtsfortbildung. Hier kann sie mithilfe von Prinzipien und Grundsätzen, Analogien und Argumenten praktische Vorschläge unterbreiten. Sie ist aber auch dabei nicht vollkommen frei, da sie das geltende Recht fortbildet.“, Rückert/Seinecke, Methodik des Zivilrechts (2012) S. 24.
32
1. Teil: Einführung
C. Unsichere Rechtslage Da es weder klare Maßstäbe für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen noch ein geschriebenes, spezielles Haftungsrecht im Arbeitskampfrecht gibt, bewegen sich Gewerkschaften in unsicherem Fahrwasser40: Sie können ihr Handeln nicht an festen Normen ausrichten, sondern nur anhand der zu erwartenden Entscheidung des Gerichts. Wie diese ausfallen wird, ist oft schwer vorhersehbar. Streiken wird zur gefahrgeneigten Tätigkeit.41 Zwar bietet ständige Rechtsprechung i. V. m. dem (aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden) Vertrauensgrundsatz aus Art. 20 III GG eine gewisse Rechtssicherheit.42 Doch auch ständige Rechtsprechung kann geändert werden.43 Und bei Verfahren über neue, bisher ungeklärte Rechtsfragen ist der Ausgang vollends ungewiss. Einen abschließenden numerus clausus von Arbeitskampfmaßnahmen gibt es nicht; neue Kampfmittel werden durch die Rechtsprechung erst im Nachhinein bekräftigt oder verworfen.44 Sind die angedrohten Kampfmittel von zu geringer Durchschlagskraft, die Tarifforderungen zu niedrig, droht den Gewerkschaften Mitgliederschwund und Vertrauensverlust 45. Bewegen sich die Kampfmittel außerhalb der Streikgrenzen, stellt sich die Frage nach haftungsrechtlichen Konsequenzen. Der Grad zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem Streik ist mitunter sehr schmal.46 Auch die Auswirkung des Streiks auf Dritte kann auf die Entscheidung des Richters Einfluss nehmen: Auf der einen Seite profitieren Gewerkschaften vielfach von der Dreieckskonstellation. Die hohen Drittschäden treten meist bei den Vertragspartnern des Tarifgegners ein und setzen diesen unter Druck (Binnendruck im Arbeitgeberlager). Auf der anderen Seite schafft die Globalisierung durch Verflechtung der Wirtschafsbeziehungen weitere Abhängigkeiten, sodass 40 S. dazu auch DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 90 („Risikozone Arbeitskampf“); vgl. auch Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 723 f.; zum ungewissen Inhalt von Richterrecht Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 37. 41 So im Zusammenhang mit einem Streik in einer Branche mit mehreren komplexen Tarifverträge LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, S. 17. 42 Vgl. BVerfG v. 14. 01. 1987 – 1 BvR 1052/79, BVerfGE74, 129 = NZA 1987, 347; BAG v. 20. 11. 1990, BAGE 66, 228 = NZA 1991, 477. 43 Eine Abweichung von höchstrichterlichen Urteilen verstößt grundsätzlich auch nicht gegen Art. 20 III GG, s. BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809 (810) I.2.b). 44 S. nur BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347, Erwägungsgrund 34. 45 DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 92. 46 S. beispielsweise BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („FlashmobAktion“) = NZA 2009, 1347.
§ 1 Problemstellung
33
Dritte öfter und stärker von Arbeitskämpfen betroffen sind.47 Insoweit können Gewerkschaften weniger beeinflussen, wen ihre Streikfolgen mittelbar treffen. Die Organisation des Betriebs von Arbeitgeberseite oder Dritten kann ebenfalls dazu beitragen, dass besonders große Schäden entstehen, wie z. B. bei der Just-In-Time-Produktion: Wenn Lagerbestände dezimiert oder abgeschafft werden, reduziert das Kosten und bindet weniger Kapital. Das führt aber gleichzeitig dazu, dass Lieferverzögerungen nicht abgefangen werden können und sofortige Versorgungsengpässe entstehen.48 Auf Streiks kann daher weniger flexibel reagiert werden. Ähnlich unflexibel ist die Erwiderung auf Streiks, wenn Arbeitnehmer eine Art Monopolstellung innehaben, ein Ausweichen also aus diesem Grund nicht möglich ist.49 All das stärkt die Verhandlungsposition der Gewerkschaften50, erhöht aber auch die Gefahr, dass ein Streik für unverhältnismäßig und daher rechtswidrig erklärt wird51. Gleichzeitig ist ein Arbeitskampf ohne Schäden nicht denkbar.52 Schäden sind nun einmal „der Preis […] für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie.“53
47 Dazu
Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 155, 203; vgl. auch Zimmer, AuR 2016, 207. Zahlen und Fakten, abrufbar im Internet: https://www.haribo.com/ deDE/unternehmen/zahlen-fakten.html (Stand: 29. 4. 19); aber auch Scharff, BB 2015, 1845 (1848), die im Zusammenang mit der Just-in-time-Produktion in der Automobilindustrie vertritt, dass die Auswirkungen gering sind, weil die Lieferfristen lang sind und Produktionsstillstand durch spätere Zusatzschichten ausgeglichen werden kann. 49 Beispielsweise im Bereich der Flugsicherung, wo Fluglotsen hoheitliche Aufgaben des Bundes ausüben (vgl. § 27c II 1 Nr. 1 LuftVG) und damit eine Art Monopolstellung innehaben. 50 Vgl. Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 36; ebenfalls Sprenger, Drittbetroffenheit und Drittschaden im Arbeitskampf, in: Entgrenzter Arbeitskampf?, 6. ZAAR-Tagung (2015), S. 97 (S. 102). 51 Ausführlicher zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch unten § 5 B. III. 2. b) cc) „Angemessenheit“, S. 167. 52 Dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 928, der zudem feststellt, dass der Arbeitskampf für die Kämpfenden auch „ein Stück Selbstschädigung“ ist; vgl. zudem Dieterich, Aussperrungsurteile des BAG, in: FS Herschel (1982), S. 37 (S. 46 f.). 53 Esser, Konfliktregulierung, in: FS Molitor (1988), S. 99 (S. 105); s. zudem Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 928. 48 S. HARIBO,
34
1. Teil: Einführung
§ 2 Gegenstand und Ziel der Untersuchung Gegenstand und Ziel der vorliegenden Arbeit ist, das skizzierte Spannungsverhältnis der widerstreitenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz möglichst schonend aufzulösen und – eingebettet in das Zivilrecht – ein allgemein gültiges System zur Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks aufzustellen. Puzzleteile eines solchen Systems sind bereits vorhanden. Die Frage, ob Tarifpartner gegen die Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks Schadensersatzansprüche haben, ist nicht gänzlich neu1 und höchstrichterliche Rechtsprechung zu Teilfragen existiert2: Während früher hauptsächlich § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) als Haftungsgrundlage herangezogen wurde3, dient seit dem Rechtsgutachten von Hueck und Nipperdey4 von 1952 und 1953 als zentrale Anspruchsgrundlage § 823 I BGB i. V. m. dem Recht auf eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (ReaG).5 Daraufhin haben sich ebenfalls einige Monographien mit dem ReaG und dem Arbeitskampfrecht beschäftigt6. Soweit eine Haftung der Gewerkschaft gegenüber Drittbetroffenen überhaupt erörtert wird7, liegt der Schwerpunkt der Ausführung meist beim ReaG und nur am Rande bei den (Schutz-)wirkungen des Tarifvertrags zugunsten Dritter.8 1 Etwa Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 294 ff.; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 722 ff.; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 93 ff.; s. zudem die Monographien in Fn. 6. 2 Etwa BAG v. 4. 5. 1955 – 1 AZR 493/54, BAGE 2, 75 = NJW 1955, 1373; BAG v. 5. 3. 1985 – 1 AZR 468/83, BAGE 48, 160 = NJW 1985, 2545; BAG v. 9. 4. 1991 – 1 AZR 332/90, NZA 1991, 815; BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47; BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543. 3 Vgl. Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 33; Seiter, Streikrecht (1975) S. 448; Ramm, AuR 1964, 321. 4 Hueck, Gutachten (1952) S. 36; Nipperdey, Gutachten (1953) S. 31. 5 „Der Streik reifte also von einer generell verbotenen Verhaltensweise über eine potentiell sittenwidrige Handlung zum grundgesetzlich geschützten Druckmittel im Hinblick auf den Abschluss eines Tarifvertrags.“, Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 79. 6 Hohenester, Grenzen der Streikfreiheit (1956); Schippel, Gewerbebetrieb (1956); Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957); Fay, Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite (1960); Dommack, Streikrecht (1961); Mebus, Schadensersatzansprüche (1970); Seiter, Streikrecht (1975); Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht (1986). 7 Die Monographien von Fay, Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite (1960) und Mebus, Schadensersatzansprüche (1970) beispielsweise beschäftigen sich zwar mit Schadensersatzansprüchen beim Streik, aber allein mit solchen der Arbeitgeberseite; Ausführungen zu Drittansprüchen fehlen. 8 Gröner, Streik und Drittschaden (2016) hat als einziger den Drittschadensersatz zum Gegenstand seiner Monopgraphie gemacht; ansonsten wird die Frage des Drittschadensersatzes nur am Rande gestriffen, s. etwa: Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 361 Rn. 121 („Insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen wirklich gegeben sind, gelten dieselben
§ 2 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
35
Eine umfassende Untersuchung aller in Frage kommender Ansprüche sowohl der Arbeitgeberseite als auch der Drittbetroffenen ist bisher aber unterblieben, insbesondere werden vertragliche Ansprüche kaum beachtet.9 Dabei „ist nicht einzusehen, weshalb die allgemeine Schuldrechtsdogmatik vor den Tarifvertragsparteien Halt machen, ihnen dort Freiräume zubilligen sollte, wo andere Vertragspartner sich längst schadensersatzpflichtig gemacht hätten.“10
Zu untersuchen sind etwa folgende Fragen: Entsteht zwischen der Gewerkschaft und den Mitgliedern des Arbeitgeberverbands aus dem (Verbands-)Tarifvertrag ein Dauerrechtsschuldverhältnis? Trifft die Gewerkschaft gegenüber der Arbeitgeberseite eine Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB, rechtswidrige Streiks zu unterlassen? Wie wirkt sich die unsichere Rechtslage aus – muss der Sorgfaltsmaßstab entpsrechend modifziert, der Haftungsumfang beschränkt werden? Einen Schwerpunkt dieser Arbeit bilden daher die vertraglichen Schadensersatzansprüche. Kein Gegenstand der Arbeit ist hingegen die Frage, ob bei rechtswidrigen Streiks in der Daseinsvorsorge (haftungsrechtliche) Besonderheiten gelten.11 Grundsätze wie bei der Schädigung des bestreikten Arbeitgebers.“); Nipperdey, Gutachten S. 32, wonach Ersatzansprüche nur mittelbar Geschädigter aus jeder auch nur fahrlässigen Vermögensverletzung dem Rechtsempfinden widersprechen; Seiter, Streikrecht (1975) S. 459, der davon ausgeht, dass § 823 I BGB als Anspruchsgrundlage in der Regel ausscheidet; Walker, ZfA 1995, 185 (198), der ohne Begründung feststellt, dass bei lediglich mittelbar kampfbetroffenen Unternehmen ein unmittelbarer Eingriff fehlen kann; Drittschadensersatz ebenfalls verneinend: Brüggemeier, Deliktsrecht (1986) Rn. 436; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1219, zudem S. 1232; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 99; Drittschadensersatzansprüche bejahend: Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 82 ff.; Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (340 ff.); s. ebenfalls Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 1008 f., der ganz allgemein feststellt, dass „Schadenszufügungen im Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Streik“ den Tatbestand der unerlaubten Handlung erfüllen und im Rahmen von Sympathiestreiks ausführt: „[D]eshalb kann der vom Sympathiearbeitskampf Betroffene dessen Rechtswidrigkeit geltend machen nach den allgemeinen Schadensersatzregeln.“; zudem Sprenger, BB 2013, 1146 (1149), der die Haftung der Gewerkschaft aus § 823 I BGB für Drittschäden als „Kehrseite der Medaille“ sieht; zum Drittschadensersatz auch Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 31 ff., die daran zweifeln, dass das Deliktsrecht zur Bewältigung des Drittschadensersatzes geeignet ist; Willemsen/Mehrens, NZA 2013, 1400 stufen die Frage, ob sich Drittbetroffene auf die Verletzung der Friedenspflicht oder einen Eingriff in den Gewerbebetrieb berufen können, als interessant und höchst praxisrelevant ein, ohne näher darauf einzugehen; s. zudem Fn. 31 unter § 18 A. III. „Objektive Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit“, S. 268 ff. 9 S. Benecke, ZfA 2018, 2 (2 f.): „Das Streikschadensrecht ist bisher nicht allzu umfangreich diskutiert worden […].“. 10 Lieb, NZA 1985, 265 (266). 11 Allgemein zum Streik in der Daseinsvorsorge etwa Greiner, ZfA 2016, 451; Hänsle, Streik und Daseinsvorsorge (2016); Franzen/Thüsing/Waldhoff, Arbeitskampf in der
36
1. Teil: Einführung
Im Vorfeld der eigentlichen Untersuchung wird auf eine Auffächerung des bestehenden Meinungsbilds verzichtet und die jeweilige Diskussion erfolgt auf der entsprechenden Ebene der Anspruchsprüfung. Die bereits vorhandenen Puzzleteile sollen geordnet und mit neu geschaffenen Teilen zu einem Gesamtgebilde zusammengefügt werden. Nach diesem Ersten Teil werden dazu in einem Zweiten Teil die Schadensersatzansprüche der Tarifpartner und ihrer Mitglieder und in einem Dritten Teil die Ansprüche der kampfunbeteiligten Dritten untersucht. Beide Teile sind jeweils in zwei Abschnitte unterteilt, wovon sich der Erste Abschnitt jeweils mit den vertraglichen und der Zweite Abschnitt mit den deliktischen Schadensersatzansprüchen auseinandersetzt. Es folgt schließlich ein Vierter Teil mit den wesentlichen Ergebnissen der Arbeit.
Daseinsvorsorge (2012); Rudkowski, Der Streik in der Daseinsvorsorge (2010); Scherer, Grenzen des Streikrechts in der Daseinsvorsorge (2000).
Zweiter Teil
Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks für Schäden der Tarifpartner und ihrer Mitglieder Erster Abschnitt
Haftung aus Vertrag 2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Ist ein Streik rechtswidrig und erleiden Tarifpartner oder ihre Mitglieder streikbedingte Schäden, sind Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff. BGB wegen Verletzung einer vertraglichen Pflicht denkbar: zum einen wegen Verletzung der Friedenspflicht (§ 3), zum anderen wegen Verletzung der Einwirkungs pflicht (§ 4). Des Weiteren sind Ansprüche wegen Schutzpflichtverletzungen aus § 280 I i. V. m. § 241 II BGB (§ 5) zu untersuchen. Je nachdem, wer Tarifpartner der Gewerkschaft ist, kommen als Anspruchsberechtigte Arbeitgeber und Arbeitgeberverband in Betracht. Die sich daraus ergebenden Unterschiede sind herauszuarbeiten. Ist im Folgenden von der Arbeitgeberseite die Rede, sind sowohl der einzelne Arbeitgeber als auch der Arbeitgeberverband gemeint.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB wegen Verletzung der Friedenspflicht Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, III, 283 BGB BGB wegen Verletzung der Friedenspflicht entsteht, wenn die Gewerkschaft im Rahmen eines Schuldverhältnisses (A.) schuldhaft (C.) eine Pflicht nach § 283 BGB verletzt (B.).
A. Schuldverhältnis Zunächst muss ein Schuldverhältnis zwischen der Gewerkschaft und ihrem Tarifpartner bestehen. Welchen Ursprung das Schuldverhältnis hat, ist unerheblich.1 Es kann rechtsgeschäftlicher, rechtsgeschäftsähnlicher und gesetzlicher 1
Dazu Staudinger-Schwarze, § 280 Rn. 5; Staudinger-Schwarze, § 280 BGB Rn. B5 ff.
38
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Natur sein.2 In Frage kommt ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis aus dem Tarifvertrag (I.). Ist nicht der Arbeitgeber selbst, sondern der Arbeitgeberverband Tarifpartner der Gewerkschaft (z. B. bei einem Verbandstarifvertrag), ist zu untersuchen, ob ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis zu dem einzelnen Arbeitgeber aus echtem Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB besteht (II.). Ist das der Fall, kommen in dieser Konstellation Ansprüche aus §§ 280 I, III, 283 BGB ebenfalls in Betracht. I. Rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis zwischen den Tarifparteien
Wenn der Gläubiger berechtigt ist, vom Schuldner eine Leistung zu fordern, besteht zwischen beiden das, was § 241 I 1 BGB als Schuldverhältnis definiert.3 Solche Leistungsrechte können durch Vertrag begründet werden. Für den zwischen den Tarifparteien zustande gekommenen Tarifvertrag gelten die zivilrechtlichen Normen über den Abschluss von Verträgen (§§ 145 ff. BGB).4 Nach § 1 TVG regelt der Tarifvertrag zum einen Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können (sog. normativer Teil). Zum anderen regelt der Tarifvertrag die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien (sog. schuldrechtlicher Teil).5 Mit den „Rechten und Pflichten“ wird im Tarifvertrag festgelegt, wann die Tarifparteien voneinander welche Leistungen fordern dürfen. Zu diesen Leistungen gehört vor allem die Friedenspflicht. „Frieden halten“ meint, Arbeitskämpfe zu unterlassen, die darauf gerichtet sind, Regelungen eines bereits bestehenden Tarifvertrags zu ändern (sog. Unterlassungspflicht).6 Solange der Tarifvertrag läuft, sollen sich beide Vertragsparteien darauf verlassen können, dass über darin geregelte Sachverhalte nicht erneut gestritten wird. 2 Ausführlicher zur Differenzierung der Schuldverhältnisse Staudinger-Olzen, § 241 Rn. 46 ff. m. w. N.; vgl. auch Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 51 ff. 3 Ausführlich zum Schuldverhältnis im Allgemeinen Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 1 ff. 4 Dazu Kempen/Zachert-Schubert/Zachert, § 1 TVG Rn. 23 m. w. N. 5 Ausführlich dazu Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 239 f., 301 f.; Kempen/ Zachert-Schubert/Zachert, § 1 TVG Rn. 71 ff.; überblicksartig dazu Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 42 f. 6 Vgl. BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 330; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 137, 139 f.; Hueck/ Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 307, 313; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1074; DäublerAK-Reinfelder, § 15 Rn. 2 f., 24; HK-ArbR-Hensche, Art. 9 GG Rn. 125; Wiedemann8-Thüsing, § 1 TVG Rn. 881.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
39
Die Friedenspflicht ist damit Ausfluss der Vertragserfüllungspflicht.7 „Frieden halten“ impliziert aber auch die Handlungspflicht, mit allen zulässigen Mitteln auf die eigenen Mitglieder einzuwirken, um diese von tarifvertragswidrigen Kampfmaßnahmen abzuhalten und zur Einhaltung des Tarifvertrags zu bewegen (sog. Einwirkungspflicht).8 Folglich kann man unterteilen in die Friedenspflicht i. w. S., die sowohl Unterlassungs- als auch Einwirkungspflicht umfasst, und die Friedenspflicht i. e. S., als Synonym der Unterlassungspflicht. Die Friedenspflicht i. e. S. kann ihrerseits unterteilt werden: Da sie regelmäßig auf den Inhalt des Tarifvertrags bezogen und durch ihn beschränkt wird, spricht man von der sog. relativen Friedenspflicht.9 Die Tarifpartner können die Wirkung aber auch erweitern und ausdrücklich vereinbaren, jeglicher Arbeitskampf sei zu unterlassen.10 Die relative wird dann zur sog. absoluten Friedenspflicht.11 Ist im Folgenden allein von „Friedenspflicht“ die Rede, ist damit der Regelfall gemeint, nämlich die Unterlassungspflicht in Form der relativen Friedenspflicht. Die Friedenspflicht ist eine Leistung, welche die Tarifpartner voneinander fordern können, sodass zwischen ihnen ein Schuldverhältnis i. S. d. § 241 I 1 BGB besteht. Als Tarifpartner kommt sowohl der jeweilige Arbeitgeberverband in Betracht, der für seine Mitglieder einen Verbandstarifvertag abschließt, als auch der einzelne Arbeitgeber, der für sein Unternehmen einen Haustarifvertrag abschließt. II. Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB
Fraglich ist, ob darüber hinaus ein Schuldverhältnis zu den Mitgliedern des tarifschließenden Arbeitgeberverbands zustande kommt, weil sie von der Ge7 Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275; Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 313; s. auch Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 324; ebenfalls v. Hoyningen-Huene, ZfA 1980, 453 (466); Stahlhacke, Friedenspflicht, in: FS Molitor (1988), S. 351 (S. 354). 8 S. nur Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 139; Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 329; Walker, Der tarifvertragliche Einwirkungsanspruch, in: FS Schaub (1998), S. 743; ausführlicher zur Einwirkungspflicht unten § 4 „Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB wegen Verletzung der Einwirkungspflicht“, S. 126 ff. 9 Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275; vgl. v. Hoyningen-Huene, ZfA 1980, 453 (466). 10 Vgl. RG v. 30. 3. 1926 – III 214/25, RGZ 113, 197 (199) BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750; Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1078; Kempen/Zachert-Seifert, § 1 TVG Rn. 907; Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 316. 11 Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275.
40
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
werkschaft ebenfalls die Einhaltung der Friedenspflicht fordern können (vgl. § 241 I 1 BGB). Ein solches Schuldverhältnis kann sich aus dem sog. echten Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB ergeben. Voraussetzung dafür ist, dass der Gläubiger (Versprechensempfänger) mit dem Schuldner (Versprechender) im sog. Deckungsverhältnis vereinbart hat, dass ein Dritter einen eigenen Anspruch auf eine bestimmte Leistung gegen den Schuldner erhält (sog. Drittbegünstigungsabrede).12 In dieser Drittbegünstigungsabrede liegt der Unterschied zum sog. unechten Vertrag zugunsten Dritter, bei dem lediglich eine Ermächtigung zur Leistung an den Dritten vereinbart wird.13 1. Drittbegünstigungsabrede
Die Gewerkschaft als Schuldner und der Arbeitgeberverband als Gläubiger müssen folglich vereinbart haben, dass das Mitglied des Arbeitgeberverbands einen eigenen Anspruch auf die Einhaltung der Friedenspflicht bekommen soll. Als Besonderheit ist die Friedenspflicht dem Tarifvertrag aber immanent.14 Sie 12
Zu den Begriffen s. Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 850 ff. Zur Abgrenzung s. Staudinger-Klumpp, § 328 Rn. 2 f. 14 Entspricht der h. M.: RG v. 9. 6. 1925 – III 322/24, RGZ 111, 105 (107); RG v. 30. 3. 1926 – III 214/25, RGZ 113, 197 (198 f.) BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750; BAG v. 18. 2. 2003 – 1 AZR 142/02, BAGE 105, 5 = NZA 2003, 866 (870); BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1546); Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 324; Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 137; Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 308; Stahlhacke, Friedenspflicht, in: FS Molitor (1988), S. 351 (S. 353 f.); Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988); Däubler-Nebe, § 1 TVG Rn. 1168; ErfK-Franzen, 13
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
41
muss also nicht ausdrücklich vereinbart werden, sondern ergibt sich einerseits aus dem Grundsatz pacta sunt servanda, andererseits aus der Friedens- und Ordnungsfunktion15 des Tarifvertrags für seine Mitglieder.16 Daher sprechen die Tarifparteien in der Regel nicht explizit über die Friedenspflicht und damit auch nicht über eine Drittbegünstigung. Willenserklärungen können aber auch konkludent abgegeben werden.17 Das setzt voraus, dass der erforderliche Rechtsbindungswillen der Tarifparteien durch schlüssiges Verhalten ausgedrückt wird.18 Die Tarifparteien müssen durch ihr Verhalten also zeigen, dass sie als Rechtsfolge ihrer Willenserklärung die Wirkung des Tarifvertrags zugunsten der Mitglieder des Arbeitgeberverbands wollen.19 Entscheidend ist, was ein objektiver Beobachter verstehen muss, der alle relevanten Umstände kennt (vgl. §§ 133, 157 BGB).20 Dieses wohlverstandene Interesse der Tarifparteien ist zu ermitteln.21 Dabei können die Umständen, vor allem der Zweck des Vertrags herangezogen werden (vgl. § 328 II BGB). Zweck des Tarifvertrags ist, mit den Rechtsnormen seines normativen Teils kollektiv Arbeitsbedingungen zu regeln.22 Vorrangig sollen also die Arbeitsverhältnisse der Mitglieder von Arbeitgeberverband und Gewerkschaft geregelt werden, also die Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
§ 1 TVG Rn. 81; Kempen/Zachert-Seifert, § 1 TVG Rn. 902; Löwisch/Rieble-Löwisch/ Rieble, § 1 TVG Rn. 1196; Thüsing/Braun-v. Steinau-Steinrück, 3. Kap. Rn. 141; Wiedemann8-Thüsing, § 1 TVG Rn. 884; v. Hoyningen-Huene, ZfA 1980, 453 (466); Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 172; Konzen, ZfA 1975, 401 (403); im Ergebnis ebenso Otto, Relative Friedenspflicht, in: FS Wiedemann (2002), S. 401 (S. 408); s. auch Waas, Drittwirkungen der Friedenspflicht (2001) S. 46, der die Friedenspflicht aus einem ungeschrieben Satz des objektiven Rechts herleitet; auf S. 22 ff. zudem ausführliche Darstellung des Streitstands. 15 Dazu noch ausführlicher unten § 3 B. II. 1. „Inhalt der Friedenspflicht“, S. 46 ff. 16 Zur kumulativen Anwendung der Herleitung der Friedenspflicht aus dem Wesen des Tarifvertrags (Friedens- und Ordnungsfunktion) und aus dem Vertragscharakter des Tarifvertrags, Pfohl, Friedenspflicht (2011) S. 28 ff. 17 S. Faust, BGB AT (2018) S. 31; Köhler, BGB AT (2018) § 6 Rn. 4. 18 Vgl. zur Definition von konkludentem Verhalten Faust, BGB AT (2018) S. 31; Köhler, BGB AT (2018) § 6 Rn. 4. 19 Allgemein zum Rechtsbindungswillen Flume, Das Rechtsgeschäft (1992) S. 47; Köhler, BGB AT (2018) 6 Rn. 2; allgemein zur Willenserklärung durch schlüssiges, konkludentes Handeln Flume, Das Rechtsgeschäft (1992) S. 69 f. 20 S. Bork, BGB AT (2016) S. 213. 21 Vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft (1992) S. 310, der darauf abstellt, welche rechtsgeschäftlichen Regelungen als gewollt zu verstehen sind. 22 S. Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 303; vgl. ebenfalls Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 254.
42
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Sie sind eigentliches Bezugsobjekt des Tarifvertrags, nicht die Tarifparteien.23 Der schuldrechtliche Teil mit den Rechten und Pflichten der Tarifpartner bezweckt daneben vor allem die effektive Durchführung des Tarifvertrags.24 Daher wird der schuldrechtliche Teil des Tarifvertrags auch als Koordinationsvertrag bezeichnet, „den die Partner trotz starker Interessengegensätze auf Zeit zum Zwecke der Schaffung und Erhaltung einer arbeitsrechtlichen Ordnung schließen.“25 Fraglich ist, ob dieser Zweck erfordert, dass die Mitglieder des Arbeitgeberverbands eigene Rechte zur effektiven Durchführung des Tarifvertrags erhalten. Der Arbeitgeberverband wird regelmäßig das wohlverstandene Interesse haben, seinem Verbandsmitglied eine möglichst starke Rechtsposition gegenüber der Gewerkschaft einzuräumen: Falls die Gewerkschaft mit dem Mitglied einen eigenen Haustarifvertrag abschließen und diesen mit Arbeitskämpfen durchsetzen will, könnte das Mitglied die Friedenspflicht des geltenden Verbandstarifvertrags entgegenhalten und wäre nicht allein auf sekundären Rechtsschutz verwiesen. Der Tarifvertrag würde möglichst effektiv durchgeführt. Dem Willen der Gewerkschaft hingegen entspricht es auf den ersten Blick nicht, einem Dritten gegenüber zur Leistung verpflichtet zu sein. Das gilt umso mehr, wenn man die Vielzahl an Verbandsmitgliedern und damit an begünstigten Dritten in Betracht zieht. Das spricht gegen die Annahme einer konkludenten Drittbegünstigungsabrede zwischen den Tarifparteien. Eine derartige Betrachtung übersieht aber, dass es sich in Wirklichkeit nicht um eine Dreiecks-, sondern eine Vierecks-Konstellation handelt. Nicht nur der Arbeitgeberverband hat Mitglieder, deren Interessen er vertritt und denen er eine bestmögliche Rechtsposition einräumen will. Auch die Gewerkschaft vertritt die Interessen ihrer Mitglieder, der in ihrer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer. Im Fall rechtswidriger Aussperrungen hat die Gewerkschaft ebenfalls ein Interesse an einer effektiven Durchführung des Tarifvertrags: Ihre Mitglieder sollen einen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeberverband auf Einhaltung der Friedenspflicht erhalten.26 Anhaltspunkte für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen (Wirkung des Tarifvertrags zugunsten der Mitglieder) sind daher in beider Parteiwillen zu finden, sodass eine konkludente 23 S. Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 20. 24 „Jeder Tarifvertrag will dem wirtschaftlichen Frieden zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern dienen und ihn während seiner Dauer aufrechterhalten.“, RG v. 9. 6. 1925 – III 322/24, RGZ 111, 105 (107) ausführlicher zum Zweck der Friedenspflicht unten unter § 3 B. 1. a) „Zweck der Friedenspflicht“, S. 46. 25 Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 303. 26 Auch wenn das in der Praxis sehr selten relevant sein wird, s. dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1080.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
43
Drittbegünstigungsabrede sowohl zugunsten der Verbands- als auch zugunsten der Gewerkschaftsmitglieder vorliegt.
2. Anspruch auf Leistung an den Dritten
Doch nicht nur die Mitglieder der Tarifpartner haben ein Interesse an der Friedenspflicht. Auch die Tarifpartner wollen sich gegenseitig die Friedenspflicht entgegenhalten können, wenn es um den Abschluss eines neuen Verbandstarifvertrags bei noch laufendem, alten Verbandstarifvertrag geht. Dazu folgendes Beispiel: Die IG Metall hat mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall einen Entgelt-Verbandstarifvertrag (VTV-E) abgeschlossen. Noch während der Laufzeit des VTV-E richtet sich die IG Metall an ein Mitglied von Gesamtmetall und fordert den Abschluss eines Entgelt-Haustarifvertrags. Um diese Forderung abwenden zu können, benötigt das Mitglied einen eigenen Leistungsanspruch gegen die IG Metall auf Einhaltung der Friedenspflicht. Doch auch Gesamtmetall ist auf einen eigenen Leistungsanspruch angewiesen: Für den Fall, dass die IG Metall noch während der Laufzeit des aktuellen VTV-E einen neuen Entgelt-Verbandstarifvertrag abschließen will, möchte Gesamtmetall dem die Friedenspflicht entgegenhalten können.
Nach der klassischen Konstruktion des Vertrags zugunsten Dritter kann Leistung an sich selbst aber allein der Dritte verlangen; dem Versprechensempfänger steht lediglich ein Anspruch auf Leistung an den Dritten zu.27 Arbeitgeberverband und Gewerkschaft können daher grundsätzlich lediglich die Leis27 S. Petersen, Allgemeines Schuldrecht (2019) S. 164: „Beim echten Vertrag zugunsten Dritter ist nur der Dritte emfpangszuständig, so dass auch nur ihm gegenüber erfüllt werden kann; es ist also nur Leistung an den Dritten geschuldet, so dass alles andere Nichterfüllung darstellt.“
44
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
tung an die Dritten, also ihre einzelnen Mitglieder fordern (vgl. § 335 BGB). Bei Unterlassungspflichten wie der Friedenspflicht ist es faktisch jedoch irrelevant, ob der Versprechensempfänger die Leistung an sich selbst oder den Dritten fordern kann, da das Ergebnis – in diesem Fall das Unterlassen von Arbeitskampfmaßnahmen – automatisch beiden gleichermaßen zugutekommt. Denn die Friedenspflicht wird dadurch verletzt, dass einzelne oder mehrere Mitglieder des Arbeitgeberverbandes bestreikt werden. Inhalt der Friedenspflicht ist nicht das Unterlassen von Arbeitskampfmaßnahmen beim Arbeitgeberverband, sondern bei seinen Mitgliedern. Daher genügt dem Arbeitgeberverband ein Anspruch auf Leistung an seine Mitglieder. Es entspricht seinem Interesse, wenn er einen eigenen Anspruch darauf hat, dass Arbeitskampfmaßnahmen gegenüber seinen Mitgliedern, also den Dritten, unterlassen werden. Der Tarifvertrag ist mithin als echter Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB einzuordnen.28 III. Zwischenergebnis
Ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis aus dem Tarifvertrag besteht sowohl zwischen der Gewerkschaft und den arbeitgeberseitigen Tarifpartnern als auch im Verhältnis von Gewerkschaft und Mitgliedern des tarifschließenden Arbeitgeberverbands. 28 Auch die h. M. ordnet den Tarifvertrag als echten Vertrag zugunsten Dritter ein, eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen und den Unterschieden zur klassischen Konstellation des Vertrags zugunsten Dritter unterbleibt jedoch: RG v. 30. 3. 1926 – III 214/25, RGZ 113, 197 (199) BAG v. 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06, BAGE 122, 134 = NZA 2007, 987 (998); BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734 (739); BAG v. 14. 11. 1958 – 1 AZR 247/57, juris; BAG v. 31. 10. 1958 – 1 AZR 632/57, BAGE 6, 321 = NJW 1959, 356; BAG v. 8. 2. 1957 – 1 AZR 169/55, BAGE 3, 280 = NJW 1957, 647; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1080; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 327; Fay, Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite (1960) S. 123 ff.; Däubler-Nebe, § 1 TVG Rn. 1173; DäublerAK-Reinfelder, § 15 Rn. 25; ErfK-Franzen, § 1 TVG Rn. 82; ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 124; Kempen/Zachert-Seifert, § 1 TVG Rn. 906; Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 15; Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1173; für eine Einordnung als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und somit a. A.: Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 84); Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 139; Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 705; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 269; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 295; Wiedemann8-Thüsing, § 1 TVG Rn. 168; Kalb, RdA 1994, 385 (393); aus der Einordnung als VmSzD ergeben sich zwar für die Klassifizierung als Schuldverhältnis keine Unterschiede, für die Beurteilung der Pflichtverletzung jedoch schon: Bei Annahme eines VmSzD käme für die Verbandsmitglieder im Folgenden lediglich eine Pflichtverletzung i. S. d. § 241 II BGB in Betracht.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
45
B. Pflichtverletzung i. S. d. § 283 BGB Die Gewerkschaft schuldet dem Arbeitgeberverband und dessen Mitgliedern die Einhaltung der Friedenspflicht. Verletzt sie die Friedenspflicht, ist zu untersuchen, wie diese Pflichtverletzung einzuordnen ist. Es kommt eine Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB in Betracht. Das setzt voraus, dass die Gewerkschaft die Friedenspflicht wegen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) nicht zu erfüllen braucht, wobei die Friedenspflicht erst nach Vertragsschluss unmöglich geworden ist (Abgrenzung zu § 311a BGB). Zwar kann die typischerweise als Verein organisierte Gewerkschaft29 nicht selbst pflichtwidrig handeln. Das Handeln ihrer Erfüllungsgehilfen und Organe kann ihr aber nach § 278 BGB und (analog) § 31 BGB zuzurechnen sein.30 Bevor untersucht wird, unter welchen Voraussetzungen die Friedenspflicht verletzt ist (II.) und inwieweit der Gewerkschaft das Handeln anderer zuzurechnen ist (III.), ist zunächst herauszuarbeiten, welches konkrete Verhalten § 283 S. 1 BGB als pflichtwidrig einstuft (I.). I. Anknüpfung an die Herbeiführung der Unmöglichkeit und die bloße Nichtleistung
Nach § 283 S. 1 BGB verhält sich ein Schuldner pflichtwidrig, wenn er aufgrund einer Unmöglichkeit der Leistung nicht leistet. § 275 I BGB besagt dagegen, dass der Schuldner bei Unmöglichkeit nicht zu leisten braucht. Das ist auf den ersten Blick widersprüchlich. Daraus kann geschlossen werden, zur Bestimmung der Pflichtverletzung sei allein auf die Herbeiführung der Unmöglichkeit abzustellen. Gegen eine solche Anknüpfung sprechen aber gewichtige Gründe: Die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB betrifft nach dem ausdrücklichen Wortlaut allein das Vertretenmüssen. Für die Pflichtverletzung gelten daher die allgemeinen Darlegungs- und Beweisgrundsätze.31 Deshalb sind die zur Unmöglichkeit führenden Umstände von dem Gläubiger darzulegen und zu beweisen. Da solche Umstände meist aus der schuldnerischen Sphäre stammen, 29 Traditionell sind Gewerkschaften als nicht eingetragener Verein organisiert, um sich vor einer staatlichen Abhängigkeit zu schützen, s. Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 15; vgl. ebenfalls Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 442; Kortstock, Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht (2014) „Verein“, s. auch „Gewerkschaften“. 30 Zur analogen Anwendung des § 31 BGB auf den nicht eingetragenen Verein vgl. Flume, Die juristische Person (1983) S. 393; Schmidt, Gesellschaftsrecht (2002) S. 744 ff.; Siebert, BB 1950, 846; zur Zurechnung nach § 278 BGB und § 31 BGB vgl. Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 303 ff. Rn. 25 – 29; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 113 ff.; 153 ff.; Brox, JA 1981, 74 (78 f.); BAG v. 08. 11. 1988 – 1 AZR 417/86, BAGE 60, 101 = NZA 1989, 475 (478). 31 Allgemein zur Beweiserhebung BeckOK ZPO-Bacher, § 253 ZPO Rn. 26.
46
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
wird die Beweisführung für den Gläubiger in der Praxis schwer sein.32 Das aber läuft dem Zweck von § 280 I 2 BGB zuwider, demzufolge der Schuldner die Beweislast dafür tragen soll, „dass die Unmöglichkeit […] nicht Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes ist“33. Daher ist neben der Herbeiführung der Unmöglichkeit auch an die bloße Nichtleistung anzuknüpfen. Für eine solche Anknüpfung sprechen ebenfalls historische Gründe: Der Gesetzgeber sah die Pflichtverletzung in der Nichtleistung.34 Deshalb überzeugt es, für die Pflichtverletzung nicht nur an die Herbeiführung der Unmöglichkeit anzuknüpfen, sondern darüber hinaus auch an die Nichtleistung.35 II. Friedenspflichtverletzung
Fraglich ist, wann die Friedenspflicht verletzt ist. Sie gehört zu den Rechten und Pflichten der Tarifvertragsparteien, die im schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrags geregelt sind (vgl. § 1 TVG).36 Um die Verletzung der Friedenspflicht feststellen zu können (2.), ist zunächst ihr Inhalt zu ermitteln, unterteilt in Zweck (1.a)), Umfang (1.b)) und Charakter (1.c)). 1. Inhalt der Friedenspflicht a) Zweck der Friedenspflicht
Der Bereich der Arbeitsbedingungen ist staatlich kaum geregelt und weitgehend den Tarifparteien überlassen.37 Eine Funktion des Tarifvertrags besteht darin, verbindlich kollektive Arbeitsbedingungen aufzustellen und damit eine Ordnung für die eigenen Mitglieder zu schaffen (Ordnungsfunktion).38 Diese Ordnung ist oft Ergebnis harter Tarifverhandlungen und dient als Kompromiss auch dem Frieden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern (Friedensfunk 32 S.
Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) Rn. 120. BT-Drucks. 14/6040 S. 136. 34 S. BT-Drucks. 14/6040 S. 92 f., s. auch S. 142. 35 Ausführlich zu diesem Streitstand Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) Rn. 118 ff.; s. auch MüKo-BGB-Ernst, § 283 BGB Rn. 4; Looschelders, JuS 2010, 849 (855). 36 Dazu bereits oben unter § 3 A. I. „Rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis zwischen den Tarifparteien“, S. 38 f.; näher zur Friedenspflicht sogleich unter § 3 B. II. 1. a) „Zweck der Friedenspflicht“, S. 46. 37 Vgl. Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 192 ff.; Boldt, RdA 1971, 257 (264); Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 60. 38 Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 137 f.; vgl. BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750; Rüthers, RdA 1968, 161 (168); zur Ordnungsfunktion im Allgemeinen Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 60. 33
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
47
tion).39 Die Friedensfunktion kann nicht erfüllt werden, wenn die Tarifpartner zum selben Vertragsinhalt während der Vertragsdauer neue Arbeitskampfmaßnahmen aufnehmen könnten.40 Daher herrscht während der Laufzeit des Tarifvertrags für die Tarifparteien eine Friedenspflicht.41 „Nach ihrem Sinn und Zweck soll die sich aus einem bestehenden Tarifvertrag ergebende Friedenspflicht verhindern, dass Änderungen oder Verbesserungen der tariflich geregelten Gegenstände gegenüber dem Tarifvertragspartner mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen versucht wird.“42
Die Friedenspflicht nützt beiden Tarifparteien: Sie sorgt zum einen dafür, dass der Arbeitgeber für die Geltungsdauer des Tarifvertrags fest kalkulieren kann, also Planungssicherheit hat.43 Dazu zählt auch, dass er für diesen Zeitraum mit keinen wirtschaftlichen Schäden durch Arbeitskampfmaßnahmen rechnen muss. Zum anderen kann auch die Gewerkschaft langfristig planen. Zwar sind Aussperrungen durch den Arbeitgeber in der Praxis sehr selten.44 Da dieser während der Friedenspflicht aber nicht aussperren darf, kann sich die Gewerkschaft auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten auf die vereinbarten Tarifnormen verlassen und muss keine Abweichung „nach unten“ befürchten.45 Als praktischen Nebeneffekt ermöglicht die Friedenspflicht, dass gewerkschaft liche Verhandlungsführer, die für mehrere Branchen gleichzeitig zuständig sind, nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen müssen; Gewerkschaften kön39 Vgl. BVerfG v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 79/62, NJW 1964, 1267 (1268); Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 137 f.; Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 59 f. 40 Vgl. BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1549); Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 254. 41 Grundlegend zur Friedenspflicht s. Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 305 ff.; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 137 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1074 ff.; kritisch zur Herleitung Waas, Drittwirkungen der Friedenspflicht (2001) S. 29, der darauf hinweist, dass eine Ableitung der Friedenspflicht aus der Friedensfunktion der Gefahr eines Zirkelschlusses erliegen würde. 42 BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1551). 43 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1074; Däubler-Nebe, § 1 TVG Rn. 1167; ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 124; Wiedemann7-Wiedemann, Einleitung TVG Rn. 15; zur Planungssicherheit als Mittel, um zu erreichen, dass Tarifverträge das Arbeitsleben sinnvoll ordnen und befrieden können BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1549). 44 S. Statistik der Hans-Böckler-Stiftung, Streiks und Aussperrungen in West- und Ostdeutschland, abrufbar im Internet: http://www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_11020.htm (Stand: 29. 4. 19); zur geringen rechtlichen und praktischen Bedeutung der Aussperrung s. auch Jacobs, ZfA 2011, 71 (86). 45 S. Kempen/Zachert-Seifert, § 1 TVG Rn. 903; dazu ebenfalls Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1074; Däubler-Nebe, § 1 TVG Rn. 1167; vgl. auch Pfohl, Friedenspflicht (2011) S. 25, 28.
48
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
nen die Organisation und Durchführung von Arbeitskämpfen personell besser stemmen.46 b) Umfang der Friedenspflicht
Nicht immer ist eindeutig, in welchem Umfang die Tarifparteien eine Friedenspflicht vereinbaren wollten. Während die sachliche Reichweite der absoluten Friedenspflicht einfach zu bestimmen ist ( jegliche Arbeitskampfmaßnahmen zwischen den Tarifparteien sind zu unterlassen), ist das für den Regelfall der relativen Friedenspflicht schwieriger. Dann ist der Umfang der relativen Friedenspflicht durch Auslegung zu ermitteln47, um „den in dem todten Buchstaben niedergelegten lebendigen Gedanken vor unserer Betrachtung wieder entstehen zu lassen.“48. Da die Friedenspflicht zum schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrags gehört, richtet sich ihre Auslegung nach den Vorschriften für Verträge.49 Gem. §§ 133, 157 BGB ist der objektive Empfängerhorizont maßgeblich.50 Es ist danach zu fragen, wie ein objektiver Beobachter die Erklärung verstehen muss, der alle relevanten Umstände kennt.51 Dabei ist auf das wohlverstandene Interesse der Tarifparteien abzustellen, also darauf, „welche rechtsgeschäftlichen Regelungen als gewollt zu verstehen sind.“52 Die Tarifpartner wollen regeln, dass keine Arbeitskampfmaßnahme über Inhalte des 46 Beispielsweise ist für Tarifverträge in Hamburg mit ver.di zur Zeit die gleiche Verhandlungsführerin für den Groß- und Außenhandel und den Einzelhandel zuständig (Stand Januar 2017). 47 Entspricht der g. h. M. s. BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734 (739); BAG v. 18. 2. 2003 – 1 AZR 142/02, BAGE 105, 5 = NZA 2003, 866 (870); mit ausführlicher Begründung Otto, Relative Friedenspflicht, in: FS Wiedemann (2002), S. 401 (S. 402 ff.); zudem Bartz, ZTR 2004, 122 (125); Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 140; ErfK-Franzen, § 1 TVG Rn. 83; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1078; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 277; Löwisch/Rieble-Löwisch/ Rieble, § 1 TVG Rn. 1194; Däubler-Nebe, § 1 TVG Rn. 1177; DäublerAK-Reinfelder, § 15 Rn. 16; Thüsing/Braun-v. Steinau-Steinrück, 3. Kap. Rn. 144; zur abgrenzenden Funktion der Auslegung beim Umfang der Friedenspflicht Stahlhacke, Friedenspflicht, in: FS Molitor (1988), S. 351 (S. 357); vgl. auch Jacobs, ZTR 2001, 249 (254) „Zweifel sind durch Auslegung […] auszuräumen.“. 48 v. Savigny, System III (1840) S. 244. 49 S. Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 224; allgemein zur Auslegung von Tarifnormen s. überblicksartig Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 111 ff.; Bartz, ZTR 2004, 122 (126 ff.). 50 S. Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 224; allgemein zu den Auslegungsvorschriften §§ 133, 157 BGB vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft (1992) S. 307 ff.; allgemein zu den Grundsätzen der Vertragsauslegung Biehl, JuS 2010, 195. 51 S. Bork, BGB AT (2016) S. 213. 52 Flume, Das Rechtsgeschäft (1992) S. 310.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
49
laufenden Tarifvertrags geführt wird.53 Daher ist entscheidend, was überhaupt Inhalt des Tarifvertrags ist.54 Um auf den Umfang der relativen Friedenspflicht schließen zu können, ist also der Umfang der tariflichen Regelung heranzuziehen.55 Dabei kann es zu Streit kommen, sodass der normative Teil seinerseits auszulegen ist.56 Schweigt der normative Teil des Tarifvertrags beispielsweise zu einem Themengebiet, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die nicht geregelten Gegenstände dennoch von der relativen Friedenspflicht umfasst sind 57, etwa weil sie im engen Zusammenhang mit ausdrücklich geregelten Fragen stehen58. Zur Konkretisierung des engen Zusammenhangs wurde folgende Formel entwickelt: Ein enger Zusammenhang besteht, wenn ein durch Kampf erzwungener neuer Tarifvertrag das wirtschaftliche Gleichgewicht des alten Tarifvertrags ändern würde.59 Als 53 Dazu beits oben § 3 A. I. „Rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis zwischen den Tarifparteien“, S. 38 f. 54 S. Otto, Relative Friedenspflicht, in: FS Wiedemann (2002), S. 401 (S. 401 ff.); ebenso Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 141; zur schwierigen Feststellung des Umfangs der relativen Friedenspflicht ebenfalls Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275 (S. 277 ff.); s. auch Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 313 ff. 55 S. Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 224; Bartz, ZTR 2004, 122 (126); vgl. auch Brox/ Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 140; Däubler-Nebe, § 1 TVG Rn. 1178; Otto, Relative Friedenspflicht, in: FS Wiedemann (2002), S. 401 (S. 412 f.). 56 Nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Literatur wird der normative Teil des Tarifvertrags wie ein Gesetz ausgelegt, BAG v. 2. 6. 1961 – 1 AZR 573/59, BAGE 11, 135 = NJW 1961, 1837; BAG v. 12. 9. 1984 – 4 AZR 336/82, BAGE 46, 308 = NZA 1985, 160 (161); BAG v. 22. 4. 2010 – 6 AZR 962/08, BAGE 134, 184 = NZA 2011, 1293 (1294); Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 219 f.; Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 356; Schaub, NZA 1994, 597 (598); die subjektive und objektive Auslegung kombinierend beispielsweise Kamanabrou, Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen (1997) S. 247 ff. 57 Zur Erstreckung der relativen Friedenspflicht beim „Schweigen“ eines Tarifvertrags s. Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275 (S. 278); Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 317; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 141; Jacobs, ZTR 2001, 249 (254); Bartz, ZTR 2004, 122 (128 ff.). 58 Zur Erstreckung der relativen Friedenspflicht auf im engen Zusammenhang stehende Fragen s. BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1546); BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734 (739); BAG v. 18. 2. 2003 – 1 AZR 142/02, BAGE 105, 5 = NZA 2003, 866 (870); Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 277; s. auch N ipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275 (S. 278), der eine Erstreckung der Friedenspflicht bejaht, wenn die Frage in so engem Zusammenhang mit der geregelten Angelegenheit steht, dass ihre Regelung mittelbar auf den weitergeltenden Tarif einwirken würde; ausführlich zur Herleitung des inneren Zusammenhangs und dessen Kriterien, wie zB die Vergleichbarkeit der bestehenden und gewollten Regelung, Otto, Relative Friedenspflicht, in: FS Wiedemann (2002), S. 401 (S. 414 ff.). 59 S. Buchner, NZA 1996, 1177 (1181); Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 277; Löwisch/ Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1195; Thüsing/Braun-v. Steinau-Steinrück, 3. Kap. Rn. 144.
50
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
weitere Präzisierung werden in der Literatur Vergleiche zu anderen Konstellationen vorgeschlagen, in denen ebenfalls konkurrierende Gegenstände gegenübergestellt werden: dem Günstigkeitsprinzip des § 4 III TVG, dem Vorbehalt (§ 77 III BetrVG) und Vorrang des Tarifvertrags (§ 87 I Einl. BetrVG) sowie § 613a I 3 BGB.60
c) Charakter der Friedenspflicht: selbstständige Unterlassungspflicht
Die Gewerkschaft verpflichtet sich zu einem Unterlassen: Sie hat Arbeitskämpfe zu unterlassen, die darauf gerichtet sind, Regelungen eines bereits bestehenden Tarifvertrags zu ändern.61 Für die spätere Prüfung ist entscheidend, um welche konkrete Art der Unterlassungspflicht es sich handelt. Unterlassungspflichten können in verschiedene Kategorien unterteilt werden. Zum einen wird unterschieden zwischen dauerhaften und vorübergehenden Unterlassungspflichten (aa.). Zum anderen kann die Unterlassungspflicht als selbstständig oder unselbstständig eingeordnet werden (bb)). aa) Friedenspflicht als dauerhafte Unterlassungspflicht
Unterlassungspflichten sind dauerhaft, wenn sich die Leistungspflicht auf einen gewissen Zeitraum erstreckt, sie also eine „konstante Wirkungskraft“62 entfaltet, und durch Zeitablauf endet, typischerweise durch Kündigung.63 Das trifft auf die Friedenspflicht zu: Sie erstreckt sich auf die gesamte Laufzeit des Tarifvertrags und endet in der Regel durch Zeitablauf oder Kündigung des Tarifvertrags.64 Daher handelt es sich bei dem Arbeitskampfverbot um eine auf 60 S. Otto, Relative Friedenspflicht, in: FS Wiedemann (2002), S. 401 (S. 414 ff.); für einen Vergleich mit der entwickelten Formel zum Tarifvorbehalt des § 87 I Einl. BetrVG ebenfalls Jacobs, ZTR 2001, 249 (254); dem zustimmend Bartz, ZTR 2004, 122 (129); allgemein zur Formel beim Tarifvorrang, wonach der Regelungsgegenstand im Tarifvertrag abschließend aus sich selbst heraus verständlich und zwingend normiert sein muss, s. GK-BetrVG-Wiese, § 87 BetrVG Rn. 72 m. w. N.; grundlegend zur Problematik der Bestimmung des Umfangs der Friedenspflicht s. zudem Müller, DB 1959, 515; Gift, DB 1959, 651. 61 Ganz herrschende Meinung, s. nur Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 139 f.; Brox, JA 1981, 74 (79); Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 10; Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1164; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 329; Kempen/Zachert-Seifert, § 1 TVG Rn. 901; allgemein zur Inhaltsermittlung von vertraglichen Unterlassungspflichten Köhler, AcP 190 (1990), 496 (501). 62 v. Gierke, JherJb 64 (1914), 355 (359). 63 v. Gierke, JherJb 64 (1914), 355 (378); zur Anwendbarkeit von § 362 I BGB auf selbstständige Unterlassungspflichten s. MüKo-BGB-Fetzer, § 362 BGB Rn. 35. 64 S. BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1546); vgl. auch Däubler-Nebe, § 1 TVG Rn. 1197; Kempen/Zachert-Seifert, § 1 TVG Rn. 920 f.; Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1214; s. auch Thüsing/Braun-Seel, 3. Kap. Rn. 206, der die Kündigung als Regelfall sieht; zum Ende durch Zeitablauf Otto, Arbeitskampfrecht
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
51
diese Dauer angelegte Unterlassungspflicht.65 Die relative Friedenspflicht beinhaltet das Verbot, während der Laufzeit des Tarifvertrags Arbeitskämpfe zur Durchsetzung bereits geregelter Streikziele durchzuführen, während die absolute Friedenspflicht jeglichen Arbeitskampf verbietet. Damit ist die Friedenspflicht eine dauerhafte Unterlassungspflicht. bb) Friedenspflicht als selbstständige Unterlassungspflicht
Ein Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht kann nur dann zu einer nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB haftungsbegründenden Leistungsstörung führen, wenn die Unterlassung eine Leistung i. S. d. § 241 I 2 BGB ist.66 Das ist bei sog. selbstständigen Unterlassungspflichten der Fall, bei denen das Unterlassen Hauptleistungspflicht des Vertrags ist.67 Daneben gibt es sog. unselbstständige Unterlassungspflichten, die sich in zwei Kategorien unterteilen lassen: Sie dienen entweder dem Integritätsinteresse des Gläubigers und ergeben sich aus Schutz- oder Treuepflichten, oder sie entsprechen dem Leistungsinteresse des Gläubigers, indem sie verpflichten, alles zu unterlassen, was den Leistungserfolg gefährden könnte (sog. leistungssichernde Nebenpflicht).68 Je nachdem hat die Verletzung der Friedenspflicht unterschiedliche Rechtsfolgen: Schadensersatzansprüche unselbstständiger Unterlassungspflichten richten sich nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB, solche von selbstständigen Unterlassungspflichten nach § 280 I, III, §§ 281 ff. BGB.69 Selbstständige Unterlassungspflichten sind isoliert einklagbar, unselbstständige Unterlassungspflichten nicht.70
(2006) S. 129 Rn. 10; Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 315; allgemein zum Ende der Friedenspflicht s. auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1082. 65 Dazu DäublerAK-Reinfelder, § 15 Rn. 24 f.; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 255; vgl. ebenfalls Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 139 f., der die Unterlassungspflicht als negativen Inhalt der Friedenspflicht bezeichnet; allgemein zu vertraglichen Unterlassungspflichten Köhler, AcP 190 (1990), 496; ausführlich zu dauernden Schuldverhältnissen v. Gierke, JherJb 64 (1914), 355. 66 Vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496 (515). 67 S. Köhler, AcP 190 (1990), 496 (498); vgl. Staudinger-Olzen, § 241 S. 136; BeckOK BGB-Sutschet, § 241 Rn. 35; MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 20. 68 S. zu den unselbstständigen Unterlassungspflichten Köhler, AcP 190 (1990), 496 (498), 503; Lenzen, NJW 1967, 1260; BeckOK BGB-Sutschet, § 241 Rn. 36; MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 23 f. 69 Zur Zuordnung der Ansprüche im alten Schuldrecht vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496 (515). 70 Zur fehlenden gerichtlichen Durchsetzbarkeit von unselbstständigen Unterlassungspflichten s. BeckOK BGB-Sutschet, § 241 Rn. 36, 91; a. A. MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 24, der die Frage der Klagbarkeit von einer Interessenabwägung abhängig macht; ebenfalls differenzierend Lenzen, NJW 1967, 1260.
52
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Fraglich ist, wie die Friedenspflicht einzuordnen ist. Hauptleistungspflichten sind daran zu erkennen, dass sie charakteristisch und prägend für den jeweiligen Vertragstyp sind.71 Sie sind so prägend, dass der Vertrag als solcher von der Erfüllung der Hauptleistungspflicht abhängt und bei Leistungsstörungen Schadensersatzansprüche statt der Leistung in Frage kommen. Bei vertraglichen Schuldverhältnissen bestimmen die Parteien, was essentialia negotii und damit Hauptleistungspflicht ist.72 Wie gesehen ist für die Arbeitgeberseite Zweck der Friedenspflicht vor allem Planungssicherheit. Gleichzeitig sichert die Friedenspflicht den Arbeitnehmern die vereinbarten Arbeitsbedingungen.73 Ohne Friedenspflicht könnte eine Partei nach Abschluss eines Tarifvertrags mit Arbeitskampfmitteln sogleich einen neuen Tarifvertrag über denselben Gegenstand anstreben. Das aber läuft dem Sinn des vorherigen Tarifabschlusses zuwider.74 Gamillscheg geht noch weiter: Ohne Friedenspflicht verliere der Tarifvertrag seine Eigenschaft als Vertrag und werde zu nicht viel mehr als einer Art Zusammenfassung der durch den Arbeitskampf erzielten Ergebnisse.75 Auch das Reichsgericht sah die Friedenspflicht als derart eng mit dem Wesen eines Tarifvertrags verbunden, dass „ohne sie die Erreichung der rechts- und wirtschaftspolitischen Ziele, die mit seinem Abschluss verfolgt werden, in hohem Grade gefährdet sein würde.“76 Dem ist zuzustimmen: Die Friedenspflicht ist für den Tarifvertrag derart prägend, dass sein Charakter, sein Wesen von ihr abhängt. Ohne Friedenspflicht bestünde für die Tarifparteien, vor allem die Arbeitgeberseite, kein Grund, sich auf einen Tarifvertrag einzulassen. Für beide Tarifparteien ist die Friedenspflicht wesentlicher Vertragsbestandteil und damit Teil der essentialia negotii des Tarifvertrags. Daher ist die Friedenspflicht als Hauptpflicht und folglich als selbstständige Unterlassungspflicht einzuordnen.77 Sie ist „Leistung“ i. S. d. § 241 I 2 BGB, sodass bei Leistungsstörungen Schadensersatzansprüche gem. §§ 280 I, III, 281 ff. BGB in Betracht kommen. 71 S. Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 108; MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 29; vgl. auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 85. 72 S. nur Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 108; MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 29. 73 S. oben unter § 3 B. II. 1. a) „Zweck der Friedenspflicht“, 46 f. 74 S. Wiedemann8-Thüsing, § 1 TVG Rn. 834. 75 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1074. 76 RG v. 30. 3. 1926 – III 214/25, RGZ 113, 197 (198) . 77 Als Hauptpflicht einordnend: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 224 f., die von der Friedenspflicht als Erfüllungsanspruch sprechen; Dütz, BB 1980, 533 (534); Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1074; Heckelmann, AuR 1970, 166 (172); Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz (1967), S. 275 (S. 275), der die Friedenspflicht als notwendigen Bestandteil des Tarifvertrags einordnet; Wiedemann8-Thüsing, § 1 TVG Rn. 833; wohl auch Thüsing/Braun-v. Steinau-Steinrück, 3. Kap. Rn. 141, der zwar einerseits davon ausgeht, dass die Friedenspflicht wesentlicher Bestandteil
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
53
d) Zwischenergebnis
Die Friedenspflicht bezweckt Planungssicherheit für die Laufzeit des Tarifvertrags sowohl für Arbeitgeberseite als auch für Gewerkschaft. Der Umfang der relativen Friedenspflicht beschränkt sich auf den Inhalt der tariflichen Regelung, während die absolute Friedenspflicht jegliche Arbeitskampfmaßnahmen verbietet. Bei Leistungsstörungen richten sich Schadensersatzansprüche nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB, weil die Friedenspflicht als auf Dauer angelegte, selbstständige Unterlassungspflicht einzuordnen ist. 2. Verletzung der Friedenspflicht als Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB
Streikt die Gewerkschaft trotz Friedenspflicht, handelt sie der selbstständigen Unterlassungspflicht zuwider und verletzt sie.78 Ein Verstoß gegen die relative Friedenspflicht liegt zum Beispiel vor, wenn ein Haustarifvertrag durch Streik durchgesetzt werden soll, der Regelungen umfasst, die bereits Bestandteil eines bestehenden Verbandstarifvertrags sind.79 Auch ein beendeter Verbandstarifvertrag kann weiterhin zum Frieden verpflichten, wenn er gewollt auf den Fortbestand der Normenwirkung gerichtet war.80 Nicht gegen die relative Friedenspflicht verstößt ein Sympathiestreik zur Unterstützung eines in einem anderen Tarifbereich geführten Arbeitskampfs, da er sich nicht gegen den Bestand des eigenen Tarifvertrags richtet.81
Aus der Friedenspflichtverletzung folgt, dass der Arbeitskampf insgesamt rechtswidrig wird.82 Zu untersuchen ist, welche schadensrechtlichen Konsequenzen daraus folgen. des Tarifvertrags ist, andererseits aber einen vertraglichen Schadensersatzanspruch auf Grundlage von § 280 I BGB zuspricht (Rn. 199), woraus eine Einordnung als Nebenpflicht geschlossen werden könnte; zudem wohl Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 10, die von einem einklagbaren vertraglichen Unterlassunganspruch und damit wohl von einer selbstständigen Unterlassungspflicht ausgehen; später sprechen sie hingegen widersprüchlich von der Friedenspflicht als Schutzpflicht (Rn. 18); s. ebenfalls Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 85, die von der Friedenspflicht als „leistungsbezogene Pflicht“ spricht. 78 BAG v. 8. 2. 1957 – 1 AZR 169/55, BAGE 3, 280 = NJW 1957, 647. 79 BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734; Boldt, RdA 1971, 257 (266). 80 Boldt, RdA 1971, 257 (266); vgl. BAG v. 14. 11. 1958 – 1 AZR 247/57, juris Rn. 29. 81 BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750. 82 BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734 (741); Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 172; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 294; ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 124; Stahlhacke, Friedenspflicht, in: FS Molitor (1988), S. 351 (S. 351).
54
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
a) Einordnung als Schadensersatzanspruch statt der Leistung
Eine dogmatische Einordnung der Friedenspflichtverletzung in die schadensrechtliche Systematik des BGB wird in Rechtsprechung und Literatur nur ganz vereinzelt und dort ohne Begründung zugunsten eines einfachen Schadensersatzanspruchs nach § 280 I BGB vorgenommen.83 Zum Teil wird darauf verwiesen, der pflichtverletzende Tarifpartner hafte „nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen“84. Tiefergehende Auseinandersetzungen, vor allem mit Blick auf die konkrete vertragliche Anspruchsgrundlage und ihrer Begründung, fehlen aber.85 Da die Friedenspflicht als Hauptleistung und damit als selbstständige Unterlassungspflicht einzuordnen ist, kommen allein Schadensersatzansprüche statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB in Frage.86 Ein einfacher Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB scheidet aus, weil die gesetzlich vorgesehene Systematik und damit die besonderen Voraussetzungen der §§ 281 ff. BGB umgangen würden; die §§ 281 ff. BGB sind lex specialis zu § 280 I BGB.87 83 Zwar spricht Thüsing/Braun-v. Steinau-Steinrück, 3. Kap. Rn. 199 einen vertraglichen Schadensersatzanspruch auf Grundlage von § 280 I BGB zu, eine Begründung fehlt jedoch; gleichzeitig steht diese Einordnung im Widerspruch zu vorherigen Ausführungen, wonach die Friedenspflicht „wesentlicher Bestandteil“ des Tarifvertrags ist, was für die Einordnung als Hauptpflicht spricht; auch Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 355 ordnet den Verstoß gegen die Friedenspflicht als Pflichtverletzung i. S. d. § 280 I BGB ein, ohne diese Auffassung jedoch weiter auszuführen oder zu begründen; ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 156; Löwisch, ZfA 2018, 374 (400); auch in der Rechtsprechung wird auf § 280 I BGB abgestellt: BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1552); LAG Hessen v. 25. 4. 2013 – 9 Sa 561/12, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, 1 (24) Hessisches LAG v. 27. 6. 2013 – 9 Sa 1387/12, Rn. 69 -, juris; Hessisches LAG v. 5. 12. 2013 – 9 Sa 592/13, Rn. 143 –, juris; jeweils aber ohne weitere Begründung der Anspruchsgrundlage; eine einzige Ausnahme ist Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 84), der in seiner Überschrift auf §§ 275, 283, 280 I 2, 249 BGB abstellt, ohne im Folgenden jedoch näher darauf einzugehen. 84 Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 8; ähnlich Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1216, der von einer Haftung der Gewerkschaft nach den „allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts über Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung“ ausgeht; s. auch Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 218 f., die pauschal auf Ansprüche „aus positiver Forderungsverletzung“ verweisen; zudem Brox, JA 1981, 74 (76); JKOS-Krause, § 4 Inhalt des TV Rn. 147; Stahlhacke, Friedenspflicht, in: FS Molitor (1988), S. 351; s. auch Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht (2015) S. 571, die vom Bestehen eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs ausgehen ohne die Anspruchsgrundlage oder den Inhalt zu konkretisieren („wegen Verletzung des Tarifvertrags“). 85 S. beispielsweise Kempen/Zachert-Seifert, § 1 TVG Rn. 933, der pauschal und ohne nähere Konkretisierung darauf verweist, dass bei Friedenspflichtverletzung „unter engen Voraussetzungen […] auch ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht [kommt]“. 86 S. bereits oben § 3 B. II. 1. c) bb) „Friedenspflicht als selbstständige Unterlassungspflicht“, S. 51.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
55
b) Voraussetzung des § 283 S. 1 BGB: Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB)
Eine Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB ist gegeben, wenn der Schuldner nach § 275 BGB nicht zu leisten braucht. Die Leistung kann gem. § 241 I 2 BGB auch in einem Unterlassen bestehen, im Fall der Friedenspflicht im Unterlassen von Arbeitskampfmaßnahmen.88 Der Schuldner braucht nicht mehr zu leisten, wenn dieses Unterlassen für jedermann dauerhaft unmöglich ist.89 Unmöglich ist eine Leistung, wenn sie schlechthin nicht erbracht werden kann.90 Das ist der Fall, wenn die Leistung nicht nur zu spät oder schlecht, sondern überhaupt nicht geleistet wird, weil die Erfüllung i. S. d. § 362 I BGB dauerhaft gehindert ist.91 Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist also die Erfüllung: Kann die Leistung noch bewirkt werden oder ist die Erfüllung auf Dauer ausgeschlossen? 87
Zu untersuchen ist, wann bei Unterlassungspflichten Erfüllung eintritt. Das ist schwieriger zu beantworten als bei Handlungspflichten.92 Im Gegensatz zur Handlung (dem positiven Tun) darf der Schuldner beim Unterlassen (dem ne87 Zum Spezialitätsverhältnis von Schadensersatz statt der Leistung und einfachen Schadensersatz nach § 280 I BGB s. Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (730); eine Durchbrechung dieser Systematik wird teilweise für den sog. Mangelfolgeschaden vertreten, weil der Gläubiger ansonsten ohne Schadensersatzanspruch und damit schutzlos stünde, s. etwa Dauner-Lieb/Langen-Büdenbender, § 437 BGB Rn. 70, überblicksartig dazu MüKo-BGB-Westermann, § 437 BGB Rn. 32 m. w. N.; eine derartige Schutzbedürftigkeit besteht hier nicht, weil (wie noch zu zeigen ist) bereits § 283 S. 1 BGB greift. 88 Ausführlich zur Einordnung der Friedenspflicht als Unterlassungspflicht bereits oben § 3 B. II. 1. c) „Charakter der Friedenspflicht: selbstständige Unterlassungspflicht“, S. 50 ff. 89 Für die Anwendbarkeit der Unmöglichkeitsregelungen auf Unterlassungspflichten Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung (1969) S. 22 ff.; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 78 ff.; Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate (1994) S. 130; Köhler, AcP 190 (1990), 496 (515 ff.); MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 20; wohl auch Henckel, AcP 174 (1974), 97 (123 f.); a. A. Krückmann, JherJb 66 (1916), 1 (11 f.), der zuvor aber noch davon ausging, dass Unterlassungspflichten jedenfalls durch Zeitablauf unmöglich werden können, Krückmann, AcP 101 (1907), 1 (224 f.); ebenfalls kritisch Ehmann/Kley, JuS 1998, 481 (489); Müller-Laube, Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht (1999), S. 261 (S. 263 f.). 90 BGH v. 13. 1. 2011 – III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756 (757), Rn 10; zu den Voraussetzungen der Unmöglichkeit nach § 275 I BGB s. auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 60 ff.; MüKo-BGB-Ernst, § 275 BGB Rn. 36; Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 12; Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 404. 91 Rödl, Spannung der Schuld (2002) S. 17; vgl. dazu auch Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 5, der deutlich macht, dass Leistungspflichten u. a. durch Unmöglichkeit der Erfüllung enden. 92 Ausführlich dazu Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung (1969) S. 12 ff.; Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate (1994) S. 127; s. auch Müller-Laube, Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht (1999), S. 261 (S. 263); zur Schwierigkeit von Gesetzen, die auf positive Leistungspflichten zugeschnitten sind, auf Unterlassungspflich-
56
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
gativen Tun) nicht tätig werden, sondern muss vielmehr untätig bleiben. Der Schuldner schuldet nicht, einen vom Gläubiger gewollten Erfolg herbeizuführen, sondern einen ungewollten Erfolg abzuwenden.93 In Grenzfällen ist schwer zu bestimmen, ob ein ungewollter Erfolg überhaupt abgewendet, die Leistung also noch i. S. d. § 362 I BGB bewirkt werden kann.94 Wie sind beispielsweise Fälle zu behandeln, in denen der ungewollte Erfolg unabhängig vom Handeln des Schuldners eintritt?95 Wie ist die Rechtslage, wenn bei Vertragsschluss feststeht, dass die Verletzung der Unterlassungspflicht unvermeidbar ist?96
Die Gewerkschaft schuldet der Arbeitgeberseite, den ungewollten Erfolg eines friedenspflichtwidrigen Arbeitskampfs abzuwenden. Verstößt die Gewerkschaft gegen diese Unterlassungspflicht, indem sie dennoch streikt, ist zu fragen, ob die Erfüllung noch möglich ist: Kann das Unterlassen für die Vergangenheit nachgeholt werden oder war es nur zu dieser bestimmten, nicht verschiebbaren Zeit zu erfüllen (sog. absolute Fixschuld)? Ist Letzteres der Fall, steht der Friedenspflicht für die Vergangenheit ein dauerhaftes Leistungs hindernis entgegen. Sie kann schlechthin nicht mehr bewirkt werden und wird unmöglich. Zu untersuchen ist daher, ob die dauerhafte Unterlassungspflicht im Allgemeinen (aa)) und die Friedenspflicht im Speziellen (bb)) als absolute Fixschuld einzuordnen ist. Ist beides zu bejahen, wird schließlich geprüft, ob die Leistungspflicht vollständig oder bloß teilweise ausgeschlossen ist (cc)). aa) Dauerhafte Unterlassungspflicht als absolute Fixschuld (1) Charakter der absoluten Fixschuld
Normalerweise kann eine Leistung bei Verzögerung noch verspätet erfüllt werden. Dann tritt Schuldnerverzug ein, nicht aber Unmöglichkeit97: Es liegt ten s. ebenfalls Müller-Laube, Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht (1999), S. 261 (S. 262). 93 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung (1969) S. 13; s. auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 78; Müller-Laube, Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht (1999), S. 261 (S. 262). 94 Zu den denkbaren Fallgruppen der Unmöglichkeit s. Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung (1969) S. 23 ff.; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 78 ff.; Köhler, AcP 190 (1990), 496 (515 ff.). 95 Für die Annahme von Unmöglichkeit Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung (1969) S. 25, 263; Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 79; für die Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage Köhler, AcP 190 (1990), 496 (521). 96 Vgl. Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung (1969) S. 25, der Unmöglichkeit annimmt, weil der Schuldner keine Wahlmöglichkeit bleibt; dagegen Köhler, AcP 190 (1990), 496 (519 ff.); dazu auch Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 79. 97 Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 60.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
57
weiterhin eine fällige, durchsetzbare Leistung vor, die nach § 362 I BGB bewirkt werden kann. Die absolute Fixschuld (auch Fixgeschäft genannt) ist eine Ausnahme. In ihrem Fall geht aus der Parteiabrede hervor, dass der Zeitpunkt der Leistung in solchem Maße prägend ist, dass die Erbringung zu einem anderen Zeitpunkt die Leistung zu einer anderen macht.98 Die Leistungszeit ist dann Identitätsmerkmal und der Vertrag soll mit ihr stehen und fallen.99 Es liegt somit kein Verzug, sondern Unmöglichkeit vor100, weil die Leistung nur zu dieser bestimmten Zeit erfüllungstauglich ist.101 Entscheidend ist daher, ob der Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt noch an der Leistung interessiert ist.102 Lässt sich ein solches Interesse aus der Parteivereinbarung entnehmen, liegt eine sog. relative Fixschuld vor: Trotz Ablaufs der vereinbarten Zeit wird die Leistung nach dem Vertragszweck nicht sinnlos.103 Es wäre interessenwidrig, dem Gläubiger dann durch die Rechtsfolge der Unmöglichkeit seinen Erfüllungsanspruch zu nehmen; er soll selbst entscheiden können, Rechtsfolgen wie Rücktritt und Verzug geltend zu machen.104
98 Im Zusammenhang mit der Einordnung eines Fluges als absolutes Fixgeschäft BGH v. 28. 5. 2009 – Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743 (2744); im Zusammenhang mit der Einordnung eines Reisevertrages s. ebenfalls BGH v. 30. 11. 1972 – VII ZR 239/71, BGHZ 60, 14 = NJW 1973, 318 (318); zudem Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 61; Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 411; Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 16; allgemein zum absoluten Fixgeschäft vgl. auch Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate (1994) S. 81 ff.; Köhler, Zweckstörungen im Schuldverhältnis (1971) S. 94 f. 99 Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate (1994) S. 81. 100 Zur Abgrenzung von Unmöglichkeit aufgrund einer Fixschuld und Schuldnerverzug s. Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 25 f.; allgemein zur Abgrenzung s. Lehmann, AcP 96 (1905), 60 (68 ff.), vor allem S. 71, wo Lehmann klarstellt, dass Verzug nur während des Erfüllungszeitraumes denkbar ist; im Zusammenhang mit der Einordnung von Arbeitsleistung BeckOK ArbR-Joussen, § 611 BGB Rn. 348. 101 S. MüKo-BGB-Ernst, § 275 BGB Rn. 50; Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 16; dazu auch Köhler, Zweckstörungen im Schuldverhältnis (1971) S. 94: „Das Zeitmoment ist beim absoluten Fixgeschäft eine reale Modalität des Leistungserfolges; der Schuldner hat die Leistung gegenständlich – zeitlich fixiert zu erbringen.“. 102 S. Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 411. 103 Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 412; vgl. auch Staudinger-Löwisch/Feldmann, Vorbemerkungen zu §§ 286 – 292 Rn. 22; BGH v. 23. 5. 1962 – V ZR 123/60, BGHZ 37, 147 = NJW 1962, 1344 ordnet beispielsweise die Pflicht als relative Fixschuld ein, während der Geltungsdauer gesetzlicher Preisbeschränkungen von einer Ausübung des an sich bestehenden Vorkaufsrechts Abstand zu nehmen. 104 Vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 412; Nastelski, JuS 1962, 289 (295); im Zusammenhang mit der Einordnung eines Anspruchs auf Flug-Beförderung s. BGH v. 28. 5. 2009 – Xa ZR 113/08, NJW 2009, 2743 (2744).
58
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
(2) Abgrenzung nach der Parteiabrede: typischerweise absolute Fixschuld
Dauerhafte Unterlassungspflichten sind typischerweise als absolutes Fixgeschäft einzuordnen105: Ein Unterlassungsanspruch ist entweder erfüllt oder bei Verstoß rückwirkend nicht mehr erfüllbar. Wurde eine Handlung, die in einem bestimmten Zeitpunkt zu unterlassen war, dennoch vorgenommen, ist das unveränderlich.106 Die Handlung kann nicht zurückgenommen werden. Ein späteres Unterlassen der gleichen Handlung ist keine Nachholung des zuvor geschuldeten Unterlassens.107 Vielmehr ist es „etwas ökonomisch und juristisch vollkommen anderes.“108 Daher hat der Gläubiger einer Unterlassungspflicht grundsätzlich kein Interesse an einer späteren Leistung; sie ist für ihn nutzlos geworden.109 Der geschuldete Leistungserfolg kann nicht mehr eintreten, der Zweck der Leistung ist verfehlt.110 Dann führt jede Zuwiderhandlung dazu, dass
105 S. Köhler, AcP 190 (1990), 496 (518); Nastelski, JuS 1962, 289 (294); Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 25; vgl. dazu auch Staudinger-Löwisch/Feldmann, Vorbemerkungen zu §§ 286 – 292 Rn. 21, die festhalten, dass die nicht rechtzeitige Erfüllung bei Unterlassungspflichten regelmäßig zur Unmöglichkeit, nicht zum Verzug führt; im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverbot vgl. RG v. 31. 3. 1909 – I 276/08, RGZ 70, 439 (441) ; im Zusammenhang mit der Beschränkung der Ausübung eines Vorkaufsrechts s. BGH v. 23. 5. 1962 – V ZR 123/60, BGHZ 37, 147 = NJW 1962, 1344. 106 S. Lehmann, AcP 96 (1905), 60 (73), der sogar noch weiter geht, indem er bei Zuwiderhandlung stets Unmöglichkeit annimmt; in der Begründung ähnlich, wenn auch mit gegensätzlichem Ergebnis Krückmann, AcP 101 (1907), 1 (224 f.), der dort noch vertritt, dass Unterlassungspflichten stets möglich sind und nur durch Zeitablauf ausnahmsweise unmöglich werden können, weil für die Vergangenheit nichts mehr unterlassen werden kann; s. auch v. Gierke, JherJb 64 (1914), 355 (369): „[…] das bisherige Nichtunterlassen [kann] nicht ungeschehen gemacht werden“; vgl. auch Köhler, AcP 190 (1990), 496 (518); im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Unterlassungsklagen für zukünftige Unterlassungspflichten zudem BGH v. 10. 1. 1956 – I ZR 14/55, GRUR 1956, 238 (240); s. auch Argumentation bei Zeuner, Unterlassungs- und negative Feststellungsklage, in: FS Dölle (1963), S. 295 (S. 310): „[M]it einer Unterlassungsklage [ist] eine entsprechende Nachholung des bisher Versäumten nicht zu erreichen“, auch wenn Zeuner im Ergebnis einen anderen Schluss für die gerichtliche Geltendmachung zieht; vgl. auch Staudinger-Olzen, § 241 Rn. 138; Müller-Laube, Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht (1999), S. 261 (S. 262). 107 S. Lehmann, AcP 96 (1905), 60 (73); vgl. auch Krückmann, AcP 101 (1907), 1 (23 ff.). 108 Lehmann, AcP 96 (1905), 60 (73). 109 Vgl. Staudinger-Löwisch/Feldmann, Vorbemerkungen zu §§ 286 – 292 Rn. 21. 110 Zur sog. Zweckverfehlung oder Zweckerreichung s. Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 405, der das absolute Fixgeschäft als Fall der Zweckverfehlung einordnet; s. ebenfalls MüKo-BGB-Ernst, § 275 BGB Rn. 50, der als Voraussetzung der absoluten Fixschuld darauf abstellt, dass der Leistungszweck des Gläubigers nicht mehr verwirklicht werden kann; sehr differenzierend zum Verhältnis Zweckbindung und absolutes Fixgeschäft Köhler, Zweckstörungen im Schuldverhältnis (1971) S. 94 f.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
59
die Leistung für diesen Zeitpunkt schlechthin nicht mehr erbracht werden kann und damit unmöglich wird.111 (3) Zwischenergebnis
Dauerhafte Unterlassungspflichten sind regelmäßig als absolutes Fixgeschäft einzuordnen. Nur ausnahmsweise liegt ein relatives Fixgeschäft und damit Schuldnerverzug vor, wenn nämlich der Parteivereinbarung zu entnehmen ist, dass das Gläubigerinteresse auch bei verspäteter Unterlassung noch erfüllt werden kann.112 Zu untersuchen ist daher, ob die Friedenspflicht absoluten Fixschuldcharakter hat oder ob ausnahmsweise ein relatives Fixgeschäft vorliegt. bb) Friedenspflicht als absolute Fixschuld
Fraglich ist, ob die Arbeitgeberseite an einer verspäteten Unterlassung noch interessiert ist. Es kommt also darauf an, ob das Interesse der Arbeitgeberseite an Frieden für die Zukunft noch verwirklicht werden kann, wenn für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit gegen die Friedenspflicht verstoßen wurde und der Frieden nach Durchführung des Arbeitskampfs wieder eingehalten wird. (1) Kein Interesse an nachgeholter Unterlassung
Leistungszweck der Friedenspflicht ist für die Arbeitgeberseite vor allem Planungssicherheit.113 Er möchte darauf vertrauen können, dass in diesem Zeitraum nicht gestreikt wird, und entsprechend planen. Verletzt die Gewerkschaft ihre Unterlassungspflicht, muss die Arbeitgeberseite aufgrund des laufenden Arbeitskampfs seine Prozesse und Kosten neu planen und ausrichten. Die mangelnde Planungssicherheit führt zu Vertrauensverlust. Selbst wenn sich die Gewerkschaft zu einem späteren Zeitpunkt erneut an die Friedenspflicht hält, kann das Interesse des Arbeitsgebers für den bestreikten Zeitraum nicht mehr erfüllt werden – Vertrauen ist nicht nachholbar. Der Verstoß kann auch nicht rückgängig gemacht werden. Der Frieden und damit das Vertrauen in die Kalkulier111 Vgl. dazu Lehmann, AcP 96 (1905), 60 (73), zudem Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 25 f.; im Zusammenhang mit Wettbewerbsverboten RG v. 31. 3. 1909 – I 276/08, RGZ 70, 439 (441): „Nun ist mitunter nach Verletzung der Unterlassungspflicht ein Anspruch auf Erfüllung begrifflich ausgeschlossen.“; zudem Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 79; Köhler, AcP 190 (1990), 496 (518); vgl. auch Krückmann, AcP 101 (1907), 1 (224), der deutlich macht, dass für die Vergangenheit nichts mehr unterlassen werden kann. 112 S. Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 26; a. A. Lehmann, AcP 96 (1905), 60 (73). 113 S. oben § 3 B. II. 1. a) „Zweck der Friedenspflicht“, S. 46 f.
60
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
barkeit ist bei jeglichem Arbeitskampf gestört und nicht wiederherstellbar. Die Friedenspflicht ist wie eine rote Linie: Wird sie überschritten, wird das Vertrauen in die Planungssicherheit enttäuscht, ohne dass ein Umkehren möglich ist. Zwar mag das Interesse der Arbeitgeberseite an der Friedenspflicht für Gegenwart und Zukunft weiter bestehen. Dieses Interesse schlägt sich aber in der gegenwärtigen oder zukünftig entstehenden Friedenspflicht nieder, nicht in der vergangenen. Charakteristisch für eine dauerhafte Unterlassungspflicht ist gerade, dass sie immer wieder neu entsteht. Damit ist das Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit für die Vergangenheit nicht nachholbar: Der geschuldete Erfolg kann im Nachhinein nicht mehr eintreten, der Zweck der Friedenspflicht ist für diesen Zeitraum verfehlt. Das spricht dafür, die Friedenspflicht als absolute Fixschuld einzuordnen, sodass die Verletzung der Friedenspflicht zur Unmöglichkeit i. S. d. § 275 I BGB führt.114
114 S. Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 215; wohl auch BAG v. 8. 2. 1957 – 1 AZR 169/55, BAGE 3, 280 = NJW 1957, 647, das davon ausging, dass die Beweislastumkehr des § 282 BGB a. F. („Ist streitig, ob die Unmöglichkeit der Leistung die Folge eines von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes ist, so trifft die Beweislast den Schuldner.“) galt und damit konkludent die Unmöglichkeit der Friedenspflicht voraussetzte; nicht eindeutig dazu ArbG Frankfurt v. 10. 8. 1951 – 2 A 817/51, BB 1951, 641, das „nach allgemeinen Grundsätzen“ zu einer Schadensersatzpflicht nach § 249 I BGB kommt, wobei unklar ist, ob der Grund in der Unmöglichkeit der Friedenspflicht liegt; a. A. wohl Heckelmann,
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
61
(2) Keine andere Bewertung bei bloß vorübergehenden Verletzungen
Anders können Konstellationen zu bewerten sein, in denen nur vorübergehend gegen die Friedenspflicht verstoßen wird. Köhler argumentiert, in Fällen bloß punktueller Zuwiderhandlung sei es „zwangloser“, mit positiver Vertragsverletzung, dem heutigen Anspruch aus § 280 I BGB (i. V. m. § 241 II BGB), zu arbeiten.115 Wenn beispielsweise bei einem bestehenden Wettbewerbsverbot – ebenfalls eine dauerhafte Unterlassungspflicht – ein ausgeschiedener Handelsvertreter einen bloß kurzen telefonischen Kontakt zu einem Kunden des Unternehmers aufnimmt, sei die Annahme von Unmöglichkeit „gekünstelt“.116 Mit diesem Argument würde ein zeitlich bloß kurzer Verstoß gegen die Friedenspflicht nicht zu einer Unmöglichkeit führen. Eine derartige Abgrenzung nach dem Motto „Einmal ein wenig ist keinmal“ überzeugt weder dogmatisch noch argumentativ. Zwar wurde eine Klarstellung im Regierungsentwurf wieder gestrichen, dass § 275 BGB ebenfalls für den Fall der bloßen vorübergehenden Unmöglichkeit gilt. Vielmehr sollte „die Einordnung vorübergehender Leistungshindernisse wie bisher auch Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen“ bleiben.117 Aber der Bundestag ging davon aus, dass die vorübergehende Unmöglichkeit der dauerhaften gleichgestellt werden kann.118 Für eine Gleichbehandlung beider Konstellationen spricht zum einen, dass in den meisten Fällen schwer zu klären ist, welche Verletzung noch vorübergehend ist und welche darüber hinaus geht. Die Abgrenzung wäre allein durch Einzelfallabwägung zu bewältigen. Wann ist ein Streik bloß vorübergehend – bei 10 Minuten, 30 Minuten, wenigen Stunden? Und wie sind bloß geringfügige Streiks zu behandeln, sind diese den vorübergehenden gleichzustellen? Eine klare Zuordnung einer Verletzung als vorübergehend oder langwierig ist in vielen Fällen kaum möglich. Als Abgrenzungsmerkmal ist die bloß vorübergehende Verletzung nicht geeignet, Rechtsklarheit zu schaffen. Zum anderen können die Auswirkungen bloß punktueller Zuwiderhandlungen für den Tarifpartner gleich intensiv sein wie längerfristige. Die Planungs sicherheit des Arbeitgebers ist für den Zeitraum einer Stunde ebenso gestört wie für den Zeitraum eines Tages. AuR 1970, 166 (172), der zwar ausführt, dass Verstöße gegen Hauptunterlassungspflichten in der Regel zur Unmöglichkeit führen, dann aber davon ausgeht, die Folgen des Verstoßes gegen die Friedenspflicht können bei Streik beseitigt werden, sodass die angegriffene Partei deshalb weiterhin Erfüllung verlangen kann. 115 Köhler, AcP 190 (1990), 496 (518). 116 Köhler, AcP 190 (1990), 496 (518). 117 BT-Drucks. 14/6040 S. 183. 118 BT-Drucks. 14/6040 S. 183; s. zur Frage der vorübergehenden Unmöglichkeit auch MüKo-BGB-Ernst, § 275 BGB Rn. 139 ff.
62
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Beispiel: Streiken Piloten einer Airline und kündigen sie das zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtzeitig an, ist es sehr wahrscheinlich, dass viele Passagiere ihre Flugtickets stornieren und auf andere Verkehrsmittel ausweichen. Für die bestreikte Airline spielt es dann keine Rolle, ob die Piloten bloß „vorübergehend“ für eine Stunde streiken oder den ganzen Tag. Die Intensität ist (zumindest annähernd) vergleichbar.
In beiden Fällen lässt sich das Interesse der Arbeitgeberseite an Kalkulierbarkeit für die benannten Zeiträume nicht mehr erfüllen. Warum die eine Pflichtverletzung unter § 283 S. 1 BGB und die andere unter § 280 I BGB fallen soll, obwohl sich in beiden Fällen die Zuwiderhandlung nicht rückgängig machen lässt, ist nicht nachzuvollziehen. Zudem ist die Frage, welche Auswirkungen ein Streik hat, keine Frage des Tatbestands, sondern der Rechtsfolge. Die Folgen einer Pflichtverletzung ändern nichts an der Art der Pflichtverletzung. Denkbar ist zwar, dass dem Arbeitgeber eine kurze Arbeitsniederlegung gelegen kommt, weil in dem Zeitpunkt ohnehin zu viel produziert wird. Doch das ist keine Frage der Art der Pflichtverletzung, sondern der Höhe des Schadens. Bei Verletzungen der Friedenspflicht ist die vorübergehende der dauerhaften Unmöglichkeit daher gleichzusetzen. (3) Zwischenergebnis
Die Friedenspflicht ist als absolute Fixschuld einzuordnen, ihre Verletzung erfüllt den Tatbestand der Unmöglichkeit i. S. d. § 275 I BGB. Für Fälle bloß punktueller, kurzzeitiger Verletzungen ergeben sich keine Unterschiede – die vorübergehende Unmöglichkeit ist der dauerhaften gleichzustellen. cc) Vollständiger oder nur Teilausschluss der Leistungspflicht?
§ 275 I BGB sieht als Rechtsfolge die Befreiung von der Leistungspflicht vor, soweit Unmöglichkeit gegeben ist. Der Schuldner kann also ganz oder nur teilweise von der Leistung befreit sein. Das hängt davon ab, ob eine vollständige oder eine Teilunmöglichkeit vorliegt. Die Leistung ist teilweise unmöglich, wenn sie technisch teilbar ist, also rein objektiv ein Teil der Leistung noch erbracht werden kann (Rechtsgedanke des § 139 BGB).119 (1) Teilbarkeit der Friedenspflicht
Wie gesehen besteht die Friedenspflicht auf Dauer und damit konstant für einen bestimmten Zeitraum.120 Die Gesamtleistung ist im Fall der Friedens119 S. Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 58; BeckOGK-Riehm, § 275 BGB Rn. 294; zum Rechtsgedanken des § 139 BGB in diesem Zusammenhang Köhler, AcP 190 (1990), 496 (522). 120 S. oben § 3 B. II. 1. c) aa) „Friedenspflicht als dauerhafte Unterlassungspflicht“, S. 50.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
63
pflicht die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen während der gesamten Laufzeit der Friedenspflicht. Im Einzelnen wird die Friedenspflicht jedoch in Teilleistungen i. S. d. § 362 I BGB erfüllt.121 Diese Teilleistungen sind zunächst nicht voneinander abgrenzbar, weil sie sich im „Zustand kontinuierlich anwachsender Teilerfüllung“122 befinden. Erst ab dem Zeitpunkt, in dem nicht mehr erfüllt und gegen die Unterlassungspflicht verstoßen wird, also trotz Friedenspflicht gestreikt wird, werden die Teilleistungen abgrenzbar123: Bereits erfüllte Teilleistungen können abgegrenzt werden von den durch Zuwiderhandlung unmöglich gewordenen und in Zukunft noch zu erfüllenden Teilleistungen. Im Fall der Zuwiderhandlung ist das Unterlassen damit technisch teilbar. (2) Interesse des Arbeitgebers an der Teilleistung als weitere Voraussetzung?
Teilweise wird eine vollständige Unmöglichkeit trotzdem angenommen, obwohl die Leistung technisch teilbar war, wenn dem Gläubiger „nur mit der vollen Leistung gedient ist“124. Entfällt das Interesse an der restlichen Teilleistung, wird die Teilunmöglichkeit also zur vollständigen Unmöglichkeit (sog. rechtliche Unteilbarkeit).125 Beim Streik entfällt ein solches Interesse regelmäßig nicht: Typischerweise kann die Arbeitgeberseite auch nach einem einzelnen, zeitweiligen Verstoß gegen die Friedenspflicht in Zukunft noch etwas mit der noch zu erfüllenden Teilleistung anfangen. Nach wie vor haben Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband das Bedürfnis, dass bis zum Ende der Laufzeit des Tarifvertrags der tariflich vereinbarte Frieden herrscht.126 Dieser Zeitraum kann sehr kurz sein, etwa wenn die Tarifparteien nach dem friedenspflichtwidrigen Streik einen neuen Tarifvertrag abschließen, der den alten ablöst. Er kann aber ebenso länger sein. Jedenfalls ist der Gläubiger in der Regel daran interessiert, dass die dauerhafte Unterlassungspflicht bis zum Ende der Laufzeit des Tarifvertrags unverändert fortwirkt.127 Auch nach dieser Ansicht wird die Teilunmöglichkeit also nicht zur vollständigen Unmöglichkeit, sodass die Leistungspflicht nur teilweise unmöglich wird. 121 Vgl. im Zusammenhang mit der Erfüllung von Dauerschulden Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate (1994) S. 150. 122 Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate (1994) S. 150. 123 Vgl. Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate (1994) S. 150; a. A. Müller-Laube, Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht (1999), S. 261 (S. 266). 124 RG v. 27. 5. 1933 – I 16/33, RGZ 140, 378 (383); s. auch BGH v. 17. 2. 1995 – V ZR 267/93, NJW-RR 1995, 853 (854); Soergel-Gsell, § 326 BGB Rn. 22; Emmerich, Leistungsstörungen (2005) S. 66. 125 S. Köhler, AcP 190 (1990), 496 (522). 126 So auch Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 215. 127 Vgl. v. Gierke, JherJb 64 (1914), 355 (359).
64
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Unabhängig davon, dass die Kategorie der rechtlichen Unteilbarkeit bei der Friedenspflicht zu keinem anderen Ergebnis führt (die Friedenspflicht ist teilbar), war sie vor der Schuldrechtsreform ohnehin lediglich ein dogmatischer Kunstgriff: Sie ermöglichte dem Gläubiger, vom ganzen Vertrag zurückzutreten, ohne dass es auf sein Verschulden ankam – anders als nach der damals geltenden Rechtslage (vgl. §§ 325 I 2, 323 I BGB a. F.).128 Dieser Kunstgriff ist nach modernisiertem Schuldrecht entbehrlich129: Nach §§ 323 V 1, 326 V BGB hängt das Rücktrittsrecht des Gläubigers bereits allein von seinem Interesse an der Teilleistung ab. Daher ist es überzeugend, nunmehr auf die Kategorie der rechtlichen Unteilbarkeit zu verzichten und allein auf die technische Teilbarkeit abzustellen.130 (3) Zwischenergebnis
Die Verletzung der Friedenspflicht führt typischerweise zur Teilunmöglichkeit. Für die Gegenwart und Zukunft ist die Gewerkschaft folglich weiterhin zum Frieden halten verpflichtet: Der von der Arbeitgeberseite ungewollte Erfolg kann – jedenfalls für die Gegenwart und Zukunft – abgewendet, die Unterlassungspflicht noch erfüllt werden. Allein für den vergangenen Zeitraum, in dem trotz Friedenspflicht rechtswidrig gestreikt wurde, ist die Unterlassungspflicht teilweise unmöglich geworden.131 Jeder Verstoß führt zu einer neuen Teilunmöglichkeit.132
128
Überblicksartig dazu BeckOGK-Riehm, § 275 BGB Rn. 294. wird die Kategorie der rechtlichen Unteilbarkeit auch nach der Schuld rechtsreform noch vertreten, s. Soergel-Gsell, § 326 BGB Rn. 22; Emmerich, Leistungsstörungen (2005) S. 66. 130 Ebenso Canaris, Unteilbarkeit der Leistung, in: FS Medicus (2009), S. 17 (S. 18 ff.); BeckOGK-Riehm, § 275 BGB Rn. 294 ff.; Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 58. 131 Zwar ohne Qualifizierung als Teilunmöglichkeit, aber im Ergebnis ebenso Brox/ Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 215: „Zwar führt die Verletzung einer Unterlassungspflicht regelmäßig zur Unmöglichkeit und damit nur zu einem Schadensersatzanspruch. Bei einem Streik beseitigt aber die Verletzung der Friedenspflicht noch nicht endgültig das Interesse der Arbeitgeberseite an der Erfüllung der tariflichen Pflichten, so dass für die bestreikte Partei weiterhin ein berechtigtes Bedürfnis nach Unterlassung tarifvertragswidriger Kampfmaßnahmen besteht.“; im Zusammenhang mit Verstößen gegen auf Dauer geschuldete Unterlassungspflichten s. MüKo-BGB-Ernst, § 286 Rn. 45; allgemein zur Rechtsfolge teilweiser Unmöglichkeit s. Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit (2005) S. 79; Köhler, AcP 190 (1990), 496 (518); Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 25. 132 S. Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 25; im Zusammenhang mit Wettbewerbsverstößen s. BAG v. 19. 1. 1956 – 2 AZR 123/54, BAGE 2, 258 = NJW 1956, 606; vgl. ebenfalls MüKo-BGB-Ernst, § 286 Rn. 45. 129 Trotzdem
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
65
3. Zwischenergebnis
Die Friedenspflicht ist eine teilbare Unterlassungspflicht. Typischerweise ist die Arbeitgeberseite auch nach einem Friedenspflichtverstoß an der Erfüllung der zukünftigen Teilleistung interessiert. Rechtsfolge eines friedenspflichtwidrigen Streiks ist mithin die Teilunmöglichkeit der Friedenspflicht i. S. d. § 275 I BGB allein für den bestreikten Zeitraum. Für diesen Zeitraum liegen die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung nach § 283 S. 1 BGB vor. III. Zurechnung der Friedenspflichtverletzung
Zu untersuchen bleibt, wann der Gewerkschaft Verletzungen der Friedenspflicht zuzurechnen sind. Da die Gewerkschaft als juristische Person selbst nicht handeln kann, kommt eine Pflichtverletzung nur in Betracht, wenn ihr das pflichtwidrige Handeln natürlicher Personen zugerechnet werden kann. Zurechnungsnormen sind § 31 BGB und § 278 BGB. 1. Handeln von Organen, § 31 BGB
Nach § 31 BGB ist der Verein für solche Schäden verantwortlich, die der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zugefügt hat. Zweck der Norm ist, dass die juristische Person, die erst durch die Handlung natürlicher Personen handlungsfähig wird, auch wie eine natürlich Person verantwortlich sein soll.133 § 31 BGB rechnet der juristischen Person die Handlung damit als eigene zu.134 Gewerkschaften sind typischerweise als nichteingetragene Vereine organisiert135, auf die § 31 BGB entsprechend angewandt wird136.
133
S. MüKo-BGB-Arnold, § 31 Rn. 1 f. § 31 BGB Rn. 1. 135 Vgl. Kortstock, Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht (2014) „Verein“, s. auch „Gewerkschaften“. 136 Zur analogen Anwendung des § 31 BGB auf den nicht eingetragenen Verein s. Flume, Die juristische Person (1983) S. 393; Schmidt, Gesellschaftsrecht (2002) S. 744 ff.; im Zusammenhang mit der Haftung der Gewerkschaft vgl. BAG v. 08. 11. 1988 – 1 AZR 417/86, BAGE 60, 101 = NZA 1989, 475 (478); Hessisches LAG v. 18. 9. 1950 – I LA 344/49, RdA 1950, 427 mit den Anmerkungen Bulla, RdA 1950, 431 und Siebert, BB 1950, 846; s. auch Brox, JA 1981, 74 (78); DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 113; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 305; s. aber auch Schirmer, Das Körperschaftsdelikt (2015) S. 6, der darauf hinweist, dass sich der BGH dazu noch nicht klar positioniert hat. 134 Jauernig-Mansel,
66
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Neben dem Vorstand und seinen Mitgliedern ist verfassungsmäßig berufener Vertreter, wem die Satzung oder die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame Funktionen der Gewerkschaft zur eigenverantwortlichen Erfüllung zuweist, sodass derjenige die Gewerkschaft repräsentiert.137 Im Einzelfall hängt die Einordnung also entscheidend von der jeweiligen Satzung der Gewerkschaft ab. Wird die Bestellung der Streikleitung beispielsweise in der Satzung erwähnt und wird sie satzungsgemäß gebildet, ist sie als verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. d. § 31 BGB einzuordnen.138 Festzuhalten bleibt, der Gewerkschaft wird analog § 31 BGB die Handlung ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter als eigene Handlung zugerechnet. 2. Handeln von Erfüllungsgehilfen, § 278 S. 1 BGB
Handelt kein verfassungsmäßig berufener Vertreter, sondern eine andere natürliche Person, kommt möglicherweise eine Zurechnung nach § 278 BGB in Betracht. Im Unterschied zu § 31 BGB (Zurechnung einer Handlung als eigene) rechnet § 278 BGB fremdes Verschulden zu.139 § 278 BGB bildet damit eine Ausnahme zu dem in § 276 I 1 BGB statuierten Verschuldensprinzip, wonach jeder grundsätzlich nur für eigenes Verschulden einstehen muss.140 Nach § 278 S. 1 BGB hat der Schuldner das Verschulden einer Person, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden (sog. Erfüllungsgehilfe). a) Friedenspflicht als Verbindlichkeit i. S. d. § 278 S. 1 BGB
Herauszuarbeiten ist, wie der Begriff der Verbindlichkeit auszulegen ist und ob die Friedenspflicht eine solche Verbindlichkeit ist. § 278 BGB bezweckt, dass sich der Schuldner durch Einschaltung Dritter bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten nicht der Verantwortung entziehen kann: Wem die Vorteile der Arbeitsteilung zufließen, der muss auch die damit verbundenen Risiken tragen.141 Um diesem Zweck gerecht zu werden, ist der Wortlaut „Verbindlichkeit“ 137 Zum Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters s. nur BGH v. 30. 10. 1967 – VII ZR 82/65, NJW 1968, 391 (392); im Zusammenhang mit der Gewerkschaft Brox, JA 1981, 74 (78); s. ebenfalls Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 1042. 138 S. Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 1042; für weitere Beispiele s. DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 113; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 305. 139 Vgl. dazu Jauernig-Mansel, § 31 BGB Rn. 1; Fundel, Haftung für Gehilfenfehlverhalten (1999) S. 21, 51. 140 S. Schulze-Schulze, § 278 BGB Rn. 1; zum Verschuldensprinzip des § 276 BGB s. Jauernig-Stadler, § 276 BGB Rn. 2; Schulze-Schulze, § 276 Rn. 2; Staudinger-Caspers, § 278 Rn. 1; s. ebenfalls BT-Drucks. 14/6040 S. 131; vgl. überblicksartig Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 181.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
67
weit auszulegen, sodass alle Pflichten umfasst sind: Haupt- und Nebenpflichten, Leistungs- und Schutzpflichten, Handlungs- und auch Unterlassungspflichten142 wie die Friedenspflicht143. Die Pflicht der Gewerkschaft, Arbeitskämpfe zu unterlassen, die gegen die Friedenspflicht verstoßen, ist damit eine Verbindlichkeit i. S. d. § 278 BGB.144 141
b) Zurechnung sowohl des Verschuldens als auch des Handelns
Zwar hat der Schuldner dem Wortlaut nach allein das Verschulden des Erfüllungsgehilfen wie eigenes zu vertreten. Rechnet man aber nicht bereits das Handeln des Erfüllungsgehilfen zu, wird der Zweck des § 278 BGB ausgehebelt: Ohne Zurechnung der Pflichtverletzung kommt es regelmäßig zu keiner Haftung des Schuldners der Verbindlichkeit, weil dieser gerade nicht selbst handelt. Dem Vorteil der Arbeitsteilung steht als Kehrseite nicht das Personalrisiko gegenüber, und die Position des Gläubigers ist erheblich verschlechtert.145 § 278 BGB bezweckt aber gerade, den Gläubiger vor Nachteilen zu schützen, die durch Arbeitsteilung beim Schuldner entstehen.146 Das positive Recht ist damit planwidrig unvollständig, es besteht eine Lücke.147 Diese ist im Wege der Analogie zu schließen148: Der Zweck der Norm fordert, § 278 BGB bereits im Rahmen der Pflichtverletzung heranzuziehen und neben dem Verschulden auch das Handeln des Erfüllungsgehilfen zuzurechnen.149 141 S. BGH v. 27. 6. 1985 – VII ZR 23/84, BGHZ 95, 128 = NJW 1985, 2475 (2476); BGH v. 23. 11. 1995 – IX ZR 213/94, BGHZ 131, 200 = NJW 1996, 464 (465); Fundel, Haftung für Gehilfenfehlverhalten (1999) S. 51, 83 ff.; Schmidt, AcP 170 (1970), 502; Wolf, ZIP 1998, 1657 (1659 f.); Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 369; MüKo-BGB-Grundmann, § 278 BGB Rn. 3; Staudinger-Caspers, § 278 Rn. 1; Jauernig-Stadler, § 278 BGB Rn. 2; vgl. auch Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 378 f. 142 S. MüKo-BGB-Grundmann, § 278 BGB Rn. 21 ff.; Jauernig-Stadler, § 278 BGB Rn. 10; zur Anwendung auf Unterlassungspflichten vgl. auch BGH v. 14. 2. 1957 – VII ZR 287/56, NJW 1957, 709 (710); BGH v. 22. 1. 1998 – I ZR 18/96, NJW 1998, 3342; s. ebenfalls DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 115. 143 Vgl. BAG v. 8. 2. 1957 – 1 AZR 169/55, BAGE 3, 280 = NJW 1957, 647. 144 Ausführlich dazu bereits oben § 3 B. II. 1. b) „Umfang der Friedenspflicht“, S. 48. 145 Vgl. Wolf, ZIP 1998, 1657 (1660). 146 S. bereits oben § 3 B. II. 2. a) „Friedenspflicht als Verbindlichkeit i. S. d. § 278 S. 1 BGB“, S. 66. 147 Zu den Voraussetzungen einer Lücke grundlegend Canaris, Feststellung von Lücken (1983) S. 31 ff., insb. S. 39. 148 Zu den methodischen Voraussetzungen einer Analogie grundlegend Canaris, Feststellung von Lücken (1983) S. 24 f., 56. ff., 72. ff. 149 So die allgemeine Ansicht, soweit ersichtlich jedoch ohne Einordnung als Analogie, s. Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 192; Brox/Walker, SchuldR AT (2019), § 20 Rn. 24; Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 383; MüKo-BGB-Grundmann, § 278 BGB Rn. 50.
68
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
c) Handeln in Erfüllung der Verbindlichkeit
Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit als Hilfsperson tätig wird.150 Die Gewerkschaft ist verpflichtet, Arbeitskämpfe zu unterlassen, die gegen die Friedenspflicht verstoßen.151 Zur Erfüllung dieser Unterlassungspflicht bedient sich die Gewerkschaft neben ihrer Organe, deren Handeln ihr bereits gem. § 31 BGB zugerechnet wird, vor allem ihrer Arbeitnehmer.152 Das klingt zunächst paradox, da die Gewerkschaft zur Erfüllung ihrer Unterlassungspflicht gerade untätig bleiben muss – sie muss sich niemandes bedienen, sondern durch ihr Untätigbleiben den ungewollten Erfolg von dem Tarifpartner fernhalten.153 Dabei ist die Gewerkschaft aber entscheidend von der Untätigkeit der Personen abhängig, die den Frieden brechen könnten. Indem diese Personen untätig bleiben, erfüllen sie als Hilfsperson die Friedenspflicht der Gewerkschaft. Entscheidend ist, dass die Hilfspersonen für die Gewerkschaft tätig werden. Aus diesem Grund scheiden tarifgebundene Gewerkschaftsmitglieder als Hilfs personen aus154: Sie handeln in eigenen Angelegenheiten. Zwar trifft das Gewerkschaftsmitglied selbst keine Friedenspflicht – der Tarifvertrag wirkt nur zugunsten der Mitglieder, nicht zu ihren Lasten, weil ein Vertrag zu Lasten Dritter mit der Privatautonomie unvereinbar ist.155 Zweck der Friedenspflicht ist allerdings auch, die einzelnen Mitglieder vor Schäden durch friedenspflichtwidrige Arbeitskämpfe zu schützen, sodass die Mitglieder ein eigenes, umittelbares, selbstständiges Interesse an der Erfüllung der Friedenspflicht haben.156 Gleiches gilt für die Teilnahme am Streik: Nehmen die gewerkschaftlich orga150 BGH v. 21. 4. 1954 – VI ZR 55/53, BGHZ 13, 111 = NJW 1954, 1193; s. RG v. 17. 4. 1920 – I 238/19, RGZ 98, 327 (328) Staudinger-Caspers, § 278 Rn. 18; Brox/Walker, SchuldR AT (2019), § 20 Rn. 28; Schulze-Schulze, § 278 Rn. 5 m. w. N. 151 Ausführlich dazu bereits oben § 3 B. II. 1. b) „Umfang der Friedenspflicht“, S. 48. 152 Dazu DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 115; vgl. in diesem Zusammenhang auch Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 304. 153 S. bereits ausführlich dazu oben § 3 B. II. 2. b) „Voraussetzung des § 283 S. 1 BGB“, S. 55 ff. 154 Eine Ausnahme ist allenfalls denkbar, wenn das Gewerkschaftsmitglied gleich zeitig Mitarbeiter des bestreikten Arbeitgebers und der Gewerkschaft ist, also auch der Gewerkschaft gegenüber weisungsgebunden ist. 155 S. Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 269; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 138; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1080 f.; Seiter, Streikrecht (1975) S. 413; allgemein zur unzulässigen Belastung durch einen Vertrag zu Lasten Dritter und der Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Privatautonomie MüKo-BGB-Gottwald, § 328 BGB Rn. 261 ff. 156 Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 705.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
69
nisierten Arbeitnehmer trotz Friedenspflicht der Gewerkschaft an einem Streik teil, dann aus eigenem Interesse, nicht als Hilfsperson der Gewerkschaft.157 Sie nehmen dann nicht das Grundrecht der Gewerkschaft wahr, sondern ein eigenes. Streiken sie rechtswidrig, verletzen sie zwar ihren Arbeitsvertrag, aber nicht den Tarifvertrag. Gewerkschaftsmitglieder kommen als Erfüllungsgehilfen daher regelmäßig nicht in Frage.158 Praktisch relevant ist folglich allein die Zurechnung von Handlungen gewerkschaftlicher Arbeitnehmer. § 278 BGB setzt nach der Rechtsprechung weiterhin voraus, dass der Erfüllungsgehilfe in Erfüllung der Verbindlichkeit und nicht bloß bei Gelegenheit tätig wird.159 Dieser erforderliche innere Zusammenang kann etwa bei atypischen Exzessen gewerkschaftlicher Mitarbeiter fehlen, eine Zurechnung scheidet in derartigen Fällen ebenfalls aus.160 3. Zwischenergebnis
Verletzen Organe oder Erfüllungsgehilfen der Gewerkschaft die Friedenspflicht, ist dieses Handeln analog § 31 BGB oder gem. § 278 BGB der Gewerkschaft zuzurechnen.161 Gewerkschaftsmitglieder kommen als Erfüllungsgehilfen in aller Regel nicht in Frage. Denkbar sind Konstellationen, in denen gewerkschaftliche Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen einzuordnen sind. IV. Zwischenergebnis
Zur Bestimmung der Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB kann sowohl an die Herbeiführung der Unmöglichkeit als auch an die Nichtleistung aufgrund Unmöglichkeit angeknüpft werden. Für den bestreikten Zeitraum wird die Friedenspflicht teilweise unmöglich i. S. d. § 275 BGB. Diese Teilunmöglichkeit hat die Gewerkschaft durch den Streik herbeigeführt. Zudem hat sie die Friedenspflicht nicht geleistet. Dabei ist ihr jeweils das Handeln ihrer Organe und Er157 S. DäublerAK-Nitsche,
§ 22 Rn. 114. § 22 Rn. 114. 159 S. nur RG v. 29. 5. 1906 – III 465/05, RGZ 63, 341 (343 f.) ; BGH v. 15. 12. 1959 – VI ZR 222/58, BGHZ 31, 358 = NJW 1960, 669; BGH v. 7. 5. 1965 – I b ZR 108/63, NJW 1965, 1709 (1710); BGH v. 29. 1. 1997 – VII ZR 356/95, NJW 1997, 1233; Körber, Jura 2015, 673 (676 f.); Dauner-Lieb/Langen-Dauner-Lieb, § 278 BGB Rn. 8; Staudinger-Caspers, § 278 Rn. 52 m. w. N.; kritisch dazu allerdings Schmidt, AcP 170 (1970), 502 (509); MüKoBGB-Grundmann, § 278 BGB Rn. 47; Brox/Walker, SchuldR AT (2019), § 20 Rn. 32; Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 382. 160 S. DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 115. 161 Ebenso Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 303; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 304; s. dazu auch BAG v. 8. 2. 1957 – 1 AZR 169/55, BAGE 3, 280 = NJW 1957, 647. 158 S. DäublerAK-Nitsche,
70
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
füllungsgehilfen analog § 31 BGB und gem. § 278 BGB zuzurechnen. Folglich liegt eine Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB vor, die an beiden Umständen angeknüpft werden kann.
C. Vertretenmüssen Des Weiteren muss die Gewerkschaft die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Nach § 276 I 1 BGB hat die Gewerkschaft Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Dabei ist der Gewerkschaft das Verschulden ihrer Organe (§ 31 BGB) und ihrer Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) zuzurechnen.162 Vorsätzlich handelt, wer die Pflicht mit Wissen und Wollen im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit verletzt.163 Die Gewerkschaft müsste die Friedenspflicht folglich wissentlich und willentlich verletzt haben und sich der Rechtswidrigkeit bewusst gewesen sein. Das zu beweisen ist im konkreten Einzelfall jedoch kaum möglich.164 Praktisch relevanter ist daher die Frage, ob die Gewerkschaft fahrlässig gehandelt hat. Nach § 276 II BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Das ist zu bejahen, wenn die Rechtswidrigkeit des Streiks voraussehbar und vermeidbar war.165 I. Sorgfaltsmaßstab im Arbeitskampf
Welche Sorgfalt im Verkehr erforderlich ist, hängt von der Verkehrserwartung ab, also davon, was ein besonnener und gewissenhafter Teilnehmer des Verkehrskreises typischerweise erwartet.166 Bei dieser Konkretisierung sind die Eigenheiten des jeweiligen Verkehrskreises zu berücksichtigen. Herauszuarbeiten ist daher, welche Besonderheiten im Arbeitskampf gelten (1. und 2.) und wie sich diese auf den Sorgfaltsmaßstab auswirken (3.).
162 Ausführlich zur Zurechnung der Handlungen der Organe nach § 31 BGB und der Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB soeben § 3 B. III. „Zurechnung der Friedenspflichtverletzung“, S. 65 ff. 163 S. nur BGH v. 15. 7. 2008 – VI ZR 212/07, NJW 2009, 681; Jauernig-Stadler, § 276 BGB Rn. 15; Dauner-Lieb/Langen-Dauner-Lieb, § 276 BGB Rn. 10; Walker, Ad Legendum 2015, 109 (110); vgl. auch MüKo-BGB-Grundmann, § 276 BGB Rn. 154. 164 DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 117 weist zudem darauf hin, dass ein vorsätzliches Handeln der Gewerkschaft angesicht des damit verbundenen, erheblichen Risikos ohnehin unwahrscheinlich sein dürfte. 165 Vgl. nur Jauernig-Stadler, § 276 BGB Rn. 23, 29. 166 S. BGH v. 29. 1. 1991 – VI ZR 206/90, BGHZ 113, 297 = NJW 1991, 1535 (1537); BGH v. 27. 3. 2003 – IX ZR 399/99, NJW 2003, 2022 (2024); Staudinger-Caspers, § 276 BGB Rn. 29, 32; Jauernig-Stadler, § 276 BGB Rn. 29.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
71
1. Bewegliches Arbeitskampfrecht führt zu Unsicherheiten
Nicht immer ist im Vorhinein einzuschätzen, ob ein Streik rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ob der Gewerkschaft also eine Haftung droht oder nicht.167 Das gilt zum Beispiel bei Verstößen gegen die relative Friedenspflicht: Die Laufzeit eines Tarifvertrags und damit die Dauer der Friedenspflicht ist in der Regel zwar einfach festzustellen. Doch wenn es um Fragen zu Inhalt und Umfang geht, ist die Rechtslage deutlich unübersichtlicher.168 Gibt es mehrere komplexe Tarifverträge in einer Branche, stuft das Hessische LAG das Streiken nicht ohne Grund als „gefahrgeneigt“ ein169: Der Umfang der Friedenspflicht muss für alle Tarifverträge ermittelt werden. Dabei kann die Friedenspflicht ggf. auch nicht geregelte Fragen umfassen, wenn die nicht durchgesetzte Forderung Teil eines Kompromisses war, der Regelungsverzicht also zum Vertragsinhalt gemacht wurde.170 Der Umfang der Friedenspflicht ist mithin maßgeblich ein „Problem der Auslegung des Tarifvertrags“171 und deswegen nicht immer zweifelsfrei zu ermitteln. Ähnlich verhält es sich bei den anderen Kriterien der Rechtmäßigkeit. Die Bewertung der Verhältnismäßigkeit ist beispielsweise eine offene Abwägungsfrage, die von so vielen Umständen und der Bewertung durch den Richter abhängt, dass eine eindeutige Beurteilung ex ante selten möglich ist. Die Rechtsprechung kann nur typische Grenzfälle herausarbeiten; eine praktikable Faustformel fehlt.172 Die Problematik, dass unbestimmte Rechtsbegriffe von der Rechtsprechung konkretisiert werden müssen, existiert freilich in allen Rechtsbereichen. Der Grad an Rechtssicherheit ist aber ein anderer, wenn der Rechtsanwender geschriebenes Recht als Maßstab für sein Handeln heranziehen kann. Gerade weil es kein kodifiziertes Arbeitskampfrecht gibt und die Rechtsprechung beweg167 Dazu beispielsweise Krause, JbArbR 2008, 23 (25); zudem Bram, AuR 2017, 242 (245 f.): „Fälle der eindeutigen oder offensichtlichen Rechtswidrigkeit werden allerdings selten sein.“ 168 Dazu bereits oben unter § 3 B. II. 1. b) „Umfang der Friedenspflicht“, S. 48. 169 LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, S. 17; allerdings taucht dieses Argument bereits auf Tatbestandsebene zur Verneinung des unmittelbar betriebsbezogenen Eingriffs in den Gewerbebetrieb auf; richtigerweise handelt es sich aber um eine Erwägung, die erst auf Verschuldens- und Rechtsfolgenebene zum Tragen kommt, „die Frage, ob man haftet, kann man aber mit der Gefahr, dass man haftet, nicht begründen.“, Gamillscheg, Referat zum 45. DJT (1964) (S. 16) im Zusammenhang mit der dogmatischen Begründung der Arbeitnehmerhaftung. 170 Dazu Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 174 f.; Bartz, ZTR 2004, 122 (130); zudem bereits oben unter § 3 B. II. 1. b) „Umfang der Friedenspflicht“, S. 48. 171 Bartz, ZTR 2004, 122 (125). 172 ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 130; Treber, SR 2013, 140 (143); dazu, dass die Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erhebliche Probleme hervorruft Krause, JbArbR 2008, 23 (25).
72
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
lich ist173, gibt es keine Normen, anhand derer (und deren Wortlautgrenze) sich die Tarifvertragsparteien orientieren können. Ähnlich, wie es keinen numerus clausus an Arbeitskampfmitteln gibt und die Tarifpartner neue Mittel ausprobieren können müssen174 (auf die Gefahr hin, dass das Mittel im Nachhinein von den Gerichten als unzulässig eingestuft wird), müssen sich die Tarifpartner bei der Ausübung bestehender Arbeitskampfmittel an veränderte Bedingungen der Arbeitswirklichkeit anpassen können.175 „Grundsätzlich ist es den Tarifvertragsparteien selbst überlassen, ihre Kampfmittel den sich wandelnden Umständen anzupassen, um dem Gegner gewachsen zu bleiben und ausgewogene Tarifabschlüsse zu erzielen.“176
Im Gegensatz zu Gesetzesrecht reagiert Richterrecht auch schneller auf veränderte Bedingungen.177 Zwar können nur rechtmäßige Streiks die Schäden der Arbeitgeberseite rechtfertigen.178 Da es aber weiterhin Bereiche gibt, in denen unklar ist, ob ein Streik rechtmäßig oder rechtswidrig ist, darf die Gewerkschaft durch das Haftungssystem nicht daran gehindert werden, diese Grauzonen zu betreten.179 „[D]ie forensische Erfahrung zeigt, dass die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines gewerkschaftlichen Streiks nicht selten bis zur letzten Gerichtsinstanz ,offen‘ ist […].“180
Die Gewerkschaft muss auch in höchstrichterlich noch nicht abgesichertem Raum handeln und arbeitskampfrechtliches Neuland betreten können (sog. Recht auf Grenzinitiative).181 173 Dazu, dass das richterrechtlich entstandene Regelsystem nicht statisch, sondern dynamisch auf Weiterentwicklung ausgelegt ist Krause, JbArbR 2008, 23 (34). 174 S. beispielsweise BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („FlashmobAktion“) = NZA 2009, 1347. 175 „Dass Wandlungen der Arbeitsbeziehungen zur Anpassung des Arbeitskampfverhaltens führen, ist keine neue Erkenntnis.“, Treber, SR 2013, 140 (141). 176 BVerfG v. 4. 7. 1995 – 1 BvF 2/86, 1 BvF 1/87, 1 BvF 2/87, 1 BvF 3/87, 1 BvF 4/87, 1 BvR 1421/86, BVerfGE 92, 365 = NJW 1996, 185 (186); s. auch BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347; vgl. ebenfalls Treber, SR 2013, 140 (143 f.). 177 Dazu Krause, JbArbR 2008, 23 (34). 178 Ausführlich dazu noch unten § 5 B. III. 2. „Zumutbarkeit“, S. 155 ff. 179 Im Zusammenhang mit der parallel dazu geführten Diskussion im einstweiligen Rechtsschutz Krause, JbArbR 2008, 23 (33). 180 Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 723. 181 Im Zusammenhang mit der parallel dazu geführten Diskussion im einstweiligen Rechtsschutz Jacobs, NZA 2008, 325 (332); Krause, JbArbR 2008, 23 (32); Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz (2015) S. 384 ff.; Treber, SR 2013, 140 (144); zur hohen Einschätzungsprärogative der Gewerkschaft s. Otto, RdA 2010, 135 (136).
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
73
2. Hohes Schadenspotential wirkt existenzbedrohend
Streikbedingte Schäden auf Arbeitgeberseite können schnell exorbitante Höhen erreichen.182 Und bereits kleinste Fehler der Gewerkschaft können zur Rechtswidrigkeit des Streiks führen.183 Das kann zur Folge haben, dass die Gewerkschaft einen ex post rechtmäßigen Streik aus Furcht vor einer unbeschränkten Haftung unterlässt.184 Diese Gefahr mag weniger für die „Riesen“ bestehen: Ver.di hat etwa 2 Millionen Mitglieder und verzeichnete 2014 Beitragseinnahmen von gut 444 Millionen Euro, die IG Metall hat rund 2,3 Millionen Mitglieder.185 Die Kassen dieser großen, etablierten Gewerkschaften mögen prall gefüllt sein, sodass man dort auch das Risiko einer unbeschränkten Haftung nicht als existenzbedrohend empfinden mag. Wie aber beispielsweise die Aufschlüsselung der Mitgliederzahlen der DGB-Gewerkschaften zeigt, haben viele Gewerkschaften deutlich geringere Mitgliederzahlen: So hatten im Jahr 2017 die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) etwas über 637.000 Mitglieder, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) etwa 278.000 Mitglieder, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) rund 200.000 Mitglieder, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) rund 190.000 Mitglieder und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) etwa 185.000 Mitglieder.186 Die Berufsgewerkschaften verbuchen noch weniger Mitglieder: der Marburger Bund etwa 110.300 Mitglieder, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) rund 34.000 Mitglieder187, die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) ungefähr 13.500 Mitgliedern, die Vereinigung Cockpit (VC) etwa 8.300 Mitglieder und die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) rund 3.500 Mitglieder.188 182 Ausführlicher dazu noch unten § 3 D. II. „Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung“, S. 86 ff. 183 Im Zusammenhang mit der deliktischen Haftung der Gewerkschaft s. dazu LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a; Hessisches LAG v. 27. 06. 2013 – 9 Sa 1387/12 Rn. 63 –juris; v. 5. 12. 2013 – 9 Sa 592/13 Rn. 138 – juris. 184 Vgl. in diesem Zusammenhang DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 92: „Die durch Arbeitskämpfe entstehenden Schäden können ausnahmsweise erhebliche finanzielle Dimensionen erreichen, die zur Vernichtung der Existenz einer Gewerkschaft führen können.“ 185 Ver.di, Pressemitteilung vom 14. 1. 2015, abrufbar im Internet: http://www. verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++ec74bcc2-9bca-11e4-882e-5254008a33df (Stand: 29. 4. 19); für eine Übersicht der Mitgliederzahlen s. DGB, Mitgliederzahlen ab 2010, abrufbar im Internet: http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/mitgliederzahlen/ 2010/?tab=tab_0_0#tabnav (Stand: 29. 4. 19). 186 DGB, Mitgliederzahlen 2017, abrufbar im Internet: http://www.dgb.de/uber-uns/ dgb-heute/mitgliederzahlen/2010/?tab=tab_0_0#tabnav (Stand: 29. 4. 19). 187 GdL, Bereich „Wir über uns“, abrufbar im Internet: http://www.gdl.de/UeberUns/ Startseite (Stand: 29. 4. 19). 188 S. Statistik von Der Spiegel, Anzahl der Mitglieder von Berufsgewerkschaften in Deutschland, abrufbar im Internet: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/237571/ umfrage/mitglieder-von-berufsgewerkschaften-in-deutschland/ (Stand: 29. 4. 19).
74
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Über das Vereinsvermögen wird zwar selten öffentlich Auskunft gegeben. Es hängt aber wesentlich mit der Höhe der Beitragszahlungen und damit mit der Anzahl der Mitglieder zusammen. Zudem werden die Beiträge nicht nur zum Auffüllen der Streikkasse verwendet, sondern auch für Satzungsleistungen der Gewerkschaften wie Rechtsberatung, Sterbegeld oder Freizeit-Unfallversicherung, aber auch Beiträge an andere Verbände und natürlich die eigene Verwaltung.189 Beispielsweise laut IC BCE fielen in 2012 nur 14,4 % ihrer gesamten Ausgaben für gewerkschaftspolitische Aufgaben an, etwa die Tarifpolitik.190 Daher kann eine im Raum stehende Haftungssumme bereits existenzbedrohend wirken, wenn sie nur einen Anteil der Beitragseinnahmen ausmacht. Das gilt vor allem, wenn der wahre Schaden schwer einzuschätzen ist. Die Gefahr der Existenzvernichtung durch Schadensersatz ist – soweit ersichtlich – erst in einem Fall in der Bundesrepublik wahr geworden.191 Im Jahr 1973 wurde die Gewerkschaft VdF vom BGH als Mittäter eines Bummelstreiks zu Schadensersatz verurteilt192: Gezahlt hat die VdF nicht, „denn ,unser Verbandsvermögen‘, sagt VDF-Sprecher Hans W. Stang, ,ist praktisch Null‘. Schon die erste Regreßforderung des Bundes gegen den Verband, hatte der VDF-Anwalt dem BGH versichert, werde ,zu Konkursantrag führen‘.“193
Die Schadensersatzprozesse der letzten Jahre194 zeigen, dass in jüngster Zeit Ansprüche auf Schadensersatz gegen Gewerkschaften vermehrt geltend gemacht werden und dadurch auch die praktischen Auswirkungen einer unbeschränkten Haftung größer sind. Aus Unsicherheit und Furcht vor dem existenziellen Ruin wird womoglich im Zweifel gar nicht gestreikt. Aus diesem Grund ist ein hohes Haftungsrisiko nicht nur geeignet, Gewerkschaften von rechts widrigen Streiks abzuhalten, sondern auch von ex ante „unsicheren“, sich aber ex post als rechtmäßig herausstellenden Streiks. 189 Vgl. beispielsweise IG Metall, Bereich: „Unsere Leistungen auf einen Blick“, abrufbar im Internet: https://www.igmetall.de/leistungen-und-beitraege-der-ig-metall-147. htm (Stand: 17. 3. 18); s. auch die Aufschlüsselung bei IG BCE, „Ihr Beitrag und seine Verwendung“, abrufbar im Internet: https://www.igbce.de/vanity/renderDownloadLink/84568/6782 (Stand: 29. 4. 19). 190 S. IG BCE, „Ihr Beitrag und seine Verwendung“, abrufbar im Internet: https:// www.igbce.de/vanity/renderDownloadLink/84568/6782 (Stand: 29. 4. 19). 191 S. DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 92; Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 76; vgl. auch Däubler, AuR 2017, 232 (237), der aufzeigt, dass in der Vergangenheit selbst bei Verurteilung der Gewerkschaft zu Schadensersatz hinter verschlossenen Türen meist „nachverhandelt“ und im Ergebnis nur Teilbeträge gezahlt wurden. 192 BGH v. 31. 1. 1978 – VI ZR 32/77, NJW 1978, 816. 193 Der Spiegel, Große Betroffenheit, Heft Nr. 38/1980, S. 77, abrufbar im Internet: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14329622.html (Stand: 29. 4. 19). 194 Etwa BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47; BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
75
3. Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch hohes Haftungsrisiko
Schreckt das Haftungsrisiko die Gewerkschaft ab, arbeitskampfrechtliches Neuland zu betreten, ist zu prüfen, inwieweit dadurch die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie und damit die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG gefährdet ist. Es geht nicht darum, das Wesen der Tarifautonomie als inhaltsleere Formel, als sog. Kryptoargument195 ins Feld zu führen. Vielmehr ist konkret herauszuarbeiten, welche Voraussetzungen ein Haftungssystem erfüllen muss, damit ein Verfahren gewährleistet ist, das Tarifparteien ermöglicht, autonom Tarifverträge abzuschließen. Art. 9 III GG schützt Arbeitskampfmaßnahmen, soweit sie erforderlich sind, um ein solches Verfahren und damit eine funktionsfähige Tarifautonomie zu sichern.196 Die Tarifautonomie zielt darauf ab, auszugleichen, dass einzelne Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischerweise strukturell unterlegen sind: Durch kollektives Handeln soll ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln von Arbeitsbedingungen möglich sein.197 Damit ein solches Aushandeln auf Augenhöhe möglich ist – und die Tarifautonomie funktioniert – braucht die Gewerkschaft ein Druckmittel, um das Machtgefälle zugunsten der Arbeitgeberseite auszugleichen.198 Ein solches Druckmittel ist der Streik. a) Fehlendes Druckmittel bei unsicherer Rechtslage
Führt die unsichere Rechtslage im Arbeitskampfrecht dazu, dass die Gewerkschaft aus Furcht vor der Haftung einen rechtmäßigen Streik unterlässt, fehlt ein Druckmittel. Das wiederum beeinträchtigt die Parität der Tarifvertragsparteien199: Ohne Gegendruck kann sich die Arbeitgeberseite einem Tarifvertrag einfacher entziehen oder einseitig Tarifbedingungen diktieren.200 Ein
195
Allgemein zum sog. Kryptoargumenten Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 ff. BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809; BVerfG v. 10. 9. 2004 – 1 BvR 1191/03, NZA 2004, 1338 (1339); ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 70; Treber, SR 2013, 140 (144); Krause, JbArbR 2008, 23 (32); dazu, dass die Tarifautonomie zur Betätigungsfreiheit der Koalitionen gehört, s. nur MüHB-A rbRRieble, § 220 Rn. 34. 197 BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809 (811). 198 Dazu bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff. 199 Ausführlicher zur Kampfparität noch unten § 5 B. III. 2. a) cc) (1) „Verletzung der Kampfparität“, S. 168. 200 S. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 969. 196 S. nur
76
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
nachfolgend abgeschlossener Tarifvertrag ist dann nicht mehr das Ergebnis ausgeübter kollektiver Privatautonomie.201 „Funktionsfähig ist die Tarifautonomie nur, solange ein ungefähres Gleichgewicht (Parität) besteht. Unvereinbar mit Art. 9 III GG ist daher eine Ausgestaltung, wenn sie dazu führt, dass die Verhandlungsfähigkeit einer Tarifvertragspartei bei Tarifauseinandersetzungen einschließlich der Fähigkeit, einen wirksamen Arbeitskampf zu führen, nicht mehr gewahrt ist […].“202
Die Fähigkeit, einen wirksamen Streik zu führen, ist bei unsicherer Rechts lage nicht gewahrt, wenn Neuerungen mit einem erheblichen Haftungsrisiko der Gewerkschaft verbunden sind.
Das Haftungssystem ist folglich so auszugestalten, dass das Haftungsrisiko nicht abschreckend wirkt.203 Die drohende Haftung darf die Gewerkschaft 201 Zur Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie etwa BAG v. 27. 11. 2002 – 7 AZR 414/01, NZA 2003, 812 (813); BAG v. 7. 7. 2010 – 4 AZR 549/08, BAGE 135, 80 = NZA 2010, 1068 (1071), Rn. 22; BAG v. 23. 3. 2011 – 4 AZR 366/09, BAGE 137, 231 = NZA 2011, 920 (924), Rn. 40; Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie (2005) S. 59; Canaris, AcP 184 (1984), 201 (244); Dieterich, Grenzen der Tarifautonomie, in: FS Wiedemann (2002), S. 229 (S. 242); Dieterich, AuR 2001, 390 (391); Dieterich, RdA 2002, 1 (2); ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 55 f.; JKOS-Krause, § 1 Grundlagen des Tarifvertragsrechts Rn. 24; Heinze, DB 1996, 729 (732 f.); Heinze, NZA 1997, 1 (7); Rieble, ZfA 2004, 1 (14); Maunz/Dürig-Scholz, Art. 9 GG Rn. 272; Scholz, RdA 2001, 193 (195); Scholz, ZfA 1981, 265 (275); als gebündelte Privatautonomie bezeichnend Junker, ZfA 1996, 383 (392); Picker, RdA 2001, 259 (283). 202 BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1352). 203 Auch das Hessische LAG sieht die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährdet, wenn jedes kleinste Verschulden der Gewerkschaft zu ihrem existenziellen Ende führt, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a; Hessisches LAG v. 27. 06. 2013 – 9 Sa 1387/12 Rn. 63 –juris; v. 5. 12. 2013 – 9 Sa 592/13 Rn. 138 – juris.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
77
nicht davon abhalten, arbeitskampfrechtliches Neuland zu betreten, um auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren und die Grenzen rechtmäßiger Streiks auszuprobieren.204 Nur so wird eine funktionsfähige Tarifautonomie gesichert und damit der Schutzbereich des Art. 9 III GG gewahrt. b) Konsequenzen für den Sorgfaltsmaßstab
Der erforderliche Sorgfaltsmaßstab darf also einerseits nicht so streng sein, dass die Gewerkschaft im Zweifel nicht streikt, auch wenn beachtliche Gründe für die Rechtmäßigkeit des Streiks sprechen. „Die Entwicklung des sozialen Lebens im Bereich der abhängigen Arbeit wäre […] unangemessen behindert und gehemmt, wollte man jede Risikoübernahme auf diesem Gebiet als Schuld werten und dadurch mit erheblichen Haftungsfolgen belasten. Ihre ihnen gerade von der Verfassung in Art. 9 III GG zugewiesene Aufgabe, die Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, können die Koalitionen nur dann möglichst umfassend erfüllen, wenn sie auch neue, rechtlich noch nicht endgültig abgesicherte tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten ins Auge fassen und sie in die Wirklichkeit umzusetzen versuchen, ohne dabei übermäßigen Haftungsrisiken ausgesetzt zu sein.“205
Andererseits darf der erforderliche Sorgfaltsmaßstab auch nicht so mild sein, dass die Gewerkschaft risikolos streikt, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass der Streik als rechtmäßig eingeordnet wird. Der Sorgfaltsmaßstab im Rahmen des Verschuldens dient damit der Risikoverteilung: Wann trägt die Gewerkschaft das Risiko der unsicheren Rechtslage und wann die Arbeitgeberseite? 4. Konkretisierung der erforderlichen Sorgfalt im Arbeitskampf
Für die Ausgangsfrage, welche Sorgfalt bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Streiks erforderlich ist, bedeutet das Folgendes: Zwar muss die Gewerkschaft nicht sämtliche Arbeitskämpfe vermeiden, die möglicherweise rechtswidrig sind. Gleichzeitig darf die Arbeitgeberseite aber darauf vertrauen, dass die Gewerkschaft Streiks vermeidet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind. Einerseits ist folglich zu berücksichtigen, dass die Gewerkschaft arbeitskampfrechtliches Neuland betreten darf. Andererseits müssen die Eigentums- und Vermögensrechte der Arbeitgeberseite soweit wie möglich zur Geltung kommen. 204 Im Zusammenhang mit der grundrechtlichen Gewährleistung des Arbeitskampfes im einstweiligen Rechtsschutz Treber, SR 2013, 140 (144). 205 BAG v. 21. 3. 1978 – 1 AZR 11/76, NJW 1978, 2114 (2115); s. auch BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1550): „Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden.“.
78
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Dafür ist unerlässlich, dass die Gewerkschaft die Rechtslage vor Streikbeginn sorgfältig sowie gewissenhaft prüft und untersucht, ob beachtliche Gründe eher für die Rechtmäßigkeit (a)) oder Rechtswidrigkeit (b)) des Streiks sprechen. a) Sehr beachtliche Gründe für Rechtmäßigkeit des Streiks
Die Gewerkschaft muss die Rechtswidrigkeit eines Streik nicht vorhersehen, wenn keine (gesicherte) entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung oder wohl herrschende Meinung in der Literatur vorliegt und nach sorgfältiger Prüfung sehr beachtliche Gründe für die Rechtmäßigkeit des Streiks sprechen.206 Vielmehr darf die Gewerkschaft dann in maßvollem Rahmen von ihrem Streikrecht Gebrauch machen, wenn eine endgültige Klärung der Rechtslage anders nicht zu erreichen ist.207 Beispiel 1: Die Gewerkschaft G streikt zur Durchsetzung einer tariflichen Urlaubs regelung, wonach die Gewerkschaftsmitglieder ein höheres Urlaubsgeld erhalten sollen als die nicht organisierten Arbeitnehmer. Im späteren Schadensersatzprozess trägt G vor, dass sie nach eingehender Prüfung der Rechtslage davon ausgegangen war, dass es sich dabei um ein tariflich regelbares Ziel handelt. Erst später habe sich durch den Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts herausgestellt, dass derartige Differenzierungs- und Spannungsklauseln unzulässig sind. Zum Zeitpunkt des Streiks war die Frage der Zulässigkeit solcher Klauseln noch nicht höchstrichterlich entschieden und in der Rechtswissenschaft umstritten. In diesem Fall entschied das BAG: „[T]rotz größter Sorgfalt war es der Gewerkschaft nicht möglich, die Rechtslage einigermaßen zuverlässig zu beurteilen. […] Es kann deshalb einer Gewerkschaft nicht ohne weiteres zugemutet werden, auf eine von ihr angestrebte tarifliche Regelung, über deren rechtliche Zulässigkeit noch keine höchstrichterlichen Erkentnisse vorliegen und zu der auch von namhaften Rechtswissenschaftlern unterschiedliche Auffassungen mit jeweils guten Gründen vertreten werden, allein deswegen von vornherein zu verzichten, weil die Gefahr besteht, dass die Gerichte später einen von ihrer Rechtsansicht abweichenden Rechtsstandpunkt einnehmen.“208 Beispiel 2: Die Gewerkschaft G ist sich unsicher, ob sie einen Streik zur nicht- tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen führen darf. Sie lässt sich anwaltlich 206 BAG v. 21. 3. 1978 – 1 AZR 11/76, NJW 1978, 2114 (2115); BAG v. 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10, BAGE 142, 98 – 115 = NZA 2012, 1372; BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1550); vgl. auch Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 725; Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 100). 207 BAG v. 21. 3. 1978 – 1 AZR 11/76, NJW 1978, 2114 (2115); BAG v. 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10, BAGE 142, 98 – 115 = NZA 2012, 1372; BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1550); s. dazu auch Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 305, der deutlich macht, dass es sinnvoller wäre, die Feststellungsklage bezüglich der tariflichen Regelbarkeit für zulässig zu erklären, anstatt den Arbeitskampf nur deshalb zuzulassen, damit die Rechtsfrage den Gerichten unterbreitet werden kann. 208 BAG v. 21. 3. 1978 – 1 AZR 11/76, NJW 1978, 2114 (2115).
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
79
beraten und über den aktuellen Diskussionsstand aufklären 209: Bisher wurden solche Streiks von der Rechtsprechung und der Literatur überwiegend als rechtswidrig eingestuft. Allerdings gibt es auch andere Ansichten, die Art. 9 III GG aufgrund von Art. 6 Nr. 4 ESC völkerrechtsfreundlich auslegen. Demnach werden auch Streiks mit nicht-tariflichen Zielen geschützt, soweit sie Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen regeln wollen.210 Zudem hat auch das BAG in seinen Urteilen vom 10. 12. 2002211 und 24. 4. 2007212 die Frage aufgeworfen, ob die bisherige Rechtsauffassung, Arbeitskämpfe seien nur für tariflich regelbare Ziele zulässig, im Hinblick auf Art. 6 Nr. 4 ESC beibehalten werden kann. Entschließt G sich, das Risiko einzugehen und arbeitskampfrechtliches Neuland zu betreten, und entscheidet das Gericht im Nachhinein, dass der Streik dennoch rechtswidrig war, kann das der Gewerkschaft nicht zum Vorwurf gemacht werden.213 G konnte die Entscheidung nicht vorhersehen und handelte mithin nicht fahrlässig.
Gleiches gilt, wenn die Gewerkschaft aufgrund einer Entscheidung des BGH von einer gefestigten Rechtsprechung zu einer Frage ausgeht und das BAG zeitlich nach dem Streikbeschluss feststellt, dass die Frage doch nicht abschließend geklärt ist214: Eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung der Rechtslage im Zeitpunkt des Streikbeschlusses durfte dann ergeben, dass sehr beachtliche Gründe – nämlich die Entscheidung des BGH – für die Rechtmäßigkeit des Streiks sprechen. In den genannten Beispielen befindet sich die Gewerkschaft in einem sog. unvermeidbaren Rechtsirrtum, der die Fahrlässigkeit ausschließt.215 Unvermeidbar war der Irrtum über die Rechtslage, weil es der Gewerkschaft nicht möglich war, die Rechtslage im Vorfeld des Streiks zu erkennen und ihr Handeln daran auszurichten.216 Sie musste nicht vorhersehen, dass der Streik als rechtswidrig eingestuft werden würde, und handelte daher nicht fahrlässig.
209 Zum Diskussionsstand s. DäublerAK-Däubler, § 13 Rn. 1 ff.; ebenfalls Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 280 ff.; Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 141 ff. 210 Ausführlicher dazu unten § 5 B. III. 2. a) aa) (2) „Weite Auslegung aufgrund völkerrechtsfreundlicher Auslegung“, S. 162. 211 BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734. 212 BAG v. 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06, BAGE 122, 134 = NZA 2007, 987. 213 Ebenso DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 121. 214 S. BAG v. 29. 4. 1992 – 4 AZR 432/91, NZA 1992, 846. 215 Zum unvermeidbaren Rechtsirrtum im Arbeitskampf vgl. BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1550); Seiter spricht auch von einem „Entschuldigungsgrund der Unzumutbarkeit einer Unterlassung potentiell rechtswidrigen Verhaltens, Seiter, Anmerkung zu AP Nr. 62 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; allgemein zum Rechtsirrtum s. Staudinger-Caspers, § 276 BGB Rn. 55 m. w. N. 216 Dazu Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 723 f.
80
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
b) Hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit des Streiks
Anderes gilt, wenn beachtliche Gründe für die Rechtswidrigkeit sprechen, sodass die Einordnung als rechtmäßiger Streik nach sorgfältiger Prüfung unwahrscheinlich ist. Für die Annahme eines unvermeidbaren Rechtsirrtum reicht nicht aus, dass sich „irgendwo im weiten Rund des Schriftums eine abweichende Meinung findet“217. Hätte die Gewerkschaft nach sorgfältiger Prüfung wissen müssen, dass der Streik nach der aktuellen Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung in der Literatur rechtswidrig ist, war die Rechtswidrigkeit vorhersehbar.218 Streikt sie dennoch, lässt sie die im Arbeitskampf erforderliche Sorgfalt außer Acht und handelt fahrlässig. Beispiel 1: Die Gewerkschaft G meint, das statusbezogene Beamtenstreikverbot in Deutschland sei mit Art. 6 Nr. 4 ESC unvereinbar.219 Ihr Anwalt weist sie daraufhin, das BVerfG leite aus Art. 33 IV, V GG den Grundsatz des Beamtenstreikverbots ab220, der durch einfachgesetzliche Regelungen des Beamtenrechts konkretisiert wird. Es sei daher sehr unwahrscheinlich, dass ein solcher Streik als rechtmäßig eingestuft wird. G streikt trotzdem, weil sie der Meinung ist, es sei jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung Art. 9 III GG völkerrechtsfreundlich auslegt und Beamtenstreiks als zulässig erachtet. Im Schadensersatzprozess hält das BAG am Grundsatz des Beamtenstreikverbots fest und ordnet den Streik als rechtswidrig ein. Dieses Ergebnis war überwiegend wahrscheinlich. Im Unterschied zum Streik für ein nicht-tariflich regelbares Ziel gab es auch keine Anhaltspunkte für einen Rechtsprechungswechsel. G konnte die Rechtswidrigkeit des Streiks daher vorhersehen und vermeiden. Beispiel 2: Die Gewerkschaft G bestreikt den Arbeitgeber A, der zuvor in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt ist. Eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung durch G hätte ergeben, dass der Streik rechtswidrig ist: „Wechselt ein Unternehmen innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft, kann die Gewerkschaft nach einem ihr rechtzeitig mitgeteilten Statuswechsel grundsätzlich nicht mehr zur Durchsetzung ihrer verbandsbezogenen Tarifforderungen zu einem Warnstreik in diesem Unternehmen aufrufen.“221 Vielmehr war die Zulässigkeit der OT-Mitgliedschaft im Zeitpunkt des Streiks bereits höchstrichterlich entschieden. „[Das] Verhalten [der Gewerkschaft] erklärt sich vielmehr aus einer grundsätzlichen Ablehnung der Zulässigkeit eines sol217
Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1224. Konkretisierung der Erkennbarkeit/Voraussehbarkeit s. nur MüKo-BGBGrundmann, § 276 BGB Rn. 98. 219 Dazu Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 153 ff.; Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 98 f. 220 Die Verfassungsmäßigkeit des Streikverbots für Beamte bekräftigte das BVerfG erst jüngst in BVerfG v. 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15 = NJW 2018, 2695. 221 BAG v. 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10, BAGE 142, 98 – 115 = NZA 2012, 1372 (1376). 218 Zur
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
81
chen Statuswechsels. Diese Rechtsposition konnte [die Gewerkschaft] nach den gegenteiligen Grundsatzurteilen des BAG nicht mehr ernsthaft vertreten.“222 Die Rechtswidrigkeit des Streiks war von G damit vorhersehbar; G handelte fahrlässig.
Ebenso möglich ist zwar, dass sich höchstrichterliche Rechtsprechung und herrschende Meinungen ändern. Die entfernte Möglichkeit einer solchen Änderung genügt aber nicht, um die Gewerkschaft von ihrem Schuldvorwurf zu befreien. Ansonsten würde die Arbeitgeberseite das volle Risiko der unsicheren Rechtslage tragen. Sie müsste für ihre Schäden aufkommen, unabhängig davon, wie wahrscheinlich die Rechtmäßigkeit des Streiks ist. Wenn die Gewerkschaft vorhersehen kann, dass der Streik höchstwahrscheinlich rechtswidrig ist, handelt sie fahrlässig, wenn sie dennoch zum Streik aufruft. An späterer Stelle wird untersucht, ob die Gewerkschaft das daraus resultierende Haftungsrisiko auch voll zu tragen hat oder ob der Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie die weitere Beschränkung der Haftung erfordert. Das Kriterium des Verschuldens ist jedenfalls nicht geeignet, Risiken aufzuteilen. Vielmehr führt es zu „Alles-oder-nichts“-Lösungen: Entweder hat die Gewerkschaft die Pflichtverletzung zu vertreten oder nicht. Ob sich die Besonderheit des „beweglichen“ Arbeitskampfrechts im Haftungumfang auswirkt und eine Teilung des Haftungsrisikos bewirkt, ist daher auf Ebene des Schadens zu untersuchen.223 Auf Ebene des Verschuldens kann sich die Gewerkschaft nicht von dem Fahrlässigkeitsvorwurf befreien, wenn die Rechtmäßigkeit des Streiks unwahrscheinlich ist. c) Zwischenergebnis
Die Gewerkschaft hat nach § 276 I 1 BGB vorsätzliches und fahrlässiges Handeln zu vertreten. Sie handelt fahrlässig, wenn sie die Pflichtverletzung hätte vorhersehen und vermeiden können. Das ist nicht der Fall, wenn nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung sehr beachtliche Gründe für die Recht mäßigkeit des Streiks sprechen. Ist es hingegen überwiegend wahrscheinlich, dass der Streik rechtswidrig ist, war dies für die Gewerkschaft vorhersehbar. Streikt sie dennoch, liegt Fahrlässigkeit vor. II. Darlegungs- und Beweislast
Nach den Grundregeln der Beweislastverteilung hat grundsätzlich der Gläubiger die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die seinen Anspruch be222
BAG v. 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10, BAGE 142, 98 – 115 = NZA 2012, 1372 (1378). dazu noch § 3 D. „Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB“, S. 84 ff. 223 Ausführlich
82
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
gründen.224 Beim vertraglichen Schadensersatzanspruch wird diese Beweislast nach § 280 I 2 BGB umgekehrt und trifft den Schuldner. Grundsätzlich hat also die Gewerkschaft zu beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn § 619a BGB – die Gegenausnahme der Arbeitnehmerhaftung – analog anzuwenden ist und die Beweislast wiederum umkehrt. Dafür muss unter anderem die Interessenlage, die § 619a BGB zugrunde liegt, mit derjenigen bei der Haftung der Gewerkschaft vergleichbar sein.225 Die Interessenlage einer Norm wird durch ihren Zweck bestimmt. Daher ist entscheidend, welchen Zweck § 619a BGB verfolgt. 1. Telos des § 619a BGB
Durch die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB wird dem Schuldner die Beweislast aufgebürdet, weil er einerseits beweisnäher ist, also einfacher Auskunft geben kann, und andererseits das Leistungsrisiko übernommen hat.226 Im Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer passt diese Begründung nicht: Bei betrieblichen Tätigkeiten hat der Arbeitgeber, also der Gläubiger, die Organisationsherrschaft inne und kann daher einfacher Auskunft geben, wenn es zu Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers kommt – er ist beweisnäher.227 Gleichzeitig trägt nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber das Leistungsrisiko in Form des Betriebsrisikos (vgl. § 615 S. 3 BGB). § 619a BGB wird folglich den Besonderheiten der Arbeitnehmerhaftung gerecht, indem dem beweisnäheren, risikotragenden Arbeitgeber die Beweislast aufgebürdet wird. Bevor § 619a BGB durch die Schuldrechtsreform eingefügt wurde, entsprach das bereits ständiger Rechtsprechung.228 Das Zusammenspiel von Grundsatz, Ausnahme und Gegenausnahme zeigt: Grundsätzlich hat derjenige die Darlegungs- und Beweislast zu tragen, der beweisnäher ist.
224 Allgemein zur gesetzlichen Beweislastverteilung s. Musielak-Foerste, § 286 ZPO Rn. 35; im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerhaftung Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 6 Rn. 52. 225 Ausführlicher zu den Voraussetzungen einer Analogie noch unten § 3 D. III. 3. „Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB“, S. 99 ff. 226 Noch im Zusammenhang mit der alten Regelung § 282 BGB a. F. BAG v. 17. 9. 1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141 (143). 227 Ob § 619a BGB darüber hinaus auch Pflichtverletzungen erfasst, die durch nicht betrieblich veranlasste Tätigkeiten verursacht wurden, ist umstritten, dafür wohl BAG v. 18. 7. 2006 – 1 AZR 578/05, NZA 2007, 462 (463); dagegen beispielsweise Otto/Schwarze/ Krause-Otto, Haftung des AN, § 6 Rn. 54 f.; ErfK-Preis, § 619a BGB Rn. 4. 228 S. nur BAG v. 17. 9. 1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141 (144) m. w. N.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
83
2. Gewerkschaft als Schuldner beweisnäher
Bei der Frage, ob die Gewerkschaft die Rechtslage sorgfältig und gewissenhaft geprüft hat, ist die Gewerkschaft als Schuldner beweisnäher. Zwar kann auch im Streik argumentiert werden, dass der Arbeitgeber die Organisationsherrschaft innehat.229 Doch geht es bei der Frage nach dem Vertretenmüssen nicht um Fragen der Betriebsorganisation: Entscheidend ist nicht, wie die Arbeitnehmer ihre Arbeit niedergelegt haben, sondern ob sie das durften. Das „Ob“ ist aber eine Frage der Rechtslage, nicht der Betriebsorganisation. Der Arbeitgeber kann nicht nachweisen, ob die Gewerkschaft die Rechtslage sorgfältig geprüft hat. Diese Information liegt in der Sphäre der Gewerkschaft. Anders als bei der Haftung der Arbeitnehmer besteht bei der Haftung der Gewerkschaft gerade kein Informationsgefälle zugunsten der Arbeitgeberseite. Daher trifft der Zweck des § 619a BGB – Beweislast trägt beweisnäherer Gläubiger – nicht auf die Gewerkschaftshaftung zu. Vielmehr ist die Gewerkschaft als Schuldner beweisnäher. 3. Zwischenergebnis
Der Zweck des § 619a BGB, dem beweisnäheren Gläubiger die Beweislast aufzubürden, greift bei der Haftung der Gewerkschaft nicht, da die Gewerkschaft als Schuldner beweisnäher ist. Damit fehlt es – unabhängig von der planwidrigen Regelungslücke – an einer vergleichbaren Interessenlage. Es bleibt bei der gesetzlichen Regelung des § 280 I 2 BGB: die Gewerkschaft hat zu beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.230 III. Zwischenergebnis
Nach § 276 I 1 BGB hat die Gewerkschaft Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Gewerkschaft nach einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechtslage vorhersehen konnte, dass der Streik mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Nach § 280 I 2 BGB trägt die Gewerkschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Das Verschulden ihrer Organe (§ 31 BGB) und ihrer Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) muss sich die Gewerkschaft zurechnen lassen.231 229 Zur Organisationsherrschaft noch unten § 3 D. III. 3. a) aa) „Verantwortlichkeit durch Organisationsherrschaft“, S. 101. 230 Im Ergebnis so auch DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 117, allerdings ohne Diskussion, ob § 619a BGB analog anzuwenden ist. 231 Ausführlich zur Zurechnung der Handlungen der Organe nach § 31 BGB und der Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB bereits oben § 3 B. III. „Zurechnung der Friedenspflichtverletzung“, S. 65 ff.
84
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
D. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB Art und Umfang des Schadensersatzes richtet sich nach den Regelungen der §§ 249 ff. BGB. Grundsätzlich hat der Schuldner nach § 249 I BGB den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Umstand, der zum Schadensersatz verpflichtet, ist die Pflichtverletzung, also die teilweise unmöglich gewordene Friedenspflicht.232 Es ist somit der Zustand herzustellen, der ohne Friedenspflichtverstoß bestünde. Weil die Arbeitgeberseite regelmäßig noch Interesse an der gegenwärtigen und zukünftigen Friedenspflicht, also der übrigen Teilleistung hat233, kann sie nach § 283 S. 2 BGB i. V. m. § 281 I S. 2 BGB Ersatz des unmöglich gewordenen Teils verlangen (sog. kleiner Schadensersatz). Wäre die Gewerkschaft ihrer Pflicht nachgekommen, hätte kein Streik stattgefunden. Folglich hat die Gewerkschaft grundsätzlich alle Schäden zu ersetzen, die durch den Streik entstanden sind. Handelt es sich um einen Verbandstarifvertrag, wird nicht der Arbeitgeberverband bestreikt, sondern seine Mitglieder.234 Der streikbedingte Schaden tritt daher grundsätzlich nicht beim Arbeitgeberverband auf, sondern bei seinen bestreikten Mitgliedern. Mangels ersatzfähigen Schaden hat der Arbeitgeberverband also typischerweise keinen eigenen Schadensersatzanspruch gegen die Gewerkschaft. Etwas anderes ist allenfalls in Konstellationen denkbar, in denen der Arbeitgeberverband streikbedingt Unterstützungsleistungen an seine Mitglieder zahlt und daher einen eigenen streikbedingten Schaden vorweisen kann. Zum ersatzfähigen Schaden zählt gem. § 252 S. 1 BGB auch der entgangene Gewinn. Das zivilrechtliche Haftungssystem sieht dabei grundsätzlich keine summenmäßige Haftungsbegrenzung vor.235 Vielmehr ist der Schuldner zum Schadensersatz in voller Höhe verpflichtet (sog. Grundsatz der Total reparation236). Damit verfolgt das Schadensrecht neben dem Präventionszweck 232 Dazu bereits oben § 3 B. II. 2. b) cc) „Vollständiger oder nur Teilausschluss der Leistungspflicht?“, S. 62. 233 Dazu bereits oben § 3 B. II. 2. b) cc) (2) „Interesse des Arbeitgebers an der Teilleistung als weitere Voraussetzung?“, S. 63. 234 Dazu bereits oben unter § 3 A. II. 2. „Anspruch auf Leistung an den Dritten“ S. 43. 235 Vgl. auch Däubler, AuR 2017, 232 (236): „Das Schadensrecht kennt keinen allg. Grundsatz, wonach die Haftung des Schädigers dann endet, wenn seine Existenz gefährdet ist.“. 236 Dazu Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 349 f.; Schulze-Schulze, Vor §§ 249 – 253 BGB Rn. 10 f.; auch „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ genannt; im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerhaftung s. Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 1 Rn. 5 m. w. N.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
85
vor allem einen Ausgleichszweck.237 „Eine sanktionierende Wirkung ist dem Schadensersatzrecht im Allgemeinen fremd; auch die Schadensersatzpflicht bei rechtswidrigem Sreik hat Ausgleichs- und keine Sanktionsfunktion.“238 I. Haftungsausfüllende Kausalität
Die Pflichtverletzung muss kausal für den Schaden sein.239 Die Kausalität ist zu verneinen, wenn der Schaden auch bei rechtmäßigem Streik eingetreten wäre (sog. rechtmäßiges Alternativverhalten).240 Wann ein solches rechtmäßiges Alternativverhalten gegeben ist, hängt nach Ansicht des BGH vom Schutzzweck der jeweils verletzten Norm ab.241 Es ist also auf den Schutzzweck der Friedenspflicht abzustellen. Die (relative) Friedenspflicht bezweckt, dass die Tarifpartner es für die Dauer des bestehenden Tarifvertrags unterlassen, Forderungen mit Arbeitskampfmitteln durchsetzen, die darauf gerichtet sind, tariflich geregelte Gegenstände zu ändern.242 Ein Streik, der trotz Friedenspflicht ein bereits geregeltes Tarifziel durchsetzen will, ist damit rechtswidrig. Argumentiert werden könnte, dass die dadurch entstandenen Schäden dennoch nicht kausal sind, soweit die Gewerkschaft zum gleichen Zeitpunkt auch ohne Verletzung der Friedenspflicht für eine andere Tarifforderung hätte streiken können. Zweifelhaft ist aber, ob es sich dabei um eine mögliche Alternativhandlung handelt: Ist der Streik für eine andere Tarifforderung rechtmäßig, handelt es sich auch um einen anderen Streik, den der Arbeitgeber durch Erfüllung einer ande237 Zur Auslgeichsfunktion s. nur Dauner-Lieb/Langen-Magnus, Vorbemerkung §§ 249 – 255 S. 8 ff.; zur Präventionsfunktion s. nur Dauner-Lieb/Langen-Magnus, Vorbemerkung §§ 249 – 255 S. 11 f., jeweils m. w. N.; im Zusammenhang mit der Schadenszurechnung beim Streik Larenz, NJW 1959, 865 ff. 238 BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1551). 239 Dazu etwa Musielak, JA 2013, 241 ff. 240 Allgemein zum rechtmäßigen Alternativverhalten s. v. Caemmerer, Überholende Kausalität (1962) S. 30 ff.; Hanau, Pflichtmäßiges Alternativverhalten (1971); Gotzler, Rechtmäßiges Alternativverhalten (1977); Deutsch, Ersatz reiner Vermögensschäden, in: FS Henckel (1995), S. 79 (S. 92 f.); Lange/Schiemann, Schadensersatz (2003) S. 205; im Zusammenhang mit rechtswidrigen Arbeitskämpfen Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1226 f.; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 129; im Zusammenhang mit der Verletzung der Friedenspflicht BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1551); BAG NJW 1959, 908 (909); dazu Anmerkungen Larenz, NJW 1959, 865; Niederländer, JZ 1959, 617; s. ebenfalls Willemsen/Mehrens, NZA 2013, 1400 (1402 f.). 241 St. Rspr. s. nur BGH NJW 2012, 2022 (2023), Rn. 17; so auch Hessisches LAG v. 5. 12. 2013 – 9 Sa 592/13 Rn. 157 – juris; vgl. auch Willemsen/Mehrens, NZA 2013, 1400 (1402 f.). 242 Ausführlich zum Inhalt der Friedenspflicht bereits oben § 3 B. II. 1. „Inhalt der Friedenspflicht“, S. 46 ff.
86
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
ren Forderung verhindern kann.243 Jede Tarifforderung beeinflusst die Verteidigungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite. Sie stellt sich auf die Forderungen ein und richtet ihr Verhandlungsangebot und ihre Kampfstrategie entsprechend aus.244 Ein Streik, der nicht die friedenspflichtwidrige Forderung zum Ziel hat, ruft nicht exakt dieselben Folgen hervor. Vielmehr hätte die Arbeitgeberseite anders reagieren können. Damit fehlt eine mögliche Alternativhandlung. „Andernfalls würde im Rahmen von Zurechnungserwägungen an die Stelle eines aus materiellen Gründen rechtswidrigen Streiks ein Streik mit anderem Inhalt und auf anderer Grundlage gesetzt.“245
Gleiches gilt, wenn die Gewerkschaft friedenspflichtwidrig streikt und später einwendet, der Streik hätte zu einem späteren Zeitpunkt rechtmäßig durchgeführt werden können. „Im Arbeitskampfrecht würden Vereinbarungen über eine Friedenspflicht illusorisch sein, wenn man sich zur Berücksichtigung eines möglichen anderen, und zwar dann zulässigen Streiks als Reserveursache herbeiließe.“246
Da eine mögliche Alternativhandlung fehlt, ist der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens beim friedenspflichtwidrigen Streik folglich unerheblich. II. Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung
Im Rahmen eines Streiks kann die Schadenssumme sehr hoch werden. So titelten Tagesblätter und Nachrichtenmagazine zum Ende des zehntätigen Streiks der GDL bei der Deutschen Bahn im Mai 2015, dass der Schaden mindestens 100 Millionen Euro betrage.247 Hohe Schäden entstehen aber nicht nur bei Streiks von Arbeitnehmern mit Schlüsselpositionen, wie hier etwa der Lokführer, sondern auch in den übrigen Fällen: Das Wesen des Arbeitskampfs ist 243 So jüngst das BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1551); zustimmend Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 100 f.); Meyer, SAE 2017, 7 (10); v. Steinau-Steinrück, NJW-Spezial 2016, 498 (499); kritisch Däubler, AuR 2017, 232 (234); Fischer, jM 2017, 149 (150 f.); s. zudem Benecke, ZfA 2018, 2 (14). 244 Zwar im Zusammenhang mit der Rührei-Theorie, aber mit parallel laufender Argumentation BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1549). 245 BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1551). 246 BAG v. 31. 10. 1958 – 1 AZR 632/57, BAGE 6, 321 = NJW 1959, 356; zustimmend Larenz, NJW 1959, 865 (866). 247 S. beispielsweise Handelsblatt, 100 Millionen Euro Schaden durch GDL-Streik, abrufbar im Internet: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/ bahn-zieht-bilanz-100-millionen-euro-schaden-durch-gdl-streik/11762288.html (Stand: 29. 4. 19).
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
87
gerade, den Tarifpartner schmerzlich zu treffen und ihn so kurzfristig an den Verhandlungstisch zu zwingen.248 Je höher der drohende Schaden, desto höher der Verhandlungsdruck – durch schnelle Einigung kann der Arbeitgeber Schäden vermeiden. Arbeitskämpfe mit nur geringer Schadenskraft sind dazu weniger geeignet.249 Diesem hohen Schadenspotential von Arbeitskämpfen stehen die möglicherweise nicht schadensdeckenden Vereinsvermögen der Gewerkschaften gegenüber. Der Grundsatz der Totalreparation aus §§ 249 ff. BGB und das daraus resultierende Damoklesschwert einer unbeschränkten Haftung könnte dazu führen, dass die Gewerkschaft um ihre Existenz fürchtet und im Zweifelsfall Streiks gänzlich unterlässt. Das wiederum könnte die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährden. Im Rahmen des Verschuldens wurde bereits herausgearbeitet, dass das „ bewegliche“ Arbeitskampfrecht zu Unsicherheiten führt250: Nicht immer ist im Vorhinein mit Sicherheit einzuschätzen, ob ein Streik rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ob also eine Haftung droht oder nicht.251 Da die Rechtsprechung nur typische Grenzfälle herausarbeitet und praktikable Faustformeln fehlen 252 , darf die Gewerkschaft in höchstrichterlich noch nicht abgesichertem Raum handeln und arbeitskampfrechtliches Neuland betreten.253 Ebenfalls aufgezeigt wurde, dass die Parität zwischen den Tarifpartnern und damit die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährdet ist, wenn die Gewerkschaft unfähig ist, einen wirksamen Arbeitskampf zu führen.254 Das ist der Fall, wenn das Haftungssystem so ausgestaltet ist, dass die drohende Haftung die Gewerkschaft von „unsicheren“, sich als rechtmäßig herausstellenden Streiks abhält.255 Auf Ebene des Verschuldens wird dem bereits Rechnung getragen, indem die Gewerkschaft von dem Schuldvorwurf und damit dem Haftungsrisiko befreit wird, soweit beachtliche Gründe für die Zulässigkeit des Streiks sprechen und 248 Zum Arbeitskampf als Druckmittel bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff. 249 Dazu bereits oben § 3 C. I. 2. „Hohes Schadenspotential wirkt existenzbedrohend“, S. 73 ff. 250 Dazu § 3 C. I. 1. „Bewegliches Arbeitskampfrecht führt zu Unsicherheiten“, S. 71 f. 251 Dazu beispielsweise Krause, JbArbR 2008, 23 (25). 252 S. ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 130; Treber, SR 2013, 140 (143). 253 Dazu bereits oben § 3 C. I. 1. „Bewegliches Arbeitskampfrecht führt zu Unsicherheiten“, S. 71 f. 254 Dazu § 3 C. I. 3. „Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch hohes Haftungsrisiko“, S. 75. 255 Dazu § 3 C. I. 3. a) „Fehlendes Druckmittel bei unsicherer Rechtslage“, S. 75.
88
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
die unsichere Rechtslage anders nicht geklärt werden kann.256 Fraglich ist, ob es darüber hinaus auf Rechtsfolgenseite eines Instrumentariums bedarf, aufgrund dessen die Gewerkschaft trotz Verschulden teilweise von der Haftung befreit wird. Das ist der Fall, soweit die unbeschränkte Haftung bei fahrlässigem (1.) oder vorsätzlichem (2.) Handeln der Gewerkschaft ebenfalls geeignet ist, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonmie zu gefährden. 1. Gefährdung einer funktionsfähigen Tarifautonomie auch bei Fahrlässigkeit
Auch in Konstellationen, in denen es unwahrscheinlich ist, dass der Streik als rechtmäßig eingestuft wird, muss die Gewerkschaft ausloten können, wo die Grenzen des Arbeitskampfsrechts verlaufen und wo Grauzonen bestehen. Nur so kann sie beispielsweise auf eine Rechtsprechungsänderung hinwirken. Beispiel: Die Gewerkschaft G streikt zur Durchsetzung eines Tarifvertrags für Beamte.257 Sie handelt insoweit fahrlässig, weil es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Streik durch die Rechtsprechung als rechtswidrig eingeordnet wird. Gleichzeitig ist es aufgrund der völker- und europarechtlichen Wertungen und entsprechenden Ansichten im Schrifttum jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, dass sich die höchstrichterliche Rechtsprechung258 und die herrschende Meinung in der Literatur ändert. Diese Tatsache (Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Streiks) ist nicht feststellungsfähig259: Die Feststellungsklage dient gerade nicht dazu, dass das Gericht abstrakte Rechtsgutachten erstellt, ohne dass ein konkretes Rechtsverthältnis vorliegt. Daher ist eine Feststellungsklage unzulässig. Um herauszufinden, ob das Gericht inzwischen eine andere, völkerrechtsfreundliche Ansicht vertritt, hat G folglich nur die Option zu streiken und auf ein Schadensersatzverfahren zu warten.
Solange es nicht völlig ausgeschlossen ist, dass sich die Rechtsprechung und damit die Beurteilung des Streiks ändert, kann sich die Gewerkschaft auf ihr Recht auf Grenzinitiative aus Art. 9 III GG berufen. Ansonsten würden bestehende höchstrichterliche Erkenntnisse zementiert und das Tarifwesen könnte sich nicht weiterentwickeln.260 Das gilt umso mehr, berücksichtigt man, dass sich das richterrechtliche Arbeitskampfrecht in den letzten Jahrzehnten des 256 Dazu
S. 77.
§ 3 C. I. 4. „Konkretisierung der erforderlichen Sorgfalt im Arbeitskampf“,
257 S. dazu bereits das Beispiel unter § 3 C. I. 4. b) „Hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit des Streiks“, S. 80. 258 Mit BVerfG v. 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NJW 2018, 2695 ist ein Rechtssprechungswechsel allerdings in weite Ferne gerückt. 259 Zur fehlenden Feststellungsfähigkeit von Tatsachen (Ausnahme: Echtheit von Urkunden, § 256 I ZPO) s. nur MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 ZPO Rn. 28. 260 S. Seiter, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 62; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 120.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
89
Öfteren verändert hat.261 Im Widerspruch dazu steht der Grundsatz der Total reparation, wonach die Gewerkschaft in unbeschränkter Höhe für entstandene Schäden haftet. Wie bereits im Rahmen des Verschuldens dargelegt, ist das hohe, schwer kalkulierbare Schadenspotential von Streiks geeignet, auf Gewerkschaften existenzbedrohend zu wirken.262 Das gilt auch für fahrlässig handelnde Gewerkschaften. Haftet die Gewerkschaft bei fahrlässigem Handeln unbeschränkt, ist sie nicht mehr fähig zu streiken, so dass die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährdet ist. 2. Keine Unsicherheit bei vorsätzlichem Handeln der Gewerkschaft
Etwas anderes gilt bei vorsätzlichem Handeln: Der Gewerkschaft ist Vorsatz vorzuwerfen, wenn sie einerseits weiß, dass der Streik eine Pflicht verletzt, und andererseits den pflichtwidrigen Streik auch will. Beispiel: Die Gewerkschaft G weiß zwar, dass der Entgelttarifvertrag und die damit verbundene relative Friedenspflicht noch 18 Monate läuft. Sie drängt dennoch auf einen neuen Entgelttarifvertrag mit angepassten Gehältern, weil das Unternehmen U zur Zeit besonders große Gewinne erzielt. Obwohl G von der Friedenspflicht weiß, will sie den friedenspflichtwidrigen Streik, um U zum Tarifabschluss zu zwingen.
Es handelt sich also typischerweise um Situationen, in denen es sich eindeutig um einen rechtswidrigen Streik handelt. Der Gewerkschaft geht es dann nicht darum, eine Grenze auszutesten. Sie weiß, dass die Grenze definitv überschritten ist, und will die Grenzüberschreitung auch. Die Gewerkschaft streikt vielmehr, obwohl ihr die Rechtswidrigkeit bewusst ist. Es herrscht gerade keine Unsicherheit, die es rechtfertigt, die Gewerkschaft vor einer unbeschränkten Haftung zu schützen. Daher hat sie das volle Haftungsrisiko zu tragen. 3. Übermaßverbot fordert Einschränkung der gewerkschaftlichen Haftpflicht
Obwohl die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährdet ist, wenn die Gewerkschaft bei Fahrlässigkeit unbeschränkt haftet, fehlen entsprechende Spezialnormen, wie etwa eine Haftungsbegrenzung als Ausnahme vom Prinzip der Totalreparation.263 Aufgrund des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots264 261 DäublerAK-Nitsche, 262
S. 73.
§ 22 Rn. 120. Dazu bereits oben § 3 C. I. 2. „Hohes Schadenspotential wirkt existenzbedrohend“,
263 Zur summenmäßigen Begrenzung der Haftung der Gewerkschaft durch tarifvertragliche Regelung s. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1216. 264 Zur Herleitung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots (synonym: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) BVerfG v. 15. 12. 1965 – 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342 = NJW
90
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
darf die Haftpflicht der Gewerkschaft aber nicht dazu führen, dass „übermäßig“, also unverhältnismäßig in die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft eingegriffen wird.265 „Auch das Recht der Schadenszurechnung [bleibt nicht] vom verfassungsrechtlichen Übermaßverbot […] unberührt […].“266 Das gilt mit Blick auf die Koalitionsfreiheit umso mehr, bedenkt man, dass Art. 9 III 2 GG im Unterschied zu allen anderen Grundrechten eine unmittelbare Drittwirkung anordnet. Das Arbeitskampfrecht braucht also einerseits ein Instrumentarium, das eine Aushöhlung von Art. 9 III GG verhindert.267 Andererseits ist den Grundrechten der Arbeitgeberseite, auf die durch rechtswidrige Streiks ungerechtfertigt eingewirkt wird, – und damit im Ergebnis der Ausgleichsfunktion 268 – soweit wie möglich Geltung zu verschaffen. Diese widerstreitenden Interessen machen deutlich, wie wichtig ein ausgewogenes Haftungssystem ist: Ist die Haftung der Gewerkschaft zu streng, besteht die Gefahr, dass die Gewerkschaft einen Streik im Zweifel unterlässt und möglicherweise von einem rechtmäßigen Streik abgehalten wird. Dann verschiebt sich die Verhandlungsmacht zugunsten der Arbeitgeberseite. Ist die Haftung zu mild, besteht die Gefahr, dass die Gewerkschaft Schadensersatzansprüche in Kauf nimmt und vermehrt rechtswidrige Streiks durchführt. Dann verschiebt sich die Verhandlungsmacht zugunsten der Gewerkschaft. Allein ein ausgewogenes Haftungssystem kann sicherstellen, dass die Parität zwischen den Tarifpartnern und damit eine funktionsfähige Tarifautonomie gewährleistet ist. Ein vernünftiger Kompromiss zwischen die-
1966, 243 (244): „In der Bundesrepublik Deutschland hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist.“; s. ebenfalls Canaris, JZ 1987, 993 (994). 265 Bereits Canaris, JZ 1987, 993 ff.; Canaris, JZ 1988, 494 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999) S. 51 zog das Übermaßverbot im Zusammenhang mit der Einstandspflicht für außerordentlich hohe Schäden heran und löste den Verstoß dagegen mit Hilfe einer Reduktionsklausel über den Rechtsmissbrauchseinwand gem. § 242 BGB. 266 Canaris, JZ 1987, 993 (1001). 267 BAG Großer Senat v. 27. 9. 1994 – GS 1/89, BAGE 78, 56 = NZA 1994, 1083 (1085 f.); s. auch DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 155: „Bereits die Kenntnis des sozialen Gegenspielers, dass sich sein Tarifpartner einer seiner Finanzkraft erheblich schmälernden Forderung ausgesetzt sieht, wirkt sich nachteiligt auf dessen Bereitschaft aus, zu einem auf für die Gewerkschaft tragfähigen Kompromoiss zu kommen. Ein gleichermaßen unbegrenztes Risiko für die Arbeitgeberseite existiert nicht. […] Dieses Ungleichgewicht der mit Arbeitskämpfen verbundenen Risiken verlangt jedenfalls dann nach einem Ausgleich, wenn dies zu einer gewichtigen Störung des Gleichgewichts beider Tarifpartner führt.“. 268 Dazu bereits oben unter „Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB“, S. 84 ff.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
91
sen Interessen ist eine „Grundaufgabe – und zugleich ein Grunddilemma – des Schadensersatzrechts“269. Gefordert ist ein Instrumentarium, welches das Risiko, das mit der unsicheren Rechtslage einhergeht, ausgewogen auf die Tarifpartner verteilt. Ein solches Instrumentarium ist die Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln.270 Abweichend vom Grundsatz der Totalreparation ist die Haftung begrenzt, beispielsweise durch eine starre oder flexible Haftungsobergrenze.271 Die Gewerkschaft trägt das Haftungsrisiko dann nicht mehr voll. Vielmehr wird ein Teil des Schadens und damit des Risikos auf die Arbeitgeberseite abgewälzt. Zu untersuchen bleibt, ob und wenn ja inwieweit de lege lata, also im Rahmen geltenden Rechts272 , eine Haftungsbeschränkung zugunsten der Gewerkschaften herzuleiten ist. Denkbar ist auch, den schutzrechtlichen Gehalt der Koalitionsfreiheit in den Vordergrund zu stellen 273 und mit dem verfassungsrechtlichen Untermaßverbot zu argumentieren: Nach dem Untermaßverbot muss die Rechtsordnung ein Mittel zur Verfügung stellen, das „insgesamt gesehen und für typische Gefahrenlagen einen effizienten Schutz der grundrechtlichen Güter gewährleistet.“274 Im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerhaftung argumentiert das BAG: „Keine bürgerlichrechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu den Prinzipien stehen, die in den Grundrechten zum Ausdruck kommen (…). Das gilt auch für die gesetzlichen Haftungsgrundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches. Mit ihren wirtschaftlichen Folgen wirken sie sich unter Umständen sehr einschneidend auf die allgemeine Lebensgestaltung und Berufsausübung der Schaden269
Canaris, JZ 1987, 993 (995). einem ähnlichen Schluss gelangt Däubler, AuR 2017, 232 (236 f.), indem er zugunsten der Gewerkschaft aus dem Bestandsschutz der Koalition das Recht ableitet, bei fahrlässigem Verhalten nicht mit existenzgefährdenden oder existenzvernichtenden Sanktionen belegt zu werden: „Die vielfältigen Absicherungen des Bestands wären gegenstandslos, könnte ein einmaliges Fehlverhalten jede weitere Arbeit unmöglich machen.“. 271 Dazu noch unten § 3 D. III. „Entwicklung einer Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln“, S. 92 ff. 272 Zur Erinnerung: „Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren.“, BVerfG v. 14. 2. 1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 = NJW 1973, 1221 (1225); s. zudem bereits § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff. 273 Zur grundrechtlichen Schutzpflicht in Bezug auf den Streik s. Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol (2018) S. 254 ff. 274 Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999) S. 77; dazu, dass Art. 9 III GG verlangt, dass den Koalitionen ein wirksames Instrumentarium zur Verfügung gestellt wird, um ihnen die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu ermöglichen, Krause, JbArbR 2008, 23 (32). 270 Zu
92
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
ersatzpflichtigen aus. Damit berühren sie die Schutzbereiche des Art. 2 I GG und des Art. 12 I GG. (Der Gesetzgeber) muß (…) die objektivrechtlichen Vorgaben beachten und bei strukturellen Ungleichgewichtslagen schützend eingreifen, um einen angemessenen Ausgleich der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner zu ermöglichen (…). Dabei gebührt ihm zwar ein weiter Gestaltungsspielraum, die Vernachlässigung der unterschiedlichen Vertragsstärke im Arbeitsleben und die einseitige Belastung des Arbeitnehmers mit dem vollen Haftungsrisiko ohne Rücksicht auf das Betriebsrisiko des Arbeitgebers wären mit dem Grundsatz nicht vereinbar. (…) Obwohl eine spezielle Regelung der Arbeitnehmerhaftung fehlt, lassen sich verfassungswidrige Ergebnisse bei entsprechender Anwendung des § 254 BGB und verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift vermeiden (…).“
4. Zwischenergebnis
Eine Gewerkschaft, die vorsätzlich rechtswidrig streikt, ist nicht von dem Risiko einer unbeschränkten Haftung zu befreien, also nicht besser zu stellen als andere Schuldner. Besonderheiten des Arbeitskampfrechts stehen dem nicht entgegen. Nach dem Grundsatz der Totalreparation der §§ 249 ff. BGB hat die Gewerkschaft dann sämtliche Schäden zu ersetzen, die durch den (friedens-) pflichtwidrigen Streik entstanden sind. Eine Haftungsbeschränkung ist bei Vorsatz nicht erforderlich. Bei Fahrlässigkeit hingegen darf das „bewegliche“ Arbeitskampfrecht mit seinen unsicheren Rechtslagen nicht dazu führen, dass die Gewerkschaft aus Furcht vor einer Haftung rechtmäßige Streiks unterlässt, sodass die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährdet ist. Als Instrumentarium kommt dafür eine näher zu untersuchende Haftungsbeschränkung in Betracht. III. Entwicklung einer Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln
Obwohl Spezialnormen fehlen, befinden sich die Tarifvertragsparteien nicht im luftleeren Raum. Da die Rechtsordnung möglichst widerspruchsfrei auszulegen ist (sog. Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung 275), sind die Wertungen der §§ 249 ff. BGB zu beachten. Die schadensrechtlichen Folgen des Arbeitskampfs sind nach Möglichkeit in das Zivilrecht zu integrieren.276 „Insbesondere sollten als angemessen empfundene Ergebnisse soweit wie möglich unter Zuhilfenahme allgemeiner zivilrechtlicher Denkfiguren entwi275 Zum Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung s. überblicksartig Reimer, Juristische Methodenlehre (2016) Rn. 331 m. w. N. 276 Im Zusammenhang mit den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung s. Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 1 Rn. 1.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
93
ckelt werden.“277 Aber das BGB hat sich im Grundsatz gegen eine Haftungsbegrenzung und damit auch gegen eine Differenzierung der Schadenshöhe nach dem Grad des Verschuldens entschieden.278 Doch wo es Regeln gibt, gibt es auch Ausnahmen. Daher ist zu prüfen, ob eine der bestehenden Ausnahmen verfassungskonform ausgelegt werden kann 279, sodass sich die Gewerkschaft darauf berufen kann (1.). Da die verfassungskonforme Auslegung wie alle Auslegungsformen durch den Wortlaut der Norm begrenzt wird 280, dürfen die Tatbestandsvoraussetzungen der Normen nicht zu eng formuliert sein, um einen ausreichenden Spielraum zu bieten. Ist die Wortlautgrenze überschritten, kommt zugunsten der Gewerkschaft eine Rechtsfortbildung in Gestalt der Analogie in Betracht (2. und 3.). 1. Auslegung gesetzlicher Haftungsbeschränkungen
Das Gesetz sieht nur wenige Ausnahmen vom Grundsatz der Totalreparation vor, etwa im Rahmen der Gefährdungshaftung (a)), wie in § 12 StVG, oder bei Sonderkonstellationen der verschuldensabhängigen Haftung (b)), wie der Haftung des Frachtführers (§§ 431 I, 433 HGB), wo die Haftung summenmäßig begrenzt wird. Das allgemeine Schadensrecht weicht bei Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB) ausnahmsweise von dem Grundsatz der Totalreparation ab (c)).281
277 Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 1 Rn. 1 im Zusammenhang mit den Grundlagen der Arbeitnehmerhaftung. 278 Ausführlicher dazu Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 1 Rn. 5. 279 „Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf die Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften.“, BVerfG v. 31. 5. 2016 – 1 BvR 1585/13, NJW 2016, 2247 (2250); dazu, dass „Drittwirkung“ nach der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG nichts anderes als verfassungskonforme Auslegung ist Kulick, NJW 2016, 2236 (2238 ff.). 280 So die modifizierte Andeutungstheorie, die Auslegung und Rechtsfortbildung mit Hilfe des Wortlauts abgrenzt, s. nur BVerfG v. 21. 6. 2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 50 (75) ; Larenz, Methodenlehre (1991) S. 322; Fikentscher, Methoden des Rechts IV (1977) S. 294 ff.; Klatt, Theorie der Wortlautgrenze (2004) S. 102 ff., 278 ff.; Neuner, Rechtsfindung contra legem (2005) S. 90 ff.; vgl. auch Reimer, Juristische Methodenlehre (2016) Rn. 635; zur kritischen Kombination der „analogen und verfassungskonformen Anwendung“ s. Deutsch, RdA 1996, 1 (2); a. A. aber Höpfner, Systemkonforme Auslegung (2008) S. 281; Höpfner, DÖV 2006, 820 (822 f.) und Rüthers, JZ 2006, 53 (57 f.), die Auslegung und Rechtsfortbildung mit Hilfe des ursprünglichen Normzwecks abgrenzen. 281 S. MüKo-BGB-Oetker, § 254 BGB Rn. 2; Schulze-Schulze, § 254 BGB Rn. 1; Gick, JuS 1980, 393 (398).
94
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
a) Beschränkungen im Rahmen der Gefährdungshaftung
Die „klassische“ Ausnahme vom Prinzip der Totalreparation findet man in den Beschränkungen verschuldensunabhängiger Haftung, der Gefährdungshaftung, wie beispielsweise im Straßenverkehrsgesetz (§ 12 StVG), Umwelthaftungsgesetz (§ 15 UmweltHG), Arzneimittelgesetz (§ 88 AMG), Haftpflichtgesetz (§§ 9, 10 HPflG), Gentechnikgesetz (§ 33 GenTG), Luftverkehrsgesetz (§ 45 II 1 LuftVG), Atomgesetz (§ 31 AtG), Bundesdatenschutzgesetz (§ 8 III 1 BDSG), aber auch im BGB, z. B. bei der Haftung des Gastwirts (§ 702 I BGB).282 All diesen Ausnahmen ist gemein, dass sie Tätigkeiten erfassen, die zwar einerseits gesellschaftlich gewollt (Teilnahme am Straßenverkehr, Herstellung von Medikamenten), andererseits aber gefährlich sind, sodass selbst bei höchstmöglicher Sorgfalt gelegentlich Schäden nicht verhindert werden können.283 Um Beweisprobleme zu verhindern und weil der Inhaber der Gefahrenquelle auch die Vorteile aus ihr zieht, hat der Gesetzgeber eine verschuldensunabhängige Haftung geschaffen.284 Diese tatbestandlich strikte Haftung wird auf Rechtsfolgenseite mit Hilfe von Haftungsbeschränkungen wieder aufgelockert.285 Dahinter steht der Gedanke, dass erst eine summenmäßige Haftungsbegrenzung ermöglicht, sich gegen das Haftungsrisiko zu versichern.286 Bei unbeschränkter Haftung wäre das Haftungsrisiko schwer kalkulierbar, sodass die Versicherungsprämie und damit der finanzielle Aufwand entsprechend hoch wäre. Erst die Haftungsbeschränkung macht das Haftungsrisiko für den verschuldensunabhängig Haftenden versicherbar – sie gewährleistet, dass der Haftende seine Tätigkeit, die zugleich im Allgemeininteresse liegt, überhaupt ausübt und nicht aus Furcht vor einer existenzbedrohenden, unbeschränkten Haftung unterlässt.287 Da diese Haftungsbeschränkungen auf eng begrenzte Sonderkonstellationen zugeschnitten sind 288, bietet der jeweilige Wortlaut keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine verfassungskonforme Auslegung zugunsten der Gewerkschaft. Zudem ist ein wesentlicher Unterschied, dass die Haftung der Gewerkschaft nach den Normen des BGB keine verschuldensunabhängige, sondern eine ver282 Beispiele nach Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 29 f.; s. auch Bartelt, Beschränkung des Schadensumfangs durch das Übermaßverbot? (2004) S. 53. 283 Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 46. 284 Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 46 f. 285 Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 47. 286 Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 47 f. 287 Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 48. 288 Dazu, dass die Regelungen zur Beschränkung der Gefährdungshaftung in ihrem Anwendungsbereich eng beschränkt sind, auch Bartelt, Beschränkung des Schadensumfangs durch das Übermaßverbot? (2004) S. 53.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
95
schuldensabhängige Haftung ist. Die Beschränkungen der Gefährdungshaftung können nicht auf die Haftung der Gewerkschaft übertragen werden. b) Beschränkungen im Rahmen verschuldensabhängiger Haftung
Vereinzelt sieht das Gesetz auch summenmäßige Beschränkungen verschuldensabhängiger Haftung vor, wie etwa die bereits erwähnte Haftung des Frachtführers (§§ 431 I, 433 HGB).289 Auch in diesen Fällen soll die Haftungsbeschränkung regelmäßig sicherstellen, dass das Haftungsrisiko versicherbar ist und keine Existenz bedroht.290 Denn bereits geringfügige Fehler können in diesen Konstellationen zu exorbitanten Schäden führen.291 Im Zusammenhang mit der Haftung des Abschlussprüfers in § 323 II HGB heißt es im Gesetzesentwurf der Bundesregierung beispielsweise: „Eine unbegrenzte Haftung könnte den Berufsstand in seiner Existenz gefährden. Die Versicherbarkeit wäre nicht mehr gewährleistet.“292 Nur noch große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften könnten große Mandate übernehmen, da das unbeschränkte Haftungsrisiko für kleinere Gesellschaften existenzbedrohend wäre.293 Dieser Zweck der Norm kann zwar auf die Situation der Gewerkschaften übertragen werden. Auch kann beim Streik ein nur geringfügiges Versehen zu exorbitant hohen Schäden führen.294 Ihrem Wortlaut nach sind die vorhandenen Regelungen jedoch in gleicher Weise wie diejenigen zur Gefährdungshaftung sehr eng auf ihren speziellen Anwendungsbereich beschränkt, sodass allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht kommt, eine unmittelbare aber ausscheidet. c) Beschränkung bei Mitverschulden nach § 254 BGB
Möglicherweise ergibt sich aus § 254 BGB eine Haftungsbeschränkung zugunsten der Gewerkschaft. Hat der Beschädigte die Entstehung des Schadens mitverschuldet, hängen die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang von den Umständen ab (vgl. § 254 I BGB). Im Ergebnis kommt es zu einer Abwägung der verursachten und verschuldeten Beiträge von Schädiger und
289
Mit weiteren Beispielen Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 51 ff. dazu Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 53, der ebenfalls herausarbeitet, dass § 675v I 2, 1 BGB eine Ausnahme bildet. 291 Vgl. Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 52 m. w. N. 292 BT-Drucks. 13/9712 S. 29. 293 S. Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) 52, 82; vgl. ebenfalls MüKo-HGB-Ebke, § 323 HGB Rn. 7. 294 Dazu bereits oben unter § 3 D. II. „Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung“, S. 86 ff. 290 Ausführlicher
96
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Geschädigten.295 Das Mitverschulden kann nach § 254 II 1 BGB auch darin bestehen, dass der Geschädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Ist ein Streik rechtswidrig, trifft die Arbeitgeberseite beispielsweise keine Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 II 1 BGB, diesen Streik mit rechtlichen Mitteln abzuwehren. Auch besteht keine Pflicht oder Obliegenheit, den Tarifpartner auf die Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfmittels hinzuweisen. Ansonsten würde das legitime Kampfmittel leerlaufen, durch „Aushalten“ einer Arbeitskampfmaßnahme Gegendruck aufbauen zu können.296
Grundgedanke des § 254 BGB ist, dass der Geschädigte Schadensersatz insoweit nicht fordern kann, als er den Schaden selbst wesentlich (mit-)verursacht hat, eine Schadensursache also aus seinem eigenen Verantwortungsbereich stammt.297 In diesem Fall ist der Schaden nicht mehr allein dem Schädiger zuzurechnen. Ein Gläubiger, der vollen Schadensersatz verlangt, verhält sich damit widersprüchlich. „Der Sinn des Mitverschuldenseinwandes liegt darin, daß der Geschädigte mit Rücksicht auf eigenes früheres Verhalten gerade dem Schädiger gegenüber mit seiner Forderung nach voller Schadloshaltung billigerweise keinen Erfolg haben darf.“298
Den Erfolg verhindert § 254 BGB, indem er die Verantwortungsbereiche von Schädiger und Geschädigten abgrenzt und einen angemessenen Ausgleich sucht.299 Im Ergebnis konkretisiert § 254 BGB damit den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium).300 Daneben ist 295 S. nur BGH v. 24. 9. 2013 – VI ZR 255/12, NJW 2014, 217; BGH v. 6. 6. 2013 – IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345 (2347); BGH v. 7. 2. 2006 – VI ZR 20/05, NJW-RR 2006, 672 (674); MüKo-BGB-Oetker, § 254 BGB Rn. 2. 296 BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1550); kritisch aber DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 151 ff. 297 BGH v. 11. 5. 1971 – VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163 = NJW 1971, 1883 (1886); BGH v. 15. 1. 1974 – VI ZR 137/72, NJW 1974, 797 (798); vgl. auch Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 135 f., S. 140 f. 298 BGH v. 3. 2. 1970 – VI ZR 177/68, NJW 1970, 756. 299 Dazu Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 116 f.; vgl. auch Deutsch, JZ 1971, 244 (248). 300 S. nur BGH v. 14. 3. 1961 – VI ZR 189/59, BHGZ 34, 355 = NJW 1961, 655 (657); BGH v. 3. 2. 1970 – VI ZR 177/68, NJW 1970, 756; BGH v. 9. 5. 1978 – VI ZR 212/76, NJW 1978, 2024 (2025); BGH v. 22. 9. 1981 – VI ZR 144/79, NJW 1982, 168; BGH v. 17. 6. 2014 – VI ZR 281/13, NJW 2014, 2493 (2494); BGH v. 28. 4. 2015 – VI ZR 206/14, NJW-RR 2015, 1056 (1057); s. auch Bartelt, Beschränkung des Schadensumfangs durch das Übermaßverbot? (2004) S. 49; ausführlich dazu Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 146 ff., insb. S. 150, 153, der allerdings anmerkt, dass die Parallele zu § 242 BGB
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
97
§ 254 BGB auch Ausdruck des Verantwortlichkeitsprinzips: Es geht um die gerechte Verteilung von Schäden, die in den Verantwortungsbereich sowohl des Schädigers als auch des Geschädigten fallen.301 Nach § 254 I BGB muss die Arbeitgeberseite bei der Entstehung des Schadens, der aufgrund des (friedens)pflichtwidrigen Streiks entstanden ist, allerdings mitgewirkt haben. Das ist typischerweise aber nicht der Fall. Die Arbeitgeberseite wird im Gegenteil sogar versuchen, den Streik zu verhindern. Zwar kann argumentiert werden, sie hätte den Streik abwehren können, wenn sie den Forderungen der Gewerkschaft nachgekommen und einen entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen hätte. Zweck der Tarifautonomie ist es aber, ein Verhandeln auf Augenhöhe zu ermöglichen.302 Und zum Verhandeln gehört, dass sich beide Seiten aufeinander zubewegen und keine Seite einseitig ihre Forderungen diktiert. Die Arbeitgeberseite kann zwar mit dem Druckmittel des Streiks an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Ein Zwang zu einem bestimmten Tarifabschluss besteht jedoch nicht.303 Das widerspräche auch der kollektiven Privatautonomie: Eine Handlung ist nur autonom, soweit sie durch Selbstbestimmung und Unabhängigkeit geprägt ist304, die Arbeitgeberseite also in ihrer Entscheidung frei ist. Eine echte Mitwirkung des Arbeitgebers bei der Entstehung des Schadens ist daher zu verneinen. Damit scheidet eine direkte Anwendung des § 254 I BGB aus. d) Zwischenergebnis
Eine unmittelbare Anwendung bestehender gesetzlicher Ausnahme-Rege lungen einer Haftungsbeschränkung kommt nicht in Betracht. Eine verfassungskonforme Auslegung, die der Wertung des Art. 9 III GG Geltung verschafft, würde die Wortlautgrenze überschreiten und ist daher nicht zulässig. für die dogmatische Durchdringung des § 254 BGB wenig hilfreich ist; ebenfalls kritisch Greger, NJW 1985, 1130 (1132). 301 Ausführlich dazu Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 124 ff., 152. 302 S. nur Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie (2005) S. 58 f.; dazu bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff. 303 Die Tarifautonomie schafft gerade die Möglichkeit freien Verhandelns und Kontrahierens, s. Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie (2005) S. 58; dazu auch Ulber, Tarifdispositives Gesetzesrecht (2010) S. 278 ff., der die Tarif autonomie als Systemkorrektor der Privatautonomie einstuft, weil sie für die Vertragsbeziehungen der Tarifparteien einen funktionierenden Vertragsmechanismus schafft. 304 Zur Bedeutung und den Synonymen des Begriffs Autonomie s. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, abrufbar im Internet: http://www.duden.de/rechtschreibung/Autonomie (Stand: 29. 4. 19).
98
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
2. Haftungsbeschränkung analog §§ 431 I, III, 433, 323 II HGB
Denkbar ist, die Rechtsfolge der gesetzlich normierten Beschränkungen verschuldensabhängiger Haftung wie §§ 431 I, III, 433, 323 II HGB analog auf die Haftung der Gewerkschaft zu übertragen. Methodisch handelte es sich um eine Rechtsanalogie, bei der aus einer Vielzahl an Regelungen ein Prinzip herausgearbeitet und übertragen wird.305 Eine vergleichbare Interessenlage liegt vor: Bereits geringfügige Fehler können zu exorbitanten Schäden führen; eine unbeschränkte Haftung ist geeignet (mittlere und kleinere) Gewerkschaften in ihrer Existenz zu bedrohen; die Versicherbarkeit ist nicht gewährleistet.306 Die Rechtsfolgen der vorhandenen Regelungen sind allerdings sehr speziell und daher nicht sinnvoll auf die Haftung der Gewerkschaft übertragbar. Die Rechtsfolge von § 431 I HGB ist beispielsweise, dass die Entschädigung auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des Gutes begrenzt ist.307 Und nach § 431 III HGB ist die Haftung des Frachtführers wegen Überschreitung der Lieferfrist auf den dreifachen Betrag der Fracht limitiert. § 433 HGB wiederum lässt den Frachtführer bei sonstigen Vermögensschäden nur bis zum Dreifachen des Betrages haften, der bei Verlust des Guts zu zahlen wäre. Handeln Wirtschaftsprüfer (einfach oder grob) fahrlässig, beschränkt sich ihre Haftung nach § 323 II 1 HGB auf eine Million Euro für eine Prüfung. Keine dieser Rechtsfolgen passt unmittelbar auf die Haftung der Gewerkschaft. Die Haftungsgrenze von einer Millionen Euro für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kann als absolute Zahl zwar übertragen werden, sie ist aber auf die Vermögensverhältnisse von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zugeschnitten und nicht auf die der Gewerkschaften. Während eine Million Euro für die großen Gewerkschaften kein Risiko darstellen mag und die Pflicht zum Schadensersatz möglicherweise sogar an Präventionsfunktion verliert, kann eine solche Summe für kleinere Gewerkschaften nach wie vor existenzbedrohend wirken. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wäre weiterhin gefährdet. Die in den §§ 431 I, III, 433 HGB genannten Messgrößen einer Haftungsgrenze sind den dortigen sehr speziellen Sachverhalten geschuldet und beim Streik nicht wieder zu finden. Es gibt auch kein eindeutiges Äquivalent, das stattdessen einzusetzen ist, weil unterschiedliche Konzepte einer summenmäßi305 Allgemein zur Rechtsanalogie Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre (2008) S. 634, die feststellen, dass die Rechtsanalogie im Ergebnis auf eine systematische Auslegung hinausläuft. 306 Dazu bereits oben § 3 D. III. 1. b) „Beschränkungen im Rahmen verschuldensabhängiger Haftung“, S. 95. 307 S. aber Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 89 ff., der herausarbeitet, dass dieser Maßstab mit Art. 3 I GG unvereinbar ist.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
99
gen Haftungsbeschränkung der Gewerkschaft denkbar sind. Als Anknüpfungspunkt einer Haftungsobergrenze kommen beispielsweise die Beitragszahlungen der Gewerkschaftsmitglieder, das Vermögen der Gewerkschaft, die Anzahl der Streiktage oder die Mitgliederzahlen in Betracht. Welcher dieser Bezugspunkte ist vergleichbar zu den Messgrößen „Betrag der Fracht“ oder „Rohgewicht des Gutes“? Setzt man eines der möglichen Konzepte für die Haftung der Gewerkschaft fest, handelt es sich nicht mehr um eine Fortbildung des geltenden Rechts308: Da der Spielraum möglicher Rechtsfolgen sehr groß ist, würde keine bestehende Regelung übertragen, sondern eine neue etabliert. Damit würde nicht mehr das geltende Recht fortgebildet, sondern es würde neues Recht geschaffen. Das aber ist Aufgabe des Gesetzgebers. Er allein verfügt über die Legitimation, eine solche Regelung zu schaffen.309 „[D]ie Grenze richterlicher Rechtsfortbildung [liegt] dort, wo die geforderte Entscheidung nicht mehr allein mit rechtlichen Erwägungen begründet werden kann, sondern eine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte politische Entscheidung verlangt. Sie zu treffen, ist im demokratischen Staat grundsätzlich Sache des Gesetzgebers. Den Gerichten fehlt die Kompetenz, Sozialgestaltung zu betreiben.“310
Damit stößt die Rechtsfortbildung an ihre Grenze: Eine analoge Anwendung von §§ 431 I, III, 433, 323 II HGB und den anderen gesetzlich normierten Beschränkungen verschuldensabhängiger Haftung kommt daher nicht in Betracht. Eine Ausnahme ist allenfalls dann zulässig, wenn der Gesetzgeber dauerhaft versagt und daher ein echter Rechtsnotstand entstanden ist.311 Ein solcher Rechtsnotstand besteht aber nicht, wenn die Lücke (fehlende Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln) anderweitig geschlossen werden kann, beispielsweise durch eine Analogie zu § 254 I BGB (3.). 3. Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB
Da die Rechtsfolge von § 254 I BGB offen formuliert ist und ohne inhaltliche Neuerungen auf die Haftung der Gewerkschaft übertragen werden kann, kommt eine analoge Anwendung in Betracht. 308 „Freier ist [die Rechtsdogmatik], wenn das geltende Recht keine unmittelbaren Lösungen vorschreibt, z. B. im Bereich der Rechtsfortbildung. […] Sie ist aber auch dabei nicht vollkommen frei, da sie das geltende Recht fortbildet.“, Rückert/Seinecke, Methodik des Zivilrechts (2012) S. 24. 309 Larenz, Methodenlehre (1991) S. 427 f. 310 Larenz, Methodenlehre (1991) S. 427 f.; s. im Zusammenhang mit Kritik an der Bezeichnung des Richters als „Ersatzgesetzgeber“ oder „Art zweiter Gesetzgeber“ ebenfalls Neuner, Rechtsfindung contra legem (2005) S. 84: „[D]em Richter [fehlt] die verfassungsrechtliche Kompetenz zur autonomen Rechtssetzung.“. 311 Larenz, Methodenlehre (1991) S. 427.
100
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
a) Voraussetzungen der Analogie
Eine analoge Anwendung des § 254 I BGB setzt voraus, dass das positive Recht planwidrig unvollständig ist, also eine Lücke vorliegt.312 Zudem muss eine vergleichbare Interessenlage gegeben sein. Diese Voraussetzung ist mit dem allgemeinen, in Art. 3 GG positivrechtlich normierten Gleichheitssatz zu begründen.313 Der allgemeine Gleichheitssatz fordert, dass gesetzliche Wertungen „universalisiert“ werden.314 Ist die Interessenlage, die hinter zwei Sachverhalten steht (hier § 254 I BGB und Gewerkschaftshaftung) gleich, fordern die Wertungen des Gesetzes, dass beide Sachverhalte gleichbehandelt werden. Eine planwidrige Lücke liegt vor. Obwohl eine allgemeine Beschränkung der Gewerkschaftshaftung notwendig ist, um den verfassungsrechtlichen Wertungen des Art. 9 III GG und damit dem Untermaßverbot gerecht zu werden 315, fehlen derartige Spezialregelungen. Mehrfache Ansätze des Gesetzgebers, ein Arbeitsgesetzbuch zu schaffen, sind vielmehr erfolglos geblieben.316 Zwar ist unklar, ob ein solches Gesetz Regelungen zur Haftung der Gewerkschaft enthalten hätte. Festzuhalten ist aber, dass der Arbeitskampf vom „Gesetzgeber sich selbst“317 und damit im Ergebnis den Gerichten überlassen wurde. In diesem gesetzesfreien Bereich ist die Rechtsordnung damit lückenhaft.318 Zu untersuchen ist, ob der Grundgedanke des § 254 I BGB überhaupt auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeberseite und Gewerkschaft übertragen werden kann, also eine vergleichbare Interessenlage besteht. Allgemeine Billigkeitsargumente reichen dafür nicht aus.319 Vielmehr ist maßgeblich, ob der Zweck 312 Zur Lücke als Voraussetzung der Analogie grundlegend Canaris, Feststellung von Lücken (1983) S. 31 ff., insb. S. 39. 313 Allgemein zu den methodischen Voraussetzungen einer Analogie Canaris, Feststellung von Lücken (1983) S. 24 f., 56. ff., 72. ff. 314 Neuner, Rechtsfindung contra legem (2005) S. 106; 111. 315 Dazu bereits oben § 3 D. II. 3. „Übermaßverbot fordert Einschränkung der gewerkschaftlichen Haftpflicht“, S. 89. 316 Dazu bereits oben § 1 „Problemstellung“, S. 25 ff.; sowohl Ankündigungen der Reichsregierung von 1919 als auch Art. 30 des Einigungsvertrags zwischen BRD und DDR zeigen, dass der Gesetzgeber anstrebte, ein Arbeitsgesetzbuch zu kodifizieren. 317 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 953. 318 Zur Normsetzung durch Richterrecht im gesetzesfreien Bereich Neuner, Rechtsfindung contra legem (2005) S. 55 ff. 319 „Aus Gründen der methodischen Klarheit ist es in solchen Fällen jedoch geboten, die Analogie auf den spezifischen Gedanken des § 254 BGB zu stützen. Der allgemeine Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben ist demgegenüber nicht geeignet, die präzise Begründung der Analogie zu ersetzen.“, Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 155 im Zusammenhang mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 254 BGB durch die Rechtsprechung.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
101
des § 254 I BGB auch in der vorliegenden Konstellation greift: Geht es bei der Haftung der Gewerkschaft gegenüber der Arbeitgeberseite ebenfalls um die gerechte Verteilung von Nachteilen zwischen einem verantwortlich Handelnden und dem mitverantwortlichen Betroffenen nach dem Maß der Verantwortlichkeit?320 Entscheidend ist, ob es sich wie bei § 254 I BGB um eine Konstellation handelt, in welcher der Schaden in den gemeinsamen Verantwortungsbereich der Beteiligten fällt. Dafür ist herauszuarbeiten, welche Nachteile, welche Risiken in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen und im Rahmen der Schadensberechnung diesem daher zuzurechnen sind. aa) Verantwortlichkeit durch Organisationsherrschaft
Der Arbeitgeber entscheidet, wie er seinen Betrieb organisiert, unter welchen Umständen Waren produziert, Dienstleistungen erbracht, Werke hergestellt werden. Er schafft und steuert die Organisation, in die der streikende Arbeitnehmer eingegliedert ist. Damit beeinflusst der Arbeitgeber auch die Schadensrisiken eines Streiks: Er hat die Organisationsherrschaft inne und gestaltet die Rahmenbedingungen dafür, welche Auswirkungen ein Streik in seinem Betrieb hat.321 Bei einer Betriebsorganisation mit Just-in-time-Produktion322 wird beispielsweise nur die Stückzahl produziert, die zur Erfüllung der Aufträge benötigt wird. Damit steigt das Risiko eines höheren Schadens, weil es keine Lagerhaltung gibt und Lieferverpflichtungen schwieriger anderweitig erfüllt werden können. Durch derartige Organisationen des Betriebsablaufs erhöht der Arbeitgeber also sein Risiko, welches sich beim Streik im Umfang des Schadens niederschlägt.323 Indem dieser erhöhte Schaden dem Verantwortungsbereich der Arbeitgeberseite zugerechnet wird, werden die Risiken gerecht zwischen ihr und der Gewerkschaft verteilt. Zudem kann der Arbeitgeber sein Schadensrisiko durch vertragliche Vereinbarungen mit seinen Geschäftspartnern beschränken oder durch entsprechende
320 Im Kontext der Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 254 BGB Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 155. 321 Vgl. zur ähnlichen Argumentation im Zusammenhang mit der Begründung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung BAG Großer Senat v. 27. 9. 1994 – GS 1/89, BAGE 78, 56 = NZA 1994, 1083 (1085); Canaris, RdA 1966, 41 (45); Gamillscheg, AuR 1983, 317 (320); Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 1 Rn. 10; HWK-Krause, § 619a BGB Rn. 13; Bartelt, Beschränkung des Schadensumfangs durch das Übermaßverbot? (2004) S. 152 f. 322 Zur Just-in-time-Produktion bereits oben § 1 C. „Unsichere Rechtslage“, S. 32. 323 So auch die Argumentation im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung s. HWK-Krause, § 619a BGB Rn. 13.
102
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Preiskalkulationen und Versicherungen abwälzen (sog. Absorptionsprinzip).324 Fehlen derartige Vorkehrungen – unterlässt es der Arbeitgeber also, das Schadensrisiko zu mindern –, ist er bei Schadenseintritt mitverantwortlich.325 Die Wertungen des § 254 II 1 BGB zeigen, dass sich eine derartige Verantwortung auch durch Unterlassen begründen lässt. Diese Argumentation greift aber nur, soweit die Arbeitgeberseite durch ihre Betriebsorganisation oder ihr Risikomanagment tatsächlich ein erhöhtes Schadensrisiko schafft. Ausgangspunkt muss also ein gegenüber sonstigen Organisationsmöglichkeiten gesteigertes Risiko sein.326 Das ist freilich eine Einzelfallfrage und nicht in allen Konstellationen der Fall. Eine analoge Anwendung des § 254 I BGB auf sämtliche pflichtwidrige Streiks zur Begründung einer allgemeinen Haftungsbeschränkung kann daher nicht (allein) mit diesem Gedanken gerechtfertigt werden.327 Vielmehr müssen in Konstellationen „normaler“ Organisation weitere, tragende Zurechnungsgründe hinzutreten. bb) Gemeinsamer Verantwortungsbereich aufgrund der Tarifpartnerschaft
Art. 9 III GG gewährleistet eine funktionsfähige Tarifautonomie, also einen Vertragsmechanismus, der sicherstellt, dass die Tarifpartner auf Augenhöhe frei miteinander verhandeln und autonom Tarifverträge abschließen können.328 324 S. zum Absorptionsprinzip im Zusammenhang mit der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ausführlich Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 3 Rn. 13; zudem Däubler, NJW 1986, 867 (870); Denck, AuR 1988, 325 (328); Eberlein, BB 1989, 621 (623); Gamillscheg, Referat zum 45. DJT (1964) (S. 18 ff.); Gick, JuS 1980, 393 (398); Kleindiek, Deliktshaftung (1997) S. 384; Otto, Gutachten zum 56. DJT (1986) S. 37 f.; s. zur Versicherbarkeit als Argument der Schadenszurechnung Fuchs, AcP 191 (1991), 318 (339 ff.); Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 482 f.; vgl. zudem Bar, AcP 181 (1981), 289 (327). 325 Vgl. allgemein dazu Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 482 f., der allerdings darauf hinweist, dass die Annahme einer solchen Obliegenheit aufgrund der spezifischen Risikoverteilung im Rahmen des betreffenden Vertrages gerechtfertigt sein muss. 326 Zur vergleichbaren Argumentation im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung s. Otto/ Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 3 Rn. 14. 327 Auch im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung vermag die besondere Gefahrenlage, die der Arbeitgeber durch seine Betriebsorganisation schafft, keine analoge Anwendung des § 254 I BGB auf sämtliche betrieblichen Tätigkeiten rechtfertigen, vielmehr müssen weitere Zurechnungsgründe hinzutreten, ausführlich dazu Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 3 Rn. 15 ff.; vgl. ebenfalls Bydlinski, SAE 1994, 93 (100); Marhold, JZ 1993, 910 (911); s. aber auch BAG Großer Senat v. 27. 9. 1994 – GS 1/89, BAGE 78, 56 = NZA 1994, 1083 (1085). 328 S. nur Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie (2005) S. 58 f.; Ulber, Tarifdispositives Gesetzesrecht (2010) S. 278 ff.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
103
Ein derartiges Recht ist auch dem Europa- und Völkerrecht nicht fremd329: Nach dem Verständnis des EGMR gewährleistet Art. 11 EMRK ein Recht auf Tarifverhandlungen.330 Art. 28 EU-GrCharta beinhaltet das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen.331 Die IAO verpflichtet mit Art. 3 und 4 IAO-Übereinkommen Nr. 98 dazu, Einrichtungen zu schaffen und Maßnahmen zu treffen, damit Arbeitgeber oder Arbeitgeberorganisation und Arbeitnehmerorganisation „freiwillig über den Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen verhandeln können.“332 Gem. Art. 6 Nr. 2 ESC verpflichten sich die Vertragsparteien, „Verfahren für freiwillige Verhandlungen zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberorganisationen einerseits und Arbeitnehmerorganisationen andererseits zu fördern, soweit dies notwendig und zweckmäßig ist, mit dem Ziele, die Beschäftigungsbedingungen durch Gesamtarbeitsverträge zu regeln“,
um eine wirksame Ausübung des Rechts auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten. Die Tarifautonomie schützt dabei die Privatautonomie sowohl der Arbeitgeberseite als auch der Gewerkschaft333, dient also beider Interessen. Der Preis einer funktionsfähigen Tarifautonomie, also die Nachteile, die mit der Schaffung eines entsprechenden Vertragsmechanismus einhergehen, sind daher auch partnerschaftlich zu tragen. Sie fallen in den gemeinsamen Verantwortungsbereich von Arbeitgeberseite und Gewerkschaft. Doch wann liegt eine partnerschaftliche Aufteilung der Nachteile im Zusammenhang mit der Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigem Streik vor? Eine funktionierende Tarifautonomie setzt Parität der Tarifpartner voraus. Diese Parität ist gefährdet, wenn die Haftungsrisiken so hoch sind, dass sie die Gewerkschaft von einem rechtmäßigen Streik abhalten. Das wird verhindert, wenn die Haftung der Gewerkschaft 329
Auch wenn das Recht, Kollektivarbeitsverträge abzuschließen, nicht mit der Tarif autonomie gleichzusetzen ist, Däubler-Däubler, Einleitung, TVG Rn. 93; rechtsvergleichend zum nationalen Recht anderer Mitgliedsstaaten Birk, RdA 1995, 71 (72 f.). 330 EGMR Große Kammer v. 12. 11. 2008 – Nr. 34503/97 (Demir u. Baykara/Türkei) = NZA 2010, 1425 (1431), Rn. 154; s. auch Sagan, Das Gemeinschaftsgrundrecht auf Kollektivmaßnahmen (2008) S. 52 ff.; Waltermann, RdA 2014, 86 (86 f.); Rebhahn, EuZA 2010, 62; Rebhahn, ZESAR 2009, 159 (164). 331 S. Waltermann, RdA 2014, 86 (86 f.), der festhält, dass im Unionsrecht ein europarechtliches Grundrecht auch der Tarifautonomie mit Art. 28 EU-GrCharta nun angelegt sei; zudem Rebhahn, EuZA 2010, 62; Rebhahn, ZESAR 2009, 159 (164); vgl. auch Sagan, Das Gemeinschaftsgrundrecht auf Kollektivmaßnahmen (2008) S. 65 ff. 332 S. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 217; Däubler-Däubler, Einleitung, TVG Rn. 193. 333 S. nur Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie (2005) S. 58: „Das Schutzgut der Koalitionsfreiheit und insbesondere der Tarifautonomie besteht in der Sicherung der Privatautonomie der Koalierten.“.
104
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
auf ein Maß beschränkt wird, das nicht existenzbedrohend ist.334 Der Preis für eine funktionsfähige Tarifautonomie ist folglich eine beschränkte Haftung der Gewerkschaft. Die Gewerkschaft trägt das Risiko, dass es sich (doch) um einen rechtswidrigen Streik handelt und sie beschränkt schadensersatzpflichtig wird, während die Arbeitgeberseite das Risiko trägt, im Falle eines rechtswidrigen Streiks nur einen Teil des entstandenen Schadens ersetzt zu bekommen. Zwar gibt es damit keinen konkreten Faktor, mit dem man die Höhe des Schadens berechnen kann.335 Ebenso wie im Rahmen von § 254 I BGB geht es aber darum, die Risiken gerecht aufzuteilen, also einen angemessenen Ausgleich für Nachteile zu finden, die in den gemeinsamen Verantwortungsbereich fallen. Damit ist die Interessenlage beider Sachverhalte (§ 254 I BGB und Gewerkschaftshaftung) unabhängig von der Organisation des Betriebs vergleichbar, sodass der allgemeine, in Art. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Gleichheitssatz fordert, dass beide Sachverhalte entsprechend gleich behandelt werden.336 Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung von § 254 I BGB sind mithin gegeben und die Rechtsfolge auf die Beschränkung der Gewerkschaftshaftung ist übertragbar. Die Lücke (fehlende Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln) kann folglich geschlossen werden.337 b) Rechtsfolge der Analogie
Analog § 254 I BGB hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil zu verantworten ist. Im Ergebnis kommt es also zu einer Abwägung der jeweils zu verantwortenden Verhaltensweisen.338 Je wahrscheinlicher der Beitrag – ob Tun oder Unterlassen – zum Schaden geführt hat, desto größer ist der zu tragende Anteil.339 Fraglich ist, welche konkreten Beiträge von Gewerkschaft und Arbeit334
Dazu bereits oben § 3 D. II. „Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung“, S. 86 ff. Aus gleichem Grund kritisch gegenüber der dogmatischen Anknüpfung der Arbeitnehmerhaftung an § 254 BGB daher Otto/Schwarze/Krause-Krause, Haftung des AN, § 5 Rn. 16 f. 336 Zu den Voraussetzungen einer Analogie bereits oben § 3 D. III. 3. a) „Voraussetzungen der Analogie“, S. 100 ff. 337 Damit scheidet ein echter Rechtsnotstand aus, s. oben § 3 D. III. 2. „Haftungsbeschränkung analog §§ 431 I, III, 433, 323 II HGB“, S. 98 ff. 338 S. nur BGH v. 24. 9. 2013 – VI ZR 255/12, NJW 2014, 217; BGH v. 6. 6. 2013 – IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345 (2347); BGH v. 7. 2. 2006 – VI ZR 20/05, NJW-RR 2006, 672 (674); MüKo-BGB-Oetker, § 254 BGB Rn. 2, 105; Aurnhammer, VersR 1974, 1060. 339 St. Rspr. s. nur BGH v. 12. 7. 1988 – VI ZR 283/87, NJW-RR 1988, 1373 (1374); BGH v. 28. 10. 1994 – IX ZR 252/92, NJW 1994, 379; BGH v. 12. 3. 1996 – VI ZR 12/95 1996, 1533 (1535); BGH v. 20. 1. 1998 – VI ZR 59/97, NJW 1998, 1137 (1138); BGH v. 4. 11. 2008 335
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
105
geberseite abzuwägen sind. Grund für die analoge Anwendung von § 254 I BGB ist die gerechte Verteilung der Risiken, die mit der Schaffung von Parität und damit der Gewährleistung einer funktionsfähigen Tarifautonomie einhergehen.340 Allerdings fällt es schwer, den Arbeitgeber-Anteil dieser gemeinsamen Verantwortung konkret zu beziffern.341 aa) Keine abstrakten Quotelungsgrundsätze
Denkbar wäre es, abstrakte Quotelungsgrundsätze aufzustellen, die beispielsweise je nach Verschuldensgrad der Gewerkschaft eine andere Schadensquote vorsehen. Als Vorbild könnten die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zur Bewältigung der Arbeitnehmerhaftung dienen. Auch dort geht es um die gerechte Verteilung von Risiken: dem Betriebsrisiko, der strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers, der Fremdbestimmtheit seiner Tätigkeit, dem Schutz des Arbeitnehmers vor wirtschaftlicher Überforderung und der besseren Möglichkeit des Arbeitgebers zur Risikobegrenzung und abwälzung.342 In analoger Anwendung des § 254 I BGB343 wurden Grundsätze entwickelt, die eine Quotelung des Schadens je nach Verschuldensgrad und zusätzlich eine Haftungsmilderung wegen sozialer Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers vorsehen.344 Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings der Einwand, diese Grundsätze seien dogmatisch wenig überzeugend angeknüpft, da die Rechtsfolge des § 254 I BGB eine Einzelabwägung vorsieht. Für vergleichsweise abstrakte Haftungsgrundsätze ist diese Norm ungeeignet.345 Zwar haben – VI ZR 171/07, NJW-RR 2009, 239 (241); s. ebenfalls Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 760; MüKo-BGB-Oetker, § 254 BGB Rn. 109; anders aber Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 570 ff., der auf die Faktoren abstellt, die für die objektive Zurechnung des Schadens zum Verhalten der Beteiligten maßgeblich sind, S. 575 f. 340 Dazu soeben § 3 D. II. „Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung“, S. 86 ff. und § 3 D. III. 2. a) bb) „Gemeinsamer Verantwortungsbereich aufgrund der Tarifpartnerschaft“, S. 102 ff. 341 Vgl. DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 157: „Wo im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems eine Grenze für Schadensersatzpflichten zu ziehen ist, dürfte im Einzelfall […] schwer zu ermitteln sein […].“. 342 Ausführlich dazu und m. w. N. Otto/Schwarze/Krause-Otto, Haftung des AN, § 3 Rn. 1 ff. 343 Zu den anderen dogmatischen Ansätzen s. nur Gamillscheg, Referat zum 45. DJT (1964); Otto/Schwarze/Krause-Krause, Haftung des AN, § 5 Rn. 1 ff. m. w. N. 344 Ausführlich zur Quotelung nach dem Maß des Verschuldens Otto/Schwarze/Krause-Schwarze, Haftung des AN, § 9 Rn. 1 ff. m. w. N.; zur Haftungsmilderung wegen sozialer Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers Otto/Schwarze/Krause-Schwarze, Haftung des AN, § 10 Rn. 3 ff. m. w. N. 345 S. Ahrens, DB 1996, 934; Hanau, Die Entscheidungsfreiheit des Richters im Recht der AN-Haftung, in: FS Hübner (1984), S. 467 (S. 482); Otto/Schwarze/Krause-Krause,
106
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
sich auch in anderen Bereichen, beispielsweise bei Verkehrsunfällen, Quotentabellen für typische Schadenssituationen herausgebildet.346 Doch dienen sie lediglich der Orientierung – es kommt immer auf die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls an.347 Im Übrigen spricht folgende Überlegung dagegen, abstrakte Quotelungsgrundsätze aufzustellen: Grund für die analoge Anwendung des § 254 I BGB ist, eine funktionsfähige Tarifautonomie zu gewährleisten. Trotz Quotelung kann die Haftungssumme so hoch sein, dass sie die Existenz der Gewerkschaft bedroht und am Ende die Tarifautonomie gefährdet. Es bedarf daher keiner Haftungsquote, sondern einer Haftungsobergrenze, die sicherstellt, dass die Existenz der Gewerkschaft durch die Haftung nicht bedroht ist. Zu verhindern ist, dass die Gewerkschaft einen voraussichtlich rechtmäßigen Streik aus Angst vor einer existenzbedrohenden Haftung unterlässt.348 Von diesem Risiko ist die Gewerkschaft zu befreien. Der Arbeitgeberseite ist gleichzeitig das Risiko aufzuerlegen, nur den Teil des Schadens ersetzt zu bekommen, den die Gewerkschaft ohne Gefahr für ihre Existenz begleichen kann. Das ist der konkrete Beitrag, der in den Verantwortungsbereich der Arbeitgeberseite fällt. Anders als im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung besteht zudem kein Bedürfnis, die Gewerkschaft bei leichter Fahrlässigkeit analog § 254 I BGB in voller Höhe zu enthaften. Wie im Rahmen des Verschuldens herausgearbeitet wurde, wird die Gewerkschaft bereits in voller Höhe enthaftet, wenn nach sorgfältiger und gewissenhafter ex-ante-Prüfung sehr beachtliche Gründe für die Rechtmäßigkeit des Streiks sprechen.349 Es ist auch dogmatisch überzeugender, diese Erwägungen auf Ebene des Verschuldens und nicht im Rahmen von § 254 I BGB zu berücksichtigen. Für eine zusätzliche Quotelung nach dem Vorbild der Arbeitnehmerhaftung ist kein Raum. Festzuhalten ist daher, dass die Gewerkschaft bei Fahrlässigkeit und Vorsatz grundsätzlich in voller Höhe haftet. Ist die Schadenshöhe so hoch, dass die Existenz der Gewerkschaft bei Leistung bedroht ist, und hat die Gewerkschaft fahrlässig gehandelt, reduziert sich die Haftung des AN, § 5 Rn. 13; Langenbucher, ZfA 1997, 523 (534 f.); Preis, AuR 1986, 360 (365); v. Hoyningen-Huene, BB 1989, 1889 (1893); vgl. dazu auch Deutsch, RdA 1996, 1 (3), der betont, dass der subjektiv-individuelle Maßstab im Vordergrund steht. 346 S. zur Hamburger Quotentabelle Bursch/Jordan, VersR 1985, 512; zur Münchener Quotentabelle Brüseken/Krumbholz/Thiermann, NZV 2000, 441; zur Berliner Quotentabelle Berger, VersR 1987, 542. 347 S. MüKo-BGB-Oetker, § 254 BGB Rn. 105. 348 Dazu soeben § 3 D. II. „Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung“ S. 86 ff. und § 3 D. III. 2. a) bb) „Gemeinsamer Verantwortungsbereich aufgrund der Tarifpartnerschaft“, S. 102 ff. 349 Dazu bereits oben § 3 C. I. 4. „Konkretisierung der erforderlichen Sorgfalt im Arbeitskampf“, S. 77 ff.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
107
Verpflichtung analog § 254 I BGB auf die Summe, die die Gewerkschaft (noch) leisten kann, ohne um ihre Existenz zu fürchten (Haftungsobergrenze). bb) Keine starre Haftungobergrenze
Fraglich ist, ob analog § 254 I BGB eine starre Haftungsobergrenze etabliert werden kann (2). Dafür wird zunächst untersucht, in welcher Form eine starre Haftungsobergrenze auftreten kann (1). (1) Feststehende Haftungssumme und Bemessungsformel
Nach den Vorbildern der gesetzlich geregelten Beschränkungen verschuldensabhängiger Haftung350 könnte eine starre Haftungsobergrenze entweder in Form einer feststehenden Haftungssumme („eine Million Euro für eine Prüfung“, § 323 II 1 HGB) oder als Bemessungsformel festgelegt werden, die sich zum Beispiel an der Anzahl der Mitglieder oder an der Höhe der Beitragszahlungen351 orientiert. 350 Ausführlich oben § 3 D. III. 2. „Haftungsbeschränkung analog §§ 431 I, III, 433, 323 II HGB“, S. 98. 351 So etwa DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 155: „[…] eine Obergrenze könnte bei einer halben Jahreseinnahme liegen.“.
108
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
England beispielsweise kennt eine starre Haftungsbeschränkung zugunsten der Gewerkschaft. Dort sind (Dritt)schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft aus unerlaubter Handlung grundsätzlich möglich352, aber höhenmäßig begrenzt353. Die Höhe richtet sich nach der Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder: Die Maximalsummen betragen bei weniger als 5.000 Mitgliedern £ 10.000, bei 5.000 bis 24.999 Mitgliedern £ 50.000, bei 25.000 bis 99.000 Mitgliedern £ 125.000 und bei 100.000 oder mehr Mitgliedern £ 250.000 (Section 22 des Trade Union and Labour Relations (Consolidation) Act 1992). Gemessen an den möglichen Streikfolgen sind das vergleichsweise niedrige Summen.
Für eine starre Haftungsobergrenze sprechen die Vorhersehbarkeit und die Praktikabilität: Das Haftungsrisiko der Gewerkschaft ist – jedenfalls in der Theorie354 – deutlich einfacher zu versichern. Bei einem festgelegten Haftungsbetrag sind leichter Versicherungen zu finden, die dieses Haftungsrisiko zu bezahlbaren Prämien übernehmen. Die Versicherungsprämie korreliert mit der zu erwartenden Schadenshöhe. Hängt die Haftungsobergrenze hingegen vom Einzelfall ab, ist das voraussichtliche Haftungsrisiko schwerer zu kalkulieren und erhebliche Sicherheitsaufschläge sind zu erwarten.355 Gegen die Festlegung einer feststehenden Haftungssumme ist einzuwenden, dass die absolute Zahl, die existenzbedrohend wirkt, von dem jeweiligen Vereinsvermögen abhängt. Ist die Haftungsobergrenze im Einzelfall zu hoch, ist die Existenz der Gewerkschaft bedroht. Ist die Grenze zu niedrig, übt sie keine Präventionsfunktion mehr aus und die Aufteilung des Risikos ist zu Ungunsten der Arbeitgeberseite. Eine für alle Gewerkschaften gültige feste Haftungssumme gefährdet daher das Funktionieren der Tarifautonomie. Allerdings ist eine feststehende Haftungssumme sehr rechtssicher. Zudem ist es mit Hilfe einer typisierenden Betrachtung durchaus möglich, eine Haftungssumme herauszufiltern, die typischerweise keine Existenzbedrohung darstellt. Rechtssicher wäre ebenfalls eine starre Haftungsobergrenze, die auf Grundlage einer Bemessungsregel berechnet wird. Im Gegensatz zur festen Haftungssumme würden Bemessungsregeln zudem Einzelfallgerechtigkeit herstellen. Nimmt man beispielsweise eine Anknüpfung an die Mitgliederzahl nach dem 352 Falconer v. ASLEF and NUR, [1986] IRLR 331; dazu Wedderburn, The Worker and the Law (1986) S. 644 ff. 353 Vgl. dazu Grote-Seifert, Englisches Arbeitskampfrecht (1994) S. 50 ff. 354 Das setzt jedoch voraus, dass sich in der Praxis überhaupt Versicherungsunternehmen finden, die das Haftungsrisiko der Gewerkschaften versichern. Denkbar ist beispielsweise, dass der Versichertenkreis der Gewerkschaften zu klein ist, sodass sich eine Versicherung nicht realisieren lässt. Dieser Frage kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht weiter nachgegangen werden. 355 Denkbar auch: Die Gewerkschaften bilden einen Haftungsverbund mit einer feststehenden Selbstbeteiligung, die dann versichert werden kann; unklar bleibt, wie realistisch soetwas ist.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
109
englischen Vorbild an, ist sichergestellt, dass größere Gewerkschaften stärker in die Pflicht genommen werden als kleinere. Damit wird gleichzeitig auch die Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs besser gewahrt als bei festen Haftungsobergrenzen. (2) Weder feststehende Haftungssumme noch Bemessungsregel geeignet
Trotz dieser Vorteile (Rechtssicherheit und Versicherbarkeit des Risikos) ist es abzulehnen, analog § 254 I BGB starre Haftungsobergrenzen zu etablieren – gleich, ob feststehende Haftungssummen oder Bemessungsregeln. § 254 I BGB fordert gerade eine Einzelfallabwägung und ist für starre Haftungsgrenzen generell ungeeignet. Der Spielraum möglicher starrer Haftungsobergrenzen ist zu groß: Es ginge nicht mehr darum, die Rechtsfolge von § 254 I BGB zu übertragen, sondern unter dem Deckmantel von § 254 I BGB neue Regelungen zu etablieren.356 Es würden nicht die Wertungen des § 254 I BGB gesetzesimmanent fortgebildet, sondern neue Regelungen geschaffen. Das ist aber die Aufgabe des Gesetzgebers. Er muss entscheiden, ob er eine feste Haftungssumme oder eine Bemessungsgrundlage favorisiert. Im Fall einer Bemessungsgrundlage hat der Gesetzgeber eine weite Einschätzungsprärogative, an welche Rechnungsgröße er anknüpft. Im Ergebnis kann im Rahmen von § 254 I BGB keine starre Haftungsobergrenze aufgestellt werden. Vielmehr ist die Existenzbedrohung selbst das entscheidende Merkmal: In jedem Einzelfall ist zu ermitteln, ab wann die Existenz der Gewerkschaft bedroht ist. Sodann ist die Summe festzulegen, die die Gewerkschaft (noch) begleichen kann, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein. cc) Ermittlung der Haftungsobergrenze
Entscheidendes Merkmal bei der Ermittlung der Haftungsobergrenze ist damit die Existenzbedrohung: Ab welcher Haftungssumme ist die Gewerkschaft in ihrer Existenz bedroht?357 Bei der Beantwortung dieser Frage hilft das Insolvenzrecht: Primäres Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch Verwertung des Unternehmens gleichmäßig zu befriedigen (§ 1 S. 1 Var. 1 InsO).358 Steht aufgrund des Schadensersatzanspruchs die Eröffnung eines 356 S. dazu die parallel laufende Argumentation oben § 3 D. III. 2. „Haftungsbeschränkung analog §§ 431 I, III, 433, 323 II HGB“, S. 98. 357 Vgl. dazu Däubler, AuR 2017, 232 (237): „Wo die Grenze zur Existenzgefährdung verläuft, lässt sich schwer bestimmen.“. 358 Ein Insolvenzplan kann Abweichendes insbesondere zum Erhalt des Unternehmens regeln (§ 1 S. 1 Var. 2 InsO); zu den Zielen des Insolvenzrechts s. nur BR-Drucks. 1/92 S. 77 f.; zudem MüKo-InsO-Stürner, Einleitung InsO Rn. 1 f. m. w. N.
110
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Insolvenzverfahrens im Raum, muss die Gewerkschaft also um die Verwertung ihres Vermögens und damit ihre Existenz fürchten.359 Für die Frage der Existenzbedrohung ist folglich entscheidend, wann der Gewerkschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens droht. Das wiederum ist den Wertungen des Insolvenzrechts zu entnehmen. Diese Wertungen können helfen, um im jeweiligen Einzelfall die Summe zu ermitteln, die existenzbedrohend auf die Gewerkschaft wirkt. Dafür ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, wann für die Gewerkschaft die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht (1). In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese Eröffnungsgründe zur Ermittlung der Haftungsobergrenze geeignet sind (2). (1) Insolvenzverfahren: Eröffnungsgründe
Die Gewerkschaft ist als Verein insolvenzfähig (§ 11 I 2 InsO).360 Als juristische Person gilt für sie neben der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) auch die Überschuldung (§ 19 InsO) als Eröffnungsgrund eines Insolvenzverfahrens. Beantragt die Gewerkschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann auch die drohende Zahlungsunfähigkeit ein Eröffnungsgrund sein (§ 18 I InsO). (a) Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO
Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, fällige Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 II 1 InsO). Die Gewerkschaft ist folglich zahlungsunfähig, wenn ihre liquiden Finanzmittel nicht ausreichen, um die fälligen und ernsthaft eingeforderten Zahlungsverbindlichkeiten zu tilgen.361 Ein fälliger Schadensersatzanspruch führt demnach grundsätzlich zur Zahlungsunfähigkeit, wenn er addiert mit den anderen fälligen Zahlungsverbindlichkeiten der Gewerkschaft (Kosten für eigene Verwaltung, Sonderleistungen wie Unfall-Versicherungen und Sterbegeld, Mitgliedschaften in Dachverbänden, Rechtsberatungs-Service, 359 Allerdings wird im Insolvenzverfahren auch viel saniert – dann muss der Rechtsträger zwar um seine Existenz fürchten, der Betrieb wird aber häufig fortgeführt: Ein „lebendes“ Unternehmen kann besser verwertet werden, als ein „totes“; unklar ist alledings, ob der Betrieb einer Gewerkschaft überhaupt „lebend“ verwertbar ist, schließlich geht es um eine Interessenvertretung und nicht z. B. um die Herstellung eines Produkts. 360 Dazu etwa Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rn. 176; allgemein zur Eröffnung des Anwendungsbereich auf nicht rechtsfähige Vereine K. Schmidt-Schmidt, § 11 InsO Rn. 11; K. Schmidt-Schmidt, § 19 InsO Rn. 9; zur traditionellen Organisation als nicht eingetragener Verein bereits oben § 2 B. „Pflichtverletzung i. S. d. § 283 BGB“, S. 45. 361 Allgemein zur Definition des § 17 II 1 InsO K. Schmidt-Schmidt, § 17 InsO Rn. 4 m. w. N.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
111
Kosten für die Tarifpolitik) die liquiden Finanzmittel übersteigt. Entscheidend ist also allein die Liquidität der Gewerkschaft. (b) Überschuldung
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 II 1 InsO). Folglich spielt zum einen das Element der Fortbestehungsprognose eine Rolle.362 Zum anderen ist – anders als bei der Zahlungsunfähigkeit – auch das nicht liquide Vermögen zu berücksichtigen: Entscheidend ist das Verhältnis der Aktiva zu den Passiva eines Unternehmens.363 Für die Ermittlung der Haftungsobergrenze heißt das: Über je mehr nicht liquides Vermögen die Gewerkschaft verfügt, desto höher ist die Summe, die zur Überschuldung der Gewerkschaft führt, im Verhältnis zur Summe, welche die Zahlungsfähigkeit hervorruft. (c) Drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO
Nach § 18 InsO droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das Merkmal „voraussichtlich“ ist gegeben, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit innerhalb eines gewissen Zeitraums364 wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung.365 Um zu ermitteln, wann die Gewerkschaft droht zahlungsunfähig zu werden, welche Höhe die Haftungssumme also nicht erreichen oder überschreiten darf, kann das Gericht auf die Ermittlungsmethoden zurückgreifen, die bereits im Rahmen des Insolvenzrechts entwickelt wurden.366 (2) Eignung der Eröffnungsgründe zur Ermittlung der Haftungsobergrenze
Zahlungsunfähigkeit und auch drohende Zahlungsunfähigkeit sind als Kriterium zur Ermittlung einer Haftungsobergrenze (Existenzgefährdungsgrenze) ungeeignet: Das nicht-liquide Vermögen spielt dabei keine Rolle, so dass durch entsprechende Manipulationen die liquiden Mittel heruntergefahren werden 362 Ausführlich zur Fortbestehungsprognose K. Schmidt-Schmidt, § 19 InsO Rn. 46 ff.; s. zudem Uhlenbruck-Mock, § 19 InsO Rn. 216 ff. 363 Uhlenbruck-Mock, § 19 InsO Rn. 39. 364 Wie lange dieser Prognosezeitraum auszudehnen ist, lässt sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen, s. Andres/Leithaus-Leithaus, § 18 InsO Rn. 5. 365 S. MüKo-InsO-Drukarczyk, § 18 InsO Rn. 21; Uhlenbruck-Mock, § 18 InsO Rn. 26. 366 Zu den Ermittlungsmethoden s. nur MüKo-InsO-Drukarczyk, § 18 InsO Rn. 23 ff. m. w. N.
112
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
können. Die Gewerkschaft hätte selbst in der Hand, die Existenzgefährdungsgrenze festzulegen oder aber herunterzurechnen. Anders gesagt: Da es allein auf die Liquidität der Gewerkschaft ankommt, ist sie bereits zahlungsunfähig, wenn sie die Haftungssumme aus ihren liquiden Finanzmitteln nicht begleichen kann, obwohl sie ebenfalls sonstige Vermögenswerte hat, die die Haftungssumme wertmäßig problemlos decken. Um die liquiden Mittel und damit die Haftungssumme möglichst „klein zu rechnen“, muss die Gewerkschaft nur ihr Vermögen rechtzeitig umschichten, beispielsweise in Immobilien oder in langfristig angelegte Wertpapiere. Hinzu kommt ein anderer Aspekt: Im Rahmen der Haftungsbeschränkung geht es allein um Konstellationen, in denen die Gewerkschaft fahrlässig handelt. Grund für die Haftungsbeschränkung ist, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu sichern. Es gilt zu verhindern, dass die Gewerkschaft einen rechtmäßigen Streik unterlässt, weil sie aufgrund der unsicheren Rechtslage im „beweglichen“ Arbeitskampfrecht eine existenzbedrohende Haftung fürchtet. Das bedeutet zwar, dass es eines Instrumentariums bedarf, um den Streik als Druckmittel der Gewerkschaft und damit die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu schützen. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Arbeitgeberseite ebenfalls Grundrechte aus Art. 12, 14 und 2 1 GG in die Waagschale werfen kann.367 Auch diesen Rechten ist so weit wie möglich Geltung zu verschaffen. Im Wege der praktischer Konkordanz ist der Maßstab zu finden, der diese Grundwerte am schonendsten ausgleicht.368 Zu Lasten der Gewerkschaft ist in die Waagschale zu werfen, dass sie in den fraglichen Konstellationen den objektiven Sorgfaltsverstoß erkennen und vermeiden konnte: Es war wahrscheinlich, dass der Streik im Nachhinein als rechtswidrig eingestuft werden würde, der Eingriff in die Grundrechte der Arbeitgeberseite folglich nicht zu rechtfertigen ist. Damit ist sie gegenüber der Arbeitgeberseite weniger schutzwürdig. Sie ist nur soweit von dem Risiko der unsicheren Rechtslage zu befreien, als dies zur Gewährleistung einer funktionsfähigen Tarifautonomie zwingend notwendig ist. Um der Gewerkschaft die Furcht vor einer existenzbedrohenden Haftung zu nehmen, muss allein ihr Fortbestand gesichert werden. Dafür ist nicht erforderlich, dass ihre sonstigen, nicht-liquiden Vermögenswerte vor dem Zugriff durch die Arbeitgeberseite geschützt werden. Die Gewerkschaft kann auch ohne eigene Immobilie existieren, soweit sie ausreichend liquide ist, um Miete zahlen zu können. 367 Ausführlich zu den jeweiligen Grundrechten sogleich unter § 5 B. III. 1. „Einwirkung auf grundrechtliche Rechtsgüter der Arbeitgeberseite durch Streik“, S. 150. 368 Zur Herstellung praktischer Konkordanz bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff., zudem noch unten § 5 B. III. „Konkretisierung der Schutzpflicht der Gewerkschaft“, S. 150 ff. und § 9 B. III. 1. „Umfassende Güter- und Interessenabwägung“, S. 220 ff.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
113
Aus diesen beiden Gründen – der leichten Manipulierbarkeit und dem schonendsten Ausgleich von Art. 9 III GG und den Grundrechten der Arbeitgeberseite – ist die (drohende) Zahlungsunfähigkeit als Maßstab abzulehnen. Die Überschuldung ist hingegen als Hilfskriterium geeignet, um zu ermitteln, ab wann eine Haftungssumme existenzbedrohend wirkt. Dafür ist in einem ersten Schritt herauszuarbeiten, ab welcher Summe die Gewerkschaft überschuldet i. S. d. § 19 InsO ist, wobei auf die Ermittlungsgrundsätze des Insolvenzrechts zurückgegriffen werden kann.369 Zeitlicher Anknüpfungspunkt ist der Streikbeschluss, weil die Gewerkschaft in diesem Zeitpunkt entscheidet, dass sie den Streik riskiert. In einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, welche finanziellen Mittel die Gewerkschaft in einem gewissen Zeitraum370 braucht, um ihre Arbeit fortführen zu können. Dazu zählen Aufwendungen für Personal, Verwaltung, Miete von Bürogebäuden, Sonderleistungen an Mitglieder u. s. w. Diese Summe ist in einem dritten und letzten Schritt von dem Gesamtwert des Vermögens der Gewerkschaft abzuziehen. Das Ergebnis ist die Haftungsobergrenze, die (gerade noch nicht) existenzbedrohend ist. 4. Zwischenergebnis
Analog § 254 I BGB ist der Umfang der Haftung auf die Summe reduziert, welche die Gewerkschaft noch zahlen kann, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein. Um die Haftungsobergrenze zu berechnen, ist als Ausgangspunkt zu ermitteln, ab welcher Summe die Gewerkschaft überschuldet ist. Dafür kann auf die Grundsätze zur Überschuldung nach § 19 InsO zurückgegriffen werden. Von dort ausgehend kann berechnet werden, welche Haftungssumme die Gewerkschaft zahlen kann, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein. IV. Probleme bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung der Haftungsbeschränkung
Zu den Stärken der Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB gehört die hohe Einzelfallgerechtigkeit. Zudem ist diese Analogie die einzige Lösung, de lege lata, also innerhalb des geltenden Rechts eine Haftungsbeschränkung zu etablieren. Sie hat allerdings auch Schwächen: Neben der im Einzelfall kompli369 Sicherlich ist diese Summe im Einzelfall nicht immer unproblematisch festzustellen, beispielsweise liegt trotz bilanzieller Überschuldung keine Überschuldung i. S. d. § 19 InsO vor, wenn eine positive Fortführungsprognose besteht; allgemein zu den Ermittlungsgrundsätzen des Insolvenzrechts s. HambKomm-Schröder, § 19 InsO Rn. 9 ff.; K. Schmidt-Schmidt, § 19 InsO Rn. 20 ff.; s. auch Uhlenbruck-Mock, § 19 InsO Rn. 39 ff. 370 Dieser Zeitraum kann beispielsweise durch einen Rückgriff auf den Prognosezeitraum aus § 18 InsO konkretisiert werden.
114
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
zierten Bewertung der (voraussichtlichen) Überschuldung, ist die verfahrensrechtliche Umsetzung nicht unproblematisch. Nach den allgemeinen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast trägt der Anspruchsgegner die Beweislast für die rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale.371 Die Gewerkschaft hat also zu beweisen, dass die Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung vorliegen. Problematisch daran ist, dass die Gewerkschaft dadurch gezwungen ist, ihr „Inneres nach Außen“ zu kehren, um zu beweisen, dass die volle Haftungssumme existenzbedrohend wirkt. Zwar kann argumentiert werden, dass die Gewerkschaft die Wahl hat, ob sie sich auf die Haftungsbeschränkung beruft oder nicht: Sie kann sich auf diesen sie begünstigenden Umstand berufen, sie muss es aber nicht. Zu beachten ist aber, dass der Gewerkschaft mit einer im Ergebnis inhaltsleeren Haftungsbeschränkung wenig geholfen ist. In der Praxis werden viele Gewerkschaften davor zurückschrecken, ihr Vermögen offen zu legen. Sie lassen sich nur ungern in „die Karten gucken“.372 Um berechnen zu können, ab welcher Haftungssumme Überschuldung nach § 19 InsO eintritt, ist ein Überschuldungsstatus aufzustellen. Darauf wären sämtliche Aktiva und Passiva verzeichnet. Die Gegenpartei, in diesem Fall der Tarifpartner oder eines seiner Mitglieder, würden tiefe Einblicke in die Finanzen der Gewerkschaft erhalten. Sie könnten für die nächste Tarifverhandlung Rückschlüsse auf die verfügbaren Mittel der Streikkasse und damit die Streikbereitschaft und Streikfähigkeit der Gewerkschaftsmitglieder ziehen und das Wissen aus dem Schadensrechtsprozess in den Verhandlungen nutzen. Für die Zukunft könnte das Zweifel an der Parität der Tarifpartner und damit an der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wecken. Das spricht dafür, ein erhöhtes, durch Art. 9 III GG geschütztes Bedürfnis der Gewerkschaft an Geheimhaltung ihrer Interna anzunehmen. Diesem Einwand kann entgegengehalten werden, dass es in Fällen der Haftungsbeschränkung darum geht, die Haftungssumme auf ein Maß zu beschränken, das gerade noch nicht existenzbedrohend ist. Der Tarifpartner weiß dann ohnehin, dass die Gewerkschaft nach dem Schadensersatzprozess nur noch über Mittel verfügt, die ihren Fortbestand sichert, sodass die Streikkassen nicht prall gefüllt sein können. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass die Gegenpartei tiefe Einblicke in die Organisation und Struktur der Gewerkschaft erhält. 371
S. nur Musielak-Foerste, § 286 ZPO Rn. 35. Zum Interesse der Gewerkschaft an der Geheimhaltung ihres Vermögens s. Däubler, AuR 2017, 232 (236); vgl. auch DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 157; s. zudem BVerfG v. 1. 10. 1987 – 2 BvR 1178/86, BVerfGE 77, 1 („Neue Heimat“) = NJW, 890 (893), das betonte, dass der parlamentarische Untersuchungsausschuss zwar Informationen über das Vermögen der Gewerkschaft verlangen kann, soweit eine umfassende Geheimhaltung gewährleistet ist. 372
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
115
Diese Informationen können dem Tarifpartner möglicherweise nützlich sein, wenn sich die finanzielle Situation der Gewerkschaft wieder stabilisiert hat. Zur sachgerechten Lösung des Spannungsfeldes zwischen effektivem Rechtsschutz einerseits und Geheimnisschutz andererseits stehen den Tarifparteien verfassungsrechtliche Grundsätze zur Seite: der Arbeitgeberseite zum Beispiel das Rechtsstaatsprinzip, das Gebot auf rechtliches Gehör, das faire Verfahren und die prozessuale Waffengleichheit, der Seite der Gewerkschaft vor allem das Geheimhaltungsbedürfnis, um eine funktionsfähige Tarifautonomie effektiv zu sichern. Inwieweit diese widerstreitenden Werte betroffen sind und wie sie sich auf die verfahrensrechtliche Umsetzung der Haftungsbeschränkung auswirken, bedarf einer näheren Untersuchung. Dafür kann ein Blick auf ähnliche Konstellationen geworfen werden, bei denen vergleichbare Spannungsfelder bekannt sind. Im Folgenden sollen nur ein kleiner Überblick gegeben und erste Gedankengänge dargestellt werden. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den zivilprozessualen Umsetzungsmöglichkeiten würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und wird daher dem weiteren wissenschaftlichen Diskurs überlassen. 1. Verfahren nach § 58 III ArbGG
Für das Problem der Tarifkollision nach § 4a II 2 TVG sieht § 2a I Nr. 6 ArbGG ein Beschlussverfahren vor, in dem der Beweis nach § 58 III ArbGG durch Vorlegung öffentlicher Urkunden angetreten werden kann. Die Gewerkschaft kann sich daher von einem Notar beurkunden lassen, wieviele Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs in ihrer Gewerkschaft organisiert sind. Der Gesetzesbegründung ist der Hinweis zu entnehmen, dass „[d]ie Beweisführung über eine notarielle Erklärung […] sicher[stellt], dass die Gewerkschaft die Namen ihrer im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Rahmen nicht nennen muss.“373
Der Notar habe nach § 18 BNotO Verschwiegenheit über die Identität der Gewerkschaftsmitglieder zu wahren.374 Mit § 58 III ArbGG sollte mithin ein Geheimverfahren geschaffen werden, das einerseits ermöglicht festzustellen, welche Gewerkschaft im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Andererseits sollen Gewerkschaftsmitglieder in ihren Grundrechten aus Art. 9 III GG und Art. 1 I GG i. V. m. Art. 2 I GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) geschützt werden. Unabhängig davon, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese verfahrensrechtliche Umsetzung bestehen375, kann sie nicht auf den Haftungspro373
BT-Drucks. 18/4062 S. 16. BT-Drucks. 18/4062 S. 16. 375 S. Prütting, Verfahrensfragen des TarifeinheitsG, in: FS 200 Jahre Carl Heymanns Verlag (2015), S. 117 (S. 123 f.); s. allerdings BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15, 1 374
116
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
zess der Gewerkschaft übertragen werden. Zwar haben beide Konstellationen gemein, dass der Notar nicht bloß beurkundet, sondern selbst bewertet – es geht ausnahmsweise nicht nur darum, Vorgänge festzuhalten, welche der Notar sinnlich wahrgenommen hat.376 Um feststellen zu können, welche Zahlen- und Mehrheitsverhältnisse im Betrieb bestehen, muss der Notar im Falle des § 58 III ArbGG etwa den Betriebsbegriff, die Arbeitnehmereigenschaft oder die Mitgliedschaft klären.377 Im Haftungsprozess ist aber der Überschuldungsstatus der Gewerkschaft zu ermitteln. Daher ist es wahrscheinlich, dass neben rechtlichem Sachverstand auch der Sachverstand eines Wirtschaftsprüfers gefordert ist. Die Feststellung, wie viele Mitglieder welcher Gewerkschaft im jeweiligen Betrieb organisiert sind, ist als eher einfaches Verfahren folglich nicht mit der eher komplizierten Ermittlung einer Haftungsobergrenze zu vergleichen. Dennoch ließe sich hieraus zumindest der Ansatz weiterentwickeln, dass eine dritte, neutrale Stelle, die das Vertrauen beider Tarifpartner genießt, unter Einhaltung einer strikten Geheimhaltung mit der Ermittlung beauftragt werden könnte. 2. Zur Verschwiegenheit verpflichteter Sachverständiger
Denkbar wäre, den Beweis durch einen neutralen Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer) zu führen, der zur Verschwiegenheit über alle Informationen verpflichtet ist, die Aufschluss über den Stand der Streikkassen oder die Streikbereitschaft geben können. Allerdings hat der BGH bereits entschieden, dass BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, juris, wo das BVerfG die Verfassungsbeschwerden als unzulässig einordnete, soweit sie sich ausdrücklich gegen die beweisrechtliche Regelungen des § 58 III ArbGG wendeten, da die Beschwerdebefugnis fehlt: „Die Regelung lässt für sich genommen keine Beeinträchtigung von Grundrechten erkennen. Sie zeigt lediglich eine Möglichkeit auf, den Nachweis über die betrieblichen Mehrheitsverhältnisse zu führen, ist also nur eine Option und schließt andere Wege der Beweisführung nicht aus.“; zudem führt das BVerfG aus: „Mit dem in das Arbeitsgerichtsgesetz eingefügten § 58 Abs. 3 ArbGG eröffnet der Gesetzgeber jedenfalls die Möglichkeit, die namentliche Nennung der Gewerkschaftsmitglieder im Beschlussverfahren zu verhindern. […] Wenn dies nicht in allen Fällen gelingt, ist das mit Blick auf das hier vom Gesetzgeber verfolgte Ziel insgesamt zumutbar.“. 376 Allgemein zu Beurkundungen i. S. d. § 20 BNotO s. Schippel/Bracker-Reithmann, § 20 BNotO Rn. 1 ff.; eine Ausnahme kennt das Erbrecht in § 2314 I 3 BGB, wo der Notar ausnahmsweise nicht bloß beurkundet, sondern selbst ermittelt, dazu MüKo-BGB-Lange, § 2314 BGB Rn. 22 ff. 377 S. dazu Prütting, Verfahrensfragen des TarifeinheitsG, in: FS 200 Jahre Carl Heymanns Verlag (2015), S. 117 (S. 121 f.); zur Unpraktikabilität dieser Regelung s. die Stellungnahme der Bundesnotarkammer in den Verfahren BVerfG v. 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, juris Rn. 91: „Da für jeden einzelnen Beschäftigten umfangreiche Feststellungen zu treffen seien und es auf die eigene Wahrnehmung der Urkundsperson ankommen, sei das Verfahren in der Praxis nicht handhabbar.“.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
117
ein solches gerichtliches Sachverständigengutachten als Beweismittel grundsätzlich unverwertbar ist, „wenn es auf Geschäftsunterlagen beruht, die eine der Parteien nur dem Sachverständigen, nicht auch dem Gericht und der Gegenpartei, zur Verfügung gestellt hat und die im Verfahren nicht offengelegt werden.“378
Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, weil ein solches Geheimverfahren dem Gericht die Möglichkeit der freien Beweiswürdigung (§ 286 I 1 ZPO) nimmt und nicht dem Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) entspricht.379 Ähnlich entschied das BVerfG: „Die […] angeregte Beweisführung durch einen neutralen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer) schafft keine geeignete Möglichkeit zur Sachverhaltsaufklärung. Die Einschaltung von Sachverständigen enthebt den Richter nicht der Pflicht, sich hinsichtlich des Sachverhalts und der Ergebnisse des Gutachtens eine eigene Überzeugung zu bilden. Daher dürfen gutachterliche Ergebnisse nicht ungeprüft der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.“380
Damit ist eine solche Lösung zwar geeignet, die Geheimhaltungsinteressen der Gewerkschaft zu wahren, aber nicht zulässig. 3. Wirtschaftsprüfervorbehalt
Im Patent- und Wettbewerbsrecht können Auskunftsrechte mit einem sog. Wirtschaftsprüfervorbehalt versehen werden.381 Das Gericht kann in sein Urteil einen solchen Wirtschaftsprüfervorbehalt aufnehmen und den Auskunftsanspruch damit einschränken, „wenn dies nach Abwägung der beiderseitigen Interessen (§ 242 BGB) gerechtfertigt ist […].“382 Der Beklagte gibt dann nicht dem Kläger, sondern einem neutralen Wirtschaftsprüfer Auskunft, etwa über Namen und Anschriften seiner Abnehmer. Der Wirtschaftsprüfer ist wiederum ermächtigt, dem Kläger mitzuteilen, ob ein bestimmter Name oder eine bestimmte Anschrift enthalten war.383
378
BGH Kartellsenat v. 12. 11. 1991 – KZR 18/90, BHGZ 116, 47 = NJW 1992, 1817. Kartellsenat v. 12. 11. 1991 – KZR 18/90, BHGZ 116, 47 = NJW 1992, 1817
379 BGH
(1819). 380 BVerfG v. 14. 3. 2006 – 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE 115, 205 = MMR 2006, 375 (378). 381 Im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Auskunftansprüchen s. Köhler/ Bornkamm/Feddersen-Köhler, § 9 UWG Rn. 4.1 ff.; im Zusammenhang mit patentrechtlichem Auskunftsanspruch gegen den Benutzer Mes-Mes, § 140b PatG Rn. 43. 382 BGH v. 13. 2. 1981 – I ZR 111/78, GRUR 1981, 535. 383 Vgl. Mes-Mes, § 140b PatG Rn. 43.
118
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Geeignet ist der Wirtschaftsprüfervorbehalt nur, wenn die Frage, die dem Wirtschaftsprüfer gestellt werden soll, mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann.384 Es geht nicht darum, dass der Wirtschaftsprüfer selbst Schlüsse aus den Informationen zieht und etwa den Verletzergewinn ermittelt. Ansonsten übernähme „[d]er Wirtschaftsprüfer […] in diesem Fall die Richterrolle, freilich mit der Besonderheit, dass er – anders als der Richter – das gefundene Ergebnis wegen der Vertraulichkeit der zugrunde liegenden Informationen nicht begründen müsste und nicht begründen dürfte.“385
Ein Wirtschaftsprüfervorbehalt ist danach ungeeignet, der Gewerkschaft bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung ihrer Haftungsbeschränkung zu helfen. Es geht gerade darum, eine Haftungsobergrenze zu ermitteln, und nicht um Fragen, die keine sachverständigen Schlüsse erfordern. Hinzu kommt, dass es sich nicht um Auskunftansprüche des Klägers handelt, die einem etwaigen Schadensersatzverfahren vorgelagert sind. Vielmehr geht es um die Beweisführung des Beklagten, um den vom Kläger bereits dargelegten Schadensersatzanspruch zu beschränken. Damit ist die Ausgangslage eine andere. Zwar geht es ebenfalls um die effektive Durchsetzung von Rechten. Aber anders als bei den genannten Auskunftsrechten besitzt die Gewerkschaft die Information bereits. Sie kann ihre Beweise vorlegen. Die Frage ist allein, ob sie es tun möchte. Zieht man eine Parallele dennoch in Betracht, muss – ähnlich wie beim Sachverständigen, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist – jedenfalls näher untersucht werden, ob das Gebot des rechtlichen Gehörs und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung dadurch tangiert sind. Fraglich ist auch, inwieweit die prozessuale Waffengleichheit, das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz des fairen Verfahrens betroffen sind.386 4. In-camera-Verfahren im Zivilprozess?
Die Verwaltungsgerichtsordnung und die Finanzgerichtsordnung kennen das sog. In-camera-Verfahren (§ 99 II VwGO, § 86 III FGO).387 Auch dort findet sich das Spannungsfeld zwischen effektivem Rechtsschutz einerseits und Ge384 Dazu Bornkamm, In-camera-Verfahren im Zivilprozess?, in: FS Ullmann (2006), S. 893 (S. 899). 385 Bornkamm, In-camera-Verfahren im Zivilprozess?, in: FS Ullmann (2006), S. 893 (S. 900). 386 Im Zusammenhang mit der Kritik an § 58 III ArbGG Prütting, Verfahrensfragen des TarifeinheitsG, in: FS 200 Jahre Carl Heymanns Verlag (2015), S. 117 (S. 123). 387 Ausführlich zum In-camera-Verfahren nach § 99 II VwGO Linßen, Informationsprobleme und Schutz von Unternehmensgeheimnissen (2011) S. 92 ff.; zum Verfahren nach § 86 III FGO Gräber-Herbert, § 86 FGO Rn. 14 ff.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
119
heimnisschutz andererseits wieder. Zur Geheimhaltung der Information wird zum einen die Öffentlichkeit ausgeschlossen (§ 172 Nr. 2 GVG). Zum anderen wird eine gerichtliche Geheimhaltung ausgesprochen (§ 174 III 1 GVG). Zudem wird der Kläger von der Erörterung der Geheiminformation ausgeschlossen, möglicherweise sogar von der Beweisaufnahme, die mit der vertraulichen Information zusammenhängt.388 Übertragen auf die Beweisführung der Gewerkschaft hieße das, dass sie allein dem Gericht ihre Interna offenlegen müsste. Die Arbeitgeberseite würde nur in eingeschränktem Umfang Kenntnis von diesen Informationen erhalten. Damit würden zwar die Geheimhaltungsinteressen der Gewerkschaft gewahrt, für die Arbeitgeberseite wäre die Führung des Gegenbeweises aber quasi unmöglich. Im Zusammenhang mit § 99 VwGO a. F. hatte das BVerfG entschieden, dass ein In-camera-Verfahren zulässig ist, wenn ein effektiver Rechtsschutz erst durch die Beschränkung des rechtlichen Gehörs ermöglicht wird: „Wird der von Art. 19 IV GG gewährleistete effektive Rechtsschutz aber erst – wie in den Fällen der Geheimhaltungsbedürftigkeit von Tatsachen – durch eine Beschränkung des rechtlichen Gehörs möglich, dann liegt in dem damit verbundenen Vorteil, dass jedenfalls das Gericht die vollständigen Akten kennt und aufgrund dieser Kenntnis zu dem Schluss kommen kann, dass die Geheimhaltungsinteressen nicht vorliegen oder nicht überwiegen, ein hinreichender sachlicher Grund […]. Der Anspruch auf rechtliches Gehör […] kann diesem nicht entgegengehalten werden, wenn der begrenzte Verzicht darauf seinen Rechtsschutz ausnahmsweise verbessert.“389
Gleichzeitig hebt das BVerfG aber auch hervor, dass ein In-camera-Verfahren nur unter dieser Voraussetzung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, „nicht dagegen zur Verminderung der Rechtsschutzposition des Betroffenen […].“390 Nur derjenige, dem durch das In-camera-Verfahren effektiver Rechtsschutz ermöglicht wird, darf in seinen Grundrechten eingeschränkt werden. Bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung der Haftungsbeschränkung geht es aber darum, die Rechtsschutzposition der Arbeitgeberseite zu vermindern, die gleichzeitig keinen Vorteil aus dem In-camera-Verfahren ziehen kann, weil es um die Einschränkung ihres Schadensersatzanspruchs geht. Nachteile und Vorteile treffen mithin nicht denselben – es begünstigt allein die Gewerkschaft und benachteiligt allein die Arbeitgeberseite.
388 Dazu Bornkamm, In-camera-Verfahren im Zivilprozess?, in: FS Ullmann (2006), S. 893 (S. 904). 389 BVerfG v. 27. 10. 1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106 = NJW 2000, 1175 (1178); s. dazu auch Bornkamm, In-camera-Verfahren im Zivilprozess?, in: FS Ullmann (2006), S. 893 (S. 905 f.); Linßen, Informationsprobleme und Schutz von Unternehmensgeheimnissen (2011) S. 93 f. 390 BVerfG v. 27. 10. 1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106 = NJW 2000, 1175 (1178).
120
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Aus diesem Grund ist bereits fraglich, ob ein In-camera-Verfahren zum Schutz des Geheimhaltungsinteresses der Gewerkschaft mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 I GG der Arbeitgeberseite vereinbar ist. Unabhängig davon ist näher zu untersuchen, ob die Rechtsprechung in richterlicher Rechtsfortbildung ein In-camera-Verfahren für die Beweisführung der Haftungsbeschränkung einführen kann oder ob dafür nicht vielmehr eine gesetzliche Regelung notwendig ist.391 5. Zwischenergebnis
An der Beschränkung der Haftung analog § 254 I BGB ist zu kritisieren, dass es der Gewerkschaft bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung kaum möglich ist, den Beweis der Existenzbedrohung zu führen, ohne ihre Interna offen zu legen. Ein Blick auf Konstellationen mit ähnlichem Spannungsfeld zeigt, dass dieses Problem (Offenbarungs- vs. Geheimhaltungsinteresse) der Rechtsordnung nicht fremd ist. Ob eines der (Geheimhaltungs-)Verfahren übertragen werden kann, bedarf aber einer tiefergehenden Untersuchung, die nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. Bei erster, summarischer Prüfung bestehen eher Zweifel an der Übertragbarkeit. V. Regelung einer summenmäßigen Haftungsbeschränkung de lege ferenda
Das Problem, dass die Gewerkschaft durch die Geltendmachung der Haftungsbeschränkung vertrauliche Interna offenbaren müsste, kann de lege ferenda gelöst werden: Mit einer Haftungsbeschränkung, welche entweder an eine feste Haftungssumme oder eine Bemessungsformel anknüpft, die nicht auf vertraulichen Informationen beruht. Im Rahmen geltenden Rechts ist eine solche Haftungsbeschränkung nicht möglich.392 Daher ist der Gesetzgeber gefragt. 1. Anknüpfung an eine Bemessungsformel vorzugswürdig
Wie bereits dargelegt wurde, sind feststehende Haftungssummen zwar praktikabel und rechtssicher, gleichzeitig aber nicht einzelfallgerecht. Je nach Vereinsvermögen kann eine feststehende Haftungssumme entweder zum wirtschaftlichen Ruin führen oder – wenn lächerlich gering – zu rechtswidrigen Streiks ermuntern. Ist Letzteres der Fall, übt der drohende Schadensersatzan391 Laut Bornkamm, In-camera-Verfahren im Zivilprozess?, in: FS Ullmann (2006), S. 893 (S. 909 ff.) spricht vieles dafür, im Zivilprozess ein In-camera-Verfahren auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zuzulassen. 392 Dazu bereits oben § 3 D. III. 3. b) bb) „Keine starre Haftungobergrenze“, S. 107 ff.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
121
spruch keine Präventionsfunktion mehr aus.393 Eine Haftungsbeschränkung auf Grundlage einer Bemessungsformel ist eher geeignet, die Präventionsfunktion zu wahren. Sie vereint die Einzelfallabwägung einerseits mit der Rechtssicherheit andererseits.394 Rechtssicher ist sie, weil die Bemessungsgrundlage feststeht und die Haftungsobergrenze damit eindeutig ermittelt werden kann. Einzelfallgerechter ist sie, weil die Höhe der Haftungsobergrenze entscheidend von den individuellen Umständen abhängt. Vorzugswürdig für eine gesetzliche Neuregelung ist damit eine Haftungsbeschränkung mit Bemessungsformel. 2. Mitgliederzahl als Maßstab geeignet
Als Anknüpfungspunkt sind verschiedene Maßstäbe denkbar. Es kann beispielsweise an die Höhe der Beitragszahlungen, den Umsatz, die Anzahl der Streiktage oder die Mitgliederzahl angeknüpft werden. Die bereits erwähnte Haftungsbeschränkung zugunsten der Gewerkschaft in England knüpft beispielsweise an die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder an (Section 22 des Trade Union and Labour Relations (Consolidation) Act 1992).395 Im Zusammenhang mit Bußgeldern im Kartellrecht wird an den Konzernumsatz als Bemessungsgrundlage angeknüpft (10 % des Konzernumsatzes im Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung, § 81 IV 2 GWB).
Die Höhe von Beitragszahlungen oder Umsatz müsste die Gewerkschaft als Interna im Beweisfalle öffentlich machen, daher sind diese Maßstäbe als Anknüpfungspunkte weniger geeignet. Die Anzahl der Mitglieder ist hingegen eine Information, die in vielen Fällen von der Gewerkschaft selbst bekanntgegeben wird, jedenfalls aber gewährleistet, dass die Gewerkschaft die Haftungsbeschränkung im Prozess geltend machen und beweisen kann, ohne vertrauliche (finanzielle) Interna offenzulegen. Gleichzeitig hängt die Anzahl der Mitglieder mit der Höhe der Beitragseinnahmen zusammen: Je mehr Mitglieder sie hat, desto größere Beitragseinnahmen kann die Gewerkschaft verzeichnen. Eine größere Gewerkschaft kann daher in der Regel eine größere Haftungssumme verkraften als eine kleinere.396 Eine Anknüpfung an die Mitgliederzahlen ist 393
Dazu bereits oben § 3 D. III. 3. b) bb) „Keine starre Haftungobergrenze“, S. 107 ff. Zusammenhang mit den Berechnungsmaßstäben im handelsrechtlichen Transportrecht s. Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 89. 395 Ausführlicher dazu bereits oben § 3 D. III. 3. b) bb) „Keine starre Haftungobergrenze“, S. 107 ff. 396 Zwar ist denkbar, dass bei Beiträgsätzen in Höhe von in der Regel 1 % des Brutto lohns kleinere Gewerkschaften aus einer Spitzenlohnbranche (z. B. GdF oder VC) mehr Einnahmen erzielen können als größere Gewerkschaften aus dem Niedriglohnsektor; die Auswirkungen dürften jedoch gering sein, weil es für die Zahlungskraft dennoch einen 394 Im
122
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
damit zwar nicht geeignet, hundertprozentige Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Die Verknüpfung zwischen Haftungssumme und Mitgliederanzahl ist aber geeignet, einerseits die Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung (Gewerkschaften bei unsicherer Rechtslage die Furcht vor einer existenzbedrohenden Haftung zu nehmen) und andererseits das Geheimhaltungsbedürfnis der Gewerkschaften (keine Offenlegung von Interna) zu vereinen. Nach dem englischen Vorbild 397 ist daher nach einer Regelung zu suchen, welche die Haftungssumme an die Mitgliederzahlen anknüpft. Denkbar ist dabei entweder eine Regelung, die die genaue Mitgliederzahl zu Grunde legt (zum Beispiel: 243.714), oder eine Staffelung (zum Beispiel: zwischen 100.000 und 400.000). Die englische Regelung basiert auf der Staffellösung, die allerdings wenig differenziert und daher als eher ungeeignet angesehen werden muss: Zum einen sind die Mitgliederzahlen nur bis zu einer Anzahl „100.000 oder mehr Mitgliedern“ gestaffelt. Das bildet die Wirklichkeit in Deutschland nicht ab, da die Mehrzahl der Gewerkschaften über 100.000 Mitglieder verzeichnen. Der englischen Regelung folgend würde eine Gewerkschaft wie ver.di mit rd. 2 Millionen Mitgliedern die gleiche Haftungssumme zahlen müssen wie beispielsweise die EVG mit 197.000 Mitgliedern. Es bedarf daher einer differenzierteren Regelung mit einer größeren Staffelung. Zum anderen sind die festgelegten Werte mit höchstens £ 250.000 bei 100.000 oder mehr Mitgliedern recht niedrig und würden dem Präventionsgedanken nicht gerecht.398 Welche konkreten Summen und/oder Staffelungsgrenzen im Einzelnen angemessen sind, ist mit den frei zugänglichen Informationen allerdings kaum seriös festzulegen. Daher hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungs prozesses die nötigen Informationen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln in Erfahrung zu bringen. Um zu verhindern, dass die so ermittelten Haftungsobergrenzen im Laufe der Zeit „überaltern“, ist es geboten, eine Prüfungspflicht einzuführen, beispielsweise auf Antrag alle fünf Jahre nach dem Vorbild von Art. 18 II RL 85/374/EWG (Produkthaftungs-Richtlinie).399
Unterschied macht, ob eine Gewerkschaft rund 651.000 Mitglieder (IG BCE), 281.000 Mitglieder (GEW) oder 3.500 Mitglieder (GdF) hat. 397 Zur englischen Regelung bereits oben § 3 D. III. 3. b) bb) „Keine starre Haftungs obergrenze“, S. 107 ff. 398 Zum Präventionsgedanken bereits oben § 3 D. „Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB“, S. 84 ff. 399 Ausführlicher dazu und ebenfalls mit der Empfehlung einer Prüfungspflicht für sämtliche Haftungshöchstsummen Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 95 f.
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
123
3. Erhöhte Rechtssicherheit
Neben der verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit spricht für eine summenmäßige Haftungsbeschränkung ebenfalls der Aspekt der Rechtssicherheit. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie derjenige der Existenzbedrohung sind immer mit Ermessenspielräumen der Gerichte verbunden. Daher ist für die Gewerkschaft schwer prognostizierbar, in welcher Höhe die Haftungsobergrenze festgelegt wird.400 Zweck der Haftungsbeschränkung ist aber gerade, die Gewerkschaft vor dem Risiko der unsicheren Rechtslage zu schützen. Dazu ist eine rechtssichere Haftungsobergrenze deutlich besser geeignet. Hinzu kommt, dass das Haftungsrisiko besser kalkulierbar und damit leichter versicherbar ist. Dieser Gedanke der Versicherbarkeit taucht auch im Zusammenhang mit anderen gesetzlich normierten Haftungsbeschränkungen401 auf: Die Begrenzung der Haftung soll unter anderem sicherstellen, dass das Haftungsrisiko versicherbar wird und damit nicht mehr existenzbedrohend wirkt.402 Für Gewerkschaften stellt sich allerdings die hier nicht weiter verfolgte Frage, ob es in der Praxis überhaupt Versicherungen gibt, die ihr Haftungsrisiko ab sichern.403 Jedenfalls ist eine summenmäßige Haftungsbeschränkung, die an die Anzahl der Mitglieder anknüpft, nicht nur geeignet, der Gewerkschaft die Furcht vor existenzbedrohender Haftung zu nehmen und das Recht auf Grenzinitiative zu gewährleisten. Sie ist ebenfalls rechtssicher und praktikabel. 4. Zwischenergebnis
Die Schwäche der Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB – die komplizierte verfahrensrechtliche Umsetzung – kann durch eine Regelung de lege ferenda behoben werden. Der Gesetzgeber ist daher zum Handeln aufgerufen. Eine Haftungsobergrenze, die sich mit Hilfe einer Bemessungsformel berechnen lässt, ist rechtssicher und berücksichtigt trotzdem die Umstände des Einzelfalls. 400 Das kann sowohl Nach- als auch Vorteil sein: „Je unspezifischer die bemühte gesetzliche Grundlage ist, umso größer ist zudem die Gefahr, dass sie von den Gerichten exzessiv herangezogen wird, um Ergebnisse zu erzielen, die ihnen nicht als gerecht erscheinen.“, Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 609. 401 Zu den einzelnen Haftungsbeschränkungen s. bereits oben § 3 D. III. 1. „Auslegung gesetzlicher Haftungsbeschränkungen“, S. 93 ff. 402 Ausführlicher dazu bereits oben unter § 3 D. III. 1. b) „Beschränkungen im Rahmen verschuldensabhängiger Haftung“, S. 95; zudem Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB (2015) S. 52 f., 99; im Rahmen von § 833 S. 1 BGB erwägt Canaris, JZ 1987, 993 (1002) sogar, dass das Fehlen einer Höchstgrenze und damit die schwierige Versicherbarkeit mit Art. 2 I GG wohl nicht mehr in Einklang zu bringen ist. 403 Dazu bereits oben § 3 D. III. 3. b) bb) „Keine starre Haftungobergrenze“, S. 107 ff.
124
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Vorzugswürdiger Bemessungsmaßstab ist die Mitgliederzahl der Gewerkschaften. Mit diesem Maßstab kann einerseits der Zweck der Haftungsbeschränkung erfüllt werden, Gewerkschaften bei unsicherer Rechtslage vor existenzbedrohender Haftung zu schützen. Andererseits gewährleistet eine Anknüpfung an die Mitgliederzahl, dass die Gewerkschaft die Haftungsbeschränkung im Prozess geltend machen kann, ohne vertrauliche Interna offenzulegen. VI. Zwischenergebnis
Bei vorsätzlichem Verhalten haftet die Gewerkschaft nach §§ 249 ff. BGB in vollem Umfang für die entstandenen Schäden. Handelt die Gewerkschaft fahrlässig, wird sie analog § 254 I BGB von dem Risiko der Existenzbedrohung befreit. Um zu ermitteln, wann eine Haftungssumme existenzbedrohend wirkt, ist als Ausgangspunkt zu berechnen, ab welcher Summe die Gewerkschaft überschuldet ist. Dafür kann auf die Grundsätze zur Überschuldung nach § 19 InsO zurückgegriffen werden. Von dort ausgehend kann berechnet werden, welche Haftungssumme die Gewerkschaft zahlen kann, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein. Verfahrensrechtlich kann die Gewerkschaft die Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB nur umsetzen, wenn sie zur Beweisführung vertrauliche Interna offenlegt. Da daraus möglicherweise Rückschlüsse auf die Fähigkeit zu streiken geschlossen werden können (z. B. Stand der Streikkasse), hat die Gewerkschaft aber ein hohes Geheimhaltungsinteresse. Um die Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB praktikabel zu machen, müsste ein entsprechendes Geheimverfahren etabliert werden. Inwieweit bestehende (Geheim-)Verfahren aus anderen Rechtsgebieten übertragen werden können, ist dem weiteren wissenschaftlichen Diskurs überlassen. Jedenfalls der Gesetzgeber könnte den Schwierigkeiten der verfahrensrechtlichen Umsetzung durch eine Haftungsbeschränkung de lege ferenda begegnen. Eine Haftungsobergrenze, die sich mit Hilfe einer Bemessungsformel berechnen lässt, wäre zudem rechtssicherer als § 254 I BGB analog. Vorzugswürdiger Bemessungsmaßstab ist die Mitgliederzahl der Gewerkschaften.
E. Ergebnis Aus dem Tarifvertrag entsteht sowohl zwischen der Gewerkschaft und dem arbeitgeberseitigen Tarifpartner als auch zwischen Gewerkschaft und den Mitgliedern des tarifschließenden Arbeitgeberverbands ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis. Bei Verstoß gegen die Friedenspflicht liegt für den bestreikten Zeitraum eine Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB vor. Das Handeln der
§ 3 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
125
Organe und Erfüllungsgehilfen ist der Gewerkschaft analog § 31 BGB und gem. § 278 BGB zuzurechnen; gleiches gilt für das Verschulden. Nach § 276 I 1 BGB hat die Gewerkschaft Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Die Gewerkschaft handelt fahrlässig, wenn sie nach einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechtslage vorhersehen konnte, dass der Streik mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Gewerkschaft (§ 280 I 2 BGB). Bei Vorsatz haftet die Gewerkschaft nach §§ 249 ff. BGB in vollem Umfang für die entstandenen Schäden. Das gilt grundsätzlich auch bei Fahrlässigkeit. Allerdings wird die Gewerkschaft dann analog § 254 I BGB von dem Risiko der Existenzbedrohung befreit. Praktikabler wäre jedoch eine Haftungsobergrenze, die sich mit Hilfe eines Bemessungsmaßstabs – vorzugswürdig der Mitgliederanzahl – berechnen lässt. Dafür muss jedoch der Gesetzgeber tätig werden.
126
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
§ 4 Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB wegen Verletzung der Einwirkungspflicht Da die Einwirkungspflicht ein Teil der Friedenspflicht i. w. S. ist, ergeben sich Unterschiede der schadensrechtlichen Bewertung allein im Bereich der Pflichtverletzung. Im Bezug auf die sonstigen Voraussetzungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.1
A. Einwirkungspflicht als leistungsbezogene Nebenpflicht Die Einwirkungspflicht ist die Kehrseite der Unterlassungspflicht: Die Tarifpartner sind nicht nur verpflichtet, Arbeitskämpfe zu unterlassen, die gegen die Friedenspflicht verstoßen (negativer Inhalt), sie müssen auch auf ihre Mitglieder einwirken, dass diese den Tarifvertrag gleichfalls einhalten und tarifwidrige Arbeitskampfmaßnahmen unterlassen (positiver Inhalt).2 Dabei schulden die Tarifpartner nicht den Erfolg (keine Garantiepflicht), sondern das Tätigwerden an sich (Handlungspflicht).3 Parallel zur Unterlassungspflicht handelt es sich bei der Einwirkungspflicht um eine auf Dauer angelegte Pflicht, die während der gesamten Laufzeit des Tarifvertrags greift.4 Die Einwirkungspflicht prägt den Tarifvertrag nicht in gleicher Weise wie die Unterlassungspflicht: In erster Linie ist die Gewerkschaft dazu verpflichtet, friedenspflichtwidrige Arbeitskämpfe zu unterlassen. Dabei schuldet die Gewerkschaft einen (negativen) Erfolg. Erst in zweiter Linie hat sie auf ihre Mitglieder einzuwirken, dass diese derartige Arbeitskämpfe ebenfalls unterlassen. Hier schuldet die Gewerkschaft allein, dass sie tätig wird, nicht, dass ihre Mitglieder sich tatsächlich tariftreu verhalten. Wirkt die Gewerkschaft auf ihre Mitglieder 1 S. § 3 „Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB wegen Verletzung der Friedenspflicht“, S. 37 ff. 2 S. BAG v. 18. 2. 1998 – 4 AZR 363/96, BAGE 88, 81 = NZA 1998, 1008 (1010); Brox/ Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 139; DäublerAK-Reinfelder, § 15 Rn. 24; Hueck/ Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 329; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 255; Konzen, ZfA 1975, 401 (403); Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1164 f.; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 329; Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 105, 108 f.; Walker, Der tarifvertragliche Einwirkungsanspruch, in: FS Schaub (1998), S. 743; vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 630 ff.; s. bereits oben unter § 3 B. II. 1. b) „Umfang der Friedenspflicht“, S. 48. 3 S. Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 312; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 139 f.; Walker, Der tarifvertragliche Einwirkungsanspruch, in: FS Schaub (1998), S. 743 (S. 750); DäublerAK-Reinfelder, § 15 Rn. 24. 4 S. bereits § 3 B. II. 1. c) „Charakter der Friedenspflicht: selbstständige Unterlassungspflicht“, S. 50 ff.
§ 4 Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB
127
ein, Arbeitsniederlegungen zu unterlassen, erfüllt sie den Zweck der Friedenspflicht und verhilft dem Tarifvertrag damit zur vollen Wirkung.5 Die Einwirkungspflicht dient damit ebenfalls der Verwirklichung des tarifvertraglichen Zwecks. Aus diesem Grund ließe sich argumentieren, dass die Einwirkungspflicht als Gegenstück der Unterlassungspflicht ebenfalls als Hauptleistungspflicht einzuordnen ist. Überzeugender ist jedoch, die Einwirkungspflicht als Nebenpflicht einzustufen6 und ihren Charakter als Sicherung der Unterlassungspflicht hervorzuheben: Die Einwirkungspflicht ist ein Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags – eine Konkretisierung des Prinzips pacta sunt servanda, wie sie sich aus jedem Vertrag ergibt, und damit ein Anspruch auf Vertragserfüllung.7 Wegen der Verbandsstrukturen der Tarifpartner kann die Friedenspflicht des Tarifvertrags erst erfüllt werden, wenn die Mitglieder ebenfalls Frieden halten.8 Die Einwirkungpflicht auf die Mitglieder dient damit der Sicherung und Durchführung der eigenen Unterlassungspflicht und ergänzt diese. Damit handelt es sich um eine leistungsbezogene Nebenpflicht.9 Folglich richtet sich der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Einwirkungspflicht nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB: Ebenso wie bei Hauptleistungspflichten ist die naturale Erfüllung bei leistungsbezogenen Nebenpflichten regelmäßig realisierbar, sodass die Vorschriften zum Schadensersatz statt der Leistung mit dem Vorbehalt der Fristsetzung eine sinnvolle Rechtsfolge begründen.10 Bei Verletzung der Einwirkungspflicht greifen damit die §§ 280 I, III, 281 ff. BGB.11 5 S. dazu auch BAG v. 18. 2. 1998 – 4 AZR 363/96, BAGE 88, 81 = NZA 1998, 1008 (1010), das feststellt, dass die Tarifparteien nach Treu und Glauben zur Erfüllung des Tarifvertrags verpflichtet sind, wozu ebenfalls gehört, mit allen Kräften darauf hinzuwirken, dass der Tarifvertrag in vollem Umfang durchgeführt wird. 6 Ebenfalls als Nebenpflicht einordnend BAG v. 29. 4. 1992 – 4 AZR 432/91, NZA 1992, 846 (848); Schaub-Treber, § 200 Rn. 5. 7 S. BAG v. 29. 4. 1992 – 4 AZR 432/91, NZA 1992, 846 (848); Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 108; Walker, Der tarifvertragliche Einwirkungsanspruch, in: FS Schaub (1998), S. 743 (S. 744 f.); vgl. ebenfalls Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 329; zur Vertragserfüllungspflicht s. zudem bereits oben unter § 3 B. II. 1. b) „Umfang der Friedenspflicht“, S. 48. 8 S. Walker, Der tarifvertragliche Einwirkungsanspruch, in: FS Schaub (1998), S. 743 (S. 745). 9 Zu den Charakteristika der leistungsbezogenen Nebenpflicht s. Staudinger-Olzen, § 241 Rn. 265 f.; Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 109. 10 Grigoleit, Leistungspflichten und Schutzpflichten, in: FS Canaris I (2007), S. 275 (S. 279); vgl. auch MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 30; zum Vorbehalt der Fristsetzung s. Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (734): „Der Vorbehalt der Fristsetzung und Fristablauf bekräftigt und privilegiert […] das Recht des Schuldners auf Natural andienung.“. 11 Zum gleichen Ergebnis würde eine Einordnung als Hauptleistungspflicht führen.
128
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
B. Abgrenzung von § 281 I 1 BGB und § 283 S. 1 BGB Nach § 281 I 1 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangen, soweit der Schuldner eine fällige, durchsetzbare Leistung nicht (sog. Nichtleistung) oder nicht wie geschuldet (sog. Schlechtleistung) erbringt und erfolglos eine angemessene Frist verstrichen ist. Dieses Fristerfordernis ist nur sinnvoll, soweit die Gewerkschaft ihre Leistung noch erbringen kann.12 § 283 S. 1 BGB macht von dem Vorbehalt der Fristsetzung eine Ausnahme, wenn die Leistung nach § 275 BGB unmöglich geworden ist. Das ist der Fall, wenn die Leistung dauerhaft nicht erfüllt werden kann.13 Entscheidend für die Abgrenzung von § 281 I 1 BGB und § 283 S. 1 BGB ist damit, ob die Einwirkungspflicht im Zeitpunkt der Pflichtverletzung noch verspätet erfüllt werden kann und damit nur verzögert ist, oder ob bereits Unmöglichkeit eingetreten ist.14 Für die Abgrenzung der Schadenskategorien sind deshalb zwei Konstellationen zu unterscheiden: Ist die Gewerkschaft ihrer Einwirkungspflicht bisher nicht nachgekommen und ist ihr Tätigwerden nachholbar, also auch verspätet noch erfüllbar, kommt eine Pflichtverletzung i. S. d. § 281 I 1 BGB in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Arbeitgeberseite eine angemessene Frist gesetzt hat und die Gewerkschaft bis Fristablauf nicht oder nur unzureichend tätiggeworden ist, obwohl der Einwirkungsanspruch fällig und durchsetzbar war. Beispiel: Die in der IG Metall organisierten Arbeitnehmer der Volkswagen AG planen ihre Arbeit niederzulegen, um einen neuen Entgelttarifvertrag durchzusetzen, obwohl noch eine Friedenspflicht aus dem laufenden Entgelttarifvertrag besteht. Die IG Metall hatte die Arbeitnehmer zu keinem Streik aufgerufen und steht auch sonst in keinem Zusammenhang zu der Arbeitsniederlegung. Die Einwirkungspflicht der IG Metall gebietet, mit allen zumutbaren Mitteln auf diese Arbeitnehmer einzuwirken, um sie von ihrem nichtgewerkschaftlichen Streik abzuhalten.15 Solange die Gewerkschaftsmitglieder noch in der Planungsphase sind, kann die Gewerkschaft ihrer Einwirkungspflicht noch genügen, indem sie tätig wird. Setzt die Arbeitgeberseite eine angemessene Frist und handelt die Gewerkschaft bis Fristablauf dennoch nicht, liegt eine Nichtleistung i. S. d. § 281 I 1 Var.1 BGB vor.
12 Ausführlich zum Zweck des Fristerfordernisses Grigoleit/Riehm, AcP 203 (2003), 727 (734). 13 S. bereits oben § 3 B. II. 2. b) „Voraussetzung des § 283 S. 1 BGB“, S. 55 ff. 14 Ausführlich zur absoluten Fixschuld und der Abgrenzung zur relativen Fixschuld bereits oben unter § 3 B. II. 2. b) aa) „Dauerhafte Unterlassungspflicht als absolute Fixschuld“, S. 56 ff. 15 Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 216; allgemein zur Einwirkungspflicht vgl. ebenfalls Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1165.
§ 4 Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, III, 281 ff. BGB
129
Davon zu unterscheiden ist die Konstellation, in der sich Mitglieder der Gewerkschaft bereits tarifwidrig verhalten: Mit Wirkung für die Vergangenheit kann die Gewerkschaft ihre fehlende Einwirkung nicht nachholen, sie wäre sinnlos – es wurde schließlich bereits tarifwidrig gestreikt. Allein für die Zukunft ist ein Nachkommen der Einwirkungspflicht denkbar. Für den vergangenen Zeitraum tritt – wie bei Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungspflicht – Unmöglichkeit i. S. d. § 275 I BGB ein. In dieser Konstellation kommt ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. § 283 S. 1 BGB in Betracht.
C. Ergebnis Die Einwirkungspflicht ist als leistungsbezogene Nebenpflicht einzuordnen. Bleibt die Gewerkschaft trotz Handlungspflicht untätig und wirkt nicht auf ihre Mitglieder ein, kommen Schadensersatzansprüche statt der Leistung in Betracht. Ist die Erfüllung der Einwirkungspflicht noch möglich, richtet sich der Anspruch nach §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB. Bei Unmöglichkeit bietet §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB die richtige Haftungsgrundlage.
130
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB wegen Schutzpflichtverletzung Während Verletzungen der Friedenspflicht zu Schadensersatz statt der Leistung führen, ist zu fragen, ob Streiks, die aus sonstigen Gründen rechtswidrig sind, ebenfalls vertragliche Schadensersatzansprüche begründen. Das ist zu bejahen, wenn solche Verstöße eine Schutzpflicht aus § 241 II BGB verletzen. Im Regelfall lösen Schutzpflichtverletzungen einen einfachen Schadensersatzanspruch nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB aus. Ausnahmsweise ist auch ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 282 BGB möglich, wenn das Festhalten am Vertrag für den Gläubiger nach einer Schutzpflichtverletzung unzumutbar geworden ist (vgl. § 282 BGB).1 Im Folgenden ist daher zunächst zu untersuchen, wann zwischen den Tarifparteien ein Schuldverhältnis entsteht (A.) und ob die Gewerkschaft aus dem Tarifvertrag die Schutzpflicht trifft, Handlungen zu unterlassen, die zu einem rechtswidrigen Arbeitskampf führen würden (B.). Zwar deckt die Hauptleistungspflicht aus § 283 S. 1 BGB bereits die Pflicht ab, Arbeitskämpfe zu unterlassen, die gegen die Friedenspflicht verstoßen und deswegen rechtswidrig sind.2 Daneben könnte aber eine eigenständige Schutzpflicht zur Unterlassung von Arbeitskämpfen bestehen, die aus sonstigen Gründen rechtswidrig sind. Wenn im Folgenden aus Praktikabilitätsgründen vereinfacht von rechtswidrigen Streiks gesprochen wird, sind daher allein solche Streiks gemeint, die aus anderen Gründen als aus einem Verstoß gegen die Friedenspflicht rechtswidrig sind.
A. Schuldverhältnis Während eines laufenden Tarifvertrags besteht sowohl zwischen den Tarifpartnern als auch zwischen der Gewerkschaft und den Mitgliedern des Tarifpartners ein Schuldverhältnis, welches neben der Leistungspflicht – der (relativen) Friedenspflicht – auch allgemeine Schutzpflichten nach § 241 II BGB enthält.3 Anders als bei Verstößen gegen die Friedenspflicht können Streiks, die aus sonstigen Gründen rechtswidrig sind, auch zu Zeitpunkten im Vorfeld oder Nachgang von Tarifverhalungen stattfinden, in denen nicht bereits ein 1 Ausführlicher dazu Grigoleit, Leistungspflichten und Schutzpflichten, in: FS Canaris I (2007), S. 275 (S. 289). 2 Dazu bereits oben § 3 „Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB wegen Verletzung der Friedenspflicht“, S. 37 ff. 3 Zur Begründung des Schuldverhältnisses durch Abschluss eines Tarifvertrags bereits oben unter § 3 A. „Schuldverhältnis“, S. 37 ff.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
131
Schuldverhältnis aus Tarifvertrag greift. Daher ist zu untersuchen, ob auch im vorvertraglichen (I. 1.) und nachwirkenden Stadium (I. 2.) oder sogar während des gesamten Zeitraums der Tarifbeziehungen (I. 3.) ein Schuldverhältnis besteht.4 Gleiches ist im Fall eines Verbandstarifvertrags für das Verhältnis zu den Verbandsmitgliedern zu prüfen (II.). I. Schuldverhältnis zwischen den Tarifpartnern 1. Vorvertragliches Schuldverhältnis aus c. i. c., § 311 II BGB
Zwischen den Tarifpartnern kann sich ein vorvertragliches Schuldverhältnis aus c. i. c. nach § 311 II BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift entsteht bei Vorliegen der Voraussetzungen bereits im vorvertraglichen Stadium ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis5 mit Pflichten nach § 241 II BGB. Hauptanwendungsfall ist die Konstellation der Vertragsanbahnung (Nr. 2).6 Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1) ist ein Unterfall der Vertragsanbahnung und damit die speziellere Regelung.7 Als Auffangtatbestand bleibt schließlich der ähnliche geschäftliche Kontakt (Nr. 3).8 a) Geschäftlicher Kontakt als Voraussetzung
Mit § 311 II BGB hat der Gesetzgeber die über Jahrzehnte lang entwickelte Lehre der c. i. c. in Gesetzesform gegossen.9 Ihren Ursprung hat die c. i. c. in 4 Zum Begriff der Sonderverbindung s. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 6 ff.; s. auch Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 1; Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 2. 5 Zu dieser Kategorisierung Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 1; StaudingerOlzen, § 241 Rn. 46 ff.; zudem Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 53, die anmerken, dass es sich beim rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnis im Ergebnis dennoch um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, weil sein Entstehen nicht vom Willen der Parteien abhängt. 6 S. MüKo-BGB-Emmerich, § 311 Rn. 42, 45; zu den Tatbestandsanforderungen s. Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 104; Brox/Walker, SchuldR AT (2019), § 5 Rn. 4 ff. 7 S. nur MüKo-BGB-Emmerich, § 311 Rn. 42. 8 S. Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 61; Jauernig-Stadler, § 311 BGB Rn. 45; ob die Nr.3 tatsächlich eine eigene Bedeutung i. S. e. Auffangtatbestands hat, ist laut MüKo-BGB-Emmerich, § 311 Rn. 42, 48 f. noch nicht abschließend geklärt; zum Anwendungsbereich aber gleichzeitig MüKo-BGB-Emmerich, § 311 Rn. 48 f.; Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 105 ff. 9 S. BT-Drucks. 14/6040 S. 161 f.; zur Entwicklungsgeschichte der c. i. c. s. Frost, Schutzpflichten (1981) S. 43 ff.; überblicksartig auch Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 59 f.; Lorenz, JuS 2015, 398; kritisch gegenüber der Umsetzung Bucher, „Schuldverhältnis“ des BGB, in: FS Wiegand (2005), S. 93 (S. 128 f.).
132
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
der Erwägung, das – im Verhältnis zum Vertragsrecht weichere – Deliktsrecht gewährleiste im vorvertraglichen Stadium keinen ausreichenden Schutz.10 Zudem stünden sich die Parteien nicht unverbunden, sondern in einem Vertrauensverhältnis gegenüber: Bereits im vorvertraglichen Stadium gewähren sie sich die Möglichkeit, auf den Rechtskreis des anderen einzuwirken.11 Daher begründet § 311 II BGB die Pflicht, das in Anspruch genommene Vertrauen nicht zu enttäuschen12: Es entsteht ein Schuldverhältnis mit Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB. Diese vorvertraglichen Pflichten sind unabhängig davon, ob der eigentliche Vertrag tatsächlich wirksam zustande kommt.13 Voraussetzung ist allein, dass ein geschäftlicher Kontakt zustande kommt – entweder durch Vertragsanbahnung, Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder durch ähnliche geschäftliche Kontakte.14 Soziale oder gesellschaftliche Kontakte, wie etwa im Rahmen von Gefälligkeitshandlungen, sind damit nicht vom Anwendungsbereich des § 311 II BGB umfasst.15 b) Beide Tarifpartner streben Tarifabschluss an
Streben beide Tarifpartner den Abschluss eines Tarifvertrags an, liegt ein solcher geschäftlicher Kontakt vor und ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht.16 Regelmäßig handelt es sich um die Anbahnung eines Tarif10 S. Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 59; Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 99; kritisch dazu Hohloch, JuS 1977, 302 (306); ausführlich zu den Unterschieden zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung unten § 9 A. II. 1. „Gewährung von reinem Vermögensschutz“, S. 197. 11 S. Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 59; Lorenz, JuS 2015, 398; ebenso MüKo-BGB-Emmerich, § 311 Rn. 41, der jedoch betont, dass der Vertrauensgedanke nur ein Haftungsgrund ist, neben den noch andere Rechtsgedanken, wie der allgemeine Rechtsgüterschutz, treten; vgl. auch Frost, Schutzpflichten (1981) S. 92 f.; grundlegend zur Vertrauenshaftung wegen Schutzpflichtverletzung Canaris, Vertrauenshaftung, in: FS 50 Jahre BGH (2000), S. 129 (S. 172 ff.); im Zusammenhang mit der Sonderrechtsbeziehung der Tarifpartner Konzen, Vorbeugender Rechtsschutz unter Tarifparteien, in: FS Kissel (1994), S. 571 (S. 592). 12 S. Lorenz, JuS 2015, 398; Gottwald, JuS 1982, 877 (878). 13 S. BGH v. 28. 1. 1976 – VIII ZR 246/74, BGHZ 66, 51 = NJW 1976, 712; Canaris, JZ 1965, 475 (476); Lorenz, JuS 2015, 398; Seiter, ZfA 1989, 283 (295). 14 Vgl. dazu Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 108; ebenfalls Lorenz, JuS 2015, 398, der feststellt, dass letztlich jeder rechtsgeschäftliche Kontakt ausreicht. 15 Dazu Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 61; MüKo-BGB-Emmerich, § 311 Rn. 42; Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 109. 16 Die überwiegende Ansicht erkennt das Bestehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses oder sogar einer Dauerrechtsbeziehung zwischen den Tarifpartnern an: LAG Niedersachsen v. 31. 1. 1984 – 7 Sa 88/82, DB 1984, 993; Dütz, BB 1980, 533 (536); Heinze, SAE 1983, 224 (225 ff.); Kirchner, RdA 1980, 129 (138); Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 72 ff., vor allem S. 82; Krebs, Sonderver-
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
133
vertrags (Nr. 2) oder sogar der Aufnahme von Tarifvertragsverhandlungen (Nr. 1).17 Auch der hinter § 311 II BGB stehende Zweck ist erfüllt: Durch die andauernde Tarifbeziehung haben die Tarifpartner verstärkte Einwirkungsmöglichkeiten auf ihre gegenseitigen Rechtspositionen, wodurch sie in gesteigertem Maße auf die Wahrung ihrer Interessen durch den anderen vertrauen können müssen.18 Mit dem vorhandenen Instrumentarium des Arbeitskampfs haben die Tarifpartner vor allem in der Verhandlungsphase erhöhte gegenseitige Einwirkungsmöglichkeiten: „In keinem anderen Rechtsbereich erhalten potentielle Kontrahenten aufgrund ihres Kontakts zulässigerweise derart unmittelbare und folgenschwere Einwirkungsmöglichkeiten auf den Rechtskreis des anderen, wie dies im Arbeitskampfstadium der Fall ist.“19
Daher begründet § 311 II BGB die Pflicht, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen i. S. d. § 241 II BGB Rücksicht zu nehmen. c) Kein Verhandlungswille eines Tarifpartners
Etwas anderes gilt, wenn ein Tarifpartner Verhandlungen jeglicher Art verweigert. Dann verfolgt er nicht das erforderliche Ziel, vielleicht einen Vertrag abzuschließen oder eine andere geschäftliche Beziehung einzugehen.20 In dieser Konstellation kann daher weder von einer Vertragsanbahnung oder Aufnahme
bindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 132; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 559 f.; Lieb, NZA 1985, 265 (266); Otto, SAE 1991, 45 (47); Picker, Der Warnstreik (1983) S. 228 ff.; Seiter, ZfA 1989, 283 (285 ff.); zudem Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht (2015) S. 582, demnach ein vorvertragliches Schuldverhältnis „jedenfalls“ beim rechtmäßigen Arbeitskampf besteht; dazu auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 935 f.; ebenfalls Bötticher, ZfA 1980, 332; Seiter, ZfA 1980, 347 (347 f.). 17 Vgl. Richardi, Grenzen der Zulässigkeit des Streiks (1980) S. 38: „Wenn eine Gewerkschaft einen Streik führt, um mit der Arbeitgeberseite eine tarifvertragliche Regelung herbeizuführen, ergibt sich bereits aus der Anbahnung eines Vertragsverhältnisses nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen, daß ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht.“; ebenfalls Seiter, ZfA 1989, 283 (295); Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht (2015) S. 582. 18 Dazu Seiter, ZfA 1989, 283 (298); Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 29 f., 86 f. 19 Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 86. 20 Zu der Erforderlichkeit, dass jedenfalls das Ziel verfolgt werden muss, vielleicht einen Vertrag abzuschließen, Brox/Walker, SchuldR AT (2019), § 5 Rn. 7.
134
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
von Vertragsverhandlungen noch von einem ähnlichen geschäftlichen Kontakt die Rede sein. Ein vorvertragliches Schuldverhältnis kommt folglich nicht zustande, wenn die Arbeitgeberseite Verhandlungen von vornherein ablehnt, weil sie keinen Tarifvertrag abschließen will. Gleiches gilt, wenn die Gewerkschaft keine (tarif-) vertragliche Regelung mit dem Tarifpartner herbeiführen, sondern durch Streik lediglich Druck auf den Gesetzgeber ausüben will (sog. politischer Streik): Die Gewerkschaft beabsichtigt dann keinen geschäftlichen Kontakt mit dem Tarifpartner, sondern will vielmehr indirekt politischen Einfluss nehmen. Beispiel: Streiken die Mitglieder einer Gewerkschaft mit dem Ziel, ein Zeichen gegen ein Gesetzesvorhaben – etwa im Bereich des Betriebsverfassungsrechts21 – zu setzen, will die Gewerkschaft von vornherein keinen Tarifvertrag abschließen. Vielmehr soll der Arbeitgeber dazu gezwungen werden, auf Bundesebene politischen Druck gegen das neue Betriebsverfassungsgesetz auszuüben. Folglich fehlt ein geschäftlicher Kontakt.22 Vergleichbar ist diese Situation mit derjenigen, in der sich jemand in einen Supermarkt oder eine Gaststätte begibt, um dort einen Diebstahl zu begehen oder sich vor Regen zu schützen. Ein vorvertragliches Schuldverhältnis i. S. d. § 311 II BGB entsteht dann nicht. 23
Voraussetzung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses zwischen den Tarifparteien ist mithin, dass beide Parteien verhandlungswillig und jedenfalls grundsätzlich abschlusswillig sind. 2. Nachwirkendes Schuldverhältnis
Nach § 362 I BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Man könnte daraus schließen, dass sich die Tarifparteien nach Ende der Friedenspflicht wie jedermann wieder unverbunden gegenüberstehen. Dem ist jedoch nicht so. Zwar ist die Leistungspflicht erloschen, die Schutzpflichten wirken aber fort, das erloschene Schuldverhältnis wirkt nach.24 21 Zur Bewertung des politischen Streiks gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz 1952 s. Nipperdey, Gutachten (1953); Hueck, Gutachten (1952). 22 Denkbar ist aber, dass der politische Streik zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem bereits aus anderem Grund ein Schulverhältnis besteht. 23 Zu den Beispielen s. Staudinger-Feldmann/Löwisch, § 311 Rn. 108; Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 60; zudem Lorenz, JuS 2015, 398, der allerdings lediglich feststellt, dass wohl kein vorvertragliches Schuldverhältnis zu Stande kommt. 24 Ausführlich zum nachwirkenden Schuldverhältnis Strätz, „Nachwirkungen“ des Schuldverhältnisses, in: FS Bosch (1976), S. 999; vgl. ebenfalls MüKo-BGB-Ernst, § 280 Rn. 114 ff.; zur nachvertraglichen Vertrauenshaftung ebenfalls BGH v. 19. 12. 1977 – II ZR 164/76, BGHZ 70, 337 = NJW, 1374 (1375); zur Frage, inwieweit die Annahme nachwir-
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
135
Beispiel: Hat die Gewerkschaft während der Laufzeit des Tarifvertrags Einblicke in vertrauliche Geschäftsinformationen gewonnen, setzt sich die Geheimhaltungspflicht bei schutzwürdigem Interesse der Arbeitgeberseite in Form nachwirkender Pflichten i. S. d. § 241 II BGB fort.25
Paralell zur c. i. c. wird das nachwirkende Schuldverhältnis teilweise als culpa post contractum finitum bezeichnet.26 Zu Recht wird aber darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung missverständlich ist, da die weiterhin bestehenden (Schutz-)Pflichten zeigen, dass der Vertrag gerade noch nicht erledigt ist.27 Die Schutzpflichten des Vertrags wirken vielmehr über das Bestehen der Leistungspflicht hinaus: Im Verhältnis zur vorvertraglichen Phase haben sich die Einwirkungsmöglichkeiten und damit die Vertrauensbeziehung weiter verstärkt, sodass erst Recht Schutzpflichten bestehen müssen.28 Nur so wird verhindert, dass Wertungswidersprüche entstehen und die vor- und nachvertragliche Phase willkürlich unterschiedlich behandelt wird.29 Eben diese Wertungswidersprüche entstünden auch zwischen der vor- und nachvertraglichen Phase des Tarifvertrags. Daher entsteht zwischen den Tarifparteien regelmäßig ein nachwirkendes Schuldverhältnis.30 Da Streiks in der Regel in Anbahnung eines neuen Tarifvertrags stattfinden, spielt das nachwirkende Schuldverhältnis bei der Haftung für rechtswidrige Streiks jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung. 3. Tarifverhältnis als Dauerrechtsbeziehung
Die Phase nach Beendigung eines Tarifvertrags fällt typischerweise mit einem vorvertraglichen Stadium zusammen. Man könnte sagen: Nach dem Tarifvertrag ist vor dem Tarifvertrag. Rechtswidrige Streiks finden typischerweise im vorvertraglichen Stadium statt (siehe folgendes Schaubild , ), sodass regelmäßig ein vorvertragliches Schuldverhältnis besteht. Wird kein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet (etwa bei fehlendem Verhandlungswillen der kender Vertragspflichten mit § 362 I BGB zu vereinbaren ist zudem Bar, AcP 179 (1979), 452 (455 ff.). 25 Dazu beispielsweise Seiter, ZfA 1989, 283 (296). 26 Zum Begriff der culpa post contractum finitum und seinen Synonymen s. Strätz, „Nachwirkungen“ des Schuldverhältnisses, in: FS Bosch (1976), S. 999 (S. 1002 f.); zudem Bar, AcP 179 (1979), 452 (452 f.); Müller-Graff, JZ 1976, 153 (155); jurisPK-BGB-Toussaint, § 241 Rn. 30. 27 S. Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 1, Rn. 5; ebenfalls Strätz, „Nachwirkungen“ des Schuldverhältnisses, in: FS Bosch (1976), S. 999 (S. 1002 f.). 28 Canaris, JZ 1965, 475 (476 f.). 29 Canaris, JZ 1965, 475 (476 f.). 30 Zum nachvertraglichen Schuldverhältnis der Tarifparteien s. Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 192; Lieb, NZA 1985, 265 (266).
136
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Gewerkschaft beim politischen Streik), fällt der Streik möglicherweise noch in das nachwirkende Schuldverhältnis des vorherigen Tarifvertrags (), sodass trotzdem ein Schuldverhältnis vorliegt. Für eine (wenn auch nur kleine) Anzahl von Konstellationen wäre demnach denkbar, dass sie in einer Zwischenphase stattfinden, also nach der nachwirkenden und vor der vorvertraglichen Phase (), sodass kein Schuldverhältnis entstehen würde.
Die Einordnung in bloß nachwirkendes oder vorvertragliches Schuldverhältnis ist allerdings zu eng.31 Schließlich spielt etwa bei einem in die Zwischenphase fallenden politischen Streik gegen einen langjährigen Tarifpartner der Vertrauensgedanke ebenso eine zentrale Rolle. Verursacht die Gewerkschaft im Rahmen eines politischen Streiks einen Schaden, hat die Arbeitgeberseite keine Möglichkeit, den Schaden dadurch zu minimieren, dass sie den Forderungen der Gewerkschaft nachgibt. Auf das politische Streikziel hat die Arbeitgeberseite vielmehr keinen unmittelbaren Einfluss. Dass die Gewerkschaft ihren Tarifpartner mit dem politischen Streik derart schädigen kann, liegt allein an den Einwirkungsmöglichkeiten, die die Gewerkschaft aufgrund der Tarifpartnerschaft hat. Daher greift eine Unterteilung in entweder nachwirkendes oder vorvertragliches Schuldverhältnis zu kurz.32 Vielmehr ist die zivilrechtliche Lehre des einheitlichen Schuldverhältnisses auf das Verhältnis der Tarifpartner zu übertragen, sodass eine Dauerrechtsbeziehung der Tarifparteien mit gegenseitigen Schutzpflichten begründet wird.33 31
So auch Seiter, ZfA 1989, 283 (295). So auch Seiter, ZfA 1989, 283 (295). 33 S. Picker, Der Warnstreik (1983) S. 228 f.; Seiter, ZfA 1989, 283; zudem Arnold, Die tarifrechtliche Dauerrechtsbeziehung (1996) S. 34 ff., 78, 122; vgl. auch Seiter, Der Warnstreik im System des Arbeitskampfrechts, in: 25 Jahre BAG (1979), S. 583 (S. 597), der noch von einer „nachwirkenden und sich anbahnenden Vertragsbeziehung“ spricht; ebenfalls Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 123, die von einer „vor- und nachvertraglichen Grundbeziehung“ sprechen; grundlegend zur Lehre des einheitlichen Schuldverhältnisses Canaris, JZ 1965, 475 (478 ff.); Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 102 ff.); Canaris, Vertrauenshaftung, in: FS 50 Jahre BGH (2000), S. 129 (S. 173); Frost, Schutzpflichten (1981) S. 219 ff.; Gerhardt, JZ 1970, 535 (535 f.); Gottwald, JuS 1982, 877 32
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
137
Diese Lehre sieht die Grundlage der Schutzpflichten in einem einheitlichen (gesetzlichen) Schuldverhältnis, das seinen Grund in dem gegenseitig gewährten und in Anspruch genommenen Vertrauen hat.34 Das Vertrauen beginnt mit Aufnahme geschäftlicher Kontakte, verdichtet sich durch Vertragsverhandlung, Vertragsabschluss und Vertragserfüllung und endet mit den Schutzpflichten des nachvertraglichen Stadiums.35 Im Handelsrecht ist dieses Institut unter dem Namen der Lehre von der laufenden Geschäftsverbindung anerkannt: Dort entsteht zwischen Geschäftspartnern, die wiederholt Verträge abschließen, ein Schuldverhältnis mit Verhaltenspflichten, das auch für die Zeit zwischen den Verträgen besteht und mit dem Vertrauensgedanken begründet wird.36 Dadurch wird sichergestellt, dass eine Haftung auch im zwischenvertraglichen Stadium möglich ist.37 Ähnlich wie die Geschäftspartner einer „laufenden Geschäftsverbindung“ wechseln sich bei Tarifpartnern tariflicher und tarifloser Zustand ab.38 Der geschäftliche Kontakt kommt dabei – anders als im Deliktsrecht – nicht zufällig zustande. Vielmehr schließen die Tarifpartner über viele Jahre hinweg Tarifverträge ab. Anders als Geschäftspartner im „normalen“ Rechtsverkehr sind Tarifparteien zwar in gleichem Umfang Gegner wie Partner mit sehr unterschiedlichen Interessen. Doch auch im Verhältnis der Tarifpartner zueinander wird Vertrauen gewährt und in Anspruch genommen – etwa, wenn Forderungen angenommen oder Kompromisse geschlossen werden, um die langjährige Tarifpartnerschaft zu stärken oder ein gemeinsames Ziel (z. B. Standortsicherung) zu verwirklichen. „Mit jeder verbindenden Zuwendung geht […] ein Abbau der Schutzbarrieren einher, die zum Selbstschutz errichtet werden. Dadurch werden verstärkt Verletzungsmöglichkeiten geschaffen, die nur durch eine besondere Rücksichtnahme von seiten des Partners ausgeglichen werden können.“39 (878); Müller, NJW 1969, 2169 (2174 f.); s. zudem Seiter, ZfA 1989, 283 (296); im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Drittbeziehungen zur Lehre vom einheitlichen Schutzverhältnis Konzen, ZfA 1982, 259 (285 ff.); im Zusammenhang mit dem VmSzD Schlechtriem, Schutzpflichten und geschützte Personen, in: FS Medicus (1999), S. 529 (S. 540). 34 S. Canaris, JZ 1965, 475 (479), Bar, AcP 179 (1979), 452 (460). 35 S. Canaris, JZ 1965, 475 (479); dazu auch Seiter, ZfA 1989, 283 (297); überblicks artig MüKo-BGB-Ernst, § 280 Rn. 108. 36 S. MüKo-BGB-Ernst, § 280 Rn. 134; Müller-Graff, JZ 1976, 153 (155 f.); vgl. ebenfalls Seiter, ZfA 1989, 283 (297) m. w. N.; allgemein zur Verknüpfung von Handelsgeschäften vgl. auch MüKo-HGB-Schmidt, Vorbemerkung § 343 Rn. 18 ff. 37 Vgl. Müller-Graff, JZ 1976, 153 (155). 38 Dazu Seiter, ZfA 1989, 283 (297). 39 Frost, Schutzpflichten (1981) S. 221 im Zusammenhang mit der dogmatischen Begründung der einheitlichen Schutzpflicht.
138
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Auch wenn im Einzelfall die Umstände anders liegen können, spielt der Vertrauensgedanke, der Grundlage sowohl der Lehre eines einheitlichen Schutzverhältnisses40 als auch der Lehre laufender Geschäftsverbindung41 ist, in der Regel auch im Verhältnis der Tarifpartner eine Rolle. Dieses entgegengebrachte Vertrauen rechtfertigt es, dass typischerweise nicht nur während der Geltung der Tarifverträge, sondern lückenlos auch während der tariflosen Zwischenphasen eine Sonderbeziehung mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten besteht. Folglich besteht regelmäßig auch in Konstellationen, die nicht von den klassischen Kategorien erfasst sind (), ein Schuldverhältnis der Tarifpartner in Form einer Dauerrechtsbeziehung mit Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB.42 Alle rechtswidrigen Streikhandlungen (–) fallen in dieses Dauerrechtsschuldverhältis. Sowohl vorvertragliches als auch nachwirkendes Schuldverhältnis gehen in dem Dauerrechtsschuldverhältnis auf, sodass Anspruchsgrundlage allein § 280 I i. V. m. § 241 II BGB ist.
II. Schuldverhältnis zwischen Gewerkschaft und Mitgliedern des Tarifpartners
Nachdem festgestellt wurde, dass zwischen den Tarifpartnern ein Dauerschuldverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB besteht, ist zu prüfen, ob beim Verbandstarifvertrag Gleiches für das Verhältnis zwischen Gewerk40
S. nur Canaris, JZ 1965, 475 (479). S. nur Müller-Graff, JZ 1976, 153 (156). 42 Für ein Dauerrechtsverhältnis Seiter, ZfA 1989, 283 (297); Seiter, ZfA 1980, 347; Arnold, Die tarifrechtliche Dauerrechtsbeziehung (1996) S. 34 ff., 78; Wiedemann7-Wiedemann, Einleitung TVG Rn. 426; für ein Dauerrechtsverhältnis der Tarifpartner wohl ebenfalls Bötticher, ZfA 1980, 332. 41
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
139
schaft und Verbandsmitgliedern gilt. Dafür ist zunächst zu untersuchen, ob die Ausgangssituation vergleichbar ist, ob also in der vorvertraglichen und nachwirkenden Phase ebenfalls ein Schuldverhältnis mit Schutzpflichten gegenüber den Mitgliedern zustande kommt (1.). Sodann ist zu ermitteln, ob der Vertrauensgedanke, mit dem ein Dauerschuldverhältnis gerechtfertigt wird, auch im Dreiecksverhältnis zu den Verbandsmitgliedern greift (2.). 1. Gleiche Ausgangskonstellation
Im Zusammenhang mit vertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Friedenspflicht wurde bereits festgestellt, dass der (Verbands-)Tarifvertrag als echter Vertrag zugunsten der Mitglieder des Arbeitgeberverbands i. S. d. § 328 I BGB einzuordnen ist.43 Während der Laufzeit des Tarifvertrags besteht mithin ein Schuldverhältnis, das auch Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB auslöst. a) Vorvertragliches Verhältnis, § 311 II , III 1 BGB
Fraglich ist, ob auch im vorvertraglichen Stadium Schutzpflichten der Gewerkschaft gegenüber den Mitgliedern des Arbeitgeberverbands bestehen. Nicht die Mitglieder des Arbeitgeberverbands, sondern der Verband selbst nimmt Tarifvertragsverhandlungen auf (Nr. 1), bahnt einen Tarifvertrag an (Nr. 2) oder steht in einem ähnlichen geschäftlichen Kontakt (Nr. 3) mit der Gewerkschaft. § 311 III 1 BGB macht deutlich, dass ein vorvertragliches Schuldverhältnis auch zu Dritten entstehen kann.44 Allerdings bleiben die erforderlichen Kriterien im Einzelnen offen.45 Zwar ist die Regelung des § 328 I BGB auf Leistungspflichten während des laufenden Vertragsverhältnisses zugeschnitten.46 Merkmal eines Vertrags zugunsten Dritter ist aber, dass ein Dritter ohne eigene Willenserklärung – und damit auch ohne eigene Vertragsanbahnung oder Aufnahme von Vertragsverhandlungen – in den Vertrag einbezogen wird und einen eigenen Leistungsanspruch gegen den Schuldner erhält.47 Diese Durchbrechung des Relativitäts43 Dazu oben § 3 A. II. „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff. 44 S. Canaris, JZ 2001, 499 (520); Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 65; Teichmann, BB 2001, 1485 (1492); andere sehen § 311 III BGB allein im Zusammenhang mit der Haftung von Dritten und leiten Berechtigungen Dritter aus der Einbeziehung nach dem Vm SzD her, so Jauernig-Stadler, § 311 BGB Rn. 49; MüKo-BGB-Emmerich, § 311 Rn. 187 ff. 45 Dazu Teichmann, BB 2001, 1485 (1492). 46 S. Neuner, JZ 1999, 126 (128). 47 Vgl. dazu Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 415; ausführlich bereits oben § 3 A. II. „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff.
140
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
grundsatzes48 wirkt sich auch auf das vorvertragliche Stadium aus. Damit dem Dritten die gleiche Rechtsposition wie dem Gläubiger eines Zwei-Personen-Verhältnisses gewährt wird, ist die c. i. c. auch zu seinen Gunsten anzuwenden. Dafür spricht auch folgende Kontrollüberlegung. Entstünde kein vorvertragliches Schuldverhältnis i. S. d. § 311 II BGB, hinge die Haftungsnorm im Schadensfall vom Zeitpunkt der Verletzungshandlung ab49: Läge die Verletzungshandlung vor Abschluss des Tarifvertrags, wäre der Dritte auf das weichere Deliktsrecht mit dem reinen Rechtsgüterschutz und den Exkulpationsmöglichkeiten des § 831 BGB verwiesen. Nach Tarifabschluss wäre das strengere Vertragsrecht mit der Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB, der strengeren Zurechnung nach § 278 BGB und dem reinen Vermögensschutz anzuwenden.50 Welche Haftungsnorm greift, ist aus Sicht des Dritten willkürlich, da er den Zeitpunkt der Verletzungshandlung nicht beeinflussen kann. Zudem ist Ziel des Vertrags zugunsten Dritter gerade, dem Dritten eine selbstständige Gläubigerposition einzuräumen. Dem stünde eine unterschiedliche Bewertung der vorvertraglichen und vertraglichen Situation entgegen. Der Zweck des § 328 I BGB fordert vielmehr, dass bei Vertragsanbahnung eines Vertrags zugunsten Dritter nach § 311 II, III 1 BGB ebenfalls ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB zu dem begünstigten Dritten entsteht. Daher gilt für die Mitglieder des Tarifpartners Entsprechendes: Soweit beide Tarifpartner den Abschluss eines Tarifvertrags anstreben, entsteht regelmäßig auch ein vorvertragliches Schuldverhältnis nach § 311 II, III 1 BGB zu den Verbandsmitgliedern.51 b) Nachwirkendes Schuldverhältnis
Das einzelne Verbandsmitglied hat einen eigenen Leistungsanspruch auf Einhaltung der Friedenspflicht aus § 328 I BGB i. V. m. dem Tarifvertrag.52 Mit 48 S. nur Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 416 f.; ausführlicher zum Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse unten Dritter Teil, Erster Abschnitt: „Haftung aus Vertrag“, S. 241 ff. 49 So im Zusammenhang mit dem VmSzD im Rahmen der c. i. c. Schwerdtner, Jura 1980, 493 (500); Gerhardt, JZ 1970, 535 (535 f.). 50 Ausführlicher zu den Unterschieden vertraglicher und deliktischer Haftung unten unter § 9 A. II. 1. „Gewährung von reinem Vermögensschutz“, S. 197. 51 Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man von der Konstellation eines VmSzD ausgeht, dessen Grundsätze auch im vorvertraglichen Stadium eine Rolle spielen; als VmSzD einordnend Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 19 f.; zum VmSzD im vorvertraglichen Verhältnis s. Frost, Schutzpflichten (1981) S. 237 ff.; Looschelders, SchuldR AT (2018) S. 65 ff.; Schwerdtner, Jura 1980, 493 (499). 52 S. bereits § 3 A. II. „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
141
Erlöschen der Friedenspflicht durch Erfüllung geht zwar die Leistungspflicht unter (§ 362 I BGB), jedoch nicht die Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB: Ebenso wie zwischen den Tarifpartnern haben sich die Einwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaft auf die Rechtsgüter des einzelnen verbandsangehörigen Arbeitgebers und damit die Vertrauensbeziehung im Laufe der Tarifdurchführung verstärkt. Trifft die Gewerkschaft im vorvertraglichen Stadium eine Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB gegenüber dem Verbandsmitglied, muss das erst Recht im nachwirkenden Stadium gelten. Es gilt das für das Verhältnis zwischen den Tarifpartnern Gesagte entsprechend: Behandelte man die vorvertragliche und die nachwirkende Phase unterschiedlich, entstünden nicht zu rechtfertigende Wertungswidersprüche. Ähnlich argumentierte der BGH, als es um die Haftung eines Dritten im nachvertraglichen Stadium ging: „Denn es ist nicht einzusehen, daß das einem Dritten infolge seines Verhaltens entgegengebrachte Vertrauen im vorvertraglichen Stadium ein Haftungsgrund, nach Vertragsabschluß aber keiner mehr sein soll, auch wenn der Dritte das Vertrauen für sich gerade auch für die Vertragsdurchführung in Anspruch genommen hat.“53
Spiegelbildlich zur Haftung des Dritten wegen Schutzpflichtverletzung zugunsten der Vertragspartei steht die Haftung der Vertragspartei wegen Schutzpflichtverletzung zugunsten des Dritten: Es ist nicht ersichtlich, warum die Situation vor und nach dem Vertrag unterschiedlich bewertet werden sollte. Es ergeben sich auch keine Unterschiede daraus, dass es sich bei dem Verbandsmitglied bloß um einen Dritten handelt. Denn nach dem Wesen des Vertrags zugunsten Dritter soll dem Dritten eine eigene Gläubigerposition eingeräumt werden, die es ihm ermöglicht, seinen Anspruch eigenständig gegen den Schuldner durchzusetzen. Wie bereits angeführt worden ist54, kommt die Leistungsabrede zugunsten der Verbandsmitglieder – Unterlassen von Streiks – automatisch gleichermaßen auch dem Tarifpartner zugute. Dieser Gleichlauf rechtfertigt es, beide Parteien auch mit Blick auf Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB gleich zu behandeln: Ebenso wie beim arbeitgeberseitigen Tarifpartner erhält die Gewerkschaft beim Verbandsmitglied die Möglichkeit, auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen einzuwirken. Dadurch, dass die streikenden Arbeitnehmer nicht beim Arbeitgeberverband, sondern bei dem einzelnen verbandsangehörigen Arbeitgeber angestellt sind und dort die Arbeit niederlegen, sind die Einwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaft im Drittverhältnis sogar erhöht. Die Vertrauensbeziehung ist im Vergleich zum Arbeitgeberverband folglich sogar verstärkt. 53
BGH v. 19. 12. 1977 – II ZR 164/76, BGHZ 70, 337 = NJW, 1374 (1375). bereits oben § 3 A. II. „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff. 54 Dazu
142
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Nach alledem besteht beim Verbandstarifvertrag auch nach Erlöschen der Friedenspflicht ein nachwirkendes Schuldverhältnis zwischen der Gewerkschaft und den Verbandsmitgliedern mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB. 2. Übertragung des Dauerrechtsverhältnisses auch auf die Verbandsmitglieder
Der dem Dauerrechtsverhältnis zugrundeliegende Vertrauensgedanke greift auch im Verhältnis zu den Verbandsmitgliedern. Zwar sind die Tarifpartner keine „Geschäftspartner“ des Tarifvertrags und damit nur mittelbar beteiligt. Die Tarifpartner regeln mit dem abgeschlossenen Verbandstarifvertrag aber primär die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder. Und das meist wiederkehrend über einen längeren Zeitraum. Die Mitglieder sind folglich nicht zufällig in den Tarifvertrag einbezogen, sondern vielmehr sein Bezugsobjekt. Sie erhalten sogar einen eigenen Leistungsanspruch auf Einhaltung der Friedenspflicht. Ebenso wie die „Geschäftspartner“ vertrauen die Verbandsmitglieder auf die laufende Tarifbeziehung. Das spricht dafür, dass die Verbandsmitglieder erst recht von den Schutzpflichten des Tarifvertrags erfasst werden. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Schutzpflichtverletzung vor, während oder nach der Geltungsdauer des Tarifvertrags eintritt.55 Die Haftung der Gewerkschaft davon abhängig zu machen, ob der rechtswidrige Streik in die vorvertragliche oder die nachwirkende Phase fällt, wäre willkürlich und wertungswidersprüchlich. Daher entsteht auch den Verbandsmitgliedern gegenüber ein einheitliches Dauerrechtsschuldverhältnis mit Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB. III. Zwischenergebnis
Das vorvertragliche, tarifliche und nachwirkende Schuldverhältnis lässt sich zu einem einzigen Dauerrechtsschuldverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB zusammenfassen. Dieses Schuldverhältnis erfasst über die Tarifpartner hinaus auch ihre Verbandsmitglieder. Anspruchsgrundlage für einen Anspruch wegen Schutzpflichtverletzung ist § 280 I i. V. m. § 241 II BGB.
B. Schutzpflichtverletzung i. S. d. § 241 II BGB Gem. § 241 II BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflich55 Dazu bereits im Rahmen des nachvertraglichen Schuldverhältnisses § 5 A. II. 1. b) „Nachwirkendes Schuldverhältnis“, S. 140.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
143
ten. Grund für diese Schutzpflicht in Form von Obhuts- und Fürsorgepflichten (auch Sorgfalts- oder Erhaltungspflichten genannt56) ist, dass die Vertragspartner durch die Sonderverbindung in gesteigertem Maße auf die gegenseitigen Rechtsgüter einwirken können. § 241 II BGB verpflichtet sie daher, bereits vorhandene Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Gegenseite nicht zu verletzen.57 Damit schützt und fördert die Schutzpflicht das Vertrauen der Parteien auf eine fruchtbare Zusammenarbeit.58 Indem neben Rechten und Rechtsgütern auch Interessen in § 241 II BGB aufgezählt werden, wird nicht nur klargestellt, dass auch reine Vermögensinteressen geschützt werden, sondern auch andere Interessen wie etwa die Entscheidungsfreiheit.59 Damit geht der Schutz weiter als im deliktischen § 823 I BGB, der nur absolute Rechte schützt.60 Anders als Leistungspflichten müssen Schutzpflichten nicht ausdrücklich zwischen den Parteien vereinbart werden, sondern sie gelten als mitvereinbart.61 Auch verändern sie nicht wie Leistungspflichten die Güterlage, sondern zielen auf ihren Erhalt ab.62 Die Schutzpflicht der Gewerkschaft gegenüber der Arbeitgeberseite könnte beinhalten, rechtswidrige Arbeitskämpfe zu unterlassen. Anders formuliert: Die Gewerkschaft könnte verpflichtet sein, zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Arbeitgeberseite nur rechtmäßig zu streiken. Das ist näher zu untersuchen. Bevor geprüft wird, ob überhaupt eine solche Schutzpflicht der Gewerkschaft besteht (II.) und – falls ja – wie eine solche Schutzpflicht zu 56 Zur synonymen Verwendung von Sorgfalts- oder Erhaltungspflicht s. Staudinger-Olzen, § 241 Rn. 487. 57 Vgl. Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 45; Medicus, Anwendbarkeit des SchuldR AT auf Schutzpflichten, in: FS Canaris I (2007), S. 835; Staudinger-Olzen, § 241 Rn. 487 ff.; ausführlich dazu Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 504 f.; zum Haftungsgrund für die Begründung von Schutzpflichten s. etwa BeckOK BGB-Sutschet, § 241 Rn. 90. 58 Grigoleit, Leistungspflichten und Schutzpflichten, in: FS Canaris I (2007), S. 275 (S. 283); vgl. auch Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 485 ff.; Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 45. 59 Canaris, JZ 2001, 499 (519); Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 4. 60 Ausführlich dazu unten § 7 A. „Eigenschaften eines sonstigen Rechts“, S. 183; § 9 A. II. 1. „Gewährung von reinem Vermögensschutz“, S. 197. 61 S. Canaris, JZ 1965, 475 (476); Heinze, SAE 1983, 224 (224); vgl. auch Grigoleit, Leistungspflichten und Schutzpflichten, in: FS Canaris I (2007), S. 275 (S. 281); Seiter, ZfA 1989, 283 (286 f.); zur Bestimmung der Schutzpflicht im Einzelfall vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 504 ff.; Staudinger-Olzen, § 241 Rn. 434 ff.; Körber, Jura 2015, 673 (676). 62 Medicus, Anwendbarkeit des SchuldR AT auf Schutzpflichten, in: FS Canaris I (2007), S. 835 (S. 853); ebenfalls Thiele, JZ 1967, 649 (650).
144
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
konkretisieren ist (III.), wird zunächst dargestellt, inwieweit § 241 II BGB als Einfallstor verfassungsrechtlicher Wertungen dient (I.). I. § 241 II BGB als Einfallstor verfassungsrechtlicher Wertungen
Bis auf die Koalitionsfreiheit, die ausweislich von Art. 9 III 2 GG als einziges Grundrecht unmittelbare Wirkung zwischen Privaten entfaltet, wirken Grundrechte nur im Verhältnis von Staat und Grundrechtsträger unmittelbar (vgl. Art. 1 III GG).63 Grundsätzlich können daher nur staatliche Regelungen und Akte, insbesondere Gesetze und Gerichtsentscheidungen auf Grundrechtsverstöße hin überprüft werden, nicht hingegen etwa privatrechtliche Rechtsgeschäfte.64 Als Anknüpfungspunkt für eine sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte können aber generalklauselartige Regelungen wie § 241 II BGB dienen65: Im Rahmen der Auslegung des Privatrechts können Grundrechte auch dort relevant werden, wo sie nicht in ihrer verfassungsrechtlichen Dimension eingreifen und keine Verletzung von Über- oder Untermaßverbot im Raum steht.66 Sie dienen dann der Konkretisierung von Generalklauseln und wirken als allgemeines Rechtsprinzip.67 In diesem Sinn führt das BAG im Zusammenhang mit § 241 II BGB aus: „Bei der Frage, was die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht im Einzelfall gebietet, ist insbesondere auf die von den Grundrechten zum Ausdruck gebrachte Werteordnung der Verfassung Rücksicht zu nehmen“.68
63 Zur Ablehnung der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkungen s. etwa Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999) S. 34 f. 64 Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999) S. 36. 65 Grundlegend zur mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten s. BVerfG v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (Lüth-Urteil) = NJW 1958, 257; Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999); zum Gebot der verfassungskonformen Auslegung s. Larenz, Methodenlehre (1991) S. 339 ff.; s. auch Kulick, NJW 2016, 2236 (2238 ff.), der zeigt, dass die „mittelbare Drittwirkung“ letztlich eine verfassungskonforme Auslegung zivilrechtlicher Normen ist. 66 Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999) S. 50. 67 Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999) S. 50 f.: „Denn dann können sie immer noch als allgemeine Rechtsprinzipien im Rang unterhalb der Verfassung wirken – so wie andere allgemeine Rechtsprinzipien auch (und mit der Konsequenz, dass ihre Missachtung dann keinesfalls mit der Verfassungsbeschwerde erfolgreich angegriffen werden kann).“ 68 BAG v. 16. 11. 2010 – 9 AZR 573/09, BAGE 136, 156 = NJW 2011, 1306 (1308); ebenso MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 52, 83; Jauernig-Mansel, § 241 BGB Rn. 10; s. im Zusammenhang mit der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht aus § 242 BGB: BAG v. 12. 09. 2006 – 9 AZR 271/06, BAGE 119, 238 = NJW 2007, 794 (795 f.); grundlegend dazu BVerfG v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (Lüth-Urteil) = NJW 1958, 257: „Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in den grund-
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
145
Ausgangspunkt für die richterliche Auslegung ist hier der Begriff Rechtsgüter. Versteht man diesen Begriff – vom Wortsinn ausgehend – weit, umfasst er grundsätzlich alle Rechtsgüter, die der Rechtsordnung immanent sind, mithin auch grundrechtliche Rechtsgüter. Die Systematik spricht ebenfalls für ein solches weites Verständnis: Die Rechtsgüter stehen gerade uneingeschränkt neben den Rechten und Interessen. Die Tatsache, dass auch bloße Interessen eine Rücksichtnahmepflicht auslösen können, macht außerdem deutlich, dass es sich bei § 241 II BGB insgesamt um einen weiten, generalklauselartigen Tatbestand handelt. Indem der Begriff Rechtsgüter weit in dem Sinne ausgelegt wird, dass auch grundrechtliche Rechtsgüter umfasst sind, dient er als Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen: Im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung können Grundrechte im Einzelfall zur Konkretisierung von § 241 II BGB herangezogen werden.69 Eingewandt werden könnte, dass dies zu einer Grundrechtsbindung Privater führt, obwohl gem. Art. 1 III GG lediglich Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung unmittelbar gebunden sind. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass sich gerade nicht der Einzelne gegenüber seinem Vertragspartner auf ein bestimmtes Grundrecht beruft. Es ist vielmehr das Gericht, welches im Einzelfall die Güterabwägung zwischen den kollidierenden Grundrechten vornimmt.70 Das Gericht zieht die Grundrechte nicht allein deswegen im Rahmen der Auslegung und Rechtsfortbildung des Privatrechts heran, weil die Rechtsprechung gem. Art. 1 III GG an die Grundrechte gebunden ist. „Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Gesetze faktisch weitgehend erst durch die Rechtsprechung mit konkretem Inhalt gefüllt werden und der Grundrechtsschutz daher in einem Bereich von elementarer praktischer Bedeutung der Effektivität entbehren würde, wenn nur der Erlass der Gesetze und nicht auch deren Anwendung und Fortbildung der Bindung an die Grundrechte unterläge.“71
rechtlichen Bestimmungen des GG verkörpert sich aber auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.“. 69 MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 52, 83; vgl. auch Jauernig-Mansel, § 241 BGB Rn. 10. 70 S. nur BVerfG v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (Lüth-Urteil) = NJW 1958, 257 ff.; eine Verletzung von Grundrechten kann durch den Einzelnen daher nur dann vor dem BVerfG geltend gemacht werden, „wenn der zuständige Richter entweder nicht erkannt hat, dass es sich um eine Abwägung widerstreitender Grundrechtsbereiche handelt, oder wenn seine Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des einen oder anderen der Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihrer Schutzbereiche, beruht.“, BVerfG v. 24. 2. 1971 – 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173 (Mephisto-Entscheidung) = NJW 1971, 1645 (1647). 71 Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999) S. 92.
146
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Der Richter ist daher verpflichtet, den Wertgehalt, der den Grundrechten innewohnt, im Rahmen der Gesetzesauslegung zu achten.72 Dadurch strahlt das einzelne Grundrecht – über seinen unmittelbaren Regelungsgehalt hinaus – mittelbar als Wertentscheidung auf die gesamte Rechtsordnung aus.73 Außerdem ist zu bedenken, dass eine solche Abwägung grundrechtlicher Rechtsgüter im BGB nicht neu ist. Mit Blick auf die Haftung der Gewerkschaft findet eine Güter- und Interessenabwägung etwa im Rahmen der Frage statt, ob durch den Streik das ReaG des Arbeitgebers i. S. d. § 823 I BGB verletzt wird, um den rechtmäßigen vom rechtswidrigen Eingriff zu unterscheiden.74 Grund dafür ist, dass es sich um ein Rahmenrecht handelt, dessen „Reichweite nicht absolut fest[liegt], sondern […] erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden [muss], bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der EMRK interpretationsleitend zu berücksichtigen sind.“75
Letztlich wird die Abwägung, die bisher allein im Rahmen von § 823 I BGB vorgenommen wurde, in das – wie gleich ausgeführt wird – strukturell besser passende Vertragsrecht gezogen. Relevant ist die Konkretisierung der Schutz- und Rücksichtnahmepflichten durch grundrechtliche Wertungen insbesondere bei der Durchführung von Dauerschuldverhältnissen – wie dem zwischen den Tarifpartnern. Denn gerade bei Dauerschuldverhältnissen spielt das vertrauensvolle Miteinander eine große Rolle, weil die Einwirkungsmöglichkeiten auf gegenseitige Rechtsgüter in besonders hohem Maße gesteigert sind.76 Für die Konkretisierung der gewerkschaftlichen Schutzpflicht ist daher erstens entscheidend, in welchem Maße auf die Rechtsgüter eingewirkt werden kann; um einen vertrauensvollen Umgang zu ermöglichen, darf die Schutzpflicht für den jeweiligen Vertragsteil zweitens aber auch nicht unzumutbar sein.77 Das 72
Vgl. Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 1 III GG Rn. 57. Art. 1 III GG Rn. 52; zuzugegeben ist aber, dass es für das Ergebnis der betreffenden Entscheidung regelmäßig keinen Unterschied macht, ob das Grundrecht mittelbar oder unmittelbar wirkt: „Ergebnisidentität von unmittelbarer und mittelbarer Drittwirkungslehre“, Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 81. 74 Ausführlich dazu noch unten § 9 B.III. „Rechtswidrigkeit des unmittelbaren Eingriffs“, S. 219 ff. 75 So in st. Rspr. – hier im Rahmen des APR – BGH v. 25. 10. 2011 – VI ZR 332/09, NJW 2012, 767 (769); zuletzt etwa BGH v. 10. 7. 2018 – VI ZR 225/17, NJW 2018, 3506 (3508); s. etwa auch BeckOGK-Spindler, § 823 BGB Rn. 211: „[…] Interessen- und Güterabwägung unter Beachtung grundrechtlicher Einflüsse“. 76 S. Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 45. 77 S. Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 52, auch Rn. 31; MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 52, 83; vgl. ebenfalls Grigoleit, Leistungspflichten und Schutz73 Maunz/Dürig-Herdegen,
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
147
Maß der Einwirkung hängt davon ab, inwieweit die Gewerkschaft durch den Streik Rechtsgüter des Gegenübers tangiert. Eine Schutzpflicht ist unzumutbar, wenn die Gewerkschaft sich ihrerseits auf ein Rechtsgut berufen kann und der Streik zur Verfolgung des angestrebten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist.78 Damit können grundrechtliche Rechtsgüter zum einen zur Begründung einer Schutzpflicht herangezogen werden, dienen gleichzeitig aber auch als Schranke: „Ohne Anhaltspunkte für einen abweichenden Parteiwillen gehen die Rücksichtnahmepflichten und die korrespondierenden Ansprüche nicht über das hinaus, was sich bereits aus grundrechtlichen Gewährleistungen und gesetzlichen Regelungen ergibt.“79
II. Bestehen einer Schutzpflicht der Gewerkschaft
Gegen das Bestehen einer solchen gewerkschaftlichen Schutzpflicht kann auch nicht eingewandt werden, dass derartige Schutzpflichten überflüssig sind, weil das Deliktsrecht mit seinen Verkehrspflichten bereits eine ausreichende Lösung bereithält.80 Vielmehr betont die Einordnung als Schutzpflicht den Gedanken des fairen Verhaltens der Tarifparteien im Arbeitskampfrecht81: Einerseits haben die pflichten, in: FS Canaris I (2007), S. 275 (S. 284 ff.); im Zusammenhang mit tariflichen Schutzpflichten s. zum Kriterium der verstärkten Einwirkungsmöglichkeit zudem Konzen, Vorbeugender Rechtsschutz unter Tarifparteien, in: FS Kissel (1994), S. 571 (S. 605), der im Ergebnis Schutzpflichten bei rechtswidrigen Arbeitskämpfen jedoch ablehnt. 78 Vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte (2018) S. 94, die klarstellen, dass Zumutbarkeit synonym für Verhältnismäßigkeit i. e. S., Proportionalität oder Angemessenheit verwandt wird; zu den Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit s. nur BVerfG v. 8. 10. 1985 – 1 BvL 17/83, 1 BvL 19/83, BVerfGE 70, 278 = NJW 1986, 1603; vgl. ebenfalls Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 318. 79 BGH v. 13. 3. 2018 – VI ZR 143/17, NJW 2018, 1671 (1675); MüKo-BGB-Bachmann, § 241 BGB Rn. 52. 80 In die Richtung gehend aber Konzen, Vorbeugender Rechtsschutz unter Tarifparteien, in: FS Kissel (1994), S. 571 (S. 605 f.). 81 Dazu schon Seiter, ZfA 1989, 283 (299): „Der Gedanke der Fairneß im Umgang miteinander sollte wieder mehr in den Mittelpunkt des Arbeitskampfrechts gerückt werden, wie es schon Nipperdey vorgeschlagen hatte. Eine Ausmünzung des Fairneß-Gedankens läßt sich m. E. im Rahmen einer schuldrechtlichen Sonderbeziehung mit gegenseitigen Rücksichtspflichten leichter bewerkstelligen als im Rahmen des Deliktsrechts.“; s. auch Nipperdey, Arbeitskampf als unerlaubte Handlung, in: FS Sitzler (1956), S. 79 (S. 98), der betont, dass die einzelnen Kampfhandlungen fair sein müssen; ebenfalls Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht (2015) S. 582: „Die Parteien müssen deshalb die nach den Umständen billige Rücksicht auf die Interessen des Gegners nehmen. Ihre Kampfführung muss darum fair und angemessen sein.“; vgl. auch Seiter, Der Warnstreik im System des Arbeitskampfrechts, in: 25 Jahre BAG (1979), S. 583 (S. 597), demzufolge neben oder im
148
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Tarifpartner besondere Einwirkungsmöglichkeiten auf den Rechtskreis des anderen82, andererseits können sich die Verhandlungspartner wechselseitig in aller Regel nicht aussuchen83. Dadurch sind sie enger als typische Vertragsparteien aneinander gebunden und in besonderem Maße auf einen redlichen und loyalen gegenseitigen Umgang angewiesen.84 Dieser Fairness-Gedanke lässt sich strukturell besser im Rahmen der Sonderbeziehung der Tarifpartner einbetten als in die deliktische Haftung, in deren Mittelpunkt die unerlaubte Handlung einer Jedermann-Beziehung steht85: Die Tarifpartner stehen sich gerade nicht unverbunden gegenüber. Aufgrund ihrer Sonderverbindung können sie in gesteigertem Maße auf die Rechtsgüter des jeweils anderen einwirken. Diese gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit ist aber gerade das Telos für die Begründung von Schutzpflichten.86 Die dogmatisch überzeugende Antwort ist daher, Schutzpflichten und nicht lediglich deliktische Verkehrspflichten aufzustellen.87 Der Gedanke, die Belange und Interessen des Tarifpartners zu berücksichtigen, ist zudem keineswegs neu. Der Große Senat des BAG stellte im Zusammenhang mit Differenzierungsklauseln88 fest: Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch die gegenseitige Rücksichnahmepflicht aus nachwirkenden und sich anbahnenden Vertragsbeziehungen der Tarifpartner eine Rolle spielt; zudem Seiter, ZfA 1989, 283 (293), der das Sozialpartner-Modell als Basis der Tarifautonomie befürwortet und vor diesem Hintergrund eine kollektiv-rechtliche Sonderbeziehung mit gegenseitigen Rücksichtspflichten für folgerichtig, wenn nicht sogar zwingend sieht; s. auch Gamillscheg, Differenzierung nach Gewerkschaftszugehörigkeit (1966) S. 34: „Die Verfassung fordert von den Tarifpartnern vertrauensvolle Zusammenarbeit, die verbietet, daß einer auf den Untergang des anderen lauert. Ich möchte deshalb die Voraussage wagen, daß man die Rücksicht auf den Partner […] sehr bald als echte Rechtspflicht anerkennen wird.“; ebenfalls Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 36 f. 82 Zu den erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten der Tarifpartner zudem Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 29 f., 86 f. 83 Dazu bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff. 84 S. Seiter, ZfA 1989, 283 (300); Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 37. 85 S. Seiter, ZfA 1989, 283 (299). 86 BeckOK BGB-Sutschet, § 241 Rn. 90. 87 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 559 f.: „Darüber hinaus ist ganz generell zu bezweifeln, daß die deliktsrechtliche Sichtweise der Problematik des Arbeitskampfes überhaupt gerecht wird. Dabei wird nämlich nicht hinreichend berücksichtigt, daß sich die Beteiligten nicht ,unverbunden‘, sondern im Rahmen einer Sonderbeziehung gegenüberstehen, da sie sich im Vor- und Umfeld von Verträgen bewegen. Die kongruente dogmatische Antwort hierauf ist die Statuierung von ,Schutzpflichten‘ und nicht von bloßen deliktsrechtlichen ,Verkehrspflichten‘.“ 88 Ausführlich zu Differenzierungsklauseln etwa Gamillscheg, Differenzierung nach Gewerkschaftszugehörigkeit (1966).
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
149
„Im Verhältnis zwischen Koalitionen gilt § 242 BGB mit gleichem Gewicht wie im individuellen Rechtsverkehr. § 242 BGB verbietet es, sich einfach über die Belange des anderen hinwegzusetzen und die eigenen Interessen in einer für den anderen unzumutbaren Weise durchzusetzen.“89
Zwar ordnete der Große Senat des BAG die Schranke der Zumutbarkeit inhaltlich der Regelung des § 242 BGB zu. Das liegt jedoch daran, dass Schutzpflichten bis zur Einfügung des § 241 II BGB90 aus § 242 BGB hergeleitet wurden.91 Entscheidend ist aber einerseits, dass der Große Senat im Ergebnis offenbar von einer Sonderbeziehung der Tarifpartner mit Schutzpflichten ausging92, und andererseits, dass eine solche Schutzpflicht nur besteht, soweit sie zumutbar ist. All diese Gründe – die Tarifpartner stehen sich gerade nicht unverbunden gegenüber, sind typischerweise sogar enger miteinander verwoben als gewöhnliche Vertragspartner und daher in besonderem Maße auf einen redlichen und loyalen gegenseitigen Umgang angewiesen – sprechen für die Annahme einer gewerkschaftlichen Schutzpflicht, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Tarifpartners und seiner Mitglieder im Rahmen des Zumutbaren Rücksicht zu nehmen. Als Rechtsgüter kommen vor allem die – im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung als Auslegungshilfe heranzuziehnden – Gewerbefreiheit (Art. 12 GG), wirtschaftliche Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) und – soweit einschlägig – Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) in Betracht sowie die – gem Art. 9 III 2 GG unmittelbar wirkende – Koalitionsfreiheit (Art. 9 III GG) 93. Daneben treten insbesondere zwei Rechte aus § 823 I BGB: das Eigentum und das ReaG. Da diese Rechte noch im Rahmen der deliktischen Haftung eine große Rolle spielen94, liegt der Schwerpunkt im Folgenden aber auf den Rechtsgütern, also der Frage: Wie ist die gewerkschaftliche Schutzpflicht, auf die (grundrechtlichen) Rechtsgüter der Arbeitgeberseite Rücksicht zu nehmen, im Einzelnen zu konkretisieren? 89
BAG v. 29. 11. 1967 – GS 1/67, BAGE 20, 175 = JZ 1969, 105 (110). S. BT-Drucks. 14/6040 S. 6, 125. 91 S. Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 34); Canaris, JZ 1965, 475 (476); Konzen, Vorbeugender Rechtsschutz unter Tarifparteien, in: FS Kissel (1994), S. 571 (S. 593); Gottwald, JuS 1982, 877 (878); Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 19; Strätz, „Nachwirkungen“ des Schuldverhältnisses, in: FS Bosch (1976), S. 999 (S. 1012). 92 Dazu auch Seiter, ZfA 1989, 283 (290). 93 Vgl. in diesem Zusammenhang Seiter, ZfA 1989, 283 (305): „Denn wenn zwischen zwei Koalitionen eine Sonderrechtsverbindung besteht, so folgt daraus auch die Pflicht, die Gegenseite nicht in ihrer verfassungsgemäßen koalitionsrechtlichen Betätigung zu beeinträchtigen.“. 94 S. dazu vor allem § 6 „Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung“, S. 179 ff.; § 9 „Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG“, S. 196 ff. 90
150
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
III. Konkretisierung der Schutzpflicht der Gewerkschaft
Herausgearbeitet wurde, dass die Gewerkschaft auf die Rechtsgüter des Tarifpartners Rücksicht zu nehmen hat, soweit das zumutbar ist. Zumutbarkeit ist zu verneinen, wenn durch eine solche Schutzpflicht ungerechtfertigt auf Rechtsgüter der Gewerkschaft eingewirkt wird. Als Rechtsgut kommt vor allem die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG in Betracht. Konkret bedeutet das also: Es ist für die Gewerkschaft zumutbar, gem. § 241 II BGB Rücksicht zu nehmen, indem sie solche Streiks unterlässt, die auf grundrechtliche Rechtsgüter des Tarifpartners einwirken und nicht ihrerseits durch Art. 9 III GG gerechtfertigt sind. An dieser Stelle wird die von den Grundrechten zum Ausdruck gebrachte Werteordnung der Verfassung relevant: Welchem (grundrechtlichen) Rechtsgut im Einzelfall Vorrang zu gewähren ist, bestimmt sich nach den grundrechtlichen Wertungen. Daher sind die verfassungsrechtlichen Maßstäbe anzulegen. In einem ersten Schritt ist zu untersuchen, inwieweit auf grundrechtliche Rechtsgüter der Arbeitgeberseite durch Streik eingewirkt wird (1.). In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, in welchen Konstellationen eine Schutzpflicht, welche die Gewerkschaft zur Unterlassung des Streiks verpflichtet, auch zumutbar ist, weil der Streik nicht seinerseits durch Art. 9 III GG gerechtfertigt ist (2.). 1. Einwirkung auf grundrechtliche Rechtsgüter der Arbeitgeberseite durch Streik
Legen Arbeitnehmer zum Streik ihre Arbeit nieder, zwingt das die Arbeitgeberseite typischerweise zu bestimmten Handlungsweisen und es entstehen finanzielle Schäden. Dadurch könnten auf die grundrechtlichen Rechtsgüter der Gewerbe- (Art. 12 GG), Eigentums- (Art. 14 GG) und wirtschaftlichen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) eingewirkt werden, aber auch auf die kollektive Koalitionsfreiheit (Art. 9 III GG). a) Einwirkung auf die Gewerbefreiheit
Die Gewerbefreiheit aus Art. 12 I GG ist von der Berufsfreiheit umfasst95 und schützt neben natürlichen Personen auch juristische Personen (vgl. Art. 19 III 95 BVerfG
v. 16. 3. 1971 – 1 BvR 52/66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66, BVerfGE 30, 292 = NJW 1971, 1255; BVerfG v. 14. 1. 1976 – 1 BvL 4/72, 1 BvL 5/72, BVerfGE 41, 205 = NJW 1976, 667 (669); BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 = NJW 1979, 699 (707); s. auch Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 4.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
151
GG) 96. Typischerweise führen sowohl der Tarifpartner als auch seine Mitglieder einen auf Dauer angelegten und auf Gewinnerzielung gerichteten Betrieb, also einen Gewerbebetrieb, so dass sie sich – gegenüber dem Staat – regelmäßig auf die Gewerbefreiheit berufen können.97 Art. 12 I GG wird zudem nicht durch Art. 14 GG verdrängt, da beide Grundrechte eigenständige Bedeutung haben, auch wenn sie funktionell aufeinander bezogen sind.98 Durch Streik wird regelmäßig auf die Gewerbefreiheit des Gewerbetreibenden eingewirkt, soweit er seine Tätigkeit streikbedingt nicht mehr frei ausüben kann. Das ist etwa der Fall, wenn der Streik zu Produktions- und Umsatzausfällen führt, der bestreikte Arbeitgeber Lieferverträge nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann oder in seinem Ruf geschädigt wird. Derartige Auswirkungen sind häufig Folgen von rechtmäßigen wie rechtswidrigen Streiks.99 Es sind aber ebenfalls Konstellationen denkbar, in denen sich der Streik nicht auf den bestreikten Arbeitgeber auswirkt, etwa, weil dieser die Arbeitskraft der Streikenden lückenlos ersetzen kann. Dann ist die Gewerbefreiheit ausnahmsweise nicht tangiert. Diese Konstellationen sind jedoch untypisch, da der Streik gerade darauf gerichtet ist, Auswirkungen zu erzielen. Festzuhalten bleibt daher, dass der Streik typischerweise auf das grundrechtliche Rechtsgut der Gewerbefreiheit einwirkt. b) Einwirkung auf die Eigentumsfreiheit
Nach Art. 14 I GG ist das Eigentum gewährleistet. Neben natürlichen Personen sind grundsätzlich auch juristische Personen Grundrechtsträger (vgl. Art. 19 III GG).100 Geschützt sind alle vermögenswerten Rechtspositionen des Privatrechts, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung zum eigenen Nutzen zugeordnet sind.101 Auf die Eigentumsfreiheit wird etwa eingewirkt, wenn die Nutzung spürbar behindert wird.102 Legen Arbeitnehmer im Rahmen eines 96 S. BVerfG v. 16. 3. 1971 – 1 BvR 52/66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66, BVerfGE 30, 292 = NJW 1971, 1255; BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 = NJW 1979, 699 (707 f.). 97 Zum Begriff des Gewerbebetriebs s. nur Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 19; ausführlicher unten § 9 B. II. 1. „Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb“, S. 205. 98 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 = NJW 1979, 699 (707). 99 Zu den wirtschaftlichen Belastungen vgl. ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 99. 100 S. nur Maunz/Dürig-Papier/Shirvani, Art. 14 GG Rn. 331 f. 101 BVerfG v. 9. 1. 1991 – 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201 = NJW 1991, 1807; s. Maunz/ Dürig-Papier/Shirvani, Art. 14 GG Rn. 160. 102 S. nur BeckOK GG-Axer, Art. 14 GG Rn. 69.
152
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Streiks ihre Arbeit nieder, kann das den bestreikten Arbeitgeber – soweit er Eigentümer ist – an der Nutzung seines Eigentums hindern. Allerdings ist schwer abzugrenzen, wann eine spürbare Einwirkung vorliegt. Das ist eine Frage des Einzelfalls, auf die an anderer Stelle eingegangen wird.103 Jedenfalls ist es denkbar, dass Streiks auch auf das Rechtsgut aus Art. 14 GG einwirken. c) Einwirkung auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit
Subsidiär zur Gewerbefreiheit ist die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers, die von der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG umfasst ist.104 Als Auffanggrundrecht tritt die wirtschaftliche Handlungsfreiheit dort zurück, wo bereits die spezielleren Wirtschaftsgrundrechte der Berufsfreiheit oder der Eigentumsfreiheit einschlägig sind.105 Persönlich sind neben natürlichen Personen auch juristische Personen vom Schutzbereich umfasst (vgl. Art. 19 III GG).106 Gegenständlich ist jedes Verhalten geschützt, das darauf gerichtet ist, Erwerb zu erzielen, oder das typischerweise damit im Zusammenhang steht und das nicht bereits von Art. 14 I GG oder Art. 12 I GG umfasst ist.107 „Ein angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative ist unantastbar.“108 Auf diese Rechtsposition wirkt der Streik typischerweise ein: Wird der Arbeitgeber bestreikt, erzielt er in der Regel einen geringeren Erwerb und kann damit seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit nicht mehr ungestört entfalten. Allenfalls wenn sich der Streik nicht auswirkt, ist auch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit nicht tangiert. Der Anwendungsbereich des subsidiären Art. 2 I GG ist eher gering, da meist bereits die Eigentums- oder Gewerbefreiheit eingreifen.
103 S. dazu § 6 „Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung“, S. 179 ff. 104 S. nur BVerfG v. 12. 11. 1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, BVerfGE 8, 273 (328) BVerfG v. 29. 7. 1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89 = NJW 1959, 1675; Maunz/Dürig-Di Fabio, Art. 2 I GG Rn. 78; ErfK-Schmidt, Art. 2 GG Rn. 2. 105 S. nur BVerfG v. 12. 11. 1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, BVerfGE 8, 273 (328); Maunz/Dürig-Di Fabio, Art. 2 I GG Rn. 80. 106 Dazu, dass auch juristische Personen geschützt sind s. nur BVerfG v. 29. 7. 1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89 = NJW 1959, 1675; BVerfG v. 25. 10. 1966 – 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 = NJW 1967, 195 (197); Badura, DÖV 1990, 353 (359 ff.). 107 S. Maunz/Dürig-Di Fabio, Art. 2 I GG Rn. 81. 108 BVerfG v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 = NJW 1979, 699 (708).
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
153
d) Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit
Art. 9 III GG schützt alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen.109 Dazu zählen das Aushandeln und der Abschluss von Tarifverträgen110, aber auch das Recht, den Abschluss eines Tarifvertrags mit bestimmtem Inhalt abzulehnen.111 Übt die Gewerkschaft durch einen Streik Druck auf ihren Tarifpartner aus, kann sie ihn damit zu einem höheren Tarifabschluss oder überhaupt zu einem Tarifabschluss zwingen. Denkbar ist auch, dass ein Streik den Tarifpartner daran hindert, einen Verband zu gründen, aus einem Verband ein- oder auszutreten, oder ihn nötigt, sich innerhalb des Verbands in bestimmter Art und Weise zu verhalten.112 Ist das der Fall, ist der Tarifpartner in seinem koalitionsspezifischen Verhalten beeinträchtigt.113 e) Handeln der Gewerkschaft
Die Gewerkschaft wirkt auf Rechtsgüter der Arbeitgeberseite ein, wenn sie den Streik selbst führt. Daher kann sie allenfalls die Schutzpflicht treffen, den Tarifpartner von gewerkschaftlich geführten rechtswidrigen Arbeitskämpfen freizuhalten. Folglich scheiden zwei Arten rechtswidriger Streiks mangels Beteiligung der Gewerkschaft als Schutzpflichtverletzung aus: der sog. nichtgewerkschaftliche Streik114 und der Streik einer tarifunfähigen Arbeitnehmerkoalition:
109 S. BVerfG v. 14. 11. 1995 – 1 BvR 601/92, BVerfGE 93, 352 = NJW 1996, 1201 (1202); ausführlich dazu Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 250; vgl. ebenfalls Maunz/Dürig-Scholz, Art. 9 GG Rn. 249; Sachs-Höfling, Art. 9 GG Rn. 71 ff.; Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes (1969) S. 25 f. 110 S. nur BVerfG v. 24. 4. 1996 – 1 BvR 712/86, BVerfGE 94, 268 = NZA 1996, 1157 (1158); Sachs-Höfling, Art. 9 GG Rn. 71, 87. 111 BAG v. 12. 9. 1984 – 1 AZR 342/83, BAGE 46, 322 = NZA 1984, 393 (394 f.), allerdings mit der – später nicht wieder aufgegriffenen – Schlussfolgerung, dass dieses Recht nicht verletzt werde, „wenn der tarifliche Gegenspieler durch Arbeitskampfmaßnahmen oder nur durch die Androhung solcher Maßnahmen Druck auf den Arbeitgeberverband ausübt, um dessen Entscheidung zu beeinflussen. […] Es gibt daher kein ,druckfreies Verhandeln‘ und kein Recht einer Koalition, frei von Druck verhandeln zu dürfen. In der Androhung oder Führung von Arbeitskämpfen liegt daher keine Beeinträchtigung des jeweils gegnerischen Rechts auf koalitionsmäßige Betätigung.“ 112 S. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1105. 113 Ob eine solche Beeinträchtigung aufgrund der kollektiven Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft gerechtfertigt ist, ist erst auf Ebene der Rechtfertigung zu untersuchen. 114 Ausführlich dazu, warum die Bezeichnung als nichtgewerkschaftlicher Streik gegenüber dem gebräuchlichem Begriff des wilden Streiks vorzugswürdig ist Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol (2018) S. 32 f.
154
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Merkmal des nichtgewerkschaftlichen Streiks ist, dass die Arbeit niedergelegt wird, ohne dass dies gewerkschaftlich organisiert ist.115 Es führt gerade keine Gewerkschaft den Streik. Sie ist kein tauglicher Antragsgegner. Ebensowenig ist eine Gewerkschaft Antragsgegner, wenn der Streikaufruf von einer tarifunfähigen Koalition stammt: Nicht jede Arbeitnehmerkoalition ist eine Gewerkschaft, sondern allein tariffähige Koalitionen.116 Voraussetzung der Tariffähigkeit ist u. a., dass die Koalition ausreichend durchsetzungsfähig sowie sozial mächtig ist und dass sie daher die Erwartungen an ein leistungsfähiges Tarifvertragssystem und die Angemessenheit erfüllt.117 Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt folglich kein Streik einer Gewerkschaft, sondern lediglich einer Arbeitnehmerkoalition vor.118 Zwar wird ebenfalls auf Rechtsgüter der Arbeitgeberseite eingewirkt. Jedoch sind solche Streiks mangels Beteiligung nicht als Schutzpflichtverletzung der Gewerkschaft einzuordnen. Im Ergebnis fehlt es an einer nach § 278 S. 1 BGB oder § 31 BGB zurechenbaren Handlung. Das heißt nicht, dass eine Haftung in diesen Fällen nicht in Betracht kommt. Es haftet jedoch keine Gewerkschaft, sodass die weiteren Folgen nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. Die in diesem Zusammenhang einzig in Frage kommende Pflichtverletzung der Gewerkschaft ist die Verletzung der sog. Einwirkungspflicht, wenn der nichtgewerkschaftliche Streik durch gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer geführt wird und gegen die Friedenspflicht verstößt. In diesem Fall haftet die Gewerkschaft auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 281 I 1 oder 283 S. 1 BGB.119 f) Zwischenergebnis
Ein Streik (rechtmäßig wie rechtswidrig) kann auf die grundrechtlichen Rechtsgüter der Arbeitgeberseite aus Art. 12 I, 14 I, 2 I, Art. 9 III GG einwirken. 115 Weiterführend zum nichtgewerkschaftlichen Streik s. Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 241 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1085 ff.; Däubler-Däubler, ArbeitskampfR, § 12 Rn. 5 ff.; Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol (2018) S. 148 ff.; im völkerrechtlichen Kontext Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 148 ff.; Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 290 ff.; Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol (2018) S. 72 ff. 116 Gewerkschaften sind Koalitionen, die tariffähig sind und daher am Tarifsystem teilnehmen können; dazu Däubler-Peter, § 2 TVG Rn. 6 ff., insb. Rn. 8; Kempen/Zachert-Kempen, § 2 TVG Rn. 15; zudem Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 14. 117 S. ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 66. 118 Ähnlich dazu auch noch später unter § 9 B. II. 3. c) „Streik als zurechenbarer unmittelbarer Eingriff der Gewerkschaft“, S. 218. 119 Dazu bereits oben, s. insbesondere § 4 B. „Abgrenzung von § 281 I 1 BGB und § 283 S. 1 BGB“, S. 128 ff.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
155
Zu untersuchen bleibt, inwieweit diese Einwirkungen ihrerseits gerechtfertigt sind, sodass eine entsprechende Schutzpflicht für die Gewerkschaft unzumutbar ist. Kein Handeln der Gewerkschaft ist bei nichtgewerkschaftlichen Streiks und Arbeitsniederlegungen einer tarifunfähigen Arbeitnehmerkoalition vor. Vielmehr fehlen Einwirkungsmöglichkeiten der Gewerkschaft, sodass sie auch keine entsprechende Schutzpflicht trifft. 2. Zumutbarkeit
Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die Gewerkschaft eine Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB trifft – konkret die Pflicht zur Unterlassung des Streiks –, soweit die Rücksichtnahme auf das betroffene Recht, Rechtsgut oder Interesse auch zumutbar ist. Zumutbar ist eine solche Schutzpflicht jedenfalls dann, wenn ohne Rechtfertigung auf das grundrechtliche Rechtsgut eingewirkt wird.120 Auch die Gewerkschaft kann sich auf grundrechtliche Rechtsgüter berufen, namentlich auf ihre durch Art. 9 III GG geschützte kollektive Koalitionsfreiheit. „Jeder Arbeitskampf bedeutet daher eine Kollision verschiedener Grundrechtspositionen.“121 Streikt die Gewerkschaft rechtmäßig, sind Einwirkungen auf Rechtsgüter der Arbeitgeberseite im Ergebnis gerechtfertigt.122 Anders formuliert: Unzumutbar ist eine Schutzpflicht, welche die Gewerkschaft verpflichtet, rechtmäßige Streiks zu unterlassen. Was aber ist mit rechtswidrigen Streiks? Ist es der Gewerkschaft generell zumutbar, rechtswidrige Streiks zu unterlassen mit der Konsequenz, dass eine entsprechende Schutzpflicht statuiert wird?123 Oder ist es ebenfalls denkbar, 120 Dazu bereits oben § 5 B. III. „Konkretisierung der Schutzpflicht der Gewerkschaft“, S. 150 ff. 121 Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 231. 122 Ausführlich zum verfassungsrechtlichen Schutz des Arbeitskampfs Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 146 ff.; vgl. auch S. 233, wo Engles feststellt, dass im Rahmen der Herstellung praktischer Konkordanz zu berücksichtigen ist, dass der Arbeitskampf per se auf die Beeinträchtigung anderer verfassungsrechtlicher Positionen gerichtet ist; s. auch Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol (2018) S. 148 ff. 123 Gegen eine generelle Einordnung rechtswidriger Arbeitskämpfe als Schutzpflichtverletzung Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 302; ebenfalls ablehnend und auf das Deliktsrecht verweisend Konzen, Vorbeugender Rechtsschutz unter Tarifparteien, in: FS Kissel (1994), S. 571 (S. 606); ohne nähere Begründung im Ergebnis ebenso Benecke, ZfA 2018, 2 (4); dafür aber Arnold, Die tarifrechtliche Dauerrechtsbeziehung (1996) S. 133 ff.; eine solche Schutzpflicht jedenfalls andeutend: Seiter, ZfA 1989, 283 (305); Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 114; s. ebenfalls Brox/ Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 123: „Der ,ultima ratio‘-Grundsatz kann auch als eine vor- oder nachvertragliche rechtliche Grundbeziehung der Tarifvertragsparteien untereinander gedeutet werden. […] Sie dürfen sich wechselseitig durch Arbeitskampf nicht
156
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
dass eine Schutzpflicht trotz rechtswidrigen Streiks unzumutbar ist, weil die Einwirkung auf das Rechtsgut des Tarifpartners gerechtfertigt ist? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, ist erstens zu untersuchen, inwieweit rechtswidrige Streiks überhaupt den Schutz von Art. 9 III GG für sich beanspruchen können, die Gewerkschaft sich also auch bei rechtswidrigen Streiks auf sein Rechtsgut der Koalitionsfreiheit berufen kann (a.). Zweitens ist die Einwirkung auf ein Rechtsgut des Tarifpartners nur durch die Koalitionsfreiheit gerechtfertigt, wenn der Streik auch geeignet, erforderlich und angemessen ist (b.). Scheidet eine Rechtfertigung aus, ist eine entsprechende Schutzpflicht für die Gewerkschaft zumutbar. a) Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 9 III GG beim rechtswidrigen Streik
Als Teil der Betätigungsfreiheit ist die Arbeitskampffreiheit von Art. 9 III GG garantiert, genießt also grundrechtlichen Schutz.124 Unklar ist aber, inwieweit rechtswidrige Streiks vom Schutzbereich des Art. 9 III GG umfasst sind. aa) Schutzumfang von Art. 9 III GG
Einerseits ist eine enge Auslegung des Art. 9 III GG denkbar, wonach nur solche Streiks von der Verfassung geschützt werden, die nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien rechtmäßig sind. Da es an einer arbeitskampfrechtlichen Regelung durch den Gesetzgeber fehlt, haben die Gerichte in langer Rechtspraxis Kriterien entwickelt, um rechtswidrige von rechtmäßigen Streiks abzugrenzen. Voraussetzung für einen rechtmäßigen Streik ist demnach, dass eine befugte Tarifvertragspartei ihrem Tarifpartner gegenüber unter Beachtung der Friedenspflicht, der Kampfparität, des Ultima-Ratio-Prinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie des Gebots fairer Kampfführung ein tarifwillkürlich oder ohne rechtfertigenden Grund schädigen, dürfen Arbeitskämpfe also nicht ohne Notwendigkeit ,vom Zaun brechen‘.“; Heinze, SAE 1983, 224 (224) „Allerdings muß sich dann zugleich doch die Frage anschließen, ob rechtswidrige, insbesondere verfassungswidrige Arbeitskämpfe nicht zumindest gegen eine ,andere‘ Nebenpflicht des TV verstoßen.“; zudem Lieb, NZA 1985, 265 (266): „In der Tat ist nicht einzusehen, weshalb die allgemeine Schuldrechtsdogmatik vor den Tarifvertragsparteien Halt machen, ihnen dort Freiräume zubilligen sollte, wo andere Vertragspartner sich längst schadensersatzpflichtig gemacht hätten.“; auch die klagenden Arbeitgeberverbände des Warnstreiks in Form der „neuen Beweglichkeit“ nahmen an, die Tarifparteien seien gegeneinander zur Unterlassung rechtswidriger Kampfmaßnahmen verpflichtet, s. Seiter, ZfA 1989, 283 (285), Fn. 4; leider ging das BAG in seiner Entscheidung vom BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750 nicht auf die Frage entsprechender Rücksichtnahmepflichten ein. 124 S. nur Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 250.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
157
lich regelbares Ziel verfolgt.125 Diese Kriterien sind jedoch nicht unumstritten. Vor allem völker- und europarechtliche Einflüsse könnten zu einer notwendigen Anpassung des deutschen Streikrechts führen.126 Diskutiert wird beispielsweise die Rechtmäßigkeit eines nicht-gewerkschaftlich geführten Streiks127, eines Beamtenstreiks128 und eines Streiks zur nicht-tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen129. Erörtert wird ebenso, ob die Unzulässigkeit eines von mehreren Kampfzielen zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führt.130 Das gilt besonders unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EGMR.131
Nach dieser engen Auslegung scheiden rechtswidrige Streiks folglich bereits auf Tatbestandsebene aus.132 Andererseits ist eine weite Auslegung möglich, wonach grundsätzlich alle Streiks den Schutz des Art. 9 III GG genießen, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geführt werden.133 Voraussetzung für den verfassungsrechtlichen Schutz ist allein, dass der Streik auf die Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzielt. 125 S. nur Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 71; überblicksartig Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 165 ff. 126 „Dabei mag die generalisierende Aussage, Arbeitskämpfe seien stets nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele zulässig, im Hinblick auf Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC einer erneuten Überprüfung bedürfen.“, BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734 (740). 127 Ausführlich dazu Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol (2018) S. 264 ff.; zum Diskussionsstand zudem Däubler-Däubler, ArbeitskampfR, § 12 Rn. 5 ff.; s. ebenfalls Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 290 ff.; Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 148 ff.; im Zusammenhang mit der Frage eines Streikrechts außerhalb des Arbeitsverthälnisses s. Schlachter, StreikR außerhalb des Arbeitsverhältnisses?, in: GS Zachert (2010), S. 634 ff. 128 Dazu kürzlich aber BVerfG v. 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NJW 2018, 2695; im Zusammenhang mit Art. 6 Nr.4 ESC Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 153 ff. 129 Zum Diskussionsstand s. DäublerAK-Däubler, § 13 Rn. 1 ff.; s. ebenfalls Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 280 ff.; Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 141 ff. 130 Bisher wurde mehrheitlich die sog. Rühreitheorie vertreten, wonach eine unzulässige Streikforderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führt, so auch BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1549); dazu und zu den Auswirkungen der neuen EGMR Rechtsprechung s. Jacobs/Schmidt, EuZA 2016, 82 (94 f.). 131 S. dazu Anmerkung von Jacobs/Schmidt, EuZA 2016, 82. 132 S. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 229 ff., der darlegt, dass die Rechtmäßigkeits-Kriterien eines tariflich regelbaren Ziels, des Verhältnismäßigkeits- und Paritätsvorbehalts, des Ultima-Ratio-Prinzips sowie der Gemeinwohlbindung nach der Konzeption des BAG letztlich eine Einschränkung des Schutzbereichs von Art. 9 III GG bedeuten, also einem engen Tatbestandsverständnis zuzuordnen sind. 133 S. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 247 ff.; Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol (2018) S. 207 ff.
158
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Während demnach etwa politische Streiks nicht vom Schutzbereich umfasst sind, würden Streiks mit nicht-tariflich regelbarem Ziel hingegen geschützt werden. Unterschiede beider Auffassungen ergeben sich vor allem in der dogmatischen Konstruktion: Während eine enge Auslegung die zur Rechtmäßigkeit entwickelten Kriterien als immanente Begrenzung des Schutzbereichs134 einordnet, berücksichtigt eine weite Auslegung diese Kriterien erst auf Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Damit verknüpft ist die Frage, ob die vom BAG entwickelten Kriterien als Grundrechtsausgestaltung oder als Grundrechtseingriff einzuordnen sind.135 Im Rahmen der Konkretisierung der Schutzpflichten nach § 241 II BGB wirkt sich die unterschiedliche dogmatische Einordnung bei der Abwägung aus: Bei einem engen Verständnis kann sich die Gewerkschaft von vornherein nicht auf die Streikfreiheit nach Art. 9 III GG berufen. Nach einem weiten Verständnis ist für die Eröffnung des Schutzbereichs nach dem jeweiligen Rechtswidrigkeitsgrund zu differenzieren. Zielt der Streik auf die Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ab, greift Art. 9 III GG, sodass im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung die Streikfreiheit mit den Grundrechten des Tarifpartners kollidiert. (1) Keine enge Auslegung im Sinne einer immanenten Begrenzung des Schutzbereichs (a) Allgemeine Erwägungen
Gegen eine enge Auslegung, also gegen die immanente Begrenzung des Schutzbereichs, spricht zunächst eine ganz allgemeine Überlegung zur Grundrechtsdogmatik: Allein die strikte Trennung von Tatbestandsebene auf der einen Seite und Rechtfertigungsebene auf der anderen Seite gewährleistet, dass für die kollidierenden Grundrechte eine sachgerechte Einzelfall-Lösung gefunden wird, in der alle Belange bestmöglich zur Geltung kommen (sog. Herstellung praktischer Konkordanz).136 Legt man den Schutzbereich eng aus, kommt es in den Fällen, die dadurch nicht mehr in den Schutzbereich fallen, gar nicht 134 Zum Begriff der grundrechtsimmanenten Grenze s. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 227, ebenfalls Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 284, der von einer grundrechtsimmanenten Grenze spricht. 135 Zur Abgrenzung von Ausgestaltung und Eingriff im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf s. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 288 ff., s. auch S. 293 f., 302 ff., wo Engels deutlich macht, dass die Rechtsprechung des BAG zu den Rechtmäßigkeits-Kriterien des Streiks keine Ausgestaltung, sondern vielmehr ein Eingriff ist; 136 Ausführlich dazu Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 248; zum Grundsatz der Herstellung praktischer Konkordanz s. bereits oben § 1 B. „Berücksich-
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
159
erst zu einer Abwägung auf Rechtfertigungsebene. In diesen Fällen sind die anderen Belange allgemein vorrangig.137 Auf den rechtswidrigen Streik bezogen bedeutet das: Eingriffe in Grundrechte des Tarifpartners sind nie zu rechtfertigen, da auf Seiten der Gewerkschaft ein kollidierendes Grundrecht fehlt. Derartige Alles-oder-Nichts Regelungen entsprechen aber nicht der Grundrechtsdogmatik mit ihrem ausdifferenzierten Wechselspiel von Tatbestand und Rechtfertigung.138 Die gestufte Prüfung stellt vielmehr sicher, dass Grundrechte nicht leichtfertig beschnitten werden, und erfüllt somit eine freiheitssichernde Funktion.139 Ein weites Schutzbereichsverständnis gewährleistet folglich eine erhöhte Einzelfallgerechtigkeit.140 (b) Streik nicht nur Hilfsinstrument der Tarifautonomie
Im Rahmen des Art. 9 III GG kann der sachliche Schutzbereich jedoch einzuschränken sein, wenn der Streik lediglich ein Hilfsinstrument der Tarif autonomie ist, indem er dem Ausgleich anders nicht zu lösender tariflicher Konflikte dient.141 Argumentiert wird, dass der Streik diese dienende Funktion nur erfüllen kann, wenn er auf den Abschluss einer tariflichen Regelung gerichtet ist.142 Demnach bestimmt die Hilfsfunktion gleichzeitig die sachliche Reichweite des Schutzbereichs: Nur solche Streiks, die zur Regelung eines tariflich regelbaren Ziels geführt werden, sind von Art. 9 III GG geschützt.143 Der Wortlaut von Art. 9 III GG zwingt nicht zu diesem Ergebnis. Zwar kennt die Verfassung grundrechtsimmanente Begrenzungen des Schutzbereichs144, tigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff.; zudem Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 67 m. w. N. zur Herstellung praktischer Konkordanz. 137 Vgl. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 227. 138 Vgl. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 248 f. 139 S. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 248. 140 S. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 249. 141 S. BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1549); BAG v. 7. 6. 1988 – 1 AZR 372/86, BAGE 58, 343 = NJW 1989, 63; ebenfalls s. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1071; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 217, 500; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 66 ff., S. 91; überblicksartig dazu Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 226 ff.; DäublerAK-Däubler, § 13 Rn. 1; vgl. auch Konzen, Fünfzig Jahre richterliches Arbeitskampfrecht, in: 50 Jahre BAG (2004), S. 515 (S. 527). 142 S. nur BAG v. 5. 3. 1985 – 1 AZR 468/83, BAGE 48, 160 = NJW 1985, 2545 (2547); BAG v. 7. 6. 1988 – 1 AZR 372/86, BAGE 58, 343 = NJW 1989, 63; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1071; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 91. 143 S. BAG v. 5. 3. 1985 – 1 AZR 468/83, BAGE 48, 160 = NJW 1985, 2545 (2547); dazu ebenfalls Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 227; Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 281 m. w. N. 144 Allgemein zu grundrechtsimmanenten Beschränkungen des Schutzbereichs s. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 227 f.; Dumke, StreikR i. S. d.
160
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
etwa in Art. 8 I GG: Dort sind nur solche Versammlungen geschützt, die „friedlich und ohne Waffen“ erfolgen.145 Eine solche Einschränkung ist im Wortlaut des Art. 9 III GG aber nicht angelegt.146 Weder aus dem Begriffspaar „Wahrung und Förderung“ noch aus „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ ist herzuleiten, dass Arbeitskämpfe allein zum Ausgleich tariflicher Konflikte geführt werden dürfen.147 Auch der Zweck von Art. 9 III GG spricht nicht notwendigerweise für eine solche Beschränkung des Schutzbereichs. Zwar ist wesentlicher Zweck der Koalition das Aushandeln von Tarifverträgen.148 Diese sind jedoch nicht die einzig möglichen Instrumentarien zur Regelung von Arbeitsbedingungen. „Zu den geschützten Mitteln zählen auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluß von Tarifverträgen gerichtet sind. Sie werden jedenfalls insoweit von der Koalitionsfreiheit erfaßt, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen. Dafür spricht auch Art. 9 III 3 GG.“149
Das BVerfG macht deutlich, dass der Staat den Koalitionen überlässt, „die erforderlichen Regelungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen […] autonom durch Vereinbarung [zu] treffen.“150
Als Vereinbarungen kommen eben auch sonstige Kollektivvereinbarungen in Betracht.151 Das bedeutet, dass neben den Arbeitskämpfen, die für die Sicherstellung einer funktionierenden Tarifautonomie erforderlich sind, auch weitere Arbeitskämpfe durch Art. 9 III GG geschützt werden können.152 Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 284; als Immanenzlehren bezeichnend Schwabe, Grundrechtsdogmatik (1977) S. 154 ff. 145 Dazu BVerfG v. 14. 5. 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, NJW 1985, 2395 (2400); Maunz/Dürig-Depenheuer, Art. 8 GG Rn. 78 ff. 146 Dazu Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 284. 147 S. Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 282, 284; vgl. auch Däubler-Däubler, ArbeitskampfR, § 9 Rn. 8; dazu, dass die Rechtsfortbildung, „den Wortlaut des Art. 9 III hinter sich gelassen hat“, Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 149. 148 BVerfG v. 24. 4. 1996 – 1 BvR 712/86, BVerfGE 94, 268 = NZA 1996, 1157 (1158); s. ebenfalls Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes (1969) S. 43: „Es ist zwar richtig, dass auch die Koalitionsvereinbarung als besonderes Koalitionsmittel vom Tatbestand des Art. 9 III GG prinzipiell aufgenommen wird. Aber hierin erschöpft sich der institutionelle Schutzbereich der Koalitionsfreiheit nicht. Ihr Inhalt ist erheblich weiter und komplexer beschaffen.“. 149 BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809 (810), [Hervorhebungen von der Verfasserin]. 150 BVerfG v. 24. 4. 1996 – 1 BvR 712/86, BVerfGE 94, 268 = NZA 1996, 1157 (1158); s. dazu Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 286. 151 S. Schlachter, StreikR außerhalb des Arbeitsverhältnisses?, in: GS Zachert (2010), S. 634 (S. 641 f.); Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 285 f.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
161
Zudem hat das BVerfG deutlich gemacht, dass der Schutzbereich des Art. 9 III GG gerade nicht auf einen Kernbereich beschränkt ist.153 Er umfasst alle koalitionsmäßigen Verhaltensweisen, also alle Handlungen, die auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzielen.154 Misst man dem Arbeitskampf nun allein mit Blick auf die Tarifautonomie eine Hilfsfunktion zu, nicht aber in Bezug auf die Koalitionsbetätigung insgesamt, liegt darin ein Wertungswiderspruch.155 Aus all diesen Gründen ist der Arbeitskampf nicht nur Hilfsinstrument der Tarifautonomie, sondern der „Koalitionsbetätigung insgesamt“156. 152
Ein solches weites Verständnis heißt nicht, dass auch alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen durch Arbeitskampf durchgesetzt werden dürften. Nach der Grundrechtsdogmatik ist es nämlich möglich, dass ein Eingriff – der etwa durch gesetzesvertretende Rechtsprechung des BAG erfolgt – verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. „Der Tatbestand des Grundrechts enthält zwar einen potentiellen Grundrechtsschutz, entspricht jedoch nicht dem effektiven Grundrechtsschutz. Vielmehr erstarkt erst in einer Zusammenschau von Tatbestand und Schranke das Grundrecht zu einem definitorischen Recht im Einzelfall, wenn keine hinreichenden Gegengründe vorliegen, die im Wege der Abwägung eine Beschränkung der prinzipiellen Freiheitsvermutung rechtfertigen können.“157
Die vom BAG entwickelten Rechtmäßigkeits-Kriterien des tariflich regel baren Ziels, der Tarifzuständigkeit der kampfführenden Gewerkschaft, des Ultima-Ratio-Gebots, der Verhältnismäßigkeit, der Kampfparität und der fairen Kampfführung kommen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfer152 S. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 256 m. w. N. in Fn. 595; zudem Däubler-Däubler, ArbeitskampfR, § 9 Rn. 15 ff.; DäublerAK-Däubler, § 13 Rn. 5; Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 288 f. 153 Zur Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG s. Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 58 ff.; s. auch Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 285. 154 S. BVerfG v. 14. 11. 1995 – 1 BvR 601/92, BVerfGE 93, 352 = NJW 1996, 1201 (1202); ausführlich dazu Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 250; vgl. ebenfalls Maunz/Dürig-Scholz, Art. 9 GG Rn. 249; Sachs-Höfling, Art. 9 GG Rn. 71 ff.; Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes (1969) S. 25 f.; a. A. wohl Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 69. 155 S. Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 286; vgl. ebenfalls Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 250, zudem S. 256: „Die insbesondere vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Klassifizierung des Arbeitskampfes als bloßes Hilfs instrument der Tarifautonomie verkürzt demgegenüber aus grundrechtstatbestandlicher Sicht in unzulässiger Weise die Reichweite des mit den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen umschriebenen Betätigungsfeldes der Koalitionen zur Erreichung des in Art. 9 III GG genannten Zwecks.“. 156 Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 288; ebenfalls Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 145. 157 Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 247 f.
162
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
tigung zum Tragen. Dort können sie im Rahmen der Prüfung des legitimen Zwecks, der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit auch strukturell passend eingebettet werden. (2) Weite Auslegung aufgrund völkerrechtsfreundlicher Auslegung
Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Art. 9 III GG spricht ebenfalls für eine weite Auslegung. Zwar hat Völkervertragsrecht durch den Rechtsanwendungsbefehl des Art. 59 II 1 GG lediglich einen einfachgesetzlichen Rang, sodass ihm das Grundgesetz vorgeht.158 Im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes erhält das Völkerrecht aber einen quasi-verfassungsrechtlichen Rang.159 Nach Art. 6 Nr. 4 ESC ist das Recht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten anerkannt. Weder die Formulierung „Interessenkonflikt“ noch eine systematische, teleologische und historische Auslegung oder der Rechtsvergleich lässt den Schluss zu, dass Art. 6 Nr. 4 ESC allein solche Streiks gestattet, die auf tarifliche Regelungen abzielen.160 Daher haben sowohl ECSR als auch das Ministerkomitee des Europarats beanstandet, dass das Streikrecht in Deutschland auf tariflich regelbare Streikziele beschränkt ist.161 In diese Richtung argumetiert auch das BAG: „Dabei mag die generalisierende Aussage, Arbeitskämpfe seien stets nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele zulässig, im Hinblick auf Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC einer erneuten Überprüfung bedürfen.“162
Die Beschränkung auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeigt, dass der Interessenkonflikt zwischen diesen beiden Parteien stattfinden muss. Der politische Streik, der vor allem gegen den Staat gerichtet ist, ist damit nicht vom 158 S. nur Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 199, 220; Kirchhof, NJW 2011, 3681 (3683); vgl. zudem Czycholl/Frieling, ZESAR 2011, 322 (323 f.). 159 Ausführlich zum Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 220 ff., auch S. 199; s. ebenfalls Kirchhof, NJW 2011, 3681 (3683). 160 So auch die Interpretation des European Committee of Social Rights, Digest (2008) S. 55 f.; ausführlich zur Auslegung Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 141 ff.; s. auch Schlachter, SR 2013, 77 (88). 161 Individuelle Empfehlung des Ministerkomittees des Europarates an die Bundesrepublik Deutschland vom 3. 2. 1988, AuR 1998, 154 (156); dazu Däubler, AuR 1988, 144 ff.; s. ebenfalls Schlachter, SR 2013, 77 (88). 162 BAG v. 10. 12. 2002 – 1 AZR 96/02, BAGE 104, 155 = NZA 2003, 734 (740); zur kritischen Spruchpraxis des Sachverständigenausschusses und des Ministerkomittees gegenüber der deutschen Beschränkung des Arbeitskampfrechts auf tariflich regelbare Ziele s. zudem Gooren, Tarifbezug des Arbeitskampfes (2014) S. 178 f.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
163
Schutzbereich des Art. 6 Nr. 4 ESC erfasst.163 Streiks, die wegen Interessenkonflikten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geführt werden, sind jedoch geschützt. Damit spricht eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Art. 9 III GG ebenfalls für eine weite Auslegung.164 (3) Zwischenergebnis
Der Schutzbereich des Art. 9 III GG ist weit auszulegen. Damit fallen alle Streiks in den grundrechtlichen Schutzbereich, die auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzielen. Politische Streiks sind folglich nicht von Art. 9 III GG geschützt. Die sonstigen von der Rechtsprechung aufgestellten Rechtmäßigkeits-Kriterien sind auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu berücksichtigen.165 bb) Konsequenzen für die Konkretisierung der Schutzpflicht nach § 241 II BGB
Für die konkretisierte Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB bedeutet das: Die Gewerkschaft kann sich bei der Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter trotz Rechtswidrigkeit des Streiks auf ihr Grundrecht aus Art. 9 III GG berufen, soweit der Streik zur Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geführt wird. Das ist allein beim politischen Streik nicht der Fall. Die Einwirkungen auf die Gewerbe- und Eigentumsfreiheit, subsidär auch der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit sowie der Koalitionsfreiheit sind nicht zu rechtfertigen. Daher ist die Schutzpflicht, politische Streiks zu unterlassen, für die Gewerkschaft zumutbar.166 163 Ausführlich dazu Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 145 ff.; s. auch Czycholl/Frieling, ZESAR 2011, 322 (325); zum Begriff des politischen Streiks DäublerAK-Däubler, § 13 Rn. 52 ff.; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 233 f. 164 Ebenso Dumke, StreikR i. S. d. Art. 6 Nr. 4 ESC (2013) S. 288; differenzierender Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 187, 269 ff., 350 f., 455, die aufzeigt, dass Art. 6 Nr.4 ESC mangels ausreichender eigener Durchschlagekraft erst durch die Rechtsprechung des EGMR im Wege der Auslegung des Art. 11 EMRK Bedeutung im deutschen Recht erlangt; s. aber auch Czycholl/Frieling, ZESAR 2011, 322 (327), die sogar soweit gehen, dass dem BAG die Rechtsfortbildung verboten ist, soweit in Art. 6 Nr. 4 ESC Voraussetzungen und Rechtsfolgen normiert sind, da insoweit keine erforderliche Lücke besteht. 165 Zu einem ähnlichen Ergebnis (jedenfalls mit Blick auf den Streik), jedoch mit anderer Begründung gelangen Teile der Literatur, indem sie Art. 9 III GG als Grundrecht der Arbeitnehmer auf gleichberechtigte Partizipation am Arbeitsleben einordnen, überblicksartig dazu Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 63 f.; eine solche Beschränkung auf Arbeitnehmer lässt sich dem Wortlaut des Art. 9 III GG jedoch nicht entnehmen. 166 Zu dem gleichen Ergebnis gelangt Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen (1994) S. 123 f., allerdings mit der Begründung, dass die Einwirkungsmöglichkeit auf kollektiver Besonderheit, nicht auf der Sonderverbindung beruht.
164
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
b) Rechtfertigung der Einwirkung
Ob es der Gewerkschaft mit Blick auf die verbliebenen Rechtswidrigkeitsgründe zumutbar ist, solche Streiks jeweils zu unterlassen, hängt davon ab, ob die Einwirkungen jeweils zu rechtfertigen sind. Eine Rechtfertigung setzt voraus, dass der Streik geeignet, erforderlich und angemessen ist.167 aa) Geeignetheit
Das Mittel „Streik“ ist geeignet, wenn es einen legitimen Zweck verfolgt (1) und es den Zweck jedenfalls fördert (2).168 (1) Legitimer Zweck: tariflich regelbares Ziel
Ein Streik verfolgt einen legitimen Zweck, wenn die Gewerkschaft ihn prinzipiell verfolgen darf.169 Ein Zweck ist illegitim, wenn er im Widerspruch zur Rechtsordnung steht.170 Nur solche Streiks sind zur Einschränkung anderer Grundrechte geeignet, die ein Ziel verfolgen, welches im Einklang mit der Rechtsordnung steht. Teil dieser Rechtsordnung ist das gesetzesvertretende Richterrecht zum Arbeitskampfrecht.171 Nach ständiger Rechtsprechung muss der Streik auf den Abschluss eines Tarifvertrags gerichtet sein, darf also allein zur Durchsetzung einer tariflichen Regelung eingesetzt werden.172 Zwar ist 167 Allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit s. Kingreen/Poscher, Grundrechte (2018) S. 92 ff.; s. insb. S. 94, wo klargestellt wird, dass Zumutbarkeit synonym für Verhältnismäßigkeit i. e. S., Proportionalität oder Angemessenheit verwandt wird. 168 Allgemein zur Voraussetzung der Geeignetheit s. Kingreen/Poscher, Grundrechte (2018) S. 93; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 324. 169 Vgl. Lepsius, Chancen und Grenzen der Verhältnismäßigkeit, in: Verhältnismäßigkeit (2016), S. 1 (S. 17). 170 Das entspricht auch dem natürlichen Sprachsinn des Wortes illegitim, vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, abrufbar im Internet: http://www.duden.de/rechtschreibung/illegitim (Stand: 29. 4. 19): „(bildungssprachlich) unrechtmäßig, im Widerspruch zur Rechtsordnung stehend, nicht im Rahmen bestimmter Vorschriften erfolgend“. 171 Zur Eigenschaft als gesetzesvertretendes Richterrecht s. bereits oben § 1 A. „Arbeitskampfrecht ist Zivilrecht“, S. 26 f.; s. auch BAG Großer Senat v. 21. 4. 1971 – GS 1/68, BAGE 23, 292 (320) ; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 64; Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 311 ff.; Sachs-Höfling, Art. 9 GG Rn. 103. 172 S. nur BAG v. 5. 3. 1985 – 1 AZR 468/83, BAGE 48, 160 = NJW 1985, 2545 (2547); BAG v. 7. 6. 1988 – 1 AZR 372/86, BAGE 58, 343 = NJW 1989, 63; BAG v. 27. 6. 1989 – 1 AZR 404/88, BAGE 62, 171 = NZA 1989, 969 (971); BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1549); s. zudem Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 71; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1071; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 217 ff.; ausführlich zur Zulässigkeit des Sympathiestreiks (auch Unterstützungsstreik genannt), bei dem kein eigener Tarifvertrag, sondern nur mittelbar eine tarifliche Regelung für einen
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
165
denkbar, dass sich diese Rechtsprechung aufgrund der Wertungen des Völkerund Europarechts zukünftig ändert.173 Doch bis dahin ist sie als Teil der Rechtsordnung maßgeblich, um die Legitimität des Zwecks zu bestimmen.174 Streiks, die auf die Regelung einer sonstigen Kollektivvereinbarung auf dem Gebiet der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzielen, fallen zwar in den Schutzbereich des Art. 9 III GG.175 Sie verfolgen aber einen Zweck, der im Widerspruch zur Rechtsordnung – der arbeitskampfrechtlichen Rechtsprechung – steht und damit illegetim ist. Ein legitimer Zweck fehlt, sodass ein solcher Streik als Mittel nicht geeignet ist und eine Rechtfertigung ausscheidet. Im Zusammenhang mit § 241 II BGB bedeutet das, dass eine Schutzpflicht mit dem Inhalt, Streiks zur Durchsetzung tariflich nicht regelbarer Ziele zu unterlassen, für die Gewerkschaft zumutbar ist. Ein Streik ist beispielsweise auch dann „tariflich nicht regelbar“, wenn er darauf abzielt, die Arbeitgeberseite zu vernichten.176 „Ohne Tarifgegner kein Tarifvertrag, ohne Tarifvertrag keine Legitimtät von Arbeitskämpfen.“177 Streiks, die auf tariflich regelbare Ziele gerichtet sind, verfolgen hingegen ein legitimes Ziel, sodass eine Rechtfertigung weiterhin möglich ist, soweit die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. (2) Förderung des legitimen Zwecks durch Streik
Das Mittel (Streik) muss den Zweck (Abschluss einer tariflichen Regelung) jedenfalls fördern, um geeignet zu sein. Ist ein Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht wirksam, ist es ungeeignet.178 Legen Arbeitnehmer im Rahmen eines Streiks ihre Arbeit nieder, üben sie Druck aus: Ist der Arbeitgeber selbst Tarifpartner, wirkt sich dieser Druck unmittelbar bei ihm aus. Ist der Arbeitgeberverband die tarifschließende Partei, wird über sein bestreiktes Mitglied jedenfalls mittelbar Druck auf ihn ausgeübt. Als Folge des Streiks ist daher denkbar, dass die Arbeitgeberseite einen Tarifvertrag abschließt. Jedenfremden Tarifvertrag angestrebt wird, s. Bertke, Zulässigkeit von Sympathiestreiks (2014) S. 29 ff.; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 196 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1137 ff.; Otto, Schrankenloser Arbeitskampf?, in: ZAAR 2010, Neues Arbeitskampfrecht? (2010), S. 15 (S. 35 ff.); s. auch Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 222 ff. 173 Dazu bereits oben § 5 B. III. 2. a) aa) (2) „Weite Auslegung aufgrund völkerrechtsfreundlicher Auslegung“, S. 162. 174 Ständige Rechtsprechung i. V. m. dem (aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden) Vertrauensgrundsatz aus Art. 20 III GG erzeugt eine gewisse Rechtssicherheit, vgl. BVerfG v. 14. 01. 1987 – 1 BvR 1052/79, BVerfGE74, 129 = NZA 1987, 347; BAG v. 20. 11. 1990, BAGE 66, 228 = NZA 1991, 477; dazu bereits oben § 1 C. „Unsichere Rechtslage“, S. 32. 175 Dazu bereits oben § 5 B. III. 2. a) aa) „Schutzumfang von Art. 9 III GG“, S. 156 ff. 176 S. Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 325. 177 Hensche, RdA 1996, 293 (305); dazu auch Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 325. 178 S. Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 324 f.
166
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
falls aber wird ein tariflicher Abschluss gefördert, sodass der Streik in diesen Fällen als Mittel auch geeignet ist. Allein in den Fällen, in denen eine tarifunzuständige Gewerkschaft streikt, fördert das Mittel „Streik“ den legitimen Zweck „Tarifabschluss“ nicht: Ein wirksamer Tarifabschluss ist in diesem Fall nicht möglich; ein Streik kann daran nichts ändern.179 Folglich ist ein Streik einer tarifunzuständigen Gewerkschaft ungeeignet und kann Einwirkungen auf andere Rechtsgüter nicht rechtfertigen. Eine Schutzpflicht der Gewerkschaft, keine Streiks zu führen, für den sie tarifunzuständig ist, ist damit zumutbar. (3) Zwischenergebnis
Soweit eine tarifzuständige Gewerkschaft mit dem Streik den Abschluss tariflicher Regelungen bezweckt, ist der Streik als Mittel geeignet. Streiks, die darauf abzielen, Regelungen von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen außerhalb des Instrumentariums des Tarifvertrags abzuschließen, verfolgen keinen legitimen Zweck und sind damit als Mittel ungeeignet. Gleiches gilt für Streiks einer unzuständigen Gewerkschaft. In beiden Fällen ist die Statuierung einer entsprechenden Schutzpflicht der Gewerkschaft nach § 241 II BGB zumutbar. bb) Erforderlichkeit
Des Weiteren muss der Streik auch erforderlich sein. Das ist der Fall, wenn kein milderes Mittel mit gleichen Wirkungen verfügbar ist.180 Das legitime Ziel – einen Tarifabschluss herbeizuführen – kann auch durch andere friedliche Verständigungsmittel mit gleicher Wirkung verfolgt werden. Daraus folgt, dass der Streik als Mittel nur erforderlich ist, wenn alle anderen Verständigungsmöglichkeiten erfolglos geblieben sind.181 Der Streik muss daher ultima-ratio, also das letzte mögliche Mittel sein.182 Er ist erst erforderlich, „wenn ohne [ihn] ein Tarifabschluss im Wege der Verhandlungen nicht zu erreichen ist.“183 Daraus lässt sich schließen, dass die Gewerkschaft versucht haben muss, auf dem Verhandlungsweg zu dem angestrebten Tarifabschluss zu gelangen: Sie muss 179 Dazu
Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 74. Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 310; zudem Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 327 f.; allgemein zur Erforderlichkeit Kingreen/Poscher, Grundrechte (2018) S. 93 f.; v. der Pfordten, Über das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, in: Verhältnismäßigkeit (2016), S. 261 (S. 272 ff.). 181 Vgl. DäublerAK-Däubler, § 14 Rn. 1. 182 St. Rspr. s. nur BAG v. 20. 12. 1963 – 1 AZR 157/63, BAGE 15, 211 = NJW 1964, 1291 (1293); BAG v. 10. 6. 1980 – 1 AZR 822/79, BAGE 33, 140 = NJW 1980, 1642 (1643). 183 BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57 (60). 180 S. Engels,
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
167
jedenfalls ihre Forderungen erhoben und mit dem Tarifpartner Tarifverhandlungen geführt haben, es sei denn, der Tarifpartner lehnt Verhandlungen von vornherein ab.184 Indem die Gewerkschaft streikt, zeigt sie in der Regel, dass sie keine weiteren friedlichen Verständigungsmöglichkeiten für erfolgsversprechend hält; sie muss nicht offiziell erklären, dass die Verhandlungen gescheitert sind.185 Konnte der Tarifpartner die Forderung der Gewerkschaft noch nicht einmal zur Kenntnis nehmen oder hat die Gewerkschaft trotz erkennbaren Verhandlungswillen des Tarifpartners ein Gespräch abgelehnt, ist der Streik hingegen nicht das mildeste verfügbare Mittel mit vergleichbarer Wirkung. Vielmehr ist ein solcher Streik nicht erforderlich.186 Der Gewerkschaft ist mithin zuzumuten, Streiks zu unterlassen, die nicht ultima-ratio sind.187 cc) Angemessenheit
Schließlich muss der Streik als Arbeitskampfmittel auch angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne sein.188 Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip muss das gewählte Mittel (Streik) mit dem verfolgten Zweck (Tarifabschluss) in Relation stehen.189 Der Streik muss mit den daraus resultierenden Schäden der Arbeitgeberseite mithin im Verhältnis zum angestrebten Tarifabschluss stehen.190 Je wertvoller das betroffene Rechtsgut (Art. 12, 14, 2 I oder 9 III GG) und je intensiver der Eingriff, desto gewichtiger muss das zu schützende Rechtsgut 184
S. BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57 (60). BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57 (60). 186 Dazu BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57 (60). 187 Ähnlich wohl Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 123: „Der ,ultima ratio‘-Grundsatz kann auch als eine vor- oder nachvertragliche rechtliche Grundbeziehung der Tarifvertragsparteien untereinander gedeutet werden. […] Sie dürfen sich wechselseitig durch Arbeitskampf nicht willkürlich oder ohne rechtfertigenden Grund schädigen, dürfen Arbeitskämpfe also nicht ohne Notwendigkeit ,vom Zaun brechen.‘“ 188 S. nur BAG Großer Senat v. 21. 4. 1971 – GS 1/68, BAGE 23, 292 ; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 320 ff.; im Zusammenhang mit dem Arbeitskampfmittel der Aussperrung BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809 (811 f.)BAG v. 10. 6. 1980 – 1 AZR 822/79, BAGE 33, 140 = NJW 1980, 1642 (1643); BAG v. 12. 3. 1985 – 1 AZR 636/82, BAGE 48, 195 = NZA 1985, 537 (538 f.). 189 Im arbeitskampfrechtlichen Zusammenhang dazu Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 230 m. w. N.; Löwisch, ZfA 1971, 319 (326); vgl. Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 321; allgemein zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Verfassungsrechts Kingreen/Poscher, Grundrechte (2018) S. 92 ff. 190 S. Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 232, 309 m. w. N.; zur Herstellung praktischer Konkordanz s. zudem bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff. und § 5 B. III. 2. a) aa) (1) (a) „Allgemeine Erwägungen“, S. 158. 185
168
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
(Art. 9 III GG) und desto wahrscheinlicher der Nutzen der Maßnahme (erfolgreicher Tarifabschluss) sein.191 Der Nutzen der Maßnahme darf nicht durch den Inhalt der Tarifforderung bestimmt werden, da ansonsten die Gefahr einer der Tarifautonomie widersprechenden Tarifzensur besteht.192 Das kann die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Einzelnen schwierig gestalten, sodass es umso mehr auf den konkreten Einzelfall ankommt.193 Als Fallgruppe sind hervorzuheben das Gebot der Kampfparität ((1)) und das Gebot der fairen Kampfführung ((2)), die beide von der Rechtsprechung als Voraussetzung eines rechtmäßigen Streiks entwickelt wurden. Genauer betrachtet lassen sich beide Gebote als Unterfälle der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne einordnen.194 (1) Verletzung der Kampfparität
Zwar ist im Rahmen der Abwägung nicht auf den Inhalt der Tarifforderung abzustellen. Es ist aber zu berücksichtigen, ob zwischen den Tarifpartnern beim Arbeitskampf ein annäherndes Gleichgewicht herrscht, sie also während der Verhandlungen annähernd gleich stark sind (sog. Kampfparität).195 Wie diese Kampfparität zu bestimmen ist, ist im Einzelnen überaus schwierig und umstritten.196 Alle Auffassungen haben aber gemeinsam, dass die Tarifparteien 191 Zur Einzelumstands-Gewichtung mit Hilfe einer komparativen („Je-desto“)-Regel s. Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung (2014) S. 245. 192 S. BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57 (59); Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 328. 193 „Eine Entscheidung wird weitgehend jeweils nur an Hand des konkreten Falles möglich sein.“, Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 330. 194 S. Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 355, 363; ebenfalls Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 242: „Das Paritätsprinzip erlangt somit nicht etwa auf grundrechtstatbestandlicher Ebene, sondern erst auf der Ebene der grundrechtlichen Schranken und Schranken-Schranken Bedeutung. Sein Inhalt ist dabei aufgrund der konkret aufzulösenden Grundrechtskollision zu bestimmen.“, das Paritätsprinzip ebenfalls als „Teil der Abwägung“ einordnend: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 969. 195 „Bei dem legitimen Arbeitskampf gilt der Grundatz der Kampfparität und der Freiheit der Wahl der Kampfmittel.“, BAG Großer Senat v. 28. 1. 1955 – GS 1/54, BAGE 1, 291 = NJW 1955, 882; s. ebenfalls Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht (1989) S. 95 f.; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 175; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 361. 196 Die h. M. vertritt einen abstrakt-materielle Paritätsbegriff, wonach das tatsächliche Kräfteverhältnis (z. B. Organisationsgrad oder Wirtschaftslage) der Tarifpartner berücksichtigt wird: BAG v. 10. 6. 1980 – 1 AZR 822/79, BAGE 33, 140 = NJW 1980, 1642 (1647); gebilligt durch BVerfG v. 26. 06. 1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 = NZA 1991, 809 (811); Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 102 f.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 970 ff., insb. S. 973; wobei jedoch Uneinigkeiten besteht, welche konkreten Faktoren zu berücksichtigen sind, dazu MüHB-ArbR-Ricken, § 272 Rn. 56 ff.; früher vertrag das BAG Großer Senat v. 28. 1. 1955 – GS 1/54, BAGE 1, 291 = NJW 1955,
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
169
jedenfalls rechtlich die gleichen Verhandlungschancen innehaben müssen.197 In der Ausgangslage überwiegen die Verhandlungschancen der Arbeitgeberseite, da sie über die Erträge der gemeinsamen Arbeit verfügt.198 Erst durch die Möglichkeit des Streiks ist die Gewerkschaft zur Durchsetzung ihrer Forderungen nicht mehr auf „kollektives Betteln“199 angewiesen. Ohne Streik könnte der Tarifvertrag nicht für sich beanspruchen, das Ergebnis eines ausgeglichenen und angemessenen Kompromisses zu sein (sog. Angemessenheitsvermutung).200 Das Gebot der Kampfparität ist jedoch nicht nur eine Grenze der Arbeitskampfmittel der Arbeitgeberseite, sondern ebenfalls der Gewerkschaft: Auch ein Streik kann gegen das Gebot der Kampfparität verstoßen.201 Ist das Verhandlungsgleichgewicht und damit die Parität gestört, besteht die Gefahr, dass die überlegene Seite ihre Forderungen diktieren kann 202 und der Tarifvertrag „nicht mehr auf einem System freier Vereinbarungen beruht, das Voraussetzung für ein Funktionieren und innerer Grund des Tarifvertragssystems ist.“203 Dann ist der Eingriff in die Koalitionsfreiheit des Tarifpartners aus Art. 9 III GG besonders intensiv und steht zum erreichten Nutzen – den aufgezwungenen Tarifabschluss – nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis. Je nach Einzelfall ist auch denkbar, dass ein Streik, der gegen den Grundsatz der Kampfparität verstößt, bereits nicht erforderlich ist, weil zur Erreichung des Tarifabschlusses auch ein milderes Mittel möglich ist.204 Eine Rechtfertigung scheitert dann schon an der Erforderlichkeit und nicht erst an der Verhältnismäßigkeit.205 In jedem Fall kann ein Streik, der zu einem Paritätsverlust führt, die auf der Arbeitgeberseite hervorgerufenen Schäden nicht rechtfertigen. Damit ist 882 (885) eine rein formale Sichtweise; ebenfalls allein auf das rechtliche Kräfteverhältnis stellt die Lehre von der normativen Parität ab: Mayer-Maly, DB 1979, 95 (98); überblicksartig zum Streitstand Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 176. 197 S. MüHB-ArbR-Ricken, § 272 Rn. 58. 198 S. Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht (1989) S. 96. 199 BAG v. 10. 6. 1980 – 1 AZR 822/79, BAGE 33, 140 = NJW 1980, 1642 (1643). 200 Zur Angemessenheitsvermutung s. bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 284 ff.; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 123 f. 201 S. nur MüHB-ArbR-Ricken, § 272 Rn. 55. 202 S. nur Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 969; überblicksartig dazu Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 175. 203 BAG Großer Senat v. 21. 4. 1971 – GS 1/68, BAGE 23, 292 (308) . 204 Ebenfalls als Frage entweder der Erforderlichkeit oder der Verhältnismäßigkeit einordnend Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 363; s. zudem Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 242. 205 Weil der Maßstab der Parität sehr abstrakt ist, ist er nicht immer geeignet, um die Rechtmäßigkeit einzelner Arbeitskampfmaßnahmen zu beurteilen. Die Parität bezeichnet aber „zumindest eine Grenze, die bei der gerichtlichen Ausgestaltung nicht überschritten
170
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
eine Schutzpflicht, Streiks zu unterlassen, die gegen den Grundsatz der Kampfparität verstoßen, für die Gewerkschaft zumutbar. (2) Gebot fairer Kampfführung
Der Streik ist nur verhältnismäßig, soweit er fair geführt wird.206 Dieses sog. Gebot der fairen Kampfführung wurde maßgeblich von Nipperdey entwickelt, der damit allgemeine rechtliche Verhaltensnormen statuieren und die Diskussion von der Sittenwidrigkeit des § 826 BGB wegführen wollte.207 Der Große Senat des BAG hat das Gebot fairer Kampfführung schließlich als eigenständigen Rechtsbegriff eingeführt und als Fallgruppe der Verhältnismäßigkeit eingeordnet: „Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit betrifft […] nicht nur Zeitpunkt und Ziel, sondern auch die Art der Durchführung und die Intensität des Arbeitskampfes. Der Arbeitskampf ist deshalb nur dann rechtmäßig, wenn und solange er nach Regeln eines fairen Kampfes geführt wird.“208
Ein Kampf ist jedenfalls dann nicht mehr fair, wenn er darauf abzielt, die Existenz des Gegenüber zu vernichten.209 Der Nutzen des Tarifabschlusses steht dann in keiner Relation zu den Auswirkungen. Dann sind die Auswirkungen für die Arbeitgeberseite besonders verheerend – von den grundrechtlichen Rechtsgütern aus Art. 12 I, 14 I, 2 I GG verbleibt nahezu nichts. Unabhängig davon, wann der Streik im konkreten Einzellfall ansonsten unverhältnismäßig ist, ist er jedenfalls bei Verstoß gegen das Gebot der fairen Kampfführung unverhältnismäßig. Damit ist eine Schutzpflicht der Gewerkschaft, Streiks zu unterlassen, die unfair sind, zumutbar. (3) Zwischenergebnis
Verstößt ein Streik gegen die Kampfparität oder das Gebot der fairen Kampfführung, ist er unverhältnismäßig. Ein solcher Streik ist daher zu unterlassen. werden darf.“, BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1352). 206 Allgemein zum Gebot fairer Kampfführung Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 100 f.; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 355 ff. 207 Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 1028 f. 208 BAG Großer Senat v. 21. 4. 1971 – GS 1/68, BAGE 23, 292 (307) ; später dann BAG v. 11. 5. 1993 – 1 AZR 649/92, BAGE 73, 141 = NZA 1993, 809 (810 f.). 209 S. BAG Großer Senat v. 21. 4. 1971 – GS 1/68, BAGE 23, 292 (307) ; BAG v. 11. 5. 1993 – 1 AZR 649/92, BAGE 73, 141 = NZA 1993, 809 (810 f.); Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 101; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 356 f.; zum Verbot der Existenzvernichtung als Begrenzung des Kampfmitteleinsatzes auch Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 157.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
171
Eine entsprechende Schutzpflicht der Gewerkschaft ist zumutbar. Bei Verstoß gegen die Kampfparität ist im Einzelfall denkbar, dass der Streik nicht das mildeste Mittel und daher schon nicht erforderlich ist. Dann ist eine entsprechende Schutzpflicht bereits mangels Erforderlichkeit zumutbar. Um eine abschließende Aussage treffen zu können, in welchen sonstigen konkreten Einzelfällen gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen wird, müssen sämtliche mögliche Fallgruppen überprüft werden. Diese Prüfung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Dennoch kann festgehalten werden, dass die Schäden der Arbeitgeberseite nicht zu rechtfertigen sind, wenn der Streik unverhältnismäßig ist. Daher gilt: Eine Schutzpflicht der Gewerkschaft, Streiks zu unterlassen, die unverhältnismäßig sind, ist zumutbar. 3. Korrektur wegen drohender Aushöhlung von Art. 9 III GG?
Dem gefundenen Ergebnis könnte jedoch folgender Gedanke entgegengehalten werden: Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB erhöhen das Haftungsrisiko der Gewerkschaft, sodass sie Streiks im Zweifel unterlässt. Das hohe Haftungsrisiko könnte also dazu führen, dass nicht nur rechtswidrige, sondern auch rechtmäßige Streiks unterlassen werden, um existenzvernichtenden Haftungsansprüchen zu entgehen. Diese Unterlassung aber würde Art. 9 III GG aushöhlen, sodass die Haftungsnorm ggf. entsprechend ausgelegt oder modifiziert werden muss.210 Die Anwendbarkeit einer Norm mit dem Argument zu verneinen, die Rechtsfolge (die Schadenshöhe) sei mit verfassungsrechtlichen Wertungen unvereinbar, widerspricht aber der grundlegenden dogmatischen Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge: Erst wenn alle Bedingungen erfüllt sind, tritt die Rechtsfolge einer Norm ein; die Rechtsfolge selbst beeinflusst die Erfüllung der tatbestandlichen Bedingung nicht.211 „[D]ie Frage, ob man haftet, kann man aber mit der Gefahr, dass man haftet, nicht begründen.“212 Daher spielt die Rechtsfolge eines hohen Haftungsrisikos nicht bereits im Rahmen der Schutzpflicht eine Rolle. Vielmehr wird dieser Einwand auf Ebene des Schadens im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung berücksichtigt.213 210 S. oben unter § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff. 211 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte (2006) S. 278; allein, wenn der Richter im Rahmen eines Beurteilungsspielraums die Wahl zwischen zwei gleichermaßen vertretbaren Lösungen hat (was hier nicht der Fall ist), darf er die Wahl mit Blick auf die Rechtsfolge treffen, um nach Möglichkeit „gerecht“ zu urteilen, so Larenz, Methodenlehre (1991) S. 294. 212 Gamillscheg, Referat zum 45. DJT (1964) (S. 16) im Zusammenhang mit der dogmatischen Begründung der Arbeitnehmerhaftung. 213 Ausführlich dazu bereits oben § 3 D. II. „Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung“, S. 86 ff.
172
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
4. Zwischenergebnis
Die Gewerkschaft ist gem. § 241 II BGB verpflichtet, auf die Rechtsgüter der Arbeitgeberseite Rücksicht zu nehmen. Der Begriff Rechtsgüter umfasst nach einem weiten Verständnis auch grundrechtliche Rechtsgüter und dient damit als Einfallstor verfassungsrechtlicher Wertungen. Die Gewerkschaft wirkt mit einem Streik typischerweise auf Rechtsgüter der Arbeitgeberseite ein. Soweit diese Einwirkung nicht ihrerseits mit dem Rechtsgut der Koalitionsfreiheit gerechtfertigt ist, ist die Statuierung einer Schutzpflicht, solche Streiks zu unterlassen, für die Gewerkschaft zumutbar. a) Kein Schutz durch die Koalitionsfreiheit
Eine gewerkschaftliche Schutzpflicht ist zumutbar, wenn der Streik nicht selbst durch die Koalitionsfreiheit geschützt ist. Dann fehlt ein kollidierendes Rechtsgut. Nach einer weiten Auslegung sind solche Streiks umfasst, die auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzielen. In diesen Fällen kann sich die Gewerkschaft ihrerseits auf die Koalitionsfreiheit berufen. Der politische Streik hingegen ist nicht von Art. 9 III GG geschützt, sodass eine Rechtfertigung ausscheidet. Daher trifft die Gewerkschaft die Schutzpflicht, politische Streiks zu unterlassen. b) Kein geeigneter Streik
Eine gewerkschaftliche Schutzpflicht ist ebenfalls zumutbar, wenn der Streik ungeeignet ist, also keinen legitimen Zweck verfolgt oder diesen Zweck nicht fördert. Streiks, die darauf abzielen, Regelungen von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen außerhalb des Instrumentariums des Tarifvertrags abzuschließen, verfolgen keinen legitimen Zweck und sind damit als Mittel ungeeignet. Gleiches gilt für Streiks einer tarifunzuständigen Gewerkschaft. In beiden Fällen trifft die Gewerkschaft eine entsprechenden Schutzpflicht. c) Kein erforderlicher Streik
Des Weiteren ist eine gewerkschaftliche Schutzpflicht zumutbar, wenn das Mittel „Streik“ nicht erforderlich ist, also ein milderes Mittel mit gleichen Wirkungen verfügbar ist. Das ist der Fall, wenn die Gewerkschaft nicht alle Verständigungsmöglichkeiten ausschöpft, der Streik also nicht ultima-ratio ist. Verstößt der Streik gegen dieses Ultima-Ratio-Gebot, ist er nicht erforderlich und die Gewerkschaft trifft eine entsprechende Schutzpflicht aus § 241 II BGB.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
173
d) Kein verhältnismäßiger Streik
Schließlich ist eine gewerkschaftliche Schutzpflicht zumutbar, wenn der Streik unverhältnismäßig ist. Das ist der Fall bei Verstößen gegen die Kampfparität oder das Gebot der fairen Kampfführung. Solche Streiks hat die Gewerkschaft aufgrund ihrer Schutzpflicht daher zu unterlassen. Bei Verstößen gegen die Kampfparität ist im Einzelfall denkbar, dass der Streik nicht das mildeste Mittel und daher schon nicht erforderlich ist. Dann entsteht eine solche Schutzpflicht bereits aufgrund fehlender Erforderlichkeit des Streiks. e) Zusammenfassendes Schaubild
Zur Veranschaulichung dient folgendes Schaubild:
174
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
IV. Zurechnung der Schutzpflichtverletzungen
Die Gewerkschaft muss sich das Handeln ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter analog § 31 BGB und das Handeln ihrer Erfüllungsgehilfen nach § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen.214 Beide Vorschriften sind auch auf Unterlassungspflichten anzuwenden.215 V. Zwischenergebnis
Die Gewerkschaft trifft in folgenden Fällen eine Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB, sodass sie entsprechende Streiks zu unterlassen hat: bei Streiks, die politisch sind oder ein nicht tariflich regelbares Ziel verfolgen, bei Streiks, die auf Gegenstände gerichtet sind, für welche die Gewerkschaft nicht tarifzuständig ist, sowie bei solchen Streiks, die gegen das Ultima-Ratio-Gebot oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen. Letzteres ist etwa der Fall bei Verstoß gegen das Gebot der Kampfparität oder das Gebot der fairen Kampfführung. Analog § 31 BGB und gem. § 278 S. 1 BGB muss sich die Gewerkschaft das Handeln ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter und ihrer Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.
C. Vertretenmüssen und Schaden Die Gewerkschaft hat nach § 276 I 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Es gilt das oben Gesagte216: Die Gewerkschaft handelt fahrlässig, wenn sie nach einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechtslage vorhersehen konnte, dass der Streik mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Nach § 280 I 2 BGB trägt die Gewerkschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Das Verschulden ihrer Organe (§ 31 BGB) und ihrer Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) muss sich die Gewerkschaft zurechnen lassen.217 Im Rahmen des Schadens erstreckt sich die Haftungsbeschränkung für fahrlässiges Handeln analog § 254 I BGB auch auf die oben herausgearbeiteten Schutzpflichten i. S. d. § 241 I BGB. Die Tarifpartner haben die Nachteile part214 Ausführlich dazu bereits oben unter § 3 B. III. „Zurechnung der Friedenspflichtverletzung“, S. 65 ff. 215 Zur Anwendung von § 278 BGB auch auf Unterlassungspflichten s. nur BGH v. 14. 2. 1957 – VII ZR 287/56, NJW 1957, 709 (710); Staudinger-Caspers, § 278 Rn. 42. 216 S. § 3 C. „Vertretenmüssen“, S. 70 ff. 217 Ausführlich dazu bereits oben § 3 B. III. „Zurechnung der Friedenspflichtverletzung“, S. 65 ff.
§ 5 Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB
175
nerschaftlich aufzuteilen, die mit der Sicherung einer funktionsfähigen Tarifautonomie einhergehen 218 – das gilt für die Leistungspflicht gleichermaßen wie für die Schutzpflichten. Der oben herausgearbeitete Maßstab ist daher auf den Anspruch aus § 280 I BGB i. V. m. § 241 I BGB zu übertragen.
D. Ergebnis Das Dauerrechtsschuldverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB, das sich aus dem vorvertraglichen, tariflichen und nachwirkendem Schuldverhältnis zusammenfassen lässt, entsteht sowohl zwischen der Gewerkschaft und dem arbeitgeberseitigen Tarifpartner als auch zwischen Gewerkschaft und den Mitgliedern des tarifschließenden Arbeitgeberverbands. Konkret trifft die Gewerkschaft die Schutzpflicht, Streiks zu unterlassen, die politisch sind oder ein nicht tariflich regelbares Ziel verfolgen, die auf Gegenstände gerichtet sind, für welche die Gewerkschaft nicht tarifzuständig ist, oder die gegen das Ultima-Ratio-Gebot, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das Gebot der Kampfparität oder das Gebot der fairen Kampfführung verstoßen. Das Handeln ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter und ihrer Erfüllungsgehilfen muss sich die Gewerkschaft analog § 31 BGB und gem. § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen. Gleiches gilt für das Verschulden. Fahrlässigkeit der Gewerkschaft ist gegeben, wenn sie nach einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechtslage vorhersehen konnte, dass der Streik mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Ebenso wie bei der Verletzung von Leistungspflichten greift die Haftungsbeschränkung für fahrlässiges Handeln analog § 254 I BGB auch bei der Verletzung von Schutzpflichten i. S. d. § 241 II BGB.
218 Ausführlich dazu bereits oben § 3 D. III. 3. a) bb) „Gemeinsamer Verantwortungsbereich aufgrund der Tarifpartnerschaft“, S. 102.
176
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Zusammenfassung des Ersten Abschnitts 2. Teil: Haftung der Gewerkschaften bei rechtswidrigen Streiks Zusammenfassung des Ersten Abschnitts
1. Verletzt die Gewerkschaft ihre Friedenspflicht, kommt ein Schadensersatz anspruch statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB in Betracht. a) Aus dem Tarifvertrag entsteht sowohl zwischen der Gewerkschaft und den arbeitgeberseitigen Tarifpartnern als auch im Verhältnis von Gewerkschaft und Mitgliedern des tarifschließenden Arbeitgeberverbands ein rechtsgeschäft liches Schuldverhältnis. b) Streikt die Gewerkschaft trotz Friedenspflicht, wird die Friedenspflicht für den bestreikten Zeitraum unmöglich i. S. d. § 275 I BGB, sodass für diesen Zeitraum eine Pflichtverletzung aus § 283 S. 1 BGB vorliegt. Verletzen Organe oder Erfüllungsgehilfen der Gewerkschaft die Friedenspflicht, ist dieses Handeln der Gewerkschaft nach § 31 BGB oder § 278 BGB zuzurechnen. Gewerkschaftsmitglieder kommen als Erfüllungsgehilfen in aller Regel nicht in Frage, Mitarbeiter der Gewerkschaft in Einzelfällen hingegen schon. c) Die Gewerkschaft hat nach § 276 I 1 BGB vorsätzliches und fahrlässiges Handeln zu vertreten. Sie handelt fahrlässig, wenn sie die Pflichtverletzung hätte vorhersehen und vermeiden können. Das ist nicht der Fall, wenn nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung sehr beachtliche Gründe für die Rechtmäßigkeit des Streiks sprechen. Ist es hingegen überwiegend wahrscheinlich, dass der Streik rechtswidrig ist, konnte die Gewerkschaft die Rechtswidrigkeit vorhersehen. Streikt die Gewerkschaft dennoch, handelt sie fahrlässig. d) Bei vorsätzlichem Handeln haftet die Gewerkschaft nach §§ 249 ff. BGB in vollem Umfang für die entstandenen Schäden. Bei fahrlässigem Handeln wird die Gewerkschaft von dem Risiko befreit, dass die Höhe der Haftungssumme die Existenz der Gewerkschaft bedroht. Analog § 254 I BGB mindert sich die Haftungssumme auf ein Maß, das nicht existenzbedrohend wirkt. Um diese Haftungsobergrenze zu ermitteln, ist als Ausgangspunkt zu berechnen, ab welcher Summe die Gewerkschaft überschuldet ist. Dafür kann auf die Grundsätze zur Überschuldung nach § 19 InsO zurückgegriffen werden. Von dort ausgehend wird berechnet, welche Haftungssumme die Gewerkschaft zahlen kann, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein. Verfahrensrechtlich kann die Gewerkschaft die Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB nur umsetzen, wenn sie zur Beweisführung vertrauliche Interna offenlegt. Da daraus möglicherweise Rückschlüsse auf die Fähigkeit, zu streiken, geschlossen werden können (z. B. Stand der Streikkasse), hat die Gewerkschaft ein hohes Geheimhaltungsinteresse. Um die Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB praktikabel zu machen, müsste ein entsprechendes Geheimverfahren etabliert werden. Inwieweit bestehende (Geheim-)Verfahren aus
Zusammenfassung des Ersten Abschnitts
177
teilweise anderen Rechtsgebieten übertragen werden können, ist dem weiteren wissenschaftlichen Diskurs überlassen. Jedenfalls der Gesetzgeber könnte den Schwierigkeiten der verfahrensrechtlichen Umsetzung durch eine Haftungsbeschränkung de lege ferenda begegnen. Eine Haftungsobergrenze, die sich mit Hilfe einer Bemessungsformel berechnen lässt, wäre zudem rechtssicherer als § 254 I BGB analog. Vorzugswürdiger Bemessungsmaßstab ist die Mitgliederzahl der Gewerkschaften. 2. Verletzt die Gewerkschaft ihre Einwirkungspflicht, kommen Schadensersatzansprüche statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 281 ff. in Betracht, weil die Einwirkungspflicht als leistungsbezogene Nebenpflicht einzuordnen ist. Ist die Erfüllung der Einwirkungspflicht noch möglich, richtet sich der Anspruch nach §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB. Bei Unmöglichkeit bietet §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB die richtige Haftungsgrundlage. 3. Streikt die Gewerkschaft rechtswidrig und ist der Rechtswidrigkeitsgrund nicht die Friedenspflichtverletzung, kommen Schadensersatzansprüche neben der Leistung aus §§ 280 I, 241 II BGB in Betracht. a) Das vorvertragliche, tarifliche und nachwirkende Schuldverhältnis lässt sich zu einem einzigen Dauerrechtsschuldverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 II BGB zusammenfassen. Dieses Schuldverhältnis erfasst über die Tarifpartner hinaus auch ihre Verbandsmitglieder. b) Die Gewerkschaft trifft beim Streik in folgenden Fällen eine Schutzpflicht aus § 241 II BGB: bei Streiks, die politisch sind oder ein nicht tariflich regelbares Ziel verfolgen, bei Streiks, die auf Gegenstände gerichtet sind, für welche die Gewerkschaft nicht tarifzuständig ist, sowie bei Streiks, die gegen das Ultima-Ratio-Gebot, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das Gebot der Kampfparität oder das Gebot der fairen Kampfführung verstoßen. Analog § 31 BGB und gem. § 278 S. 1 BGB muss sich die Gewerkschaft das Handeln ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter und ihrer Erfüllungsgehilfen nach § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen. c) Der im Rahmen von §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB herausgearbeitete Maßstab zum Vertretenmüssen und zur Höhe des zu ersetzenden Schadens ist auf den Anspruch aus § 280 I BGB i. V. m. § 241 I BGB zu übertragen.
Zweiter Abschnitt
Haftung aus Delikt 2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Ob neben dem Vertragsrecht für das Deliktsrecht überhaupt noch Raum bleibt, wird teilweise bezweifelt: „Eine deliktsrechtliche Erfassung rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitgeber ist nicht erforderlich. Es handelt sich um reine Vertragsverletzungen, die von dem dafür vorgesehenen Sanktionssystem des Vertragsrechts umfassend abgedeckt werden.“1
Ebenso wie im allgemeinen Zivilrecht, stehen sich Ansprüche aus Vertragsrecht und Deliktsrecht jedoch in freier Anspruchskonkurrenz gegenüber.2 Es ist geradezu typisch, dass bei Vertragsverletzungen ebenfalls Ansprüche aus Deliktsrecht bestehen, die dann jedoch selten eigenständig bedeutsam werden, da sie meist hinter dem vertraglichen Anspruch zurückbleiben.3 Dennoch bietet das Deliktsrecht in Extrem-Konstellationen sachnähere Tatbestände, wie der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB), der Verletzung von Strafgesetzen (§ 823 II BGB i. V. m. Strafgesetz) oder der Verletzung von absoluten Rechten (§ 823 I BGB). Auch wenn die deliktische Haftung neben der vertraglichen nur eine untergeordnete Bedeutung hat, ist das Deliktsrecht neben dem Vertragsrecht anzuwenden. Ist ein Streik rechtswidrig und erleiden Tarifpartner oder ihre Mitglieder streikbedingte Schäden, kommen daher deliktische Schadensersatzansprüche in Betracht, vor allem aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung (§ 6), aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht (§ 7), aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen (§ 8), aus § 823 I BGB i. V. m. dem Recht auf eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrie b (§ 9), aus § 826 BGB (§ 10) und bei Handlungen von Verrichtungsgehilfen aus § 831 BGB (§ 11). 1 Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht (1986) S. 386; zweifelnd, ob das Deliktsrecht zur Lösung arbeitskampfrechtlicher Konflikte überhaupt geeignet ist, Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 559; s. ebenfalls Picker, ZfA 2010, 499 (576); die Lösung Pickers jedenfalls als erwägenswert erachtend MüKo-BGB-Wagner, § 823 BGB Rn. 357; zudem Däubler, Arbeitsrecht 1 (2006) Rn. 632: „Zum anderen passt das auf den autonomen Marktbürger zugeschnittene Deliktsrecht nicht auf den kollektiven Tatbestand «Arbeitskampf».“; s. auch Däubler, NZA 1988, 857 (862). 2 Zum Grundsatz der Anspruchskonkurrenz s. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 596. 3 Im Zusammenhang mit der Anspruchskonkurrenz zu den Vorteilen von § 278 BGB gegenüber § 831 BGB Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 596; zu den Auswirkungen vertraglicher Haftungsmilderungen und Verjährungsfristen auf das Deliktsrecht ebenfalls Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 597 f.
§ 6 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung
179
§ 6 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung Ein deliktischer Anspruch der Arbeitgeberseite gegen die Gewerkschaft aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung1 kommt in Betracht, wenn der Streik das Rechtsgut Eigentum rechtswidrig verletzt und die Gewerkschaft das zu vertreten hat.
A. Eigentumsverletzung Zunächst muss das Eigentum verletzt sein. Nach § 903 S. 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache mit der Sache nach Belieben verfahren oder andere von jeder Einwirkung ausschließen. Eine Eigentumsverletzung liegt vor, wenn auf die Sache derart eingewirkt wird, dass der Eigentümer gehindert ist, sein Recht auszuüben.2 Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Substanz der Sache beschädigt, zerstört oder dauerhaft entzogen wird.3 Problematischer (und im Falle des Streiks relevanter) sind Konstellationen, in denen nicht die Substanz der Sache, sondern allein ihre Nutzung beeinträchtigt wird. Dann wird dem Eigentümer die Sache bloß zeitweilig und nicht dauerhaft entzogen. Dass auch eine bloß zeitweilige Entziehung eine Eigentumsverletzung sein kann, erkannte bereits Planck im Jahr 1900: Das Eigentum ist verletzt, „wenn der Eigenthümer in seinem Rechte beeinträchtigt wird, insbesondere die den Gegenstand des Eigenthums bildende Sache zerstört oder beschädigt oder wenn sie dem Eigenthümer dauernd oder zeitweilig entzogen wird“.4
1 Theoretisch kommen auch die anderen absoluten Rechte, etwa Leben und Gesundheit, in Betracht. Da derartige Rechtsgutsverletzungen bei Streiks in Deutschland glücklicherweise äußerst fernliegend sind, wird auf Ausführungen dazu verzichtet; im Zusammenhang mit Drittschäden Sprenger, Drittbetroffenheit und Drittschaden im Arbeitskampf, in: Entgrenzter Arbeitskampf?, 6. ZAAR-Tagung (2015), S. 97 (S. 107). 2 S. Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 5; Jauernig-Teichmann, § 823 BGB Rn. 6; Staudinger-Hager, § 823 B Rn. 64, 79. 3 S. Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 5; Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 160; Mylich, JuS 2014, 298 (299 f.); Jauernig-Teichmann, § 823 BGB Rn. 6. 4 Planck, Bürgerliches Gesetzbuch (1900) S. 608; s. ebenfalls BGH v. 07. 12. 1993 – VI ZR 74/93, NJW 1994, 517; BGH v. 18. 11. 2003 – VI ZR 385/02, NJW 2004, 356 (358), BGH v. 11. 1. 2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673 (674); BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (49); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 388 ff.; Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 28; MüKo-BGB-Wagner, § 823 BGB Rn. 228 ff.; Möschel, JuS 1977, 1 (2 ff.); Jahr, AcP 183 (1983), 725 (751 ff.); eingehend Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz (1995) S. 208 ff.
180
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Allerdings sind die Grenzen zwischen nicht geschütztem Vermögensschaden und geschützter Eigentumsverletzung fließend. Um abzugrenzen, stellt die Rechtsprechung auf die Intensität der Beeinträchtigung ab: Eine Eigentumsverletzung scheidet aus, wenn die Beeinträchtigung nur unerheblich ist.5 Doch diese Abgrenzung ist schwierig. Wie lange ist eine Beeinträchtigung unerheblich und ab wann wird sie erheblich? Eine erhebliche Beeinträchtigung nahm der BGH beispielsweise bei einer zweistündigen Sperrung und Räumung eines Geländes, auf dem aufgrund eines umgestürzten Lasters Explosionsgefahr bestand, mit der Begründung an, mit der polizeilichen Sperrung des Grundstücks sei auf die Sache selbst eingewirkt und das Eigentumsrecht empfindlich eingeschränkt worden.6 Unerheblich sei die Beeinträchtigung hingegen, wenn nach Aufhebung der polizeilichen Räumungsanordnung Fahrzeuge das Grundstück nicht verlassen können, weil Einsatzfahrzeuge die Zufahrt blockieren.7 Übertragen auf den Streik läge danach noch keine Eigentumsverletzung vor, wenn Streikende die Zufahrt blockieren und Nicht-Streikende dadurch an der Wegfahrt vom Betriebsgelände hindern.8 Das BAG entschied, dass eine bloß unerhebliche Beeinträchtigung vorliegt, „wenn ein Transportmittel unter Beibehaltung seiner Bewegungsmöglichkeit nur wenige Stunden an einer konkret geplanten Fahrt gehindert und dadurch lediglich seine wirtschaftliche Nutzung vorübergehend eingeengt wird.“9 Beispiel: Nach einer 24-stündigen Ankündigungsfrist bestreikt die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) rechtmäßig ihre Flughafenbetreibergesellschaft. Fluggesellschaften, die im Zeitraum des Streiks ihre Flugzeuge starten wollen, erhalten ohne Fluglotsen keine Starterlaubnis. Obwohl sie durch den Streik daran gehindert werden, ihr Eigentum – die Flugzeuge – nach Belieben zu Nutzen, ist das Eigentum nicht verletzt: Die Beeinträchtigung der Disposition unterfällt nicht dem Schutz des
5 Vgl. BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (49); BGH v. 9. 12. 2014 – VI ZR 155/14, NJW 2015, 1174 (1175); BGH v. 07. 12. 1993 – VI ZR 74/93, NJW 1994, 517 (518). 6 S. BGH v. 21. 6. 1977 – VI ZR 58/76, NJW 1977, 2264 (2265). 7 BGH v. 21. 6. 1977 – VI ZR 58/76, NJW 1977, 2264 (2264 f.); dazu ebenfalls BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); vgl. auch Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 162. 8 Anders wohl Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 390, die in einer Betriebsblockade – beispielsweise der Blockade einer Druckerei, die verhindern soll, dass Zeitungen ausgeliefert werden können – eine Eigentumsverletzung am Grundstück und kein Eingriff in das Recht auf eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sehen; ebenfalls Staudinger-Hager, § 823 B Rn. 98, der in der Blockade eines Grundstücks, das nicht mehr angefahren werden kann, eine Eigentumsverletzung sieht. 9 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (49); s. ebenfalls BGH v. 11. 1. 2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673 (674).
§ 6 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung
181
§ 823 I BGB.10 Vielmehr ist die Beeinträchtigung unerheblich. „Die bloße Sperrung eines bestimmten Weges stellt grundsätzlich keine Verletzung des Eigentums an dem betroffenen Transportmittel dar.“11 Letztlich ist diese Konstellation mit Folgender zu vergleichen: Ist eine Gemeinde gezwungen, wegen Baumaßnahmen an der Kanalisation Abrissarbeiten in einer Wohnstraße durchzuführen, kündigt sie das den Anwohnern der Straße an. Grenzen an die abzureißende Straße Garagen, können die Eigentümer selbst entscheiden, ob sie ihr Auto in der Garage belassen – und folglich nicht nutzen können – oder woanders parken, um es weiter nutzen zu können. Ähnlich verhält es sich hier: Die Fluggesellschaften haben nach Ankündigung des Streiks ebenfalls Möglichkeiten, ihre Flugzeuge vor Streikbeginn auf einen anderen Flughafen zu verbringen.
Anders sieht es hingegen aus, wenn das Transportmittel jede Bewegungsmöglichkeit verliert und für einen erheblichen Zeitraum nicht genutzt werden kann.12 So entschied der BGH im sog. Fleetfall, dass ein Schiff, welches an der Verladestelle wegen spontaner Sperrung des Fleets13 liegenbleiben muss, jegliche Bewegungsmöglichkeit verlor und damit als Transportmittel ausgeschaltet und für fast ein Jahr nicht bestimmungsgemäß gebraucht werden konnte.14 Deutlich wird, dass trotz des guten Jahrhunderts, welches seit Planck vergangen ist, eine rechtssichere Abgrenzung zwischen unerheblichen und erheblichen Beeinträchtigungen bisher nicht umfassend gelungen ist.15 Vielmehr ist es letztlich eine Frage des konkreten Einzelfalls. Abstrakt kann aber festgehalten werden, dass eine Eigentumsverletzung nicht nur in Betracht kommt, wenn auf die Substanz der Sache eingewirkt wird. Das Eigentum ist ebenfalls verletzt, wenn der Streik kausal dafür ist, dass die Arbeitgeberseite in erheblicher Weise in der bestimmungsgemäßen Nutzung ihrer Sachen beeinträchtigt wird.16 Dabei 10 So BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (49); dazu Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 92 f.). 11 BGH v. 11. 1. 2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673 (674). 12 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (49); BGH v. 11. 1. 2005 – VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673 (674); BGH v. 21. 12. 1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 („Fleetfall“) = NJW 1971, 886 (888). 13 Ein Stück der Ufermauer stürzte mit einem Teil der darauf ruhenden Außenwand eines Wohnhauses in das Fleet; um den weiteren Einsturz des Hauses zu verhindern, wurden zwei Baumstämme zur Abstützung so angebracht, dass das Fleet bis zur Instandsetzung der Ufermauer für Schiffe unpassierbar wurde. 14 BGH v. 21. 12. 1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 („Fleetfall“) = NJW 1971, 886 (888). 15 Ebenso Picker, NJW 2015, 2304. 16 Weiter geht Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht (1986) S. 365 ff., der alle rechtswidrigen Arbeitskämpfe als Verletzung des funktionalisierten Eigentums an den Produktionsmitteln einordnet.
182
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
muss sich die Gewerkschaft das Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB zurechnen lassen.17
B. Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden Die Rechtswidrigkeit wird durch die Verletzung des Eigentums indiziert.18 Die Gewerkschaft hat die Eigentumsverletzung zu verschulden, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, § 276 I 1 BGB. Ansonsten ist auf das oben Gesagte zu verweisen19: Konnte die Gewerkschaft nach einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechtslage vorhersehen, dass der Streik mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist, handelt sie fahrlässig. Das Verschulden ist als haftungsbegründende Tatsache von der Arbeitgeberseite darzulegen und zu beweisen. Analog § 254 I BGB erstreckt sich die Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln auch auf deliktische Schadensersatzansprüche. Im Übrigen richten sich Art und Umfang des Schadensersatzes nach §§ 249 ff. BGB.
C. Ergebnis Das Rechtsgut Eigentum ist durch den Streik verletzt, wenn auf die Substanz der Sache eingewirkt wird oder der Streik kausal dafür ist, dass die Arbeitgeberseite in erheblicher Weise in der bestimmungsgemäßen Nutzung ihrer Sachen beeinträchtigt wird.20 Dabei muss sich die Gewerkschaft das Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB zurechnen lassen.21 Gleiches gilt für das Verschulden. Ist das Eigentum verletzt, ist die Rechtswidrigkeit indiziert. Die Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln erstreckt sich analog § 254 I BGB auch auf deliktische Schadensersatzansprüche.
17
Ausführlich dazu oben § 3 B. III. 1. „Handeln von Organen, § 31 BGB“, S. 65. S. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 363. 19 Ausführlich dazu oben § 3 C. „Vertretenmüssen“, S. 70 ff. 20 Weiter geht Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht (1986) S. 365 ff., der alle rechtswidrigen Arbeitskämpfe als Verletzung des funktionalisierten Eigentums an den Produktionsmitteln einordnet. 21 Ausführlich dazu oben § 3 B. III. 1. „Handeln von Organen, § 31 BGB“, S. 65. 18
§ 7 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht 183
§ 7 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht Zu untersuchen ist, ob ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB wegen Verletzung des Koalitionsrechts aus Art. 9 III GG in Betracht kommt. Voraussetzung ist, dass Art. 9 III GG als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB eingeordnet werden kann. Dafür ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welche Eigenschaften ein sonstiges Recht aufweist (A.). In einem zweiten Schritt ist zu analysieren, ob Art. 9 III GG ein sonstiges Recht ist (B.).
A. Eigenschaften eines sonstigen Rechts Bei der Frage, welche Voraussetzungen ein sonstiges Recht erfüllen muss, hilft ein Vergleich mit den Eigenschaften der anderen in § 823 I BGB aufgezählten Rechte und Rechtsgüter. I. Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion als Grundlagen des Deliktsschutzes
Die in § 823 I BGB genannten Rechte und Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum haben zwei gemeinsame Eigenschaften: Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion.1 § 903 S. 1 BGB konkretisiert beide Charakteristika für das Eigentum: „Der Eigentümer einer Sache kann […] mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“ Während „nach Belieben verfahren“ den Zuweisungsgehalt beschreibt, ist mit „andere von jeder Einwirkung ausschließen“ die Ausschlussfunktion des Eigentums gemeint. Damit wirkt das Eigentum gegenüber jedermann, weswegen es auch als sog. absolutes Recht eingeordnet wird.2 Ein Recht oder Rechtsgut hat Zuweisungsgehalt, wenn die Rechtsordnung dem Rechtsgutsträger einen festen Schutzbereich einräumt.3 Eine Ausschlussfunktion ist gegeben, wenn Dritte diese Rechtsposition grundsätzlich zu achten haben.4 Die Güter Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit unterscheiden sich vom Recht Eigentum: Sie sind keine sog. Herrschaftsrechte, weil ihnen kein 1
Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 373. AcP 196 (1996), 439 (458); BeckOK BGB-Henrich, § 194 BGB Rn. 16, jeweils auch allgemein zu absoluten Rechten. 3 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374. 4 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374. 2 S. Becker,
184
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Gegenstand zugeordnet wird und sie nicht übertragbar sind.5 Daher werden sie im Unterschied zu Rechten auch als Rechtsgüter bezeichnet.6 Dennoch weisen sie beide Charakteristika auf: Die Rechtsordnung räumt ihnen eine feste Schutzzone ein – die Träger können mit ihren Rechtsgütern überwiegend „nach Belieben verfahren“ –, und Dritte haben diese Rechtspositionen grundsätzlich zu achten.7 Mit Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion geht zudem die sog. sozialtypische Offenkundigkeit8 einher: Der jeweilige Umfang der Rechte und Rechtsgüter ist für den deliktisch Handelnden offensichtlich; er kann eigenständig erkennen, wieweit der Schutz des Rechts oder Rechtsguts reicht, sodass er gleichzeitig gewarnt ist.9 Bei bloßen Interessen fehlen Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion, sodass der Handelnde nicht offensichtlich sagen kann, wo die Grenze zwischen erlaubter und unerlaubter Handlung verläuft – es fehlt an der sozialtypischen Offenkundigkeit. Dazu zählen beispielsweise das Vermögen als solches und die allgemeine Handlungsfreiheit. Beide sind nach der Konzeption des deutschen Deliktsrechts nicht geschützt: Würden jedwede Vermögens- oder Handlungsinteressen geschützt, kollidierten diese laufend mit ebenbürtigen Interessen des Schädigers.10 Es muss im Einzelfall eine umfassende Abwägung der kollidierenden Interessen stattfinden, um festzustellen, welches überwiegt. Das verdeutlicht, dass das Vermögen und die Handlungsfreiheit weder einen klaren Zuweisungsgehalt noch die Funktion inne haben, andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion Voraussetzung der in § 823 I BGB ausdrücklich genannten Rechte und Rechtsgüter sind. Bloße Interessen weisen keine der beiden Eigenschaften auf. Da § 823 I BGB Zentralnorm des Deliktsrechts ist, können Zuweisungsgehalt 5 Deswegen werden sie auch als Rechtsgüter und nicht als Rechte bezeichnet; dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374. 6 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374. 7 „Beide Merkmale treffen auch für Leben, Körper und Gesundheit zu. Das ist für die Ausschlussfunktion evident, gilt aber grundsätzlich auch für den Zuweisungsgehalt.“, Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374. 8 Grundlegend zur sozialtypischen Offenkundigkeit Fabricius, AcP 160 (1960), 273 (278 ff.); s. ebenfalls Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374; vgl. auch Esser/ Weyers, SchuldR II (2000) S. 157, 165; teilweise wird bei der Abgrenzung nicht auf die sozialtypische Offenkundigkeit, sondern die Unterschiede zwischen absoluten und relativen Rechten abgestellt; s. Nipperdey, NJW 1967, 1985 (1986); Becker, AcP 196 (1996), 439 (457 ff.). 9 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374; vgl. auch Fabricius, AcP 160 (1960), 273 (291 ff.), der mit seinen Folgerungen jedoch noch weiter geht. 10 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 375.
§ 7 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht 185
und Ausschlussfunktion sogar als Grundlagen des Deliktsschutzes im Allgemeinen bezeichnet werden.11 II. Voraussetzungen eines sonstigen Rechts
Die ausdrücklich genannten Rechte und Rechtsgüter weisen, wie gesehen, Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion auf. Doch wie verhält es sich mit dem „sonstigen Recht“? Wie ist dieser unbestimmte Rechtsbegriff auszulegen? Der Wortlaut nennt ein Recht und kein Rechtsgut, was systematisch für einen Vergleich mit dem einzig aufgezählten Recht, dem Eigentum, spricht.12 Es wurde bereits festgestellt, dass das Eigentum ein Herrschaftsrecht mit Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion (vgl. § 903 S. 1 BGB) und damit mit sozialtypischer Offenkundigkeit ist.13 Folglich muss das sonstige Recht eben diese Eigenschaften vorweisen, also eigentumsähnlich sein.14 Auch der Normzweck des Deliktsrechts spricht für eine solch enge Auslegung des sonstigen Rechts: Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich gegen eine allgemeine deliktische Generalklausel und für einen alleinigen Schutz der absoluten Rechte entschieden.15 Aus diesem Grund ist das sonstige Recht grundsätzlich restriktiv auszulegen, um eine „generalklauselartige Öffnung“16 von § 823 I BGB zu verhindern. 11 So
Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374 f. Bürgerliches Gesetzbuch (1900) S. 606 f. 13 S. oben § 7 A. I. „Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion als Grundlagen des Deliktsschutzes“, S. 183. 14 Grundlegend zur Eigentumtsähnlichkeit als Voraussetzung eines sonstigen Rechts in Abgrenzung zu den aufgezählten Rechtsgütern Planck, Bürgerliches Gesetzbuch (1900) S. 606 f.; überblicksartig Erman BGB-Wilhelmi, § 823 Rn. 49; Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 9; diese Auslegung taucht ebenfalls bereits in den Materialien der Gesetzesberatung auf, Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. 2 (1979) S. 1078 („Dem Antrage wurde entgegengehalten, dass es nach seiner Fassung fraglich erscheine, ob alle Rechtsgüter gedeckt seien; die Schlussklausel ,oder ein sonstiges Recht‘ schließe sich an ,Eigenthum‘ an und könne daher enger verstanden werden.“); allerdings weist Schiemann, Das sonstige Recht, in: FS Deutsch (2009), S. 895 (S. 897), darauf hin, dass der historische Gesetzgeber möglicherweise gerade davon ausging, dass das sonstige Recht nicht eigentumsähnlich auszulegen ist; überblicksartig zum Merkmal der Eigentumsähnlichkeit s. ebenfalls Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 157, 163; etwas weitergehend Fabricius, AcP 160 (1960), 273 (292), der allein auf die „sozialtypische Offenkundigkeit“ abstellt und damit ebenfalls Rechtsgüter einschließt. 15 S. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 354 ff., 374; Schiemann, Das sonstige Recht, in: FS Deutsch (2009), S. 895 (S. 898 ff.);.überblicksartig dazu Soergel-Spickhoff, § 823 BGB Rn. 86; dazu auch nocht später § 9. A. II. 1. „Gewährung von reinem Vermögensschutz“, S. 197 und Dritter Teil, Zweiter Abschnitt: „Haftung aus Delikt“, S. 259 ff., wo gezeigt wird, dass das Deliktsrecht letztlich eine Ausnahme zu dem Grundsatz casum sentit dominus ist. 16 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 375. 12 S. Planck,
186
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
III. Zwischenergebnis
Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion sind Voraussetzung der in § 823 I BGB ausdrücklich genannten Rechte und Rechtsgüter. Bloße Interessen weisen keine der beiden Eigenschaften auf. Das sonstige Recht ist aufgrund des Wortlauts und Normzwecks von § 823 I BGB eigentumsähnlich und damit restriktiv auszulegen.
B. Art. 9 III GG als sonstiges Recht Art. 9 III GG muss also eigentumsähnliche Charaktereigenschaften haben, um als sonstiges Recht eingeordnet werden zu können. Zwar weist die Koalitionsfreiheit mit Art. 9 III 2 BGB unmittelbare Drittwirkung auf und bewahrt Koalitionen damit vor Einwirkungen Dritter17: „Der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 9 III GG richtet sich nicht nur gegen Beeinträchtigungen der Koalitionen durch den Staat, sondern sichert die Koalitionen und ihre Betätigung – wie sich u. a. aus Art. 9 III 2 GG ergibt – auch gegen private Macht, insbesondere konkurrierende Koalitionen und den sozialen Gegenspieler.“18
Allerdings schützt die Rechtsordnung mit Art. 9 III GG nicht nur Arbeitgeberkoalitionen, sondern auch Gewerkschaften. Diese beiden Grundrechte kollidieren, sodass Beeinträchtigungen des Schutzbereichs des einen Taripartners durch Ausübung des Grundrechts des anderen Tarifpartners gerechtfertigt sein können. Es kann zwar eingewandt werden, dass die Rechtsprechung zum Arbeitskampfrecht mit den entwickelten Rechtmäßigkeitskriterien eindeutig „zuweist“, wann die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeberseite überwiegt (der Streik also rechtswidrig ist) und wann die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft überwiegt (der Streik also rechtmäßig ist). Bereits das Rechtmäßigkeitskriterium der Verhältnismäßigkeit zeigt aber, dass es letzlich immer auf eine Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter ankommt. Der Handelnde kann daher gerade nicht offensichtlich sagen, wo die Grenze zwischen erlaubter und unerlaubter Handlung verläuft.19 Weder Zuweisungsgehalt noch sozialtypische Offenkundigkeit sind gegeben. Damit fehlen entscheidende Eigenschaften, die das sonstige Recht als eigentumsähnliches Recht aufweisen muss.
17 Mit Art. 9 III 2 BGB den Rechtsgutscharakter und damit die Anwendung des § 823 I BGB bejahend. 18 BAG v. 26. 4. 1988 – 1 AZR 399/86, BAGE 58, 138 = NJW 1989, 186 (187). 19 Zu den Unsicherheiten des beweglichen Arbeitskampfrechts bereits oben § 1 C. „Unsichere Rechtslage“, S. 32 und § 3 C. I. 1. „Bewegliches Arbeitskampfrecht führt zu Unsicherheiten“, S. 71.
§ 7 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht 187
Es bestehen auch keine Schutzlücken, die rechtfertigen, Art. 9 III GG trotz fehlender Eigentumsähnlichkeit als sonstiges Recht einzustufen und das eigentlich restriktiv auszulegende sonstige Recht20 ausnahmsweise weit zu verstehen.21 Vielmehr ist die Arbeitgeberseite bereits ausreichend über das Vertragsrecht geschützt.22 Daher kann Art. 9 III GG nicht als sonstiges Recht eingeordnet werden.23
C. Ergebnis Das Koalitionsrecht aus Art. 9 III GG ist nicht als sonstiges Recht einzuordnen. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I i. V. m. Art. 9 III GG wegen Verletzung des Koalitionsrechts scheidet daher aus.
20 Zur restriktriven Auslegung soeben § 7 A. II. „Voraussetzungen eines sonstigen Rechts“, S. 185. 21 Anders wohl Loritz, ZfA 1985, 185 (192): „§ 823 Abs. 1 BGB ist deshalb im Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG so auszulegen, dass die Rechtsordnung den Koalitionen die erforderlichen Mittel in die Hand gibt, ihre spezifisch koaltionsgemäßen Aufgaben, wozu insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen gehört, wirksam wahrzunehmen.“ 22 Zu den vertraglichen Ansprüchen s. oben Zweiter Teil, Erster Abschnitt: „Haftung aus Vertrag“, S. 37 ff. 23 Anders aber Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 299 Rn. 15 ff. ; Loritz, ZfA 1985, 185 (189 ff.); wohl auch Palandt-Sprau, § 823 BGB Rn. 20, demnach „uU die Koali tionsfreiheit“ ein sonstiges Recht ist; s. aber auch Reuter, JuS 1986, 19 (20), der darauf hinweist, dass eine Anerkennung von Art. 9 III GG als sonstiges Recht zum Problem der Grenzen des Drittschadensersatzes führt; vgl. ebenfalls Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1 (1967) S. 132 f, die allerdings vertreten, dass die Koalitionsfreiheit Teil eines umfassenden subjektiven Persönlichkeitsrechts ist; wohl auch Lieb, NZA 1985, 265 (266 f.), der einer Parallele zum Persönlichkeitsrecht zustimmt; zudem Heinze, SAE 1983, 224 (227), der den Rechtsgutscharakter von Art. 9 III GG und damit den Schutz über § 823 I BGB bejaht und feststellt, dass es belieblig erscheint, ob man vom Rechtsgut oder „sonstigen Recht“ spricht; auch Heinze, NJW 1983, 2409 (2416 ff.); ebenfalls auf den Rechtsgutscharakter i. S. d. § 823 I BGB abstellend: BAG v. 26. 4. 1988 – 1 AZR 399/86, BAGE 58, 138 = NJW 1989, 186 (187); BAG v. 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06, BAGE 122, 134 = NZA 2007, 987 (992); BAG v. 17. 5. 2011 – 1 AZR 473/09, BAGE 138, 68 = NJW 2012, 250 (252); vgl. zudem BAG v. 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98, BAGE 91, 210 = NJW 1999, 3281 (3284); anders noch BAG v. 12. 9. 1984 – 1 AZR 342/83, BAGE 46, 322 = NZA 1984, 393 (394 f.).
188
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
§ 8 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen In Betracht kommt ebenfalls ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i. V. m. einem Schutzgesetz. Das setzt nach § 823 II 1, 2 BGB voraus, dass die Gewerkschaft mit dem rechtswidrigen Streik verschuldet gegen ein Gesetz verstößt, das den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts oder eines bestimmten Rechtsinteresses schützt.1
A. Verletzung eines Schutzgesetzes I. Merkmale des Schutzgesetzes
Mit Gesetz ist nach Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm gemeint. Davon umfasst sind nicht nur Gesetze im formellen Sinne, sondern auch Verordnungen und Satzungen, aber ebenso Normen des Grundgesetzes und ungeschriebenes Recht.2 Für den Schutzcharakter der Rechtsnorm ist deren Inhalt und Zweck maßgeblich.3 Der Schutz des Einzelnen muss subjektiv gewollt und nicht nur objektiv bewirkt sein4: Entscheidend ist, ob der Gesetzgeber den Anspruchssteller (mit-)schützen wollte.5 Das setzt zum einen voraus, dass das Gesetz ein Geoder Verbot enthält.6 Zum anderen muss der Anspruchssteller zu dem dadurch geschützten Personenkreis gehören. Damit dient „[d]ie Schutzgesetzformel […] dem Ausschluss der Popularklage.“7 II. Einschlägige Schutzgesetze
Im Verhältnis Arbeitgeberseite und Gewerkschaft kommen vor allem Straftatbestände als Rechtsnormen in Betracht, die zumindest auch dem Schutz des 1 Vgl. BGH v. 27. 11. 1963 – V ZR 201/61, BGHZ 40, 306 = NJW 1964, 396 (397); s. ebenfalls Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 221; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 728. 2 S. Staudinger-Hager, § 823 BGB G Rn. 9; Soergel-Spickhoff, § 823 BGB Rn. 190. 3 Vgl. BGH v. 27. 11. 1963 – V ZR 201/61, BGHZ 40, 306 = NJW 1964, 396 (397); Palandt-Sprau, § 823 BGB Rn. 58. 4 Staudinger-Hager, § 823 BGB G Rn. 23; s. ebenfalls Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 1034. 5 Vgl. BGH v. 27. 11. 1963 – V ZR 201/61, BGHZ 40, 306 = NJW 1964, 396 (397); s. auch Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 46), der kritisch anmerkt, dass dieses Kriterium praktisch unbrauch ist. 6 BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750 Rn. 46. 7 Schmidt, Kartellverfahrensrecht (1977) S. 357.
§ 8 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen
189
einzelnen Arbeitgebers dienen.8 Je nach Einzelfall können einschlägig sein: Nötigung (§ 240 StGB) und Erpressung (§ 253 StGB), aber auch Sachbeschädigung (§ 303 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB) und Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB).9 Diskutiert wird ebenfalls, ob daneben die richterrechtlichen Arbeitskampf regeln (I.) und Art. 9 III 2 GG (II.) Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB sind. 1. Keine Einordnung der richterrechtlichen Arbeitskampfregeln als Schutzgesetz a) Richterrecht als Gesetz i. S. d. Art. 2 EGBGB?
Auch ungeschriebenes Recht, wie Gewohnheits- und Richterrecht, zählt zu den Rechtsnormen.10 Damit sind grundsätzlich auch die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln umfasst. Allerdings ist umstritten, ob Richterrecht auch als Schutzgesetz herangezogen werden kann.11 Dagegen wird eingewandt, der Gesetzgeber habe sich gerade gegen eine deliktsrechtliche Generalklausel entschieden. Dem widerspreche es, wenn die Rechtsprechung selbstständig Verhaltenspflichten statuieren und damit deliktsrechtlich sonst nicht geschützte Interessen erfassen könne.12 „[D]ie Rspr. schafft keine Rechtsnormen, sondern ist
8 Ausführlich zum Streik als Nötigung oder Erpressung Niese, Streik und Strafrecht (1954) S. 14 ff.; s. ebenfalls Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 221 f.; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 162; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1221; Hueck/ Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 1034; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 207; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 728 f.; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 149 ff.; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 298; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht (2015) S. 567. 9 S. Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 1034; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 154; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 298. 10 S. Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 26; Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 45); Deutsch, JZ 1963, 385 (389); Soergel-Spickhoff, § 823 BGB Rn. 190; im Zusammenhang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 157. 11 Staudinger-Hager, § 823 BGB G Rn. 11; ablehnend Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1222; Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 42; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 298, Rn. 12; Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 527; Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht (1986) S. 250 ff., insb. S. 252; Spickhoff, Gesetzesverstoß (1998) S. 86, S. 173 f.; Soergel-Spickhoff, § 823 BGB Rn. 190; Palandt-Sprau, § 823 BGB Rn. 57; zustimmend Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 45); Mertens, AcP 178 (1978), 227 (228 ff.); Erman BGB-Wilhelmi, § 823 Rn. 58; Seiter, Streikrecht (1975) S. 446; im Zusammenhang mit Art. 31 I ESC zur Gesetzesqualität von Richterrecht Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge (2014) S. 167 ff. 12 S. Soergel-Spickhoff, § 823 BGB Rn. 190.
190
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Rechtsanwendung“.13 Dem wird entgegengehalten, das Richterrecht dürfe nicht als „Recht zweiter Klasse“14 herabgestuft werden. Im Arbeitskampfrecht habe der Richter gerade die Stellung eines Ersatzgesetzgebers, keines Richters.15 Das Richterrecht müsse nicht völlig aus dem Anwendungsbereich von § 823 II BGB genommen werden, um zu verhindern, dass allgemeine Verhaltenspflichten entwickelt und dadurch eine Generalklausuel geschaffen wird.16 Vielmehr sei der Spielraum richterlicher Rechtsfortbildung begrenzt – Verhaltenspflichten zum Schutz beliebiger Rechtsgüter seien ohnehin unzulässig.17 Im Ergebnis kann dieser Streit offen bleiben18, wenn die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln bereits keinen Ge- oder Verbotscharakter haben und daher als Schutzgesetz ausscheiden. b) Ge- oder Verbotscharakter der richterrechtlichen Arbeitskampfregeln
Ein Gebot fordert ein bestimmtes Handeln oder Verhalten19, während ein Verbot anordnet, etwas Bestimmtes zu unterlassen 20. Die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln legen fest, wann ein Streik trotz vertraglich vereinbarter Pflicht zur Arbeitsleistung rechtmäßig ist.21 Damit konkretisieren sie lediglich den Inhalt des Streikrechts22 und dienen der Abgrenzung zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem Streik. Die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln fordern aber weder ein bestimmtes Verhalten, noch ordnen sie an, etwas Bestimmtes zu unterlassen. Sie sind gerade nicht darauf gerichtet, die Arbeitgeberseite (oder Dritte) vor Schäden zu schützen.23 Zwar mögen die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln faktisch auch Einzelne schützen, da normkonformes Verhalten der Gewerkschaft objektiv auch Einzelne schützt. Dieser Schutz ist 13
Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 729. Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 189. 15 Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 189; Seiter, Streikrecht (1975) S. 466. 16 Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 45 f.). 17 Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 45 f.). 18 Ebenfalls offenlassend BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750 (1751); vgl. dazu auch Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht (1986) S. 252: „Deshalb reicht es auch in keiner Weise aus, darzutun, dass Richterrecht Gesetzesqualität iSd. Art. 2 EGBGB hat. Entscheidend ist allein, ob es Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 sein kann.“. 19 S. Definition des Wortes „Gebot“ im Duden, Die deutsche Rechtschreibung, abrufbar im Internet: http://www.duden.de/rechtschreibung/Gebot (Stand: 29. 4. 19). 20 S. Definition des Wortes „Verbot“ im Duden, Die deutsche Rechtschreibung, abrufbar im Internet: http://www.duden.de/rechtschreibung/Verbot (Stand: 29. 4. 19). 21 BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750 (1751). 22 S. Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 298. 23 Ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 190. 14
§ 8 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen
191
jedoch bloßer Reflex des rechtmäßigen Verhaltens der Gewerkschaft; er gehört aber nicht zum originären Aufgabenbereich der Norm.24 Aus diesem Grund sind die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln keine Geoder Verbote, sondern vielmehr bloße Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen.25 c) Zwischenergebnis
Selbst wenn man den richterrechtlichen Arbeitskampfregeln Gesetzesqualität i. S. d. Art. 2 EGBGB beimisst, scheitert eine Einordnung als Schutzgesetz daran, dass diese weder Ge- noch Verbotscharakter haben. 2. Art. 9 III 2 GG als Schutzgesetz
Diskutiert wird ebenfalls, ob Art. 9 III 2 GG ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB ist. Grundrechte sind unproblematisch Rechtsnormen und damit Gesetze i. S. d. Art. 2 EGBGB. Sie dienen auch dem Schutz Einzelner, nämlich der Grundrechtsträger.26 Fraglich ist, ob aus Art. 9 III 2 GG ein konkretes Ge- oder Verbot zu entnehmen ist und ob die Gewerkschaft Adressat dieses Ge- oder Verbots ist. Letzteres ist einfacher zu beantworten: Nach Art. 9 III 2 GG sind Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, das Koalitionsrecht aus Art. 9 III 1 GG einzuschränken oder zu behindern, rechtswidrig und entsprechende Abreden nichtig. Damit entfaltet Art. 9 III 2 GG unmittelbare Drittwirkung, ist also – anders als andere Grundrechte – nicht nur gegen den Staat gerichtet, sondern auch gegen Privatpersonen wie die Gewerkschaft.27 Problematisch ist aber, ob Art. 9 III 2 GG auch Ge- oder Verbotscharakter hat. Dem Wortlaut von Art. 9 III 2 GG nach ist weder ein bestimmtes Unterlassen angeordnet, noch ist ein bestimmtes Verhalten gefordert. Daher kann einerseits 24 S. BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750; ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 190; vgl. auch BGH v. 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 = NJW 2008, 2245 (2249); Rn. 46; vgl. zum Zweck der richterrechtlichen Arbeitskampfregeln auch Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 298. 25 BAG v. 21. 12. 1982 – 1 AZR 411/80, BAGE 41, 209 = NJW 1983, 1750 (1751); Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 190; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 298; vgl. auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1221 f.: „Andererseits stellt es die Dinge auf den Kopf, in der Herausarbeitung der Voraussetzungen, unter denen der Bruch des Arbeitsvertrags und der Eingriff in den Gewerbebetrieb gerechtfertigt sind, die Aufstellung eines ,umfangreichen Katalogs von Verbotsnormen für Streiks‘ zu sehen.“; anders aber Seiter, Streikrecht (1975) S. 465 ff.; Erman BGB14-Schiemann, § 823 Rn. 58; Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 205, 207; dazu auch Lieb, NZA 1985, 265 (267). 26 S. Spickhoff, Gesetzesverstoß (1998) S. 157. 27 S. dazu nur Maunz/Dürig-Scholz, Art. 9 GG Rn. 171, 332 f.
192
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
argumentiert werden, dass Art. 9 III 2 GG – ähnlich wie die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln – allein rechtswidrige von rechtmäßigen Maßnahmen abgrenzt, also lediglich den Inhalt rechtswidriger Maßnahmen konkretisiert. Andererseits gibt es einen entscheidenden Unterschied zu den richterrechtlichen Abreitskampfregeln: Der Verfassungsgeber wollte Koalitionen mit Art. 9 III 2 GG gezielt schützen und erachtete diesen Schutz als derart wichtig, dass er eine unmittelbare Drittwirkung anordnete, die dem Grundgesetz ansonsten fremd ist.28 Der Schutz der Koalitionen ist folglich originärer Aufgabenbereich von Art. 9 III 2 GG und nicht bloßer Reflex. Nach dem Normzweck ist Art. 9 III 2 GG damit ein Verbot. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass Art. 9 III 2 GG heute „verhältnismäßig geringe Bedeutung“29 hat, weil Gewerkschaften „in rechtlich faßbarer Weise“30 kaum mehr bekämpft werden. Aus diesem Grund ist Art. 9 III 2 GG – anders als die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln – als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB einzuordnen.31 Zum geschützten Personenkreis der Koalitionsfreiheit zählen Koalitionen, also auch der arbeitgeberseitige Tarifpartner. Unbeteiligte Dritte scheiden hingegen aus. 3. Zwischenergebnis
Sowohl Strafnormen als auch Art. 9 III GG kommen im Verhältnis Arbeitgeberseite und Gewerkschaft als Schutzgesetze in Betracht. III. Verstoß gegen das Schutzgesetz
Die Gewerkschaft muss gegen das Schutzgesetz verstoßen haben, also dessen objektiven und subjektiven Tatbestand erfüllt haben.32 Bei den Strafnormen sind die strafrechtlichen Voraussetzungen erforderlich, sodass beispielsweise auch die strafrechtliche Irrtumslehre zu beachten ist.33 28 Zur unmittelbaren Drittwirkung von Art. 9 III 2 BGB etwa Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263 (265) m. w. N. 29 Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht (1989) S. 93. 30 Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht (1989) S. 93. 31 Ebenfalls als Schutzgesetz einordnend: BAG v. 14. 2. 1967 – 1 AZR 494/65, BAGE 19, 217 1967, 843 (844); BAG v. 2. 6. 1987 – 1 AZR 651/85, BAGE 54, 353 = NJW 1987, 2893; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1221; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 205, 207; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 41; Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 357; Spickhoff, Gesetzesverstoß (1998) S. 157 ff., 173; vgl. auch Loritz, ZfA 1985, 185 (194 f.), der es offen lässt, ob die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln ein Schutzgesetz sind, da dies jedenfalls auf Art. 9 III GG zutreffe. 32 S. nur Medicus/Lorenz, Schuldrecht II (2018) § 78 Rn. 14. 33 S. BGH v. 10. 7. 1984 – VI ZR 222/82, NJW 1985, 134 (135); Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz (1983), S. 27 (S. 72).
§ 8 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen
193
Der Tatbestand von Art. 9 III 2 BGB ist erfüllt, wenn Abreden oder Maßnahmen vorliegen, welche „dieses Recht“, also die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III 1 GG (individuelle wie kollektive34), einschränken oder zu behindern suchen. Abreden werden als mehrseitige Vereinbarungen35 und Maßnahmen als einseitige Handlungen oder Unterlassungen 36 definiert. Der Streik ist als einseitige Handlung der Gewerkschaft daher typischerweise als Maßnahme einzuordnen. Während „einschränken“ jede objektiv eingetretene Beeinträchtigung meint, folgt aus dem Wortlaut „behindern suchen“, dass auch subjektiv beabsichtigte Beeinträchtigungen ausreichen.37 Auch unter diese Merkmale ist der Streik regelmäßig zu fassen: Der Streik zielt gerade darauf ab, den Tarifpartner zu veranlassen, einen Tarifvertrag so oder gar nicht abzuschließen.38 Auch wenn er dadurch nicht immer zwingend die Koalitionsfreiheit des Tarifpartners einschränkt, versucht er jedenfalls diese zu behindern. Demnach verstießen auch rechtmäßige Streiks gegen Art. 9 III 2 GG. Da rechtmäßige Streiks aber gerade erforderlich sind, um die Tarifautonomie zu gewährleisten39, wäre es widersprüchlich, diese unter Art. 9 III 2 GG als rechtswidrig einzustufen. „Gerade diese ,Maßnahmen‘ [rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen] sollen nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 als möglich garantiert und vor staatlichem Verbot geschützt sein. Damit wäre es unvereinbar, eben diese Verhaltensweisen als ,rechtswidrig‘ zu deklarieren, woraus dann sogar zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche folgten.“40 34 Davon ausgehend etwa BAG v. 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98, BAGE 91, 210 = NJW 1999, 3281 (3285); vgl. auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 181; Maunz/ Dürig-Scholz, Art. 9 GG Rn. 333; anders aber Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263 (267 ff.), die allein die Individuelle Koalitionsfreiheit als von Art. 9 III 2 GG umfasst ansehen. 35 S. Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263 (266); Sachs-Höfling, Art. 9 GG Rn. 131; v. Mangoldt/Klein/Starck-Kemper, Art. 9 GG Rn. 187 m. w. N.; anders Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 193, der auch einseitige Willenserklärungen als Abreden einordnet. 36 S. Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263 (266); Sachs-Höfling, Art. 9 GG Rn. 131; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 35. 37 S. Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263 (266); BAG v. 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98, BAGE 91, 210 = NJW 1999, 3281 (3285): „Folgerichtig stellt Art. 9 III 2 GG auf die Zielrichtung einer Absprache oder Maßnahme ab und nicht nur auf deren rechtliche Wirkung.“. 38 S. Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263 (269); BAG v. 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98, BAGE 91, 210 = NJW 1999, 3281 (3285); Krichel, NZA 1986, 731 (734). 39 Dazu bereits oben § 1 B. „Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitskampfrechts“, S. 28 ff.; § 3 C. I. 3. „Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Tarif autonomie durch hohes Haftungsrisiko“, S. 75 ff. und § 3 D. II. 1. „Gefährdung einer funktionsfähigen Tarifautonomie auch bei Fahrlässigkeit“, S. 88. 40 v. Mangoldt/Klein/Starck-Kemper, Art. 9 GG Rn. 185.
194
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Nach dem Zweck der Regelung sind daher allein rechtswidrige Streiks von Art. 9 III 2 GG erfasst.41 IV. Zwischenergebnis
Ein Schutzgesetz ist eine Rechtsnorm, die ihrem Inhalt und Zweck nach subjektiv dem Schutz des Einzelnen dient. Das setzt voraus, dass die Rechtsnorm ein Ge- oder Verbot enthält und der Anspruchssteller zu dem dadurch geschützten Personenkreis gehört. Beim rechtswidrigen Streik kommen vor allem Straftatbestände als Schutzgesetze in Betracht, die jedenfalls auch den Schutz des einzelnen Arbeitgebers bezwecken. Kein Schutzgesetz sind die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln. Art. 9 III 2 GG ist hingegen ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB. Im Rahmen von Art. 9 III GG können allein rechtswidrige Streiks den Tatbestand erfüllen, also das Schutzgesetz verletzen.
B. Rechtswidrigkeit, Verschulden und Schaden Die Rechtswidrigkeit wird durch die Verletzung des Schutzgesetzes indiziert.42 Nach § 276 I 1 BGB hat die Gewerkschaft Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Die Gewerkschaft handelt fahrlässig, wenn sie nach einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechtslage vorhersehen konnte, dass der Streik mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist.43 Als Gläubiger trägt die Arbeitgeberseite die Darlegungs- und Beweislast für diese haftungsbegründende Tatsache. Der Schaden muss an demjenigen Rechtsgut entstehen, das durch die Norm geschützt werden soll.44 Ist Art. 9 III 2 GG verletzt, scheiden damit Schäden an sonstigen Rechtsgütern aus, wie beispielsweise dem Eigentum oder der Gewerbefreiheit. 41 Ebenso v. Mangoldt/Klein/Starck-Kemper, Art. 9 GG Rn. 186 m. w. N.; Krichel, NZA 1986, 731 (734); im Ergebnis wohl ebenso das BAG, das etwa im Zusammenhang mit Streikbruchprämien feststellte: „Solange jedenfalls die Zahlung unterschiedslos allen Arbeitnehmern angeboten wird, liegt ein Verstoß gegen Art. 9 III 2 GG nicht vor. Die Beeinträchtigung der gewerkschaftlichen Kampfführung allein stellt noch keine unzulässige Störung der koalitionsmäßigen Betätigung dar.“; weiter gehen Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263 (273), die aus dieser drohenden Paradoxie die Konsequenz ziehen, dass allein die Individuelle Koalitionsfreiheit von Art. 9 III 2 GG umfasst ist. 42 S. nur BGH v. 26. 2. 1993 – V ZR 74/92, BGHZ 122, 1 = NJW 1993, 1580 (1581); Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 531. 43 S. § 3 C. „Vertretenmüssen“, S. 70 ff. 44 S. Staudinger-Hager, § 823 BGB G Rn. 26.
§ 8 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen
195
Beispiel: Die Gewerkschaft G streikt, obwohl noch nicht alle möglichen Mittel ausgeschöpft waren, sodass der Streik nicht ultima-ratio ist. Der Tarifpartner wird dadurch zwar nicht zu einem Tarifabschluss gezwungen, aufgrund des Streiks fällt aber die Produktion aus, was zu einem Verlust von 500 000 € führt. Dieser Schaden ist zwar aufgrund des rechtswidrigen Streiks, aber nicht an dem Rechtsgut der Koalitionsfreiheit entstanden. Daher scheidet ein Ersatz dieses Schadens über § 823 II BGB i. V. m. Art. 9 III 2 GG aus.
Analog § 254 I BGB erstreckt sich die Haftungsbeschränkung bei fahrlässigem Handeln auch auf deliktische Schadensersatzansprüche. Im Übrigen richten sich Art und Umfang des Schadensersatzes nach §§ 249 ff. BGB.
C. Ergebnis Als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB kommen beim rechtswidrigen Streik der Gewerkschaft vor allem Straftatbestände in Betracht, die jedenfalls auch dem Schutz des einzelnen Arbeitgebers dienen. Ebenfalls als Schutzgesetz einzuordnen ist Art. 9 III 2 GG, dessen Tatbestand allein rechtswidrige Streiks erfüllen können. Richterrechtliche Arbeitskampfregeln sind hingegen keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB. Ist ein Schutzgesetz verletzt, wird dadurch die Rechtswidrigkeit indiziert. Nach § 276 I 1 BGB hat die Gewerkschaft Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Für den Schaden gilt, dass er an demjenigen Rechtsgut entstehen muss, das durch die Norm geschützt werden soll.45 Ist Art. 9 III 2 GG verletzt, scheiden damit Schäden an sonstigen Rechtsgütern aus, wie beispielsweise dem Eigentum oder der Gewerbefreiheit. Bei fahrlässigem Handeln ist die Haftung analog § 254 I BGB beschränkt.
45
S. Staudinger-Hager, § 823 BGB G Rn. 26.
196
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG A. Vorüberlegungen zum Institut des ReaG I. Herleitung des ReaG
Das ReaG ist ein durch richterliche Rechtsfortbildung entwickeltes Institut, dessen Geschichte über 100 Jahre zurückreicht.1 Dabei war die Rechtsprechung des Reichsgerichts anfangs nicht immer einheitlich. Die unterschiedlichen Zivilsenate haben den Schutzbereich des ReaG fast drei Jahrzehnte unterschiedlich definiert2: Der zunächst enge Schutzbereich des ReaG, der allein den Bestand des Gewerbes schützte, wurde über die Jahrzehnte immer weiter ausgedehnt und umfasst inzwischen Bestands- und Bereichsschutz sämtlicher gewerblicher Tätigkeiten.3 Von Fall zu Fall hat der BGH in den letzten Jahrzehnten versucht, Umfang und Grenzen festzulegen und eine übermäßige Ausweitung zu verhindern, etwa mit dem Kriterium der Unmittelbarkeit 4: Ist bloß das Vermögen geschädigt oder schon das Unternehmen beeinträchtigt? Es sind jedoch bis heute Fragen offen geblieben. Abgrenzungsschwierigkeiten treten etwa bei der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe (Unmittelbarkeit/ Betriebsbezogenheit) auf.5 Neben unbegründeten Schutzrechtsverwarnungen wird das ReaG auf Fallgruppen wie Boykottaufforderungen oder Betriebsblockaden angewandt.6 1 Ausführlich zur Entwicklung des ReaG Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 3 ff.; Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 64 ff.; Fikentscher, Rechtsprechungsübersicht Gewerbebetrieb, in: FS Kronstein (1967), S. 261 (S. 266 ff.); zur Einordnung als richterliche Rechtsfortbildung s. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 561; weitergehend Schiemann, Das sonstige Recht, in: FS Deutsch (2009), S. 895 (S. 898), der das gesamte Deliktsrecht als Richterrecht einordnet. 2 S. nur RG v. 27. 02. 1904 – I 418/03, RGZ 58, 24 („Juteplüsch“); RG v. 03. 02. 1910 – VI 28/09, RGZ 73, 107 (112); RG v. 13. 04. 1912 – VI 371/11, RGZ 79, 224 (226); RG v. 02. 06. 1921 – VI 112/21, RGZ 102, 223 (225); RG v. 28. 10. 1929 – VI 1/29, RGZ 126, 93 (96); RG v. 19. 10. 1928 – 53/28 II, JW 1929, 1217 (1218); RG v. 18. 02. 1932 – VIII 537/31, RGZ 135, 242 (247); RG v. 17. 01. 1940 – II 82/39, RGZ 163, 21 (32); ausführlich dazu Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 98; s. auch schon Sack, VersR 2006, 1001 (1003). 3 Ausführlich zur Entwicklung des Schutzbereichs Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 96 ff., 101 ff. 4 S. nur BGH v. 9. 12. 1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 = NJW 1959, 479 (480); BGH v. 10. 12. 2002 – VI ZR 171/02, NJW 2003, 1040; ausführlich zum Begriff der Unmittelbarkeit unten § 9 B. II. „Unmittelbarer Eingriff in das ReaG durch Streik“, S. 205 ff. 5 Zur Konkretisierung dieser Begriffe ausführlich unter § 9 B. II. „Unmittelbarer Eingriff in das ReaG durch Streik“, S. 205 ff. 6 Mit ausführlichem Überblick zu allen Fallgruppen Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 225 ff.; zu unbegründeten Schutzrechtsverwarnungen s. nur RG v. 27. 02. 1904 – I 418/03, RGZ 58, 24 („Juteplüsch“); zu Boykottaufforderungen s. BGH v. 10. 5. 1957 – 1 ZR 234/55, BGHZ 24, 200 = NJW 1957, 1315; BGH v. 10. 7. 1963 – I b ZR 214/62, NJW 1964, 29; BGH
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
197
II. Kritik am ReaG
Obwohl die Debatte um die Herleitung und Anerkennung des ReaG seit über 100 Jahren geführt wird, ist die Kritik daran bis heute nicht verstummt.7 Ohne einen abschließenden Überblick über alle vertretenen Positionen zu geben, werden die größten Kritikpunkt im Folgenden skizziert. 1. Gewährung von reinem Vermögensschutz
Der Gesetzgeber hat sich gegen einen primären Vermögensschutz im Deliktsrecht entschieden und für eine grundsätzliche Beschränkung auf den Schutz absoluter Rechte.8 Vermögensschäden sind allein unter zusätzlichen, strengeren Voraussetzungen bei Verletzung von Schutzgesetzen (§ 823 II BGB) oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) ersatzfähig.9 Entgegen dieser gesetzlichen Grundwertung des Deliktsrechts gewährt das ReaG reinen Vermögensschutz.10 Damit greift das ReaG in das zivilrechtliche Haftungsgefüge ein und verwischt die Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung.11 Im Vertragsrecht sind gem. § 241 II BGB nämlich jegliche Interessen der Vertragsparteien geschützt und damit auch das Vermögen als solches. Dort haben sich die Vertragsparteien einander ausgesucht und sich gegenseitig zu Leistungen verpflichtet, wodurch eine insgesamt strengere Haftung des Schädigers gerechtfertigt ist: Zum einen gilt im Vertragsrecht die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB, sodass – anders als im Deliktsrecht – nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger die Beweislast für das Verschulden trägt. Zum anderen sieht die Zurechnungsnorm des § 278 BGB im Gegensatz zu § 831 BGB v. 12. 3. 1965 – KZR 8/63, GRUR 1965, 440; zu Betriebsblockaden s. BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 6/71, BHGZ 59, 30 = NJW 1972, 1366; BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 139/70, NJW 1972, 1571; BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57. 7 Jüngst erst Sack, Gewerbebetrieb (2007); s. vor allem auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 546 ff., 559 ff.; ebenfalls kritisch mit Blick auf unberechtigte Schutzrechtverwarnungen Schiemann, Das sonstige Recht, in: FS Deutsch (2009), S. 895 (S. 903 ff.); im Kontext des Arbeitskampfrechts s. Picker, ZfA 2010, 499. 8 S. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 354 ff., 374; Schiemann, Das sonstige Recht, in: FS Deutsch (2009), S. 895 (S. 898 ff.); s. ebenfalls Planck, Bürgerliches Gesetzbuch (1900) S. 609, der deutlich macht, dass das Vermögen kein sonstiges Recht ist; überblicksartig zu der Thematik Soergel-Spickhoff, § 823 BGB Rn. 86. 9 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 376; Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 4 f.; Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 9; s. auch Hübner/ Sagan, JA 2013, 741 (742). 10 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 545; Picker, ZfA 2010, 499 (575); MüKo-BGB-Wagner, § 823 BGB Rn. 320; ausführlicher dazu gleich. 11 Für einen guten Überblick s. Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 22.
198
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
keine Exkulpationsmöglichkeit vor.12 Das damit einhergehende Haftungsrisiko ist für die Vertragspartner jeweils erkennbar und der eingegangene Vertrag als Haftungsgrund eindeutig. Gleichzeitig gewähren sich die Vertragspartner die Möglichkeit, auf ihre sonstigen Rechtsgüter und Interessen einzuwirken, weswegen auch im Bereich der Schutzpflichten nach § 241 II BGB eine schärfere vertragliche Haftung gerechtfertigt ist.13 Dem Deliktsrecht liegt eine andere Ausgangslage zugrunde: Seine Rechtsfolgen treten nicht aufgrund freiwilliger Bindung, sondern wegen deliktischem Verhalten ein; die aufgestellten Verbote richten sich an jedermann, nicht nur an Vertragspartner.14 Die Anerkennung des ReaG führt zur Durchbrechung des geschilderten Grundsatzes, indem es den Unternehmensgegenstand schützt, also alle verbundenen vermögenswerten Rechte und damit im Ergebnis das Vermögen als solches.15 Durch die Einordnung des ReaG als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 I BGB werden Gewerbetreibende als privilegierte Gruppe in ihrem reinen Vermögen geschützt. Diese Erweiterung des Schutzbereichs ist einer der größten Kritikpunkte am ReaG.16 2. Kein Zuweisungsgehalt und keine Ausschlussfunktion gegenüber Dritten
Weiterer großer Kritikpunkt ist, das ReaG weise weder Zuweisungsgehalt noch Ausschlussfunktion gegenüber Dritten auf und erfülle damit nicht die Anforderungen eines sonstigen Rechts.17 12 Besonders die Unterschiede zwischen § 831 BGB und § 278 BGB haben dazu beigetragen, dass die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entwickelte, um derartige Fälle mit dem strengeren Vertragsrecht lösen zu können und Schutz lücken zu schließen, vgl. v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (S. 316); Gernhuber, Drittwirkungen im Schuldverhältnis kraft Leistungsnähe, in: FS Nikisch (1958), S. 249 (S. 253); ebenfalls Kreuzer, JZ 1976, 778, der von dem VmSzD als „Deliktshaftung nach vertraglichen Grundsätzen“ spricht; zusammenfassend Assmann, JuS 1986, 885 (886); dazu noch unten § 13 A. „Schuldverhältnis“, S. 37 ff. 13 S. Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 5; vgl. im Zusammenhang mit nichtigen Verträgen ebenfalls Canaris, JZ 1965, 475 (476). 14 Vgl. Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 3. 15 Fikentscher, Rechtsprechungsübersicht Gewerbebetrieb, in: FS Kronstein (1967), S. 261 (S. 287) spricht deswegen sogar davon, dass die Anerkennung des Rechts am Gewerbebetrieb zu einer neuen Kategorie in § 823 I BGB führt; s. auch Deutsch, Ersatz reiner Vermögensschäden, in: FS Henckel (1995), S. 79 (S. 87 f.); ausführlicher dazu unten § 9 B. II. 1. „Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb“, S. 205. 16 Ausführlich dazu Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 545, 560 ff.; Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 142 ff., insb. 160 f.; Picker, ZfA 2010, 499 (574 f.). 17 S. v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in: FS Juristentag (1960), S. 49 (S. 89 f.), Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 160, die dem ReaG den Zuweisungsgehalt ab
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
199
a) Voraussetzungen eines „sonstigen Rechts“
Die Systematik von § 823 I BGB und der Normzweck des Deliktsrechts sprechen dafür, dass das sonstige Recht eigentumsähnlich sein muss.18 Das sonstige Recht muss damit Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion sowie die damit einhergehende sozialtypische Offenkundigkeit aufweisen. Um eine „generalklauselartige Öffnung“19 von § 823 I BGB zu verhindern, ist das sonstige Recht restriktiv auszulegen.20 b) ReaG als sonstiges Recht?
Das ReaG schützt das Unternehmen in seinem Bestand und seiner Funktion.21 Damit wird das Unternehmen letztlich gegen primäre Vermögensschäden und gegen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit geschützt.22 Wie bereits festgestellt worden ist, fehlt sowohl dem Vermögen als solchem als auch der Handlungsfreiheit eine sozialtypische Offenkundigkeit – es handelt sich um bloße Interessen, die mit den Interessen anderer in Einklang zu bringen sind.23 So beeinträchtigt ein Unternehmen, das am Markt tätig ist und dort Marktanteile gewinnt, gleichzeitig das Vermögen und die wirtschaftliche Handlungsfreiheit eines Konkurrenten, der aufgrund des Wettbewerbs Marktanteile verliert.24 Das verdeutlicht, dass für den Schädiger der Umfang des Schutzes nicht offensichtlich und eindeutig erkennbar ist. Zudem kann der Unternehmer eben nicht mit seinem Unternehmen nach Belieben verfahren, sondern ist seinerseits von den Interessen anderer begrenzt, sodass das ReaG keinen
erkennen; s. ebenfalls Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 544; die die Ausschlussfunktion des ReaG verneinen; Wolf, Normzweck im Deliktsrecht (1962) S. 29 verneint die Qualität eines Herrschaftsrechts, zusammenfassend dazu Schmidt, JuS 1993, 985 (986). 18 Ausführlich dazu bereits oben § 7 A. „Eigenschaften eines sonstigen Rechts“, S. 183. ff. 19 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 375. 20 Ebenfalls ausführlich oben § 7 A. „Eigenschaften eines sonstigen Rechts“, S. 183 ff. 21 Etwas ausführlicher dazu unten § 9 B. II. 1. „Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb“, S. 205. 22 S. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 539. 23 S. vorherigen Abschnitt § 9 A. II. 2. a) „Voraussetzungen eines ,sonstigen Rechts‘“, S. 199. 24 Charakteristisch für Wettbewerb ist gerade, dass Unternehmen ihre wirschaftliche Handlungsfreiheit ausüben: „Der Wettbewerb (…) ist m. a. W. identisch mit dem komplexen System von Marktprozessen, das entsteht, wenn die Wirtschaftssubjektive von ihrer wirtschaftlichen Freiheit im Rahmen der Rechtsordnung Gebrauch machen.“, Emmerich, Kartellrecht (2018) S. 1.
200
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Zuweisungsgehalt aufweisen kann.25 Der Unternehmer kann andere nicht von jeder Einwirkung auf sein Unternehmen ausschließen, sondern steht mit seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit in einem ständigen Spannungsverhältnis zur wirtschaftlichen Handlungsfreiheit anderer Marktbeteiligten: Das Unternehmen hat keine „festen“ Marktanteile, sondern muss sie sich regelmäßig neu erarbeiten und gegenüber anderen verteidigen.26 Damit fehlt dem ReaG ebenfalls eine Ausschlussfunktion.27 „Das bedeutet, dass dieses sog. Recht am Gewerbebetrieb in Wahrheit nur ein Bündel von Verhaltensnormen ist, die das Vermögen in bestimmter Weise schützen wollen, und zwar denjenigen Ausschnitt des Vermögens, der die wirtschaftliche Stellung und Betätigung des Bürgers zum Gegenstand hat.“28
Zusammenfassend kann das ReaG aus dogmatischer Sicht daher nicht als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB eingeordnet werden, weil es keines der erforderlichen Eigenschaften aufweist. 3. Lösung originär vertraglicher Konstellationen mit Hilfe des Deliktsrechts
Ein weiterer, daran anschließender Kritikpunkt ist, dass mit Hilfe des ReaG klassische vertragliche Konstellationen in das „weichere“29 Deliktsrecht verlagert werden: Beim rechtswidrigen Streik wird durch Nichterfüllung eines Leistungsversprechens (für die Gewerkschaft das Versprechen, die schuldrechtliche Friedenspflicht oder die schuldrechtliche Rücksichtnahmepflicht zu beachten) ein Vermögenschaden verursacht. Diesen vertraglichen Konflikt zu lösen ist originäre Aufgabe des Vertragsrechts.30 Nach dem Grundsatz der Relativität 25 S. v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in: FS Juristentag (1960), S. 49 (S. 89); ebenso Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 539. 26 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 545. 27 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 544; zur fehlenden Eigentumsähnlichkeit und sozialtypischen Offenkundigkeit auch Erman BGB-Wilhelmi, § 823 Rn. 49; vgl. auch Wolf, Das ReaG, in: FS Hippel (1967), S. 665 (S. 679). 28 Fikentscher, Rechtsprechungsübersicht Gewerbebetrieb, in: FS Kronstein (1967), S. 261 (S. 287). 29 Zu den Unterschieden der strengeren vertraglichen und weicheren deliktischen Haftung s. bereits oben unter § 9. A. II. 1. „Gewährung von reinem Vermögensschutz“, S. 197. 30 S. dazu Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht (1986) S. 386: „Eine deliktsrechtliche Erfassung rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitgeber ist nicht erforderlich. Es handelt sich um reine Vertragsverletzungen, die von dem dafür vorgesehenen Sanktionssystem des Vertragsrechts umfassend abgedeckt werden.“; Picker, ZfA 2010, 499 (576); s. ebenfalls die Gesetzesmaterialien Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. 2 (1979) S. 1076: „Denn schon aus der Systematik des Gesetzbuches ergebe sich, dass
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
201
der Schuldverhältnisse31 hat sich jeder zunächst an seinen Vertragspartner zu halten: die Arbeitgeberseite an die Gewerkschaft und Dritte an ihren Vertragspartner, typischerweise die Arbeitgeberseite.32 Es handelt sich folglich um einen lediglich relativ wirkenden Anspruch ohne Ausschlussfunktion. Wie gesehen ist diese Ausschlussfunktion aber erforderliche Eigenschaft eines „sonstigen Rechts“ i. S. d. § 823 I BGB.33 Eine Lösung über die Figur des ReaG führt dazu, dass letztlich das relativ wirkende vertragliche Erfüllungsversprechen durch das Deliktsrecht geschützt wird, obwohl das nicht Aufgabe des Deliktsrechts ist: Soll ein Schadensersatzanspruch über das Deliktsrecht zugesprochen werden, auch wenn vertragliche Ansprüche bereits verjährt oder durch Rügeversäumnisse verloren sind?34 Im Verhältnis von Gewerkschaft und Arbeitgeberseite ist diese Erweiterung praktisch weniger relevant: Aufgrund der vertraglichen Beziehung wird bereits über das Vertragsrecht das Vermögen als Ganzes geschützt, sodass ein deliktischer Anspruch nicht über diesen vertraglichen Schutz hinausgehen kann. Doch im Verhältnis zu mittelbar geschädigten Dritten kann die Anerkennung des ReaG als Haftungsgrund wesentlich werden. In der Regel stehen solche Dritte gerade in keiner Sonderverbindung zu der Gewerkschaft. Sie sind allein auf das weichere Deliktsrecht angewiesen. Es besteht die Gefahr, dass die Anerkennung des ReaG dazu führt, Dritten über die Hintertür des Deliktsrechts doch allgemeiner Vermögensschutz zu gewähren, obwohl ihnen nach dem Grundkonzept des zivilrechtlichen Haftungssystems gerade kein Schadensersatzanspruch zusteht.35 die obligatorischen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner an anderer Stelle geregelt seien.“. 31 Allgemein zum Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse Denck, JuS 1981, 9 (11); Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721 m. w. N.; überblicksartig Jauernig-Mansel, § 241 BGB Rn. 4 ff.; ausführlicher unten Dritter Teil, Erster Abschnitt: „Haftung aus Vertrag“, S. 241 ff. 32 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Bayreuther, RdA 2016, 181 (184): „Im Vergleich […] haben im Schriftum die Auswirkungen eines Arbeitskampfes auf die Vertragsbeziehungen zwischen dem bestreikten Arbeitgeber und seiner Vertragspartner sehr viel weniger Beachtung gefunden. Das überrascht, denn es drängt sich geradezu die Frage auf, ob und inwieweit sich nicht unmittelbar streikbeteiligte Unternehmen bei ihren bestreikten Vertragspartnern für erlittene Ausfälle schadlos halten können.“ 33 S. oben unter § 9 A. II. 2. a) „Voraussetzungen eines ,sonstigen Rechts‘“, S. 199. 34 Zu den Konkurrenzregelungen, die deswegen erforderlich werden, s. Schlechtriem, Eingriff in den Gewerbebetrieb und vertragliche Haftung, in: FS Deutsch (1999), S. 317 (S. 319 ff.). 35 „Zu der nicht unbedeutenden Gruppe von Fällen, die unter ,Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb‘ gebracht werden könnten, vom Gesetzgeber aber gesehen und absichtlich nicht unter § 823 I BGB gebracht wurden, gehört vorrangig die Verletzung von Personen, die Vertragspartner Dritter sind (…).“, Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 167.
202
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
4. ReaG als Gewohnheitsrecht?
Die vorgebrachte Kritik an der fehlenden Dogmatik ist unbeachtlich, wenn es sich beim Institut des ReaG um Gewohnheitsrecht handelt, das als selbstständige Rechtsquelle dem Gesetzesrecht gleichwertig ist.36 Gewohnheitsrecht liegt vor, wenn „die ständige Rechtsprechung einer Rechtsüberzeugung der Gemeinschaft, auch der Vertreter des Schrifttums, entspricht“.37 Dahinter steht der Gedanke, dass ein regelmäßiges Verhalten mit sichtbarem Rechtsgeltungswillen zu einer Verhaltenspflicht für die Gesellschaft wird, um dem Bedürfnis nach Stabilität, nach Rechtssicherheit nachzukommen.38 Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Teilnehmer des Rechtsverkehrs die Rechtsfigur im Ergebnis akzeptieren, nicht, ob sie dessen Herleitung kritisieren.39 Noch heute gibt es Stimmen, die kein Bedürfnis für einen Schutz durch das ReaG sehen und daher die Rechtsfigur als solche in Frage stellen: Es fehle an der lückenfüllenden Funktion, weil alle in Frage kommenden Problemfälle bereits mit anderen gesetzlichen Regelungen gelöst werden könnten.40 Ob daher davon ausgegangen werden kann, dass die Teilnehmer des Rechtsverkehrs das ReaG im Ergebnis akzeptieren, ist zweifelhaft.41 Mit Blick auf die Anwendung des ReaG im Arbeitskampfrecht fordern Larenz/Canaris sogar den Umbau der arbeitskampfrechtlichen Dogmatik: „Die vorstehende Schutzbereichsanalyse läuft (…) darauf hinaus, die Lehre vom Recht am Gewerbebetrieb aufzugeben (…). Das macht einen entsprechenden Umbau der arbeitskampfrechtlichen Dogmatik erforderlich. Denn das Arbeitskampfrecht kann in36 Zur Gleichwertigkeit von Gewohnheitsrecht mit Gesetzesrecht Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 25. 37 Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 29; s. parallel dazu die Voraussetzungen des Völkergewohnheitsrecht, Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 25 GG Rn. 36 m. w. N. 38 Ausführlich dazu Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht (1969) S. 53 ff. 39 S. Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 29. 40 So erst jüngst Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 225 – 316, s. ebenfalls die Schutzbereichsanalyse von Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 546 – 563, die zu dem Ergebnis führt, dass das ReaG keinen legitimen praktischen Anwendungsbereich aufweist. 41 Gegenüber der Einordnung als Gewohnheitsrecht kritisch Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 225 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 546 ff.; s. zudem Erman BGB14 -Schliemann, § 823 Rn. 50, der die noch in einer Vorauflage erschienene Kennzeichnung als Gewohnheitsrecht zurücknimmt; ebenfalls Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 30 f., der allein bestimmte Ergebnisse der Rechtsprechung als gewohnheitsrechtlich verfestigt ansieht, sodass seiner Meinung nach das Problem nicht nur darin besteht, den Anwendungsbereich des ReaG im Einzelfall zu bestimmen; Beeinträchtigungen, die noch nicht zu Gewohnheitsrecht erstarkt sind, sind an den Anforderungen richterlicher Rechtsfortbildungen zu messen und können nur bei einer einheitlichen Rechtsprechung zu einer Schadensersatzpflicht führen.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
203
soweit lediglich ein vorhandenes bürgerlichrechtliches Instrumentarium nutzen, nicht aber umgekehrt den Anlaß für die Beibehaltung einer Rechtsfigur abgeben, für die es ansonsten keine Legitimation mehr gibt.“42
Trotz der berechtigten Zweifel wird das ReaG im Schrifttum überwiegend als Gewohnheitsrecht eingeordnet (wenn auch meist ohne Begründung), oder eine solche Einordnung wird jedenfalls für möglich gehalten.43 Da die Diskussion um die Haftung der Gewerkschaft bisher ebenfalls im ReaG verankert ist, kann das Institut des ReaG im Rahmen dieser Arbeit daher nicht unbeachtet bleiben. Auch wenn die Haftung wegen Verletzung des ReaG – wie noch zu zeigen sein wird – neben dem Vertragsrecht keine eigenständige Bedeutung hat, setzen die folgenden Ausführungen daher als Prämisse voraus, dass das ReaG anzuwenden ist. Dabei ist zu beachten, dass das Institut des ReaG eine Ausnahme innerhalb des Deliktsrechts ist, sodass systematische Gründe für eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs sprechen: Ein Eingriff in den Gewerbebetrieb liegt nur ausnahmsweise vor; die tatbestandlichen Anforderungen sind streng.44 Die Begründungslast, dass ein Sachverhalt unter den Anwendungsbereich des ReaG fällt, ist folglich sehr hoch.45 III. Zwischenergebnis
Seit über 100 Jahren wird über die Herleitung und Anerkennung des ReaG debatiert, ohne dass die Kritik daran verstummt ist. Erstens führt die Einord42
Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 559. Gewohnheitsrecht einordnend: Bulla, RdA 1962, 6 (7); Emmerich, SchulR BT (2018) S. 295; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1217 f.; jurisPK-BGB-Lange, § 823 BGB Rn. 35; Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 117; Staudinger-Schäfer, § 823 BGB (1986) Rn. 150; Schippel, Gewerbebetrieb (1956) S. 2 f.; Schmidt, JuS 1993, 985 (986); BeckOGK-Spindler, § 823 BGB Rn. 203 („inzwischen wohl gewohnheitsrechtlich anerkannt“); vgl. auch Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 257; Reuter, JuS 1986, 19 (21); Sibben, NZA 1989, 453; Wolf, Das ReaG, in: FS Hippel (1967), S. 665; das ReaG möglicherweise als Gewohnheitsrecht einordnend: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 200; v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in: FS Juristentag (1960), S. 49 (S. 89); differenzierter Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 27, der darauf hinweist, dass nicht das ReaG, sondern lediglich bestimmte Beeinträchtigungen des Gewerbebetriebs Gewohnheitsrecht werden können; zudem Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht (2017) Rn. 1572, der sogar einen weitergehenden Schutz eines „wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechts“ fordert. 44 S. Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 22; s. ebenfalls Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 76 f.: „Sicher bedeutet die Zuerkennung von Ansprüchen wegen Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb eine Erweiterung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Haftungstatbestände, und es ist entsprechend den der richterlichen Rechtsfortbildung gesetzten Grenzen vorsichtig dabei vorzugehen.“. 45 Ausführlich zum methodischen Problem der Begründungslast s. Krebs, AcP 195 (1995), 171. 43 Als
204
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
nung des ReaG als „sonstiges Recht“ dazu, dass Gewerbetreibende als privilegierte Gruppe in ihrem reinen Vermögen geschützt werden, obwohl sich der Gesetzgeber gegen primären Vermögensschutz und für eine Beschränkung auf den Schutz absoluter Rechte entschieden hat. Zweitens hat das ReaG weder Zuweisungsgehalt noch Ausschlussfunktion und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen eines sonstigen Rechts. Drittens werden klassische vertragliche Konstellationen durch die Anerkennung des ReaG in das „weichere“ Deliktsrecht verlagert. Dritte, die in keiner Sonderverbindung zum Schädiger stehen, könnten über diese Hintertür durch das Deliktsrecht in ihrem reinen Vermögen geschützt werden, obwohl ihnen nach dem Grundkonzept des zivilrechtlichen Haftungssystems gerade kein Schadensersatzanspruch zusteht. Trotz dieser dogmatischen Bedenken setzen die folgenden Ausführungen als Prämisse voraus, dass das ReaG anzuwenden ist: zum einen, weil das ReaG größtenteils als Gewohnheitsrecht anerkannt ist, zum anderen, weil die bisherige Diskussion um die Haftung der Gewerkschaft überwiegend in der Verletzung des ReaG verankert ist. In jedem Fall ist der Anwendungsbereich eng auszulegen, da das ReaG eine Ausnahme im deliktischen Haftungssystem ist.
B. Anwendungsbereich des ReaG I. Subsidiarität des ReaG
Die restriktive Handhabung des ReaG schlägt sich in dem Erfordernis der Subsidiarität nieder: Da das ReaG von der Rechtsprechung eingeführt wurde, um Schutzlücken zu schließen46, kann es auch nur dort eingesetzt werden, wo das geschriebene Recht eine zu schließende Lücke aufweist.47 Lücken sind dort nicht gegeben, wo andere (deliktische) Haftungsnormen greifen. So werden die weiteren in § 823 I BGB genannten Rechte und Rechtsgüter und die Haftung nach §§ 823 II und § 824 BGB als grundsätzlich vorrangig angesehen. Allein gegenüber § 826 BGB ist § 823 I BGB i. V. m. ReaG nicht subsidiär, weil unmittelbare Eingriffe in das ReaG schon bei fahrlässigem Verhalten Ersatzpflichten 46 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1349) m. w. N. 47 St. Rspr. BGH v. 22. 12. 1961 – I ZR 152/59, BGHZ 36, 252 („Gründerbildnis“) = NJW 1962, 1103 (1104); BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 6/71, BGHZ 59, 30 = NJW 1972, 1366 (1367); stellvertretend für viele Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 259 m. w. N.; Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 18; an diesem Punkt greift die bereits oben anklingende Kritik von Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 225 ff., Sack, VersR 2006, 1001 (1003) und Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 546 ff. ein, weil ihrer Meinung nach keine solchen Lücken bestehen, sodass das ReaG nie zum Einsatz kommt.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
205
auslösen können, ohne dass vorsätzliches oder sittenwidriges Verhalten erforderlich ist.48 II. Unmittelbarer Eingriff in das ReaG durch Streik 1. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb
Gegenständlich schützt das ReaG den bestehenden Gewerbebetrieb, also den auf Dauer angelegten und auf Gewinnerzielung gerichteten Betrieb.49 Umfasst ist die ungestörte Betätigung und Entfaltung (sog. Bestands- und Funktionsschutz50) und damit letztlich der wirtschaftliche Wert des Unternehmens.51 Anspruchsinhaber ist der jeweilige Unternehmensträger, wobei nicht allein kaufmännische oder gewerbliche Unternehmen geschützt sind, sondern ebenfalls freiberufliche Praxen.52 Beim Streik bedeutet das, der jeweils bestreikte Arbeitgeber ist Anspruchsinhaber, unabhängig davon, ob es sich um einen Haus- oder Verbandstarifvertrag handelt, also unabhängig von seiner Eigenschaft als Tarifpartner. 2. Unmittelbarer Eingriff
Der Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG setzt zunächst einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb voraus. Allgemein gesprochen ist ein Eingriff jede Verkürzung einer geschützten Rechtsposition.53 Inwieweit die Rechtsposition des ReaG geschützt ist, ist nicht klar umrissen. 48 BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 6/71, BGHZ 59, 30 = NJW 1972, 1366 (1367); etwas ausführlicher begründet in BGH v. 16. 6. 1977 – III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 = NJW 1977, 1875 (1877) m. w. N. 49 S. nur Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 19. 50 S. Schmidt, JuS 1993, 985 (988). 51 Zuletzt BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); ebenso BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1349) m. w. N.; s. auch bereits oben § 9 A. I. „Herleitung des ReaG“, S. 196 ff. 52 S. nur OLG München v. 15. 12. 1975 – 21 U 3434/71, NJW 1977, 1106; Schmidt, JuS 1993, 985 (988); Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 167; Emmerich, SchulR BT (2018) S. 295 m. w. N.; Brox/Walker, SchuldR BT (2019), § 45 Rn. 19; zur Anwendung auch auf GbR-Gesellschaften s. BGH v. 24. 4. 1990 – VI ZR 358/8, NJW 1992, 41 (42). 53 In Anlehnung an den sog. modernen Eingriffsbegriff im Verfassungsrecht, s. BVerfG v. 26. 6. 2002 – 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 = NJW 2002, 2626 (2629); BVerfG v. 11. 7. 2006 – 1 BvL 4/00, BVerfGE 116, 202 = NJW 2007, 51 (54); überblicksartig dazu Kingreen/Poscher, Grundrechte (2018) S. 86; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313; Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht (2008) S. 302; der verfassungsrechtliche Eingriffsbegriff geht allerdings davon aus, dass das zurechenbare Verhalten vom Staat ausgeht; im Deliktsrecht wird normalerweise von einer Rechtsverletzung gesprochen, einem Verhalten, das eine durch § 823 I BGB geschützte Rechtsposition verletzt [Brox/Walker, SchuldR BT (2019),
206
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Anders als die ausdrücklich genannten Rechte und Rechtsgüter besitzt das ReaG weder Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion noch die soziale Offenkundigkeit.54 Als Ausnahme innerhalb des Deliktsrechts ist der Anwendungsbereich des ReaG daher eng auszulegen.55 Dadurch wird verhindert, dass Gewerbetreibende privilegiert und deren Vermögen als Ganzes geschützt wird.56 Zudem kann auch der Umfang der geschützten Rechtsposition und damit ihre Verkürzung besser festgestellt werden. Als beschränkendes Kriterium wurde die Unmittelbarkeit entwickelt: ein Eingriff in den Gewerbebetrieb muss unmittelbar sein; bloß mittelbare Eingriffe reichen also nicht aus. Die Unmittelbarkeit dient der Abgrenzung zwischen entschädigungslosem allgemeinen Lebensrisiko und schadensersatzauslösendem deliktischen Handeln. Im Einzelfall ist die Einordnung schwierig, weil der Begriff der Unmittelbarkeit seinerseits unbestimmt und daher auszulegen ist.57 Dabei ist es wichtig, den Tatbestand des ReaG zu konkretisieren: „Die Überlegungen zur Fortbildung des Schutzes vor unerlaubten Handlungen müssen bei einer Gesetzesfassung mit Rechtsgütern und Rechten trotz aller Offenheit des ,sonstigen Rechts‘ sehr differenziert und genau und nicht zuletzt tatbestandsbezogen sein. Mit der Tatbestandsbezogenheit ist hierbei gemeint, dass die Merkmale der als sonstiges Recht oder in Analogie zu ihm auszuzeichnenden Interessenposition so genau angegeben werden müssen, als handle es sich um einen subsumtionsfähigen Tatbestand – eben nicht um ein Objekt mehr oder weniger allgemeiner Abwägung, sondern um ein Recht oder eine rechtsähnliche Position, die aufgrund eines methodischen Analogieschlusses nach ihren charakteristischen Eigenschaften einem Recht gleichgestellt werden kann.“58
a) Betriebsbezogenheit als Konkretisierung der Unmittelbarkeit
Die Rechtsprechung hat die Unmittelbarkeit wie folgt konkretisiert: Unmittelbar ist ein Eingriff, wenn er gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen ist.59 Teilweise werden Unmittelbarkeit und Betriebsbezogenheit § 44 Rn. 4] – der Eingriff i. R. d. ReaG ist im Ergebnis eine andere Umschreibung für die Verursachung einer solchen Rechtsverletzung. 54 S. bereits oben § 9 A. II. 2. b) „ReaG als sonstiges Recht?“, S. 199. 55 S. bereits oben § 9 A. II. 4. „ReaG als Gewohnheitsrecht?“, S. 202. 56 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 542. 57 Kritisch zur Unbestimmtheit des Begriffs Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz (1971) S. 82: „Dabei handelt es sich im Grunde nur um das Gefühl darum, ob eine Schadensersatzpflicht angemessen ist. Der Begriff der Unmittelbarkeit bietet keine festen Kriterien.“. 58 Schiemann, Das sonstige Recht, in: FS Deutsch (2009), S. 895 (S. 906). 59 St. Rspr. s. nur BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); BGH v. 9. 12. 2014 – VI ZR 155/14, NJW 2015, 1174 (1176) m. w. N.; BGH v. 22. 6. 2011
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
207
in einem Atemzug genannt (unmittelbar betriebsbezogener Eingriff).60 Genau genommen konkretisiert das Kriterium der Betriebsbezogenheit aber die Unmittelbarkeit. Exakter ist es daher, von einem Eingriff zu sprechen, der unmittelbar ist, wenn er betriebsbezogen ist. Nicht betriebsbezogen ist ein Eingriff, wenn er lediglich Rechtsgüter oder Rechte betrifft, die ohne weiteres ablösbar sind.61 Denn „[d]a der Inhalt eines absoluten Rechts von dessen Gegenstand abhängt, kann es daher jeweils nur einen Gegenstand […] haben […]. Ein absolutes Recht mit mehreren Gegenständen ist danach nicht möglich.“62
Es muss daher ein Eingriff in den Bestand oder die Funktion des Gewerbebetriebs als solchen vorliegen. Das ist beispielsweise nicht bei Eingriffen in einzelne ohne weiteres ablösbare immateriellen Betriebsmittel der Fall, wie etwa die Geschäftsidee, das Know-how, der Goodwill, der Kundenstamm oder die Lieferbeziehungen.63 aa) Auslegung mit Hilfe des Zwecks
Ebenso wie die Unmittelbarkeit ist die Betriebsbezogenheit ein unbestimmter Rechtsbegriff, der weiter ausgelegt werden muss.64 Dabei hilft u. a. der dahinterstehende Zweck, Gewerbetreibende nicht zu privilegieren und einen generellen Vermögensschutz zu vermeiden.65 Einen Schaden, den eine Privatperson – I ZR 159/10, NJW 2011, 3443 (3450); BGH v. 20. 5. 2009 – I ZR 218/07, NJW 2009, 2958 (2959); BGH v. 10. 12. 2002 – VI ZR 171/02, NJW 2003, 1040 (1041); BGH v. 9. 12. 1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 = NJW 1959, 479 (481). 60 Beispielsweise Althammer, JA 2006, 697 (699). 61 S. nur BGH v. 9. 12. 1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 = NJW 1959, 479 (481); MüKo-BGB-Wagner, § 823 BGB Rn. 323 m. w. N. 62 Wolf, Das ReaG, in: FS Hippel (1967), S. 665 (S. 678 f.). 63 S. BGH v. 14. 4. 2005 – V ZB 16/05, BGHZ 163, 9 = NJW-RR 2005, 1175 (1177); vgl. ebenfalls Wolf, Das ReaG, in: FS Hippel (1967), S. 665 (S. 678 f.). 64 Zur „Unschärfe“ dieser Merkmale Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 31 ff., 35; BeckOGK-Spindler, § 823 BGB Rn. 208; kritisch ebenfalls Fabricius, AcP 160 (1960), 273 (304); Fabricius, JuS 1961, 151 (151 ff.); Schildt, WM 1996, 2261 (2262); s. auch BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 653/86, BAGE 59, 48 = NJW 1989, 61 (62); zudem Benecke, ZfA 2018, 2 (10), die feststellt, dass die unklare Abgrenzung der Betriebsbezogenheit zu Rechtsunsicherheiten führt. 65 BGH v. 10. 12. 2002 – VI ZR 171/02, NJW 2003, 1040 (1041): „Der Senat hat bereits mehrfach betont, dass der von der Rechtsprechung erarbeitete Deliktsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht in einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz für Gewerbetreibende ausufern darf, die dem deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände zuwiderlaufen würde.“; zudem BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); ebenfalls Löwisch/ Meier-Rudolph, JuS 1982, 237 (239).
208
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
ohne Entschädigung hinnehmen muss, soll ein Gewerbetreibender ebenfalls ohne Entschädigung hinnehmen müssen.66 Diesem Zweck versucht die Rechtsprechung gerecht zu werden, indem sie fordert, dem Eingriff müsse eine Schadensgefahr eigen sein, die über eine sozialübliche Behinderung hinausgehe.67 „Daher fehlt es an einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs, wenn auch jeder andere Rechtsträger einer entsprechenden Behinderung ausgesetzt sein kann, diese aber nach den das Haftungsrecht prägenden wertenden Zurechnungsgrundsätzen entschädigungslos hinnehmen müsste.“68 Beispiel: Kommt es bei der Deutschen Bahn aufgrund eines Streiks der GdL zu zahlreichen Ausfällen und Verspätungen, sind private Bahnkunden in gleicher Weise betroffen wie gewerbliche Bahnkunden. Damit kann sich der Gewerbetreibende nicht auf eine Schadensgefahr berufen, die über die sozialübliche Behinderung hinausgeht: Ebenso wie die Privatperson hat der Gewerbetreibende die Behinderung ohne Entschädigung hinzunehmen.
Eine „sozialübliche Behinderung“ ist in Konstellationen gegeben, die jedermann hätte treffen können und die normalerweise nicht zum Schadensersatz nach § 823 I BGB berechtigen. Dann trifft den Gewerbetreibenden das allgemeine Lebensrisiko. Dahinter stehen Wertungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 I GG: Richtet sich eine Handlung nicht explizit gegen den einen Betrieb, sondern werden Private wie Gewerbetreibende gleichermaßen beeinträchtigt, ist eine Ungleichbehandlung sachlich nicht zu rechtfertigen.69 Beispiel: Wird schuldhaft die Stromzufuhr unterbrochen und wird dadurch ein Gewerbebetrieb stillgelegt, ist die Betriebsbezogenheit zu verneinen, weil die Störung der Stromzufuhr nicht auf den gewerblichen Bereich beschränkt ist, sondern Gewerbetreibende 66 St. Rspr. BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); BGH v. 18. 1. 2012 – I ZR 187/10, BGHZ 192, 204 = NJW 2012, 2034 (2037); BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 653/86, BAGE 59, 48 = NJW 1989, 61 (62); BGH v. 13. 3. 1979 – VI ZR 117/77, BGHZ 74, 9 = NJW 1979, 1351 (1353); dazu auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 542. 67 BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1350); BAG v. 20. 1. 2009 – 1 AZR 515/08, NZA 2009, 615 (617); vgl. dazu auch Hauer, jurisPR-ArbR 7/2014, 5 100. 68 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50). 69 Vgl. BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 653/86, BAGE 59, 48 = NJW 1989, 61 (62); dazu auch BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); Löwisch/ Meier-Rudolph, JuS 1982, 237 (239); ein unmittelbarer Eingriff ist auch anderen Rechtsgebieten nicht fremd, so wird im Rahmen der Amtshaftungsansprüchen gefordert, dass die hoheitliche Maßnahme rechtswidrig in eine von Art. 14 GG geschützte Rechtsposition unmittelbar eingreift und dem Eigentümer dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird (Sonderopfer), s. am Beispiel des enteignungsgleichen Eingriffs BGH v. 20. 2. 1992 – III ZR 188/90, BGHZ 117, 240 = NJW 1992, 3229 (3234); Maunz/Dürig-Papier, Art. 34 GG Rn. 47 m. w. N.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
209
wie Privatpersonen gleichermaßen trifft. Es besteht kein Grund, Gewerbetreibende zu privilegieren.70 Aus dem selben Grund hat das BAG festgestellt, dass die Betriebsbezogenheit bei Nutzungsbeschränkungen oder -störungen von Transport- und Versorgungswegen (wie die Nutzung von Luftraum, Gleisen oder Wasserstraßen), die nicht ausschließlich dem geschädigten Gewerbebetrieb zustehenden, in der Regel fehlt.71
bb) Subjektive oder objektive Stoßrichtung des Eingriffs?
Fraglich ist, ob der Eingriff daneben willentlich gegen den Betrieb gerichtet sein, also mit subjektiver Stoßrichtung erfolgen muss. Auf der einen Seite fordert die Rechtsprechung, dass der Eingriff nach seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet ist.72 Auf der anderen Seite hat die Rechtsprechung einen Schutz nach § 823 I BGB meist in Konstellationen gewährt, in denen bewusst und gewollt in den Gewerbebetrieb eingegriffen wurde, also eine subjektive Stoßrichtung gegeben war.73 Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass zur Bestimmung der Betriebsbezogenheit das Kriterium der Willensrichtung heranzuziehen ist. Vielmehr spricht für eine objektive Konkretisierung die Verortung des Merkmals im objektiven Tatbestand: Erst wenn ein betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb objektiv festzustellen ist, ist zu prüfen, ob der Schädiger seine Handlung auch subjektiv zu verantworten hat. Der BGH argumentiert zudem, dass es eines Schutzes auch vor fahrlässigen Eingriffen in den Gewerbebetrieb bedürfe und ein solcher nicht bereits über § 826 BGB oder über Sondervorschriften gewähr70 S. BGH v. 9. 12. 1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 = NJW 1959, 479 (481); BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 653/86, BAGE 59, 48 = NJW 1989, 61 (62); dazu auch BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, juris Rn. 36; Löwisch/Meier-Rudolph, JuS 1982, 237 (239). 71 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50) m. w. N. 72 St. Rspr. BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50);BAG v. 20. 1. 2009 – 1 AZR 515/08, NZA 2009, 615 (617); BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1350); s. auch Löwisch/ Meier-Rudolph, JuS 1982, 237 (239). 73 S. BGH v. 16. 6. 1977 – III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 = NJW 1977, 1875 (1878); BGH v. 28. 2. 1980 – III ZR 131/77, BGHZ 76, 387 = NJW 1980, 2457 (2459); ebenfalls die Willensrichtung zur Abgrenzung ziehen heran: BGH v. 8. 1. 1981 – III ZR 125/79, NJW 1981, 2416; BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347; LAG Hessen v. 25. 4. 2013 – 9 Sa 561/12, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, 1 (15) ; BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347; ablehnend mit Blick auf arbeitskampfexterne Dritte ArbG Frankfurt v. 25. 03. 2013 – 9 Ca 5558/12, juris Rn. 118; ausführlich zudem Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 142 ff., insb. S. 147; Sack, VersR 2006, 1001 (1003); s. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 540: „Positiv gewendet bedeutet die Betriebsbezogenheit im wesentlichen Intentionalität in Richtung auf den Betrieb. Der Verletzer muß daher grundsätzlich die Kenntnis haben, daß seine Handlung den Betrieb betrifft.“ [Hervorhebungen wie im Originalzitat].
210
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
leistet ist.74 Forderte man einen willentlichen Eingriff in den Betrieb, bestünde kein Schutz vor solchen fahrlässigen Eingriffen. Auch ein systematischer Vergleich mit § 826 BGB spricht gegen das Erfordernis einer subjektiven Stoßrichtung: Eine tatbestandliche Abgrenzung nach der Willensrichtung würde zu einer Verlagerung der Vorsatzprüfung in den objektiven Tatbestand führen. Zwar ist eine solche Prüfung dem Gesetz nicht fremd, allerdings nur im Rahmen des § 826 BGB. Das verdeutlicht, dass eine Abgrenzung nach der Willensrichtung letztlich die Grenzen zwischen § 823 I BGB i. V. m. ReaG und § 826 BGB verwischt.75 Hinzu kommt, dass die Rechtsfigur des ReaG allein lückenschließenden Charakter hat. Für tatbestandlich vorsätzliche Schädigungen gibt es aber bereits die Haftungsnorm des § 826 BGB. Aus all den genannten Gründen folgt, dass der Eingriff mit seiner objektiven Stoßrichtung gegen den Betrieb gerichtet sein muss, um als betriebsbezogen und damit als unmittelbar eingeordnet werden zu können. cc) Betriebsbezogenheit allein bei Eingriffen von außen?
Denkbar ist, für die Betriebsbezogenheit einen Eingriff von außen vorauszusetzen. Schädigungen aus dem Inneren der Betriebsgemeinschaft würden dann kein betriebsbezogener Eingriff sein. Vertreten wird diese Ansicht zwar im Zusammenhang damit, ob der Streik überhaupt ein Eingriff ist.76 Da im Rahmen der Diskussion darauf angespielt wird, dass ein Eingriff von innen nicht gegen den Gewerbebetrieb als solchen gerichtet ist, ist diese Frage dogmatisch aber richtigerweise bei der Betriebsbezogenheit zu verorten. Im Zusammenhang mit Streiks wird argumentiert, dass sich – im Gegensatz zu Schädigungen des Gewerbebetriebs durch Wettbewerb – der Kampf zwischen der Gewerkschaft und dem bestreikten Arbeitgeber innerhalb der Produktionsgemeinschaft und außerhalb der Marktwirtschaft abspiele.77 Es sei „normale Aufgabe“ des Arbeitgebers, die Arbeitnehmer arbeitswillig zu halten, der Erfolg oder Misserfolg sei sein Risiko.78 Der streikende Arbeitnehmer sei nicht mit einem Dritten vergleichbar, der in eine bestehende Organisationsbeziehung eingreift: 74 S. BGH v. 9. 12. 1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 = NJW 1959, 479 (480); BGH v. 22. 12. 1961 – I ZR 152/59, BGHZ 36, 252 („Gründerbildnis“) = NJW 1962, 1103 (1104). 75 Im Ergebnis kritisiert das auch Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 247 ff., der die Anwendung von § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG ablehnt und die Fallkonstellationen stattdessen über § 826 BGB lösen will. 76 Hoeniger, RdA 1953, 204 (211); Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 76 ff., 85. 77 So Hoeniger, RdA 1953, 204 (211); Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 76 ff., 85; Ramm, AuR 1964, 321 (329). 78 Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 76.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
211
„[Das ReaG] will das Ergebnis der unternehmerischen Leistung schützen. Es will aber nicht bei der Erreichung dieses Ergebnisses behilflich sein, indem es etwa Arbeitnehmer wie auch Kunden oder Lieferanten zwingt, sich in die Unternehmensorganisation ,einspannen zu lassen‘. Das zu erreichen obliegt dem Unternehmer selbst.“79
Daher sei der Streik als Beinträchtigung von innen kein Eingriff in den Gewerbebtrieb.80 Diese Ansicht ist im historischen Kontext zu sehen: In den 50er-Jahren gingen der BGH und das Schrifttum noch davon aus, dass der Eingriff in das ReaG die Rechtswidrigkeit ebenso indiziere wie beispielsweise eine Eigentumsverletzung.81 Die Vertreter dieser Ansicht mussten folglich voraussetzen, dass bei Annahme eines Eingriffs die Beweislast für einen Rechtfertigungsgrund bei der Gewerkschaft liegt. Der Geschädigte hingegen musste die Rechtswidrigkeit nicht beweisen, weil der Eingriff bereits Indiz für dessen Vorliegen war.82 Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung zu dieser Zeit erst anfing, den unmittelbaren Eingriff zu konkretisieren und Abgrenzungskriterien zu entwickeln. Auch wenn die Entwicklung noch heute nicht vollends abgeschlossen ist, wurden bereits andere eingrenzende Mechanismen gefunden. Das Differenzierungsmerkmal danach, ob die Beeinträchtigung von außen oder innen erfolgt, eignet sich indes nicht zur Eingrenzung. Handlungen, die aus dem Inneren des Betriebes kommen, können ebenso gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sein und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen wie ein vergleichbarer Eingriff, der von außen kommt. Beide Konstellationen unterschiedlich zu behandeln, obwohl sie gleich wirken, ist vor dem Hintergrund von Art. 3 I GG sachlich nicht zu rechtfertigen. Beispiel: Die Rechtsposition des Gewerbebetriebs ist in gleicher Weise verkürzt, wenn Arbeitnehmer im Streik ihre Arbeit niederlegen, wie wenn Arbeitnehmer durch eine Betriebsblockade an dem Zutritt zu ihrem Unternehmen gehindert werden und deswegen nicht arbeiten können.83 In beiden Fällen geht es um Handlungen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet sind. 79
Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 76. Hoeniger, RdA 1953, 204 (211); Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 76 ff., 85. 81 S. nur BGH v. 26. 10. 1951 – I ZR 8/51, BGHZ 3, 270 („Constanze I“) = NJW 1952, 660 (661); BGH v. 28. 11. 1952 – I ZR 21/52, BGHZ 8, 142 (145); einen Überblick über die Rechtsprechung bei Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 111. 82 Allgemein zur gesetzlichen Beweislastverteilung s. Musielak-Foerste, § 286 ZPO Rn. 35 m. w. N. 83 S. zur Annahme eines unmittelbaren Eingriffs in das ReaG bei Zutrittssperren für Kunden RG v. 13. 2. 1911 – VI 652/09, RGZ 76, 35 (46) ; zu Streikposten, die Kunden und arbeitswillige Arbeitnehmer am Betreten des Betriebes hindern BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57 (60); BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 653/86, BAGE 59, 48 = NJW 1989, 61 (62); zusammenfassend Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 240 ff. 80
212
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Es kann nicht darauf ankommen, ob Dritte die Arbeit eines Unternehmens von außen behindern oder ob die gleiche Arbeit des Unternehmens von innen durch die Arbeitsniederlegung der Arbeitnehmer beeinträchtigt wird. Sonst liefe es darauf hinaus, danach abzugrenzen, ob Arbeitnehmer nicht arbeiten wollen (dann von innen) oder nicht arbeiten können (dann von außen). Die Willensrichtung des Schädigers ist jedoch kein taugliches Differenzierungsmerkmal, vielmehr ist auf die objektive Stoßrichtung abzustellen.84 Das Kriterum eines Eingriffs von außen im Gegensatz zur Beeinträchtigung von innen ist daher nicht geeignet, die Betriebsbezogenheit zu konkretisieren.85 b) Zwischenergebnis
Ein Eingriff ist betriebsbezogen und damit unmittelbar, wenn ihm eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine sozialübliche Behinderung hinausgeht, und der Eingriff in seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Gewerbebetriebs gerichtet ist.86 3. Streik als unmittelbarer Eingriff der Gewerkschaft in den Gewerbebetrieb des bestreikten Arbeitgebers
Nachdem allgemein aufgezeigt wurde, nach welchen Kriterien ein unmittelbarer Eingriff bestimmt wird, ist zu untersuchen, ob ein Streik einen solchen Eingriff darstellen kann. a) Rechtmäßige wie rechtswidrige Streiks als Eingriff denkbar?
Einerseits ist denkbar, dass jeder Streik – rechtswidrig oder rechtmäßig – den Schutzbereich des ReaG verkürzt (wenn die sonstigen Voraussetzungen des Eingriffs gegeben sind87), wobei rechtmäßige Streiks auf Ebene der Rechtswidrigkeit ausscheiden.88 Andererseits ist es möglich, rechtmäßige Streiks von 84 S. bereits oben § 9 B.II. 2. a) bb) „Subjektive oder objektive Stoßrichtung des Eingriffs?“, S. 209. 85 Ebenfalls kritisch gegenüber Begemanns Ausführungen Hueck, RdA 1960, 346. 86 BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1350); BAG v. 20. 1. 2009 – 1 AZR 515/08, NZA 2009, 615 (617); Löwisch/ Meier-Rudolph, JuS 1982, 237 (239); vgl. ebenfalls Erman BGB-Wilhelmi, § 823 Rn. 63 („Vorsatz oder gar Finalität des Eingriffs, an die der Begriff denken lässt, sind gerade nicht Voraussetzung“); a. A. Emmerich, SchulR BT (2018) S. 296, nach dem sich der Eingriff subjektiv gegen den Betrieb richten muss. 87 Zu den sonstigen Voraussetzungen des Eingriffs ausführlich oben § 9 B. II. 2. „Unmittelbarer Eingriff“, S. 205. 88 So wohl Nipperdey, Arbeitskampf als unerlaubte Handlung, in: FS Sitzler (1956), S. 79 (S. 79 ff.); Löwisch/Caspers/Klumpp, Arbeitsrecht (2012) 25 Rn. 1135; Richardi, ZfA
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
213
vornherein ausscheiden zu lassen und allein rechtswidrige Streiks als Eingriff einzuordnen.89 Für letztgenannte Ansicht spricht, dass der Anwendungsbereich des ReaG aufgrund des Ausnahmecharakters eng zu fassen ist.90 Ordnet man sämtliche Streiks – rechtmäßige wie rechtswidrige – als möglichen Eingriff ein, legt man den Anwendungsbereich aber zunächst weit aus. Zudem verkehrt man das Regel-Ausnahme-Verhältnis, wenn die Streikfreiheit regelmäßig ein Eingriff ist: „Während uns sonst die Rechtsprechung sagt, wann der Eingriff in den Gewerbebtrieb ausnahmsweise verboten ist, sagt sie uns hier, unter welchen Umständen der Streik allein erlaubt ist.“91
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Rechtsprechung das ReaG als offenen Tatbestand versteht.92 Mit Tatbestand ist damit der Tatbestand im weiteren Sinne gemeint, der alle Bedingungen umfasst, die die Rechtsfolge auslösen und damit auch die Rechtswidrigkeit.93 Offen ist der Tatbestand der Rechtswidrigkeit, weil das Vorliegen eines Eingriffs nicht bereits indiziert, dass dieser auch rechtswidrig war.94 Das ist damit zu begründen, dass dem ReaG die eigentumsähnliche Ausschlussfunktion, die sozialtypische Offenkundigkeit und somit scharfe Konturen fehlen.95 Das ReaG ist zu allgemein, um aus 1985, 101 (104); BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); wohl auch BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1350), Erwägungsgrund 31; vgl. auch BAG v. 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10, BAGE 142, 98 – 115 = NZA 2012, 1372 (1378). 89 So noch Nipperdey, Gutachten (1953) S. 44; Nipperdeys Ansicht zusammenfassend Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 43; s. auch Walker, ZfA 1995, 185 (198), der die Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme als Voraussetzung der Betriebsbezogenheit sieht; ebenso BAG v. 4. 5. 1955 – 1 AZR 493/54, BAGE 2, 75 = NJW 1955, 1373. 90 S. bereits oben § 9 A. II. 4. „ReaG als Gewohnheitsrecht?“, S. 202. 91 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1218; s. dazu auch Begemann, Streik und Gewerbebetrieb (1957) S. 39; s. parallel dazu das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Eingriff und Rechtfertigung in der Grundrechtsprüfung Kielmansegg Graf, JuS 2008, 23. 92 BGH v. 21. 6. 1966 – VI ZR 261/64, BGHZ 45, 296 („Höllenfeuer“) = NJW 1966, 1617 (1618); BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 6/71, BGHZ 59, 30 = NJW 1972, 1366 (1367); BGH v. 13. 3. 1979 – VI ZR 117/77, BGHZ 74, 9 = NJW 1979, 1351 (1352); ; anders noch BGH v. 26. 10. 1951 – I ZR 8/51, BGHZ 3, 270 („Constanze I“) = NJW 1952, 660 (661); BGH v. 28. 11. 1952 – I ZR 21/52, BGHZ 8, 142 (145) . 93 Im Zusammenhang mit Grundrechten differenziert Alexy, Theorie der Grundrechte (2006) S. 278 ebenfalls zwischen dem Grundrechtstatbestand im weiteren Sinne, der den Schutzbereich des Grundrechts und seine Schranken umfasst, und dem Grundrechtstatbestand im engeren Sinne, der allein den Schutzbereich des Grundrechts erfasst. 94 Ausführlicher dazu noch § 9 B. III. „Rechtswidrigkeit des unmittelbaren Eingriffs“, S. 219 ff. 95 S. bereits oben § 9 A. II. 2. b) „ReaG als sonstiges Recht?“, S. 199; zur sozialtypischen Offenkundigkeit Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 374; grundlegend dazu
214
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
sich selbst heraus Interessenkonflikte zu lösen.96 Daher müssen alle Interessen und Güter abgewogen werden. Kommt diese Abwägung zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Geschädigten überwiegt, ist der Eingriff in den Gewerbebetrieb rechtswidrig und das Unrecht manifestiert (sog. Lehre vom Handlungsunrecht).97 Unerlaubt wird der Eingriff daher erst durch seine positiv festgestellte Rechtswidrigkeit. Ein rechtmäßiger Streik kann zwar in den Gewerbebetrieb eingreifen, er ist jedoch keine zu missbilligende unerlaubte Handlung, weil die Rechtswidrigkeit zu verneinen ist.98 Das weite Verständnis der Eingriffsprüfung wird durch ein enges Verständnis der Rechtswidrigkeitsprüfung eingegrenzt. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass mit einer solchen Einordnung den Gewerkschaften eine Beweislast auferlegt wird, die den Wertungen des Art. 9 III GG zuwiderläuft.99 Nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen trägt schließlich der Geschädigte als Anspruchssteller die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale.100 Zu den rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmalen zählt beim offenen Tatbestand des ReaG ebenfalls die Rechtswidrigkeit. Also hat der bestreikte Arbeitgeber die Rechtswidrigkeit zu beweisen. Beim ReaG und parallel dazu beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht spielen in der umfassenden Interessen- und Güterabwägung vor allem Grundrechte des Geschädigten, des Schädigers und Dritter eine Rolle. Die deliktische Rechtswidrigkeitsprüfung des ReaG ist Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen und erinnert sehr an die Rechtfertigungsprüfung im Verfassungsrecht. ebenfalls Fabricius, AcP 160 (1960), 273 (278 ff.); vgl. auch Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 165; BeckOGK-Spindler, § 823 BGB Rn. 211: „Denn der Handlungsspielraum des Unternehmens kann keinen feststehenden Schutz beanspruchen, sondern ist gerade in einer marktwirtschaftlichen Ordnung in ein bewegliches System von Wertungen und Interessen eingebunden.“. 96 S. Kielmansegg Graf, JuS 2008, 23 im Zusammenhang mit der Grundsätzlichkeit und Allgemeinheit von Grundrechten. 97 Überblicksartig zur Lehre vom Handlungsunrecht MüKo-BGB-Wagner, § 823 BGB Rn. 5 ff. 98 Vgl. Nipperdey, Gutachten S. 39 f.: „Handlungen, die sich im Rahmen der allgemeinen Ordnung des menschlichen Zusammenlebens halten und somit sozialadaequat sind (…), sind nicht tatbestandsmäßig und kommen als unerlaubte Handlungen nicht in Betracht.“. 99 Anderes mag im Zusammenhang mit der Haftung der Gewerkschaft auf europäischer Ebene gelten (Entscheidungen Viking und Laval): „[Trade unions] will systematically have to justify their actions, something which is strongly at variance with the context of social relations as these have emerged from the internationalisation of economic activity. We have here a revearsal of the burden of justification which runs counter to the logic of collective action.“, Moreau, Is the European Court of Justice moving towards specialisa tion in the social field?, in: Social developments in den EU (2009), S. 183 (S. 191 f.). 100 Allgemein zur gesetzlichen Beweislastverteilung s. Musielak-Foerste, § 286 ZPO Rn. 35 m. w. N.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
215
Damit spricht auch die Nähe zur Grundrechtsdogmatik für eine solche Einordnung. Festzuhalten ist daher, dass sowohl rechtswidrige als auch rechtmäßige Streiks ein Eingriff sein können. b) Betriebsbezogenheit von Streiks
Weiterhin ist zu untersuchen, in welchen Konstellationen ein Streik unmittelbar die Rechtsposition des ReaG verkürzt. Nach den oben aufgezeigten Kriterien101 ist der Streik betriebsbezogen, wenn ihm erstens eine Schadensgefahr eigen ist, die über die sozialübliche Behinderung hinaus geht (aa)). Zweitens ist erforderlich, dass der rechtswidrige Streik mit objektiver Stoßrichtung gegen den Betrieb als solchen gerichtet ist (bb)). aa) Schadensgefahr mit sozialunüblicher Behinderung
Eine Schadensgefahr ist für den Gewerbetreibenden sozialüblich, wenn und soweit eine Privatperson bei gleicher Behinderung keine Entschädigung erhalten würde, beide also in gleicher Weise betroffen sind.102 Soazialunüblich ist eine Schadensgefahr hingegen, wenn der Gewerbetreibende in besonderer Weise betroffen ist, die Auswirkungen also nicht nur wie „Jedermann“ spürt. Wird ein Arbeitgeber betreikt, ist er regelmäßig in besonderer Weise und damit sozialunüblich beeinträchtigt: Ein Streik hat für den bestreikten Arbeitgeber typischerweise andere und vor allem weitergehende Auswirkungen als für seine Kunden oder Lieferanten. Beispiel 1: Bestreikt die GdL die Deutsche Bahn, sind Privatpersonen in gleicher Weise von den Verspätungen und Streichungen im Bahnverkehr betroffen wie Gewerbetreibende.103 Für die Deutsche Bahn ist die Situation jedoch anders: Sie ist nicht als Kunde von langen Wartezeiten betroffen. Vielmehr kann sie als Dienstleister ihre vertraglichen Pflichten nicht oder nur schlecht erfüllen und es droht der Verlust von Kunden. Daher wird die Deutsche Bahn versuchen, die Auswirkungen des Streiks möglichst gering zu halten, indem sie nicht bestreikte Züge mit weiteren Waggons bestückt (Erhöhung der Kapazität), Streikbrecher einsetzt oder Aufträge an andere Bahnunternehmen vergibt. Die Deutsche Bahn ist von dem Streik folglich dadurch betroffen, dass 101 S. § 9 B. II. 2. a) „Betriebsbezogenheit als Konkretisierung der Unmittelbarkeit“, S. 206 ff. 102 S. bereits oben § 9. B. II. 2. a) aa) „Auslegung mit Hilfe des Zwecks“, S. 207. 103 „Daher fehlt es an einer Betriebsbezogenheit des Eingriffs, wenn auch jeder andere Rechtsträger einer entsprechenden Behinderung ausgesetzt sein kann, diese aber nach den das Haftungsrecht prägenden wertenden Zurechnungsgrundsätzen entschädigungslos hinnehmen müsste.“, BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); ausführlicher zu den Drittbetroffenen noch unten § 18 A. II. „Schadensgefahr mit sozialunüblicher Behinderung“, S. 268; zur Anwendung des ReaG auf Selbstständige bereits oben § 9 B. II. 1. „Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb“, S. 205.
216
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
einerseits das Verhältnis zu den Kunden gestört wird, andererseits der Betrieb für den Zeitraum des Streiks umorganisiert werden muss. Damit ist die Deutsche Bahn in besonderer Weise, also anders als ihre Kunden betroffen. Beispiel 2: Wird HARIBO bestreikt und werden deswegen fünf Millionen Goldbären weniger produziert104, kann HARIBO seine Kunden möglicherweise zunächst aus Vorräten beliefern, sodass es zu keinen oder kaum zu Lieferengpässen kommt. Die dadurch enstehenden Kosten und der damit verbundene organisatorische Aufwand treffen allein HARIBO. Seine Abnehmer – private wie gewerbliche Kunden – spüren den Streik entweder gar nicht oder nur in sehr abgeschwächter Form. Selbst wenn zeitweise keine Goldbären ausgeliefert werden, finden die Kunden in aller Regel keine leeren Süßigkeitenregale in den Geschäften vor, Umsatzeinbußen können dadurch kompensiert werden, dass sich die Nachfrager für ein anderes Produkt entscheiden oder die Goldbären zu einem späteren Zeitpunkt erwerben.105 Mithin sind die Kunden nicht in gleicher Weise wie HARIBO vom Streik betroffen. Vielmehr ist HARIBO in besonderer Weise betroffen.
Während der Arbeitgeber mit der streikbedingten Arbeitsniederlegung umgehen muss und diese abzufedern versucht, treffen seine Vertragspartner (Gewerbetreibende wie Privatpersonen) Störungen in ihren Vertragsverhältnissen zum Arbeitgeber, meist durch Spät- oder Nichtleistungen. Die Maßnahmen, die der Arbeitgeber ergreift, um die Auswirkungen des Streiks gering zu halten, sind daher vielfach andere als die seiner Vertragspartner. Kann der Arbeitgeber die Streikfolgen erfolgreich abfedern, bleibt der Vertragspartner von streikbedingten Schäden möglicherweise unberührt. Damit ist die Schadensgefahr, mit welcher der Arbeitgeber konfrontiert ist, eine andere als diejenige seiner Vertragspartner. Er ist in besonderer Weise betroffen. Die unterschiedliche Behandlung von Arbeitgeber und seinen Vertragspartnern privilegiert damit nicht Gewerbetreibende gegenüber Privatpersonen. Vielmehr handelt es sich um eine Schadensgefahr, die über die sozialübliche Behinderung hinausgeht.
104 Weltweit werden an 16 Produktionsstandorten ca. 100 Millionen Goldbären produziert, s. HARIBO, Zahlen und Fakten, abrufbar im Internet: https://www.haribo.com/ deDE/unternehmen/zahlen-fakten.html (Stand: 29. 4. 19). 105 Vgl. hierzu das Beispiel zur Fallgruppe 1 von Scharff, BB 2015, 1845 (1848).
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
217
bb) Objektive Stoßrichtung des Streiks
Des Weiteren muss der Streik mit seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers gerichtet sein.106 Das ist typischerweise der Fall: Der Streik übt auf die tarifschließende Arbeitgeberseite Druck aus und zwingt sie zu Handlungen, beispielsweise zu einem höheren Tarifabschluss. Gleichzeitig kann sich der bestreikte Arbeitgeber zu einer Reorganisation des Betriebs oder anderen (teilweise kostenintensiven) Maßnahmen gezwungen fühlen, um die Auswirkungen des Streiks gering zu halten. Damit greift die Gewerkschaft objektiv in die Entscheidungsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers ein.107 Schädigt dieselbe Handlung auch andere Gewerbetreibende, etwa Lieferanten, Kunden oder sonstige Vertragspartner des Arbeitgebers, ist das für diese lediglich mittelbare Folge des Eingriffs und damit in aller Regel kein Eingriff mit objektiver Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit.108 Zu dem Ergebnis kommt auch das BAG: 106 Zur Abgrenzung zur subjektiven Stoßrichtung s. bereits oben § 9 B. II. 2. a) bb) „Subjektive oder objektive Stoßrichtung des Eingriffs?“, S. 209. 107 Ebenso BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); a. A. wohl Picker, ZfA 2010, 499 (577): „Der Streik führt deshalb, eben wegen dieser ,Natur‘, nicht zu einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtspositionen, die der Arbeitgeber schon unabhängig von seinem vertraglichen Leistungsanspruch gegen den Arbeitnehmer besitzt. (…) [Der Streik] erschöpft sich in dem Effekt, die Investition der vom Arbeitgeber verpflichteten Arbeitskraft wertlos zu machen.“. 108 Ausführlich dazu noch unten § 18 A. III. „Objektive Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit“, S. 268 ff.
218
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
„Bei einem Streik folgt die unmittelbare Kampfbetroffenheit des Arbeitgebers aus dem Streikaufruf. Demzufolge fehlt es gegenüber einem kampfunbeteiligten Arbeitgeber regelmäßig an der Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in dessen Gewerbebetrieb, mag sein Unternehmen auch durch den Streik beeinträchtigt sein.“109
cc) Zwischenergebnis
Der Arbeitgeber ist von dem Streik in der Regel in besonderer Weise betroffen. Damit ist die Schadensgefahr des Arbeitgebers eine andere als diejenige seiner Vertragspartner, sodass eine unterschiedliche Behandlung keine der Gruppen privilegiert. Vielmehr handelt es sich um eine Schadensgefahr, die über die sozialübliche Behinderung hinausgeht. Des Weiteren beeinträchtigt der Streik regelmäßig die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers und greift dadurch mit objektiver Stoßrichtung in seinen Gewerbebetrieb ein. Damit ist der Eingriff durch Streik in der Regel betriebsbezogen und damit unmittelbar. c) Streik als zurechenbarer unmittelbarer Eingriff der Gewerkschaft
Die Gewerkschaft muss sich das Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB zurechnen lassen.110 Da § 31 BGB lediglich eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung verlangt, sind deliktische Handlungen ebenso umfasst wie vertragswidrige.111 § 278 S. 1 BGB gilt im Deliktsrecht nicht. Bei Handlungen von Verrichtungsgehilfen besteht ggf. ein eigener Anspruch aus § 831 BGB.112 Ebenso wie im Rahmen der Schutzpflichtverletzungen i. S. d. § 241 II BGB113 kommt eine Zurechnung beim nichtgewerkschaftlichen Streik nicht in Betracht. Auch beim Streik einer tarifunfähigen Arbeitnehmerkoalition liegt keine Handlung der Gewerkschaft vor. Zwar kann in diesen Fällen unmittelbar in den Gewerbebetrieb des betroffenen Arbeitgebers eingegriffen worden sein, Anspruchsgegner ist dann jedoch der jeweils Handelnde. Derartige Ansprüche sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. 4. Zwischenergebnis
Das ReaG schützt die ungestörte Betätigung und Entfaltung eines bestehenden Gewerbebetriebs. Als Unternehmensträger ist der jeweils bestreikte Arbeitgeber 109 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); ebenso BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543; s. zudem unten § 18 A. III. „Objektive Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit“, S. 268 ff. 110 Dazu bereits oben § 3 B. III. 1. „Handeln von Organen, § 31 BGB“, S. 65. 111 Dazu Schirmer, Das Körperschaftsdelikt (2015) S. 9 f. 112 Dazu noch unten § 11 „Schadensersatz aus § 831 BGB wegen Haftung für den Verrichtungsgehilfen“, S. 235 ff. 113 Dazu oben § 5 B. III. 1. e) „Handeln der Gewerkschaft“, S. 153.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
219
Inhaber eines Anspruchs aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG. Das setzt zunächst voraus, dass unmittelbar in den Gewerbebetrieb eingegriffen wird. Unmittelbar ist ein Eingriff, wenn er betriebsbezogen ist. Betriebsbezogenheit ist gegeben, wenn dem Eingriff eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine sozialübliche Behinderung hinausgeht und der Eingriff in seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Gewerbebetriebs gerichtet ist. Der Streik erfüllt mit Blick auf den bestreikten Arbeitgeber in der Regel beide Kriterien, sodass ein betriebsbezogener Eingriff regelmäßig vorliegt. Unbeachtlich ist dabei, ob der Streik rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Zudem muss der Gewerkschaft das Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB zurechenbar sein. Handelt ein Verrichtungsgehilfe, kommt ein eigener Anspruch aus § 831 BGB in Betracht. Keine Handlung der Gewerkschaft liegt beim nichtgewerkschaftlichen Streik und beim Streik einer tarifunfähigen Arbeitnehmerkoalition vor. III. Rechtswidrigkeit des unmittelbaren Eingriffs
§ 823 I BGB setzt eine widerrechtliche Verletzung voraus. Diese ist gegeben, wenn die Verletzung im Widerspruch zur Rechtsordnung steht.114 Anders als bei den ausdrücklich in § 823 I BGB genannten Rechtsgütern indiziert die Verletzung von Rahmenrechten nicht bereits, dass sie im Widerspruch zur Rechtsordnung steht; es handelt sich vielmehr um einen sog. offenen Haftungstatbestand.115 Das liegt daran, dass der Schädiger den Umfang des Schutzes nicht offensichtlich und eindeutig erkennen kann. Unternehmen, die am Markt im Wettebwerb tätig sind, tangieren sich beispielsweise fortlaufend gegenseitig: Das ReaG steht im ständigen Spannungsverhältnis zu anderen Rechtsgütern und Interessen.116 Die Verletzung allein kann daher noch nichts über ihre Widerrechtlichkeit aussagen. Vielmehr steht die Rechtsgutsverletzung erst dann im Widerspruch zur Rechtsordnung, wenn nach einer umfassenden Abwägung die Rechtsgüter und Interessen des Geschädigten gegenüber denjenigen des Schädigers überwie114
Stellvertretend für viele s. Hohn, JuS 2008, 494. v. 21. 6. 1966 – VI ZR 261/64, BGHZ 45, 296 („Höllenfeuer“) = NJW 1966, 1617 (1618); BGH v. 30. 5. 1972 – VI ZR 6/71, BGHZ 59, 30 = NJW 1972, 1366 (1367); BGH v. 13. 3. 1979 – VI ZR 117/77, BGHZ 74, 9 = NJW 1979, 1351 (1352); s. ebenfalls BGH v. 20. 01. 1981 – VI ZR 162/79, BGHZ 80, 25 = NJW 1981, 1089 (1090); stellvertretend für viele Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 200; Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 165; Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 7; anders noch BGH v. 26. 10. 1951 – I ZR 8/51, BGHZ 3, 270 („Constanze I“) = NJW 1952, 660 (661); BGH v. 28. 11. 1952 – I ZR 21/52, BGHZ 8, 142 (145) Nipperdey, Gutachten S. 34; Bulla, RdA 1962, 6 (7); überblicksartig dazu Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 112 f.; Sack, VersR 2006, 1001 (1003). 116 Ausführlich dazu bereits oben § 9 B. II. 3. a) „Rechtmäßige wie rechtswidrige Streiks als Eingriff denkbar?“, S 212. 115 BGH
220
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
gen.117 Nur in diesen Fällen kann positiv festgestellt werden, dass die Verletzung nicht im Einklang mit der Rechtsordnung steht und daher widerrechtlich i. S. d. § 823 I BGB ist. Zu den Rechtsgüter und Interessen zählen auch grundrechtlich geschützte Rechtsgüter: Im Wege der mittelbaren Drittwirkung sind die betroffenen Grundrechte „interpretationsleitend“118 zu berücksichtigen.119 1. Umfassende Güter- und Interessenabwägung
Für die Abwägung sind in einem ersten Schritt die Interessen und Rechtsgüter abstrakt gegenüberzustellen und zu gewichten (a)). In einem zweiten Schritt sind die konkret relevanten Umstände der denkbaren Einzelfälle zu bewerten, wie der Grad der Betroffenheit und die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen (b)).120 Als Maßstab der Abwägung ist zudem in Erinnerung zu rufen: Das ReaG ist dogmatisch ein Fremdkörper im deliktischen Haftungssystem, weshalb zu verhindern ist, dass einerseits mit seiner Hilfe vertragliche Wertungen (Stichwort: Relativität der Schuldverhältnisse) umgangen werden und andererseits Gewerbetreibenden als privilegierte Gruppe reiner Vermögensschutz gewährt wird. Daher ist auch im Rahmen der Abwägung ein restriktiver Maßstab anzulegen, sodass die Begründungslast eines positiven Rechtswidrigkeitsurteils hoch ist. a) Abstrakte Güter- und Interessenabwägung
Für die abstrakte Abwägung der Rechtsgüter spielen vor allem die Wertigkeit und die Schutzbedürftigkeit des Rechtsguts eine Rolle.121 Tendenziell ist ein Rechtsgut umso schützenswerter, je stärker es ein höchstpersönliches ist 117 St. Rspr. s. nur BGH v. 9. 12. 1975 – VI ZR 157/73, BGHZ 65, 325 = NJW 1976, 620 (621); BGH v. 7. 2. 1984 – VI ZR 193/82, BGHZ 90, 113 = NJW 1984, 1607 (1609); überblicksartig dazu Croon-Gestefeld, JA 2016, 1374 (1377); im Rahmen des parallel laufenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts BGH v. 21. 6. 1966 – VI ZR 261/64, BGHZ 45, 296 („Höllenfeuer“) = NJW 1966, 1617 (1618); zum Erfordernis des positiven Rechtswidrigkeitsurteil beim ReaG BGH v. 7. 2. 1984 – VI ZR 193/82, BGHZ 90, 113 = NJW 1984, 1607 (1609); überblicksartig dazu Sack, Gewerbebetrieb (2007) S. 112 f.; zudem Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 200; Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 823 BGB Rn. 265; Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 165; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II (2018) § 72 Rn. 4. 118 So in st. Rspr. – hier im Rahmen des APR – BGH v. 25. 10. 2011 – VI ZR 332/09, NJW 2012, 767 (769); zuletzt etwa BGH v. 10. 7. 2018 – VI ZR 225/17, NJW 2018, 3506 (3508). 119 Dazu bereits oben unter § 5 B. I. „§ 241 II BGB als Einfallstor verfassungsrechtlicher Wertungen“, S. 144 ff. 120 Dazu, dass die Unterteilung in eine abstrakte und konkrete Gewichtung sinnvoll ist, s. Riehm, Abwägungsentscheidungen (2006) S. 61 ff.. 121 Allgemein zur abstrakten Gewichtung in der Abwägung Riehm, Abwägungsentscheidungen (2006) S. 33; Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung (2014) S. 229 ff. und 241 ff.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
221
und je größer die Bedeutung für die Demokratie ist.122 Fallen auf einer Seite mehrere Rechtsgüter mit Verfassungsrang in die Waagschale, ist das ebenfalls zu berücksichtigen. Es spielt vor allem das bereits oben skizzierte Spannungsverhältnis zwischen der Gewerbefreiheit des bestreikten Arbeitgebers einerseits (Art. 12 I GG) und der Streikfreiheit der Gewerkschaft andererseits (Art. 9 III GG) eine große Rolle. aa) Abzuwägende Rechtsgüter des bestreikten Arbeitgebers
Bei einem Streik sind einerseits die Gewerbe- (Art. 12 I GG) und wirtschaftliche Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) des bestreikten Arbeitgebers betroffen. Die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) ist ebenso tangiert123; sie spielt in dieser Abwägung jedoch keine Rolle, weil das ReaG allein lückenfüllenden Charakter hat, das Eigentumsrecht aber bereits über § 823 I BGB (Eigentumsverletzung) geschützt ist. Andererseits kann auch die kollektive Koalitionsfreiheit (Art. 9 III GG) eine Rolle spielen. (1) Gewerbefreiheit (Art. 12 I GG)
Die Arbeitgeberseite kann sich auf ihre Gewerbefreiheit aus Art. 12 I GG berufen.124 Neben der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG wird die Berufsfreiheit – und mit ihr auch die Gewerbefreiheit – als Hauptfreiheitsrecht des Wirtschaftslebens bezeichnet.125 Art. 12 I GG ist einerseits persönlichkeitsbezogen, weil es den Lebensunterhalt sichert (Freiheit der Berufsausübung) und in einem engen Zusammenhang mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) steht.126 Andererseits ist Art. 12 GG die zentrale Grundnorm für das Arbeits-, Wirtschafts- und Berufsrecht.127 Damit berührt Art. 12 I GG zwar nicht unmittelbar Grundsäulen der Demokratie, als wichtiger Pfeiler 122 S. dazu Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung (2014) S. 242, der jedoch gleichzeitig betont, dass sich ein prima-facie-Vorrang von Persönlichkeitsrechten gegenüber rein sachbezogenen Rechten oder von dem Demokratieprinzip gegenüber Persönlichkeitsrechten nicht verallgemeinern lässt, sondern es entscheidend auf den situationsbedingten, konkreten Ausprägungsgrad bei der Ausübung des Rechts ankommt. 123 Dazu bereits oben § 5 B. III. 1. b) „Einwirkung auf die Eigentumsfreiheit“, S. 151. 124 S. zum Schutzbereich der Gewerbefreiheit bereits oben § 5 B. III. 1. a) „Einwirkung auf die Gewerbefreiheit“, S. 150. 125 S. nur Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 4. 126 Zur Freiheit der Berufsausübung s. nur Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 1; zur Nähe der Berufsfreiheit zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht s. Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 9; die überwiegende Ansicht wendet das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch auf juristische Personen an, stellvertretend für viele Maunz/Dürig-Di Fabio, Art. 2 I GG Rn. 224 m. w. N. 127 S. Maunz/Dürig-Scholz, Art. 12 GG Rn. 6, der die Bedeutung von Art. 12 GG als zentralte Grundnorm des Berufsverfassungsrechts hervorhebt.
222
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
der Gesellschaftsordnung genießt es dennoch einen hohen Rang. Die abstrakte Wertigkeit der Berufsfreiheit ist mithin hoch einzustufen. (2) Wirtschaftliche Handlungsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers (Art. 2 I GG)
Subsidiär zur Gewerbefreiheit ist die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers betroffen.128 Sie schützt alle Verhaltensweisen, die darauf gerichtet sind, Erwerb zu erzielen oder typischerweise damit im Zusammenhang stehen, sofern sie nicht bereits von Art. 12 I GG oder Art. 14 I GG umfasst sind.129 Zwar ist die wirtschaftliche Handlungsfreiheit ebenfalls persönlichkeitsbezogen, als generelles Wirtschaftsgrundrecht hat es jedoch allein Auffangfunktion und genießt daher einen bloß untergeordneten Rang.130 (3) Kollektive Koalitionsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers (Art. 9 III GG)
Art. 9 III GG schützt alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen, wozu auch das Aushandeln und der Abschluss von Tarifverträgen zählt.131 Der Streik zwingt die Arbeitgeberseite regelmäßig, sich als Koalition anders als gewollt zu verhalten. Deshalb ist der gewichtige Art. 9 III GG regelmäßig durch den Streik betroffen. (4) Zwischenergebnis
Auf Seiten des bestreikten Arbeitgebers sind die gewichtige Gewerbe- und Koalitionsfreiheit und subsidiär die weniger gewichtige wirtschaftliche Handlungsfreiheit in die Waagschale zu werfen. bb) Abzuwägende Rechtsgüter der Gewerkschaft (1) Streikfreiheit (Art. 9 III GG)
Nach Art. 9 III GG fallen solche Streiks in den Schutzbereich, die auf die Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzielen.132 Damit sind zunächst alle rechtmäßigen Streiks von Art. 9 III GG geschützt. Ob sich die Gewerkschaft darüber hinaus auf Art. 9 III GG berufen kann, wenn der Streik rechtswidrig ist, hängt von dem konkreten Rechtswidrigkeitsgrund ab: Handelt 128 S. zur wirtschaftlichen Handlungsfreiheit bereits oben unter § 5 B. III. 1. c) „Einwirkung auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit“, S. 152. 129 S. Maunz/Dürig-Di Fabio, Art. 2 I GG Rn. 81. 130 Zur Auffangfunktion der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit s. Maunz/Dürig-Di Fabio, Art. 2 I GG Rn. 80 m. w. N. 131 Dazu bereits oben § 5 B. III. 1. d) „Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit“, S. 153. 132 Ausführlich dazu bereits oben § 5 B. III. 2. a) aa) „Schutzumfang von Art. 9 III GG“, S. 156 ff.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
223
es sich um einen politischen Streik, ist der Schutzbereich nicht eröffnet, sodass Art. 9 III GG der Gewerkschaft nicht zur Seite steht. Ist der Streik rechtswidrig, weil kein tariflich regelbares Ziel Gegenstand des Streiks ist oder gegen das Ultima-Ratio-Gebot oder das Gebot der fairen Kampfführung verstoßen oder die Kampfparität oder die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wurde, ist der Schutzbereich eröffnet und es kommt auf die Prüfung der Rechtfertigung an.133 Das Streikrecht hat eine hohe wirtschaftliche und soziale Bedeutung134: Als „kreative Unruhe“ gleicht der Streik die Übermacht der Arbeitgeberseite aus und dient damit der sozialen Marktwirktschaft.135 Ebenso wie die Gewerbe- und Eigentumsfreiheit genießt Art. 9 III GG damit grundsätzlich einen hohen Rang. (2) Hohes Haftungsrisiko kein abzuwägendes Interesse der Gewerkschaft
Ein hohes Haftungsrisiko der Gewerkschaft, das möglicherweise durch den Schadensersatzanspruch entsteht, ist kein tauglicher Abwägungsgrund. Vielmehr ist die Ebene des Schadens, also die Rechtsfolge, der richtige Anknüpfungspunkt, um existenzvernichtenden Haftungsrisiken zu begegnen.136 cc) Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter (1) Abwägung beim rechtmäßigen Streik
Ist der Streik rechtmäßig, tangiert er zwar regelmäßig die Gewerbe-, wirtschaftliche Handlungs- und Koalitionsfreiheit.137 Art. 9 III GG rechtfertigt diese Einwirkung jedoch: Ein Streik ist nur rechtmäßig, wenn er geeignet, erforderlich und angemessen ist und damit die Voraussetzungen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung vorliegen.138 Aus diesem Grund überwiegen beim rechtmäßigen Streik immer die Rechtsgüter und Interessen der Gewerkschaft. Der (verfassungsrechtlich) rechtmäßige Streik kann daher (deliktsrechtlich) niemals widerrechtlich in die Gewerbefreiheit des bestreikten Arbeitgebers eingreifen. Ein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. ReaG scheidet aus.
133
S. ebenfalls oben § 5 B. III. 2. a) aa) „Schutzumfang von Art. 9 III GG“, S. 156 ff. S. nur ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 99. 135 ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 101. 136 Dazu bereits oben § 5 B. III. 3. „Korrektur wegen drohender Aushöhlung von Art. 9 III GG?“, S. 171. 137 Dazu bereits oben § 5 B. III. 1. „Einwirkung auf grundrechtliche Rechtsgüter der Arbeitgeberseite durch Streik“, S. 150 ff. 138 Dazu oben § 5 B. III. 2. b) „Rechtfertigung der Einwirkung“, S. 164 ff. 134
224
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
(2) Abwägung beim rechtswidrigen Streik (a) Kein generelles Überwiegen der Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers
Während beim rechtmäßigen Streik die Rechtsgüter und Interessen der Gewerkschaft im Rahmen der deliktischen Abwägung immer überwiegen, ist es denkbar, dass beim rechtswidrigen Streik stets die Rechtsgüter und Interessen der Arbeitgeberseite überwiegen.139 Dagegen sprechen jedoch die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe im Arbeits- und Deliktsrecht: Anknüpfungspunkt für den rechtswidrigen Streik ist, ob eine tarifzuständige Gewerkschaft unter Beachtung der Friedenspflicht, des Ultima-Ratio-Gebots, der Kampfparität, des Gebots der fairen Kampfführung und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein zulässiges Kampfziel verfolgt.140 Beim widerrechtlichen Eingriff geht es darum, die widerstreitenden Interessen von Gewerkschaft und Arbeitgeberseite gegenüberzustellen und abzuwägen. Während auf Seiten der Gewerkschaft vor allem die Aushöhlung des Streikrechts eine Rolle spielt, sind auf Seiten ihres Tarifpartners in erster Linie ökonomische Interessen betroffen. Zwar können sich die Argumente überschneiden, etwa bei unverhältnismäßigen Streiks. Die Maßstäbe sind aber verschieden und können daher zu unterschiedlichen Ergebnissen führen: Es ist jedenfalls denkbar, dass ein rechtswidriger Streik im Rahmen des § 823 I BGB i. V. m. ReaG nicht widerrechtlich und damit erlaubt ist.141 „Die deliktsrechtlichen Verhaltenspflichten sind gerade unabhängig von der – i. d. R. erst durch höchstrichterliches Urteil ex post erfolgenden – kollektiv- und individualarbeitsrechtlichen Qualifizierung der Arbeitskampfmaßnahme.“142 139 Diese Diskussion kann dogmatisch ebenso an die Indikation der Rechtswidrigkeit angeknüpft werden: Die Rechtswidrigkeit des Streiks indiziert bereits die Rechtswidrigkeit des Eingriffs und stellt damit eine Gegenausnahme (Indikation statt Abwägung) der Ausnahme (Abwägung statt Indikation) dar, so wohl Fay, Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite (1960) S. 59; s. auch Lieb, Beweislastverteilung im Arbeitskampf, in: FS Herschel (1982), S. 223 (S. 232), der argumentiert, dass der Schädiger im Arbeitskampf bewusst und gezielt in ansonsten unstreitig geschützte Rechtsgüter eingreift und es daher an ihm liegt, Rechtfertigungsgründe zu beweisen; vgl. zudem BAG v. 12. 1. 1988 – 1 AZR 219/86, NJW 1988, 2061 (2062): „(…) der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (bedarf) daher einer besonderen Rechtfertigung, um zulässig zu sein.“ 140 Überblicksartig zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II (2017) S. 165 ff.; im Einzelnen umstritten. 141 So Brüggemeier, Deliktsrecht (1986) Rn. 427; s. auch Sibben, NZA 1989, 453 (454), der feststellt, dass beide Arten der Rechtswidrigkeit nicht deckungsgleich sein müssen; anders wohl Löwisch, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 182 unter 3. b). 142 Brüggemeier, Deliktsrecht (1986) Rn. 427.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
225
Zwar gelangen beide Maßstäbe in aller Regel zum selben Ergebnis, sodass diese Differenzierung eher theoretischer Natur ist. Das macht eine Abwägung jedoch nicht überflüssig – die Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers überwiegen nicht automatisch. (b) Aber tendenzielles Überwiegen der Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers
Es bleibt folglich bei der umfassenden Güter- und Interessenabwägung. Gewerkschaft wie Arbeitgeberseite können auf ihre Seite der Waagschale Grundrechte mit verfassungsrechtlich hohem Rang werfen. Die kollidierenden Rechtsgüter sind damit von ähnlicher Wertigkeit. Die Gewerkschaft kann Art. 9 III GG zu ihren Gunsten nur in die Waagschale werfen, wenn und soweit der Streik die Regelung von Arbeits- und Wirtschafsbedingungen bezweckt. Handelt es sich um einen politisch motivierten Streik, ist der Schutzbereich von Art. 9 III GG nicht eröffnet. Daher ergibt eine abstrakte Abwägung bereits, dass die Grundrechte der Arbeitgeberseite in einem solchen Fall überwiegen. Fällt der rechtswidrige Streik143 zwar in den Schutzbereich, scheidet aber eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung aus, werden die beeinträchtigten Grundrechte des Arbeitgebers im Rahmen einer Abwägung typischerweise ebenfalls überwiegen: Der Streik ist gerade rechtswidrig, weil er ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen ist.144 Obwohl die abstrakte Wertigkeit der Grundrechte aus Art. 9 III GG und Art. 12 GG ähnlich ist, kann für den durch Art. 9 III GG geschützten rechtswidrigen Streik daher festgestellt werden, dass bei einer abstrakten Interessen- und Güterabwägung tendenziell das Interesse des bestreikten Arbeitgebers überwiegt. (3) Zwischenergebnis
Ist der Streik rechtmäßig, überwiegen bei einer abstrakten Abwägung immer die Rechtsgüter und Interessen der Gewerkschaft, sodass keine widerrechtliche Verletzung und damit kein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. ReaG besteht. Ist der Streik rechtswidrig, überwiegen typischerweise die Rechtsgüter und Interessen der Arbeitgeberseite. Die Rechtswidrigkeit des Streiks allein führt aber nicht automatisch zur Widerrechtlichkeit der Verletzung. Eine umfassende Güter- und Interessenabwägung ist also nicht entbehrlich. 143 Wie oben unter § 5 „Schadensersatz nach § 280 I i. V. m. § 241 II BGB wegen Schutzpflichtverletzung“, S. 130 wird aus Gründen der Praktikabilität von „rechtswidrigen Streiks“ als solchen gesprochen; gemeint sind aber nur solche Streiks, die nicht wegen Verstoßes gegen die Friedenspflicht rechtswidrig sind. 144 Ausführlicher zur Einordnung der Rechtswidrigkeitsgründe bereits oben § 5 B. III. 2. b) „Rechtfertigung der Einwirkung“, S. 164 ff.
226
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
b) Konkrete Güter- und Interessenabwägung
Bei der konkreten Güter- und Interessenabwägung sind die realen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen145: Je wertvoller das betroffene Rechtsgut und je intensiver der Eingriff, desto gewichtiger muss das zu schützende Rechtsgut und desto wahrscheinlicher der Nutzen der Maßnahme sein.146 Ist der Streik rechtmäßig, kommt auch die konkrete Güter- und Interessenabwägung stets zu einem Vorrang der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft, sodass niemals ein widerrechtlicher Eingriff in den Gewerbebetrieb des bestreikten Arbeitgebers vorliegt. Für die konkrete Abwägung bei rechtswidrigem Streik spielt neben der bereits angesprochenen Wertigkeit der kollidierenden Rechtsgüter vor allem die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen eine Rolle.147 aa) Schutzbedürftigkeit des Betroffenen
Zu untersuchen ist, ob und inwiefern der Anspruchssteller, also der bestreikte Arbeitgeber als Unternehmensträger, schutzbedürftig ist. Dabei ist der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse zu beachten: Durch die Hintertür des Deliktsrechts dürfen keine allgemeine Verhaltenspflichten etabliert werden, die über die vertraglichen Pflichten hinausgehen. Es ist daher zu untersuchen, wen der jeweilige Rechtswidrigkeitsgrund schützen soll, und entsprechend zu differenzieren. Die bestehenden vertraglichen Schadensersatzansprüche148 zeigen bereits, dass sowohl der Arbeitgeberverband als auch seine Mitglieder grundsätzlich vor Vermögensschäden rechtswidriger Streiks geschützt werden sollen. Eine Berücksichtigung im Rahmen des Deliktsrechts führt damit regelmäßig nicht zu einer über den vertraglichen Schutz hinausgehenden allgemeinen Verhaltens pflicht. Vielmehr soll der bestreikte Arbeitgeber (ob als Tarifpartner oder als Mitglied) in diesen Konstellationen geschützt werden.149
145 Ausführlich dazu Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung (2014) S. 244 ff. 146 Zur Einzelumstands-Gewichtung mit Hilfe einer komparativen („Je-desto“)-Regel s. Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung (2014) S. 245. 147 Zu den realen Messgrößen der konkreten Abwägung s. Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung (2014) S. 246. 148 Ausführlich dazu oben § 2, § 3 und § 4. 149 Etwas anderes ist ausnahmsweise denkbar, wenn die Arbeitgeberseite Tarifverhandlungen von vornherein ablehnt – sodass kein Schuldverhältnis, auch kein vorvertragliches entsteht –, und die Gewerkschaft die Arbeitgeberseite nun rechtswidrig bestreikt.
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
227
bb) Abwägung des Einzelfalls
Auch bei der konkreten Güter- und Interessenabwägung (zur Erinnerung: es geht an dieser Stelle nur um rechtswidrige Streiks) ist es eher wahrscheinlich, dass die Interessen der Arbeitgeberseite überwiegen: Eine Rechtfertigung der Einwirkung scheidet aus, da der rechtswidrige Streik gerade ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen ist.150 In diesen Fällen werden die Interessen der Arbeitgeberseite tendenziell auch bei konkreter Abwägung überwiegen. Es ist jedoch – jedenfalls theoretisch – denkbar, dass die Abwägung ausnahmsweise zu einem anderen Ergebnis kommt. Beispiel: Der Streik einer Gewerkschaft ist rechtswidrig, weil diese tarifunzuständig ist. Der Tarifpartner hat Kenntnis von der Tarifunzuständigkeit und verhandelt dennoch, da er an dem Tarifabschluss interessiert ist und hofft, dass die Gewerkschaft ihre Tarifzuständigkeit in ihrer Satzung entsprechend ändert. Verlangt der Tarifpartner wegen des rechtswidrigen Streiks Schadensersatz von der Gewerkschaft, ist jedenfalls denkbar, dass eine Einzelfallabwägung zu dem Ergebnis kommt, dass seine Interessen unterliegen, obwohl der Streik zur Förderung des Ziels „Tarifabschluss“ ungeeignet ist und die Beeinträchtigungen beim Tarifpartner daher nicht mit Art. 9 III GG gerechtfertigt werden können.
Um abschließend klären zu können, in welchen konkreten Einzelfällen eine solche Ausnahmekonstellation vorliegt, müsste jede denkbare Fallgestaltung untersucht werden. Das übersteigt den Rahmen dieser Arbeit. Es kann jedoch festgehalten werden, dass die Tendenz einer konkreten Abwägung dahin geht, dass die Interessen der Arbeitgeberseite überwiegen, wenn der Streik rechtswidrig war. 2. Rechtfertigungsgründe
Stellt sich nach Abwägung heraus, dass der unmittelbare Eingriff widerrechtlich erfolgte, ist zu prüfen, ob ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Die Tatsachen, die einen solchen Rechtfertigungsgrund begründen, muss die Gewerkschaft beweisen, da es sich um rechtsvernichtende Tatsachen handelt. Es kommen die allgemeinen Rechtfertigungsgründe151 in Betracht, wie beispielsweise die Notwehr (§ 227 BGB) oder der Notstand (§ 228 BGB).152 Fraglich ist, ob es darüber hinaus besondere arbeitskampfrechtliche Rechtfertigungsgründe gibt. Im Flashmob-Urteil spricht das BAG von „Gründen des Arbeitskampfs“, 150 Ausführlicher zur Einordnung der Rechtswidrigkeitsgründe bereits oben § 5 B. III. 2. b) „Rechtfertigung der Einwirkung“, S. 164 ff. 151 Überblicksartig zu den allgemeinen Rechtfertigungsgründen s. Medicus/Lorenz, Schuldrecht II (2018) § 72 Rn. 15 ff. 152 Auch wenn eine solche Konstellation wohl eher theoretischer Natur bleibt; s. dazu auch Dommack, Streikrecht (1961) S. 41 ff.
228
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
die Eingriffe in den Gewerbebetrieb „rechtfertigen“ können.153 Allein aus dem Begriff „rechtfertigen“ kann jedoch nicht bereits geschlossen werden, dass das Gericht einen besonderen Rechtfertigungsgrund etablieren wollte. Vielmehr führte es weiter aus: „Nicht rechtswidrig sind Eingriffe in den Gewerbebetrieb, wenn sie als Arbeitskampfmaßnahmen zulässig sind. Schließlich handelt es sich bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um einen ,offenen Tatbestand‘, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessenssphäre ergeben.“154
Es folgen Ausführungen dazu, dass Flashmob-Aktionen zulässige Arbeitskampfmittel sind. Im Ergebnis geht das BAG also ebenfalls davon aus, dass rechtmäßige Streiks nicht widerrechtlich in den Gewerbebetrieb eingreifen. Dann bedarf es aber keines Rechtfertigungsgrunds. Der Sache nach meint das Gericht daher keinen besonderen Rechtfertigungsgrund, wenn es terminologisch unpräzise von „rechtfertigen“ spricht. In Betracht kommen daher allein die allgemeinen Rechtfertigungsgründe. 3. Zwischenergebnis
Durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung ist zu ermitteln, ob ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb auch widerrechtlich i. S. d. § 823 I BGB ist. Dafür sind in einem ersten Schritt die Interessen und Rechtsgüter abstrakt gegenüberzustellen und zu gewichten. Während der bestreikte Arbeitgeber Art. 12 I GG, Art. 2 I GG und Art. 9 III GG in die Waagschale werfen kann, ist auf Seite der Gewerkschaft Art. 9 III GG zu berücksichtigen. Ist der Streik rechtmäßig, überwiegen stets die Interessen der Gewerkschaft und der unmittelbare Eingriff ist niemals widerrechtlich. Ist der Streik rechtswidrig, überwiegen typischerweise die Interessen der Arbeitgeberseite. Eine Abwägung ist jedoch nicht entbehrlich, da Ausnahmen jedenfalls denkbar sind. Nach der abstrakten Abwägung folgt in einem zweiten Schritt die konkrete, bei der die Umstände des Einzelfalls, wie der Betroffenheitsgrad oder die Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen sind. Dass der bestreikte Arbeitgeber geschützt werden soll, machen bereits die bestehenden vertraglichen Ansprüche deutlich. Ebenso wie im Rahmen der abstrakten Güter- und Interessenabwägung ist es eher wahrschenlich, dass die Interessen der Arbeitgeberseite bei 153 BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347; eine ähnliche Terminologie verwendet Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht (1989) S. 97, der im Zusammenhang mit § 823 I BGB davon spricht, dass der durch Art. 9 III GG geschützte Arbeitskampf ein „Rechtfertigungsgrund“ ist. 154 BAG v. 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08, BAGE 132, 140 („Flashmob-Aktion“) = NZA 2009, 1347 (1350).
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
229
einer konkreten Abwägung überwiegen. Da es jedenfalls denkbar ist, dass ausnahmsweise doch die Interessen der Gewerkschaft überwiegen, ist die Abwägung jedoch nicht entbehrlich. Ergibt die Abwägung im Einzelfall, dass der unmittelbare Eingriff widerrechtlich erfolgte, ist zu prüfen, ob ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund vorliegt. Ein besonderer arbeitskampfrechtlicher Rechtfertigungsgrund existiert nicht. IV. Verschulden und Schaden
Die Gewerkschaft hat nach § 276 I 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Eine Beweislastumkehr ähnlich derjenigen in § 280 I 2 BGB ist dem Deliktsrecht fremd. Daher trägt der bestreikte Arbeitgeber als Geschädigter die Beweislast für das Verschulden. Ansonsten gilt das oben Gesagte155: Die Gewerkschaft handelt fahrlässig, wenn sie nach einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung der Rechtslage vorhersehen konnte, dass der Streik mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Dabei muss sie sich das Verschulden ihrer Organe, beispielsweise des Streikleiters156, analog § 31 BGB als eigenes Verschulden zurechnen lassen.157 Art und Umfang des Schadensersatzes richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Analog § 254 I BGB erstreckt sich die Haftungsbeschränkung für fahrlässiges Handeln auch auf die deliktische Haftung.158 Die Tarifpartner haben die Nachteile partnerschaftlich aufzuteilen, die mit der Sicherung einer funktionsfähigen Tarifautonomie einhergehen159 – das gilt für deliktische Ansprüche gleichermaßen wie für vertragliche. Der oben herausgearbeitete Maßstab ist daher auf den Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG zu übertragen. V. Zwischenergebnis
Das ReaG ist subsidiär, kommt also nur dort zum Einsatz , wo das geschriebene Recht eine zu schließende Lücke aufweist. Der jeweils bestreikte Arbeitgeber ist durch das ReaG in der ungestörten Betätigung und Entfaltung seines bestehenden Gewerbebetriebs vor unmittelbaren Eingriffen geschützt. Der Ein155
S. § 3 C. „Vertretenmüssen“, S. 70 ff. S. BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57. 157 Dazu bereits oben § 9 B. II. 3. c) „Streik als zurechenbarer unmittelbarer Eingriff der Gewerkschaft“, S. 218. 158 Allgemein zur Anwendung von § 254 I BGB auf deliktische Schadensersatzansprüche s. nur MüKo-BGB-Oetker, § 254 BGB Rn. 10. 159 Ausführlich dazu bereits oben § 3 D. III. 3. a) bb) „Gemeinsamer Verantwortungsbereich aufgrund der Tarifpartnerschaft“, S. 102. 156
230
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
griff ist unmittelbar, wenn er betriebsbezogen ist, wenn also dem Eingriff eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine sozialübliche Behinderung hinausgeht, und der Eingriff in seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Gewerbebetriebs gerichtet ist. Der (rechtmäßige wie rechtswidrige) Streik erfüllt typischerweise beide Kriterien, sodass ein betriebsbezogener Eingriff regelmäßig vorliegt. Analog § 31 BGB ist der Gewerkschaft das Handeln ihrer Organe zuzurechnen. Keine zurechenbare Handlung liegt beim nichtgewerkschaftlichen Streik und beim Streik einer tarifunfähigen Arbeitnehmerkoalition vor. Durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung ist zu ermitteln, ob ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb auch widerrechtlich i. S. d. § 823 I BGB ist. Dafür sind in einem ersten Schritt die Interessen und Rechtsgüter abstrakt gegenüberzustellen und zu gewichten: Ist der Streik rechtmäßig, überwiegen stets die Interessen der Gewerkschaft und der unmittelbare Eingriff ist niemals widerrechtlich. Ist der Streik rechtswidrig, überwiegen typischerweise die Interessen der Arbeitgeberseite. In einem zweiten Schritt folgt eine konkrete Abwägung, bei der die Umstände des Einzelfalls, wie der Betroffenheitsgrad oder die Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen sind. Im Rahmen der Schutzbedürftigkeit ist entscheidend, wen der jeweilige Rechtswidrigkeitsgrund schützen soll. Ebenso wie im Rahmen der abstrakten Güter- und Interessenabwägung ist es eher wahrscheinlich, dass die Interessen der Arbeitgeberseite bei einer konkreten Abwägung überwiegen. Wurde der Eingriff nach Abwägung als widerrechtlich eingestuft, sind etwaige Rechtfertigungsgründe zu prüfen. Ein besonderer arbeitskampfrechtlicher Rechtfertigungsgrund existiert nicht. Die Gewerkschaft hat nach § 276 I 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Ihr ist das Verschulden ihrer Organe analog § 31 BGB als eigenes Verschulden zuzurechnen. Art und Umfang des Schadensersatzes bestimmt sich nach §§ 249 ff. BGB. Analog § 254 I BGB erstreckt sich die Haftungsbeschränkung für fahrlässiges Handeln auch auf die deliktische Haftung.
C. Ergebnis Die Debatte um die Herleitung und Anerkennung des ReaG wird seit über einhundert Jahren geführt, ohne dass die Kritik daran verstummt ist. Zu kritisieren ist, dass die Einordnung des ReaG als „sonstiges Recht“ dazu führt, dass Gewerbetreibende als privilegierte Gruppe in ihrem reinen Vermögen geschützt werden, obwohl sich der Gesetzgeber gegen primären Vermögensschutz und für eine Beschränkung auf den Schutz absoluter Rechte entschieden hat. Zudem weist das ReaG weder Zuweisungsgehalt noch Ausschlussfunktion auf und er-
§ 9 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG
231
füllt damit nicht die Voraussetzungen eines sonstigen Rechts. Schließlich führt die Anerkennung des ReaG dazu, dass klassische vertragliche Konstellationen in das „weichere“ Deliktsrecht verlagert werden. Es besteht die Gefahr, dass Dritten, die in keiner Sonderverbindung zum Schädiger stehen, über die Hintertür des Deliktsrechts allgemeiner Vermögensschutz gewährt wird, obwohl ihnen nach dem Grundkonzept des zivilrechtlichen Haftungssystems gerade kein Schadensersatzanspruch zusteht. Trotz dieser dogmatischen Bedenken kann das Institut des ReaG in dieser Arbeit nicht unbeachtet bleiben, da es von großen Teilen der Literatur als Gewohnheitsrecht eingeordnet wird und die Diskussion um die Haftung der Gewerkschaft bisher im ReaG verankert ist. Dennoch ist der Ausnahmecharakter des Instituts zu beachten und der Anwendungsbereich eng auszulegen. Aus diesem Grund ist das ReaG subsidiär anzuwenden. Anspruchsinhaber ist der jeweils bestreikte Arbeitgeber als Unternehmensträger. Ein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG setzt zunächst voraus, dass unmittelbar in den Gewerbebetrieb eingegriffen wird, der Eingriff also betriebsbezogen ist. Ein solcher betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb des bestreikten Arbeitgebers ist beim Streik regelmäßig gegeben. Das Handeln ihrer Organe ist der Gewerkschaft analog § 31 BGB zuzurechnen. Handelt ein Verrichtungsgehilfe, kommt ein eigener Anspruch aus § 831 BGB in Betracht. Keine Handlung der Gewerkschaft liegt beim nichtgewerkschaftlichen Streik und beim Streik einer tarifunfähigen Arbeitnehmerkoalition vor. Die Rechtswidrigkeit des unmittelbaren Eingriffs wird durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung ermittelt. Für die abstrakte Abwägung gilt: Ist der Streik rechtmäßig, überwiegen stets die Interessen der Gewerkschaft und der unmittelbare Eingriff ist niemals widerrechtlich. Ist der Streik rechtswidrig, überwiegen typischerweise die Interessen der Arbeitgeberseite. Bei der konkreten Abwägung ist es eher wahrscheinlich, dass die Interessen der Arbeitgeberseite überwiegen. Wurde der Eingriff nach Abwägung als widerrechtlich eingestuft, sind etwaige Rechtfertigungsgründe zu prüfen. Ein besonderer arbeitskampfrechtlicher Rechtfertigungsgrund existiert nicht. Nach § 276 I 1 BGB hat die Gewerkschaft Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Das Verschulden ihrer Organe ist der Gewerkschaft analog § 31 BGB als eigenes Verschulden zuzurechnen. Art und Umfang des Schadensersatzes bestimmt sich nach §§ 249 ff. BGB. Die Haftungsbeschränkung für fahrlässiges Handeln erstreckt sich analog § 254 I BGB auch auf die deliktische Haftung.
232
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
§ 10 Schadensersatz aus § 826 BGBwegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Ein Schadensersatzanspruch kann sich ebenfalls aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung ergeben.1 Das setzt voraus, dass die Gewerkschaft mit dem Streik gegen die guten Sitten verstößt und die Arbeitgeberseite vorsätzlich schädigt.
A. Verstoß gegen die guten Sitten Problematisch ist bereits, wie der Begriff der guten Sitten zu konkretisieren ist. Definiert werden die guten Sitten als das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.2 Nach der Rechtsprechung ist ein Streik sittenwidrig, „wenn er evident unverhältnismäßig ist oder Zwecke verfolgt werden, die offenkundig nicht dem Kompetenzbereich der Tarifvertragsparteien unterfallen“.3 Damit scheidet eine Haftung bei rechtmäßigen Streiks bereits aus.4 Auch der Aufruf zu einem rechtswidrigen Streik ist nicht automatisch sittenwidrig.5 Vielmehr muss der Gewerkschaft ein moralischer Vorwurf gemacht werden können, der sich entweder aus dem Zweck ihrer Handlung, dem angwandten Mittel oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben kann.6 Daher genügt nicht allein der Verstoß gegen die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln oder der eingetretene Vermögensschaden.7 Vielmehr 1 Dazu Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 222; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 163; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1222 f.; Heinze, NJW 1983, 2409 (2416); Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 729; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 361 f.; Picker, ZfA 2010, 499 (575 ff.); MüKo-BGB-Wagner, § 826 BGB Rn. 210; Sack, VersR 2006, 1001; Seiter, Streikrecht (1975) S. 464, S. 477 ff. 2 S. nur Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 222; Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 826 BGB Rn. 2; zur Problematik der maßgeblichen Wertordnung s. Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 449 ff. 3 LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, S. 24; ebenfalls BAG NZA 2009, 1347 (1355); vgl. auch Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 140, der Forderungen im Arbeitskampf als sittenwidrig einstuft, wenn „sie offensichtlich nicht ernst gemeint sind und das wahre Kampfziel nur die Schädigung des Gegners ist.“. 4 S. nur Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 361. 5 S. Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 222. 6 S. BGH v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 (1803); Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 222; Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 826 BGB Rn. 3. 7 Vgl. BGH v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 (1803): „[Es] genügt für die Annahme der Sittenwidrigkeit weder der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift noch die Tatsache eines eingetretenen Vermögensschadens […]“.
§ 10 Schadensersatz aus § 826 BGB
233
müssen weitere verwerfliche Umstände hinzutreten. Das können beispielsweise sein: die Androhung von Gewalt und anderer unsittlicher Mittel, Sabotageakte8, der Abbruch von Arbeiten, z. B. dem Einsatzstopp der Flughafen-Feuerwehr vor einer Flughafensperrung oder der Verweigerung von Notstandsarbeiten9. Damit ist die Anwendung des § 826 BGB „auf die wirklich krassen Fälle beschränkt.“10
B. Vorsätzliche Schädigung Des Weiteren muss die Gewerkschaft Vorsatz bezüglich der Verletzungshandlung und des Schadens haben. Es genügt, dass die Gewerkschaft die Tatsachen kennt, welche die Sittenwidrigkeit begründen. Die Schädigung muss der Gewerkschaft bewusst oder als Druckmittel von ihr sogar beabsichtigt sein.11 Anders als in anderen deliktischen Anspruchsgrundlagen bezieht sich das Verschulden damit auch auf den Schaden.12 Eine sittenwidrige Schädigung ist immer rechtswidrig, sodass die Rechtswidrigkeit der Handlung nicht gesondert festgestellt werden muss.13
C. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB Auch im Rahmen von § 826 BGB gelten die §§ 249 ff. BGB und damit der Grundsatz der Totalreparation.14 Da der Tatbestand des § 826 BGB nur bei vorsätzlichem Handeln erfüllt ist, kommt eine Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Im Übrigen wird auf das oben Gesagte verwiesen.15
D. Ergebnis Ein Streik ist sittenwidrig, „wenn er evident unverhältnismäßig ist oder Zwecke verfolgt werden, die offenkundig nicht dem Kompetenzbereich der Tarif8
Beispiele von Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 222. Beispiele von Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 362. 10 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1222. 11 S. Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 361. 12 S. Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 826 BGB Rn. 8. 13 S. nur Musielak/Hau, Grundkurs BGB (2017) § 9 Rn. 1147. 14 Vgl. MüKo-BGB-Wagner, § 826 BGB Rn. 53; zum Grundsatz der Totalreparation bereits oben § 3 D. „Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB“, S. 84 ff. 15 Ausführlich dazu § 3 D. „Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB“, S. 84 ff. 9
234
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
vertragsparteien unterfallen“.16 Es reicht daher nicht aus, dass der Streik allein gegen die richterrechtlichen Arbeitskampfregeln verstößt oder Vermögensschaden hervorruft.17 Vielmehr müssen weitere verwerfliche Umstände hinzutreten. Der Gewerkschaft muss ein moralischer Vorwurf gemacht werden können, der sich entweder aus dem Zweck ihrer Handlung, dem angwandten Mittel oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben kann. Sowohl bezüglich der Verletzungshandlung als auch des Schadens muss die Gewerkschaft vorsätzlich gehandelt haben. Eine sittenwidrige Schädigung ist immer rechtswidrig. Art und Umfang des Schadens richten sich nach §§ 249 ff. BGB.
16 LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, S. 24; ebenfalls BAG NZA 2009, 1347 (1355); vgl. auch Nikisch, ArbeitsR II (1959) S. 140, der Forderungen im Arbeitskampf als sittenwidrig einstuft, wenn „sie offensichtlich nicht ernst gemeint sind und das wahre Kampfziel nur die Schädigung des Gegners ist.“. 17 Vgl. BGH v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 = NJW 2012, 1800 (1803): „[Es] genügt für die Annahme der Sittenwidrigkeit weder der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift noch die Tatsache eines eingetretenen Vermögensschadens […]“.
§ 11 Schadensersatz aus § 831 BGB
235
§ 11 Schadensersatz aus § 831 BGBwegen Haftung für den Verrichtungsgehilfen Nach § 831 I 1 BGB ist derjenige, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Gewerkschaft muss folglich einen Verrichtungsgehilfen bestellt haben (A.), der in Ausführung einer Verrichtung rechtswidrige Streikmaßnahmen vorgenommen hat, welche den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllen (B.).1 Zudem darf die Gewerkschaft sich nicht nach § 831 I 2 BGB entlasten können (C.). Damit ist § 831 BGB – in Abgrenzung zu § 278 BGB – eine eigene Anspruchsgrundlage mit Haftung für vermutetes eigenes Verschulden und nicht bloße Zurechnungsnorm für fremdes Verschulden.2
A. Verrichtungsgehilfe Verrichtungsgehilfe ist, wem eine weisungsabhängige Tätigkeit von einem Geschäftsherren in dessen Interessenkreis übertragen wird.3 In Abgrenzung zum Erfüllungsgehilfen kommt es also vor allem darauf an, dass der Geschäftsherr die Tätigkeit jederzeit einschränken oder entziehen und zudem Zeit und Umfang der Tätigkeit bestimmen kann.4 Fraglich ist, ob streikende Arbeitnehmer Verrichtungsgehilfen der Gewerkschaft sind. Zwar sind die Arbeitnehmer durch ihre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft mit dieser verbunden. Aus der Mitgliedschaft folgt jedoch kein Weisungsrecht, am Streik teilzunehmen.5 Daran ändert sich auch nichts, wenn dem Arbeitnehmer verbandsrechtliche Konsquenzen drohen, sofern er nicht streikt.6 Vielmehr ist der Arbeitnehmer in seiner Entscheidung frei, am Streik teilzunehmen.7 Damit fehlt aber das entscheidende Merkmal der Weisungsabhängigkeit, sodass streikende Arbeitneh1 Dazu Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 223; allgemein zur Haftung für Verrichtungsgehilfen beim Streik vgl. Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 89 ff.; Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 303 ff.; DäublerAK-Nitsche, § 22 Rn. 113 ff., 154; BAG v. 08. 11. 1988 – 1 AZR 417/86, BAGE 60, 101 = NZA 1989, 475 (476). 2 S. nur Jauernig-Teichmann, § 831 BGB Rn. 1. 3 S. nur Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 831 BGB Rn. 14 m. w. N. 4 S. nur MüKo-BGB-Wagner, § 831 BGB Rn. 14 m. w. N. 5 S. Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 91; a. A. wohl Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 294. 6 Dazu Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 294, nach denen eine Missachtung des Streikbefehls sogar zum Ausschluss aus der Gewerkschaft führen kann. 7 Ebenso Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 91.
236
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
mer als Verrichtungsgehilfen grundsätzlich ausfallen. Etwas anderes gilt für Streikposten, welche die Streikleitung bei der Vorbereitung und Durchführung des Streiks unterstützen. Sie müssen den Anweisungen der Streikleitung folgen, sind mithin weisungsabhängig im Interessenkreis der Gewerkschaft als Verrichtungsgehilfen tätig.8
B. Unerlaubte Handlung in Ausführung der Verrichtung Der Verrichtungsgehilfe muss des Weiteren in Ausführung der Verrichtung – und nicht bloß bei Gelegenheit9 – durch rechtswidrige Streikmaßnahmen eine unerlaubte Handlung erfüllt haben. Zwischen der Ausführung und der Schädigung muss mithin ein innerer sachlicher Zusammenhang bestehen.10 Auf das Verschulden des Verrichtungsgehilfen kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist allein, ob eine objektiv widerrechtliche Rechtsgutsverletzung vorliegt.11
C. Kein Entlastungsbeweis i. S. d. § 831 I 2 BGB Eine Haftung scheidet aus, wenn sich die Gewerkschaft entlasten kann. Nach § 831 I 2 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Gewerkschaft bei der Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei sorgfältigem Verhalten entstanden wäre. Damit handelt es sich bei § 831 I 2 BGB um eine widerlegbare Verschuldens- und Kausalitätsvermutung.12 Kann die Gewerkschaft einen entsprechenden Beweis erbringen, scheidet eine Haftung nach § 831 I BGB aus.
D. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB Liegen alle Voraussetzungen vor und kann sich die Gewerkschaft nicht entlasten, haftet sie nach dem Grundsatz der Totalreparation nach §§ 249 ff. BGB
8 Ebenso BAG v. 21. 6. 1988 – 1 AZR 651/86, BAGE 58, 364 = NJW 1989, 57; Brox/ Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 223. 9 S. nur MüKo-BGB-Wagner, § 831 BGB Rn. 25. 10 S nur Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 92. 11 S. nur MüKo-BGB-Wagner, § 831 BGB Rn. 29. 12 Zum vermuteten Verschulden vgl. Jauernig-Teichmann, § 831 BGB Rn. 10; Dauner-Lieb/Langen-Katzenmeier, § 831 BGB Rn. 33.
§ 11 Schadensersatz aus § 831 BGB
237
für den entstandenen Schaden. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.13
E. Ergebnis Streikposten sind Verrichtungsgehilfen der Gewerkschaft: Sie müssen den Anweisungen der Streikleitung folgen, sind mithin weisungsabhängig im Interessenkreis der Gewerkschaft tätig. Streikende Arbeitnehmer scheiden hingegen als Verrichtungshilfen grundsätzlich aus. Hat der Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung durch die rechtswidrige Streikmaßnahme eine unerlaubte Handlung erfüllt und kann sich die Gewerkschaft nicht i. S. d. § 831 I 2 BGB entlasten, haftet sie nach §§ 249 ff. BGB für den entstandenen Schaden.
13
Ausführlich dazu § 3 D. „Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB“, S. 84 ff.
238
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts 2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
1. Verletzt die Gewerkschaft durch den Streik das Eigentum der Arbeitgeberseite, kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB in Betracht. Eine Eigentumsverletzung liegt zum einen vor, wenn auf die Substanz der Sache eingewirkt wird, zum anderen, wenn der Streik kausal dafür ist, dass die Arbeitgeberseite in erheblicher Weise in der bestimmungsgemäßen Nutzung ihrer Sachen beeinträchtigt wird. Analog § 31 BGB muss sich die Gewerkschaft das Handeln ihrer Organe zurechnen lassen. 2. Da das Koalitionsrecht aus Art. 9 III GG nicht als sonstiges Recht einzuordnen ist, entsteht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 I i. V. m. Art. 9 III GG wegen Verletzung des Koalitionsrechts. 3. In Betracht kommt hingegen ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes. Relevant sind vor allem Verletzungen von Straftatbeständen und von Art. 9 III 2 GG. 4. Ebenfalls sind Ansprüche aus § 823 BGB i. V. m. dem ReaG möglich. a) Trotz jahrzehntelanger Debatte bestehen noch heute Zweifel am Institut des ReaG, vor allem mit Blick auf die dogmatische Einordnung als „sonstiges Recht“. Obwohl das gegen eine Anerkennung als Gewohnheitsrecht spricht, wird das ReaG überwiegend als Gewohnheitsrecht eingeordnet. Trotz dogmatischer Bedenken geht diese Arbeit daher von der Prämisse aus, dass das ReaG anzuwenden ist – vor allem auch, weil die Diskussion um die Haftung der Gewerkschaft bisher in der Haftung wegen Verletzung des ReaG verankert ist. Dennoch ist der Ausnahmecharakter des Instituts zu beachten und der Anwendungsbereich eng auszulegen. Aus diesem Grund ist das ReaG subsidiär anzuwenden. b) Als Unternehmensträger ist der jeweils bestreikte Arbeitgeber Anspruchsinhaber. Ein Eingriff in seinen Gewerbebetrieb ist unmittelbar, wenn er betriebsbezogen ist. Betriebsbezogen ist ein Eingriff, wenn ihm eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine sozialübliche Behinderung hinausgeht, und der Eingriff gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers gerichtet ist. Beim Streik sind typischerweise beide Merkmale erfüllt – das gilt sowohl für den rechtswidrigen als auch den rechtmäßigen Streik. Die Gewerkschaft muss sich das Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB zurechnen. c) Anders als im Rahmen der absoluten Rechte i. S. d. § 823 I BGB indiziert die Rechtsgutverletzung nicht bereits die Rechtswidrigkeit der Handlung. Vielmehr ist durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln, ob der unmittelbare Eingriff in den Gewerbebetrieb auch widerrechtlich i. S. d. § 823 I BGB ist.
Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts
239
aa) Zunächst sind im Rahmen einer abstrakten Abwägung die Interessen und Rechtsgüter beider Parteien abstrakt gegenüberzustellen und zu gewichten. Bei einem rechtmäßigen Streik überwiegen stets die Interessen der Gewerkschaft und der unmittelbare Eingriff ist niemals widerrechtlich. Ist der Streik rechtswidrig, überwiegen typischerweise die Interessen der Arbeitgeberseite. bb) Danach folgt eine konkrete Abwägung, bei der die Umstände des Einzelfalls, wie der Betroffenheitsgrad oder die Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen sind. Bereits die vertraglichen Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers zeigen, dass dieser vor rechtswidrigen Streiks geschützt werden soll. Daher ist es eher wahrscheinlich, dass die Interessen und Rechtsgüter der Arbeitgeberseite nach konkreter Abwägung überwiegen. cc) Ist der Eingriff widerrechtlich i. S. d. § 823 I BGB, sind allgemeine Rechtfertigungsgründe zu prüfen. Ein besonderer arbeitskampfrechtlicher Rechtfertigungsgrund existiert nicht. d) Nach § 276 I 1 BGB hat die Gewerkschaft Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Analog § 31 BGB muss sie sich das Verschulden ihrer Organe als eigenes Verschuldenen zurechnen lassen. Nach §§ 249 ff. BGB bestimmen sich Art und Umfang des Schadensersatzes. Analog § 254 I BGB erstreckt sich die Haftungsbeschränkung für fahrlässiges Handeln auch auf die deliktische Haftung. 5. Des Weiteren kommen Ansprüche aus § 826 BGB in Betracht. Der rechtswidrige Streik ist nicht per se sittenwidrig. Vielmehr müssen weitere moralisch verwerfliche Umstände hinzutreten. Zudem muss die Gewerkschaft Vorsatz bezüglich der Verletzungshandlung und des Schadens haben. Die Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB greift nicht, da der Tatbestand des § 826 BGB allein bei vorsätzlichem Handeln erfüllt ist. 6. Schließlich ist eine Haftung der Gewerkschaft nach § 831 BGB möglich, wenn sie einen Verrichtungsgehilfen – etwa einen Streikposten – bestellt, der in Ausführung seiner Verrichtung eine unerlaubte Handlungen vornimmt, ohne dass sich die Gewerkschaft nach § 831 I 2 BGB entlasten kann.
240
2. Teil: Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks
Fazit des Zweiten Teils Die Gewerkschaft haftet gegenüber der Arbeitgeberseite in erster Linie aus vertraglichen Schadensersatzansprüchen. Ergänzend kommt eine deliktische Haftung in Betracht. Das passt auch zu den zivilrechtlichen Wertungen des Vertragsrechts einerseits und des Deliktsrechts andererseits. Gewerkschaft und Arbeitgeberseite stehen sich gerade nicht unverbunden gegenüber, sodass keine typische Konstellation der Jedermann-Haftung vorliegt. Daher ist das Zentrum der gewerkschaftlichen Haftung im Vertrags- und nicht im Deliktsrecht zu finden:1 Das Vertragsrecht bietet einen umfassenden Schutz des Tarifpartners vor rechtswidrigen Streiks. Die deliktischen Schadensersatzansprüche haben daher eine rein ergänzende Funktion. So greifen etwa § 826 BGB bei besonders krassen Fällen2 , § 823 I BGB bei der Verletzung absoluter Rechte und § 823 II BGB bei der Verletzung von Strafnormen oder Art. 9 III 2 GG. Der Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB i. V. m. ReaG hat praktisch keine eigenständige Bedeutung – der deliktische Schutz geht nicht über den vertraglichen hinaus. Bedenkt man die erhebliche dogmatische Kritik, die das ReaG als Fremdkörper im deliktischen Haftungssystems hervorruft, ist es erwägenswert, die Lehre vom ReaG – wie von Larenz/Canaris vorgeschlagen3 – aufzugeben. Für die Haftung der Gewerkschaft ergäben sich dadurch keine Unterschiede.
1 Das forderten auch schon Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 559 f.: „Wegen dieses fundamentalen Zusammenhangs mit dem Vertragsrecht steht das Arbeitskampfrecht primär in Parallele zum Recht der quasivertraglichen Schutzpflichtverletzungen und sollte den §§ 823 ff. BGB nur insoweit unterworfen werden, als es wirklich um deliktische Exzesse […] geht. […] Auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum ist die Nähe zur culpa in contrahendo bemerkt und zum Anlaß genommen worden, ein gesetzliches Schuldverhältnis anzunehmen, doch sollte diese Konstruktion von der Peripherie in das Zentrum der arbeitskampfrechtlichen Dogmatik gerückt werden und die primär deliktsrechtliche Sichtweise nicht lediglich ergänzen, sondern grundsätzlich ersetzen.“ [Hervorhebungen von der Verfasserin]. 2 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1222. 3 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 559.
Dritter Teil
Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter bei rechtswidrigen Streiks Erster Abschnitt
Haftung aus Vertrag 3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter 1. Abschn.: Haftung aus Vertrag
Folgen rechtswidriger Streiks treffen nicht nur die Arbeitgeberseite, sondern häufig auch am Kampf unbeteiligte Dritte. Oft stehen diese Dritten mit dem bestreikten Arbeitgeber in Vertragsbeziehungen: Der Bahnkunde mit der bestreikten Deutschen Bahn, Volkswagen mit seinen bestreikten Zulieferern, Lufthansa mit der bestreikten Fraport AG und die Universitätsklinik Eppendorf mit der bestreikten Wäscherei, die sämtliche Bettlaken reinigt. Erfüllt der bestreikte Arbeitgeber die vereinbarte Leistung (die Bahnfahrt, die Lieferung von Autoteilen, das Bereitstellen von Fluglotsen oder Bodenpersonal, die Reinigung von Bettlaken) nicht oder nicht wie geschuldet, kann sich der Dritte zunächst an ihn als seinen Vertragspartner wenden. In der Regel bestehen jedoch keine Schadensersatzansprüche gegen die Vertragspartner: Wird der Arbeitgeber durch einen rechtmäßigen Arbeitskampf bestreikt, sind Leistungsstörungen gem. Art. 9 III GG gerechtfertigt.1 Auch bei rechtswidrigen Streiks wird ein solcher Schadensersatzanspruch überwiegend scheitern. Zwar ist eine Pflichtverletzung etwa nach § 281 I 1 BGB (Nicht-/ Schlechtleistung trotz Fälligkeit), § 283 S. 1 BGB (Ausschluss der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit) oder § 286 BGB (Verzug des Schuldners) gegeben.2 In den meisten Fällen fehlt jedoch das erforderliche Verschulden des Arbeitgebers i. S. d. § 276 I 1 BGB.3 Das Handeln der Arbeitnehmer ist ihm nicht nach § 278 S. 1 BGB zuzurechnen: Streiken die Arbeitnehmer, werden sie 1 Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 956; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht (1982) S. 230 ff.; überblicksartig dazu Groos, Schadensersatz und Rücktritt (1970) S. 119; im Ergebnis gleich, aber mit unterschiedlicher Begründung sehen andere in rechtmäßigen Streiks einen Schuldausschließungsgrund, s. Mühlen, Schädigung von Drittbetrieben im Arbeitskampf (ca. 1967) S. 10 ff. 2 S. Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 109. 3 S. bereits Malorny, RdA 2017, 149 (151); vgl. auch Bayreuther, RdA 2016, 181 (184); Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 104 f.); Benecke, ZfA 2018, 2 (5).
242
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
weder zur Erfüllung der arbeitgeberseitigen Verbindlichkeiten tätig noch „bedient“ sich der Arbeitgeber ihrer.4 Verstößt der Streik beispielsweise gegen die Friedenspflicht, vertraut der Arbeitgeber auf den geltenden Tarifvertrag und die damit einhergehende Planungssicherheit; einen Streik kann er in der Regel nicht vorhersehen, sodass ihn auch kein Übernahmeverschulden trifft.5 Mit einem rechtswidrigen Streik muss er keinesfalls rechnen. Zudem werden in der Praxis häufig Freizeichnungsklauseln vereinbart, die den Vertragspartner – also den Arbeitgeber – bei streikbedingten Leistungsstörungen von Übernahme-, Vorsorge- oder Abwendungsverschulden freizeichnen.6 Dritte können von ihren Vertragspartnern im Regelfall also keinen Ersatz solcher Schäden verlangen, die mittelbar durch rechtswidrige Streiks entstehen.7 Obwohl Dritte mit dem rechtswidrigen Streikgeschehen selbst nichts zu tun haben, stehen sie ihrem Vertragspartner gegenüber mit leeren Händen da. Daher haben die geschädigten Dritten ein großes Interesse, sich mit Schadensersatzforderungen direkt an die rechtswidrig streikende Gewerkschaft zu wenden.8 Beispiel: In dem Verfahren vor dem BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/149 machten die drittbetroffenen Fluggesellschaften Schäden in Höhe von gesamt rd. 9. Mio. EUR geltend.
4 Ebenso Richardi, ZfA 1985, 101 (122 ff.); Staudinger-Caspers, § 278 Rn. 34; vgl. auch Bayreuther, RdA 2016, 181 (185); Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2 (1970) S. 957 f.; anders aber Brendel, Arbeitskampf und Lieferverpflichtungen (1969) S. 42 ff., insb. 46; Dohnau, Arbeitskampf und Lieferverträge (ca. 1967) S. 15 ff., 54 ff.; Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 105, 122 ff.; Kreissl, ZfA 1996, 503 (534); zunächst auch Löwisch, DB 1962, 761 (762); dann aber ablehnend Löwisch, AcP 174 (1974), 202 (251); inzwischen differenzierend nach der Art des Verschuldens in Löwisch/Bitterberg, AR-Blattei, Arbeitskampf VII (März 2005) Rn. 20; überblicksartig zu der Fragestellung Groos, Schadensersatz und Rücktritt (1970) S. 123 f. 5 Löwisch/Bitterberg, AR-Blattei, Arbeitskampf VII (März 2005) Rn. 21. 6 Ausführlich zu vertraglichen Regelungen der arbeitskampfbedingten Leistungsstörungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 40 ff. 7 Ausnahmen bestehen beispielsweise im Bereich von Schiffsbauverträgen, die teilweise Klauseln enthalten, wonach der Vertragspartner verschuldensunabhängig für Verzögerungen haftet; zwar gelten diese Klauseln nicht bei „höhere Gewalt“, jedoch werden Streiks davon meist explizit ausgeklammert, sodass die Klausel auch im Falle eines Streiks greift. 8 Dazu bereits Malorny, RdA 2017, 149 (151); s. auch Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 90, der zudem darauf hinweist, dass Dritte ihre eigenen vertraglichen Beziehungen zum bestreikten Arbeitgeber nicht mit Schadensersatzforderungen belasten wollen und sich daher direkt an die Gewerkschaft richten. 9 BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543.
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
243
Doch besteht für dieses Ausgleichsinteresse10 eine rechtliche Haftungsgrundlage? Anknüpfungspunkt eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs gegen die Gewerkschaft könnte der Tarifvertrag zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber(verband) sein. Nach dem in § 241 I 1 BGB verankerten Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse11 treffen Leistungs- und Schutzpflichten aus dem jeweiligen Schuldverhältnis allein die Vertragspartner. Eine Drittwirkung geht von Schuldverhältnissen daher grundsätzlich nicht aus.12 Eine Durchbrechung dieses Relativitätsgrundsatzes ist nur ausnahmsweise möglich und in Gesetz und Rechtsprechung vor allem in Fällen des Vertrags zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB), des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter13 und der Drittschadensliquidation14 vorgesehen. Als Ausnahmekonstellationen sind diese Institute restriktiv zu handhaben; das gilt vor allem für die auf Rechtsfortbildung basierenden beiden letzteren Institute.15 Dass der Tarifvertrag als Vertrag zugunsten der Mitglieder des Arbeitgeberverbands i. S. d. § 328 I BGB einzuordnen ist, wurde bereits oben festgestellt.16 Doch gilt das auch zugunsten unbeteiligter Dritter? Im Mittelpunkt des ers10 Allgemein zum besonderen Ausgleichsinteresse des Geschädigten Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 343 f. 11 Zur Verankerung in § 241 I BGB Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 11; Hübner/Sagan, JA 2013, 741; allgemein zum Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse Denck, JuS 1981, 9 (11); Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721 m. w. N.; überblicksartig Jauernig-Mansel, § 241 BGB Rn. 4 ff.; Neuner, JZ 1999, 126 (126 f.). 12 S. BGH v. 23. 3. 1982 – KZR 5/81, BGHZ 83, 251 = NJW 1983, 1790 (1792); Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721; Jauernig-Mansel, § 241 BGB Rn. 6. 13 Die Bezeichnung geht auf Larenz, NJW 1956, 1193 (1194) zurück; allgemein zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker (1978), S. 311; Assmann, JuS 1986, 885; Schwerdtner, Jura 1980, 493; Sonnenschein, JA 1979, 225; Strauch, JuS 1982, 823; Strauch, JuS 1987, 947; s. auch Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 11, wo die allgemeine Formel aufgestellt wird, dass die Durchbrechung des Relativitätsgrundsatzes gerechtfertigt sein kann, wenn die Haftungskette den Geschädigten nicht hinreichend schützt und eine Direkthaftung dem Schädiger zumutbar ist. 14 Allgemein zur Drittschadensliquidation Hagen, Drittschadensliquidation (1971) S. 9 ff.; Henn, Daseinsberechtigung Drittschadensliquidation (2011) S. 23 ff.; Traugott, Drittschadensliquidation und vertraglicher Drittschutz (1997) S. 18 ff.; Staudinger-Schiemann, Vorbemerkungen §§ 249 – 254 Rn. 62 ff. m. w. N.; kritisch zum Institut der Drittschadensliquidation Luther, AcP 213 (2013), 572. 15 Auch wenn der VmSzD mit § 311 III BGB inzwischen gesetzlich anerkannt wurde; zur restriktiven Handhabung von Ausnahmen vom Relativitätsgrundsatz s. Looschelders/ Makowsky, JA 2012, 721 (728); zum Ausnahmecharakter direkter Haftungen in mittelbaren Beziehungen Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 276 ff. 16 S. oben unter § 3 A. II. „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff.
244
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
ten Abschnitts des zweiten Teils steht daher die Frage, ob der Tarifvertrag zugunsten unbeteiligter Dritter wirkt17 oder jedenfalls Schutzwirkung zugunsten unbeteiligter Dritter entfaltet18. Ist der Relativitätsgrundsatz zu durchbrechen und ein Schuldverhältnis festzustellen, ist im Rahmen der Pflichtverletzung der Folgefrage nachzugehen, ob Drittbetroffene von der relativen Friedenspflicht umfasst sind.19 Daneben ist zu erwägen, ob eine vertragliche Haftung nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation in Betracht kommt, möglicherweise als neue Fallgruppe.20
17 Allgemein zur Einordnung des Tarifvertrags als Vertrag zugunsten Dritter Fay, Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite (1960) S. 123 ff.; Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 15. 18 Allgemein zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker (1978), S. 311; Assmann, JuS 1986, 885; Schwerdt ner, Jura 1980, 493; Sonnenschein, JA 1979, 225; Strauch, JuS 1982, 823; Strauch, JuS 1987, 947. 19 Ablehnend mit Blick auf arbeitskampfexterne Drittbetroffene LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, S. 24, ArbG Frankfurt a. M. v. 25. 3. 2013 – 9 Ca 5558/12; Hessisches LAG v. 5. 12. 2013 – 9 Sa 592/13; Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 97 ff., insb. 107. 20 S. Gaul/Bobrowski, Arbeitsrecht im Betrieb II (1986) S. 78, der dem Dritten jedenfalls einen Schadensersatzanspruch aus Drittschadensliquidation gewähren will; ablehnend Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 108 ff.
§ 12 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
245
§ 12 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB wegen Verletzung der Friedenspflicht A. Schuldverhältnis Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch setzt ein bestehendes Schuldverhältnis zwischen Antragsteller (Dritter) und Antragsgegner (Gewerkschaft) voraus. Da es sich bei §§ 280 I, III, 283 BGB um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung handelt, wird ein Schuldverhältnis mit Leistungspflichten vorausgesetzt. Ein Schuldverhältnis aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter reicht daher nicht aus. In Betracht kommt allein ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis aus Vertrag zugunsten Dritter.1 Ein solches setzt eine Drittbegünstigungsabrede voraus.2 Die Gewerkschaft und sein Tarifpartner auf Arbeitgeberseite müssen sich also einig darüber sein, dass der Tarifvertrag auch zugunsten solcher Dritter wirken soll, die keine Mitglieder ihrer Verbände sind. Ausdrückliche Vereinbarungen zur Friedenspflicht oder zu bestehenden Schutzpflichten existieren zwischen den Tarifparteien regelmäßig nicht.3 Möglicherweise liegt aber eine konkludente Drittbegünstigungsabrede vor, wenn dafür Anhaltspunkte im Willen der Tarifparteien zu finden sind. Anders als im Fall der Verbandsmitglieder entspricht es in aller Regel jedoch nicht dem Willen der Gewerkschaft, den Gläubigerkreis zu erweitern und Dritte wie beispielsweise die Vertragspartner des Arbeitgebers (Lieferanten, Abnehmer, Dienstleister, Flugpassagiere, Bahnkunden etc.) in den Tarifvertrag einzubeziehen. Vielmehr würde das Haftungsrisiko der Gewerkschaft dadurch unüberschaubar und uferlos, ohne dass im Gegenzug auf der anderen Seite der Waagschale Vorteile für die Gewerkschaft ersichtlich sind. Anhaltspunkte einer konkludenten Willens erklärung der Gewerkschaft für eine Begünstigung solcher Dritter, die nicht Verbandsmitglieder sind, sind daher regelmäßig nicht gegeben. Aber auch aus anderen Gründen passt die Konstruktion des echten Vertrags zugunsten Dritter nicht auf am Tarifvertrag unbeteiligte Dritte. Wie gesehen ist beim Schadensersatzanspruch statt der Leistung die Friedenspflicht die Hauptleistung.4 Bei einer Einordnung als echten Vertrag zugunsten Dritter hätte der 1 Dazu im Verhältnis Gewerkschaft und Arbeitgeberseite bereits oben unter § 3 A. II. „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff. 2 Zu den Voraussetzungen eines echten Vertrags zugunsten Dritter s. Jauernig-Stadler, § 328 BGB Rn. 12 ff.; ausführlicher bereits oben unter § 3 A. II. „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff. 3 S. oben unter § 3 B. II. 1. b) „Umfang der Friedenspflicht“, S. 48. 4 S. oben unter § 3 B. II. 1. c) „Charakter der Friedenspflicht: selbstständige Unterlassungspflicht“, S. 50 ff.
246
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
Dritte, der keinerlei Bezug zu dem Tarifverhältnis hat, folglich einen eigenen Leistungsanspruch gegen die Gewerkschaft auf Einhaltung der Friedenspflicht. Doch was soll ein solcher Dritter mit einem Leistungsanspruch auf Einhaltung des Friedens zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber anfangen? Während Mitglieder von Arbeitgeberverbänden im Fall von Verhandlungen zu Haustarifverträgen auf einen eigenen Anspruch auf Einhaltung der Friedenspflicht angewiesen sind 5, können unbeteiligte Dritte mit einem solchen Anspruch nichts anfangen; er bringt ihnen keinerlei Vorteil. Das liegt daran, dass die Gewerkschaft nur gegenüber demjenigen Frieden halten kann, demgegenüber sie auch die Möglichkeit zum Streik hat. Das „Friedenhalten“ ist die Unterlassung, die der Handlung „Arbeitskampf“ gegenübersteht: Während die Friedenspflicht als negatives Tun auf der einen Seite der Medaille steht, steht auf der anderen Seite der Arbeitskampf als aktives Tun. Ohne Möglichkeit des Arbeitskampfs verliert die Friedenspflicht ihren Zweck, nämlich die Geltung der tariflichen Arbeitsbedingungen bei den tarifgebundenden Arbeitgebern zu sichern und damit der Vertragserfüllung zu dienen.6 Für den Dritten gilt der Tarifvertrag nicht; mit den tariflich geregelten Arbeitsbedingungen kommt er gar nicht in Berührung. Somit nimmt der Dritte „am Arbeitsfrieden nicht teil“7 und braucht als Unbeteiligter folglich auch kein Mittel, um die Vertragserfüllung zu sichern. Zweck der Friedenspflicht ist gerade nicht, mittelbare Folgen rechtswidriger Arbeitskämpfe zu verhindern.8 Auch die wirtschaftliche Abhängigkeit des Dritten von einem Arbeitgeber, der von der Friedenspflicht geschützt wird, reicht für die Begründung von Drittschutz nicht aus.9 Diesem Dritten einen eigenen Leistungsanspruch zu verschaffen, entspricht daher nicht dem Willen der Tarifparteien. Die Einbeziehung eines Dritten, der keinen Bezug zu dem Tarifvertrag hat, würde vielmehr die bilaterale tarifliche Dauerbeziehung der Tarifpartner stören. Die Tarifparteien werden daher in aller Regel keine Drittbegünstigungsabrede im Tarifvertrag vereinbaren, weder ausdrücklich noch konkludent. Ein echter Vertrag zugunsten Dritter scheidet mithin aus. Aus gleichem Grund scheidet auch ein unechter Vertrag zugunsten Dritter aus, bei dem vereinbart wird, dass der Schuldner an den Dritten leisten 5 S. ausführlicher oben unter § 3 A. II. Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff. 6 S. oben unter § 3 B. II. 1. a) „Zweck der Friedenspflicht“, S. 46. 7 Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1174. 8 Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1174. 9 S. Löwisch/Rieble-Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 1174; Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 157 f.; vgl. auch Wendeling-Schröder, AuR 2017, 96 (97), die betont, dass die Friedenspflicht nicht zu Rechten und Pflichten gegenüber außenstehenden Dritten führt.
§ 12 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
247
darf10: Ohne geltenden Tarifvertrag, den es zu sichern gilt, verliert die Friedenspflicht ihren Zweck.
B. Ergebnis Zwischen dem Dritten und der Gewerkschaft besteht kein Schuldverhältnis mit Leistungspflichten. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Friedenspflicht nach §§ 280 I, III, 283 BGB besteht daher nicht.
10 Zum unechten Vertrag zugunsten Dritter s. nur MüKo-BGB-Gottwald, § 328 BGB Rn. 3, 9; Staudinger-Klumpp, § 328 Rn. 1 ff.
248
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
§ 13 Schadensersatz nach §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. dem Vertrag mit Schutzwirkungzugunsten Dritter wegen Schutzpflichtverletzung A. Schuldverhältnis Auch ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 I, 241 II BGB setzt zunächst ein bestehendes Schuldverhältnis zwischen der Gewerkschaft und dem Dritten voraus. Da ein Vertrag zugunsten Dritter ausscheidet, kommt allein ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis aus sog. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Aufgrund des Tatbestandsmerkmals „Schuldverhältnis“ in § 280 I BGB, dem der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse zugrunde liegt, besteht eine vertragliche Haftung nur bei unmittelbaren Beziehungen.1 Ausnahmsweise kommt eine Direkthaftung auch bei mittelbaren Beziehungen in Betracht, wenn ein besonderer Haftungsgrund, eine Rechtfertigung besteht.2 Eine solche Durchbrechung des Relativitätsgrundsatzes ist gerechtfertigt, wenn die Haftungskette den Geschädigten nicht hinreichend schützt und eine Direkthaftung dem Schädiger zumutbar ist.3 Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist anerkannter Weise beides Fall: Der Geschädigte wird nicht hinreichend geschützt, und eine Direkthaftung ist dem Schädiger zumutbar.4 Als Ausnahmekonstellation ist der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter allerdings restriktiv zu handhaben.5 Ähnlich wie das ReaG weitet der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter die Haftung nämlich aus, indem er die Grenze zwischen Vertrags- und Deliktsrecht verschiebt.6 So sind beispielsweise 1 „Im Vertragsrecht des BGB ist der mittelbar Geschädigte grundsätzlich auf das Recht der unerlaubten Handlungen […] angewiesen.“, Larenz/Heiseke, NJW 1960, 77. 2 S. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 276. 3 S. Dauner-Lieb/Langen-Krebs, § 241 BGB Rn. 11; ebenfalls Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 276. 4 Ausführlich zur historischen Entwicklung des VmSzD s. v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (S. 312). 5 S. BGH v. 20. 4. 2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1 = NJW 2004, 3035 (3037); vgl. auch v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (S. 317); Martiny, JZ 1996, 19; zur restriktiven Handhabung von Ausnahmen vom Relativitätsgrundsatz s. Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721 (728); zum Ausnahmecharakter direkter Haftungen in mittelbaren Beziehungen Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten (2000) S. 276 ff. 6 S. Assmann, JuS 1986, 885 (887); v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (S. 312); vgl. auch Hübner, VersR 1991, 497; Lorenz, JZ 1960, 108 (112), der vom „Missbrauch des Vertragsrechts“ spricht; Saar, JuS 2000, 220 (221); allge-
§ 13 Schadensersatz nach §§ 280 I, 241 II BGB
249
der strengere § 278 BGB und die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB anzuwenden. Kreuzer geht sogar soweit, beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von einer „Deliktshaftung nach vertraglichen Grundsätzen“ zu sprechen.7 Auch wenn die Rechtsgrundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter umstritten ist8, ist man sich über seine Voraussetzungen einig9. Er setzt voraus, dass neben dem wirksamen Schuldverhältnis der Hauptparteien der Dritte wirksam in das Schuldverhältnis einbezogen wurde. Dafür müssen folgende Kriterien erfüllt sein: die Leistungsnähe des Dritten, das Näheverhältnis des Dritten zum Gläubiger, ein objektiv abgrenzbarer Personenkreis, der mit der Erkennbarkeit für den Schuldner einhergeht, und schließlich die Schutzbedürftigkeit des Dritten.10 I. Keine Leistungsnähe
Eine Leistungsnähe ist gegeben, wenn der Dritte der Gefahr von (Schutz-) Pflichtverletzungen bei der Erbringung der Hauptleistung ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger.11 Der Dritte muss mit der Hauptleistung also in Berührung mein zu den Unterschieden zwischen Vertrags- und Deliktsrecht bereits oben unter § 9 A. II. 1. „Gewährung von reinem Vermögensschutz“, S. 197. 7 Kreuzer, JZ 1976, 778; s. auch Gernhuber, JZ 1962, 553 (554), der den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als „nicht fehlerfreie Rechtsfigur ohne volle Bewältigung der Sachproblematik“ bezeichnet. 8 Die Rechtsprechung sieht die Rechtsgrundlage des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter in der ergänzenden Vertragsauslegung: BGH v. 14. 6. 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 = NJW 2012, 3165 (3167); BGH v. 24. 4. 2014 – III ZR 156/13, NJW 2014, 2345; ein Teil der Literatur nimmt eine Rechtsfortbildung an, die auf § 242 BGB beruht: s. nur Sonnenschein, JA 1979, 225 (227); Zenner, NJW 2009, 1030 (1033 f.); andere sehen die Rechtsgrundlage in den § 328 ff. BGB, s. v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker (1978), S. 311 (S. 315); oder § 311 III 1 BGB, Dauner-Lieb/Langen-Becker, § 311 BGB Rn. 140; wiederum andere sehen die Rechtsgrundlage im Sozialstaatsprinzip und dessen konkreten Ausprägungen, Neuner, JZ 1999, 126 (128); hingegen Armbrüster, Vertragliche Haftung für Drittschäden, in: FS Wiegand (2005), S. 71 (S. 76 f.) betont, dass der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf objektivem Recht, nicht auf dem Parteiwillen beruht. 9 S. Staudinger-Klumpp, § 328 Rn. 110; anders Zenner, NJW 2009, 1030 ff., der vertritt, dass die Wahl der Rechtsgrundlage doch Auswirkungen auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat. 10 St. Rspr. s. nur BGH v. 15. 2. 1978 – VIII ZR 47/77, BGHZ 70, 327 = NJW 1978, 883; BGH v. 6. 5. 2008 – XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 = NJW 2008, 2245 (2247); BGH v. 21. 7. 2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152 (3153); zu den Voraussetzungen im Einzelnen MüKo-BGB-Gottwald, § 328 BGB Rn. 182 ff.; Palandt-Grüneberg, § 328 BGB Rn. 16 ff.; Jauernig-Stadler, § 328 BGB Rn. 23 ff. 11 BGH v. 24. 1. 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 (835); s. ebenfalls BGH v. 15. 2. 1978 – VIII ZR 47/77, BGHZ 70, 327 = NJW 1978, 883; BGH v. 2. 7. 1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168 = NJW 1996, 2927 (2928).
250
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
kommen. Dabei ist das Merkmal der Leistungsnähe eng auszulegen, um dem restriktiven Charakter des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gerecht zu werden: „Bereits wegen der erforderlichen Abgrenzung zum deliktischen Haftungsbereich darf die für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderliche Leistungsnähe nicht nur faktisch gegeben sein.“12
Wie bereits im Rahmen des Vertrags zugunsten Dritter gesehen, kommen Dritte mit der Hauptleistung – der Friedenspflicht – nicht in Berührung: Da der Tarifvertrag nicht für sie gilt, brauchen sie auch kein Mittel, um die Durchführung des Tarifvertrags zu sichern.13 Zwar können sie mittelbar von den Folgen einer Verletzung der Friedenspflicht betroffen sein. Die faktische Betroffenheit reicht aber noch nicht, um eine Leistungsnähe zu begründen. Daher ist bereits die Leistungsnähe der Dritten zu verneinen.14 II. Keine Gläubigernähe
Auch die Gläubigernähe ist zweifelhaft. Eine Gläubigernähe ist jedenfalls gegeben, wenn der Gläubiger für „Wohl und Wehe“ des Dritten verantwortlich ist.15 Das ist bei familien-, arbeits- und mietrechtlichen Beziehungen der Fall.16 Darüber hinaus ist ein Dritter einbezogen, wenn der Gläubiger erstens ein besonderes Interesse hat, den Dritten zu schützen, und zweitens Inhalt und Zweck des Vertrags den Parteiwillen erkennen lassen, zugunsten dieses Dritten eine Schutzpflicht zu begründen.17 Damit muss das Verhältnis zum Gläubiger typischerweise über ein reines Austauschgeschäft (wie Kauf- oder Werkvertrag) hinausgehen.18 12
BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1554 f.). Dazu soeben § 12 A. „Schuldverhältnis“, S. 245 ff.; ebenso auch Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 86). 14 Ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 161 f.; Benecke, ZfA 2018, 2 (7). 15 BGH v. 2. 11. 1983 – IV a ZR 20/82, NJW 1984, 355 (355 f.); zuvor noch BGH v. 26. 11. 1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91 = NJW 1969, 269 (272); BGH v. 15. 6. 1971 – VI ZR 262/69, BGHZ 56, 269 = NJW 1971, 1931 (1931 f.); BGH v. 28. 1. 1976 – VIII ZR 246/74, BGHZ 66, 51 = NJW 1976, 712 (713); kritisch Neuner, JZ 1999, 126 (129), der anmerkt, das Relativitätsprinzip werde ansonsten aus den Angeln gehoben. 16 S. Neuner, JZ 1999, 126 (128). 17 S. BGH v. 14. 6. 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 = NJW 2012, 3165 (3167); BGH v. 7. 5. 2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 = JZ 2010, 414 (415); BGH v. 2. 7. 1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168 = NJW 1996, 2927 (2928); MüKo-BGB-Gottwald, § 328 BGB Rn. 185 f.; Palandt-Grüneberg, § 328 BGB Rn. 17; andere stufen dieses Kriterium als entbehrlich ein, s. beispielsweise Dauner-Lieb/Langen-Becker, § 311 BGB Rn. 144. 18 S. Jauernig-Stadler, § 328 BGB Rn. 25. 13
§ 13 Schadensersatz nach §§ 280 I, 241 II BGB
251
Die Arbeitgeberseite ist in der Regel nicht daran interessiert, Dritte in den Schutzbereich des Tarifvertrags einzubeziehen. Gröner meint daher zu recht: „Zwar mag der Arbeitgeber daran interessiert sein, seine Vertragspartner vor den mittelbaren Folgen rechtswidriger Streiks zu schützen. Ein Schluss von diesem allgemeinen Interesse auf ein besonderes Interesse des Arbeitgebers am Einbezug Dritter in den Schutzbereich der tarifvertraglichen Friedenspflicht geht indes fehl.“19
Auch der Tarifvertrag spiegelt kein besonderes Interesse an dem Schutz von Dritten wider: Für die Frage, ob Dritte nach Auslegung des Tarifvertrags in den Schutzbereich der Friedenspflicht einzubeziehen sind, ist auf den Zweck abzustellen. Die Friedenspflicht bezweckt Planungssicherheit für die Geltungsdauer des Tarifvertrags – einerseits für die Arbeitgeberseite, andererseits aber auch für die Gewerkschaft.20 Durch das Unterlassen von Arbeitskampfmaßnahmen können sich die Tarifpartner nämlich darauf verlassen, dass für die Dauer der Friedenspflicht keine neuen Tarifabschlüsse (zum bereits geregelten Inhalt) angestrebt werden. Die Friedenspflicht soll damit allein die Tarifpartner (und ihre Mitglieder21) schützen. Dritte sind keine Tarifparteien und werden durch die tariflichen Regelungen auch nicht gebunden. Gleichzeitig können sie keine (rechtmäßigen) Arbeitskämpfe führen. Ohne Möglichkeit des Arbeitskampfs und ohne tarifliche Regelung, die es zu sichern gilt, nützt den Dritten die Friedenspflicht nichts.22 Bereits Inhalt und Zweck der Hauptleistungspflicht lassen nicht erkennen, Dritte in den Schutzbereich einzubeziehen. Mithin spiegelt auch der Tarifvertrag kein besonderes Interesse der Arbeitgeberseite an dem Schutz des Dritten wider. Anhaltspunkte dafür, dass die Gewerkschaft Dritte in den Vertrag mit einbeziehen will, sind in der Regel ebenfalls nicht gegeben. Dadurch würde nämlich nur einseitig das Haftungsrisiko der Gewerkschaft erhöht, ohne dass sie dafür Vorteile erlangt. Folglich ist festzuhalten: Die Arbeitgeberseite hat in der Regel kein besonderes Interesse, Dritte in den Schutzbereich des Tarifvertrags einzubeziehen. Auch Inhalt und Zweck des Vertrags lassen nicht erkennen, dass Dritte einbezogen werden sollen. Schließlich haben auch nicht beide Parteien den Willen, Schutzpflichten zugunsten dieser Dritten zu begründen. Mithin liegt keine Gläubigernähe vor.23 19
Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 163. Ausführlich dazu bereits oben § 3 B II 1. a) „Zweck der Friedenspflicht“, S. 46. 21 Ausführlich dazu bereits oben § 3 A. II „Tarifvertrag als Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 I BGB“, S. 39 ff. 22 Dazu soeben § 12 A. „Schuldverhältnis“, S. 245. 23 Ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 162 ff. 20
252
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
III. Keine Erkennbarkeit für den Schuldner
Ebenfalls problematisch ist die Voraussetzung der Erkennbarkeit. Die Erkennbarkeit bezweckt, dass der Schuldner bei Vertragsschluss abschätzen kann, mit welcher Haftung er konfrontiert wird. Er muss sein Haftungsrisiko übersehen, kalkulieren und ggf. versichern können.24 Ansonsten kann eine Dritthaftung nicht zugemutet werden.25 In aller Regel kann die Gewerkschaft in den Tarifverhandlungen nicht erkennen, welche unbeteiligten Dritten in den Schutzbereich des Tarifvertrags einbezogen werden. Im Zeitpunkt des Tarifabschlusses steht möglicherweise noch gar nicht fest, in welchem Umfang die Arbeitgeberseite im Zeitraum der Vertragsdurchführung Verträge mit Dritten abschließt. Hinzu kommt, dass das konkrete Haftungsrisiko entscheidend davon abhängt, inwieweit sich die Dritten durch eigene Ansprüche schadlos halten können und selbst gegenüber eigenen Abnehmern schadensersatzpflichtig sind. „Diese Vertragsverhältnisse können […] einen undurchsichtigen bunten Strauß an Primär- und Sekundäransprüchen vorsehen.“26 Die Gewerkschaft hat keine Einsicht in diese Vertragsverhältnisse und kann ihr Haftungsrisiko daher gerade nicht kalkulieren. Zu dem Ergebnis gelangt auch das BAG: „In schuldrechtliche Verpflichtungen von Tarifvertragsparteien sind andere Dritte regelmäßig nicht einbezogen. Dies gilt nicht nur für die einem Tarifvertrag ohne besondere Vereinbarung regelmäßig immanente relative Friedenspflicht, sondern auch für eine ausdrücklich vereinbarte Friedenspflicht. Eine solche Erweiterung der Haftung für die jeweilige Tarifvertragspartei ist für diese wegen der fehlenden Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Folgen regelmäßig nicht zumutbar. Für eine gegenteilige Auslegung der schuldrechtlichen Vereinbarung müssen besondere Anhaltspunkte bestehen.“27
Die Einbeziehung von Dritten in den Tarifvertrag ist für die Gewerkschaft daher nicht erkennbar.28
24 S. BGH v. 7. 5. 2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 = JZ 2010, 414 (415); BGH v. 24. 4. 2014 – III ZR 156/13, NJW 2014, 2345 (2345 f.); MüKo-BGB-Gottwald, § 328 BGB Rn. 190; Martiny, JZ 1996, 19 (24). 25 S. MüKo-BGB-Gottwald, § 328 BGB Rn. 190. 26 Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 164. 27 BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1554). 28 Ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 164 f.; Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 86).
§ 13 Schadensersatz nach §§ 280 I, 241 II BGB
253
IV. Schutzwürdigkeit?
Da der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausnahmsweise den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse durchbricht, ist eine Dritthaftung des Schuldners ausgeschlossen, wenn der Dritte eigene, gleichwertige Ansprüche gegen den Gläubiger oder einen anderen Schuldner hat.29 Vertragliche Ansprüche des Dritten gegen den Gläubiger scheitern häufig daran, dass der Gläubiger den schadensstiftenden Umstand nicht zu vertreten hat.30 Zudem kennt die Praxis sog. Freizeichnungsklauseln, die den Arbeitgeber bei streikbedingten Leistungsstörungen von Übernahme-, Vorsorge- oder Abwendungsverschulden entlasten31. Daher ist es wohl eher die Regel als die Ausnahme, dass Dritte keine eigenen vertraglichen Ansprüche beim rechtswidrigen Streik haben. Selbst wenn man deswegen von einer Schutzwürdigkeit der Dritten ausgeht, sind jedenfalls die anderen Voraussetzungen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht gegeben. V. Zwischenergebnis
Zwischen Dritten und der Gewerkschaft besteht kein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.32 Möglicherweise ist der Dritte zwar schutzwürdig, jedoch fehlen die sonstigen Voraussetzungen: Der Dritte steht der Friedenspflicht nicht nahe, zudem fehlt die Gläubigernähe. Des Weiteren kann die Gewerkschaft den Personenkreis der Dritten nicht erkennen und damit ihr Haftungsrisiko nicht kalkulieren.
29 S. BGH v. 24. 4. 2014 – III ZR 156/13, NJW 2014, 2345 (2347); BGH v. 2. 7. 1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168 = NJW 1996, 2927 (2928); MüKo-BGB-Gottwald, § 328 BGB Rn. 191; Palandt-Grüneberg, § 328 BGB Rn. 18; Martiny, JZ 1996, 19 (20); a. A. Schwarze, AcP 203 (2003), 348 (364 f.). 30 Dazu bereits oben Dritter Teil, Erster Abschnitt: „Haftung aus Vertrag“, S. 241; anderer Ansicht Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 100 ff., 165. 31 Zu entsprechenden Regelungen in AGB s. Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 40 ff. 32 Ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 166; Melot de Beauregard, DB 2016, 535 (536); Rudkowski, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 183 unter III.; Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 85 ff.); anders aber Green, NZA 2016, 274 (277); Scharff, BB 2015, 1845 (1849 f.); insb. für den Bereich der Daseinsvorsorge Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (341).
254
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
B. Ergebnis Ein Schuldverhältnis zwischen Dritten und der Gewerkschaft entsteht nicht aufgrund eines echten Vertrags zugunsten Dritter: Es entspricht nicht dem Willen der Tarifparteien, dass Dritte einen eigenen Leistungsanspruch auf Einhaltung der Friedenspflicht erhalten. Vielmehr würde ein solcher Anspruch die tarifliche Dauerbeziehung der Tarifpartner stören. Mithin fehlt die erforderliche Drittbegünstigungsabrede. Ebensowenig besteht ein Schuldverhältnis aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: Dritte haben weder eine Nähe zu Leistung und Gläubiger, noch ist der Personenkreis der Dritten für die Gewerkschaft erkennbar. Allein das Merkmal der Schutzbedürftigkeit ist unter Umständen erfüllt. Die Tatsache, dass Dritte regelmäßig keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen den Gläubiger haben, kann aber kein Schuldverhältnis begründen. Daher scheidet eine Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus.
§ 14 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
255
§ 14 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB; §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. § 398 S. 2 BGB aus abgetretenem Recht im Rahmen der Drittschadensliquidation Zu prüfen bleibt, ob Dritte aus abgetretenem Recht im Rahmen der Drittschadensliquidation vertragliche Schadensersatzansprüche nach §§ 280 I, III, 283 BGB; §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. § 398 S. 2 BGB haben.1
A. Grundsätze der Drittschadensliquidation Während der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter den Personenkreis der Gläubiger erweitert, also eine zusätzliche Belastung für den Schuldner darstellt, verhindert die Drittschadensliquidation, dass der Schädiger durch eine Verlagerung des Schadens zufällig entlastet wird.2 Das Haftungsrisiko des Schuldners wird damit weder verkleinert noch vergrößert, sondern nur verschoben.3 Es handelt sich folglich um eine Konstellation, in welcher der Schuldner zwar eine vertragliche Pflicht gegenüber seinem Gläubiger schuldhaft verletzt, der Schaden aber aufgrund besonderer Umstände nicht beim Gläubiger, sondern bei einem Dritten entsteht.4 Im Wege der Drittschadensliquidation wird der Schaden sodann zum Anspruch des Gläubigers „gezogen“ und der Dritte ist berechtigt, nach § 285 BGB die Abtretung des Ersatzanspruchs zu verlangen.5 Der Dritte hat folglich aus abgetretenem Recht einen eigenen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner. Zur Veranschaulichung dient folgendes Schaubild:
1 Allgemein zur Drittschadensliquidation Hagen, Drittschadensliquidation (1971) S. 9 ff.; Henn, Daseinsberechtigung Drittschadensliquidation (2011) S. 23 ff.; Traugott, Drittschadensliquidation und vertraglicher Drittschutz (1997) S. 18 ff.; Staudinger-Schiemann, Vorbemerkungen §§ 249 – 254 Rn. 62 ff.; kritisch zum Institut der Drittschadensliquidation Luther, AcP 213 (2013), 572 (574 ff.). 2 S. MüKo-BGB-Oetker, § 249 BGB Rn. 289; Brox/Walker, SchuldR AT (2019), § 29 Rn. 15; Medicus/Lorenz, SchuldR I (2015) Rn. 693; Peters, AcP 180 (1980), 329 (331). 3 S. Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 109. 4 S. Arnold, Die tarifrechtliche Dauerrechtsbeziehung (1996) S. 106 f.; Weiss, JuS 2015, 8 (9). 5 S. Staudinger-Schiemann, Vorbemerkungen §§ 249 – 254 S. 67; Weiss, JuS 2015, 8 (9).
256
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
Die Drittschadensliquidation durchbricht damit das Dogma vom Gläubiger interesse, wonach ein Gläubiger grundsätzlich nur seinen eigenen Schaden geltend machen kann.6 Gesetzlich geregelt ist diese Ausnahme zwar nicht, die Drittschadensliquidation ist aber auf Richterrecht zurückzuführen, das zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist.7
B. Keine Drittschadensliquidation beim rechtswidrigen Streik Die Rechtsprechung nimmt die Drittschadensliquidation vor allem in Fällen mittelbarer Stellvertretung, bei Obhutsfällen und in Konstellationen der obligatorischen Gefahrentlastung an.8 Beim rechtswidrigen Streik ist keine dieser Fallgruppen einschlägig. Allerdings ist bei vergleichbarer Interessenlage eine Ausweitung auch auf andere Fallgruppen möglich.9 Dafür muss beim rechtswidrigen 6 S. Staudinger-Schiemann, Vorbemerkungen §§ 249 – 254 Rn. 62; Weiss, JuS 2015, 8 (9); allgemein zum Dogma des Gläubigerinteresses Staudinger-Schiemann, Vorbemerkungen §§ 249 – 254 Rn. 49. 7 S. Armbrüster, Vertragliche Haftung für Drittschäden, in: FS Wiegand (2005), S. 71 (S. 76). 8 S. nur BGH v. 17. 1. 2008 – IX ZR 172/06, NJW-RR 2008, 786 (787); Berg, JuS 1977, 363 (365); zu weiteren denkbaren Fallgruppen s. Bredemeyer, JA 2012, 102 (104 ff.); MüKo-BGB-Oetker, § 249 BGB Rn. 296 ff.; Peters, AcP 180 (1980), 329 (335 ff.). 9 Dazu Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 109 f.; MüKo-BGB-Oetker, § 249 BGB Rn. 290.
§ 14 Schadensersatz nach §§ 280 I, III, 283 BGB
257
Streik der Schaden ebenfalls zufällig verlagert sein. Charakter der Drittschadensliquidation ist gerade, dass keine zusätzliche Haftung für den Schuldner entsteht, sondern vielmehr der Gläubiger ausgewechselt wird: Während beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter mehrere Personen unterschiedliche Schäden erleiden, die der Schuldner zu ersetzen hat, entsteht bei der Drittschadensliquidation nur ein Schaden, den nur eine Person geltend machen kann.10 Beim rechtswidrigen Streik werden aber gerade unterschiedliche Schäden verursacht, die mehrere Personen erleiden: Die Arbeitgeberseite ist geschädigt, etwa weil die Produktion für die Dauer des Streiks ausfällt oder Aufträge nicht im eigenen Unternehmen fertiggestellt werden können und daher ausgelagert werden müssen. Dritte hingegen erleiden etwa Schäden, weil die vereinbarte Leistung verzögert erfüllt wird, sie auf ähnliche, teurere Produkte auf dem Markt ausweichen müssen oder Kunden aufgrund von Streikankündigungen Flüge oder Züge stornieren. Die Schäden von Arbeitgeberseite und Dritte sind also gerade nicht identisch. Zudem tauchen die Schäden nicht zufällig beim Dritten auf, sondern sind geradezu typische Folge sowohl rechtswidriger wie rechtmäßiger Streiks. Eine vergleichbare Interessenlage zur Drittschadensliquidation ist daher zu verneinen: Es ist weder Zufall, dass der Dritte geschädigt wird, noch handelt es sich um die Verlagerung ein und desselben Schadens.11 „Es genügt […] zur Liquidation des Drittschadens nicht, dass außer dem Anspruchsberechtigten auch ein Dritter einen Schaden erlitten hat. Das Recht zur Liquidation des Drittschadens darf nicht zu einer Vermehrung der vom Verletzer zu befriedigenden Geschädigten und damit zu einer Erweiterung der nach Gesetz oder Vertrag begründeten Schadensersatzpflicht führen.“12
Nimmt man eine Drittschadensliquidation beim rechtswidrigen Streik an, führt das aber gerade zu einer Erweiterung der Schadensersatzpflicht: Die Gewerkschaft wäre sowohl vertraglichen Ansprüchen der Arbeitgeberseite13 als auch Ansprüchen Dritter aus der Drittschadensliquidation ausgesetzt.14 Aus diesem Grund liegen die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation beim rechtswidrigen Streik nicht vor.15 Dritte haben keinen Anspruch gegen die 10 S. Berg,
JuS 1977, 363 (366). Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 110; die Zufälligkeit ebenfalls verneinend Benecke, ZfA 2018, 2 (7). 12 BGH v. 10. 7. 1963 – VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91 = NJW 1963, 2071 (2076). 13 Zu den vertraglichen Ansprüchen der Arbeitgeberseite gegen die Gewerkschaft s. bereits oben § 3, § 4, § 5. 14 Ebenso Löwisch, AcP 174 (1974), 202 (238), Fn. 123. 15 Ebenso Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 108 ff.; Benecke, ZfA 2018, 2 (7); Löwisch, AcP 174 (1974), 202 (238), Fn. 123; Scharff, BB 2015, 1845 (1850); 11 Ebenso
258
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
Gewerkschaft aus §§ 280 I, III, 283 BGB; §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. § 398 S. 2 BGB i. V. m. der Drittschadensliquidation.
C. Ergebnis Die Drittschadensliquidation verhindert, dass der Schädiger durch die Verlagerung des Schadens zufällig entlastet wird, indem der Schaden des Dritten zum Anspruch des Gläubigers „gezogen“ wird. In der Folge kann der Dritte vom Gläubiger die Abtretung des Ersatzanspruchs nach § 285 BGB verlangen und sich mit seinem Schadensersatzverlangen direkt an den Schuldner wenden. Die Drittschadensliquidation ist beim rechtswidrigen Streik jedoch nicht einschlägig: Es ist weder Zufall, dass der Dritte geschädigt wird, noch handelt es sich um die Verlagerung ein und desselben Schadens. Dritte haben beim rechtswidrigen Streik daher keinen Anspruch gegen die Gewerkschaft aus §§ 280 I, III, 283 BGB; §§ 280 I, 241 II BGB i. V. m. § 398 S. 2 BGB i. V. m. der Drittschadensliquidation.
Zusammenfassung des Ersten Abschnitts Am Streik unbeteiligte Dritte haben keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft. Ein Schuldverhältnis ergibt sich weder aus Vertrag zugunsten Dritter noch aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Auch ein Anspruch aus abgetretenem Recht im Wege der Drittschadensliquidation scheidet aus.
andere Ansicht Gaul/Bobrowski, Arbeitsrecht im Betrieb II (1986) S. 78, der dem Dritten einen Schadensersatzanspruch aus Drittschadensliquidation gewähren will; s. im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerhaftung beim rechtswidrigen Streik auch Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 356 f., der eine Parallele zur Gefahrentlastung beim Versendungskauf sieht und eine Drittschadensliquidation annimmt.
Zweiter Abschnitt
Haftung aus Delikt 2. Abschn.: Haftung aus Delikt
Anders als das Vertragsrecht schützt das Deliktsrecht die dort genannten Rechte absolut – also gegenüber jedermann – und nicht nur relativ.1 Außerhalb des vertraglichen oder vertragsähnlichen Schadensrechts gilt der Grundsatz, dass der Rechtsgutträger als Nutzer und Vorteilsgenießer die Nachteile für Zufall oder, anders gesagt, für das allgemeine Lebensrisiko trägt (casum sentit dominus, frei übersetzt: „Den Eigentümer trifft der zufällige Untergang.“ oder auch cuius est commodum, eius est periculum, frei übersetzt: „Wer den Nutzen/ Vorteil hat, trägt auch die Gefahr.“).2 Allein wenn ein besonderer Grund besteht, der über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht, kann der Schaden auf einen anderen abgewälzt werden.3 Das Deliktsrecht normiert, wann ein solcher besonderer (Haftungs-)Grund gegeben ist. Damit dient es der Abgrenzung von allgemeinem Lebensrisiko und schadensersatzauslösendem Verhalten. Verletzt der Schädiger eines der geschützten Rechte oder Rechtsgüter rechtswidrig und schuldhaft, sind die Folgewirkungen gerade nicht zufällig; sie unterliegen nicht dem allgemeinen Lebensrisiko, sondern gehen auf das spezifische Verletzungsrisiko zurück.4 Grundsätzlich stehen deliktische Schadensersatzansprüche nur den unmittelbar Verletzten zu – dem Eigentümer bei einer Eigentumsverletzung, dem Geschädigten bei einer Gesundheitsschädigung.5 Dritte, die mittelbare Folgen 1 Zur
Abgrenzung zwischen relativen und absoluten Rechten s. Fabricius, AcP 160 (1960), 273 (277): „Das Wesentliche des relativen Rechts soll darin bestehen, daß ihm eine spezielle Verpflichtung eigen ist, und es daher nur von dem Verpflichteten verletzt werden könne, während absolute Rechte sich durch eine Wirkung gegen jedermann auszeichnen, m. a. W. eine Verletzung jedem möglich ist. Richtig ist, daß § 823 BGB sich gegen jedermann wendet.“. 2 Zum Grundsatz casum sentit dominus s. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 351; Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 4; Looschelders, VersR 1996, 529 (534); im Zusammenhang mit § 254 BGB Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 116 ff.; zum Grundsatz cuius est commodum, eius est periculum im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerhaftung s. Gamillscheg, Referat zum 45. DJT (1964) G 12. 3 S. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 351; Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 4; Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten (1999) S. 117. 4 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 353. 5 S. v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in: FS Juristentag (1960), S. 49 (S. 68).
260
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
der Schädigung treffen, haben grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch.6 Ausnahmen davon gelten gemäß §§ 844, 845 BGB für Hinterbliebene. Doch auch bei mittelbar Geschädigten gibt es Grenzfälle, bei denen zu Recht hinterfragt wird, welches Risiko sich eigentlich verwirklicht hat: das allgemeine Lebensrisiko oder nicht doch das spezifische Verletzungsrisiko? Daher hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, nach denen ausnahmsweise auch mittelbare Verletzungshandlungen zu einem deliktischen Schadensersatzanspruch führen können.7 Voraussetzung dafür ist eine Verkehrspflicht8 des Schädigers, eine Gefahr zu vermeiden.9 Ein spezifisches Verletzungsrisiko ist dann gegeben, wenn in pflichtwidriger Weise trotzdem eine Gefahrenquelle geschaffen wird, die zu einem (mittelbaren) Schaden führt.10 In der Rechtspraxis haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet: Um allgemeines Lebensrisiko handelt es sich in folgendem Beispielsfall: Ein mit Kühen beladener LKW steht bei einer Außentemperatur von 30 Grad wegen eines Verkehrsunfalls fünf Stunden auf der vollgesperrten Autobahn im Stau. Infolgedessen sterben einige der Kühe. Der Eigentümer kann vom Unfallverursacher keinen Ersatz seines Schadens verlangen. Der Schaden (bei Verwertung der Kühe: Minderertrag; bei Milchkühen: weniger Gesamtmilch) entsteht erst mittelbar durch die Sperrung der Autobahn, nicht durch das Unfallverhalten. Eine bei mittelbaren Rechtsgutsverletzungen erforderliche Verkehrssicherungspflicht des Unfallverursachers besteht gegenüber dem LKW-Fahrer nicht. Zwar trifft den Unfallverursacher ab dem Zeitpunkt der Eröffnung der Gefahrenquelle, also des Unfalls, eine Verkehrssicherungspflicht: Die Unfallstelle ist ausreichend zu kennzeichnen, ein Notruf ist ggf. zu tätigen, Gefahren für kommende Autofahrer sind zu minimieren. Das Sichern der Unfallstelle soll aber nicht vor Rechtsgutsverletzungen im unfallbedingten Stau schützen, sodass der Schutzzweck der Norm nicht erfüllt ist.11 Die haftungsbegründende Kausalität des § 823 I BGB (Eigentum) ist daher nicht gegeben. Den Eigentümer der Kühe trifft vielmehr das allgemeine Lebensrisiko – das Risiko, das jedermann treffen kann.12 6 S. v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in: FS Juristentag (1960), S. 49 (S. 68). 7 RG v. 30. 10. 1902 – VI 208/02, RGZ 52, 373 (379) ; RG v. 23. 2. 1903 – VI 349/02, RGZ 54, 53 (58 f.) ; RG v. 19. 9. 1921 – VI 191/21, RGZ 102, 372 (375) ; BGH v. 28. 4. 1952 – III ZR 118/51, BGHZ 5, 378 = NJW 1952, 1050; BGH v. 15. 4. 1957 – III ZR 246/55, BGHZ 24, 124 = NJW 1957, 1065; BGH v. 1. 3. 1988 – VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338 = NJW 1988, 2667; für weitere Nachweise s. Staudinger-Hager, § 823 E Rn. 13. 8 Ausführlicher zur Entwicklung der Verkehrs(sicherungs)pflicht, die zunächst im Rahmen des Handelns durch Unterlassen relevant wurde, v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, in: FS Juristentag (1960), S. 49 (S. 71 ff.); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 400 f.; überblicksartig dazu Staudinger-Hager, § 823 E Rn. 1. 9 Deswegen sprechen Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 402 auch von einer „Gefahrvermeidungs- und -abwendungspflicht“. 10 S. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 402. 11 Zum Erfordernis des Schutzzwecks der Norm, s. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 423 ff.
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfbeteiligter Dritter
261
Nicht mehr allgemeines Lebensrisiko, sondern ein Haftungsgrund nach § 823 I BGB (Gesundheit) liegt in folgendem Fall vor: Der Unfallverursacher rast frontal in ein anderes Fahrzeug. Der andere Autofahrer stirbt noch am Unfallort. Seine Ehefrau ist auf dem Beifahrersitz eingeklemmt und muss ihrem Mann hilflos beim Sterben zusehen. Aufgrund des schweren Schocks erleidet sie einen Herzinfarkt und ein schweres Trauma, sodass sie über mehrere Jahre auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Sie verlangt von dem Unfallverursacher Ersatz der dadurch entstandenen Arztkosten. Die haftungsbegründende Kausalität solcher mittelbarer Schockschäden13 ist ausnahmsweise gegeben, wenn folgende von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfüllt sind: Die mittelbar geschädigte Person muss den Unfall selbst miterlebt oder vor dem Schock davon erfahren haben, das Opfer muss ihr nahe gestanden haben, der Schock muss schwer und die Reaktion nachvollziehbar sein.14 Vor allem die Schwere des Schocks dient der Abgrenzung zum allgemeinen Lebensrisiko: Der Schock muss gerade über den Umfang hinausgehen, der erfahrungsgemäß bei derartigen Unfällen „normal“ und damit allgemeines Lebensrisiko ist.15 Etwaiges Mitverschulden des unmittelbaren Opfers wird dem mittelbaren Opfer nach §§ 254, 242 BGB zugerechnet, der Anspruch gekürzt.16 12
Bei der Frage, ob unbeteiligte Dritte bei rechtswidrigen Streiks deliktische Ansprüche gegen die Gewerkschaft haben, geht es der Sache nach ebenfalls um die Abgrenzung vom allgemeinen Lebensrisiko zum Haftungsgrund. Welche Abgrenzungskriterien machen eine Konstellation vom Zufall zum Haftungsfall? Während bei den absoluten Rechten wie Eigentum, Gesundheit und Leben die Abgrenzung zwischen Zufall und Haftungsfall leichter fällt, weil die Rechtsgutsverletzung bereits die Rechtswidrigkeit indiziert17 und daher weniger Argumentationsspielraum besteht, sieht das bei den sog. Rahmenrechten anders aus. Daher steht im Mittelpunkt der Diskussion und des nächsten Abschnitts eine Dritthaftung nach § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG.18 12 S. auch LG Arnsberg v. 7. 2. 2006 – 5 S 101/05, juris, wo ein wegen Unfall verpasster Flug nicht dem Schutzzweck von § 823 I BGB, sondern vielmehr dem allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet wurde. 13 Zur Behandlung solcher sog. Schockschäden s. Soergel-Spickhoff, § 823 BGB Rn. 45 ff.; Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 9 f.; MüKo-BGB-Wagner, § 823 BGB Rn. 186 ff. m. w. N. 14 Dazu Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 33 f. 15 Vgl. BGH v. 22. 5. 2007 – VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 = NJW 2007, 2764; BGH v. 30. 4. 1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341 = NJW 1996, 2425; BGH v. 4. 4. 1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317; Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 33; Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 40. 16 Vgl. BGH v. 11. 5. 1971 – VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163 = NJW 1971, 1883; Grigoleit/ Riehm, DeliktsR und SchadensR (2017) S. 34. 17 S. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994) S. 363. 18 Auch in BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47, dem Parallelverfahren 1 AZR 875/13 sowie BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 spielte vor allem die Frage der Rechtsgutsverletzung des ReaG eine große Rolle.
262
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
§ 15 Schadensersatz aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung Die deliktische Haftung aus § 823 I BGB ist eine Jedermann-Haftung. Daher können grundsätzlich auch Dritte einen Anspruch gegen die Gewerkschaft wegen Eigentumsverletzung haben. Voraussetzung dafür ist, dass die Gewerkschaft auf Sachen des Dritten einwirkt, sodass dieser sein Eigentumsrecht aus § 903 S. 1 BGB nicht ausüben kann. Eine Eigentumsverletzung kommt folglich in Betracht, wenn der Streik kausal dafür ist, dass der Dritte in erheblicher Weise in der bestimmungsgemäßen Nutzung seiner Sachen beeinträchtigt wird. Eine rechtssichere Abgrenzung zwischen erheblichen und unerheblichen Nutzungsbeeinträchtigungen ist der Rechtswissenschaft bisher nicht gelungen. Daher kommt es entscheidend auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an, welche – in ihrer Fülle unübersehbar – hier nicht weiter untersucht werden können. Ansonsten wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.1
1 Ausführlich zur Eigentumsverletzung bereits oben § 6 A. „Eigentumsverletzung“, S. 179 ff.
§ 16 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht 263
§ 16 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG als sonstiges Recht Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG scheidet aus, da Art. 9 III GG nicht als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB einzuordnen ist1. Zudem muss sich der Arbeitskampf „gegen eine durch Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistete Betätigung derjenigen Koalition gerichtet sein, die den Unterlassungsanspruch geltend macht.“2
Das ist beim am Kampf unbeteiligten Dritten nicht der Fall.3
1
Ausführlich dazu oben § 7 B. „Art. 9 III GG als sonstiges Recht“, S. 186. Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 300. 3 Ebenso Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 186. 2
264
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
§ 17 Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. Schutzgesetzen Verletzt die Gewerkschaft schuldhaft ein Schutzgesetz, das objektiv den Schutz des Dritten bewirken soll, kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i. V. m. dem verletzten Schutzgesetz in Betracht. Um Popularklagen auszuschließen, ist also entscheidend, dass der Dritte auch zum geschützten Personenkreis gehört.1 Zudem muss das einschlägige Schutzgesetzt verletzt sein. Da Dritte in aller Regel nicht als Koalitionen in ihrem koalitionsspezifischen Verhalten durch den Streik betroffen sind, scheidet Art. 9 III 2 GG als Schutzgesetz aus. Hingegen ist denkbar, dass der Streik Strafnormen verletzt, die den Dritten schützen sollen. Ebenso wie im Rahmen der Ansprüche der Arbeitgeberseite ist erforderlich, dass die Gewerkschaft den objektiven und subjektiven Tatbestand des Schutzgesetzes erfüllt, wobei auch die sonstigen strafrechtlichen Voraussetzungen wie etwa die Irrtumslehre zu beachten sind.2 Hat der Dritte sein Eigentum beim Arbeitgeber gelagert und wird dieses beim Streik beschädigt oder zerstört (§ 303 StGB) entsteht außerdem ein inhaltsgleicher Anspruch aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung. Nicht erfüllt ist hingegen der Straftatbestand der Nötigung: Die Nötigungshandlung (Androhung einer Arbeitsniederlegung3) muss beim Opfer einen Nötigungserfolg herbeiführen, der in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung besteht.4 Der betroffene Arbeitgeber soll durch den angedrohten Streik etwa zum Abschluss eines Tarifvertrags zu bestimmten Konditionen gebracht werden. Beim Dritten führt die Drohung mit der Arbeitsniederlegung aber zu keinem Nötigungserfolg. Er hat weder mit der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer zu tun, noch kann er zum Abschluss eines Tarifvertrags bestimmt werden, da er kein Tarifpartner ist. Im Ergebnis scheidet eine Nötigung nach § 240 StGB gegenüber Dritten jedenfalls aus. Aus dem gleichen Grund ist § 253 StGB (Erpressung) ebenfalls zu verneinen. Ansonsten wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.5
1
Dazu bereits oben § 8 A. I. „Merkmale des Schutzgesetzes“, S. 188. Dazu bereits oben § 8 A. III. „Verstoß gegen das Schutzgesetz“, S. 192 ff. 3 Dazu, dass der Streik als Drohung und nicht als Gewalt i. S. d. § 240 StGB einzuordnen ist, Niese, Streik und Strafrecht (1954) S. 26 f. m. w. N. 4 Dazu S/S-Eser/Eisele, § 240 StGB Rn. 12. 5 § 18 „Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m dem ReaG“, S. 264 ff. 2
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG
265
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG Zentrale Frage dieses Abschnitts ist, ob Dritte beim rechtswidrigen Streik einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG innehaben. Bevor die einzelnen Tatbestandsmerkmale genauer unter die Lupe genommen werden, ist noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass das ReaG ein Fremdkörper im Deliktsrecht und daher restriktiv anzuwenden ist. Es gilt zu vermeiden, dass über die Hintertür des ReaG allgemeiner Vermögensschutz gewährt wird, obwohl nach den gesetzlichen Wertungen des vertraglichen und deliktischen Haftungssystems gerade kein solcher Schutz besteht.1
A. Unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Streik Auch am Arbeitskampf unbeteiligte Dritte können als Gewerbetreibende Inhaber eines Anspruchs aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG sein. Das ReaG schützt die ungestörte Betätigung und Entfaltung ihres bestehenden Gewerbebetriebs. Ein solcher Anspruch setzt zunächst voraus, dass unmittelbar in den Gewerbebetrieb eingegriffen wird. Das ist der Fall, wenn der Eingriff betriebsbezogen ist, ihm also erstens eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine sozialübliche Behinderung hinausgeht (II.), und der Eingriff zweitens in seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Gewerbebetriebs gerichtet ist (III.). Zuvor ist zu untersuchen, ob das Erfordernis der Betriebsbezogenheit bei mittelbaren Streikfolgen obsolet ist (I.). I. Betriebsbezogenheit obsolet bei mittelbaren Folgen von Arbeitskämpfen?
Adam argumentiert, die enge Auslegung des ReaG und damit das Kriterium der Betriebsbezogenheit „in den Fällen der mittelbaren Folgewirkungen von Arbeitskampfmaßnahmen zumindest teilweise“2 sei aufzugeben. Das gelte indes nur, wenn auch für mittelbar durch Aussperrung betroffene Arbeitnehmer die Rechtsfolgen des § 823 I BGB ausgelöst werden: Da diese keine Gewerbe1 „Zu der nicht unbedeutenden Gruppe von Fällen, die unter ,Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb‘ gebracht werden könnten, vom Gesetzgeber aber gesehen und absichtlich nicht unter § 823 I BGB gebracht wurden, gehört vorrangig die Verletzung von Personen, die Vertragspartner Dritter sind (…).“, Esser/Weyers, SchuldR II (2000) S. 167; ausführlich dazu bereits oben § 9 A. II. 3. „Lösung originär vertraglicher Konstellationen mit Hilfe des Deliktsrechts“, S.200. 2 Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 84.
266
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
treibenden sind, können sie sich nämlich nicht auf das ReaG berufen und gehen nach derzeitiger Rechtslage leer aus. „Es wäre eine nicht begründbare Besserstellung u. würde zu einem noch unvollständigeren deliktischen Schutz kampfunbeteiligter Dritter führen, wenn im Falle eines Streiks Dritten gegenüber Schadensersatzansprüche […] entstehen, während […] [die] Schadensersatzpflicht [des Arbeitgebers] aus § 823 Abs. 1 BGB aus dogmatischen Gründen abgelehnt werden müsste.“3
Die haftungsrechtlichen Folgen von Streik und Aussperrung müssten gleichlaufen.4 Damit läuft Adams Ansicht auf eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des ReaG hinaus und ist methodisch als Analogie einzuordnen.5 Eine solche Analogie setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke voraus, zum anderen müssen die Interessenlagen, die hinter den beiden Sachverhalten stehen, gleich sein.6 Ist das der Fall, fordert der in Art. 3 GG positivrechtlich normierte Gleichheitssatz ihre Gleichbehandlung.7 Gegen eine planwidrige Lücke spricht bereits, dass das ReaG seinerseits auf Rechtsfortbildung beruht und lediglich eine restriktiv anzuwendende Ausnahme innerhalb des Deliktsrechts darstellt, die bereits aus dogmatischen Gründen angreifbar ist.8 Das ReaG hat selbst bloß lückenfüllende Funktion. Die Begründungslast, dass ein Sachverhalt unter den Anwendungsbereich des ReaG fällt, ist daher sehr hoch. Mit dem Merkmal der Betriebsbezogenheit wollte die Rechtsprechung gerade eine „übermäßige Ausweitung“ des Anwendungsbereichs des ReaG verhindern und bloß mittelbar Betroffene ausschließen.9 Aus diesem Grund liegt bereits keine planwidrige Regelungslücke vor. Zudem ist auch die Interessenlage nicht vergleichbar: Das ReaG bezweckt gerade keine Privilegierung von Gewerbetreibenden. Darauf würde eine Analogie 3
Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 88. Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 88. 5 Zwar könnte argumentiert werden, dass die Voraussetzungen des ReaG um einen Ausnahmetatbestand „mittelbare Folge des Arbeitskampfes“ ergänzt wird, es sich also vielmehr um eine teleologische Reduktion handelt. Entscheidend ist aber, dass Adam den Anwendungsbereich des ReaG ausdehnen will, indem er das Merkmal der Betriebsbezogenheit ausnahmsweise „zumindest teilweise aufgibt“. Damit sollen über die Fälle eines betriebsbezogenen Eingriffs hinaus weitere Fälle in den Anwendungsbereich des ReaG gezogen werden. Die Rechtsfolge eines Anspruchs aus § 823 I BGB soll damit auch auf Fälle erstreckt werden, die eigentlich nicht den Tatbestand des ReaG erfüllen. Damit handelt es sich methodisch um eine Analogie und keine teleologische Reduktion. 6 Allgemein zu den methodischen Voraussetzungen einer Analogie Canaris, Feststellung von Lücken (1983) S. 24 f., 56. ff., 72. ff. 7 Ausführlicher zu den Voraussetzungen einer Analogie bereits oben unter § 3 D. III. 3. a) „Voraussetzungen der Analogie“, S. 100 ff. 8 Ausführlicher dazu bereits oben unter § 9 A. II. „Kritik am ReaG“, S. 197 ff. 9 S. etwa BGH v. 9. 12. 1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 = NJW 1959, 479 (480). 4
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG
267
aber hinauslaufen. Zwar will Adam eine Gleichbehandlung von gewerblichen Drittbetroffenen und gewerkschaftlich anders organisierten Arbeitnehmern schaffen, indem er beiden Ansprüchen zuspricht. Andere mittelbar betroffene Private gingen jedoch nach wie vor leer aus: Während ein Malerbetrieb beim rechtswidrigen Streik in einem Baumarkt streikbedingte Schäden geltend machen könnte, wäre dies dem privaten Hobby-Maler verwehrt. Im Ergebnis privilegiert Adam damit Gewerbetreibende gegenüber Privaten, ohne dass eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung ersichtlich ist.10 Konsequent wäre sein Ansatz, wenn er allen mittelbar Drittbetroffenen Schadensersatzansprüche zuspricht – Privaten wie Gewerbetreibenden. Dogmatisch ginge dies allenfalls mit Hilfe des Merkmals des sonstigen Rechts. Doch welches sonstige Recht sollte das sein: das Recht, als Dritter von arbeitskampfbedingten Folgen verschont zu bleiben? Ein solches Recht ist nicht aus der Rechtsordnung herzuleiten – ganz im Gegenteil stünde es den Wertungen von Art. 9 III GG entgegen. Auch die erforderlichen Charakteristika eines sonstigen Rechts (Eigentumsähnlichkeit, also Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion) wären mehr als zweifelhaft. Würde ein Anspruch aus § 823 I BGB dennoch gewährt, wäre das daher kein Ergebnis gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung mehr. Vielmehr würde ein neuer Tatbestand geschaffen. Das aber ist Aufgabe des Gesetzgebers. Zudem widerspräche es dem in § 823 I BGB verankerten Grundsatz, keinen reinen Vermögensschutz zu gewähren. Hinzu kommt ein weiterer Gedanke: Die geschädigten Dritten sind in vielen Fällen deswegen betroffen, weil sie sich die Vorteile der Arbeitsteilung zunutze machen, etwa indem sie Waren oder Dienstleistungen vom bestreikten Arbeitgeber beziehen. Hätten sie die Leistung selbst erbracht, müssten sie mit dem Risiko eines Streiks ihrer Arbeitnehmer kalkulieren und leben. Von diesem Risiko können sich Dritte nicht befreien, indem sie ihren Arbeitsprozess dezentralisieren: „Ich warne auch davor hinzugehen und letztlich die von den Unternehmen wegen vielfacher Vorteile herbeigeführte Dezentralisierung der Wertschöpfung, für die sie alle Vorteile mitnehmen, ihnen dann den Nachteil der arbeitskampfrechtlichen Enthaftung zu ersparen. Das ist ein altes Gefahrtragungsprinzip: Wer den guten Tropfen hat, muss auch den bösen schlucken.“11
Beide Erwägungen zeigen, dass die von Adam geforderte zumindest teilweise Aufhebung des Merkmals der Betriebsbezogenheit methodisch und inhaltlich nicht überzeugt. Ein solcher Ansatz ist daher abzulehnen. 10 Ausführlicher dazu bereits oben § 9. B. II. 2. a) aa) „Auslegung mit Hilfe des Zwecks“, S. 207. 11 Diskussionsbeitrag von Rieble zu Sprenger, Drittbetroffenheit und Drittschaden im Arbeitskampf, in: Entgrenzter Arbeitskampf?, 6. ZAAR-Tagung (2015), S. 97 (S. 122 f.).
268
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
II. Schadensgefahr mit sozialunüblicher Behinderung
Muss eine Privatperson die Gefahr eines Schadens ohne Entschädigung hinnehmen, ist dieselbe Gefahr für den Gewerbetreibenden sozialüblich; ein betriebsbezogener Eingriff liegt dann nicht vor.12 Ist der Gewerbetreibende hingegen in besonderer Weise – also gerade nicht wie jedermann – von den Auswirkungen des Streiks betroffen, ist die Betriebsbezogenheit gegeben. In den typischen Fällen der Drittbetroffenheit liegt in der Regel eine bloß sozialübliche Schadensgefahr vor: Private Käufer von Waren oder private Abnehmer von Dienstleistungen sind in der Regel in gleicher Weise betroffen wie die jeweils drittbetroffenen Gewerbetreibenden – die Schadensgefahr geht gerade nicht über eine sozialübliche Behinderung hinaus.13 Beispiel: Ein privater Flugpassagier ist in gleicher Weise von streikbedingten Verspätungen und Stornierungen im Flugverkehr betroffen wie ein gewerblicher Flugpassa gier: Beide können erst verspätet oder gar nicht starten. Auch ein abhängig beschäftigtes Elternteil ist von den Auswirkungen eines Kita-Streiks in gleicher Weise betroffen wie ein Elternteil mit selbstständiger Beschäftigung: Beide müssen sich für die Dauer des Streiks eine andere Kinderbetreuung organisieren.
Behandelte man die privaten und gewerblichen Drittbetroffenen unterschiedlich, obwohl sie in gleicher Weise betroffen sind, liefe das auf eine Privilegierung von Gewerbetreibenden hinaus, die vor dem Hintergrund des Art. 3 I GG nicht zu rechtfertigen ist.14 III. Objektive Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit
Zudem muss der Streik mit seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Dritten gerichtet sein. Dieses Merkmal 12
S. bereits oben § 9. B. II. 2. a) aa) „Auslegung mit Hilfe des Zwecks“, S. 207. dazu noch unten § 18 „Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m dem ReaG“. S. 265 ff. 14 Ergänzend dazu führt Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 87 ins Feld, dass drittbetroffene Arbeitnehmer, also Außenseiter, im Falle einer rechtswidrigen Aussperrung ebenfalls keinen Anspruch aus § 823 I BGB geltend machen können, da sie keine Unternehmer sind. Gleichwohl erhalten sie – ebenso wie die Gewerkschaftsmitglieder – für die Dauer der Aussperrung kein Arbeitsentgelt. Eine unterschiedliche Behandlung von drittbetroffenen Gewerbetreibenden und drittbetroffenen Arbeitnehmern liefe auf eine unterschiedliche Behandlung von Streik und Aussperrung hinaus, obwohl beide Arbeitskampfmittel gleich zu behandeln seien. Allerdings zieht Adam daraus eine andere Konsequenz: Seiner Meinung nach haben sowohl drittbetroffene Arbeitnehmer als auch drittbetroffene Gewerbetreibende bei rechtswidrigem Arbeitskampfmittel einen Anspruch aus § 823 I BGB, Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 88. 13 Ausführlich
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG
269
ist ebenfalls problematisch. Der Streik übt Druck auf die Arbeitgeberseite aus und zwingt diese zu Handlungen, wie einen höheren Tarifabschluss, oder zu Maßnahmen, etwa zur Eindämmung von Streikfolgen.15 Zwar können Schäden bei Dritten ebenfalls geeignet sein, den Druck auf die Arbeitgeberseite zu erhöhen, etwa weil Kunden drohen, sich einen anderen Lieferanten zu suchen, oder Passagiere Flüge stornieren. Letztlich zielt der Streik aber immer darauf ab, ein annäherndes Verhandlungsgleichgewicht zwischen den Tarifpartnern herzustellen. Dritte haben in dieser Gleichung keinen Platz.16 Ihre Betroffenheit ist bloßer Reflex des Streiks.17 Es macht auch keinen Unterschied, ob dieser Reflex den Dritten unvermeidlich trifft: „Allein aus dem Eintritt eines bestimmten Handlungserfolgs kann nicht auf die Handlungsgerichtetheit einer Arbeitskampfmaßnahme geschlossen werden.“18 Beispiel: Frau A betreibt einen Kiosk am Bahnhof X und verkauft hauptsächlich belegte Brötchen. Aufgrund eines Bahnstreiks fahren ein Großteil der Züge nicht und Pendler weichen auf andere Verkehrsmöglichkeiten aus. Dadurch bricht bei A der Umsatz ein und der Kiosk ist dadurch ernsthaft in seiner Existenz gefährdet. Am Ende stellt sich heraus, dass der Streik rechtswidrig war. Zwar kann sich A als Gewerbetreibende auf das ReaG berufen. Der Streik ist jedoch nicht in seiner objektiven Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit von A gerichtet – er ist kein betriebsbezogener Eingriff in ihren Gewerbebetrieb. Der Streik richtet sich vielmehr allein gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Bahn. Dass als mittelbare Folge auch bei Dritten Schäden entstehen, ist bloßer Reflex. Für A realisiert sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko. Würde die Bahn entscheiden, den Bahnhof X gänzlich zu schließen, oder könnten die Züge wegen Sturm- oder Wasserschäden oder eingefrorenen Oberleitungen nicht fahren, hätte A ebenfalls keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Umsatzeinbußen. Vielmehr realisiert sich ein Risiko, das ihrem Geschäftsmodell immanent ist – das Risiko der überwiegenden Abhängigkeit von bahnfahrenden Pendlern.
Es ist geradezu Wesen des Streiks, dass auch Dritte betroffen sind, etwa Lieferanten, Kunden oder sonstige Vertragspartner des bestreikten Arbeitgebers.19 15
Dazu bereits oben § 9 B. II. 3. b) bb) „Objektive Stoßrichtung des Streiks“, S. 216. Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (339 f.), die für die Betriebsbezogenheit ausreichen lassen, dass die Gewerkschaft durch entstehende Drittschäden den Druck auf den Tarifpartner erhöhen möchte. 17 Die Auswirkungen daher als „sozialadäquat“ bezeichnend: LAG Hessen v. 25. 4. 2013 – 9 Sa 561/12, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, 1 (16) Hessisches LAG v. 27. 6. 2013 – 9 Sa 1387/12, Rn. 63 -, juris; Hessisches LAG v. 5. 12. 2013 – 9 Sa 592/13, Rn. 138 –, juris. 18 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (51); anders wohl Sprenger, BB 2013, 1146 (1149), der die Betriebsbezogenheit gegenüber Dritten bereits bejaht, wenn die Drittschädigung unausweichlich ist. 19 LAG Hessen v. 25. 4. 2013 – 9 Sa 561/12, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, 1 (16) Hessisches LAG v. 27. 6. 2013 – 9 Sa 1387/12, Rn. 63 -, juris; Hessisches LAG v. 5. 12. 2013 – 9 Sa 592/13, Rn. 138 –, juris. 16 Anders
270
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
Ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit wird gerade nicht in objektiver Stoßrichtung beeinträchtigt.20 Der Dritte ist vielmehr bloß mittelbar von dem Streik betroffen. Solche mittelbar Betroffenen sollen mit dem Kriterium der Betriebsbezogenheit aber gerade vom Anwendungsbereich des ReaG ausgeschlossen werden.21 Daher ist die Betriebsbezogenheit hier typischerweise zu verneinen. Dieses Ergebnis wird teilweise als unbefriedigend empfunden.22 Daher setzt sich die folgende Untersuchung mit (möglichen) Einwänden auseinander und prüft, ob Dritte entgegen der allgemeinen Wertungen nicht dennoch unter den schützenden Mantel des ReaG zu fassen sind (1.–3.). 1. Kenntnis der mittelbaren Streikfolgen nicht schädlich
Eingewandt werden könnte, dass der Streik jedenfalls (auch) gegen den Dritten gerichtet und damit betriebsbezogen ist, wenn die Gewerkschaft von der Drittbetroffenheit Kenntnis hat. Doch „[d]ie bloße Kenntnis der ;Streuwirkung‘ einer Verletzungshandlung auf (Dritt-)Unternehmen lässt […] nicht zwingend den Schluss auf die Unmittelbarkeit des Eingriffs in deren Betriebe zu.“23
Mit anderen Worten: Aus dem Wissen um die mittelbaren Streikfolgen kann nicht auf die objektive Stoßrichtung des Streiks geschlossen werden.24 Es ist 20 „Bei einem Streik folgt die unmittelbare Kampfbetroffenheit des Arbeitgebers aus dem Streikaufruf. Demzufolge fehlt es gegenüber einem kampfunbeteiligten Arbeitgeber regelmäßig an der Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in dessen Gewerbebetrieb, mag sein Unternehmen auch durch den Streik beeinträchtigt sein.“, BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50), s. auch BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1553). 21 S. Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 80 f., der weiter ausführt: „Andernfalls bestünde die Gefahr, daß nicht nur das System der deliktischen Haftung, sondern u. U. das gesamte Schadensersatzrecht aus den Angeln gehoben wird, da dort bislang insb. an dem Grundsatz, daß nur unmittelbar Geschädigte Schadenseratzansprüche zustehen sollen, festgehalten wird.“ 22 Im Zusammenhang mit Fluglotsenstreiks Ellger, BB 2016, 3072: „Dennoch folgt daraus ein für die Praxis unbefriedigendes Ergebnis.“; Green, NZA 2016, 274 (276); Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (339 f.); Melot de Beauregard, DB 2016, 535; Sprenger, BB 2013, 1146 (1148 f.); Scharff, BB 2015, 1845 (1848 f.); Rudkowski, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 183 unter II. 2.; Ubber, BB 2012, 2303; kritisch ebenfalls Henne, GWR 2013, 503; Wiedow, GWR 2012, 282; v. Steinau-Steinrück, NJW-Spezial 2016, 498 (499); unabhängig vom Kontext der Fluglotsenstreiks Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 80 ff. 23 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); vgl. ebenfalls BGH v. 8. 1. 1981 – III ZR 125/79, NJW 1981, 2416. 24 S. im Zusammenhang mit rechtmäßigen Streiks auch den Einwand von Bayreuther, RdA 2016, 181 (184): „Anders lägen die Dinge nur, würde man die Flucht nach vorne antreten und gerade aus der Drittbezogenheit des Streiks dessen fehlende Sozialadäquanz
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG
271
geradezu typisch, dass sich Streiks auch auf Dritte auswirken, etwa weil die vertraglich versprochene Ware oder Dienstleistung ausbleibt.25 Für die Betriebsbezogenheit ist vielmehr entscheidend, auf wessen unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Streik objektiv gerichtet war. Das ist in aller Regel diejenige des bestreikten Arbeitgebers. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn die Gewerkschaft in Wirklichkeit keinen Tarifvertrag abschließen, sondern allein den Dritten schädigen und beeinflussen will.26 Dann greift der Streik mit objektiver Stoßrichtung in den Gewerbebetrieb des Dritten ein, weil er in Wirklichkeit dessen unternehmerische Entscheidungsfreiheit und nicht die des Arbeitgebers beeinträchtigen soll. In einem solchen Fall ist regelmäßig aber § 826 BGB einschlägig,27 sodass eine Schutzlücke fehlt, die das ReaG schließen könnte28: Dem ReaG bliebe neben § 826 BGB kein eigenständiger Anwendungsbereich. 2. Keine Auswirkung von Grad und Intensität der Drittbetroffenheit
Teilweise wird vertreten, dass eine objektive Stoßrichtung anzunehmen ist, wenn der Dritte mit dem bestreikten Arbeitgeber wirtschaftlich in besonderer Weise verflochten ist und die Drittschäden und damit der Grad und die Intensität der Drittbetroffenheit besonders gravierend sind 29: „Ein Eingriff […], der sich zwangsläufig massiv bei Dritten auswirkt, aber nirgendwo sonst, muss sich und damit dessen Rechtswidrigkeit folgern. Freilich drehten sich die Dinge dann im Kreis: Die Betriebsbezogenheit des Eingriffs ergäbe sich daraus, dass sich der (abstrakt gesehen: rechtmäßige) Streik vor allem bei Dritten auswirkt[,] und dieser würde rechtswidrig, weil er sich bei Dritten auswirkt. Die Verwirklichung des Tatbestands würde – unwiderlegbar – dessen Rechtswidrigkeit indizieren. Das wiederum wäre eben deshalb bedenklich, weil damit Streiks in den einschlägigen Branchen der Daseinsvorsorge undurchführbar würden.“ 25 Wendeling-Schröder, AuR 2017, 96 (99). 26 Ebenso Willemsen/Mehrens, NZA 2013, 1400 (1401): „Ein [unmittelbarer Eingriff] kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Beeinträchtigung beim Dritten nicht nur ein[en] Reflex des Streiks beim Arbeitgeber, sondern das Haupt- oder zumindest ein eigenständiges Nebenziel des Streiks darstellt.“. 27 Dazu noch unten § 19 „Schadensersatz aus § 826 BGB“, S. 278. 28 Ebenso Brüggemeier, Deliktsrecht (1986) S. 279: „Insoweit besteht bei vorsätzlicher Drittschädigung keine Notwendigkeit nach einer Lückenfüllung durch das RaU.“. 29 S. Scharff, BB 2015, 1845 (1848 f.); jeweils im Zusammenhang mit Fluglotsenstreiks: Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (340); Sprenger, Drittbetroffenheit und Drittschaden im Arbeitskampf, in: Entgrenzter Arbeitskampf?, 6. ZAAR-Tagung (2015), S. 97 (S. 109); Ubber, BB 2012, 2303; kritisch hingegen Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 95); denkbar ist ebenfalls, den Grad und die Intensität der Betroffenheit unter dem Stichwort der sozialunüblichen Schadensgefahr zu diskutieren – beide Kriterien sind nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen.
272
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
seiner objektiven wie subjektiven Stoßrichtung nach final genau gegen diese richten.“30 Als Beispiel wird der Streik der Fluglotsen angeführt. Fluglotsen sind im Regelfall bei den Flughafenbetreibergesellschaften, also den Flughäfen, angestellt. Fluggesellschaften, die wegen streikender Fluglotsen ihre Flugzeuge nicht oder verzögert starten und landen können, sind daher mittelbar betroffen. Da sowohl die Fluglotsen als auch die Flughafenbetreiber eine Art Monopolstellung innehaben, können Fluggesellschaften nur schwer bis gar nicht ausweichen und kaum wirkungsvolle Gegenmaßnahmen ergreifen.31 Eine ähnliche Konstellation ist bei Kranführern anzutreffen, die bei der Hafenbetreibergesellschaft, dem Hafen, angestellt sind. Reedereien, deren Schiffe wegen streikender K ranführer nicht oder verzögert be- oder entladen werden, haben ebenfalls keine echte Ausweichmöglichkeit. „Auf diese Weise kann erheblicher Druck auf den unmittelbaren Streikgegner ausgeübt werden, da die Betriebe seiner Kunden durch den Streik stillstehen und die Kunden in einem solchen Fall erwarten, dass der unmittelbare Streikgegner zeitnah für Abhilfe sorgt.“32
Zu bedenken ist jedoch, dass es auch in einem solchen Fall um die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des bestreikten Arbeitgebers geht. Dieser soll dem Druck nachgeben und bereit für tarifliche Eingeständnisse sein. Die objektive Stoßrichtung des Streiks richtet sich folglich gegen den bestreikten Arbeitgeber, nicht gegen den Dritten. Grad und Intensität der Betroffenheit oder die wirtschaftliche Verflechtung des Dritten zum Arbeitgeber sind daher ungeeignet, die objektive Stoßrichtung des Streiks festzustellen. So entschied auch das BAG: „Ungeachtet dessen sind Grad und Intensität einer Drittbeeinträchtigung – auch außerhalb von Arbeitskampfmaßnahmen – ohnehin keine tauglichen Kriterien zur Bestimmung einer Eingriffsunmittelbarkeit, weshalb auch vorliegend das Ausmaß der wirtschaftlichen Schädigung [des Dritten] für die Beurteilung der Stoßrichtung des Streiks […] nichts hergibt.“33
Vielmehr hängen diese Kriterien mit der Höhe des Schadens, also der Rechtsfolge zusammen: Je höher der Drittschaden, desto stärker ist der Dritte 30
Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (340). BB 2015, 1845 (1848 f.). 32 Scharff, BB 2015, 1845 (1849); s. ebenfalls Ubber, BB 2012, 2303. 33 BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (51); anders möglicherweise ArbG Wesel v. 23. 8. 2013 – 6 Ga 22/13, juris Rn. 30: „Sie müssen ihrer ,objektiven Stoßrichtung‘ nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein. Auch muss ihnen eine Schadensgefahr eigen sein, die über eine Belästigung oder eine sozialübliche Behinderung hinaus geht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen bis an die Grenze der wirtschaftlichen Belastbarkeit.“ [Hervorhebungen von der Verfasserin]. 31 S. Scharff,
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG
273
betroffen. Und die Höhe des Schadens hängt entscheidend von weiteren Umständen ab, etwa dem Vertragsverhältnis zum bestreikten Arbeitgeber (wurde eine Vertragsstrafe vereinbart?), den Maßnahmen sowohl des bestreikten Arbeitgebers als auch des Drittens zur Minimierung des Schadens oder deren Betriebsorganisation. Auf diese Umstände hat die Gewerkschaft zum einen keinen Einfluss34, zum anderen stehen sie in keinem Zusammenhang zu der objektiven Stoßrichtung des Streiks, also dem Tatbestand. Zu erinnern ist an das Beispiel mit Frau A, der durch den Streik am Bahnhof X ein Großteil des Umsatzes ihres Kiosks wegfällt, der dadurch ernsthaft in seiner Existenz bedroht ist.35 Das Ausmaß ihres Schadens, also der Grad und die Intensität ihrer Betroffenheit, hängt wesentlich mit ihrem Geschäftsmodell zusammen – der überwiegenden Abhängigkeit von bahnfahrenden Pendlern. Diese Umstände stehen in keinem Zusammenhang mit der objektiven Stoßrichtung des Streiks. Es handelt sich vielmehr um äußere Umstände, die völlig unabhängig vom Streik sind.
Aus diesem Grund sind Grad und Intensität der Drittbetroffenheit im Rahmen der Betriebsbezogenheit grundsätzlich unbeachtlich. 3. Keine Auswirkungen der „Fluglotsenstreik“-Fälle des BGH
Zu untersuchen ist, ob im Zusammenhang mit Fluglotsenstreiks ausnahmsweise etwas Anderes gilt. Der BGH hat in seinen Entscheidungen zum „Fluglotsenstreik“ der 70er-Jahre – als die Fluglotsen noch Beamte waren – einen betriebsbezogenen Eingriff nämlich auch gegenüber Dritten angenommen und Ansprüche aus Amtshaftung36 und enteignungsgleichem Eingriff37 gewährt. Die Betriebsbezogenheit des Eingriffs bejahte der BGH aus drei Gründen: Erstens bestehe die Besonderheit darin, dass Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden sollte, indem die streikähnliche Aktion gegen Dritte geführt wurde, die selbst nicht in der Lage waren, die standespolitischen Forderungen der Fluglotsen zu erfüllen. Die streikähnliche Aktion habe sich damit – anders als bei einem Streik in der Wirtschaft – nicht gegen das Betriebspotential des Dienstherrn gerichtet. Vielmehr sei zweitens die wirtschaftliche Organisation von Dritten betroffen, die funktionell eng mit der Amtstätigkeit der Fluglotsen 34 Ähnlich Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016 (2017), S. 83 (S. 96): „Vielmehr kann die Möglichkeit einer Gewerkschaft, von ihrer verfassungsrechtlich verbürgten Koalitionsfreiheit Gebrauch zu machen, schlechterdings nicht davon abhängen, ob Kunden ihres sozialen Gegenspielers alternative Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen oder nicht.“. 35 S. das Beispiel oben unter § 18 A. III. „Objektive Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit“, S. 268. 36 BGH v. 16. 6. 1977 – III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 = NJW 1977, 1875. 37 BGH v. 28. 2. 1980 – III ZR 131/77, BGHZ 76, 387 = NJW 1980, 2457.
274
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
verbunden und daher abhängig sind. Drittens habe es ganz wesentlich in der Willensrichtung der Fluglotsen gelegen, die abhängigen Dritten zu beeinträchtigen, um die Bundesregierung gefügig zu machen.38 Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung des BGH übertragen werden kann. Laut der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Teilen der Literatur sind die Konstellationen nicht vergleichbar, weil lediglich eine streikähnliche Aktion vorlag – ein „go-sick“ oder „so-slow“ der Beamten und gerade kein Streik in der Privatwirtschaft: „Eine Erstreckung dieser Grundsätze auf eine gewerkschaftlich getragene Arbeitskampfmaßnahme hat der BGH nicht vorgenommen. Er hat vielmehr die streikähnliche Aktion der Flugleiter ausdrücklich von einem Streik in der Wirtschaft abgegrenzt.“39
Vielmehr mag „[d]iese Erstreckung auf Drittbetroffene […] aus der zu entscheidenden Frage des Amtshaftungsrechts heraus bestimmt sein, für die privatrechtlichen Beziehungen muss aber eine solche Erstreckung der Betriebsbezogenheit aus einem Schutzgedanken heraus systemwidrig angesehen werden […].“40
Diesen Einwand der Systemwidrigkeit kritisieren Czerny und Frieling41 wiederum als zu pauschal: Jedenfalls die beiden Aspekte, dass sich erstens das Verhalten nicht gegen das Betriebspotential des Dienstherren, sondern gegen Dritte gerichtet hat, und zweitens diese Dritten funktionell eng mit der Tätigkeit der Fluglotsen verbunden sind, seien auch bei den Fluglotsenstreiks der Privatwirtschaft vorzufinden.42 Daher seien beide Konstellationen sehr wohl vergleichbar. Das aber zeige, wie deutlich Gewerbetreibende durch das ReaG gegenüber drittbetroffenen Bürgern privilegiert würden.43 Aus diesem Grund bestünde ein erheblicher Bedarf, den Schutzbereich des ReaG näher auszuleuchten.44 Eine nähere Untersuchung des Schutzbereichs hat aber gerade gezeigt, dass eine Privilegierung von Gewerbetreibenden ungerechtfertigt ist, wenn erstens eine Handlung Private und Gewerbetreibende gleichermaßen beeinträchtigt und zweitens Private zu keinem Schadensersatz nach § 823 I BGB berechtigt 38
BGH v. 16. 6. 1977 – III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 = NJW 1977, 1875 (1878). v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (52); ebenso Hessisches LAG v. 25. 4. 2013 – 9 Sa 561/12, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, 1 (17). 40 Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 1008. 41 Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 33 ff. 42 Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 33 f. 43 Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 34 f. 44 Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 34 f. 39 BAG
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG
275
sind. Der entstandene Schaden ist dann vielmehr dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen.45 Die Auswirkungen des Streiks bei Dritten und die wirtschaftlichen Verflechtungen dieses Dritten reichen daher nicht aus, um einen betriebsbezogenen Eingriff zu begründen. Hinzu kommt eine weitere Überlegung: Zwar hatte der BGH im Falle der verbeamteten Fluglotsen einen betriebsbezogenen Eingriff angenommen. Allerdings ging es inhaltlich um Ansprüche gegen den Staat, nämlich um einen Amtshaftungsanspruch46 und einen enteignungsgleichen Eingriff47. Es handelte sich damit nicht um eine Durchgriffshaftung gegen die Fluglotsen, sondern um eine Haftung des Arbeitgebers, dem Staat. Dieser konnte bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln der Fluglotsen (vgl. Art. 34 S. 2 GG) einen Rückgriffsanspruch gegen die einzelnen Fluglotsen geltend machen, der sich einfachgesetzlich etwa aus § 48 BeamtStG,48 § 75 BBG, § 24 SG, § 34 ZDG, § 71 DriG i. V. m. § 48 BeamtStG oder vertraglich aus § 14 BAT, § 3 VII TVöD, § 3 VII TV-L ergibt.
45 Ausführlich dazu oben § 9 B. II. 2. a) „Betriebsbezogenheit als Konkretisierung der Unmittelbarkeit“, S. 206 ff. 46 BGH v. 16. 6. 1977 – III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 = NJW 1977, 1875. 47 BGH v. 28. 2. 1980 – III ZR 131/77, BGHZ 76, 387 = NJW 1980, 2457. 48 § 48 BeamtStG wird teilweise durch Regelungen im jeweiligen Landesbeamtengesetz ergänzt, vgl. § 59 BwBG; Art. 78 BayBG; § 72 BlnBG; § 60 BbgBG; § 51 BremBG; § 52 HmbBG; § 56 HessBG; § 52 MvBG; § 51 NdsBG; § 80 NrwBG; § 60 RPBG; § 65 SaarlBG; § 76 SächsBG; § 56 SaBG; § 51 ShBG; § 56 ThürBG.
276
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
Zu keinem anderen Ergebnis führt das vorliegende Haftungssystem: Dritte haben sich an ihren Vertragspartner, den bestreikten Arbeitgeber zu halten und können in diesem Vertragsverhältnis vorsorgen und beispielsweise (vom Verschulden unabhängige) Vertragsstrafen vereinbaren. Der bestreikte Arbeitgeber hat bei schuldhaftem Handeln der Gewerkschaft seinerseits Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft der Fluglotsen. Im Rahmen des Schadens kann er auch gezahlte Vertragsstrafen an den Dritten geltend machen (vgl. § 249 I BGB). Ähnlich wie im Verhältnis Staat/ Beamter ist die Haftung im Innenverhältnis beschränkt: Bei fahrlässigem Handeln begrenzt sich die Haftung analog § 254 I BGB auf die Summe, welche die Gewerkschaft zahlen kann, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein.
Es kann daher festgehalten werden, dass die „Fluglotsenstreik“-Fälle des BGH anders gelagert sind, weil Besonderheiten des Staatshaftungsrechts eine Rolle spielen und die Aktionen der verbeamteten Fluglotsen lediglich streikähnlich waren. Eine nähere Untersuchung des Schutzbereichs des ReaG hat zudem ergeben, dass die vom BGH hervorgehobenen Aspekte – fehlendes „Betriebs potential“ und funktionelle Verflechtung des Dritten – nicht zur Begründung eines betriebsbezogenen Eingriffs geeignet sind. Dennoch fügen sich die beiden Entscheidungen ihrem Ergebnis nach in das hier vertretene Haftungssystem (keine Durchgriffshaftung) ein. Die Beurteilungen des BGH bei der Bewertung der „Fluglotsenstreik“-Fälle führen damit nicht dazu, dass sich beim rechtswidrigen Streik Grad und Intensität der Drittbetroffenheit im Rahmen der objektiven Stoßrichtung des Eingriffs auswirken.
§ 18 Schadensersatz aus § 823 I BGB i. V.m. dem ReaG
277
4. Zwischenergebnis
Weder die Kenntnis der Gewerkschaft von den mittelbaren Streikfolgen noch Grad und Intensität der Drittbetroffenheit wirken sich auf die Bewertung der objektiven Stoßrichtung des Streiks aus. Auch bei Fluglotsenstreik ergeben sich keine Besonderheiten. Vielmehr richtet sich der Streik regelmäßig nicht mit objektiver Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eines streikunbeteiligten, aber betroffenen Dritten. IV. Zwischenergebnis
Auch gegenüber Drittbetroffenen setzt ein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG einen betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb voraus. Die (auch nur Teil-) Aufhebung des Merkmals der Betriebsbezogenheit als Anspruchsvoraussetzung überzeugt weder methodisch noch inhaltlich und ist daher abzulehnen. Ein betriebsbezogener Eingriff ist regelmäßig zu verneinen, weil typischerweise weder eine sozialunübliche Schadensgefahr noch ein Eingriff mit objektiver Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit von kampfunbeteiligten Dritten vorliegt.49
B. Ergebnis Mangels unmittelbaren Eingriffs in den Gewerbebetrieb haben bloß mittelbar von den Streikfolgen betroffene Dritte in aller Regel keinen Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG. 49 Die Betriebsbezogenheit im Zusammenhang mit kampfunbeteiligten Dritten ebenfalls verneinend BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, BAGE 152, 240 = NZA 2016, 47 (50); BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 1543 (1553); Boemke, JuS 2017, 778 (780); Brüggemeier, Deliktsrecht (1986) S. 277; Kissel, Arbeitskampf (2002) S. 1007 f.; Hauer, jurisPR-ArbR 7/2014, 5 C; Fischer, jM 2017, 149 (151); ErfK-Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 226; Löwisch/Krauß, AR-Blattei, Arbeitskampf III C (November 2004) Rn. 34; Preis, Kollektivarbeitsrecht (2017) S. 357; Wendeling-Schröder, AuR 2017, 96 (97); MüHB-ArbR-Ricken, § 279 Rn. 59; Schaub-Treber, § 194 Rn. 49; kritisch zur Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Dritte auch Otto, Arbeitskampfrecht (2006) S. 361; Däubler-Hensche, ArbeitskampfR, § 18 Rn. 5 ff.; vgl. dazu auch Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1217; anders aber Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht (1988) S. 80 ff.; im Zusammenhang mit Fluglotsenstreiks ebenfalls a. A. Green, NZA 2016, 274 (276); König, VersR 2017, 1308 (1310 ff.); Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (339 f.); Sprenger, BB 2013, 1146 (1148 f.); Scharff, BB 2015, 1845 (1848 f.); Rudkowski, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 183 unter II. 2.; Ubber, BB 2012, 2303; Löwisch, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 182; Löwisch, RdA 2017, 255 (258 f.); kritisch zudem Henne, GWR 2013, 503; Wiedow, GWR 2012, 282; vgl. auch Czerny/Frieling, LAGE, 9, S. 35, die für den Fall von Fluglotsenstreiks vertreten, dass es „nahe“ liegt, die Rechtsprechung zum Streik der verbeamteten Fluglotsen aus den 70er Jahren zu übertragen und einen betriebsbezogenen Eingriff anzunehmen.
278
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
§ 19 Schadensersatz aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Verstößt die Gewerkschaft mit dem Streik gegen die guten Sitten und schädigt Dritte vorsätzlich, kommt eine Haftung aus § 826 BGB in Betracht. Da der Anwendungsbereich des § 826 BGB „auf die wirklich krassen Fälle beschränkt“1 ist, ist ein solcher Anspruch eher die Ausnahme als die Regel.2 Sittenwidrigkeit kommt beispielsweise in Betracht, wenn die Gewerkschaft in Wirklichkeit nicht ernsthaft einen Tarifabschluss anstrebt und die Schädigung des Dritten das eigentliche Kampfziel ist: „Der formale Rahmen des Streiks beim Arbeitgeber wird bei dieser Sachlage lediglich als Deckmantel über die eigentlich beabsichtige Schädigung Dritter gelegt.“3 Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.4
1
Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I (1997) S. 1222. […] Haftung der Gewerkschaft aus § 826 BGB ist üblicherweise eher fernliegend […]. Diese hohen Voraussetzungen werden in der Praxis nur äußerst selten gegeben sein.“, Scharff, BB 2015, 1845 (1846). 3 Gröner, Streik und Drittschaden (2016) S. 196; vgl. dazu auch Lambrich/Sander, NZA 2014, 337 (341). 4 § 10 „Schadensersatz aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“, S. 232 ff. 2 „Die
§ 20 Schadenersatz aus § 831 BGB wg. Haftung für den Verrichtungsgehilfen 279
§ 20 Schadensersatz aus § 831 BGB wegen Haftung für den Verrichtungsgehilfen Bestellt die Gewerkschaft einen Verrichtungsgehilfen, der in Ausführung der Verrichtung gegenüber Dritten den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt (also § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung, § 823 II BGB wegen Schutzgesetzverletzung oder § 826 BGB), und kann sie sich nicht i. S. d. § 831 I 2 BGB entlasten, ergibt sich der Schadensersatzanspruch aus § 831 I 1 BGB. Als Verrichtungsgehilfen kommen vor allem Streikposten in Betracht, welche die Streikleitung bei der Vorbereitung und Durchführung des Streiks unterstützen. Für Einzelheiten wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.1
1
§ 11 „Schadensersatz aus § 831 BGB“, S. 235 ff.
280
3. Teil: Haftung der Gewerkschaft für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts Dritte haben nur in Ausnahmesituationen deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft: 1. Verletzt die Gewerkschaft mit dem Streik das Eigentum des Dritten, kommt ein Anspruch aus § 823 I BGB in Betracht. 2. Ein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. Art. 9 III GG scheidet bereits aus, weil Art. 9 III GG nicht als sonstiges Recht einzuordnen ist. 3. Bei Verletzung eines Schutzgesetzes, das jedenfalls auch dem Schutz des Dritten dient, ist ein Anspruch aus § 823 II BGB i. V. m. dem Schutzgesetz denkbar. Als Schutzgesetz scheidet Art. 9 III GG regelmäßig aus, da lediglich mittelbar betroffene Dritte durch den Streik nicht in ihrem koalitionsspezifischen Verhalten beeinträchtigt werden. Ebenso sind die Straftatbestände der Nötigung (§ 240 StGB) und der Erpressung (§ 253 StGB) als Schutzgesetze ausgeschlossen, weil die mit dem Streik verbundene Drohung zu keinem Nötigungserfolg beim Dritten führt. 4. Ein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG scheitert regelmäßig an dem betriebsbezogenen Eingriff: Beim Streik der Gewerkschaft fehlt typischerweise sowohl eine Schadensgefahr, die über die sozialübliche Behinderung hinausgeht, als auch ein Eingriff mit objektiver Stoßrichtung in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Dritten. Unerheblich ist, ob die Gewerkschaft Kenntnis von den mittelbaren Streikfolgen hat. Auch Grad und Intensität der Drittbetroffenheit haben keine Auswirkungen auf die Bewertung der Betriebsbezogenheit. Zudem ergeben sich keine Besonderheiten bei Fluglotsenstreiks. Damit können sich Dritte in aller Regel nicht auf den Schutz des ReaG berufen. 5. In Extremsituationen kommt ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht, wenn die Gewerkschaft den Dritten vorsätzlich und sittenwidrig schädigt. 6. Wird die Handlung in einem der genannten Fälle von einem Verrichtungsgehilfen der Gewerkschaft durchgeführt, ist § 831 BGB die richtige Anspruchsgrundlage.
Zusammenfassung des Zweiten Abschnitts
281
Fazit des Dritten Teils Rechtmäßige wie rechtswidrige Streiks zählen zum allgemeinen Lebensrisiko von Drittbetroffenen, ähnlich wie Stromausfälle oder Verkehrsstaus: „In zivilrechtlichen Kategorien ist auch der Arbeitskampf Teil des Lebensrisikos in einer hoch entwickelten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.“1 Dritte haben daher trotz rechtswidrigem Streik keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft. Dieses Ergebnis fügt sich auch in die gesetzliche Gesamtkonzeption ein: Nach dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse haben sich Dritte an ihren Vertragspartner zu halten. In diesem Verhältnis können sie sich vertraglich absichern, etwa indem sie für den Fall eines Streiks Vertragsstrafen für Leistungsverzögerungen vereinbaren. Hat sich der Dritte nicht derart abgesichert oder seinen Vertragspartner womöglich sogar freigezeichnet, kann dieses Manko den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse nicht durchbrechen. In extremen Fällen – bei Eigentumsverletzung (§ 823 I BGB), Schutzgesetzverletzung (§ 823 II BGB) oder der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) – sind Dritte ausreichend durch das Deliktsrecht geschützt. Ein darüberhinausgehender deliktischer Schutz, etwa mit Hilfe des ReaG, besteht nicht.2
1 Sprenger, Drittbetroffenheit und Drittschaden im Arbeitskampf, in: Entgrenzter Arbeitskampf?, 6. ZAAR-Tagung (2015), S. 97 (S. 113). 2 Ähnlich Brüggemeier, Deliktsrecht (1986) S. 279: „Die deliktische Schadensersatzpflicht beurteilt sich in Drittschadensfällen ausnahmslos nach den §§ 823 II und § 826.“.
Vierter Teil
Wesentliche Ergebnisse 4. Teil: Wesentliche Ergebnisse 4. Teil: Wesentliche Ergebnisse
In dieser Arbeit wurde ein allgemein gültiges System zur Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks aufgestellt, das in das Zivilrecht eingebettet ist und das versucht, das skizzierte Spannungsverhältnis der widerstreitenden Interessen der Gewerkschaft einerseits und der Arbeitgeberseite und Dritten andererseits aufzulösen. I. Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks für Schäden der Tarifpartner und ihrer Mitglieder
Gegenüber der Arbeitgeberseite, also dem Tarifpartner und seiner Mitglieder, haftet die Gewerkschaft in erster Linie aus vertraglichen Schadensersatz ansprüchen. 1. Im Mittelpunkt stehen zum einen der Anspruch aus §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB wegen Verletzung der Friedenspflicht, zum anderen der Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB wegen Verletzungen von Schutzpflichten. Verletzt die Gewerkschaft ihre Einwirkungspflicht, kommt daneben ein Anspruch aus §§ 280 I, III, 281 ff. BGB in Betracht. Wesentlich für das herausgearbeitete System ist die unterschiedliche Einordnung der Rechtswidrigkeitsgründe des Streiks: Während die Friedenspflicht eine Hauptleistung ist, deren Pflichtverletzung einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung auslöst, sind die sonstigen Rechtswidrigkeitsgründe überwiegend im Rahmen der Schutzpflicht der Gewerkschaft, also eines Schadensersatzanspruchs neben der Leistung zu berücksichtigen. a) Die Friedenspflicht ist eine auf Dauer angelegte Unterlassungspflicht. Streikt die Gewerkschaft trotz Friedenspflicht, wird die Friedenspflicht für den bestreikten Zeitraum unmöglich. Für die Gegenwart und Zukunft bleibt sie weiterhin erfüllbar und damit möglich. Sowohl in der Herbeiführung dieser Unmöglichkeit als auch in der Nichtleistung der Friedenspflicht aufgrund der Unmöglichkeit ist eine Pflichtverletzung i. S. d. § 283 S. 1 BGB zu sehen. b) Die Gewerkschaft trifft die Schutzpflicht i. S. d. § 241 II BGB, auf bereits vorhandene Rechtsgüter der Arbeitgeberseite nicht einzuwirken, soweit das zumutbar ist. Nach einer weiten Auslegung des Begriffs Rechtsgüter sind auch grundrechtliche Rechtsgüter umfasst, sodass § 241 II BGB als Einfallstor für
4. Teil: Wesentliche Ergebnisse
283
verfassungsrechtliche Wertungen dient. Im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung können Grundrechte somit im Einzelfall zur Konkretisierung von § 241 II BGB herangezogen werden. Eine Schutzpflicht ist unzumutbar, wenn die Gewerkschaft sich ihrerseits auf ein Rechtsgut berufen kann, das die Einwirkung rechtfertigt. Die Gewerkschaft hat folglich Streiks zu unterlassen, die ohne Rechtfertigung auf Rechtsgüter der Arbeitgeberseite einwirken. Das ist erstens beim politischen Streik der Fall, der selbst nicht von der Koalitionsfreiheit geschützt wird. Zweitens trifft das bei Streiks zu, die ungeeignet sind, weil sie kein tariflich regelbares Ziel verfolgen oder von tarifunzuständigen Gewerkschaften geführt werden. Drittens liegt eine ungerechtfertigte Einwirkung bei Streiks vor, die nicht erforderlich sind, also gegen das Ultima-Ratio-Gebot verstoßen. Viertens sind unangemessene Streiks, die gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, etwa das Gebot der Kampfparität oder das Gebot der fairen Kampfführung verstoßen, nicht zu rechtfertigen. In all diesen Fällen wirkt der Streik ohne Rechtfertigung auf grundrechtliche Rechtsgüter der Arbeitgeberseite ein. Daher trifft die Gewerkschaft die Schutzpflicht, solche Streiks zu unterlassen. Streikt sie dennoch, liegt eine Schutzpflichtverletzung i. S. d. § 241 II BGB vor. Nichtgewerkschaftliche Streiks oder Streiks tarifunfähiger Arbeitnehmerkoalitionen sind der Gewerkschaft nicht zuzurechnen; eine entsprechende Schutzpflicht besteht nicht. Etwaige Schadensersatzansprüche gegen die jeweils Handelnden wurden nicht näher untersucht. 2. Wesentliche Erkenntnis der Arbeit ist ebenfalls, dass die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie und damit der Schutzbereich des Art. 9 III GG nur gewahrt werden kann, wenn das Haftungssystem so auszugestalten ist, dass das Haftungsrisiko für die Gewerkschaft nicht abschreckend wirkt. Die drohende Haftung darf die Gewerkschaft gerade nicht davon abhalten, arbeitskampfrechtliches Neuland zu betreten und die Grenzen rechtmäßiger Streiks auszutesten. Diese Besonderheit des Arbeitskampfrechts – dass die Gewerkschaft der unsicheren Rechtslage des „beweglichen“ Arbeitskampfrechts ausgesetzt ist – wirkt sich vor allem auf die Prüfungspunkte des Verschuldens und des Schadens und damit auf alle Schadensersatzansprüche aus: a) Die Gewerkschaft hat nach § 276 I 1 BGB vorsätzliches und fahrlässiges Handeln zu vertreten. Sie handelt fahrlässig, wenn sie die Pflichtverletzung hätte vorhersehen und vermeiden können. Weil sich die Gewerkschaft bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Streiks in unsicherem Fahrwasser bewegt, muss sie nicht sämtliche Arbeitskämpfe vermeiden, die möglicherweise rechtswidrig sind. Gleichzeitig darf die Arbeitgeberseite aber darauf vertrauen, dass die Gewerkschaft Streiks vermeidet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind. Daher gilt folgender Sorgfaltsmaßstab: Die Gewerkschaft handelt
284
4. Teil: Wesentliche Ergebnisse
nicht fahrlässig, wenn nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung sehr beachtliche Gründe für die Rechtmäßigkeit des Streiks sprechen. Ist es hingegen überwiegend wahrscheinlich, dass der Streik rechtswidrig ist, war dies für die Gewerkschaft vorhersehbar. Streikt sie dennoch, liegt Fahrlässigkeit vor. Dieser Sorgfaltsmaßstab berücksichtigt einerseits, dass die Gewerkschaft arbeitskampfrechtliches Neuland betreten darf. Andererseits kommen die Eigentumsund Vermögensrechte der Arbeitgeberseite soweit wie möglich zur Geltung. b) Nach dem Grundsatz der Totalreparation der §§ 249 ff. BGB haftet die Gewerkschaft grundsätzlich in voller Höhe. Bei fahrlässigem Handeln kann das Damoklesschwert einer unbeschränkten Haftung aber dazu führen, dass die Gewerkschaft um ihre Existenz fürchtet und den Streik im Zweifelsfall lieber gänzlich unterlässt. Das wiederum gefährdet die Funktionsfähigkeit der Tarif autonomie: Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass der Streik als rechtmäßig eingestuft wird, muss die Gewerkschaft ausloten können, wo die Grenzen des Arbeitskampfrechts verlaufen – nur so kann sie auf eine Rechtsprechungsänderung hinwirken. Das ist das Laster des „beweglichen“ Arbeitskampfrechts mit seinen unsicheren Rechtslagen. Daher ist ihre Haftung bei Fahrlässigkeit analog § 254 I BGB zu beschränken: Die Haftung wird auf die Summe beschränkt, welche die Gewerkschaft zahlen kann, ohne in ihrer Existenz bedroht zu sein. Damit wird sie von dem Risiko der Existenzbedrohung befreit. Allerdings ist diese Haftungsbeschränkung schwierig umzusetzen: Zum einen wird die Summe, die existenzbedrohend wirkt, auch unter Zuhilfenahme der Wertungen des Insolvenzrechts im Einzelfall nicht leicht zu ermitteln sein. Zum anderen wirft die Haftungsbeschränkung verfahrensrechtliche Probleme bei der Umsetzung auf: Es ist der Gewerkschaft kaum möglich, den Beweis der Existenzbedrohung zu führen, ohne ihre Interna offen zu legen. Die Arbeitgeberseite würde tiefe Einblicke in die Finanzen der Gewerkschaft erhalten und könnte für die nächsten Tarifverhandlungen Rückschlüsse auf die verfügbaren Mittel der Streikkasse ziehen. Dieses Problem (Offenbarungs- vs. Geheimhaltungsinteresse) ist der Rechtsordnung zwar nicht fremd. Ob eines der (Geheimhaltungs-)Verfahren übertragen werden kann, ist nach erster, summarischer Prüfung aber eher zweifelhaft. Diese Schwäche der Haftungsbeschränkung analog § 254 I BGB kann aber durch eine Regelung de lege ferenda behoben werden. Eine Haftungsobergrenze, die sich mit Hilfe eines Bemessungsmaßstabs ermitteln lässt, ist rechtssicher und berücksichtigt trotzdem die Umstände des Einzelfalls. Vorzugswürdiger Anknüpfungspunkt ist die Mitgliederzahl der Gewerkschaften. Mit diesem Maßstab kann einerseits der Zweck der Haftungsbeschränkung erfüllt werden, Gewerkschaften bei unsicherer Rechtslage vor existenzbedrohender Haftung zu schützen. Andererseits gewährleistet eine Anknüpfung an die Mitgliederzahl,
4. Teil: Wesentliche Ergebnisse
285
dass die Gewerkschaft die Haftungsbeschränkung im Prozess geltend machen kann, ohne vertrauliche Interna offenzulegen. Der Gesetzgeber ist daher zum Handeln aufgerufen. 3. Neben den vertraglichen Schadensersatzansprüchen kommen auch deliktische Schadensersatzansprüche in Betracht. Ein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG ist zwar regelmäßig gegeben, hat nach dem hier erarbeiteten Haftungssystem neben den vertraglichen Ansprüchen aber keine eigenständige Bedeutung. a) Anspruchsinhaber ist der jeweils bestreikte Arbeitgeber als Unternehmensträger. Regelmäßig greift der Streik betriebsbezogen und damit unmittelbar in seinen Gewerbebetrieb ein. Durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung ist zu ermitteln, ob dieser unmittelbare Eingriff auch widerrechtlich i. S. d. § 823 I BGB ist. Ist der Streik rechtmäßig, überwiegen stets die Interessen der Gewerkschaft und der unmittelbare Eingriff ist niemals widerrechtlich. Ist der Streik rechtswidrig, überwiegen typischerweise die Interessen der Arbeitgeberseite und der Eingriff ist als widerrechtlich einzustufen. In diesem Fall sind etwaige Rechtfertigungsgründe zu prüfen. Ein besonderer arbeitskampfrechtlicher Rechtfertigungsgrund existiert nicht. b) Der vertragliche Schutz wird durch den deliktischen Schutz ergänzt, wenn die Gewerkschaft durch den Streik etwa das Eigentumsrecht (§ 823 I BGB) oder Schutzgesetze (§ 823 II BGB i. V. m. dem Schutzgesetz) verletzt, oder sittenwidrig vorsätzlich handelt (§ 826 BGB). II. Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigen Streiks für Schäden kampfunbeteiligter Dritter
1. Gegenüber am Kampf unbeteiligten Dritten besteht keine Haftung der Gewerkschaft aus vertraglichen Schadensersatzansprüchen. Wesentliche Erkenntnis der Arbeit ist vielmehr, dass der Streik zum allgemeinen Lebensrisiko von Drittbetroffenen zählt. Dieses Risiko können sie allenfalls im Verhältnis zu ihrem Vertragspartner, regelmäßig den bestreikten Arbeitgeber, absichern, etwa durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen für Leistungsverzögerungen. Eine Direkthaftung der Gewerkschaft scheidet jedenfalls aus – dadurch wird auch der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse gewahrt. a) Der Tarifvertrag ist kein Vertrag zugunsten unbeteiligter Dritter und begründet daher kein Schuldverhältnis zwischen Gewerkschaft und diesen Dritten. Es fehlt bereits die erforderliche Drittbegünstigungsabrede: Es entspricht nicht dem Willen beider Tarifparteien, Dritten einen eigenen Leistungsanspruch auf Einhaltung der Friedenspflicht zu vermitteln. Vielmehr würde ein solcher Anspruch die tarifliche Dauerbeziehung der Tarifpartner stören. Zudem ist die
286
4. Teil: Wesentliche Ergebnisse
Friedenspflicht für den Dritten nutzlos. Er selbst kommt als Unbeteiligter mit den tariflichen Regelungen nicht in Berührung und braucht folglich auch kein Mittel, die Vertragserfüllung zu sichern. Der Gewerkschaft wäre es auch gar nicht möglich, eine solche Friedenspflicht zu erfüllen: Sie kann nur gegenüber demjenigen Frieden halten, demgegenüber sie streiken kann – ohne Möglichkeit des Arbeitskampfs verliert die Friedenspflicht nämlich ihren Zweck. b) Ebenso wenig ist der Tarifvertrag als Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten unbeteiligter Dritter einzuordnen. Auch wenn Dritte regelmäßig keine eigenen gleichwertigen Ansprüche haben, fehlt sowohl eine Nähe zur Leistung – der Friedenspflicht – als auch dem Gläubiger. Zudem ist der Personenkreis der Dritten für die Gewerkschaft nicht erkennbar. c) Auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht im Rahmen der Drittschadensliquidation scheidet aus. Beim Streik entsteht gerade nicht ein Schaden, der zufällig verlagert wird. Vielmehr erleiden mehrere Personen unterschiedliche Schäden. Drittschäden sind dabei geradezu typische Folge rechtmäßiger wie rechtswidriger Streiks. Folglich würde die Haftung der Gewerkschaft durch Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation erweitert und nicht bloß verlagert. 2. Auch eine deliktische Haftung der Gewerkschaft gegenüber am Kampf unbeteiligten Dritten scheidet im Normalfall aus. Vor allem dürfen durch die Hintertür des Deliktsrechts keine allgemeinen Verhaltenspflichten etabliert werden, die über die vertraglichen Pflichten hinausgehen. Daher ist ein Anspruch aus § 823 I BGB i. V. m. dem ReaG in aller Regel nicht gegeben. a) Auch gegenüber Drittbetroffenen muss der Eingriff in den Gewerbebetrieb betriebsbezogen sein. Die Betriebsbezogenheit ist regelmäßig zu verneinen, weil typischerweise weder eine sozialunübliche Schadensgefahr noch ein Eingriff mit objektiver Stoßrichtung gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit von unbeteiligten Dritten vorliegt. Auf die Bewertung der objektiven Stoßrichtung wirken sich weder die Kenntnis der Gewerkschaft von den mittelbaren Streikfolgen noch Grad und Intensität der Drittbetroffenheit aus. Auch bei Fluglotsenstreik ergeben sich keine Besonderheiten. Herauszuheben ist vielmehr, dass das Merkmal der Betriebsbezogenheit die übermäßige Ausweitung des Schutzbereichs des ReaG auf bloß mittelbar Betroffene gerade verhindern soll. b) In Extremfällen sind Dritte ausreichend durch das Deliktsrecht geschützt. Verletzt die Gewerkschaft durch den Streik etwa das Eigentum unbeteiligter Dritter, haftet sie nach § 823 I BGB. Bei Verletzung eines Schutzgesetzes, etwa der Erfüllung einer Sachbeschädigung (§ 303 StGB), können Dritte ihren Schaden nach § 823 II BGB i. V. m. dem Schutzgesetz geltend machen. Auch bei sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung sind unbeteiligte Dritte über § 826 BGB geschützt. Ein darüberhinausgehender deliktischer Schutz besteht nicht.
Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis
Adam, Detlev, Das Verhältnis von Arbeitskampfrecht und Schuldrecht – Dargestellt am Beispiel der privatrechtlichen Haftung bei arbeitskampfbedingten Auswirkungen im Rechtskreis kampfunbeteiligter Dritter, Frankfurt am Main 1988 (zit.: Adam, Arbeitskampfrecht und Schuldrecht). Adomeit, Klaus, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, München 1969 (zit.: Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht). Ahrens, Martin, Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit, DB 1996, S. 934 – 938. Alexy, Robert, Theorie der Grundrechte, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2006 (zit.: Alexy, Theorie der Grundrechte). Althammer, Christoph, Die Haftung nach § 823 I und II BGB, JA 2006, S. 697 – 702. Andres, Dirk/Leithaus, Rolf/Dahl, Michael (Begr.), Insolvenzordnung, 4. Auflage, München 2018 (zit.: Andres/Leithaus-Bearbeiter). Armbrüster, Christian, Vertragliche Haftung für Drittschäden – quo vadis Helvetia?, in: Bucher, Eugen/Bohny, Christiane/Adams, Michael u.a. (Hrsg.), Norm und Wirkung – Beiträge zum Privat- und Wirtschaftsrecht aus heutiger und historischer Perspek tive: Festschrift für Wolfgang Wiegand zum 65. Geburtstag, Bern 2005, S. 71 – 92 (zit.: Armbrüster, Vertragliche Haftung für Drittschäden, in: FS Wiegand). Arnold, Markus, Die tarifrechtliche Dauerrechtsbeziehung – Eine Schnittstelle zwischen Schuldrecht und kollektivem Arbeitsrecht, Heidelberg 1996 (zit.: Arnold, Die tarifrechtliche Dauerrechtsbeziehung). Assmann, Heinz-Dieter, Grundfälle zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, JuS 1986, S. 885 – 891. Aurnhammer, H. E., Ein Versuch zur Lösung des Problems der Schadensquote, VersR 1974, S. 1060 – 1062. Badura, Peter, Die Unternehmensfreiheit der Handelsgesellschaften – Ein Problem des Grundrechtsschutzes juristischer Personen des Privatrechts, DÖV 1990, S. 353 – 361. Baer, Susanne, Verfassungsrecht und Arbeitsrecht, in: Buhl, Samir/Frieling, Tino/Krois, Christopher/Malorny, Friederike u.a. (Hrsg.), Der erwachte Gesetzgeber – Regulierung und Deregulierung im Arbeitsrecht; Dokumentation der 7. Assistententagung im Arbeitsrecht vom 27.–29. 07. 2017, Baden-Baden 2017, S. 9 – 22 (zit.: Baer, Verfassungsrecht und Arbeitsrecht, in: Assistententagung im Arbeitsrecht 7). Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert (Hrsg.), BGB – Beck’scher Online-Kommentar Stand: 1. 2. 2019, Edition: 49 (zit.: BeckOK BGB-Bearbeiter). Bar, Christian von, „Nachwirkende“ Vertragspflichten, AcP 179 (1979), S. 452 – 474.
288
Literaturverzeichnis
Bar, Christian von, Das „Trennungsprinzip“ und die Geschichte des Wandels der Haftpflichtversicherung, AcP 181 (1981), S. 289 – 327. Bartelt, Johann Christian, Beschränkung des Schadensersatzumfangs durch das Übermaßverbot? – Eine Untersuchung der Vereinbarkeit des Grundsatzes der Totalreparation (§ 249 I BGB) mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip, Berlin 2004 (zit.: Bartelt, Beschränkung des Schadensumfangs durch das Übermaßverbot?). Bartz, Alexander, Reichweite und Grenzen gewerkschaftlicher Friedenspflicht aus Tarifverträgen – Neue Erkentnisse im Lichte aktueller BAG-Rechtsprechung?, ZTR 2004, S. 122 – 130. Bassenge, Peter/Palandt, Otto (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch – Mit Nebengesetzen, 78. Auflage, München 2019 (zit.: Palandt-Bearbeiter). Baumbach, Adolf/Hefermehl, Wolfgang (Hrsg.), Köhler, Helmut/Bornkamm, Joachim/ Feddersen, Jörn (Begr.), Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – Preisangabenverordnung, Unterlassungsklagengesetz, Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung, 37. Auflage, München 2019 (zit.: Köhler/Bornkamm/Feddersen-Bearbeiter). Bayreuther, Frank, Der Dritte im Arbeitskampf – Schadensersatz Drittbetroffener und Auswirkungen von Streiks auf die Vertragsbeziehungen des Bestreikten mit Dritten, RdA 2016, S. 181 – 244. Bayreuther, Frank, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Schmidt, Ingrid (Hrsg.), Jahrbuch des Arbeitsrechts – Gesetzgebung – Rechtsprechung – Literatur Nachschlagewerk für Wissenschaft und Praxis, Dokumentation für das Jahr 2016, Berlin 2017, S. 83 – 108 (zit.: Bayreuther, Schadensersatz im Arbeitskampf, in: Jahrbuch des Arbeitsrechts 2016). Bayreuther, Frank, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie – Tarifrecht im Spannungsfeld von Arbeits-, Privat- und Wirtschaftsrecht, München 2005 (zit.: Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie). Becker, Christoph, Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), S. 439 – 490. Begemann, Helmut, Der Streik und das Recht am Gewerbebetrieb, Köln 1957 (zit.: Begemann, Streik und Gewerbebetrieb). Benecke, Martina, Rühreitheorie, Friedenspflichtverletzung und „Ins-Messer-Laufen-Lassen“ im Haftungssystem des BGB, ZfA 2018, S. 2 – 16. Berg, Hans, Verträge mit Drittschutzwirkung und Drittschadensliquidation, JuS 1977, S. 363 – 367. Berger, Manfred, Mitverursachung und Mitverschulden – Mithaftung beim Verkehrsunfall, VersR 1987, S. 542 – 545. Bertke, Anne-Kathrin, Zur Zulässigkeit von Sympathiestreiks – Eine grundrechtsdogmatische Betrachtung, Baden-Baden 2014 (zit.: Bertke, Zulässigkeit von Sympathiestreiks). Beuthien, Volker, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, Tübingen 1969 (zit.: Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung).
Literaturverzeichnis
289
Biehl, Björn, Grundsätze der Vertragsauslegung, JuS 2010, S. 195 – 200. Birk, Rolf, Die Tarifautonomie in rechtsvergleichender Sicht, RdA 1995, S. 71 – 76. Boecken, Winfried, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, Berlin 1995 (zit.: Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz). Boemke, Burkhard, Schadensersatzanspruch des Unternehmers, wenn eine Gewerkschaft unzulässige Kampfziele verfolgt, JuS 2017, S. 778 – 780. Boldt, Gerhard, Zur Zulässigkeit von Firmentarifverträgen mit verbandsangehörigen Unternehmen, RdA 1971, S. 257 – 268. Bork, Reinhard, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Auflage, Tübingen 2016 (zit.: Bork, BGB AT). Bornkamm, Joachim, Der Schutz vertraulicher Informationen im Gesetz zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, in: Ahrens, Hans-Jürgen (Hrsg.), Festschrift für Eike Ullmann, Saarbrücken 2006, S. 893 – 912 (zit.: Bornkamm, In-camera-Verfahren im Zivilprozess?, in: FS Ullmann). Bötticher, Eduard, Diskussion zu den Referaten von Otto Esser und Bernd Rüthers, ZfA 1980, S. 332. Bram, Rainer, Aktuelle prozessrechtliche Fragen im einstweiligen Rechtsschutz von Arbeitskampfmaßnahmen, AuR 2017, S. 242 – 246. Brendel, Björn, Einfluss des Arbeitskampfes auf Abnahme- und Lieferverpflichtungen, Hamburg 1969 (zit.: Brendel, Arbeitskampf und Lieferverpflichtungen). Brox, Hans, Die Folgen des Streiks für die kämpfenden Verbände, JA 1981, S. 74 – 79. Brox, Hans/Rüthers, Bernd, Arbeitskampfrecht – Ein Handbuch für die Praxis, 2. Auflage, Stuttgart 1982 (zit.: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht). Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich (Hrsg.), Allgemeines Schuldrecht, 43. Auflage, München 2019 (zit.: Brox/Walker, SchuldR AT). Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich (Hrsg.), Besonderes Schuldrecht, 43. Auflage, München 2019 (zit.: Brox/Walker, SchuldR BT). Brüggemeier, Gert, Deliktsrecht – Ein Hand- und Lehrbuch, Baden-Baden 1986 (zit.: Brüggemeier, Deliktsrecht). Brüseken, Winfried/Krumbholz, Helmut/Thiermann, Alexandra, Typische Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen – Münchener Quotentabelle, NZV 2000, S. 441 – 445. Bucher, Eugen, „Schuldverhältnis“ des BGB: ein Terminus – drei Begriffe, in: Bucher, Eugen/Bohny, Christiane/Adams, Michael u.a. (Hrsg.), Norm und Wirkung – Beiträge zum Privat- und Wirtschaftsrecht aus heutiger und historischer Perspektive: Festschrift für Wolfgang Wiegand zum 65. Geburtstag, Bern 2005, S. 93 – 139 (zit.: Bucher, „Schuldverhältnis“ des BGB, in: FS Wiegand). Buchholtz, Gabriele, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge – Zum Harmonisierungspotenzial des Art. 6 Nr. 4 ESC in der Anwendung des EGMR und des EuGH, Tübingen 2014 (zit.: Buchholtz, Streiken im europäischen Grundrechtsgefüge).
290
Literaturverzeichnis
Buchner, Herbert, Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz, München 1971 (zit.: Buchner, Deliktsrechtlicher Unternehmensschutz). Buchner, Herbert, Entgeltfortzahlung im Spannungsfeld zwischen Gesetzgebung und Tarifautonomie, NZA 1996, S. 1177 – 1186. Bulla, Gustav-Adolf, Das Prinzip der Sozialadäquanz im Arbeitsrecht, RdA 1962, S. 6 – 15. Bulla, Gustav-Adolf, Zur Haftung von Gewerkschaften für Streikschäden und zur Rechtmäßigkeit eines Streiks – Anmerkung zum Urteil des LArbG Frankfurt vom 18. 9. 1950 – I LA 344/49, RdA 1950, S. 431 – 433. Bursch, Gustav-Adolf/Jordan, Michael Harald, Typische Verkehrsunfälle und Schadensverteilung, VersR 1985, S. 512 – 521. Bydlinski, Franz, Haftung des Arbeitnehmers – Anmerkung zur Entscheidung des BAG vom 12. 6. 1992, GS 1/89, SAE 1994, S. 93 – 104. Bydlinski, Franz, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Auflage, Wien/New York 1991 (zit.: Bydlinski, Methodenlehre und Rechtsbegriff). Caemmerer, Ernst von, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, Karlsruhe 1962 (zit.: v. Caemmerer, Überholende Kausalität). Caemmerer, Ernst von, Verträge zugunsten Dritter, in: Behrends, Okko (Hrsg.), Festschrift für Franz Wieacker, Göttingen 1978, S. 311 – 324 (zit.: v. Caemmerer, Verträge zugunsten Dritter, in: FS Wieacker). Canaris, Claus-Wilhelm, Ansprüche wegen positiver Vertragsverletzung und Schutzwirkung für Dritte bei nichtigen Verträgen, JZ 1965, S. 475 – 482. Canaris, Claus-Wilhelm, Die Bedeutung des Kriteriums der Unteilbarkeit der Leistung oder der Gegenleistung im modernisierten Leistungsstörungsrecht, in: Beuthien, Volker (Hrsg.), Perspektiven des Privatrechts am Anfang des 21. Jahrhunderts – Festschrift für Dieter Medicus zum 80. Geburtstag am 9. Mai 2009, Köln 2009, S. 17 – 41 (zit.: Canaris, Unteilbarkeit der Leistung, in: FS Medicus). Canaris, Claus-Wilhelm, Die Vertrauenshaftung im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in: Canaris, Claus-Wilhelm/Heldrich, Andreas (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof – Band 1: Bürgerliches Recht, München 2000, S. 129 – 200 (zit.: Canaris, Vertrauenshaftung, in: FS 50 Jahre BGH). Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht – Eine Zwischenbilanz, Berlin u. a. 1999 (zit.: Canaris, Grundrechte und Privatrecht). Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), S. 201 – 246. Canaris, Claus-Wilhelm, Risikohaftung bei schadensgeneigter Tätigkeit in fremdem Interesse, RdA 1966, S. 41 – 51. Canaris, Claus-Wilhelm, Schutzgesetze – Verkehrspflichten – Schutzpflichten, in: Canaris, Claus-Wilhelm/Larenz, Karl (Hrsg.), Festschrift für Karl Larenz zum 80. Geburtstag am 23. April 1983, München 1983, S. 27 – 110 (zit.: Canaris, Schutzpflichten, in: FS Larenz).
Literaturverzeichnis
Canaris, Claus-Wilhelm, S. 499 – 528.
Sondertagung
Schuldrechtsmodernisierung,
291
JZ
2001,
Canaris, Claus-Wilhelm, Verstöße gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot im Recht der Geschäftsfähigkeit und im Schadensersatzrecht, JZ 1987, S. 993 – 1004. Canaris, Claus-Wilhelm, Zur Problematik von Privatrecht und verfassungsrechtlichem Übermaßverbot – Ein Schlusswort zu den vorstehend abgedruckten Erwiderungen von Ramm und Wiese, JZ 1988, S. 494 – 499. Croon-Gestefeld, Johanna, § 823 Abs. 1 BGB: Die Rahmenrechte, JA 2016, S. 1374 – 1379. Czerny, Olivia/Frieling, Tino, Schadensersatz wegen Unterstützungsstreiks – Anmerkung zu LAG Hessen 25. 04. 13 – 9 Sa 561/12, LAGE, S. 9. Czycholl, Roland/Frieling, Tino, Auswirkungen der Europäischen Sozialcharta auf das Arbeitskampfrecht – Das Streikrecht aus Art. 6 Abs. 4 ESC als vorrangige gesetzgeberische Entscheidung, ZESAR 2011, S. 322 – 327. Däubler, Wolfgang (Hrsg.), Arbeitskampfrecht – Handbuch für die Rechtspraxis, 4. Auflage, Baden-Baden 2018 (zit.: DäublerAK-Bearbeiter). Däubler, Wolfgang (Hrsg.), Tarifvertragsgesetz – Mit Arbeitnehmer-Entsendegesetz, 4. Auflage, Baden-Baden 2016 (zit.: Däubler-Bearbeiter). Däubler, Wolfgang, Die gemeinsame Wahrung von Interessen im Betrieb – Leitfaden für Arbeitnehmer, 16. Auflage, Reinbek bei Hamburg 2006 (zit.: Däubler, Arbeitsrecht 1). Däubler, Wolfgang, Die Haftung des Arbeitnehmers – Grundlagen und Grenzen, NJW 1986, S. 867 – 874. Däubler, Wolfgang, Haftung der Gewerkschaft für Millionenschäden?, AuR 2017, S. 232 – 237. Däubler, Wolfgang, Individuum und Kollektiv im Arbeitsrecht, NZA 1988, S. 857 – 866. Däubler, Wolfgang, Neue Grundsätze im Arbeitskampf? – Zur Entscheidung des Ministerkomitees des Europarats, AuR 1988, S. 144 – 148. Däubler, Wolfgang/Hjort, Jens Peter/Schubert, Michael u.a. (Hrsg.), Arbeitsrecht – Individualarbeitsrecht mit kollektivrechtlichen Bezügen, 4. Auflage 2017 (zit.: HKA rbR-Bearbeiter). Dauner-Lieb, Barbara/Langen, Werner (Hrsg.), BGB Schuldrecht – Band 2/1, 3. Auflage, Baden-Baden 2016 (zit.: Dauner-Lieb/Langen-Bearbeiter). Dauner-Lieb, Barbara/Langen, Werner (Hrsg.), BGB Schuldrecht – Band 2/2, 3. Auflage, Baden-Baden 2016 (zit.: Dauner-Lieb/Langen-Bearbeiter). Deinert, Olaf/Kittner, Michael, Richterrechtliches Verhältnismäßigkeitsprinzip im Arbeitskampf und völkerrechtliche Vorgaben, in: Däubler, Wolfgang/Zimmer, Reingard (Hrsg.), Arbeitsvölkerrecht – Festschrift für Klaus Lörcher, Baden-Baden 2013, S. 283 – 301 (zit.: Deinert/Kittner, Richterrechtliches Verhältnismäßigkeitsprinzip im Arbeitskampf, in: FS Lörcher). Denck, Johannes, Die Relativität im Privatrecht, JuS 1981, S. 9 – 14.
292
Literaturverzeichnis
Denck, Johannes, Zur Restauration der „normalen Schuld“ – Eine fragwürdige Wiedereinsetzung der Arbeitnehmer in den vorigen Stand?, AuR 1988, S. 325 – 333. Deutsch, Erwin, Das Verschulden als Merkmal der Arbeitnehmer-Haftung, RdA 1996, S. 1 – 4. Deutsch, Erwin, Der Ersatz des reinen Vermögensschadens, in: Gerhardt, Walter (Hrsg.), Festschrift für Wolfram Henckel zum 70. Geburtstag am 21. April 1995, Berlin/New York, N.Y. 1995, S. 79 – 94 (zit.: Deutsch, Ersatz reiner Vermögensschäden, in: FS Henckel). Deutsch, Erwin, Die Zwecke des Haftungsrechts, JZ 1971, S. 244 – 248. Deutsch, Erwin, Entwicklung und Entwicklungsfunktion der Deliktstatbestände – Ein Beitrag zur Abgrenzung der rechtsetzenden von der rechtsprechenden Gewalt im Zivilrecht, JZ 1963, S. 385 – 391. Dieterich, Thomas, Die grundrechtsdogmatischen Grenzen der Tarifautonomie in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, in: Wiedemann, Herbert/Wank, Rolf (Hrsg.), Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, München 2002, S. 229 – 249 (zit.: Dieterich, Grenzen der Tarifautonomie, in: FS Wiedemann). Dieterich, Thomas, Flexibilisiertes Tarifrecht und Grundgesetz, RdA 2002, S. 1 – 64. Dieterich, Thomas, Methodische Bemerkungen zu den Aussperrungsurteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Juni 1980, in: Hanau, Peter/Müller, Gerhard/Wiedemann, Herbert u.a. (Hrsg.), Festschrift für Wilhelm Herschel zum 85. Geburtstag, München 1982, S. 37 – 53 (zit.: Dieterich, Aussperrungsurteile des BAG, in: FS Herschel). Dieterich, Thomas, Tarifautonomie und Bundesverfassungsgericht, AuR 2001, S. 390 – 393. Dohnau, Walter-Joachim, Arbeitskampf und Lieferverträge ca. 1967 (zit.: Dohnau, Arbeitskampf und Lieferverträge). Dommack, Klausjürgen, Das Streikrecht und die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eingriffen und Beschränkungen, Köln 1961 (zit.: Dommack, Streikrecht). Dumke, Matthias, Streikrecht i.S. des Art. 6 Nr. 4 ESC und deutsches Arbeitskampfrecht – Vorgaben, Vereinbarkeit und Umsetzung, Frankfurt am Main 2013 (zit.: Dumke, StreikR i.S.d. Art. 6 Nr. 4 ESC). Dütz, Wilhelm, Vorläufiger Rechtsschutz im Arbeitskampf, BB 1980, S. 533 – 543. Eberlein, Harald, Die Risiken des Berufskraftfahrers aus arbeitsrechtlicher Sicht, BB 1989, S. 621 – 626. Ehmann, Horst/Kley, Britta, Unmöglichkeitslehre, JuS 1998, S. 481 – 491. Ellger, Vera, BB-Kommentar – „Gewerkschaft haftet für rechtswidrigen Streik – Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens unbeachtlich“, BB 2016, S. 3072. Emmerich, Volker, BGB – Schuldrecht, Besonderer Teil, 15. Auflage, Heidelberg/München/Landsberg 2018 (zit.: Emmerich, SchulR BT). Emmerich, Volker, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Auflage, München 2005 (zit.: Emmerich, Leistungsstörungen).
Literaturverzeichnis
293
Emmerich, Volker, Kartellrecht – Ein Studienbuch, 14. Auflage, München 2018 (zit.: Emmerich, Kartellrecht). Engels, Andreas, Verfassung und Arbeitskampfrecht – Verfassungsrechtliche Grenzen arbeitsgerichtlicher Arbeitskampfjudikatur, Berlin 2008 (zit.: Engels, Verfassung und Arbeitskampfrecht). Engisch, Karl, Einführung in das juristische Denken, 12. Auflage, Stuttgart 2018 (zit.: Engisch, Juristisches Denken). Epping, Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.), GG – Beck’scher Online-Kommentar Stand: 15. 2. 2019, Edition: 40 (zit.: BeckOK GG-Bearbeiter). Esser, Josef/Weyers, Hans-Leo, Schuldrecht – Band II: Besonderer Teil, Teilband 2, 8. Auflage, Heidelberg 2000 (zit.: Esser/Weyers, SchuldR II). Esser, Otto, Konfliktregulierung in Freiheit und Verantwortung, in: Gamillscheg, Franz/ Molitor, Karl (Hrsg.), Sozialpartnerschaft in der Bewährung – Festschrift für Karl Molitor zum 60. Geburtstag, München 1988, S. 99 – 106 (zit.: Esser, Konfliktregulierung, in: FS Molitor). European Committee of Social Rights, Digest of the case law of the European Committee of Social Rights 2008 (zit.: European Committee of Social Rights, Digest). Fabricius, Fritz, Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – BGHZ 29, 65, JuS 1961, S. 151 – 154. Faust, Florian, Bürgerliches Gesetzbuch – Allgemeiner Teil, 6. Auflage, Baden-Baden 2018 (zit.: Faust, BGB AT). Fay, Peter, Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite bei Streiks, Köln 1960 (zit.: Fay, Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite). Fehre, Andrea, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Leistung – Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, Berlin 2005 (zit.: Fehre, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit). Fikentscher, Wolfgang, Das Recht am Gewerbebetrieb (Unternehmen) als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB in der Rechtsprechung des Reichtsgerichts und des Bundesgerichtshofs, in: Biedenkopf, Kurt/Coing, Helmut (Hrsg.), Festgabe für Heinrich Kronstein aus Anlass seines 70. Geburtstages am 12. September 1967, Karlsruhe 1967, S. 261 – 304 (zit.: Fikentscher, Rechtsprechungsübersicht Gewerbebetrieb, in: FS Kronstein). Fikentscher, Wolfgang, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung – Band 4: Dogmatischer Teil, Tübingen 1977 (zit.: Fikentscher, Methoden des Rechts IV). Fikentscher, Wolfgang/Heinemann, Andreas, Schuldrecht, 11. Auflage, Berlin 2017 (zit.: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht). Fischer, Ulrich, Zu Risiken und Nebenwirkungen im Arbeitskampf, jM 2017, S. 149 – 151. Fischinger, Philipp S., Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, Tübingen 2015 (zit.: Fischinger, Haftungsbeschränkung im BGB).
294
Literaturverzeichnis
Flume, Werner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts – Zweiter Band: Das Rechtsgeschäft, 4. Auflage 1992 (zit.: Flume, Das Rechtsgeschäft). Franzen, Martin/Thüsing, Gregor/Waldhoff, Christian, Arbeitskampf in der Daseinsvorsorge – Vorschläge zur gesetzlichen Regelung von Streik und Aussperrung in Unternehmen der Daseinsvorsorge, Berlin 2012 (zit.: Franzen/Thüsing/Waldhoff, Arbeitskampf in der Daseinsvorsorge). Frost, Marina, „Vorvertragliche“ und „vertragliche“ Schutzpflichten, Berlin 1981 (zit.: Frost, Schutzpflichten). Fuchs, Maximilian, Versicherungsschutz und Versicherbarkeit als Argument bei der Schadensverteilung, AcP 191 (1991), S. 318 – 345. Fundel, Stefan, Die Haftung für Gehilfenfehlverhalten im Bürgerlichen Recht, Tübingen 1999 (zit.: Fundel, Haftung für Gehilfenfehlverhalten). Gamillscheg, Franz, Die Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit, Berlin 1966 (zit.: Gamillscheg, Differenzierung nach Gewerkschaftszugehörigkeit). Gamillscheg, Franz, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, Berlin 1989 (zit.: Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsrecht). Gamillscheg, Franz, Haftungsausschluss bei gefahrgeneigter Arbeit – Anmerkung zu BAG vom 23. 3. 1983 – 7 AZR 391/79, AuR 1983, S. 317 – 320. Gamillscheg, Franz, Kollektives Arbeitsrecht – Band I, München 1997 (zit.: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I). Gamillscheg, Franz, Referat zum 45. DJT, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 45. Deutschen Juristentages 1964 (zit.: Gamillscheg, Referat zum 45. DJT). Gaul, Dieter/Bobrowski, Paul, Das Arbeitsrecht im Betrieb – Band II, 8. Auflage, Heidelberg 1986 (zit.: Gaul/Bobrowski, Arbeitsrecht im Betrieb II). Gerhardt, Walter, Die Haftungsfreizeichnung innerhalb des gesetzlichen Schuldverhältnisses, JZ 1970, S. 535 – 539. Gernhuber, Joachim, Die Erfüllung und ihre Surrogate sowie das Erlöschen der Schuldverhältnisse aus anderen Gründen, 2. Auflage, Tübingen 1994 (zit.: Gernhuber, Erfüllung und ihre Surrogate). Gernhuber, Joachim, Drittwirkungen im Schuldverhältnis kraft Leistungsnähe, in: Bötticher, Eduard (Hrsg.), Festschrift für Arthur Nikisch, Tübingen 1958, S. 249 – 274 (zit.: Gernhuber, Drittwirkungen im Schuldverhältnis kraft Leistungsnähe, in: FS Nikisch). Gernhuber, Joachim, Gläubiger, Schuldner und Dritte – Eine Kritik der Lehre von den „Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte“ und der Rechtsprechung zum „Haftungsausschluss mit Wirkung für Dritte“, JZ 1962, S. 553 – 558. Gick, Dietmar, Die Grundsätze der Haftung bei gefahrgeneigter Arbeit, JuS 1980, S. 393 – 401. Gierke, Otto von, Dauernde Schuldverhältnisse, JherJb 64 (1914), S. 355 – 411.
Literaturverzeichnis
295
Gift, Emil, Probleme der Friedenspflicht, DB 1959, S. 651 – 655. Gooren, Paul, Der Tarifbezug des Arbeitskampfes – Zulässige Arbeitskampfziele im Lichte der Europäisierung und Internationalisierung des Rechts, Baden-Baden 2014 (zit.: Gooren, Tarifbezug des Arbeitskampfes). Gottwald, Peter, Die Haftung für culpa in contrahendo, JuS 1982, S. 877 – 885. Gräber, Fritz/Herbert, Ulrich (Begr.), Finanzgerichtsordnung – Mit Nebengesetzen; Kommentar, 8. Auflage, München 2015 (zit.: Gräber-Bearbeiter). Green, Jan-Niklas, Zur (fehlenden) Ersatzfähigkeit arbeitskampfbedingter Schäden bei Drittbetroffenen, NZA 2016, S. 274 – 278. Greger, Reinhard, Mitverschulden und Schadensminderungspflicht – Treu und Glauben im Haftungsrecht?, NJW 1985, S. 1130 – 1134. Greiner, Stefan, Alternativen zum Streik in der Daseinsvorsorge? – Plädoyer für eine sozialpartnerschaftliche Lösung, ZfA 2016, S. 451 – 465. Grigoleit, Hans Christoph, Leistungspflichten und Schutzpflichten, in: Canaris, Claus-Wilhelm/Heldrich, Andreas/Prölss, Jürgen u.a. (Hrsg.), Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag – Band I, München 2007, S. 275 – 306 (zit.: Grigoleit, Leistungspflichten und Schutzpflichten, in: FS Canaris I). Grigoleit, Hans Christoph/Riehm, Thomas, Die Kategorien des Schadensersatzes im Leistungsstörungsrecht, AcP 203 (2003), S. 727 – 762. Grigoleit, Hans Christoph/Riehm, Thomas, Schuldrecht IV – Deliktsrecht und Schadensrecht, 2. Auflage 2017 (zit.: Grigoleit/Riehm, DeliktsR und SchadensR). Gröner, Niklas, Streik und Drittschaden – Ansprüche betroffener Unternehmen insbesondere beim Arbeitskampf in der Flugsicherung, Baden-Baden 2016 (zit.: Gröner, Streik und Drittschaden). Groos, Thomas, Schadensersatz und Rücktritt bei Leistungsstörungen infolge von Streik und Aussperrung – Eine Darstellung von Rechtsprechung und Literatur des französischen und deutschen Rechts, Karlsruhe 1970 (zit.: Groos, Schadensersatz und Rücktritt). Grote-Seifert, Heike, Das englische Arbeitskampfrecht unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung seit 1979 – Zugleich:, vergleichende Analyse der Rechtslage in Deutschland und England, Frankfurt am Main/New York 1994 (zit.: Grote-Seifert, Englisches Arbeitskampfrecht). Grunewald, Barbara/Erman, Walter/Maier-Reimer, Georg u.a. (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar mit AGG, EGBGB (Auszug), ErbbauRG, LPartG, ProdHaftG, UKlaG, VBVG, VersAusglG und WEG, 14. Auflage, Münster 2015 (zit.: Erman BGB14-Bearbeiter). Grunewald, Barbara/Erman, Walter/Maier-Reimer, Georg u.a. (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar mit AGG, EGBGB (Auszug), ErbbauRG, LPartG, ProdHaftG, UKlaG, VBVG, VersAusglG und WEG, 15. Auflage, Münster 2017 (zit.: Erman BGB-Bearbeiter).
296
Literaturverzeichnis
Gsell, Beate/Krüger, Wolfang/Lorenz, Stephan u.a. (Hrsg.), beck-online.GROSSKOMMENTAR § 275 BGB, Stand: 1. 12. 2018; § 823 BGB, Stand: 1. 7. 2018 (zit.: BeckOGK-Bearbeiter). Hagen, Horst, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik – Ein Beitrag zur Koordinierung von Rechtsfortbildungen, Frankfurt am Main 1971 (zit.: Hagen, Drittschadensliquidation). Hanau, Peter, Die Entscheidungsfreiheit des Richters im Recht der Arbeitnehmerhaftung, in: Hübner, Heinz/Baumgärtel, Gottfried (Hrsg.), Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag am 7. November 1984, Berlin/New York 1984, S. 467 – 485 (zit.: Hanau, Die Entscheidungsfreiheit des Richters im Recht der AN-Haftung, in: FS Hübner). Hanau, Peter, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit – Eine Studie zum Problem des pflichtmäßigen Alternativverhaltens im bürgerlichen Recht, Göttingen 1971 (zit.: Hanau, Pflichtmäßiges Alternativverhalten). Hänsle, Walter, Streik und Daseinsvorsorge: verfassungsrechtliche Grenzen des Streikrechts in der Daseinsvorsorge – zugleich ein Beitrag zur Staatsaufgabenlehre sowie zur Grundrechtsdogmatik des Art. 9 Abs. 3 GG, 2016 (zit.: Hänsle, Streik und Daseinsvorsorge). Hauer, Matti, Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei Drittbetroffenheit im Arbeitskampf? – Anmerkung zu: ArbG Wesel v. 23. 8. 2013 – 6 Ga 22/13, jurisPR-ArbR 7/2014, 5. Heckelmann, Dieter, Die einstweilige Verfügung im Arbeitskampf, AuR 1970, S. 166 – 178. Heinze, Meinhard, Der Warnstreik und die „Neue Beweglichkeit“ – Zum Verhältnis von Tarifvertragsrecht und Arbeitskampfrecht, NJW 1983, S. 2409 – 2418. Heinze, Meinhard, Die materielle und prozessuale Stellung der Koalitionen, tarifliche Friedenspflicht, gewillkürte Prozeßstandschaft – Anmerkung, SAE 1983, S. 224 – 229. Heinze, Meinhard, Gibt es eine Alternative zur Tarifautonomie?, DB 1996, S. 729 – 735. Heinze, Meinhard, Wege aus der Krise des Arbeitsrechts – Der Beitrag der Wissenschaft, NZA 1997, S. 1 – 64. Henckel, Wolfram, Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174 (1974), S. 97 – 144. Henn, Thomas, Zur Daseinsberechtigung der so genannten „Drittschadensliquidation“, Berlin 2011 (zit.: Henn, Daseinsberechtigung Drittschadensliquidation). Henne, Michael, Keine Schadensersatzansprüche drittbetroffener Fluglinien bei Unterstützungsstreik der Fluglotsen gegen Betreiber der Flugsicherung, GWR 2013, S. 503. Hensche, Martin, Zu Praktikabilität und Nutzen des arbeitskampfrechtlichen Paritätsprinzips, RdA 1996, S. 293 – 306. Henssler, Martin/Willemsen, Heinz Josef/Kalb, Heinz-Jürgen (Hrsg.), Arbeitsrecht Kommentar, 8. Auflage, Köln 2018 (zit.: HWK-Bearbeiter). Herberger, Maximilian/Martinek, Michael/Rüßmann, Helmut u.a. (Hrsg.), juris Praxiskommentar BGB – Band 2 – Schuldrecht, 8. Auflage, Saarbrücken 2017 (zit.: jurisPK-BGB-Bearbeiter).
Literaturverzeichnis
297
Hergenröder, Curt W., Zivilprozessuale Grundlagen richtlicher Rechtsfortbildung, Tübingen 1995 (zit.: Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung). Herzog, Roman/Herdegen, Matthias/Scholz, Rupert u.a. (Hrsg.), Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.), Grundgesetz Kommentar 85. Ergänzungslieferung 2018 (zit.: Maunz/ Dürig-Bearbeiter). Heußner, Hermann, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Richterrecht, in: Dietrich, Thomas/Hilger, Marie-Luise/Stumpf, Hermann (Hrsg.), Festschrift für Marie Luise Hilger und Hermann Stumpf, München 1983, S. 317 – 328 (zit.: Heußner, Rechtsprechung des BVerfG zum Richterrecht, in: FS Hilger/ Stumpf). Höfling, Wolfram/Burkiczak, Christian, Die unmittelbare Drittwirkung gemäß Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, RdA 2004, S. 263 – 273. Hohenester, Hermann, Die Grenzen der Streikfreiheit – Im Hinblick auf die Arbeits niederlegung als solche, München 1956 (zit.: Hohenester, Grenzen der Streikfreiheit). Hohloch, Gerhard, Vorvertragliche Haftung nach culpa-in-contrahendo-Grundsätzen auch zugunsten Dritter? – BGHZ 66, 51, JuS 1977, S. 302 – 306. Hohn, Kristian, Grundwissen – Strafrecht: Handlungs- oder Erfolgsunrecht, JuS 2008, S. 494 – 495. Höpfner, Clemens, Die systemkonforme Auslegung – Zur Auflösung einfachgesetzlicher, verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Widersprüche im Recht, Tübingen 2008 (zit.: Höpfner, Systemkonforme Auslegung). Höpfner, Clemens, Zur Praxis der Gesetzesauslegung in der Justiz, DÖV 2006, S. 820 – 824. Hoyningen-Huene, Gerrick von, Die Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers – Rechtsfortbildung ohne Rechtsfortschritt, BB 1989, S. 1889 – 1896. Hoyningen-Huene, Gerrick von, Die Rolle der Verbände bei Firmenarbeitskämpfen, ZfA 1980, S. 453 – 470. Hromadka, Wolfgang/Maschmann, Frank, Arbeitsrecht Band 2 – Kollektivarbeitsrecht und Arbeitsstreitigkeiten, 7. Auflage, Berlin, Heidelberg 2017 (zit.: Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht II). Huber, Peter/Faust, Florian, Schuldrechtsmodernisierung – Einführung in das neue Recht, München 2002 (zit.: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung). Hübner, Leonhard/Sagan, Adam, Die Abgrenzung von Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und Drittschadensliquidation, JA 2013, S. 741 – 747. Hübner, Ulrich, Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte und Ersatz von Vermögensschäden, VersR 1991, S. 497 – 500. Hueck, Alfred, Die politischen Streikaktionen des Deutschen Gewerkschaftsbundes anläßlich der parlamentarischen Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes in ihrer verfassungs- und zivilrechtlichen Bedeutung – Rechtsgutachten, Köln 1952 (zit.: Hueck, Gutachten). Hueck, Alfred/Nipperdey, Hans Carl, Lehrbuch des Arbeitsrechts – Band 2: Kollektives Arbeitsrecht, Halbband 1, 7. Auflage 1967 (zit.: Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 1).
298
Literaturverzeichnis
Hueck, Alfred/Nipperdey, Hans Carl, Lehrbuch des Arbeitsrechts – Band 2: Kollektives Arbeitsrecht, Halbband 2, 7. Auflage 1970 (zit.: Hueck/Nipperdey, ArbeitsR II 2). Hueck, Götz, Buchbesprechung – Begemann, Das Recht am Gewerbebetrieb, RdA 1960, S. 346. Individuelle Empfehlung des Ministerkomittees des Europarates an die Bundesrepublik Deutschland vom 3. 2. 1988, AuR 1998, S. 154 – 156. Jacobs, Matthias, Das neue Arbeitskampfrecht des Bundesarbeitsgerichts, ZfA 2011, S. 71 – 94. Jacobs, Matthias, Die Erkämpfbarkeit von firmenbezogenen Tarifverträgen mit verbandsangehörigen Arbeitgebern, ZTR 2001, S. 249 – 257. Jacobs, Matthias, Tarifpluralität statt Tarifeinheit – Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!, NZA 2008, S. 325 – 333. Jacobs, Matthias/Krause, Rüdiger/Oetker, Hartmut u.a. (Hrsg.), Tarifvertragsrecht, 2. Auflage, München 2013 (zit.: JKOS-Bearbeiter). Jacobs, Matthias/Schmidt, Laura, Anmerkung zu den EGMR Rechtssachen vom 02. 10. 2014 und 27. 11. 2014 – Tymoshenko/Ukraine und Hrvatski Liječnički Sindikat/ Kroatien, EuZA 2016, S. 82 – 96. Jahr, Günther, Schadensersatz wegen deliktischer Nutzungsentziehung – Zu Grundlagen des Rechtsgüterschutzes und des Schadensersatzrechts, AcP 183 (1983), S. 725 – 794. Jauernig, Othmar/Berger, Christian/Mansel, Heinz-Peter u.a. (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Auflage, München 2018 (zit.: Jauernig-Bearbeiter). Junker, Abbo, Der Flächentarifvertrag im Spannungsverhältnis von Tarifautonomie und betrieblicher Regelung, ZfA 1996, S. 383 – 417. Kalb, Heinz-Jürgen, Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch das Bundesarbeitsgericht, RdA 1994, S. 385 – 394. Kalenborn, Tristan, Die praktische Konkordanz in der Fallbearbeitung, JA 2016, S. 6 – 12. Kamanabrou, Sudabeh, Die Auslegung und Fortbildung des normativen Teils von Tarifverträgen – Auf der Grundlage eines Vergleichs der Auslegung und Fortbildung von Gesetzen mit der Auslegung und Ergänzung von Rechtsgeschäften, Berlin 1997 (zit.: Kamanabrou, Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen). Kempen, Otto Ernst/Zachert, Ulrich (Hrsg.), Tarifvertragsgesetz, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2014 (zit.: Kempen/Zachert-Bearbeiter). Kiel, Heinrich/Lunk, Stefan/Oetker, Hartmut (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht – Band 3: Kollektives Arbeitsrecht I, 4. Auflage, München 2018 (zit.: MüHBArbR-Bearbeiter). Kielmansegg Graf, Sebastian, Die Grundrechtsprüfung, JuS 2008, S. 23 – 29. Kingreen, Thorsten/Poscher, Ralf, Grundrechte, 34. Auflage 2018 (zit.: Kingreen/Poscher, Grundrechte). Kirchhof, Ferdinand, Grundrechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte, NJW 2011, S. 3681 – 3686.
Literaturverzeichnis
299
Kirchhof, Hans-Peter/Stürner, Rolf/Eidenmüller, Horst (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage, München 2013 (zit.: MüKo-InsO-Bearbeiter). Kirchner, Dieter, Die neue Schlichtungs- und Schiedsvereinbarung für die Metallindustrie, RdA 1980, S. 129 – 138. Kissel, Otto Rudolf, Arbeitskampfrecht – Ein Leitfaden, München 2002 (zit.: Kissel, Arbeitskampf). Klatt, Matthias, Theorie der Wortlautgrenze – Semantische Normativität in der juristischen Argumentation, Baden-Baden 2004 (zit.: Klatt, Theorie der Wortlautgrenze). Kleindiek, Detlef, Deliktshaftung und juristische Person – Zugleich zur Eigenhaftung von Unternehmensleitern, Tübingen 1997 (zit.: Kleindiek, Deliktshaftung). Köhler, Helmut, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhältnis, München 1971 (zit.: Köhler, Zweckstörungen im Schuldverhältnis). Köhler, Helmut, Vertragliche Unterlassungspflichten, AcP 190 (1990), S. 496 – 537. Köhler, Helmut, BGB, Allgemeiner Teil – Ein Studienbuch, 42. Auflage, München 2018 (zit.: Köhler, BGB AT). König, Julia, Der Schadensersatzanspruch drittbetroffener Fluggesellschaften beim Fluglotsenstreik – Zugleich Anmerkung zu den Entscheidungen des BAG vom 25. 8. 2015 (1 AZR 754/13) und (1 AZR 875/13), VersR 2017, S. 1308 – 1312. Konzen, Horst, Arbeitsrechtliche Drittbeziehungen – Gedanken über Grundlagen und Wirkungen der „gespaltenen Arbeitgeberstellung“, ZfA 1982, S. 259 – 310. Konzen, Horst, Fünfzig Jahre richterliches Arbeitskampfrecht, in: Oetker, Hartmut/ Preis, Ulrich/Rieble, Volker (Hrsg.), 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, München 2004, S. 515 – 555 (zit.: Konzen, Fünfzig Jahre richterliches Arbeitskampfrecht, in: 50 Jahre BAG). Konzen, Horst, Grundlagen und Grenzen des vorbeugenden Rechtsschutzes unter Tarifparteien, in: Kissel, Otto Rudolf/Heinze, Meinhard/Söllner, Alfred (Hrsg.), Arbeitsrecht in der Bewährung – Festschrift für Otto Rudolf Kissel zum 65. Geburtstag, München 1994, S. 571 – 609 (zit.: Konzen, Vorbeugender Rechtsschutz unter Tarifparteien, in: FS Kissel). Konzen, Horst, Tarifbindung, Friedenspflicht und Kampfparität beim Verbandswechsel des Arbeitgebers, ZfA 1975, S. 401 – 436. Körber, Christian, Das Recht der Pflichtverletzungen im Allgemeinen Schuldrecht – Teil 3, Jura 2015, S. 673 – 681. Korinth, Michael H., Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Auflage, Köln 2015 (zit.: Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz). Krämer, Daniel, Die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrags, Berlin 2015 (zit.: Krämer, Richtigkeitsgewähr des TV). Krause, Rüdiger, Die Konkretisierung der Grenzen von Streiks durch einstweilige Verfügung, JbArbR 2008, S. 23 – 45. Krebs, Peter, Die Begründungslast, AcP 195 (1995), S. 171 – 211.
300
Literaturverzeichnis
Krebs, Peter, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, München 2000 (zit.: Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten). Kreuzer, Karl, Anmerkung zu BGH, Urteil v. 28. 01. 1976 – VIII ZR 246/74, JZ 1976, S. 778 – 781. Krichel, Ulrich, Ist der Firmentarifvertrag mit einem verbandsangehörigen Arbeitgeber erstreikbar?, NZA 1986, S. 731 – 736. Krückmann, Paul, Einige Bemerkungen zu den „dauernden Schuldverhältnissen“, JherJb 66 (1916), S. 1 – 17. Krückmann, Paul, Unmöglichkeit und Unmöglichkeitsprozess – Zugleich Kritik der Entwürfe Russlands, Ungarns und der Schweiz, AcP 101 (1907), S. 1. Krüger, Wolfgang/Rauscher, Thomas (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen – Band 1: §§1 – 354 ZPO, 5. Auflage, München 2016 (zit.: MüKo-ZPO-Bearbeiter). Kulick, Andreas, „Drittwirkung“ als verfassungskonforme Auslegung – Zur neuen Rechtsprechung des BVerfG, NJW 2016, S. 2236 – 2241. Künster, Marion, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen, Aachen 1994 (zit.: Künster, Die culpa in contrahendo in vortariflichen Rechtsbeziehungen). Lambrich, Thomas/Sander, Charlotte, Von streikenden Fluglotsen, Vorfeldmitarbeitern und Schleusenwärtern – wenn Gewerkschaften Dritte instrumentalisieren, NZA 2014, S. 337 – 342. Langenbucher, Katja, Risikohaftung und Schutzpflichten im innerbetrieblichen Schadensausgleich, ZfA 1997, S. 523 – 556. Larenz, Karl, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 25. 4. 1956 – VI ZR 34/55, NJW 1956, S. 1193 – 1194. Larenz, Karl, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin/New York 1991 (zit.: Larenz, Methodenlehre). Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm, Lehrbuch des Schuldrechts – Band II, Halbband 2, Besonderer Teil, 13. Auflage, München 1994 (zit.: Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2). Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage, Berlin/New York 1995 (zit.: Larenz/Canaris, Methodenlehre). Larenz, Karl/Heiseke, Jürgen, Zur Schutzwirkung eines Schuldvertrages gegenüber dritten Personen, NJW 1960, S. 77 – 81. Lehmann, Heinrich, Die positiven Vertragsverletzungen, AcP 96 (1905), S. 60 – 113. Lenzen, Elmar, Sind unselbständige Unterlassungsansprüche klagbar?, NJW 1967, S. 1260 – 1261. Lepsius, Oliver, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: Jestaedt, Matthias/Lepsius, Oliver (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit – Zur Tragfähigkeit eines verfassungsrechtlichen Schlüsselkonzepts, Tübingen 2016, S. 1 – 41 (zit.: Lepsius, Chancen und Grenzen der Verhältnismäßigkeit, in: Verhältnismäßigkeit).
Literaturverzeichnis
301
Lerche, Peter, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes – Zum hessischen Aussperrungsverbot, Bad Homburg 1969 (zit.: Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes). Lieb, Manfred, Vermutungen, Beweislastverteilung und Klarstellungsobliegenheiten im Arbeitskampf, in: Hanau, Peter/Müller, Gerhard/Wiedemann, Herbert u.a. (Hrsg.), Festschrift für Wilhelm Herschel zum 85. Geburtstag, München 1982, S. 223 – 235 (zit.: Lieb, Beweislastverteilung im Arbeitskampf, in: FS Herschel). Lieb, Manfred, Zum Verhältnis von Rechtsordnung und Arbeitskampf – Kritische Bemerkung zur sogenannten zweiten Warnstreikentscheidung des BAG, NZA 1985, S. 265 – 270. Linßen, Ronja Maria, Informationsprobleme und Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Telekommunikationsregulierungsrecht – Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des In-Camera-Verfahrens, Baden-Baden 2011 (zit.: Linßen, Informationsprobleme und Schutz von Unternehmensgeheimnissen). Looschelders, Dirk, „Unmöglichkeit“ und Schadensersatz statt der Leistung, JuS 2010, S. 849 – 856. Looschelders, Dirk, Bewältigung des Zufalls durch Versicherung?, VersR 1996, S. 529 – 540. Looschelders, Dirk, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, Tübingen 1999 (zit.: Looschelders, Mitverantwortlichkeit des Geschädigten). Looschelders, Dirk, Schuldrecht – Allgemeiner Teil, 16. Auflage, München 2018 (zit.: Looschelders, SchuldR AT). Looschelders, Dirk/Makowsky, Mark, Relativität des Schuldverhältnisses und Rechtsstellung Dritter, JA 2012, S. 721 – 728. Looschelders, Dirk/Roth, Wolfgang, Juristische Methodik im Prozess der Rechtsanwendung – Zugleich ein Beitrag zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen von Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung, Berlin 1996 (zit.: Looschelders/Roth, Juristische Methodik). Lorenz, Stephan, Grundwissen – Zivilrecht: Culpa in contrahendo (§ 311 II, III BGB), JuS 2015, S. 398 – 401. Lorenz, Werner, Die Einbeziehung Dritter in vertragliche Schuldverhältnisse – Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung, JZ 1960, S. 108 – 114. Löwisch, Manfred, Abwehr und Sanktion friedenspflichtwidriger Streiks, ZfA 2018, S. 374 – 409. Löwisch, Manfred, Anmerkung zu BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 182. Löwisch, Manfred, Das Übermaßverbot im Arbeitskampfrecht, ZfA 1971, S. 319 – 345. Löwisch, Manfred, Leistungsstörungen infolge von Arbeitskämpfen, DB 1962, S. 761 – 763. Löwisch, Manfred, Schadensersatzklagen gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung – Anmerkung zu BAG vom 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, RdA 2017, S. 255 – 259.
302
Literaturverzeichnis
Löwisch, Manfred/Bitterberg, Stefan, AR-Blattei, Arbeitskampf VII – VII Leistungsstörungen durch Arbeitskampf März 2005 (zit.: Löwisch/Bitterberg, AR-Blattei, Arbeitskampf VII). Löwisch, Manfred/Meier-Rudolph, Wolfgang, Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in der Rechtsprechung des BGH und des BAG, JuS 1982, S. 237 – 244. Löwisch, Manfred/Rieble, Volker (Hrsg.), Tarifvertragsgesetz – Kommentar, 4. Auflage, München 2017 (zit.: Löwisch/Rieble-Bearbeiter). Malorny, Friederike, Haftung der Gewerkschaft bei rechtswidrigem Streik – Besprechung des Urteils des BAG v. 26. 7. 2016 – 1 AZR 160/14, RdA 2017, S. 149 – 152. Mangoldt, Hermann von/Klein, Friedrich/Starck, Christian (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz – Band 1: Präambel, Art. 1 bis 19 GG, 7. Auflage 2018 (zit.: v. Mangoldt/ Klein/Starck-Bearbeiter). Marhold, Franz, Zur Geltung des Kriteriums der Gefahrgeneigtheit bei der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung – Anmerkung zur Entscheidung des BAG vom 12. 6. 1992, GS 1/89, JZ 1993, S. 910 – 912. Martiny, Dieter, Pflichtenorientierter Drittschutz beim Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte – Eingrenzung uferloser Haftung, JZ 1996, S. 19 – 25. Mayer-Maly, Theo, Aussperrung und Parität, DB 1979, S. 95 – 100. Mebus, Hans-Christoph, System der Schadensersatzansprüche beim „Streik“, Mainz 1970 (zit.: Mebus, Schadensersatzansprüche). Medicus, Dieter, Zur Anwendbarkeit des Allgemeinen Schuldrechts auf Schutzpflichten, in: Canaris, Claus-Wilhelm/Heldrich, Andreas/Prölss, Jürgen u.a. (Hrsg.), Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag – Band I, München 2007, S. 835 – 855 (zit.: Medicus, Anwendbarkeit des SchuldR AT auf Schutzpflichten, in: FS Canaris I). Medicus, Dieter/Lorenz, Stephan, Schuldrecht I – Allgemeiner Teil, 21. Auflage, München 2015 (zit.: Medicus/Lorenz, SchuldR I). Medicus, Dieter/Lorenz, Stephan, Schuldrecht II – Besonderer Teil, 18. Auflage, München 2018 (zit.: Medicus/Lorenz, Schuldrecht II). Melot de Beauregard, Paul, Streik – Kein Schadensersatz für Dritte, DB 2016, S. 535 – 536. Mertens, Hans-Joachim, Deliktsrecht und Sonderprivatrecht – Zur Rechtsfortbildung des deliktischen Schutzes von Vermögensinteressen, AcP 178 (1978), S. 227 – 262. Mes, Peter (Hrsg.), Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz – Kommentar, 4. Auflage, München 2015 (zit.: Mes-Bearbeiter). Meyer, Cord, Schadensersatz im Arbeitskampf – Besprechungsaufsatz zum BAG-Urteil vom 26. 07. 2016 – 1 AZR 160/14, SAE 2017, S. 7 – 13. Moreau, Marie-Ange, Is the European Court of Justice moving towards specialisation in the social field?, in: Degryse, Christophe (Hrsg.), Social developments in the European Union 2008 – Tenth annual report, Brussels 2009, S. 183 – 203 (zit.: Moreau, Is the
Literaturverzeichnis
303
European Court of Justice moving towards specialisation in the social field?, in: Social developments in den EU). Möschel, Wernhard, Der Schutzbereich des Eigentums nach § 823 I BGB, JuS 1977, S. 1 – 6. Mugdan, Benno, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich – Band 2: Recht der Schuldverhältnisse, 1899. Auflage, Aalen 1979 (zit.: Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. 2). Mühlen, Alexander, Die Schädigung von Drittbetrieben im Arbeitskampf – Vergleichende Darstellung der Rechtslage in Deutschland und Frankreich ca. 1967 (zit.: Mühlen, Schädigung von Drittbetrieben im Arbeitskampf). Müller, Gerhard, Probleme der Friedenspflicht, DB 1959, S. 515 – 519. Müller, Ulrich, Die Haftung des Stellvertreters bei culpa in contrahendo und positiver Forderungsverletzung, NJW 1969, S. 2169 – 2175. Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.), Dieterich, Thomas/Hanau, Peter/Schaub, Günter (Begr.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage, München 2019 (zit.: ErfK-Bearbeiter). Müller-Graff, Peter-Christian, Die Geschäftsverbindung als Schutzpflichtverhältnis, JZ 1976, S. 153 – 156. Müller-Laube, Hans-Martin, Die Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht, in: Diederichsen, Uwe/Fischer, Gerfried/Medicus, Dieter u.a. (Hrsg.), Festschrift für Walter Rolland zum 70. Geburtstag, Köln 1999, S. 261 – 276 (zit.: Müller-Laube, Verletzung der vertraglichen Unterlassungspflicht). Musielak, Hans-Joachim, Kausalität und Schadenszurechnung im Zivilrecht, JA 2013, S. 241 – 320. Musielak, Hans-Joachim/Hau, Wolfgang, Grundkurs BGB – Eine Darstellung zur Vermittlung von Grundlagenwissen im bürgerlichen Recht mit Fällen und Fragen zur Lern- und Verständniskontrolle sowie mit Übungsklausuren, 15. Auflage 2017 (zit.: Musielak/Hau, Grundkurs BGB). Musielak, Hans-Joachim/Voit, Wolfgang (Begr.), Zivilprozessordnung – Mit Gerichtsverfassungsgesetz : Kommentar, 16. Auflage, München 2019 (zit.: Musielak-Bearbeiter). Mylich, Falk, Die Eigentumsverletzung – Fallgruppen und Ansprüche, JuS 2014, S. 298 – 402. Nastelski, Karl, Die Zeit als Bestandteil des Leistungsinhalts, JuS 1962, S. 289 – 298. Neuner, Jörg, Der Schutz und die Haftung Dritter nach vertraglichen Grundsätzen, JZ 1999, S. 126 – 136. Neuner, Jörg, Die Rechtsfindung contra legem, 2. Auflage, München 2005 (zit.: Neuner, Rechtsfindung contra legem). Niese, Werner, Streik und Strafrecht, Tübingen 1954 (zit.: Niese, Streik und Strafrecht). Nikisch, Arthur, Arbeitsrecht – Zweiter Band, 2. Auflage 1959 (zit.: Nikisch, ArbeitsR II).
304
Literaturverzeichnis
Nipperdey, Hans Carl, Der Arbeitskampf als unerlaubte Handlung, in: Paulssen, Hans Constantin/Richter, Willi/Freitag, Walter u.a. (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Sitzler, Stuttgart 1956, S. 79 – 112 (zit.: Nipperdey, Arbeitskampf als unerlaubte Handlung, in: FS Sitzler). Nipperdey, Hans Carl, Die Ersatzansprüche für die Schäden, die durch den von den Gewerkschaften gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz geführten Zeitungsstreik vom 27.-29. Mai 1952 entstanden sind – Rechtsgutachten, Köln 1953 (zit.: Nipperdey, Gutachten). Nipperdey, Hans Carl, Tatbestandsaufbau und Systematik der deliktischen Grundtatbestände – Zum „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadenersatzrechtlicher Vorschriften“, NJW 1967, S. 1985 – 1994. Nipperdey, Hans Carl, Zur Abgrenzung der tariflichen Friedenspflicht, in: Mayer-Maly, Theo/Nowak, Albert/Tomandl, Theodor (Hrsg.), Festschrift für Hans Schmitz zum 70. Geburtstag – Band 1 1967, S. 275 – 283 (zit.: Nipperdey, Tarifliche Friedenspflicht, in: FS Schmitz). Otto, Hansjörg, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, München 2006 (zit.: Otto, Arbeitskampfrecht). Otto, Hansjörg, Das BAG: auf dem Weg zum – nahezu – schrankenlosen Arbeitskampf?, in: Rieble, Volker/Junker, Abbo/Giesen, Richard (Hrsg.), Neues Arbeitskampfrecht? – 7. ZAAR-Kongress, München, 7. Mai 2010, München 2010, S. 15 – 59 (zit.: Otto, Schrankenloser Arbeitskampf?, in: ZAAR 2010, Neues Arbeitskampfrecht?). Otto, Hansjörg, Das konturlose Arbeitskampfrecht des BAG – Vom Arbeitskampf als ultima ratio zur nahezu unbeschränkten Kampffreiheit?, RdA 2010, S. 135 – 148. Otto, Hansjörg, Ist es erforderlich, die Verteilung des Schadensrisikos bei unselbständiger Arbeit neu zu ordnen? – Gutachten E zum 56. Deutschen Juristentag, Berlin 1986, München 1986 (zit.: Otto, Gutachten zum 56. DJT). Otto, Hansjörg, Relative Friedenspflicht, tariflicher Regelungsgegenstand und Geschäftsgrundlage, in: Wiedemann, Herbert/Wank, Rolf (Hrsg.), Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, München 2002, S. 401 – 424 (zit.: Otto, Relative Friedenspflicht, in: FS Wiedemann). Otto, Hansjörg, Zur Abwehr rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen durch die Verbände und zu den Rechtsgrundlagen der Abwehraussperrung, SAE 1991, S. 45 – 56. Otto, Hansjörg/Schwarze, Roland/Krause, Rüdiger (Hrsg.), Die Haftung des Arbeitnehmers, 4. Auflage, Berlin 2014 (zit.: Otto/Schwarze/Krause-Bearbeiter). Paulus, Christoph/Zenker, Wolfgang, Grenzen der Privatautonomie, JuS 2001, S. 1 – 9. Peters, Frank, Zum Problem der Drittschadensliquidation, AcP 180 (1980), S. 329 – 372. Petersen, Jens, Examens-Repetitorium Allgemeines Schuldrecht, 9. Auflage, Heidelberg, Neckar 2019 (zit.: Petersen, Allgemeines Schuldrecht). Pfohl, Marco Alexander, Die Friedenspflicht der Tarifvertragsparteien – Entwicklung und rechtliche Neubewertung von Kriterien zur Bestimmung ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der sich verändernden Tariflandschaft, Kassel 2011 (zit.: Pfohl, Friedenspflicht).
Literaturverzeichnis
305
Pfordten, Dietmar von der, Über das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, in: Jestaedt, Matthias/Lepsius, Oliver (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit – Zur Tragfähigkeit eines verfassungsrechtlichen Schlüsselkonzepts, Tübingen 2016, S. 261 – 275 (zit.: v. der Pfordten, Über das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, in: Verhältnismäßigkeit). Picker, Eduard, Betriebsverfassung und Arbeitsverfassung, RdA 2001, S. 259 – 292. Picker, Eduard, Der Arbeitskampf in der Rechts- und Wirtschaftsordnung – Zu einer Dogmatik des Arbeitskampfrechts, ZfA 2010, S. 499 – 631. Picker, Eduard, Der Warnstreik und die Funktion des Arbeitskampfes in der Privatrechtsordnung, Köln 1983 (zit.: Picker, Der Warnstreik). Picker, Eduard, Die Nutzungsbeeinträchtigung ohne Substanzverletzung als systemrelevantes Deliktsrechtsproblem, NJW 2015, S. 2304 – 2306. Planck, Gottfried, Bürgerliches Gesetzbuch – Zweiter Band: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1900 (zit.: Planck, Bürgerliches Gesetzbuch). Preis, Ulrich, Arbeitsrecht – Kollektivarbeitsrecht – Lehrbuch für Studium und Praxis, 4. Auflage, Köln 2017 (zit.: Preis, Kollektivarbeitsrecht). Preis, Ulrich, Die Arbeitnehmerhaftung nach dem 56. DJT, AuR 1986, S. 360 – 370. Prütting, Hanns, Verfahrensfragen des Tarifeinheitsgesetzes, in: Limperg, Bettina/Bormann, Jens/Filges, Axel C. u.a. (Hrsg.), Recht im Wandel europäischer und deutscher Rechtspolitik – Festschrift 200 Jahre Carl Heymanns Verlag, Köln 2015, S. 117 – 124 (zit.: Prütting, Verfahrensfragen des TarifeinheitsG, in: FS 200 Jahre Carl Heymanns Verlag). Rebhahn, Robert, Die Zukunft der Kollektivautonomie in Europa – Tarifautonomie im Rechtsvergleich, EuZA 2010, S. 62 – 87. Rebhahn, Robert, Gibt es ein Europäisches Sozialmodell der Arbeitsbeziehungen?, ZESAR 2009, S. 159 – 169. Reimer, Franz, Juristische Methodenlehre, Baden-Baden 2016 (zit.: Reimer, Juristische Methodenlehre). Reinbach, Hubertus, Das gewerkschaftliche Streikmonopol – Der Streik zwischen Verfassung und Völkerrecht, Berlin 2018 (zit.: Reinbach, Das gewerkschaftliche Streikmonopol). Richardi, Reinhard, Arbeitskampf und Deliktsschutz, in: Joost, Detlev/Oetker, Hartmut/ Paschke, Marian (Hrsg.), Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag, München 2011, S. 285 – 298 (zit.: Richardi, Arbeitskampf und Deliktsschutz, in: FS Säcker). Richardi, Reinhard, Auswirkungen eines Arbeitskampfes auf Schuldverhältnisse mit Dritten, JuS 1984, S. 825 – 836. Richardi, Reinhard, Die Bedeutung des zivilrechtlichen Haftungssystems für den Arbeitskampf, ZfA 1985, S. 101 – 126. Richardi, Reinhard, Die Grenzen der Zulässigkeit des Streiks, Bielefeld 1980 (zit.: Richardi, Grenzen der Zulässigkeit des Streiks).
306
Literaturverzeichnis
Rieble, Volker, Tarifvertrag und Beschäftigung, ZfA 2004, S. 1 – 65. Riehm, Thomas, Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung – Argumentation, Beweis, Wertung, München 2006 (zit.: Riehm, Abwägungsentscheidungen). Rödl, Julia, Die Spannung der Schuld – Welches Maß an geistiger, körperlicher und wirtschaftlicher Kraft hat der Schuldner zur Erfüllung der Schuld nach geltendem Recht einzusetzen?, Berlin 2002 (zit.: Rödl, Spannung der Schuld). Röhl, Klaus F./Röhl, Hans Christian, Allgemeine Rechtslehre – Ein Lehrbuch, 3. Auflage, Köln 2008 (zit.: Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre). Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Kreikebohm, Ralf u.a. (Hrsg.), Arbeitsrecht – Beck’scher Online-Kommentar Stand: 1. 3. 2019 Edition: 51 (zit.: BeckOK ArbR-Bearbeiter). Rückert, Joachim, Methode und Zivilrecht beim Klassiker Savigny (1779 – 1861), in: Rückert, Joachim/Seinecke, Ralf (Hrsg.), Methodik des Zivilrechts - von Savigny bis Teubner, 2. Auflage, Baden-Baden 2012, S. 35 – 72 (zit.: Rückert, Methode beim Klassiker Savigny, in: Methodik des Zivilrechts). Rudkowski, Lena, Anmerkung zu BAG v. 25. 08. 2015 – 1 AZR 875/13cz, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 183. Rudkowski, Lena, Der Streik in der Daseinsvorsorge, München 2010 (zit.: Rudkowski, Der Streik in der Daseinsvorsorge). Rudkowski, Lena, Die Entwicklung des arbeitsrechtlichen Schrifttums im Jahr 2013, ZfA 2014, S. 281 – 345. Rüthers, Bernd, Das Recht der Gewerkschaften auf Information und Mitgliederwerbung im Betrieb, RdA 1968, S. 161 – 179. Rüthers, Bernd, Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz, JZ 2006, S. 53 – 60. Rüthers, Bernd, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 10. Auflage, München 2018 (zit.: Rüthers, Rechtstheorie). Rüthers, Bernd, Richterrecht als Methoden- und Verfassungsproblem, in: Gamillscheg, Franz/Molitor, Karl (Hrsg.), Sozialpartnerschaft in der Bewährung – Festschrift für Karl Molitor zum 60. Geburtstag, München 1988, S. 293 – 307 (zit.: Rüthers, Richterrecht als Methoden- und Verfassungsproblem, in: FS Molitor). Saar, Stefan Christoph, Grenzen des „vertraglichen Drittschutzes“ – BGH, NJW 1996, 2927, JuS 2000, S. 220 – 224. Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, 8. Auflage, München 2018 (zit.: Sachs-Bearbeiter). Sack, Rolf, Das Recht am Gewerbebetrieb – Geschichte und Dogmatik, Tübingen 2007 (zit.: Sack, Gewerbebetrieb). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 1: Allgemeiner Teil, §§ 1 – 240, 8. Auflage, München 2018 (zit.: MüKo-BGB-Bearbeiter).
Literaturverzeichnis
307
Säcker, Franz-Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2: Schuldrecht, Allgemeiner Teil I, 8. Auflage, München 2019 (zit.: MüKo-BGB-Bearbeiter). Säcker, Franz-Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 3: Schuldrecht, Allgemeiner Teil II, 8. Auflage, München 2019 (zit.: MüKo-BGB-Bearbeiter). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 5/2: Schuldrecht, Besonderer Teil III/2, 7. Auflage, München 2017 (zit.: MüKo-BGB-Bearbeiter). Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 9: Erbrecht, 7. Auflage, München 2017 (zit.: MüKo-BGB-Bearbeiter). Sagan, Adam, Das Gemeinschaftsgrundrecht auf Kollektivmaßnahmen – Eine dogmatische Analyse des Art. 28 der Europäischen Grundrechtecharta, Berlin 2008 (zit.: Sa gan, Das Gemeinschaftsgrundrecht auf Kollektivmaßnahmen). Savigny, Friedrich Carl von, System des heutigen Römischen Rechts – Band 3, Berlin 1840 (zit.: v. Savigny, System III). Scharff, Bettina, Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei Arbeitskampfmaßnahmen, BB 2015, S. 1845 – 1850. Schaub, Günter (Hrsg.), Arbeitsrechts-Handbuch – Systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 17. Auflage, München 2017 (zit.: Schaub-Bearbeiter). Schaub, Günter, Auslegung und Regelungsmacht von Tarifverträgen, NZA 1994, S. 597 – 602. Scherer, Inge, Grenzen des Streikrechts in den Arbeitsbereichen der Daseinsvorsorge – Schutz der Bürger vor gezielter Schädigung durch Streiks, Berlin 2000 (zit.: Scherer, Grenzen des Streikrechts in der Daseinsvorsorge). Scheuerle, Wilhelm, Das Wesen des Wesens – Studien über das sogenannte Wesensargument im juristischen Begründen, AcP 163 (1964), S. 429 – 471. Schiemann, Gottfried, Das sonstige Recht - abschreckendes oder gutes Beispiel für ein europäisches Deliktsrecht?, in: Deutsch, Erwin/Ahrens, Hans-Jürgen (Hrsg.), Medizin und Haftung – Festschrift für Erwin Deutsch zum 80. Geburtstag, Berlin 2009, S. 895 – 906 (zit.: Schiemann, Das sonstige Recht, in: FS Deutsch). Schippel, Helmut, Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, München 1956 (zit.: Schippel, Gewerbebetrieb). Schippel, Helmut/Bracker, Ulrich (Hrsg.), Bundesnotarordnung – Kommentar, 9. Auflage, München 2011 (zit.: Schippel/Bracker-Bearbeiter). Schirmer, Jan-Erik, Das Körperschaftsdelikt, Tübingen 2015 (zit.: Schirmer, Das Körperschaftsdelikt). Schlachter, Monika, Der Schutz der Vereinigungsfreiheit durch die Europäische Sozialcharta, SR 2013, S. 77 – 91.
308
Literaturverzeichnis
Schlachter, Monika, Streikrecht außerhalb des Arbeitsverhältnisses?, in: Dieterich, Thomas (Hrsg.), Individuelle und kollektive Freiheit im Arbeitsrecht – Gedächtnisschrift für Ulrich Zachert, Baden-Baden 2010, S. 634 – 643 (zit.: Schlachter, StreikR außerhalb des Arbeitsverhältnisses?, in: GS Zachert). Schlechtriem, Peter, Eingriff in den Gewerbebtrieb und vertragliche Haftung, in: Deutsch, Erwin/Ahrens, Hans-Jürgen (Hrsg.), Festschrift für Erwin Deutsch – Zum 70. Geburtstag, Köln 1999, S. 317 – 325 (zit.: Schlechtriem, Eingriff in den Gewerbebetrieb und vertragliche Haftung, in: FS Deutsch). Schlechtriem, Peter, Schutzpflichten und geschützte Personen, in: Beuthien, Volker (Hrsg.), Festschrift für Dieter Medicus – Zum 70. Geburtstag, Köln/München 1999, S. 529 – 542 (zit.: Schlechtriem, Schutzpflichten und geschützte Personen, in: FS Medicus). Schmidt, Andreas/Ahrendt, Achim (Hrsg.), Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht – InsO, EuInsVO, EGInsO (Auszug), InsVV, VbrInsFV, InsOBekV, Insolvenzstrafrecht, 7. Auflage, Köln 2019 (zit.: HambKomm-Bearbeiter). Schmidt, Eike, Zur Dogmatik des § 278 BGB, AcP 170 (1970), S. 502 – 533. Schmidt, Karsten (Hrsg.), Insolvenzordnung – InsO mit EuInsVO, 19. Auflage, München 2016 (zit.: K. Schmidt-Bearbeiter). Schmidt, Karsten, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Köln 2002 (zit.: Schmidt, Gesellschaftsrecht). Schmidt, Karsten, Integritätsschutz von Unternehmen nach § 823 BGB – Zum „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“, JuS 1993, S. 985 – 992. Schmidt, Karsten, Kartellverfahrensrecht, Kartellverwaltungsrecht, Bürgerliches Recht – Kartellrechtspflege nach deutschem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Köln/ Berlin/Bonn/München 1977 (zit.: Schmidt, Kartellverfahrensrecht). Schmidt, Karsten/Grunewald, Barbara (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch – Band 5 (Viertes Buch. Handelsgeschäfte), 4. Auflage, München 2018 (zit.: MüKo-HGB-Bearbeiter). Scholz, Rupert, Die Berufsfreiheit als Grundlage und Grenze arbeitsrechtlicher Regelungssysteme, ZfA 1981, S. 265 – 302. Scholz, Rupert, Vergabe öffentlicher Aufträge nur bei Tarifvertragstreue?, RdA 2001, S. 193 – 292. Schönke, Adolf/Schröder, Horst/Lenckner, Theodor u.a. (Hrsg.), Strafgesetzbuch – Kommentar, 30. Auflage, München 2019 (zit.: S/S-Bearbeiter). Schulze, Reiner/Dörner, Heinrich/Ebert, Ina/Hoeren, Thomas/Kemper, Rainer/Saenger, Ingo u.a., Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar, 10. Auflage, Baden-Baden 2019 (zit.: Schulze-Bearbeiter). Schumann, Ekkehard, Das Rechtsverweigerungsverbot – Historische und methodologische Bemerkungen zur richterlichen Pflicht, das Recht auszulegen, zu ergänzen und fortzubilden, ZZP 81 (1968), S. 79 – 102.
Literaturverzeichnis
309
Schwabe, Jürgen, Probleme der Grundrechtsdogmatik, Darmstadt 1977 (zit.: Schwabe, Grundrechtsdogmatik). Schwarze, Roland, Subsidiarität des vertraglichen Drittschutzes?, AcP 203 (2003), S. 348 – 365. Schwitanski, Heinz-Georg, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, Berlin 1986 (zit.: Schwitanski, Deliktsrecht und Arbeitskampfrecht). Seiter, Hugo, Anmerkung zu BAG v. 21. 3. 1978 – 1 AZR 11/76, AP Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 62. Seiter, Hugo, Der Warnstreik im System des Arbeitskampfrechts, in: Gamillscheg, Franz/ Hueck, Götz/Wiedemann, Herbert (Hrsg.), 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, München 1979, S. 583 – 604 (zit.: Seiter, Der Warnstreik im System des Arbeitskampfrechts, in: 25 Jahre BAG). Seiter, Hugo, Diskussion zu den Referaten von Otto Esser und Bernd Rüthers, ZfA 1980, S. 347 – 348. Seiter, Hugo, Streikrecht und Aussperrungsrecht – Ein Arbeitskampfrechtssystem auf der Grundlage subjektiv-privater Kampfrechte, Tübingen 1975 (zit.: Seiter, Streikrecht). Soergel, Hans Theodor/Spickhoff, Andreas/Siebert, Wolfgang u.a. (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Band 5/2: Schuldrecht 3/2 §§ 320 – 327, 13. Auflage, Stuttgart 2005 (zit.: Soergel-Bearbeiter). Soergel, Hans Theodor/Spickhoff, Andreas/Siebert, Wolfgang u.a. (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Band 12: Schuldrecht 10 §§ 823 – 853 BGB, Produkthaftungsgesetz, Umwelthaftungsgesetz, 13. Auflage, Stuttgart 2005 (zit.: Soergel-Bearbeiter). Spickhoff, Andreas, Gesetzesverstoß und Haftung, Köln 1998 (zit.: Spickhoff, Gesetzesverstoß). Sprenger, Markus, Drittbetroffenheit und Drittschaden im Arbeitskampf, in: Giesen, Richard (Hrsg.), Entgrenzter Arbeitskampf? – 6. ZAAR-Tagung, Hamburg, 19. September 2014, München 2015, S. 97 (zit.: Sprenger, Drittbetroffenheit und Drittschaden im Arbeitskampf, in: Entgrenzter Arbeitskampf?, 6. ZAAR-Tagung). Stahlhacke, Eugen, Aktuelle Probleme tariflicher Friedenspflicht, in: Gamillscheg, Franz (Hrsg.), Sozialpartnerschaft in der Bewährung – Festschrift für Karl Molitor zum 60. Geburtstag, München 1988, S. 351 – 363 (zit.: Stahlhacke, Friedenspflicht, in: FS Molitor). Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 12. Auflage, Berlin 1986 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse (Einleitung zum Schuldrecht; §§ 241 – 243 BGB), Berlin 2015 (zit.: Staudinger-Bearbeiter).
310
Literaturverzeichnis
Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 249 – 254 Schadensersatzrecht), Berlin 2017 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 255 – 304; Leistungsstörungsrecht I), Berlin 2014 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 311, 311a, 312, 312a–i, Vertragsschluss), Berlin 2012 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 328 – 345 Vertrag zugunsten Dritter, Draufgabe, Vertragsstrafe), Berlin 2015 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 823, 824, 825; Unerlaubte Handlungen 1 - Rechtsgüter und Rechte; Persönlichkeitsrecht; Gewerbebetrieb), Berlin 2017 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Staudinger, Julius von (Begr.), Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 823, 824, 825; Unerlaubte Handlungen 1 - Teilband 2), Berlin 2010 (zit.: Staudinger-Bearbeiter). Steffahn, Volker, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung, Erlangen-Nürnberg 2014 (zit.: Steffahn, Methodik und Didaktik der juristischen Problemlösung). Steinau-Steinrück, Robert von, Neues zum Schadensersatz bei Streik, NJW-Spezial 2016, S. 498 – 499. Strätz, Hans-Wolfgang, Über sog. „Nachwirkungen“ des Schuldverhältnisses und den Haftungsmaßstab bei Schutzpflichtverstößen, in: Bosch, Friedrich Wilhelm/Habscheid, Walther J./Gaul, Hans Friedhelm u.a. (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Wilhelm Bosch zum 65. Geburtstag, 2. Dezember 1976, Bielefeld 1976, S. 999 – 1013 (zit.: Strätz, „Nachwirkungen“ des Schuldverhältnisses, in: FS Bosch). Teichmann, Arndt, Strukturveränderungen im Recht der Leistungsstörungen nach demRegierungsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BB 2001, S. 1485 – 1492. Thiele, Wolfgang, Leistungsstörung und Schutzpflichtverletzung, JZ 1967, S. 649 – 657. Thüsing, Gregor/Braun, Axel (Hrsg.), Tarifrecht – Handbuch, 2. Auflage, München 2016 (zit.: Thüsing/Braun-Bearbeiter). Traugott, Rainer, Das Verhältnis von Drittschadensliquidation und vertraglichem Drittschutz – Zugleich eine Lanze für die Liquidation im Drittinteresse, Berlin 1997 (zit.: Traugott, Drittschadensliquidation und vertraglicher Drittschutz). Treber, Jürgen, Einstweilige Verfügungen im Arbeitskampf – neuere Entwicklungen, SR 2013, S. 140 – 152.
Literaturverzeichnis
311
Ubber, Thomas, Standpunkt – Lotsenstreiks sollen keine Flugausfälle verursachen?, BB 2012, S. 2303. Uhlenbruck, Wilhelm/Hirte, Heribert/Vallender, Heinz, Insolvenzordnung – Kommentar, Band 1, 15. Auflage, München 2019 (zit.: Uhlenbruck-Bearbeiter). Ulber, Daniel, Tarifdispositives Gesetzesrecht im Spannungsfeld von Tarifautonomie und grundrechtlichen Schutzpflichten, Berlin 2010 (zit.: Ulber, Tarifdispositives Gesetzesrecht). Vorwerk, Volkert/Wolf, Christian (Hrsg.), ZPO – Beck’scher Online-Kommentar Stand: 1. 12. 2017 Edition: 27 (zit.: BeckOK ZPO-Bearbeiter). Voßkuhle, Andreas/Kaiser, Anna-Bettina, Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Grundrechtseingriff, JuS 2009, S. 313 – 315. Waas, Bernd, Drittwirkungen der Friedenspflicht – Die tarifvertragliche Rechtsstellung des verbandsangehörigen Arbeitgebers im Arbeitskampf, Berlin 2001 (zit.: Waas, Drittwirkungen der Friedenspflicht). Walker, Wolf-Dietrich, Der tarifvertragliche Einwirkungsanspruch, in: Schlachter, Monika/Ascheid, Reiner/Friedrich, Hans-Wolf (Hrsg.), Tarifautonomie für ein neues Jahrhundert – Festschrift für Günter Schaub zum 65. Geburtstag, München 1998, S. 743 – 760 (zit.: Walker, Der tarifvertragliche Einwirkungsanspruch, in: FS Schaub). Walker, Wolf-Dietrich, Verschulden im Zivilrecht, Ad Legendum 2015, S. 109 – 117. Waltermann, Raimund, Entwicklungslinien der Tarifautonomie, RdA 2014, S. 86 – 93. Wedderburn, Kenneth William, The Worker and the Law, 3. Auflage 1986 (zit.: Wedderburn, The Worker and the Law). Weiss, Alexander, Die Drittschadensliquidation – alte und neue Herausforderungen, JuS 2015, S. 8 – 15. Wendeling-Schröder, Ulrike, Schadensersatz drittbetroffener Unternehmen bei Streiks?, AuR 2017, S. 96 – 99. Wiedemann, Herbert (Hrsg.), Tarifvertragsgesetz – Mit Durchführungs- und Nebenvorschriften, 7. Auflage, München 2007 (zit.: Wiedemann7-Bearbeiter). Wiedemann, Herbert (Hrsg.), Tarifvertragsgesetz – Mit Durchführungs- und Nebenvorschriften, 8. Auflage, München 2019 (zit.: Wiedemann8-Bearbeiter). Wiedow, Gerrit, Kein Schadensersatz bei Drittbetroffenheit trotz rechtswidrigem (Unterstützungs-)Streik, GWR 2012, S. 282. Wiese, Günther/Kreutz, Peter/Oetker, Hartmut/Fabricius, Fritz/Kraft, Alfons/Thiele, Wolfgang, Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz – Band II (§§ 74 – 132), 11. Auflage 2018 (zit.: GK-BetrVG-Bearbeiter). Wolf, Ernst, Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebtrieb, in: Esser, Josef/ Thieme, Hans (Hrsg.), Festschrift für Fritz von Hippel, Tübingen 1967, S. 665 – 685 (zit.: Wolf, Das ReaG, in: FS Hippel). Wolf, Joseph Georg, Der Normzweck im Deliktsrecht – Ein Diskussionsbeitrag, Göttingen 1962 (zit.: Wolf, Normzweck im Deliktsrecht).
312
Literaturverzeichnis
Wolf, Martin, Die Haftung des Werkunternehmers für Lieferantenverschulden, ZIP 1998, S. 1657 – 1663. Zenner, Andreas, Der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter – Ein Institut im Lichte seiner Rechtsgrundlage, NJW 2009, S. 1030 – 1034. Zeuner, Albrecht, Gedanken zur Unterlassungs- und negativen Feststellungsklage, in: v. Caemmerer, Ernst/Nikisch, Arthur/Zweigert, Konrad (Hrsg.), Vom Deutschen zum Europäischen Recht – Festschrift für Hans Dölle – Deutsches Privat- und Zivilprozessrecht, Rechtsvergleichung 1963, S. 295 – 327 (zit.: Zeuner, Unterlassungs- und negative Feststellungsklage, in: FS Dölle). Zimmer, Reingard, Anmerkung zu BAG v. 25. 8. 2015 – 1 AZR 754/13, AuR 2016, S. 207 – 208. Zöllner, Wolfgang/Loritz, Karl-Georg/Hergenröder, Curt W., Arbeitsrecht – Ein Studienbuch, 7. Auflage, München 2015 (zit.: Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht).
Sachwortregister Sachwortregister
absolute Fixschuld
Kampfparität
56
absolute Friedenspflicht absolutes Recht
39
kleiner Schadensersatz
183, 207
Konkordanz
Absorptionsprinzip 102 Angemessenheit
Angemessenheitsvermutung
29, 169
183
40
Drittbegünstigungsabrede 40, 245 Drittschadensliquidation 255 echter Vertrag zugunsten Dritter 40, 43, 44, 245 Eigentumsverletzung 179, 262 Eingriff
75
legitimer Zweck 164 Lehre vom Handlungsunrecht
214
leistungssichernde Nebenpflicht 51
Betriebsbezogenheit 206, 265 Deckungsverhältnis
84
31, 112, 158
Kryptoargument
167
Ausschlussfunktion
168
205
mittelbare Drittwirkung der Grundrechte 144 nichtgewerkschaftlicher Streik Nichtleistung
45, 128
normativer Teil
38
offener Haftungstatbestand
219
politischer Streik 134
Einheitstheorie 27, 28
Rahmenrechte
Einigungszwang
ReaG
29
153
219, 261
196, 265
Einwirkungspflicht 39, 126
Recht auf Grenzinitiative 72, 88, 123
Erforderlichkeit
rechtliche Unteilbarkeit 63
Erfüllungsgehilfe
166
rechtmäßiges Alternativverhalten
66
Rechtsverweigerungsverbot
Friedenspflicht 46 Gebot der fairen Kampfführung 170 gefahrgeneigte Tätigkeit
32
Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung 92 Grundsatz der Totalreparation 84, 93 Haftungsbeschränkung Herrschaftsrechte
86
183
In-camera-Verfahren
118
85
26
relative Fixschuld 57 relative Friedenspflicht 39 Rühreitheorie 157 Schlechtleistung 128 schuldrechtlicher Teil
38
Schutzgesetz 188, 264 Schutzpflichtverletzung 142 selbstständige Unterlassungspflichten 51
Sachwortregister
314
Verhältnismäßigkeit
sozialtypische Offenkundigkeit 184 Tarifautonomie 27, 75, 87, 88, 103, 159 unechter Vertrag zugunsten Dritter 247
40,
siehe Angemessenheit Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
245, 248
Unmittelbarer Eingriff 205
Vorvertragliches Schuldverhältnis
unselbstständige Unterlassungspflichten 51
Wirtschaftsprüfervorbehalt
Unterlassungspflicht 38, 50 unvermeidbarer Rechtsirrtum
79, 80
Zuweisungsgehalt Zweckerreichung
183 58
131
117, 118