Die Zulässigkeit von Herstellung, Nutzung, Import und Implantation nukleozytoplasmatischer Mensch-Tier-Hybride aus rechtlicher und rechtspolitischer Sicht [1 ed.] 9783428547494, 9783428147496

Herstellung und Nutzung von Mensch-Tier-Zybriden, die durch Nukleustransfer eines humanen somatischen Zellkerns in eine

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German Pages 606 Year 2016

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Die Zulässigkeit von Herstellung, Nutzung, Import und Implantation nukleozytoplasmatischer Mensch-Tier-Hybride aus rechtlicher und rechtspolitischer Sicht [1 ed.]
 9783428547494, 9783428147496

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1309

Die Zulässigkeit von Herstellung, Nutzung, Import und Implantation nukleozytoplasmatischer Mensch-Tier-Hybride aus rechtlicher und rechtspolitischer Sicht Von

Corinna Odine Bobsien

Duncker & Humblot · Berlin

CORINNA ODINE BOBSIEN

Die Zulässigkeit von Herstellung, Nutzung, Import und Implantation nukleozytoplasmatischer Mensch-Tier-Hybride aus rechtlicher und rechtspolitischer Sicht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1309

Die Zulässigkeit von Herstellung, Nutzung, Import und Implantation nukleozytoplasmatischer Mensch-Tier-Hybride aus rechtlicher und rechtspolitischer Sicht

Von

Corinna Odine Bobsien

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Mannheim hat diese Arbeit im Jahr 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14749-6 (Print) ISBN 978-3-428-54749-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84749-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Posthum meinem geliebten Vater, Förderer und Vorbild Ulrich Bobsien (16.12.1934 – 13.06.2011)

„I am not an animal! I am a human being! I…am…a man!“ David Lynchs Film „The Elephant Man“ – 19801 „Es kann keine wissenschaftliche Moral geben, wohl aber eine unmoralische Wissenschaft.“ Jules Henri Poincaré2

1

US-amerikanischer Regisseur, Produzent, Drehbuchautor (geboren am 20.01.1946). Französischer Mathematiker, Physiker und Philosoph (29.4.1854–17.7.1912).

2

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahrssemster 2015 von der Rechtswissen­ schaftlichen Fakultät der Universität Mannheim als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Juni 2014 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Jochen Taupitz für seinen Zuspruch und seine stetige Unterstützung, nicht nur während der Promotionszeit, sondern auch schon während meines Studiums an der Universität Mannheim, insbesondere im Schwerpunkt Medizinrecht, und bei meiner Arbeit am Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim. Herrn Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie ebenfalls für seine Unterstützung im Vorfeld des Rigorosums.  Darüber hinaus bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Helmut Frister, der eine kurze Erstfassung der vorliegenden Arbeit als Masterarbeit bei meinem Abschluss des LL. M.-Studiengangs Medizinrecht an der Düsseldorf Law School betreut und mir neue Denkanstöße gegeben hat. Zudem danke ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Sascha Brückner von der Kanzlei Fellmer, Dr. Brücker, Fellmer in Lübeck, der mein Interesse an einer vertieften wissenschaftlichen Arbeit durch die Ermöglichung diverser Co-Autorenschaften bei wissenschaftlichen Fachbeiträgen, insbesondere zum tierärztlichen Haftungsrecht und Pferdeverkaufsrecht, schon zu frühen Studienzeiten gefördert hat. Mein Interesse am Medizinrecht wurde maßgeblich verstärkt durch meinen Studienaufenthalt an der Universität Zürich, weshalb auch dieser mein Dank gilt, ebenso der Universität Hamburg für die Vergabe des Erasmus-Stipendiums. Danken möchte ich Herrn Dr. med. Robert Pernar für die kritische Begleitung und Korrektur des naturwissenschaftlichen Teils der Arbeit. Danksagen möchte ich weiterhin Herrn Dr. Markus Latka von der Universität Speyer für die wertvolle Hilfe bei der Publizierung der Arbeit. Dafür danke ich auch Herrn Prof. Dr. Hans Meissner, ebenso für die Ermöglichung meiner Dozententätigkeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim, welche mich nicht nur ideell bereichert, sondern die vorliegende Arbeit auch finanziell mit ermöglicht hat. Auch meinem Freund danke ich für das entgegengebrachte Verständnis und viele Aufmunterungen.

10

Vorwort

Im juristischen Bereich besonders motiviert hat mich immer wieder Dr. Fritz von Mannstein, ohne den ich die Erste Juristische Prüfung unmittelbar nach dem plötzlichen Tod meines Vaters nicht bewältigt hätte. Persönliche Hilfe hat mir mein ehemaliger Lehrer Hans-Ulrich Marcks geleistet, der mich sicherlich auch zu dem Schlusszitat inspiriert hat. Ungeahnte Hilfe hat mir auch das Institut für Sport der Universität Mannheim geleistet durch das Bereithalten eines einzigartigen Sportprogramms als Ausgleich zur geistigen Arbeit. Besonderer Dank gilt meiner Mutter für die kompetente formale Durchsicht des Manuskripts, ihre stetige Motivation und die finanzielle Förderung, ohne die sich dieses Projekt nicht hätte realisieren lassen. Meinem verstorbenen Vater danke ich für die Unterstützung und seinen Rückhalt während meiner juristischen Ausbildung. Leider hat er weder Beginn noch Beendigung meiner Dissertation miterleben können – doch ihm ist meine Arbeit gewidmet. Mannheim, im April 2015

Corinna Odine Bobsien

Inhaltsübersicht Teil 1 Einführung 41

Teil 2

Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 47

A. Stammzellforschung und Stammzelltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I.

Lebewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

II.

Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

III. Embryo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 IV. Embryogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 V.

Stammzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

VI. Arten und Gewinnung von Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 VII. Forschung mit embryonalen Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 VIII. Potenziell therapierbare Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IX. Klinische Studien mit embryonalen Stammzellen am Menschen . . . . . . . . . . . 76 B. Klonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I.

Definition Klon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

II.

Entstehung natürlicher Klone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

III. Künstliche Klonierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 IV. Klonen von Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 C. Mensch-Tier-Mischwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I.

Chimären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

II.

Hybride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

III. Nukleozytoplasmatische Hybride (Zybriden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

12

Inhaltsübersicht Teil 3 Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridforschung de lege lata 136



A. Embryonenschutzgesetz (ESchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I.

Entstehung und Grundkonzept des ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

II.

Strafrechtliches Analogieverbot aus Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

III. Der Embryonenbegriff des ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 IV. Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 V.

Im- und Export von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

VI. Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 VII. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 B. Stammzellgesetz (StZG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I.

Entstehung und Grundkonzept des Stammzellgesetzes (StZG) . . . . . . . . . . . . . 171

II.

Einfuhr- und Verwendungsverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden gem. § 4 II StZG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

III. Import von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Gentechnikgesetz (GenTG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I.

Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

II.

Einschlägigkeit bei der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . 178

D. Gendiagnostikgesetz (GenDG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 E. Arzneimittelgesetz (AMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 F. Transplanta­tionsgesetz (TPG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I.

Die gespendete menschliche Körperzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

II.

Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

G. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I.

Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

II.

Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

H. Patentgesetz (PatG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I.

Relevante Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

II.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

III. Bedeutung für die Forschung an Mensch-Tier-Zybrid-Zellen . . . . . . . . . . . . . . 192

Inhaltsübersicht

13

I. Tierschutzgesetz (TierSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I.

Geschützte Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

II.

Tierversuch, § 7 TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

III. Biotechnische Maßnahmen, § 7 II S. 2 TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Verbot der Entnahme von Organen oder Geweben, § 6 I TierSchG . . . . . . . . . . 200 V.

Zucht von Tieren, §§ 11, 11b TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

VI. Artgerechte Haltung, § 2 TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 J. Tierzuchtgesetz (TierZG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 K. Strafgesetzbuch (StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 L. Ergebnis zur einfachgesetzlichen Rechtslage de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I.

Kein Herstellungsverbot von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

II.

Kein Verwendungsverbot von Mensch-Tier-Zybriden zur Forschung und Stammzellengewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

III. Kein Anwendungsverbot von Stammzellen zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Kein Im- und Exportverbot für Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 V.

Kein Importverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . 207

VI. Kein Implantationsverbot für Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Teil 4 Verfassungsrechtliche Würdigung von Herstellung, Verwendung, Import und Implantation von Mensch-Tier-Zybriden 210



A. Begründung staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I.

Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

II.

Verwendung zur Stammzellengewinnung hergestellter Mensch-Tier-Zybriden 370

III. Import von Mensch-Tier-Zybriden und aus ihnen gewonnenen Stammzellen . 373 IV. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in einen Uterus . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 V.

Ergebnis zum Bestehen staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 I.

Art und Schwere der Grundrechtsgefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

II.

Grad der Wahrscheinlichkeit der Grundrechtsgefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . 422

III. Existenz, Art und Wirkung bestehender rechtlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . 423

14

Inhaltsübersicht IV. Entgegenstehende Grundrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 V.

Abwägung der widerstreitenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

C. Verfassungsrechtliche Gesamtaussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 I.

Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

II.

Import und Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . 491

III. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492

Teil 5

Rechtspolitische Bewertung – die Rechtslage de lege ferenda 493

A. Voraussetzungen einer strafgesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 I.

Strafwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

II.

Strafbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

III. Straftauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 B. Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 I.

Erfordernis und Problematik einer terminologischen Definition . . . . . . . . . . . . 496

II.

Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

III. Internationalisierung der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 IV. Problem des fehlenden gesellschaftlichen Konsenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 V.

Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499

VI. Rechtliche Regelungsoptionen und im Ausland angewandte Strategien . . . . . . 500 C. Konkrete Regelungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 I.

Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511

II.

Einbezug genetischer Manipulationen: § 5 IV ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 513

III. Verbot der Klonierung von Menschen: § 6 ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 IV. Herstellungs- und Verwendungsgenehmigung von Mensch-Tier-Zybriden: § 7 ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 V.

Transfer- und Implantationsverbot: § 7 IV ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519

VI. Ausweitung des § 4 II StZG auf Therapieanwendungen, PID-Embryonen, Klone und Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 D. Gesamtzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Inhaltsübersicht

15

Teil 6 Schlussbemerkung 528

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung

41

Teil 2

Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick

47

A. Stammzellforschung und Stammzelltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I.

Lebewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

II.

Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

III. Embryo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 IV. Embryogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 V.

Stammzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Monopotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Pluripotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Multipotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Totipotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

VI. Arten und Gewinnung von Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Embryonale Stammzellen (hES) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) hES aus „überzähligen“ In-vitro-Fertilisations-Embryonen . . . . . . . . . 52 b) hES aus „verworfenen“ PID-Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) hES aus lebenden Embryonen, ohne diese zu töten . . . . . . . . . . . . . . . . 54 d) hES aus toten Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 e) Import von hES aus dem Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 f) hES aus therapeutischen Klonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 g) ES aus Mensch-Tier-Hybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 h) ES aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Embryonale Keimzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Neonatale Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4. Foetale Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5. Adulte Keimzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6. Adulte Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 7. Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

18

Inhaltsverzeichnis 8. Stammzellen aus hydatidiformen Molen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 9. Stammzellen aus mit künstlichen Spermien fusionierten Eizellen . . . . . . . 62 10. Somatische Hybridzellen als Stammzellersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 11. Künstliche Keimzellen aus Haploidisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 12. Embryonale Stammzellen aus Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 VII. Forschung mit embryonalen Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Begriff der Forschungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Stammzellforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Studium pharmakologischer und toxikologischer Effekte . . . . . . . . . . 67 c) Entwicklung von Therapiestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Transplantationsmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (1) Organtransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (2) Homologe Rekombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Zellersatzstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (1) Direkte Übertragung der Stammzellen auf den Patienten . . . . 70 (2) Transplantation differenzierter Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (3) Transplantation von gezüchtetem Gewebe („tissue engineering“) 71 (4) Stimulation der regenerativen Fähigkeiten endogener Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 cc) Individualisierte Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 VIII. Potenziell therapierbare Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Herzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Morbus Parkinson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IX. Klinische Studien mit embryonalen Stammzellen am Menschen . . . . . . . . . . . 76 1. Studie zur Querschnittslähmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Studie zu Augenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Studie zu neuromuskulären Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

B. Klonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I.

Definition Klon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

II.

Entstehung natürlicher Klone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

III. Künstliche Klonierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Zielsetzung des Klonens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Reproduktives Klonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Therapeutisches Klonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Klon-Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Inhaltsverzeichnis

19

a) Embryonensplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Abspaltung totipotenter Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Nukleustransfer (SCNT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Genotyp des Nukleustransfer-Klons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Phänotyp des Nukleustransfer-Klons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Durchführung des Nukleustransfers und biologische Vorgänge . . . 84 (1) Medizinische Risiken der Eizellspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Enukleierung der Oozyte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (3) Selektierung des Spenderzellkerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (4) Transfer des Nukleus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (a) Elektrische Fusionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (b) Mikroinjektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (5) Artifizielle Aktivierung der Oozyte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (6) Reprogrammierung des Nukleus, Epigenetik und Embryogenese 89 (7) Bedeutung der Implantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 dd) Ergebnisse aus Tierversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (1) Amphibien und Säugetiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (2) Nichthumane Primaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (3) Erfolgsrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (4) Probleme und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (a) Hohe Letalitätsrate und phänotypische Anomalien . . . . . 94 (b) Large offspring syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (c) Vorzeitige Alterung und Telomerenlänge . . . . . . . . . . . . . 95 (d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 d) Alterierter Nukleustransfer (ANT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 e) Alterierter Nukleustransfer in assistiert reprogrammierte Eizellen (ANTOAR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 f) Nukleustransfer mit anderen „Medien“ als Eizellen . . . . . . . . . . . . . . . 98 g) Zytoplasmatransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 h) Parthenogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 i) „Unechte“ Parthenogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Klonen von Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Versuchsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Bedeutung für die Fortpflanzungsmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. Mensch-Tier-Mischwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I.

Chimären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Definition Chimäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Arten von Chimären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

20

Inhaltsverzeichnis a) Intraspezies-Chimäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Interspezies-Chimäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Entstehung und Herstellung von Chimären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Natürliche Blutchimären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Künstliche Chimären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Transplantationschimäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Embryonale Chimäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Chimären aus Embryonenverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Phänotyp von Chimären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II.

Hybride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Definition Hybrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Arten von Hybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Intraspezies-Hybrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Interspezies-Hybrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Entstehung und Herstellung von Hybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Natürliche genetische Hybride aus Gametenfusion . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Genetische Hybride aus künstlicher Gametenfusion . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Somatische Hybridzellen aus Protoplastenfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Transgene Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) DNA-Mikroinjektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Gentransfer (Gen-Targeting) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Chromosomentransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 dd) Weitere Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 ee) Bedeutung transgener Tiere für die Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Tiermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Gen-Pharming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 e) Hybride aus Nukleustransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

III. Nukleozytoplasmatische Hybride (Zybriden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Problematik der uneinheitlichen Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Chimäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Hybrid-Embryo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) iSCNT-units . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 dd) Chimbrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ee) Klon-Embryo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ff) Nukleozytoplasmatischer Hybrid oder zytoplasmatischer Hybrid . 120 gg) Zybride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Inhaltsverzeichnis

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b) Terminologie der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Arten und Entstehung von Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Forschungsergebnisse mit interspezifischen Tier-Tier-Zybriden . . . . . . . . 122 a) Karpfen-Goldfisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Pandabär-Kaninchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 c) Kuh-Oozyte mit unterschiedlichen Zellkernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Rinder-Oozyte mit unterschiedlichen Zellkernen . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 e) Bison-Ochse, Bison-Mufflon, Wildkatze-Hauskatze . . . . . . . . . . . . . . 125 f) Mufflon-Schaf, Riesenwildschaf-Schaf, Rind-Schaf, Schwein-Schaf . . 125 g) Ziege-Schwein, Affe-Kaninchen, Hund-Yak, Wolf-Hund . . . . . . . . . . . 126 h) Primat-Rind, Katze-Kaninchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Forschungsergebnisse mit Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Mensch-Kuh-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Mensch-Rind-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Mensch-Kaninchen-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 d) Mensch-Maus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5. Genotyp von Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 6. Phänotyp von Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Befunde bei Tier-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) (Erwartete) Befunde für Mensch-Tier-Zybride und deren Stammzellen 130 7. Probleme und Risiken der Zybridenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Reprogrammierungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Erhöhtes Krebsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Immunologische Abstoßung von Zellen und Geweben aus Mensch-TierZybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 d) Kontamination der Zellen mit tierischen Erregern . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 e) Fehlende Eignung für die Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 8. Theoretisches Entwicklungspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Teil 3 Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata



136

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I.

Entstehung und Grundkonzept des ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

II.

Strafrechtliches Analogieverbot aus Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

III. Der Embryonenbegriff des ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

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Inhaltsverzeichnis 1. Befruchtete menschliche Eizelle (§ 8 I Alt. 1 ESchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Totipotente Zelle (§ 8 I Alt. 2 ESchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Embryonaler Zellverband (§ 8 I Alt. 2 ESchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4. Mensch-Tier-Zybride als Embryo i.S.d § 8 I ESchG? . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Problem der Erzeugungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Fertilisation im biologischen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) § 8 I Alt. 1 ESchG: Befruchtete Eizelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) § 8 I Alt. 2 ESchG: Totipotente Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Nukleustransfer als fertilisationsvergleichbarer Initialisierungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (a) „Bereits“ als Öffnungsklausel im Sinne von „auch“ oder „unter anderem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (b) „Bereits“ als zeitliches Moment im Sinne von „schon“ . . 143 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (3) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (4) Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 6 (a) Kein Schutz des Nukleustransfer-Klons wegen §  II ESchG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (b) Minderer verfassungsrechtlicher Status des NukleustransferKlons? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Problem der Entwicklungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Implantations- oder Nidationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Abgrenzung zur Totipotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Problem der Zugehörigkeit zur Gattung Homo Sapiens . . . . . . . . . . . . 150 aa) Erbinformation des Zellkerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Sämtliche Ausgangsmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 IV. Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Verstoß gegen § 7 I ESchG (Chimären- und Hybrid-Bildung)? . . . . . . . . . 154 a) § 7 I Nr. 1 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) § 7 I Nr. 2 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) § 7 I Nr. 3 Alt. 2 ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Verstoß gegen § 6 I ESchG (Klonverbot)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Inhaltsverzeichnis

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a) Künstliche Erzeugung eines Embryos mit „gleicher“ Erbinformation . 157 aa) „Gleich“ als „mathematisch gleich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) „Gleich“ als „nahezu gleich“ bzw. „qualitativ gleich“ . . . . . . . . . . 158 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Entstehung eines menschlichen Embryos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Ergebnis zum ESchG bezogen auf die Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Verstoß gegen § 5 I ESchG (Verbot der Keimbahnintervention)? . . . . . . . . 162 a) Menschliche Keimbahnzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Veränderung der Erbinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 V.

Im- und Export von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Export aus dem Ausland oder aus Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Import nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

VI. Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Verstoß gegen § 2 I ESchG (Missbrauchsverbot)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 VII. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Verstoß gegen § 1 I Nr. 1 ESchG (Übertragungsverbot fremder unbefruchteter Eizellen)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Verstoß gegen § 1 I Nr. 7 ESchG (Verbot der Leihmutterschaft)? . . . . . . . . 169 3. Verstoß gegen § 6 II ESchG (Implantationsverbot)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Verstoß gegen § 7 II Nr. 1 ESchG (Implantationsverbot)? . . . . . . . . . . . . . 169 5. Verstoß gegen § 2 II ESchG (Verbot der Ektogenese)? . . . . . . . . . . . . . . . . 170 VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 B. Stammzellgesetz (StZG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I.

Entstehung und Grundkonzept des Stammzellgesetzes (StZG) . . . . . . . . . . . . . 171 1. Kernbestimmungen des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Genehmigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Auswirkungen auf medizinische Anwendungsmöglichkeiten von hES . . . 173 4. Auswirkungen auf den kommerziellen Einsatz von ES-Zellen . . . . . . . . . . 175

II.

Einfuhr- und Verwendungsverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden gem. § 4 II StZG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

III. Import von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Gentechnikgesetz (GenTG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I.

Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

II.

Einschlägigkeit bei der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . 178

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Inhaltsverzeichnis 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Historie und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

D. Gendiagnostikgesetz (GenDG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 E. Arzneimittelgesetz (AMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 F. Transplanta­tionsgesetz (TPG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I.

Die gespendete menschliche Körperzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

II.

Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

G. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I.

Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Zielgerichtete Spende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Verwendung „verworfener“ Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

II.

Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

H. Patentgesetz (PatG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. II.

Relevante Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Auslegung des Begriffs „Embryo“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Auslegung des Begriffs der „Verwendung von Embryonen“ . . . . . . . . . . . 191 3. Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

III. Bedeutung für die Forschung an Mensch-Tier-Zybrid-Zellen . . . . . . . . . . . . . . 192 I. Tierschutzgesetz (TierSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. II.

Geschützte Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Tierversuch, § 7 TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Versuchscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Versuchsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Hyperstimulation und Eizellentnahme bei den weiblichen Tieren . . . . . 196 b) Entkernen tierischer Eizellen und Nukleustransfer . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Argumente für eine Einbeziehung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Argumente gegen eine Einbeziehung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in ein Tier zur Austragung . . 199

III. Biotechnische Maßnahmen, § 7 II S. 2 TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Verbot der Entnahme von Organen oder Geweben, § 6 I TierSchG . . . . . . . . . . 200 V.

Zucht von Tieren, §§ 11, 11b TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

VI. Artgerechte Haltung, § 2 TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Inhaltsverzeichnis

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J. Tierzuchtgesetz (TierZG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 K. Strafgesetzbuch (StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 L. Ergebnis zur einfachgesetzlichen Rechtslage de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I.

Kein Herstellungsverbot von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. GenTG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. GenDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4. TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 6. TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 7. TierZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 8. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

II.

Kein Verwendungsverbot von Mensch-Tier-Zybriden zur Forschung und Stammzellengewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

III. Kein Anwendungsverbot von Stammzellen zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. StZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4. TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 IV. Kein Im- und Exportverbot für Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 V.

Kein Importverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . 207

VI. Kein Implantationsverbot für Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. ESchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. TierSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Teil 4 Verfassungsrechtliche Würdigung von Herstellung, Verwendung, Import und Implantation von Mensch-Tier-Zybriden



210

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I.

Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Staatliche Schutzpflicht für die menschlichen Körperzellspender . . . . . . . 212 a) Leben und Gesundheit (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

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Inhaltsverzeichnis (1) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (2) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 cc) Eingriffsrechtfertigung durch Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) . . . . . . . . . . 215 2. Staatliche Schutzpflicht für die tierischen Eizellspender . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Art. 74 I Nr. 20 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Art. 20a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Schutzgewährungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) „Individualtierschutz“ unter Art. 20a GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 cc) Verfassungsmäßigkeit der Eizellengewinnung aus Tieren . . . . . . . . 219 3. Staatliche Schutzpflicht für die zu erzeugenden Mensch-Tier-Zybride . . . 220 a) Verfassungsrechtlicher Status und Schutz von Mensch-Tier-Zybriden . 220 aa) Lebensschutz (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Lebensschutz humaner Embryonen in vivo (Art. 2 II S. 1 GG) 221 (a) Die Aussage des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (cc) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (dd) Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (b) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . 223 (aa) Erstes Abtreibungsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (bb) Zweites Abtreibungsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (c) Die Aussagen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (aa) Voller Lebensschutz spätestens ab Fertilisation . . . . 228 (α) Herleitung aus der SKIP-Theorie . . . . . . . . . . . . 229 (αα) Speziesargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (ββ) Kontinuitätsargument . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (γγ) Identitätsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (δδ) Potenzialitätsargument . . . . . . . . . . . . . . . 231 (β) Ableitung aus der Menschenwürde . . . . . . . . . . 231 (γ) Herleitung aus kirchlichen Aspekten . . . . . . . . . 232 (δ) Kritik am Konzept voller Schutzwürdigkeit . . . . 232 (bb) Voller Lebensschutz ab einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (α) Abstoßung des zweiten Polkörpers . . . . . . . . . . 235

Inhaltsverzeichnis

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(β) Verlust der Totipotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (γ) Nidation der befruchteten Eizelle . . . . . . . . . . . . 235 (δ) Individuation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (ε) Beginn der Hirnströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (ζ) Erste Regung im Mutterleib . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (η) Extrauterine Lebensfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 237 (θ) Lebensschutz nur für Personen (Nichtäquivalenztheorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (ι) Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (ϰ) Kritik am Konzept des späteren Lebensschutz­ beginns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (cc) Abgestufter Lebensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (α) Subjektivrechtlicher Lebensschutz mit geringerer Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (β) Abgeleitetes Lebensrecht von der Mutter . . . . . 243 (γ) Grundrechtsanwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (δ) Rein objektiv-rechtlicher Lebensschutz mit geringerer Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (ε) Kritik am Konzept abgestuften Lebensschutzes 246 (dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (2) Lebensschutz humaner IVF-Embryonen in vitro (Art.  2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (a) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . 251 (b) Die Aussage des Bundesgerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . 251 (c) Die Aussagen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (aa) Kein Lebensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (bb) Gleicher Lebensschutz wie bei Embryonen in vivo . 252 (α) Voller Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (β) Abgestufter Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (cc) Stärkerer Lebensschutz als bei Embryonen in vivo . 254 (dd) Geringerer Lebensschutz als bei Embryonen in vivo 255 (α) Fehlende menschliche Gestalt . . . . . . . . . . . . . . 255 (β) Künstliche Erzeugungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (aa) SKIP-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (α) Spezieszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (β) Kontinuität und Transfererfordernis . . . . . . . . . . 257 (γ) Identität und Transfererfordernis . . . . . . . . . . . . 258

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Inhaltsverzeichnis (δ) Potenzialität und Transfererfordernis . . . . . . . . . 258 (bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (3) Lebensschutz humaner SCNT-Embryonen in vitro (Art.  2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (a) Initialisierung des Lebensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (aa) Fertilisation als zwingende Voraussetzung . . . . . . . . 261 (bb) Normative Äquivalenz von Nukleustransfer und Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (b) Ausmaß des Schutzes nach der SKIP-Theorie . . . . . . . . . 264 (aa) Spezieszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (bb) Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (cc) Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (dd) Potenzialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (α) Passive Potenzialität aufgrund des Transfererfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (β) Anforderungen an die (passive) Potenzialität . . . 265 (αα) Potenzialität als Nidationsfähigkeit . . . . . 266 (ββ) Potenzialität als (jede Form von) Totipotenz 267 (γγ) Problem des fehlenden Nachweises von Toti­ potenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (δδ) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (4) Lebensschutz von Mensch-Tier-Zybriden in vitro (Art.  2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (a) Lebensbeginn des Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . 271 (b) Zuerkennung und Ausmaß des Schutzes nach der SKIPTheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (aa) Spezieszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (α) Argumente gegen eine Qualifikation als menschlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (β) Argumente für eine Qualifikation als menschlich 273 (γ) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (bb) Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (cc) Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (dd) Potenzialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (α) Passive Potenzialität aufgrund des Transfererfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (β) Zweifelhafte Nidations- und Entwicklungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Inhaltsverzeichnis

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(γ) Zielsetzung bei der Erzeugung und geplante Vernichtung der Entität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (δ) Künstliche Erzeugung der Totipotenz . . . . . . . . 275 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (5) Lebensschutz humaner IVF-Embryonen in utero (Art.  2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (6) Lebensschutz humaner SCNT-Embryonen in utero (Art.  2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (7) Lebensschutz von Mensch-Tier-Zybriden in utero (Art.  2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (a) Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit . . . . . . . . . . . 277 (b) Problem der zweifelhaften Entwicklungsfähigkeit . . . . . . 277 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (8) Lebensschutz des geborenen Menschen (Art. 2 II S. 1 GG) . . 278 (9) Lebensschutz des geborenen Klons (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . 279 (10) Lebensschutz des geborenen Mensch-Tier-Mischwesens (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Menschenwürdeschutz (Art. 1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (1) Menschenwürde als rein staatliche Verpflichtung? . . . . . . . . . 280 (2) Inhalt der Menschenwürdegarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (a) Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . 281 (b) Die Aussagen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (aa) Objektformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (bb) Leistungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (cc) Optimierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (dd) Soziale Achtungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (ee) Kommunikationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (ff) Kulturspezifische Kontexttheorie . . . . . . . . . . . . . . . 286 (gg) Ensembletheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (hh) Werttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (ii) Mitgifttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (α) Christliche Imago-Dei-Vorstellung . . . . . . . . . . 287 (β) Naturrechtlich-idealistische Mitgifttheorie . . . . 288 (jj) Philosophische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (kk) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (3) Reichweite von Menschenwürde und Unantastbarkeitsklausel 292 (a) Universalistisches Menschenwürdeverständnis . . . . . . . . 293 (b) Gesamtabwägung zur Feststellung einer Verletzung der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (c) Herausfordernde Dimension der Menschenwürde . . . . . . 295

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Inhaltsverzeichnis (d) Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (4) Würdeschutz humaner Embryonen in vivo (Art. 1 I S. 1 GG) 298 (a) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . 298 (b) Die Aussagen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (aa) Voller, nicht abstufbarer Würdeschutz spätestens ab Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (bb) Voller Würdeschutz ab einem späteren Zeitpunkt . . . 300 (α) Nidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (β) Individuation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (γ) Ausdifferenzierung des Gehirns . . . . . . . . . . . . . 302 (cc) Vollständige Negierung eines pränatalen Würdeschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (α) Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (β) Qualifikation als Person (Nichtäquivalenz-Theorie) 303 (dd) Zusammenwirken von Art. 1 I S. 1 und 2 II S. 1 GG (Kongruenzthese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (ee) Rein objektiv-rechtlicher Schutz pränatalen Lebens

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(ff) Abstufbarer Menschenwürdeschutz . . . . . . . . . . . . . 306 (α) Embryo als Menschenwürdeträger mit geringerem Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (β) Vorwirkungen der Menschenwürde ohne Grundrechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (γ) Abstufbarer objektiv-rechtlicher Schutz . . . . . . 309 (gg) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (α) Beginn des Menschenwürdeschutzes . . . . . . . . . 311 (β) Subjektiv- oder objektiv-rechtlicher Schutz . . . . 312 (γ) Intensität des Würdeschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 312 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (5) Würdeschutz humaner IVF-Embryonen in vitro (Art.  1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (a) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . 313 (b) Die Aussage des Bundesgerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . 314 (c) Die Aussagen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (aa) Kein Würdeschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (bb) Voller Würdeschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (cc) Abgeschwächter Würdeschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (6) Würdeschutz humaner SCNT-Embryonen in vitro (Art.  1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Inhaltsverzeichnis

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(a) Fertilisation als zwingende Voraussetzung für Würdeschutz 317 (b) Normative Äquivalenz von Nukleustransfer und Fertilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (aa) Normative Bedeutung der Fertilisation . . . . . . . . . . . 319 (bb) Vereinbarkeit des Nukleustransfers mit dem Menschenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (cc) Zweifelhafte Entwicklungsfähigkeit und -bestimmung bis zur Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 (dd) Fertilisation als Grundrechtsvoraussetzung des Art. 1 I S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (7) Würdeschutz von Mensch-Tier-Zybriden in vitro (Art.  1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (8) Würdeschutz humaner IVF-Embryonen in utero (Art.  1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (9) Würdeschutz humaner SCNT-Embryonen in utero (Art.  1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (10) Würdeschutz von Mensch-Tier-Zybriden in utero (Art.  1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 (a) Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit . . . . . . . . . . . 328 (aa) Argumente gegen eine Qualifikation als menschlich 328 (bb) Argumente für eine Qualifikation als menschlich . . 328 (b) Problem der zweifelhaften Entwicklungsfähigkeit . . . . . . 329 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (11) Würdeschutz des geborenen Menschen (Art. 1 I S. 1 GG) . . . 330 (12) Würdeschutz des geborenen Klons (Art. 1 I S. 1 GG) . . . . . . 330 (13) Würdeschutz des geborenen Mensch-Tier-Mischwesens (Art. 1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (a) Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit . . . . . . . . . . . 331 (b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 cc) Gesamtergebnis zu Status und Schutz von Mensch-Tier-Zybriden . 334 (1) Lebensschutz (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (2) Würdeschutz (Art. 1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Problem des fehlenden Rechtsgutsträgers zum Zeitpunkt der Erzeugung 334 aa) Subjektiv-rechtliche Lösungsansätze: Grundrechtsträgermodelle . . 335 (1) Ausdehnung des Würdeschutzes auf menschliche Keimzellen 336 (2) Recht auf Nichtentstehung aus Grundrechtsvorwirkung . . . . . 336 (3) Herstellung und Vernichtung als einheitlicher Lebenssachverhalt 338 bb) Objektiv-rechtliche Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

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Inhaltsverzeichnis (1) Schutz künftiger Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (2) Gattungs- und Menschenbildschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (a) Unantastbarkeit des menschlichen Genoms . . . . . . . . . . . 342 (b) Unantastbarkeit des gattungsethischen Selbstverständnisses 342 (c) Unantastbarkeit des grundgesetzlichen Menschenbildes . 343 (d) Schutz der Gattung Homo Sapiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (aa) Argumente gegen eine Einbeziehung in Art.  1 I S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 (bb) Argumente für eine Einbeziehung in Art. 1 I S. 1 GG 347 (cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 cc) Ergebnis zur Problematik des fehlenden Rechtsgutsträgers . . . . . . 351 c) Gesamtergebnis zur Gefährdung individueller Rechte . . . . . . . . . . . . . 351 4. Staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gattungswürde (Art. 1 I GG) 352 a) Argumente für eine Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 aa) Schutz der Gattung Homo Sapiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Zweifelhafte therapeutische Perspektiven und medizinische Risiken 353 (1) Forschungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 (2) Ineffizienz des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (3) Fehlerhaftigkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (4) Ungeklärte Immunkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 cc) Fehlende Alternativlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 dd) Fehlende Vergleichbarkeit mit dem Schwangerschaftsabbruch . . . 356 ee) Diskriminierungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 ff) Missbrauchs- und „Dammbruch“-Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 b) Argumente gegen eine Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 aa) Keine Gefährdung der Gattung Homo Sapiens . . . . . . . . . . . . . . . . 358 bb) Keine Verletzung des objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalts . . . 358 cc) Fortpflanzungsunabhängiger Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 dd) Bestehende Alternativlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 ee) Vermeidung der Tötung (rein) menschlicher Embryonen . . . . . . . . 361 ff) Vermeidung der Verwendung menschlicher Eizellen . . . . . . . . . . . 361 (1) Medizinische Risiken der Eizellspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (2) Kommerzialisierungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 (3) Symbolische Bedeutung weiblicher Eizellen . . . . . . . . . . . . . 363 (4) Möglichkeiten der Rechtfertigung der Eizellgewinnung . . . . . 364 (5) Vor- und Nachteile der Verwendung tierischer Eizellen . . . . . 365 gg) Entkräftung des Missbrauchs- und „Dammbruch“-Arguments . . . . 365 c) Stellungnahme und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 5. Staatliche Schutzpflicht für die Umwelt (Art. 20a GG) . . . . . . . . . . . . . . . 368

Inhaltsverzeichnis

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6. Gesamtergebnis zur Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . 369 II.

Verwendung zur Stammzellengewinnung hergestellter Mensch-Tier-Zybriden 370 1. Staatliche Schutzpflicht für die Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . 370 a) Lebensschutz (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 2. Staatliche Schutzpflicht für die Patienten als Empfänger der Zellen . . . . . 371 a) Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . 371 aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 cc) Eingriffsrechtfertigung durch Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 3. Gesamtergebnis zur Verwendung hergestellter Mensch-Tier-Zybriden . . . 373

III. Import von Mensch-Tier-Zybriden und aus ihnen gewonnenen Stammzellen . 373 1. Staatliche Schutzpflicht für ausländische Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . 374 a) Verfassungsrechtlicher Schutz ausländischer Rechtsgüter . . . . . . . . . . . 374 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Staatliche Schutzpflicht für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . 375 a) Verfassungsrechtlicher Schutz von Stammzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 aa) Grundrechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 bb) Verfassungsrechtlicher Schutz durch Art. 74 I Nr. 26 GG . . . . . . . . 376 cc) Sittengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 b) Verfassungsrechtlicher Schutz embryonaler Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 aa) Schutz ausländischer Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 bb) Nachwirkender Grundrechtsschutz getöteter Embryonen . . . . . . . . 378 (1) Postmortaler Lebens- oder Körperschutz humaner Embryonen 378 (2) Postmortaler Würdeschutz humaner Embryonen . . . . . . . . . . 379 (3) Verhinderung der Veranlassung einer Embryonentötung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 cc) Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 IV. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in einen Uterus . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Staatliche Schutzpflicht für die Mensch-Tier-Mischwesen (Klone) . . . . . . 386 a) Menschenwürde (Art. 1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 aa) Recht auf zufallsabhängige natürliche Zeugung . . . . . . . . . . . . . . . 387 bb) Recht auf Nichtwissen der eigenen Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . 392

34

Inhaltsverzeichnis cc) Verletzung der Menschenwürde aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 dd) Instrumentalisierung durch die Art und Weise der Erzeugung . . . . 394 b) Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 c) Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . . . . . . . . 397 d) Schutz vor Diskriminierung (Art. 3 III S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 e) Ergebnis zur Grundrechtsverletzung des Mischwesens (Klon) . . . . . . . 400 2. Staatliche Schutzpflicht für die geklonten Menschen (Zellkernspender) . . 400 a) Menschenwürde (Art. 1 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 aa) Argumente für einen Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 bb) Argumente gegen einen Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 (1) Unzulässige Verkürzung auf die genetische Substanz . . . . . . . 402 (2) Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 cc) Stellungnahme und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 b) Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 3. Staatliche Schutzpflicht für die austragenden Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . 404 a) Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) . . 405 aa) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 (1) Gesundheitsgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 (2) Eingriffsrechtfertigung durch Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . 406 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 4. Staatliche Schutzpflicht für die austragenden Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 5. Staatliche Schutzpflicht für die Menschheit als Ganzes . . . . . . . . . . . . . . . 407 a) Menschliche Gattungswürde (Art. 1 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 aa) Universeller Konsens zur Ablehnung reproduktiver Klonierung . . 408 bb) Angriff auf die Unverfügbarkeit des menschlichen Genoms . . . . . . 409 cc) Gefährdung von Eindeutigkeit, Identität und Unverfälschtheit der Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 dd) Unvereinbarkeit mit dem Menschenbild des Grundgesetzes . . . . . . 411 ee) Gesellschaftliche Auswirkungen auf die Anerkennung als Gleiche 413 ff) „Vertragsgedanke“ und Gattungssolidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 gg) Auflösung von Verwandtschafts- und Generationenverhältnissen . 415 hh) Wegebnung für Eugenik und Menschenzüchtung . . . . . . . . . . . . . . 416 6. Unkalkulierbarkeit der Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 a) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 7. Gesamtergebnis zur Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . 419 V.

Ergebnis zum Bestehen staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zu Forschungsund Therapiezwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

Inhaltsverzeichnis

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2. Import von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 3. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 I.

Art und Schwere der Grundrechtsgefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . 422 2. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

II.

Grad der Wahrscheinlichkeit der Grundrechtsgefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . 422 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . 422 2. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

III. Existenz, Art und Wirkung bestehender rechtlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . 423 1. Vorschriften zum Schutz von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Implantationsverbote als Vorschriften zum Schutz der Menschheit . . . . . . 423 IV. Entgegenstehende Grundrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . 424 a) Rechte von Wissenschaftlern, Forschern und Ärzten . . . . . . . . . . . . . . . 424 aa) Wissenschafts- und Forschungsfreiheit (Art. 5 III S. 1 GG) . . . . . . 424 (1) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 (a) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 (b) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 (aa) Definitionsverbot des Staates? . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 (bb) Definition des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . 427 (cc) Schutzbereichsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 (α) Kein Schutz der Forschungsmittelbeschaffung . 429 (β) Kein Schutz angewandter Forschung . . . . . . . . . 430 (γ) Kein Schutz irreversibler Forschung . . . . . . . . . 430 (δ) Kein Schutz von Eingriffen in Rechte Dritter . . 430 (ε) Kein Schutz illegitimer Forschung . . . . . . . . . . . 431 (ζ) Kein Schutz unethischer Forschung . . . . . . . . . . 431 (η) Argumente gegen eine Schutzbereichsbegrenzung 432 (dd) Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung 435 bb) Berufsfreiheit (Art. 12 I S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (1) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (a) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (b) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

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Inhaltsverzeichnis (aa) Problem der Schutzbereichsbegrenzung . . . . . . . . . . 437 (bb) Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung 438 (a) Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (b) Anwendung der Drei-Stufen-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . 439 (aa) Beruf des „Zybrid-Erzeugers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 (bb) Unternehmerfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 (4) Verhältnis zu Art. 5 III S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 cc) Therapiefreiheit (Art. 2 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 (1) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung 442 b) Rechte der Körperzellspender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 aa) Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG) . . . 443 (1) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 (a) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 (b) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung 445 bb) Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 (1) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung 446 c) Rechte der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 aa) Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) 447 (1) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 (a) Subjektives Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 (b) Objektiv-rechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 (aa) Leistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 (bb) Recht auf Entwicklung von Therapien . . . . . . . . . . . 452 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 bb) Freiheit der Therapiewahl (Art. 2 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (1) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung 454 2. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

Inhaltsverzeichnis

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a) Rechte des Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 aa) Recht auf Leben als „Recht auf Transfer“ (Art. 2 II S. 1 GG) . . . . 454 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 b) Rechte der fortpflanzungswilligen Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 aa) Fortpflanzungsfreiheit (Art. 6 GG, Art. 2 I GG, Art. 1 I GG) . . . . . 456 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 3. Zusammenfassung der Grundrechtsgefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 a) Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . 458 b) Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 V.

Abwägung der widerstreitenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 1. Verhältnismäßigkeit des Verbots der Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 a) Legitimes Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 aa) Argumente gegen die Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 (1) Bedeutung des Lebensschutzgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 (a) Keine Nothilfesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 (b) Keine Rechtfertigung des Eingriffs durch Hoffnungen auf Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 (c) Unzulässige Abwägung „Leben gegen Leben“ . . . . . . . . . 463 (d) Instrumentalisierung der Mensch-Tier-Zybride für fremde Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 (e) Irrelevanz fehlenden Entwicklungspotenzials . . . . . . . . . . 465 (f) Embryonen als Rohstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 (2) Erhebung des Menschen zum „Schöpfer“ . . . . . . . . . . . . . . . 467 (3) Verstoß gegen das Sittengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 (4) Instrumentalisierung der tierischen Eizellspender . . . . . . . . . . 468 (5) Therapiekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 (6) Alternativen zu Stammzellen aus Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . 469 (7) Missbrauchs- und „Dammbruch“-Argumente . . . . . . . . . . . . . 469 bb) Argumente für die Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 (1) Bedeutung der Forschungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 (a) Verstärkung durch Berufs- und allgemeine Handlungs­ freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 (b) Verstärkung durch die Heilungsinteressen der Patienten . 471 (c) Verstärkung durch das Selbstbestimmungsrecht der Körperzellspender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

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Inhaltsverzeichnis (2) Staatliche Schutzpflicht für die Patienten aus Art. 2 II GG . . . 472 (3) Richtlinienwirkung aus Art. 2 II S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 473 (4) Staatlicher Heilauftrag aus Art. 1 I S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 474 (5) Wesensgehaltsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 (6) Nachweltschutz (Art. 2 II GG, Art. 1 I S. 2 GG) . . . . . . . . . . . 475 (7) Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG, Art. 28 I S. 1 GG) . . . . . . . 476 (8) Fehlende Bedeutung des Missbrauchs-Arguments . . . . . . . . . 477 (9) Vorwirkender Grundrechtsschutz versus Forschungsfreiheit . 477 (10) Fehlende Instrumentalisierungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 478 (a) „Akt der Selbsthilfe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 (b) Solidarisches Potenzial von Embryonen . . . . . . . . . . . . . . 480 (c) Vermeidung der Zerstörung bereits existenten Lebens . . . 480 (d) Keine „Verobjektivierung“ des Mensch-Tier-Zybriden . . 480 (e) Vermeidung der Tötung menschlicher Embryonen . . . . . . 481 (f) Vermeidung der Verwendung menschlicher Eizellen . . . . 481 (g) Fehlende Entwicklungsmöglichkeit der Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 (11) Alternativlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 (12) Vermeidung von Wertungswidersprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . 483 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 2. Verhältnismäßigkeit eines Verbots des Imports von Stammzellen aus MenschTier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 a) Legitimes Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 aa) Schutz ausländischer Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 bb) Verhinderung der Veranlassung einer Embryonentötung im Ausland 486 cc) Schutz embryonaler Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft . . . . . . 487 b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

C. Verfassungsrechtliche Gesamtaussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 I.

Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

II.

Import und Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . 491

III. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492

Inhaltsverzeichnis

39

Teil 5

Rechtspolitische Bewertung – die Rechtslage de lege ferenda

493

A. Voraussetzungen einer strafgesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 I.

Strafwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

II.

Strafbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

III. Straftauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 B. Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 I.

Erfordernis und Problematik einer terminologischen Definition . . . . . . . . . . . . 496

II.

Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

III. Internationalisierung der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 IV. Problem des fehlenden gesellschaftlichen Konsenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 V.

Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499

VI. Rechtliche Regelungsoptionen und im Ausland angewandte Strategien . . . . . . 500 1. Regelungsebene und Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 2. Bestehende Regelungsvorschläge zum therapeutischen Klonen . . . . . . . . . 500 a) Ausnahmsloses gesetzliches Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 b) Gesetzliches Verbot, solange die Technik nicht ausgereift ist . . . . . . . . 501 c) Kein gesetzliches Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 d) Grundsätzliche, wenn auch begrenzte Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 aa) Begrenzung (nur) durch Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 bb) Verbot mit persönlichem Strafausschließungsgrund . . . . . . . . . . . . 503 cc) Präventives strafrechtliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt . . . . . . 503 (1) Hochrangige Forschungs- und Therapieziele . . . . . . . . . . . . . 504 (2) Alternativlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 (3) Vorherige Klärung im Tierversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 (4) Schutz freiwilliger Eizellspenderinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 (5) Befristung der Lebenszeit der Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . 505 (6) Begutachtung durch unabhängige Ethik-Kommission . . . . . . 506 (7) Einwilligung der Körperzellspender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 (8) Transfer- und Implantationsverbot sowie weitere (Verfahrens-) Voraussetzungen und Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 3. Bestehende Regelungsvorschläge zur Zybridenforschung . . . . . . . . . . . . . 507 a) Deutscher Ethikrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 b) Chimbrids-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508

40

Inhaltsverzeichnis c) Augsburg-Münchner-Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz (AMEFMedG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 d) Stellungnahme zu den Vorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510

C. Konkrete Regelungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 I.

Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 1. „Embryo“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 2. „Der Hybride“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 3. „Der Mensch-Tier-Zybride“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 4. Abgrenzung zwischen Mensch und Tier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512

II.

Einbezug genetischer Manipulationen: § 5 IV ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 513

III. Verbot der Klonierung von Menschen: § 6 ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 IV. Herstellungs- und Verwendungsgenehmigung von Mensch-Tier-Zybriden: § 7 ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 1. Herstellungs- und Verwendungsbegrenzung: § 7 ESchG n. F. . . . . . . . . . . . 514 2. Genehmigungsvoraussetzungen: §§ 7a – 7k ESchG (neue Vorschriften) . . 516 V.

Transfer- und Implantationsverbot: § 7 IV ESchG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519

VI. Ausweitung des § 4 II StZG auf Therapieanwendungen, PID-Embryonen, Klone und Mensch-Tier-Zybriden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 1. Argumente für eine sofortige Gesetzesänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2. Verfassungskonforme Neuregelungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 D. Gesamtzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Teil 6 Schlussbemerkung

528

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603

Teil 1

Einführung Ist es der Beginn einer neuen Ära der Medizin oder Anfang einer Welt voll Fabel­wesen à la Sphinx und Pegasus? Diese Frage stellte sich besonders dringlich im Jahr 2008, als in Großbritannien mit Hilfe der Technik des somatischen Zellkerntransfers1, die auch als Klonen nach der „Dolly-Methode“2 bekannt ist, Zybrid-Embryonen aus menschlichem Erbgut und tierischen Eizellen3 hergestellt wurden. Natürlich ging es in dem britischen Experiment nicht darum, ein lebensfähiges Mensch-Tier-Mischwesen zu erschaffen, sondern darum, in der Petrischale Stammzellen zu gewinnen, ohne auf menschliche Eizellen zurückgreifen und humane Embryonen zerstören zu müssen4. Dazu fügten die Wissenschaftler Genmaterial aus menschlichen Hautzellen in ausgehöhlte Eizellen von Rindern ein und regten diese mit Hilfe eines elektrischen Impulses dazu an, zu einem nukleozytoplasmatischen Hybrid heranzureifen5. Nach drei Tagen wurden die Embryonen zerstört, welche zu diesem Zeitpunkt aus 32 Zellen bestanden6. Rechtlich legalisiert wurde das von dem Team um den Stammzellforscher Lyle Armstrong durchgeführte Experiment durch eine Ausnahmegenehmigung der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFA)7. Die Forscher stellten mit ihrer Antragstellung nicht nur unter Beweis, was technisch machbar ist, sondern auch den gesetzgeberischen Handlungsbedarf an den Pranger. Das britische Unterhaus verabschiedete daraufhin am 22.10.2008 in dritter Lesung mit 355 zu 129 Stimmen ein weit-

1

Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (80). Deutscher Ethikrat 2011, S. 19 unter Bezugnahme auf das erste, 1997 geklonte Schaf namens „Dolly“; Wilmut et al in: Nature 1997, 810 f. Auch andere Tiere wurden seither erfolgreich geklont wie z. B. ein Rind: Cibelli et al. in: Science 1998, 1256 f.; Schwein: Polejaewa et al. in: Nature 2000, 86 f.; Maus: Wakayama et al. in: Nature 1998, 369 f. Wegen der Ähnlichkeit von Menschen und Säugetieren ist davon auszugehen, dass dies grundsätzlich auch beim Menschen möglich ist; vgl. auch Wilmut/Campbell/Tudge, S. 71. 3 URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stammzellen-forscher-schaffen-hybridembryo-aus-mensch-und-kuh-a-544830.html. 4 Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ, v. 20.05.2008. 5 Patalong, in: Spiegel Online v. 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 6 Vgl. URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stammzellen-forscher-schaffenhybrid-embryo-aus-mensch-und-kuh-a-544830.html. 7 URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stammzellen-forscher-schaffen-hybridembryo-aus-mensch-und-kuh-a-544830.html. 2

42

Teil 1: Einführung

reichendes Embryonengesetz, welches im November 2008 in Kraft trat8 und die Züchtung sowohl von Mensch-Mensch- als auch von Mensch-Tier-Chimären und -Hybriden gestattet9. Die rein menschliche Variante soll insbesondere die Erzeugung von „Rettungsgeschwistern“ ermöglichen. Darunter sind Kinder zu verstehen, die mittels In-vitro-Fertilisation10 künstlich gezeugt und mit Hilfe von Präimplantationsdiagnostik ausgewählt werden, um mit ihrem passenden Erbmaterial einem kranken Geschwisterkind zu helfen, z. B. als Spender für Stammzellen des Knochenmarks. Kurz nach der Geburt können aus dem Nabelschnurblut Stammzellen gewonnen werden, um sie für eine Transplantation in das kranke Geschwisterkind zu verwenden11. Die britische Rechtsordnung verlangt, dass Zybrid-Embryonen aus Mensch und Tier nach zwei Wochen zerstört werden, und verbietet die Implantation in eine menschliche oder tierische Gebärmutter12. Ungeachtet der Tatsache, dass die Entwicklungs- und Überlebensfähigkeit eines Mensch-Tier-Zybriden aus wissenschaftlicher Sicht zurzeit ausgeschlossen zu sein scheint, soll in jedem Fall die Geburt eines Mischwesens verhindert werden. Bislang hat jedoch kein seriöser Forscher ernsthaft in Erwägung gezogen oder gar öffentlich vorgeschlagen, ein Mensch-Tier-Mischwesen von einer Frau oder einem Tier austragen zu lassen13. Entscheidender Befürworter des britischen Gesetzes war der damalige Premierminister Gordon Brown, dessen Sohn Frazer unter Mukoviszidose litt, einer Krankheit, die durch Erkenntnisse in der Embryonenforschung möglicherweise besser behandelt werden könnte14. Diese Hoffnung ist bislang allerdings rein hypothetischer Natur. Durchbrüche in Biologie und Medizin tauchen jedoch oft unerwartet auf: Im Mai 2013 machte die Meldung aus den USA Schlagzeilen, dass es erstmals gelungen war, durch Nukleustransfer eine humane embryonale Stammzell-Linie herzustellen15, sodass dem „therapeutischen Klonen“ unter Verwendung menschlicher Eizellen aus biomedizinischer Sicht nichts mehr im Wege zu stehen scheint. Die geschaffenen Zellen könnten Nerven-, Leber- Herz- und andere Zellen ersetzen, jedoch verbleiben Unsicherheiten, ob sich tatsächlich Krankheiten heilen lassen

8 Chronologie des Gesetzgebungsverfahrens unter http://services.parliament.uk/bills/200708/humanfertilizationandembryologyhl/stages.html. 9 Human Fertilization and Embryology Bills as amended in the Committee and in the­ Public Bill Committee, 12.6.2008, in dritter Lesung verabschiedet am 22.10.2008. 10 Lateinisch für „Befruchtung im Glas“, eine Methode der künstlichen Befruchtung. 11 Samuel, S. 319. 12 Stringer, David, 23.10.2008, URL: http://www.epochtimes.de/unterhaus-billigt-forschungmit-embryonen-aus-mensch-und-tier-357093.html. 13 Patalong in: Spiegel Online v. 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 14 URL: http://www.netzeitung.de/wissenschaft/1198545.html. 15 Tachibana et al. in: Cell 153 (2013), 1 (6).

Teil 1: Einführung

43

oder ob der Körper eines Patienten auch die mit eigener Erbinformation geschaffenen Zellen immunologisch abstößt16. Mindestens ebenso zweifelhaft wie der medizinische Nutzen embryonaler Stammzellen erscheint die ethische und moralische Vertretbarkeit der Herstellung interspezifischer nukleozytoplasmatischer Hybride, die auch als „Zybride“17 oder „Hybrid-Embryonen“18 bezeichnet werden. Dürfen Mensch und Tier für den medizinischen Fortschritt vermischt werden?19 Gegner dieses Forschungsfeldes befürchten Missbrauch durch die Züchtung von Zwitterwesen aus Mensch und Tier, Befürworter rücken den potenziellen medizinischen Nutzen für die gesamte Menschheit in das Zentrum ihrer Argumentation. Die beschriebene Problematik stellt nicht nur unsere Gesellschaft insgesamt, sondern auch und gerade Juristen vor unbekannte Probleme und Auslegungsfragen: Welcher Kategorie ist ein Wesen zuzuordnen, dessen Embryonalentwicklung von menschlichem und tierischem Material bestimmt worden ist?20 Fällt die juristische Bewertung anders aus, wenn ein solches Mischwesen in vitro21 verbleibt oder zur Nidation gebracht oder gar geboren wird?22 Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Materie spitzt sich auf die Problemstellung zu, die schon seit Menschengedenken die Philosophie prägt: die Frage, was den Menschen zum Menschen macht. Ist es eine prozentuale Frage, eine qualitative, eine, die in IQ-Werten feststellbar ist, eine Ermessenfrage oder eine Frage der Optik? Und wie lässt sich dies vor einem Forschungsversuch abschätzen, bei dem völlig unsicher ist, was dabei herauskommt?23 Weltweit stellen biomedizinische Techniken ein hoch umstrittenes Thema in der öffentlichen und politischen Diskussion dar. Ähnlich wie die Debatte um die Stammzellforschung betrifft auch die Frage nach Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung zahlreiche moralisch-ethische, kulturelle, religiöse und juristische Aspekte24. Da sie die biologischen Grundlagen des Menschen unmittelbar berühren, werden sie im Vergleich zu anderen neuartigen Therapieansätzen besonders skeptisch beurteilt25. Sie müssen sich mit dem Schreckensbild alter Mythen auseinandersetzen, weil sie „den Menschen zum Schöpfer erheben“ wollen26. 16 Berndt in: SZ v. 16.05.2013; Hamburger Abendblatt v. 16.05.2013; Müller-Jung in: FAZ v. 16.05.2013. 17 Abgekürzt für zytoplasmatische Hybride. 18 Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (80). 19 Patalong, in: Spiegel Online v. 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 20 Deutscher Ethikrat 2011, S. 10. 21 Lat.: „im Glas“, also außerhalb eines lebenden Organismus im Reagenzglas. 22 Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (80). 23 Patalong, in: Spiegel Online v. 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 24 Patalong, in: Spiegel Online v. 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 25 Klopfer, S. 17. 26 van der Pot, S. 13.

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Teil 1: Einführung

Mit Blick auf den geschichtlichen Hintergrund der Zeit des Nationalsozialismus und die damit verbundenen menschenverachtenden Experimente erklärt sich, weshalb sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Bewertung biomedizinischer Forschungstätigkeit besonders schwer tut. Das Ergebnis wird zuweilen als Angst und Fortschrittsfeindlichkeit kritisiert27 und es wird bemängelt, dass Forscher bereits mit Mischwesen experimentierten, während die Politik „hinterherhinke“28. Die grundsätzlichen Wertentscheidungen der deutschen Politik schlagen sich im Embryonenschutz- und Stammzellgesetz nieder, welche die Gewinnung von Stammzellen aus (lebenden) Embryonen kategorisch verbieten sowie den Import und die Verwendung ausländischer pluripotenter Stammzellen stark einschränken. Der Gesetzgeber betrachtet es als Zweck des Stammzellgesetzes, gleichzeitig „die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu achten und zu schützen und die Freiheit der Forschung zu gewährleisten“29. Demzufolge erlaubt er die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen nur in eng umrissenen Ausnahmesituationen, zu denen hochrangige Forschungsziele, nicht aber therapeutische, diagnostische und präventive Einsatzgebiete zählen. Nicht ausdrücklich rückt der Gesetzgeber in den Blick, was in der gesellschaftspolitischen Debatte um Einsatz und Gewinnung embryonaler Stammzellen von noch zentralerer Bedeutung ist als die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit: die Rechte der Patienten, die ihre Hoffnungen auf neue Zell-Ersatztherapien setzen, und das Gemeinwohl. „Die Erhaltung der Gesundheit ist eine Pflicht. Nur wenige sind sich bewusst, dass es so etwas wie eine körperliche Moral gibt.“ – Herbert Spencer30 sprach schon im vorletzten Jahrhundert aus, was auch im Zusammenhang mit der Verwendung embryonaler Stammzellen am Menschen ein gewichtiges Argument darstellt. Den Konflikt zwischen medizinischem Forschungsinteresse und dem Schutzanspruch ungeborenen Lebens sowie der menschlichen Würde zu lösen, bedarf einer Abwägung widerstreitender Interessen, die allerhöchste Rechtsgüter betreffen, und hängt auch von der ethischen Grundeinstellung in der Gesellschaft ab, die sich im Laufe der Zeit ändern kann. Das Recht ist entgegen manchen Erwartungen nichts Absolutes, sondern nur ein Instrument zur Steuerung gesellschaftlicher Vorgänge, das so lange funktioniert, wie es akzeptiert wird31. Die Akzeptanz hängt auch davon ab, ob es gelingt, die Wertekonsistenz zu erhalten und Wertungswidersprüche im Recht zu vermeiden. Aus ethischer Sicht soll das Recht die normativen Grund-

27

Vgl. Klopfer, S. 17. Patalong, in: Spiegel Online v. 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 29 Vgl. § 1 StZG. 30 Herbert Spencer (27.04.1820–8.12.1903) war ein englischer Philosoph und Soziologe. Als Erster wandte er die Evolutionstheorie – das Konzept des „survival of the fittest“ – auf die gesellschaftliche Entwicklung an und begründete damit das Paradigma des Evolutionismus, das von manchen als Vorläufer des Sozialdarwinismus angesehen wird, vgl. Brockhaus, Band 5, S. 78. 31 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 30. 28

Teil 1: Einführung

45

überzeugungen der Gesellschaft widerspiegeln und bewahren32. Gleichwohl sollte man sich davor hüten, der Verfassung Forderungen zu entnehmen, die in ihrem Wortlaut keine Stütze finden, denn moralisierendes Recht ist schwaches Recht; insbesondere ist es nicht die Aufgabe des Gesetzgebers, ethische Forderungen in jedem Fall mit Mitteln des Strafrechts durchzusetzen33. Angesichts der neuartigen biomedizinischen Techniken drängt sich die Frage auf, ob die rechtliche Bewertung der Erzeugung und Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden im Vergleich zu denen aus rein menschlichen Embryonen anders ausfällt, weil diesen möglicherweise ein anderer verfassungsrechtlicher Status zukommt. Während das britische Unterhaus nach der Beantragung des Experimentes zur Herstellung eines Mensch-Rind-Zybrid-Embryos gesetzlich Stellung bezogen hat, fehlen in Deutschland entsprechende legislative Regelungen, die sich dezidiert mit der Zybridenforschung befassen. Dabei ist es ist schon einige Jahre her, dass die Erschaffung von Chimären und Hybriden den Bereich der Mythen und Legenden verlassen und den realen Bereich der wissenschaftlichen Forschung erreicht hat34. Die potenzielle Stärke embryonaler und foetaler Interspezies-Wesen wurde bereits in den 1980er Jahren durch eine Reihe dramatischer Experimente deutlich, in denen kleine Teile des Gehirns embryonaler Wachteln in das Gehirn von Hühnern transplantiert wurden35. Die Hühner gaben daraufhin wachtelartige Laute von sich und schüttelten ihre Köpfe wie Wachteln, was bewies, dass die transplantierten Gehirnteile die neuronalen Anlagen für Wachtellaute enthielten. Zudem wurde der erstaunliche Beweis erbracht, dass komplexe Verhaltensmuster auf andere Spezies durch Transplantation übertragen werden können. Die Erzeugung von Tieren mit bestimmten menschlichen Charakteristika, menschlichem Gehirn oder menschlichen Fortpflanzungszellen wird von den meisten Menschen intuitiv abgelehnt. In Bezug auf die Herstellung embryonaler in-vitro verbleibender Mensch-Tier-Mischwesen zum Zwecke der Stammzellengewinnung fällt die Bewertung jedoch keinesfalls einheitlich aus36. Je mehr die Forschung in Richtung der Erzeugung von Mensch-Tier-Chimären und -Hybriden voranschreitet, desto dringender erforderlich wird eine ethische und rechtliche Bewertung sowie Regulation37. Verschiedene Institutionen haben sich bereits mit der Thematik beschäftigt. Die Europäische Kommission forderte in ihrem sechsten Forschungsrahmenprogramm eine Bewertung des vielschichtigen und weiten Feldes der Chimären 32

Bioethik-Kommission RP 2002, S. 30. Bioethik-Kommission RP 2002, S. 31. 34 Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 193. 35 Scottish Council on Human Bioethics, S.  1 nach Bablan, S.  2005; Bablan/Teillet/Le Douarin, S. 1340. 36 Scottish Council on Human Bioethics, S. 1 mit Verweis auf Weiss in: Washington Post v. 20.11.2004. 37 „Doch wie nähert man sich diesem facettenreichen Forschungsgebiet?“, fragen BaduraLotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 193. 33

46

Teil 1: Einführung

und Hybridforschung durch die Mitgliedstaaten38. Der Deutsche Ethikrat hat im Jahr 2011 eine Stellungnahme zu dieser Problematik herausgegeben39. Eine Forschungsgruppe des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim veröffentlichte eine rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme in Bezug auf Mensch-Tier-Mischwesen40. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, zu klären, ob das einfache Recht – insbesondere das ESchG – die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden de lege lata verbietet und ob sich aufgrund einer verfassungsrechtlichen Würdigung de lege ferenda ein staatlicher Handlungsbedarf ergibt. Nach einem naturwissenschaftlichen Überblick sollen die Straftatbestände des ESchG sowie andere möglicherweise einschlägige einfache Gesetze geprüft sowie daran anschließend die relevanten Verfassungsgüter erörtert, einander gegenübergestellt und abgewogen werden, um zu einer verfassungsrechtlichen Bewertung von Herstellung, Import, Nutzung und Implantation von Zybrid-Embryonen aus Mensch und Tier sowie schließlich zu einem entsprechenden gesetzlichen Regelungsvorschlag zu gelangen.

38

Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 193. Deutscher Ethikrat 2011. 40 Hug/Hermerén.

39

Teil 2

Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick A. Stammzellforschung und Stammzelltherapie Ziel der Forschung bildet es, Mensch-Tier-Zybriden bei der Stammzellforschung und für die darauf aufbauende Stammzelltherapie einzusetzen. Zunächst sollen die in diesem Zusammenhang relevanten biologischen Begriffe und Zusammenhänge erläutert werden.

I. Lebewesen In der Biologie werden Lebewesen als organisierte Einheiten definiert, die insbesondere zu Stoffwechsel, Fortpflanzung, Reizbarkeit, Wachstum und Evolution fähig sind1.

II. Fertilisation Fertilisation bezeichnet die Verschmelzung männlicher und weiblicher Keimzellen (Gameten) bei der geschlechtlichen Fortpflanzung2. Reife Eizellen entstehen im Prozess der Oogenese aus Vorläuferzellen durch eine Serie physiologischer Prozesse, in denen der doppelte (diploide)  Chromosomensatz auf einen einfachen (haploiden) reduziert wird3. Dieser Prozess wird als Meiose4 bezeichnet 1

Biologie für Mediziner, S. 117. Biologie für Mediziner, S. 313. 3 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 4. 4 „Meiose“ von griechisch „meíōsi“ = vermindern, verkleinern: Gesamtheit der Vorgänge bei der Zellteilung, die den diploiden Chromosomensatz der somatischen Zellen zum haploiden Satz der reifen Keimzellen halbieren. Damit geht gewöhnlich eine Rekombination einher, also eine neue Zusammenstellung der elterlichen Chromosomen. Die Meiose vollzieht sich in zwei Teilungsschritten (Meiose I und II genannt). In der Regel erfolgt nach beiden Teilungsschritten je eine Zellteilung, was zur Bildung von vier Einzelzellen führt. Da diese Zellteilungen mit den meiotischen Kernteilungen zusammenhängen, werden auch beide Vorgänge gemeinsam als Meiose bezeichnet. Die Halbierung des Ploidiegrads (d. h. der Anzahl der Chromosomensätze) ist eine Voraussetzung für die geschlechtliche Fortpflanzung, da sich sonst die Chromosomenzahl mit jeder Generation verdoppeln würde, Biologie für Mediziner, S. 305. 2

48

Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

und auch von Samenzellen durchlaufen5. Die Eizelle wird von der Zona pellucida, einer proteinreichen Hülle, sowie einer mehrlagigen Zellschicht aus Follikelzellen umgeben, durch welche das Spermium hindurchdringen muss. Das Eindringen der Samenzelle in die Eizelle heißt Imprägnation6. Danach verändert sich die Zona pellucida so, dass keine weiteren Samenzellen hineingelangen können. Zudem kommt es zur Abstoßung der Polkörperchen und es bilden sich der männliche und der weibliche Vorkern, welche zu einem vollständigen diploiden Chromosomensatz verschmelzen (Kernverschmelzung) 7. Die befruchtete Eizelle wird als Zygote bezeichnet8. Bei Mensch oder Rind reift meist nur eine befruchtungsfähige Eizelle, beim Schaf reifen zwei bis drei, beim Schwein 15 bis 20 Eizellen gleichzeitig9. Beim Menschen kann diese Zahl durch Hormonbehandlung (Superovulation) auf vier bis sechs, bei Rind und Schaf auf sechs bis zehn und beim Schwein auf bis zu 40 steigen10. Tierische Eizellen können nicht nur aus den Eierstöcken lebender Tiere durch Punktion, sondern auch aus Eierstöcken von geschlachteten Tieren gewonnen werden11.

III. Embryo Als Embryo, von griechisch „ἔμβρυον“12, wird in der Biologie der sich aus einer befruchteten Eizelle entwickelnde Organismus ab dem Beginn der Organanlagen bezeichnet bis zum Zeitpunkt von acht Wochen, zu dem die wesentliche Organentwicklung abgeschlossen ist13. Danach wird er Foetus genannt14. Bei Embryonen in vitro kann mit Hilfe molekulargenetischer Methoden festgestellt werden, ob er der menschlichen Spezies angehört. Insbesondere in Großbritannien und Spanien wird der Embryo bis zur Ausbildung des Primitivstreifens15 14 Tage nach der Be-

5 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 4; Trennen sich während der Meiose die homologen Chromosomen nicht, kann eine Keimzelle zu viele oder zu wenig Chromosomen enthalten (numerische Chromosomenaberration), was eine Erbkrankheit zur Folge hat. 6 Von einer imprägnierten Eizelle spricht man nach Eindringen des Samens vor der Verschmelzung der Vorkerne (ca. fünf bis 20 Std. nach der Insemination), Biologie für Mediziner, S. 315. 7 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 4. 8 Pschyrembel, S. 1704. 9 Roche, Lexikon Medizin, S. 453; DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 4. 10 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 4 f. 11 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 5. 12 Ausgesprochen „émbryon“, gleich  „neugeborenes Lamm“, „ungeborene Leibesfrucht“ von ἐν en „in“ und βρύειν brýein, „hervorsprießen lassen, schwellen“, Pschyrembel, Stichwort „Embryo“. 13 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 13. 14 Pschyrembel, Stichwort „Foetus“. 15 Der Primitivstreifen ist für die Entwicklungssteuerung des Embryos verantwortlich und bildet sich nach einiger Zeit wieder zurück, Biologie für Mediziner, Stichwort „Embryologie“, S. 89.

A. Stammzellforschung und Stammzelltherapie

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fruchtung als „Prä-Embryo“ bezeichnet, in Deutschland wird dieser Begriff kaum verwendet16. Zu betonen ist bereits an dieser Stelle, dass sich die biologische Definition des Embryos von der juristischen Terminologie unterscheidet17. Oftmals wird, allerdings nicht unumstritten, auch bei solchen Lebewesen von Embryonen gesprochen, die auf andere Weise als der Vereinigung von Ei- und Samenzelle entstanden sind18.

IV. Embryogenese Die Embryonalentwicklung (Embryogenese) wird durch die Furchung der befruchteten Eizelle (Teilung ohne Wachstum) eingeleitet19. Nach mehrfacher Teilung bildet sich etwa vier Tage nach der Befruchtung ein kompakter Zellverband, welcher als Morula („Maulbeerkeim“) bezeichnet wird und aus einer Anzahl von Blastomeren (Furchungszellen) besteht20. Im Stadium von etwa 60 bis 125 Zellen, das nach etwa fünf Tagen erreicht wird21, entwickelt sich die Blastozyste, welche ein kugelförmiges, mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen darstellt, in dem sich zum einen Trophoblastzellen befinden, die für die Einnistung und spätere Ernährung des Embryos zuständig sind, sowie zum anderen Embryoblastzellen, aus denen sich der gesamte spätere Körper entwickelt22. Die Entwicklung bis in dieses Stadium kann auch in vitro erfolgen. Mit Erreichen des Blastozystenstadiums schlüpft der Embryo aus der Zona pellucida heraus23. Ist der Schlüpfprozess unvollständig und bleibt ein entwicklungsfähiger Teil der Zellen in der Zona zurück, so entwickeln sich die beiden Teile unabhängig voneinander zu eineiigen Zwillingen. Werden diese beim Schlüpfvorgang nicht vollständig getrennt, entstehen siamesische Zwillinge, die daher stets eineiig (monozygot) sind24. Die Bildung eineiiger Zwillinge ist auch nach Beginn der Einnistung in die Gebärmutter (Implantation, Nidation) noch möglich, welche normalerweise am fünften oder sechsten Tag nach der Befruchtung stattfindet25. Erst mit der Individuation nach Abschluss der Einnistung ist eine Mehrlingsbildung ausgeschlossen26. In den Wochen nach der Im-

16

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 13, FN 4. So gilt gem. § 8 I Alt. 2  ESchG bereits jede totipotente Zelle als Embryo, vgl. Teil  3: A. III. 2. 18 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 14. 19 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 13. 20 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 13 f. 21 Vgl. Brewe, S. 17; Beier in: Odunco, S. 47; Denker in: JWE 2000, S. 291. 22 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 14. 23 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 5. 24 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 5. 25 Brewe, Klonen, S. 6. 26 Brewe, Klonen, S. 6 m. w. N. 17

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

plantation in die Gebärmutter nimmt der Organismus allmählich menschliche Formen an, die beim zwölf Wochen alten Foetus deutlich in Erscheinung treten27.

V. Stammzelle Als Stammzelle wird allgemein jede Zelle bezeichnet, die sich in ihrem undifferenzierten Zustand über einen längeren Zeitraum vermehren sowie reifere Tochterzellen bilden kann und somit die Fähigkeit zur Differenzierung in bestimmte Zell- oder Gewebetypen28 besitzt29. Die Tochterzellen selbst weisen wiederum Stammzelleigenschaft aufgrund eines noch nicht vollständig geklärten Mechanismus asymmetrischer Zellteilung auf, der insbesondere durch das sie umgebende biologische Milieu beeinflusst wird30. 1. Monopotenz Einige Stammzellarten spezialisieren sich im Laufe der Entwicklung eines Organismus auf bestimmte Gewebeformen und können nur noch einen bestimmten Aufgabenbereich ausführen. Beschränkt sich das Vermögen dieser noch undifferenzierten Zellen auf einen einzigen Differenzierungsweg, handelt es sich um so genannte unipotente oder monopotente Stammzellen31. Die Epidermiszellen der Haut werden beispielsweise aus einer Lage solcher Stammzellen produziert. 2. Pluripotenz Der erwachsene Organismus besitzt zudem Stammzellen, die über die Fähigkeit verfügen, sich in verschiedene Körperzellen zu differenzieren. Diese Befähigung der Stammzellen zur unbegrenzten Vermehrung und Ausdifferenzierung bezeichnet man als Pluripotenz32.

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Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 14. „Gewebe“: Funktionsverband gleichartiger, differenzierter Zellen, Biologie für Medi­ ziner, S. 299. 29 Beier, Reproduktionsmedizin 2002, 25 (25); vgl. auch Enquête-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, Stammzellforschung, S. 8. 30 Wobus in: Wobus et al., S. 107; Beier, Reproduktionsmedizin 1999, 190 (191). 31 Berger, S. 20. 32 Wobus in: Wobus et al., S. 68; Schwarz in: KritV 2001, 185 (185). 28

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3. Multipotenz Multipotent33 sind Stammzellen, die sich zu verschiedenen Zelltypen einer bestimmten Linie entwickeln können, im Gegensatz zu pluripotenten aber nicht in der Lage sind, sich in nahezu jede Körperzelle zu entwickeln34. 4. Totipotenz Der Ausdruck Totipotenz wird unterschiedlich verwendet: Zellbiologisch wird darunter bereits die Fähigkeit verstanden, alle Zell- oder Gewebetypen einschließlich der Keimbahnzellen bilden zu können35; diese Befähigung wird auch als Omnipotenz bezeichnet36. Entwicklungsbiologisch wird darüber hinausgehend als weiteres Merkmal die Fähigkeit einer Zelle gefordert, bei Vorliegen der erforderlichen weiteren Voraussetzungen einen lebensfähigen Gesamtorganismus hervorzubringen und sich zu einem vollständigen Individuum zu entwickeln37. In eben dieser Form ging der Begriff auch in die juristische Totipotenzdefinition des Embryonenschutzgesetzes sowie des Stammzellgesetzes ein, wonach eine solche menschliche Zelle als totipotent gilt, die „sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag“38. Wissenschaftliche Befunde sprechen dafür, dass das Stadium der Toti­ potenz auf die befruchtete Eizelle und die Zellen der ersten Teilungsstadien begrenzt ist39. Bis dato ist nicht geklärt, wann beim Menschen die Totipotenz der Zellen beendet ist, vermutlich irgendwann zwischen dem 4- und dem 8-, im Einzelfall vielleicht auch erst dem 16-Zellstadium40. Es wird deshalb weit überwiegend davon ausgegangen, dass bereits die im deutlich späteren Stadium der Blastozyste entnommenen embryonalen Stammzellen als solche nur noch pluripotent sind41.

VI. Arten und Gewinnung von Stammzellen Entsprechend ihrer Herkunft, ihres ontologischen42 Alters und ihres Entwicklungspotenzials lassen sich verschiedene Typen von Stammzellen unterscheiden: 33

Von lat. multus = viel und potentia = Vermögen, Kraft, Pschyrembel, S. 714. Beier in: ZaeFQ 2002, 357. 35 Hartleb, S. 66. 36 Beier in: ZaeFQ 2002, 357; Denker in: Oduncu/Schroth/Vossenkuhl, S. 19 zu embryonalen Stammzellen, welche erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt (Blastozystenstadium) auftreten können. 37 Brewe, S. 7; Schütze, S. 6; Beier in: ZaeFQ 2002, S. 357. 38 § 8 I ESchG bzw. § 3 Nr. 4 StZG. 39 Beier, Reproduktionsmedizin 1999, 190 (191). 40 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 10; Twardzik/Rapp, S. 79 f. 41 Beier in: Odunco, S. 47; Denker in: JWE 2000, S. 291. 42 Duden: Ontologie = Lehre vom Sein, vom Seienden. 34

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1. Embryonale Stammzellen (hES) Bei (humanen) embryonalen Stammzellen43 handelt es sich um noch nicht ausdifferenzierte Zellen, aus denen durch Teilung wiederum undifferenzierte und zur Differenzierung fähige Zelle entstehen können44. Gewonnen werden diese durch Isolation aus der inneren Zellmasse eines wenige Tage alten Embryos im Blastozystenstadium45. Anschließend werden sie auf einem Nährboden kultiviert46. Hierzu dienen beispielsweise Fibroblasten (Bindegewebszellen) von Mäuseembryonen47. Durch die Entnahme der Stammzellen wird der Embryo zerstört, weshalb man von „verbrauchender Embryonenforschung“ spricht48. a) hES aus „überzähligen“ In-vitro-Fertilisations-Embryonen Für die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen können so genannte „überzählige“ Embryonen verwendet werden. Dabei handelt es sich um solche, die im Wege künstlicher Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) zum Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden sind und für die aus Gründen, die bei der Frau liegen (z. B. Sinneswandel, Erkrankung oder Tod), keine Verpflanzung in die Gebärmutter der Frau mehr geplant ist49. Man bezeichnet sie als „überzählig“, um die Überflüssigkeit bei der Herbeiführung der Schwangerschaft zu betonen50. Die Erfolgsrate der künstlichen Befruchtungstechnik liegt bei etwa 25 Prozent, weshalb meist mehrere Eizellen im Reagenzglas befruchtet werden, von denen nur ein Teil in den mütterlichen Uterus übertragen wird. Sehr umstritten ist, wie viele Eizellen befruchtet werden dürfen. § 1 I Nr. 5 ESchG stellt unter Strafe, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Durch diese Beschränkung sollen die Erfolgsaussichten einer Schwangerschaft erhöht, gleichzeitig aber die Risiken einer komplikationsträchtigen Mehrlingsgravidität verringert und die Erzeugung „überzähliger“ Embryonen eingedämmt werden51. Da § 1 I Nr. 3 ESchG nur den Transfer von drei Embryonen gestattet, folgern einige, dass § 1 I Nr. 5 ESchG nur die Befruchtung von drei Ei 43

Abgekürzt hES. Pschyrembel, S. 1494. 45 Dingermann in: PhZ 2001, S. 10; Pschyrembel S. 1576 f.; Brewe, S. 4 m. w. N. 46 Brewe, S. 4. 47 Vgl. Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 199. 48 Der Begriff „verbrauchende“ Embryonenforschung wurde von Wuermeling gewählt, um die Fragwürdigkeit dieser Experimente schon in der Begriffswahl zum Ausdruck zu bringen, vgl. Wuermeling in: MMV 1983, 1189; kritisch demgegenüber Iliadou, S.  31, FN. 67. Forschungsziel bildet aber die Entnahme ohne Zerstörung des Embryos, z. B. indem Blastomeren in früherem Stadium entnommen werden, wie es auch zum Zwecke der Präimplantations­ diagnostik (PID) durchgeführt wird, vgl. Geisler, S. 1. 49 Geisler, S. 1, vgl. auch die Definition in § 4 II Nr. 1 lit. b StZG. 50 Klopfer, S. 22. 51 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 1 ESchG, Rn. 2. 44

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zellen erlaube („Dreier-Regel“)52. In diesem Sinne spricht sich auch die Bundesärztekammer (BÄK) in 3.1.2 der Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktionsmedizin53 aus. In der juristischen Literatur setzt sich hingegen die Ansicht durch, die ein solches Konnexitätsverhältnis zwischen extrakorporaler Erzeugung und intrazyklischem Transfer ablehnt und nach der ein Arzt so viele imprägnierte Eizellen über das Vorkernstadium hinaus kultivieren und befruchten darf, wie er nach seiner ärztlichen Einschätzung benötigt, um maximal drei Embryonen zu gewinnen54. Die dennoch übrig gebliebenen befruchteten Eizellen werden (kurz nach der Kernverschmelzung als Embryonen oder kurz zuvor im Vorkernstadium) bei -196 Grad Celsius kryokonserviert55. Während viele ausländische Rechtsordnungen die Gewinnung von Stammzellen aus „überzähligen“ Embryonen erlauben, ist dies nach der deutschen Rechtslage nicht gestattet: Unter Androhung von Strafe verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz jede Verwendung eines Embryos, die nicht seiner Erhaltung dient56. b) hES aus „verworfenen“ PID-Embryonen Weiterhin können nach einer Präimplantationsdiagnostik (PID) „verworfene“ Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen herangezogen werden. Mit Hilfe der PID kann bei einer Familie, bei der erbliche Belastungen bekannt sind, verhindert werden, dass ein Kind mit einer schweren Krankheit geboren wird, die nicht heilbar, oft sogar unbehandelbar ist57. Das Verfahren setzt eine In-vitro-Fertilisation voraus, wurde 1990 erstmals angewendet und hat weltweit zur Geburt von ca. 11.000 Kindern geführt58. Dabei werden den in vitro erzeugten Embryonen einzelne Zellen entnommen und auf bestimmte genetische Belastung hin untersucht. Die Entnahme erfolgt in der Regel dann, wenn der Embryo aus bis zu zehn Zellen besteht59. Aufgrund der Untersuchung des Erbmaterials kann festgestellt werden, ob genetische Veränderungen auf molekularer Ebene vorliegen, welche mit Erbkrankheiten in Verbindung gebracht werden60. Weist der Embryo Anomalien auf, wird er nicht transferiert. Solche Embryonen sind für die Erforschung der jeweiligen Krankheit besonders geeignet.

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Neidert in: ZRP 2006 (86); Prütting/Höfling, § 1 ESchG, Rn. 20. Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktionsmedizin Novelle 2006, online abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.45.3261. 54 Frommel Reproduktionsmedizin, S.  158 f.; Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 6 ff; Frommel/Taupitz/Ochsner/Geisthövel, S. 98 f. 55 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 1 I Nr. 5, Rn. 4. 56 Vgl. z. B. §§ 2 I, II, 1 I Nr. 6 ESchG. 57 Kreß in: ZRP 2010, 201 (201). 58 Simpson, S. 682. 59 Ludwig/Al-Hasani/Diedrich, S. 699. 60 Caesar, S. 8, 28. Praxistauglich ist die PID bei monogen verursachten Erkrankungen und Chromosomenstörungen. 53

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c) hES aus lebenden Embryonen, ohne diese zu töten In der Literatur taucht der Vorschlag auf, lebenden Embryonen Stammzellen zu entnehmen, ohne den Embryo zu töten. Man könne dem mittels In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryo im 8-Zellstadium eine Zelle abspalten, diese dann weiter vermehren und den verbleibenden 7-Zeller der Frau implantieren61. Denn wird die Zelle im 8-Zellstadium entnommen, handelt es sich noch um eine totipotente Zelle, aus der sich, zumindest statistisch, ein erwachsener Mensch entwickeln könnte62. Neben der ethischen Problematik stellt sich die Frage, welche Frau sich einen Embryo einpflanzen lassen will, dem eine Zelle entnommen worden ist und von dem man nicht weiß, ob er dadurch Schaden erlitten hat63. Die erste Veröffentlichung zu diesen Versuchen entpuppte sich als Fälschung, die Embryonen wurden entgegen den Behauptungen durch die Zellentnahme getötet64. d) hES aus toten Embryonen Das amerikanische, vom Bioethikrat herausgegebene, „White Paper“65 schlägt vor, tote Embryonen zur Gewinnung pluripotenter Stammzellen zu verwenden: Analog zur Organspende bei hirntoten Menschen sollen aus toten Embryonen lebendige Zellen entnommen werden66. Die besondere Problematik einer solchen Vorgehensweise liegt zum einen darin, ein geeignetes Todeskriterium zu finden, das dem Hirntodkriterium verstorbener Menschen entspricht. Zum anderen ist bislang die Frage unbeantwortet geblieben, welches Potenzial die aus toten Zellen gewonnenen (lebendigen) Zellen noch haben, ob sie tatsächlich totipotent sind und sich somit noch zu einem neuen Embryo entwickeln können67. e) Import von hES aus dem Ausland Unter bestimmten Voraussetzungen besteht die Möglichkeit, im Ausland gewonnene pluripotente embryonale Stammzellen für die wissenschaftliche Forschung bzw. den medizinischen Einsatz nach Deutschland zu importieren. Aus diesen können Stammzell-Linien entwickelt und in Kultur gehalten oder kryo-

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Beck, S. 19. Beck, S. 19. 63 Beck, S. 19. 64 Abbot, S. 12; Stollorz in: FAZ So v. 27.08.2006. 65 Das White Paper wurde vom President’s Council on Bioethics des amerikanischen Präsidenten im Jahr 2005 ausgearbeitet; in diesem werden vier alternative Lebensformen vor­ gestellt und auf ihre ethische Vertretbarkeit hin diskutiert, vgl. Beck, S. 17. 66 Beck, S. 18. 67 Beck, S. 18 f. 62

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konserviert werden68. Zur Erstellung einer ES-Zell-Linie ist der Verbrauch von ca. 30 bis 40 Embryonen erforderlich69. § 4 II  StZG knüpft den Import an eine Reihe von Bedingungen. So muss es sich bei den Embryonen, aus denen die Stammzellen entnommen wurden, um „überzählige“ IVF-Embryonen handeln, § 4 II S. 1 lit. b StZG. Embryonen, die nach der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik „verworfen“ wurden, werden demgegenüber als zulässige Quellen der Stammzellengewinnung ausgeschlossen, obwohl das Verfahren in Deutschland zulässig ist (vgl. § 3a  ESchG). Ebenso wie „überzählige“ IVF-Embryonen haben auch „verworfene“ PID-Embryonen keinerlei Entwicklungschancen, weil keine Frau sich diese einpflanzen lassen würde. Dieser Wertungswiderspruch wird zu Recht kritisiert70. Hinzu kommt, dass sich PID-Embryonen besonders für die Erforschung „ihrer“ genetischen Erkrankungen eignen. Haltbar ist das Verbot der Nutzung „verworfener“ PID-Embryonen daher allenfalls mit der Begründung, dass der deutsche Gesetzgeber geringere ausländische Anforderungen an die PID nicht implizit billigen will71. Ferner dürfen laut § 4 II S. 1 a StZG nur solche Stammzellen importiert werden, die vor dem 01. Mai 2007 gewonnen worden sind. Damit stellt sich die Frage der Haltbarkeit bzw. Verwertbarkeit älterer Stammzellen. Für anwendungsorientierte medizinische Nutzungen humaner embryonaler Stammzellen müssen solche Zell-Linien zur Verfügung stehen, die nach EUStandards etabliert, also gemäß „current Good Manufacturing Practice“ (cGMP) bzw. „Good Laboratory Practice“ (GLP) zertifiziert wurden72. Ob diese Standards auch bei den beiden deutschen Forschern zur Verfügung stehenden „xeno-freien“ hES-Zell-Linien, die also ohne jegliche tierische Bestandteile etabliert und kultiviert wurden, angewandt worden sind, ist aus den Primärpublikationen nicht sicher zu entnehmen73. f) hES aus therapeutischen Klonen Weiterhin ist an die Entnahme von Stammzellen aus solchen Embryonen zu denken, die eigens und ausschließlich zu dem Zweck der Stammzellengewinnung durch Klonierung erzeugt wurden74 und die man deshalb auch Forschungsembryonen nennt75. Ihre Erzeugung wird als therapeutisches Klonen bezeichnet und stellt 68

Wobus in: Wobus et al., S. 78. Bioethik-Kommission RP 2002, S. 14. 70 Vgl. Taupitz, Vortrag „Verfassungsrechtliche Zielkonflikte des Stammzellgesetzes“ anlässlich des Symposiums 2012 der ZES, online abrufbar unter: http://www.rki.de/DE/Con tent/Kommissionen/ZES/Vortrag_Taupitz.pdf?__blob=publicationFile. 71 Vgl. Taupitz, Vortrag „Verfassungsrechtliche Zielkonflikte des Stammzellgesetzes“ anlässlich des Symposiums 2012 der ZES, online abrufbar unter: http://www.rki.de/DE/Con tent/Kommissionen/ZES/Vortrag_Taupitz.pdf?__blob=publicationFile. 72 Nold/Brendel et al in: BBRC 2013, 325 (228). 73 Nold/Brendel et al in: BBRC 2013, 325 (232). 74 Geisler, S. 1. 75 Klopfer, S. 22. 69

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eine sehr umstrittene Möglichkeit zur Gewinnung embryonaler Stammzellen dar. Teilweise werden auch die Begriffe des experimentellen Klonens oder des Klonens zu biomedizinischen Forschungszwecken verwendet76. g) ES aus Mensch-Tier-Hybriden Mittels In-vitro-Fertilisation könnten menschliche und tierische Gameten vermischt und ein Hybrid-Embryo erzeugt werden, aus dem sich embryonale Stammzellen gewinnen ließen. Die Prozedur wird in Wissenschaftskreisen jedoch nicht einmal theoretisch als Option zur Generierung von Stammzellen diskutiert. Zudem bestehen ernsthafte Zweifel, ob eine künstliche Befruchtung zwischen Mensch und Tier überhaupt zur Entwicklung eines Embryos führen kann77. h) ES aus Mensch-Tier-Zybriden Schließlich versuchen Forscher, aus durch Zellkerntransfer hergestellten Mensch-Tier-Zybriden Stammzellen zu gewinnen78. Anders als beim therapeutischen Klonen wird dabei keine menschliche, sondern eine entkernte tierische Eizelle verwendet. Viele Wissenschaftler glauben, dass die Erzeugung von MenschTier-Zybriden in der Zukunft eine Methode zur Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen für jeden beliebigen menschlichen Patienten darstellen könnte79. Da sich nukleozytoplasmatische Kombinationen zwischen verschiedenen Spezies nicht über das Blastozystenstadium hinaus entwickeln, kann man auch bezweifeln, ob die Verwendung nicht-menschlicher Eizellen eine funktionsfähige und gleichwertige Alternative zum therapeutischen Klonen darstellt80. 2. Embryonale Keimzellen Embryonale Keimzellen  – embryonic germ cells (EG-Zellen)  – können aus fünf bis neun Wochen alten abgetriebenen oder abgegangenen Embryonen oder Foeten gewonnen werden. Man bezeichnet diese Vorläufer der Ei- bzw. Samenzellen als primoridiale Keimzellen81, die im Labor zu embryonalen Keimzellen weiterentwickelt und ebenfalls den Stammzellen zugeordnet werden82. An 76 Vgl. Internationale Konferenz in Berlin: Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion, 14. – 16. Mai 2003; Nationaler Ethikrat Klonen, S. 13. 77 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 33; vgl. Deutscher Ethikrat 2011, S. 22. 78 Vgl. hierzu Teil 2: C. III. 79 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 50 f. 80 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 51. 81 Pschyrembel, S. 1357. 82 Schütze, S. 11.

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ders als die Gewinnung embryonaler Stammzellen ist die Entnahme von Zellen aus einem geborenen Menschen oder einem Foetus von Rechts wegen gestattet und somit auch die Entnahme embryonaler Keimzellen. Denn deren Gewinnung fällt nicht unter das ESchG, weil sich dieses auf den Embryonenschutz vom Zeitpunkt der Befruchtung bis zur Nidation bezieht83. Ebenso wie embryonale Stammzellen zeichnen sich embryonale Keimzellen durch ein hohes Proliferations- und Entwicklungspotenzial aus. Jedoch kann trotz ihrer Pluripotenz derzeit noch nicht abgeschätzt werden, ob und wie sie sich differenzieren und in einen menschlichen Organismus integrieren lassen. Einerseits existieren Hinweise, dass aus embryonale Keimzellen u. a. neuronale oder myokardiale Zellverbände entstehen können84, andererseits deuten Versuche mit embryonalen Keimzellen an Mäuseembryonen darauf hin, dass embryonale Keimzell-Linien bestimmte Entwicklungsstörungen aufweisen, welche sich negativ auf ihren therapeutischen Einsatz auswirken könnten85. Ob sich die hochrangigen medizinischen Ziele der Stammzellforschung auch durch die Verwendung von EG-Zellen erreichen lassen, lässt sich zurzeit noch nicht beurteilen. 3. Neonatale Stammzellen Neonatale Stammzellen werden aus Nabelschnurblut gewonnen, das reich an Blutstammzellen (hämopoetischen Stammzellen) ist86. Weltweit werden in bestimmten Zentren bereits Nabelschnurblutbanken angelegt87. Da Nabelschnurblut bei jeder Geburt als „Abfall“ anfällt, ist sein Einsatz ethisch unproblematisch. Nach einer Richtlinie der Deutschen Bundesärztekammer zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut88 ist es erst bei einem Geburtsgewicht von mindestens 1500 g erlaubt, Nabelschnurblut zu gewinnen, und weder Mutter noch Kind dürfen durch die Entnahme gefährdet werden. Unabhängig von Fragen des Eigentums- und Verfügungsrechts entscheiden jedenfalls rein praktisch die Eltern über die Verwendung des Nabelschnurblutes und können sich für eine gerichtete, also einen Empfänger benennende, oder eine ungerichtete (allogene) Spende des Nabelschnurblutes mit unspezifischem Empfänger, eine Einlagerung oder Verwerfung entscheiden89. Insbesondere bei Kindern hat sich die Therapie mit neonatalen Stammzellen als gute Alternative zu adulten Stammzellen aus Knochenmark 83

Begründung zum Entwurf des Embryonenschutzgesetzes, BT-Drs. 11/5460, S. 7. Beier, Reproduktionsmedizin 2002, 25 (29). 85 DFG 2003, S. 13; Enquête-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, Stammzellforschung, S. 7. 86 Klopfer, S. 21. 87 Vgl. hierzu URL: http://cloning.ch/cloning/stammzellen.html. 88 Bundesärztekammer, Richtlinien zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnur­ blut, Art. 4.1.2, Stand 14.05.1999. 89 Enquête-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, Stammzellforschung, S. 61. 84

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

oder peripherem Blut erwiesen90. In Zukunft wird sich die Forschung an neonatalen Stammzellen nicht auf ihre blutbildenden Funktionen beschränken, sondern auf ihre Verwendung als Zellersatz ausdehnen, weil sie möglicherweise auch solche Stammzellen enthalten, die sich z. B. in Knorpel-, Knochen- oder Muskelzellen differenzieren können91. Ob sich diese Hoffnungen erfüllen, bleibt abzuwarten. 4. Foetale Stammzellen Auch foetale Stammzellen werden getestet. Diese sind zwar nicht mehr so wandelbar wie embryonale, jedoch erweisen sie sich als deutlich wachstumsfreudiger als adulte Stammzellen92. Sie werden aus älteren Embryonen oder Foeten gewonnen, bei denen sich die inneren Organe schon ausgebildet haben93, wobei es sich um abgegangene oder abgetriebene Embryonen und Foeten handelt. Die Stammzellen sind dann schon weiter entwickelt und bereits auf ein bestimmtes Körpergewebe festgelegt, also lediglich multipotent94. Pluripotente Stammzellen können nur noch aus den Urkeimzellen der Keimdrüsenleiste gewonnen werden. Diese weisen ähnliche Eigenschaften auf wie embryonalen Stammzellen95. In der Medizin haben foetale Stammzellen eine Reihe von Vorteilen. Als sehr „junge“ Zellen weisen ihre Erbanlagen kaum Schäden auf, ihr Wachstumspotenzial ist noch sehr hoch und sie sind einfach zu isolieren96. Aus ethischer Hinsicht ist ihr Einsatz nicht unproblematisch. Dadurch, dass sie zumeist aus abgetriebenen Foeten gewonnen werden, lösen sie nicht weniger Proteste aus als die Abtreibung selbst97. Hinzu kommen erhebliche praktische Probleme: Die Anzahl der Stammzellen, die aus einem Foetus isoliert werden kann, ist sehr gering und die Vermehrung schwierig, sodass niemals eine ausreichende Zahl an Zellen zur Verfügung stehen wird, um große Patientenzahlen zu behandeln. Ob foetale Stammzellen mit embryonalen Stammzellen konkurrieren können, bleibt fraglich. 5. Adulte Keimzellen Adulte (gewebespezifische oder somatische) Keimzellen sind in den Geweben und Organen eines erwachsenen Organismus vorhanden. Mittels Wachstumsfak 90 Dohmen in: Bundesgesundheitsblatt  – Gesundheitsforschung  – Gesundheitsschutz, Januar 2004, Band 47, Thema 1, S. 21. 91 Dohmen in: Bundesgesundheitsblatt  – Gesundheitsforschung  – Gesundheitsschutz, Januar 2004, Band 47, Thema 1, S. 21. 92 Pojda et al., S. 209. 93 Vgl. URL: http://www.wissensschau.de/stammzellen/foetale_stammzellen.php. 94 Pojda et al., S. 212. 95 Pojda et al., S. 211. 96 Vgl. URL: http://www.wissensschau.de/stammzellen/foetale_stammzellen.php. 97 Vgl. URL: http://www.wissensschau.de/stammzellen/foetale_stammzellen.php.

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toren können sie dazu angeregt werden, sich in einen spezialisierten Zelltyp zu entwickeln98. Adulte Stammzellen aus Knochenmark konnten über ein Jahr in bis zu 80 Zellen durch Teilung vermehrt werden, ohne dass ihre Pluripotenz verloren ging99. Aus diesen Studien resultiert die Erkenntnis, dass  – abhängig von den Kultivierungsbedingungen  – aus nicht-blutbildenden Zellen des Knochenmarks mesodermale Progenitor-Zellen (MPC’s) entstehen, die sowohl die Blutbildung unterstützen als auch verschiedene Typen von Bindegewebe wie Knorpelund Knochengewebe bilden können100. Nach der Transplantation in Versuchstiere konnten Muskelstammzellen Blutzellen bilden oder Blutstammzellen Hirn- und Muskelzellen entwickeln101. Dies weckt Hoffnungen, dass sich Stammzellen, die der Regeneration eines bestimmten Gewebes dienen, gezielt in Zellen eines anderen Zelltyps differenzieren lassen. Vielleicht können sie auch zu pluripotenten Stammzellen reprogrammiert werden, die in Zellersatzstrategien eingesetzt werden können102. 6. Adulte Stammzellen Ferner können adulte Stammzellen, also Körperzellen des erwachsenen Organismus, eingesetzt werden. Diese können dem Patienten selbst entnommen und wieder zurücktransplantiert werden, was den unbestreitbaren Vorteil aufweist, dass keine Abstoßungsreaktionen auftreten, wie es beim Einsatz embryonaler oder foetaler Stammzellen häufig der Fall ist103. Damit weisen sie jenen Vorteil auf, der Stammzellen zugeschrieben wird, die mit dem Erbgut des Patienten geklont wurden104. Die Forschung hat zudem gezeigt, dass adulte Stammzellen ein sehr viel breiteres Differenzierungspotenzial aufweisen, als zunächst angenommen wurde105. Im Vergleich zu foetalen und embryonalen Stammzellen ist ihr Entwicklungspotenzial jedoch deutlich geringer, weshalb sie oftmals nur als multipotent bezeichnet werden106. Jedenfalls gibt es bisher keinen Nachweis, dass reine adulte Stammzellen pluripotent sind und ihre bislang demonstrierte Plastizität in vivo tatsächlich auf einzelne Stammzellen zurückgeht und nicht auf einem eben nur im Körper realisierbaren Zusammenspiel mit weiteren unbekannten biologischen Faktoren beruht107. Im Vergleich zu embryonalen Stammzellen sind adulte 98

Vgl. URL: http://cloning.ch/cloning/stammzellen.html. Vgl. URL: http://cloning.ch/cloning/stammzellen.html. 100 Vgl. URL: http://cloning.ch/cloning/stammzellen.html. 101 Brewe, S. 9. 102 Brewe, S. 9. 103 Vgl. URL: http://cloning.ch/cloning/stammzellen.html. 104 Kollek 1998, S. 78 f. 105 Enquête-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, Stammzellforschung, S. 36. 106 Enquête-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, Stammzellforschung, S. 3. 107 Merkel, S. 259. 99

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in ihren Ursprungsgeweben im Körper sehr selten anzutreffen und offenbar ist es schwierig, sie genau zu identifizieren, zu isolieren und von Beimischungen anderer Zellen zu reinigen. Im Hinblick auf die Fähigkeit zur Proliferation im undifferenzierten Zustand in vitro, welche unabdingbar ist, um für eine Umwandlung in transplantables Gewebe in Frage zu kommen, sind sie embryonalen Stammzellen deutlich unterlegen. Von einer Äquivalenz der beiden Stammzelltypen für die angestrebten Forschungsziele kann jedenfalls keine Rede sein108. 7. Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) Nach neueren Forschungsergebnissen mit Tierzellen könnte es zukünftig möglich werden, einzelne somatische Zellen durch ein als Reprogrammierung bezeichnetes Verfahren in einen Zustand zurückzuversetzen, in dem sie keine Differenzierung mehr in Zellen der Haut, des Herzens, der Leber oder anderer Organe aufweisen, gleichzeitig aber die Spezialisierung aller Organe entwickeln können109. Im Jahr 2006 wurde von den Japanern Kazutoshi Takahashi und Shinya Yamanaka erstmals diese Alternative zu Stammzellengewinnung aus Embryonen präsentiert110. Die Forscher setzten Schwanzzellen von Mäusen mit Hilfe von vier Kontrollgenen in eine Art embryonalen Zustand zurück und nannten das Produkt „induzierte pluripotente Stammzellen“ („induced pluripotent stem cells“, abgekürzt iPS). Allgemein versteht man unter diesen beliebige Körperzellen, die durch eingeschleuste Steuerungsgene in pluripotente Stammzellen umprogrammiert wurden111 und aus denen sich Zellen für Ersatzgewebe züchten lassen, ohne dass ein Embryo hergestellt oder zerstört werden müsste. Im Februar 2009 gelang es Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in Münster, Mäuse-Hirnzellen durch Einschleusen eines Gens in pluripotente Stammzellen zu verwandeln, aus denen sie Herz-, Nerven- und Keimzellen sowie einen Foetus züchteten112. Das Einschleusen von Genen birgt allerdings Risiken. Der Münsteraner Hans Schöler konnte im April 2009 iPS-Zellen von Mäusen präsentieren, die mit nur einem Kontrollgen aus Nervenstammzellen gewonnen wurden113. Im Jahr 2012 kam die Gruppe um Hans Schöler und Frank Edenhofer sogar ganz ohne Gene aus114 und stellte aus Maushautzellen auf direk 108

Merkel, S. 259. Faltus in: MedR 2008, 544 (544); im zellbiologischen Sinne sind induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) totipotent, nach klassisch-biologischer Begrifflichkeit hingegen dürfen sie nur als pluripotent bezeichnet werden, Hartleb, S. 66. 110 Takahashi/Yamanaka, S.  760; vgl. auch Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 111 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012;­ Takahashi/Yamanaka, S. 760. 112 Spiegel-Online am 05.02.2009, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,15 18,605606,00.html. 113 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 114 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 109

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tem Weg – ohne den Umweg über pluripotente Zellen – Nervenstammzellen her115. Zudem entwickelte das Team des Bonner Forschers Oliver Brüstle ein Verfahren, mit dem menschliche Hautzellen mit Hilfe niedermolekularer Wirkstoffe praktisch eins zu eins in funktionierende Nervenzellen konvertiert werden können116. John Gurdon und Shinya Yamanaka erhielten 2012 den Medizin-Nobelpreis für ihre wegweisenden Erkenntnisse zur Reprogrammierung von Körperzellen in embryonale Stammzellen117. Langfristig könnte die direkte Umwandlung womöglich im Körper angewendet werden. Einem US-Team gelang es etwa, einen Zelltyp in der Bauchspeicheldrüse in Insulin bildende Zellen umzuwandeln118. Ein Vorteil induzierter pluripotenter Stammzellen liegt darin, dass die medizinischen Ziele der Stammzellforschung ohne den Einsatz (menschlicher oder tierischer) Eizellen erreicht werden könnten. Sobald man diese Zellen einzeln und gezielt erzeugen kann, wäre die momentan erforderliche Zerstörung eines Embryos zur Stammzellengewinnung nicht mehr notwendig. Solche iPS-Zellen sind damit „ethisch unbelastet“119. Die kommenden Jahre müssen jedoch erst noch zeigen, ob die hohen Erwartungen in die iPS-Zellen gerechtfertigt sind, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt berechtigte Zweifel bestehen, ob die Probleme der iPS-Zellen zukünftig gelöst werden können. Diese liegen in der möglicherweise inkompletten Reprogrammierung, dem Auftreten von Mutationen nach der Reprogrammierung, der Aktivierung von Retroelementen im Genom und der bisherigen Notwendigkeit, Retrooder Adenoviren, deren Einsatz mit Krebsrisiko verbunden ist, zu verwenden120. Alternativen hierzu sind noch nicht ausgereift121. Induzierte pluripotente Stammzellen weisen zudem den Nachteil auf, dass sie genomisch genauso alt sind wie der Körper, dem sie entnommen wurden, und deshalb alle Mutationen tragen, die sich im Laufe des Alterungsprozesses natürlicherweise angehäuft haben. Mit diesen Schäden erhöht sich auch das Risiko für Krebs122. Von klinischen Studien mit iPSZellen am Menschen sind Forscher deshalb noch weit entfernt123. Nach Meinung der Naturwissenschaftler sind die iPS zum derzeitigen Stand somit noch nicht in der Lage, humane embryonale Stammzellen zu ersetzen124.

115

Vgl. URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/nobelpreis-medizin-der-preisgeht-an-shinya-yamanaka-und-john-gurdon-a-860020.html. 116 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 117 Vgl. URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/nobelpreis-medizin-der-preisgeht-an-shinya-yamanaka-und-john-gurdon-a-860020.html. 118 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 119 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 120 Deutscher Ethikrat 2011, S. 95. 121 Blasco/Serrano/Fernandez-Capetillo 2011, S. 994. 122 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012;­ Takahashi/Yamanaka, S. 761. 123 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 124 Faltus in: MedR 2008, 544 (547).

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8. Stammzellen aus hydatidiformen Molen Weiterhin ist an eine Stammzellengewinnung aus hydatidiformen Molen zu denken125. Darunter versteht man fehlerhaft befruchtete Eizellen, wobei zwischen partiellen und kompletten Molen differenziert wird126. Bei den partiellen wird eine normale kernhaltige Oozyte mit zwei Spermien befruchtet, das entstandene Lebewesen ist jedoch nicht lebensfähig und kann nur einige Zeit existieren127. Demgegenüber versteht man unter kompletten Molen Eizellen ohne Kern, die entweder von einem oder zwei Spermien befruchtet werden und nur väterliches Erbgut aufweisen128. Bei beiden Formen ist fraglich, ob es sich um Embryonen handelt und ob sie zur Stammzellengewinnung tauglich sind. 9. Stammzellen aus mit künstlichen Spermien fusionierten Eizellen Zudem versuchen Forscher, künstliche Spermien zu erzeugen und mit ihnen Eizellen zu befruchten. Inzwischen ist es in Versuchen bei Mäusen bereits gelungen, mit künstlichen Spermien, nämlich Spermien aus embryonalen Stammzellen, Eizellen zu befruchten, aus denen sich lebendige Mäuse entwickelten, die allerdings kurz nach der Geburt abstarben129. Möglicherweise lassen sich in Zukunft aber Stammzellen aus derartig erzeugten Embryonen gewinnen. Jedoch werden zur Herstellung der künstlichen Spermien wiederum embryonale Stammzellen benötigt, sodass das Problem der Stammzellengewinnung eher verlagert als gelöst wird. 10. Somatische Hybridzellen als Stammzellersatz Eine Alternative zur Gewinnung individualspezifischer embryonaler Stammzellen aus therapeutischen Klonen bildet möglicherweise die Verwendung somatischer Hybridzellen. Diese entstehen durch den Transfer eines Zellkerns in entkernte embryonale Stammzellen130. Nach der Fusion der beiden diploiden Zellen bilden sich die Hybridzellen, deren Genom aus zwei separaten Zellkernen besteht (heterokaryonte Hybride)131. Noch ist es allerdings nicht gelungen, die Chromosomen der ES-Zellen vor oder nach der Zellfusion132 aus den Zellen zu entfernen und 125

Austriaco, S. 698. Beck, S. 24. 127 Beck, S. 24. 128 Beck, S. 24. 129 Nayernia, S. 128. 130 Heinemann, S. 196. 131 Heinemann, S. 196. 132 „Zellfusion“: Bildung mehrkerniger Zellkomplexe durch Auflösung von Zellmembranen, Biologie für Mediziner, S. 315. 126

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in der Hybridzelle ausschließlich das reprogrammierte diploide Kerngenom133 der somatischen Zelle zu etablieren134. 11. Künstliche Keimzellen aus Haploidisierung In engem Zusammenhang mit dem Klonen steht das Verfahren der Haploidisierung, bei dem künstliche Keimzellen mit Hilfe des Erbmaterials aus Körperzellen hergestellt werden135. Dazu wird eine Eizelle wie beim Verfahren des Zellkerntransfers entkernt und ihr haploides Kernmaterial durch den diploiden Kern einer somatischen Zelle ersetzt. Anschließend wird die Zelle mit Hilfe elektrischer Impulse aktiviert136. Die Zelle durchläuft eine Meiose, sodass das diploide Kernmaterial der eingeführten Zelle reduziert wird137. Via Polkörperchen wird ein Chromosomensatz138 aus der Zelle hinausbefördert, sodass die Zelle wie eine normale reife Keimzelle einen haploiden Chromosomensatz aufweist139. Das Ooplasma verfügt somit nicht nur über die Fähigkeit der Reprogrammierung und der Einleitung der Teilung, sondern auch der Haploidisierung eines normalen Chromosomensatzes140. Mit Hilfe der Haploidisierung kann eine rekonstruierte Eizelle mit einem Spermium befruchtet oder können männliche Körperzellen in Keimzellen umgewandelt und für die Befruchtung verwendet werden141. Im Unterschied zum Klonen findet bei der Haploidisierung142 eine (zufällige) Neukombination des Erbmaterials statt143. Zur Stammzellengewinnung wird die Methode bislang nicht angewendet.

133

„Kerngenom“ meint die Erbinformation des Zellkerns, die Zellkern-DNA. Heinemann, S. 197. 135 Leinmüller in: DÄBl. 2002, S. C 992; Traufetter in: Der Spiegel 37/2002, S. 154–156. 136 Hetz, S. 57. 137 Hetz, S. 57. 138 „Chromosom“: Bindungsstruktur, bestehend aus einer linearen Anordnung von Genen, Biologie für Mediziner, S. 295. 139 Müller-Jung in: FAZ v. 10.07.2001. 140 Hetz, S. 57. 141 Tsai et al., S. 994. 142 Da weder eine Reprogrammierung der Zelle stattfindet noch das Durchgangsstadium der Totipotenz durchlaufen wird, findet § 6  ESchG keine Anwendung, auch scheidet eine Strafbarkeit nach § 5 I ESchG aus, weil durch die Haploidisierung erst eine Keimzelle hergestellt werden soll. Auch die daran anschließende Befruchtung unter Verwendung der künstlichen Keimzelle fällt nicht unter § 5 II  ESchG, denn durch die Haploidisierung entsteht erst eine künstliche Keimzelle, welche genetisch nicht verändert ist. Ein mittels Haploidisierung entstandener Embryo würde jedoch als Embryo im Sinne des § 8 I ESchG gelten: Hetz, S. 78 f. 143 Hetz, S. 58. 134

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12. Embryonale Stammzellen aus Tieren Ein gelegentlich als Alternative zur Forschung an humanen Embryonen ins Feld geführtes Verfahren stellt die ausschließliche Forschung am Tiermodell dar. So wird zum Teil  die Meinung vertreten, auch an Mäuse-Stammzellen ließen sich die Kultivierbarkeit von Stammzellen sowie deren Mechanismen der Differenzierung erforschen144. Höchst zweifelhaft erscheint jedoch eine Ergebnisübertragung auf den Menschen, weil die Differenzierungsmechanismen embryonaler Mäuse-Stammzellen teilweise durch andere Wachstumsfaktoren gesteuert werden, als dies bei menschlichen embryonalen Stammzellen der Fall ist145. Im Jahr 2007 schien sich eine Lösung der Problematik abzuzeichnen, als Forscher Zellen aus weiterentwickelten Mäuse-Foeten isolierten, welche auf die getesteten Wachstumsfaktoren auf die gleiche Art und Weise reagierten wie humane embryonale Stammzellen146. Neuere Forschungsergebnisse von 2010 bereiteten der Euphorie jedoch ein Ende und zeigten, dass die Stammzellen der Mäuse nicht mit menschlichen embryonalen Stammzellen gleichgesetzt werden können. Zwar reagieren diese Zellen ähnlich auf bestimmte Wachstumsfaktoren wie z. B. Activin, dies ist jedoch auf andere Mechanismen zurückzuführen147. Insofern war die Forschung an Stammzellen der Mäuse irreführend.

VII. Forschung mit embryonalen Stammzellen Die Forschung mit embryonalen Stammzellen gilt als ein Gebiet mit großem Potenzial und breit gefächerten Forschungszielen. 1. Begriff der Forschungstätigkeit Forschung stellt die Arbeitsmethode der Wissenschaft dar und damit ein Vorgehen, das über den Einzelfall hinaus zu gesicherten Erkenntnissen führen soll148. Dabei muss die Forschung von der Anwendung unterschieden werden, also von der praktischen Umsetzung bestimmter Erkenntnisse; man spricht insoweit auch von medizinischer Praxis149. Medizinische Praxis, welche die Standardbehandlung und den individuellen Heilversuch umfasst, und Forschung, einschließlich therapeutischer Forschung (klinischer Versuch) und wissenschaftlichem Expe 144

Vgl. URL: http://www.drze.de/im-blickpunkt/stammzellen. Vgl. URL: http://www.drze.de/im-blickpunkt/stammzellen. 146 Online abrufbar unter: http://www.drze.de/im-blickpunkt/stammzellen mit Verweis auf die Forschungsergebnisse von Ludovic Vallier und Gabrielle Brons. 147 Online abrufbar unter: http://www.drze.de/im-blickpunkt/stammzellen mit Verweis auf die Forschungsergebnisse von Hans Schöler. 148 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 40. 149 Netzwerk Epidermolysis bullosa (EB), online abrufbar unter: http://www.netzwerk-eb.de/. 145

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riment, sind streng voneinander zu trennen. Die Unterscheidung zwischen therapeutischer Forschung und wissenschaftlichem Experiment lässt sich letztlich auf ein Kontinuum zurückführen, an dessen einem Pol das individuelle Wohl des Betroffenen und an dessen anderem Pol das (All-)Gemeinwohl steht150. Ebenso wie die Standardbehandlung dient die therapeutische Forschung der Behandlung eines kranken Menschen, also eines Patienten. Von der „Normalbehandlung“ unterscheidet sich die therapeutische Forschung – unter Einschluss diagnostischer, präventiver und palliativer Tätigkeiten  – durch die Neuartigkeit der Maßnahme151. Bezüglich dieser Neuartigkeit  – im Gegensatz zur schon eingeführten Standardtherapie  – stimmen individueller Heilversuch und klinischer Versuch überein. Individueller Heilversuch und Standardbehandlung sind jedoch ausschließlich auf das individuelle Patientenwohl gerichtet, denn zum Nutzen des Patienten wird an ihm eine neue Maßnahme „ausprobiert“, beispielsweise weil diese seine letzte Heilungschance begründet, sodass beide zur medizinischen Praxis gehören. Demgegenüber kommen beim klinischen Versuch drei grundlegende Aspekte hinzu: zunächst die systematische, forschungsorientierte Planung mit Formulierung einer neuen These, anschließend die studienorientierte Durchführung der Behandlung mit standardisierter Dokumentation sowie schließlich die systematische, empirische Auswertung der Ergebnisse152, aus der eine statistisch signifikante Aussage abgeleitet wird, welche die anfangs gestellte These untermauert oder widerlegt. Der klinische Versuch dient somit auch der Erweiterung medizinischen Wissens über den Einzelfall hinaus, mithin dem Gemeinwohl, und ist als Forschung einzustufen, obwohl es sich um eine therapeutische Maßnahme im Patienteninteresse handelt153. 2. Stammzellforschung Aus naturwissenschaftlicher Sicht meint Stammzellforschung ein Forschungsfeld, in dem sich Entwicklungs- und Zellbiologie, Embryologie und Reproduktionsmedizin, Humangenetik und Krankheitsursachenforschung zu einem interdisziplinären Ansatz verbinden154. Bezüglich der von der Stammzellforschung verfolgten Ziele müssen die Bereiche Grundlagenforschung und Entwicklung von Therapien sowie das Studium pharmakologischer und toxikologischer Effekte unterschieden werden, denen unterschiedliche Interessen und Bewertungen zugrunde liegen.

150 Taupitz in: Taupitz, Zivilrechtliche Regelungen, S. 273, 378; kritisch zur Bezeichnung „therapeutische Forschung“: Maio in: DÄBl. 2000, A-3242; Vollmann in: EthikMed 2000, S. 65. 151 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 41. 152 Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (90) m.w.N; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 41. 153 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 41. 154 Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin. S. 183.

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a) Grundlagenforschung Im Rahmen der Grundlagenforschung zielt die Stammzellforschung darauf ab, die Vorgänge zu verstehen, durch die aus einer befruchteten Eizelle jener komplexe Organismus entsteht, zu dessen Fähigkeiten eine lebenslange, wenn auch abnehmende, Fähigkeit der Selbstergänzung und Selbstheilung gehört. Bisher erlaubt die humangenetische Forschung nur sehr rudimentäre Aussagen darüber, welche Faktoren und Gene155 während der Embryonalentwicklung die Spezialisierung einer einzigen Zelle, der befruchteten Eizelle, in die über 200 Zelltypen des Körpers steuern156. Ausgangspunkt der Forschung sind die Fragen, wie die verschiedensten Formen hochspezialisierter Zelltypen entstehen, wie sich Zellen eines bestimmten Stadiums in Zellen eines anderen Typs verwandeln können und wie es möglich ist, dass die Differenzierung der verschiedenen Zelltypen aus den jeweils ursprünglicheren Stammzellen nicht den irreversiblen Verlauf nimmt, der bisher nach dem Baer’schen Gesetz als der unausweichliche Weg eines Lebewesens von seiner Entstehung über seine entwickelte Hochform bis hin zum Tod galt157. Dabei entstehen Hoffnungen, mit Hilfe des Potenzials, das in den Stammzellen des gleichen Organismus liegt, den Abbau des Lebens in Form von Krankheit und Altersverfall nicht nur in seinen Ursachen zu verstehen, sondern ihn auch bekämpfen zu können, indem die „Fehler“ des Lebens, denen zum Beispiel Krebserkrankungen oder Diabetes entspringen, von ihren Ursachen her behoben werden und Verfallserscheinungen begegnet wird158. Auch sollen genauere Kenntnisse über die Gründe von Unfruchtbarkeit, Spontanaborten oder über Krankheiten erlangt werden, die ihre Ursache in der frühen Embryonalentwicklung haben könnten159. Des Weiteren sollen die Faktoren aufgeklärt werden, die dazu führen können, dass sich ein somatischer Zellkern nach Implantation in eine entkernte Eizelle redifferenziert160. Mit Hilfe von Zellkulturen in vitro können normale und pathologische Zelldifferenzierungsmechanismen erforscht werden. Ziel ist es, Rückschlüsse für den therapeutischen Einsatz sowohl von embryonalen Stammzellen als auch von adulten, ausdifferenzierten Körperzellen ziehen zu können. Möglicherweise können Prinzipien und Faktoren eruiert werden, die das eingeschränkte genetische Programm ausdifferenzierter Zellen auf das breite Differenzierungspotenzial von Stammzellen zurückführen können161. Denn die medizinische Forschung ist an 155 „Gen“: Ein DNA-Abschnitt, der für ein funktionelles Produkt, meist für eine Polypeptidkette, kodiert, Biologie für Mediziner, S. 299. 156 Schönthaler/Wagner in: Stammzellforschung, S. 12. 157 Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin. S. 183. 158 Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin. S. 184. 159 Vgl. BT-Drs.  14/7546, S.  16: Es besteht keine einheitliche Meinung darüber, ob die Grundlagenforschung an ES-Zellen obligatorisch ist oder ob die Grundlagenforschung an AS-Zellen eine gleichwertige Alternative darstellt. 160 Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin. S. 184. 161 Beier, Reproduktionsmedizin 2002, 25 (28).

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individualspezifischen Stammzellen – also solchen, die mit den Zellen des Spenders identisch und mit hohem Vermehrungspotenzial ausgestattet sind, – besonders interessiert. Sofern genetische Variationen oder Defekte für eine Krankheit ursächlich sind, sollten diese auch in den Genen der Zell-Linien zu finden sein, die von den betreffenden Patienten angelegt worden sind162. Im Spätsommer 2013 konnten österreichische Forscher am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien ein Hirnmodell aus Stammzellen züchten, welches die Entwicklung des menschlichen Großhirns bis zur neunten Schwangerschaftswoche imitiert. Hierzu wurden pluripotente Stammzellen in eine Nährstofflösung eingebracht, welche nur die Entwicklung der Hirnanlagen fördert, während andere Vorstufen von Organen sich nicht weiterentwickeln können163. Zudem gelang es, aus umprogrammierten Zellen eines Patienten ein Minihirn mit dem Mikrozephalie-Defekt nachzubauen und die Ursache dieser schweren Krankheit zu eruieren: ein Missverhältnis zwischen der Ausbreitung und der Differenzierung von Nervenzellen. Bei den Betroffenen fangen Nervenzellen zu früh an, sich zu differenzieren, wenn der Pool an Vorläuferzellen noch viel zu gering ist164. b) Studium pharmakologischer und toxikologischer Effekte Weitere wichtige Anwendungsorte für embryonale Stammzellen liegen im Einsatz innerhalb der Pharmakologie und Toxikologie165. Einen Aspekt hierzu bildet die Etablierung von Zellsystemen in vitro, mit deren Hilfe neue Wirkstoffe für die regenerative Medizin identifiziert und getestet sowie Einflüsse von pharmakologischen und chemischen Substanzen oder Umweltfaktoren auf die Embryonalentwicklung und den menschlichen Organismus erforscht werden können166. Daneben können embryonale Stammzellen auch für die Toxizitätstestung von Wirkstoffen und Chemikalien sowie die Analyse ihrer Wirkung auf frühe embryonale Differenzierungsprozesse (z. B. in der Reproduktionstoxikologie)167 eingesetzt werden168. Grundlegende Intention hierbei ist die Erprobung von Wirkungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten und Toxinen169. Nach wissenschaftlicher Ansicht ist die Verwendung embryonaler Stammzellen als Ersatz für Tierexperimente bei biotechnologischen Projekten für pharmakologische und toxikologische Vorhaben zeitlich näher liegend als Versuche an Menschen zu Heilungs-

162

Deutscher Ethikrat 2011, S. 95. Lancaster et al., S. 8. 164 Lancaster et al., S. 12. 165 Wobus in: Wobus et al., S. 104 ff; Riedel in: JWE 2007, 351 (376). 166 Schönthaler/Wagner in: Stammzellforschung, S. 13. 167 Beier, Reproduktionsmedizin 2002, 25 (28). 168 Löser/Wobus, S. 229. 169 McNeish et al. 2004, S. 74. 163

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zwecken170. Insbesondere im Zusammenhang mit der EU-Verordnung REACH171, welche die Testung von ca. 30.000 bereits genutzter Chemikalien regelt, wird die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen als Ersatz für Tierversuche genannt172. Auch der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung zufolge haben einige pharmakologische Anwendungen „einen näher liegenden zeitlichen Horizont als die Verwendung von Material aus humanen ES-Zellen in der Ge­webetransplantation“173. Hinzu kommt, dass Daten und Kenntnisse, die bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen erzielt werden, zuverlässiger auf den Menschen übertragbar sind als vergleichbare Ergebnisse aus Tierversuchen174. c) Entwicklung von Therapiestrategien Schließlich geht es um die Entwicklung von Therapien für Krankheiten, bei deren Behandlung die Medizin bislang begrenzt war und bei denen der Einsatz embryonaler Stammzellen Besserung verspricht. Die Grenzen zur Grundlagenforschung sind fließend, denn Erkenntnisse über genetische und molekulare Steuerungsprozesse tragen zur Entwicklung neuer Therapiestrategien bei175. Jeder Forschung ist eine gewisse Unsicherheit immanent, ob und in welchem Zeitraum das intendierte Ziel erreicht werden kann, was für die Forschung an embryonalen Stammzellen in besonderem Ausmaß gilt. In einzelnen begrenzten Bereichen wie zum Beispiel der Nutzung hämatopoetischer Stammzellen im Bereich der Behandlung von Leukämieerkrankungen konnte die Forschung bereits in die therapeutische Anwendung übergehen, in anderen Bereichen hingegen fehlen noch die Grundkenntnisse176. aa) Transplantationsmedizin (1) Organtransplantation Da sich Stammzellen kontinuierlich erneuern, könnten sie eine Spenderquelle für zahlreiche Organsysteme bilden. Beabsichtigt wird sogar die Entwicklung 170

Kreß in: ZRP 2006, 219 (223). EG-Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12. 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), in: Amtsblatt der EU, L 396/1 (30.12.2006) und Berichtigung in: L 136/1 (29.05.2007). 172 Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina: Zur Stammzellforschung in Deutschland, Halle 2007, online abrufbar unter: http://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublica tion/2007_NatEmpf_StemCells-DE.pdf. 173 ZES, Dritter Bericht, 6; Riedel in: JWE 2007, 351 (376). 174 Beier, Reproduktionsmedizin 2002, 25 (28). 175 Brewe, S. 6. 176 Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin. S. 185. 171

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komplexer Organe wie Herz, Niere oder Leber aus pluripotenten embryonalen Stammzellen177, um den Mangel an Spenderorganen für Transplantationen zu beheben178. Bei der Transplantation von Gewebe aus einer hES-Zell-Linie auf einen beliebigen Empfänger ist stets mit immunologischen Abstoßungsreaktionen zu rechnen179. Dieses ließe sich verringern, indem Zellen des Patienten selbst verwendet werden. Experimente mit hES-Zellen zur Abstoßungsprophylaxe bei Organtransplantationen können derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Problematisch ist, dass sich im Tiermodell gezeigt hat, dass undifferenzierte ESZellen wegen ihres uneingeschränkten Wachstumspotenzials häufig Tumore bilden180. Deshalb können sie zurzeit nicht für therapeutische Zwecke am Menschen verwendet und Transplantationen nur mit differenzierten ES-Zellen durchgeführt werden181. (2) Homologe Rekombination Des Weiteren könnte sich an embryonalen Stammzellen das Verfahren der homologen Rekombination etablieren lassen182, mit dem einzelne Gene vor der Transplantation entfernt, ersetzt oder gezielt manipuliert werden können183. Homologe Rekombination tritt bei allen Organismen auf und setzt homologe, doppelsträngige DNA184-Abschnitte voraus185. Bei Doppelstrangbrüchen kann ein Schaden durch homologe Rekombination ausgebessert werden, indem die Informationen auf dem unbeschädigten Chromatid186 als Vorlage benutzt werden187. Es handelt es sich also um ein Werkzeug der Zelle, um Genmutationen188 zu reparieren189. Zahlreiche Studien mit Mäusen ergaben, dass sich embryonale Stammzell-Linien so verändern lassen und gezielt ein bestimmtes Gen angesteuert wer 177

Vgl. Klopfer, S. 30. Haverich, Reproduktion von Geweben und Organen, in: BMBF, S. 19; Brewe, S. 7. 179 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 10. 180 Vgl. Bioethik-Kommission RP 2002, S. 10. 181 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 11. 182 Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 475; DFG 2003, S. 11. 183 Brewe, S. 7. 184 „DNA“ steht abgekürzt für „Desoxyribonucleic  acid“, gleich Desoxyribonukleinsäure. Dabei handelt es sich um den Träger der genetischen Information, Biologie für Mediziner, S. 295. 185 „RNA“ steht abgekürzt für „ribonucleic acid“, gleich Ribonukleinsäure, Biologie für Mediziner, S. 311. Homolog bedeutet, dass große Ähnlichkeiten in der Nucleotidensequenz bestehen (DNA und RNA). 186 „Chomatide“: Eine der beiden sichtbar getrennten longitudinalen Untereinheiten aller reduplizierten Chromosomen, Biologie für Mediziner, S. 294 f. 187 Zhang et al., S. 125. 188 „Mutation“: Jede erkennbare und erbliche Veränderung im genetischen Material, die auf die Tochterzellen vererbt wird, Biologie für Mediziner, S. 305. 189 Zhang et al., S. 125. 178

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den kann190. So konnten „Knockout-Mäuse“ erzeugt werden191, Tiere, bei denen ein oder mehrere Gene gezielt inaktiviert wurden, damit sie Modelle für menschliche Erkrankungen oder pharmakologische Fragestellungen darstellen und biologische Mechanismen an ihnen untersucht werden können. Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin wurde 2007 an Martin Evans, Mario Cappechi und Oliver Smithies für ihre Forschungsarbeit mit Knockout-Mäusen vergeben192. Zudem wurden blutbildende Stammzellen und Dopamin bildende Nervenzellen hergestellt und in die Mäuse transplantiert, von denen die Spenderzellen stammten und die wegen einer genetischen Störung bislang keine Immunantwort entwickeln konnten193. Außerhalb der Mäusekörper wurden die Stammzellen genetisch verändert, um diesen Immundefekt zu heilen. Tatsächlich bildeten die Mäuse drei bis vier Wochen nach Transplantation der blutbildenden Stammzellen Zellen der Immunabwehr und Antikörper. Zudem gelang durch die Transplantation dopaminerger Nervenzellen in Mäuse mit einer Parkinson-ähnlichen Krankheit ein Rückgang der Symptome194. bb) Zellersatzstrategien Ein längerfristiges Forschungsziel besteht darin, stammzellbasierte Zellersatzstrategien zu entwickeln. Für solche sind unreife Vorläuferzellen erforderlich, die in das komplexe System integriert und dort zur Ausreifung gebracht werden können195. In Transplantationsexperimenten mit myelindefizienten Ratten gelang es bereits, Vorläuferzellen zu transplantieren, die mit Hilfe embryonaler Stamm­ zellen hergestellt worden waren, und myelindefiziente Regionen des Zentralnervensystems mit Markscheiden zu versorgen196. Folgende stammzellbasierte Therapiestrategien können eingesetzt werden: (1) Direkte Übertragung der Stammzellen auf den Patienten Mittels direkter Übertragung auf den Patienten können Stammzellen lokal oder systemisch verabreicht werden, sodass sich die Zellen unter dem Einfluss von gewebespezifischen Faktoren an den „richtigen“ Stellen im Körper ansiedeln und in die gewünschten Zelltypen entwickeln197. Zum derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft können embryonale Stammzellen wegen der Gefahr der 190

Vgl. BT-Drs. 13/11263, S. 10. Vgl. Tomizuka, S. 139. 192 Vgl. URL: http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/2007/. 193 Rideout et al., S. 21. 194 Barberi et al., S. 1205. 195 Brewe, S. 6. 196 Wiestler/Brüste in: DÄBl. 2000, A-1666 (A-1670). 197 Wobus in: Wobus et al., S. 120. 191

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Tumorbildung nur eingesetzt werden, wenn zuvor solche Vorläuferzellen isoliert wurden, die ausschließlich Marker adulter Zellen ausprägen198. (2) Transplantation differenzierter Zellen Des Weiteren können Stammzellen in vitro kultiviert, zielgerichtet differenziert und selektiert sowie anschließend in das Zielorgan transplantiert werden199. Dabei muss sichergestellt werden, dass keine genetischen oder epigenetischen Veränderungen stattgefunden haben, welche die Funktion der Zellen negativ beeinflussen. Der besondere Vorteil dieser Methode liegt darin, dass man ein Transplantat reiner definierter Zellpopulation herstellen kann. Nachteilig ist die Gewebeabstoßung bei der Verwendung von Spenderzellen aus genetisch „fremden“ hES-Zellen200. (3) Transplantation von gezüchtetem Gewebe („tissue engineering“) Das Verfahren des „tissue engineering“, der Transplantation von gezüchtetem Gewebe, eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, aus Stammzellen abgeleitete Zellen in dreidimensionale Strukturen zu organisieren und in das geschädigte Organ zu transplantieren, um Gewebeschädigungen oder -verluste zu behandeln201. Dabei werden biologisch abbaubare Gerüstsubstanzen oder neuartige Biomaterialien in dreidimensionale Strukturen entwickelt, die mit Stammzellen beziehungsweise deren Abkömmlingen besiedelt und nach histotypischer Kultur als Gewebesubstitute in das geschädigte Organ verpflanzt werden202. Klinisch wird dieses Prinzip bereits zur Behandlung von Hautschäden oder Knochen- und Knorpeldefekten eingesetzt. Angestrebt wird die Transplantation komplexer Gewebe mit geringem Reproduktionspotential wie insbesondere des Nervensystems.  Möglicherweise ließen sich so bislang unheilbare Krankheiten behandeln, indem beispielsweise Nervenzellen erzeugt werden, neu geschaffene Herz- oder Leberzellen die Funktionstüchtigkeit anderer geschwächter Organe verbessern sowie neu herangezogene Blutgefäße alte, durch Arteriosklerose geschädigte Gefäße ersetzen203. „Tissue engineering“ stellt ein eigenes Fachgebiet mit großer wirtschaftlicher Bedeutung dar, denn für die Herstellung einer kleinen Menge an Gewebekultur und deren Transplantation werden relativ hohe Kosten für den Patienten veranschlagt. Der Einsatz in der regenerativen Medizin wird entscheidend davon abhängen, inwieweit es gelingt, eine geeignete Menge von Zellen kontrolliert zu vermehren und für die Ge-

198

Wobus in: Wobus et al., S. 122, Abb. 14. Kollek 1998, S. 80. 200 Wobus in: Wobus et al., S. 120. 201 Wobus in: Wobus et al., S. 120. 202 Wobus in: Wobus et al., S. 120. 203 Silver, S. 175. 199

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

webezüchtung bereitzustellen204. Hierbei sollten sich auch die Therapiekosten in einem überschaubaren Rahmen halten, um den zukünftigen Erfolg sowie den weit verbreiteten Einsatz dieser Therapiemethode nicht in Frage zu stellen. (4) Stimulation der regenerativen Fähigkeiten endogener Stammzellen Schließlich ist es möglich, die regenerativen Fähigkeiten endogener Stammzellen künstlich anzuregen. Dieser Therapieansatz basiert auf der Möglichkeit, im Körper des Patienten einen Regenerationsprozess auszulösen oder zu verstärken, indem die eigenen Stammzellen durch Zugabe von Zellen oder von diesen abgegebenen Faktoren stimuliert werden205. Derzeit lässt sich nicht beantworten, ob die unmittelbare Aktivierung endogener Stammzellen oder die indirekte Freisetzung von Faktoren durch transplantierte Stammzellen letztlich wichtiger bzw. zutreffender für die Regeneration sind. Einige Befunde der Stammzelltransplantation nach Herzinfarkt sprechen für die Auslösung indirekter Regenerationsmechanismen. Bislang wurden für zelltherapeutische Anwendungen am Menschen ausschließlich adulte Stammzellen von geeigneten Spendern verwendet, z. B. bei Knochenmarkstransplantationen zur Behandlung von Leukämie206. cc) Individualisierte Medizin In engem Zusammenhang mit der Stammzellforschung steht die Entwicklung der so genannten individualisierten Medizin. Eine Definition oder Beschreibung dieses medizinischen Feldes erweist sich als schwierig. Individualisierte Medizin, molekulare Medizin, stratifizierte, personalisierte und genomische Medizin stellen Begriffe dar, die im Zusammenhang mit einer Medizin stehen, welche mit zunehmenden Erkenntnissen über biologische Details des menschlichen Körpers und bestimmte Krankheiten mehr und mehr Faktoren zu berücksichtigen versucht, die den einen von dem anderen Fall unterscheiden207. Diese Dynamik der Individualisierung, der Vereinzelung, liegt der individualisierten Medizin zugrunde208. Es handelt es sich um eine Form der Medizin, die Informationen über die Gene, die Proteine und die Umgebung einer Person verwendet, um Krankheiten zu verhindern, zu diagnostizieren und zu behandeln209. Andere charakterisieren sie als patientenspezifische Anwendung von medizinischen Produkten während oder nach diagnostischen Untersuchungen auf der genetischen, molekularen oder zellulären

204

Wobus in: Wobus et al., S. 120 f. Wobus in: Wobus et al., S. 121. 206 Wobus in: Wobus et al., S. 121. 207 Roots/Laschinski in: Schumpelick/Vogel, S. 139. 208 Woopen in: Schumpelick/Vogel, S. 220. 209 Diamandis et al., S. 1175; Sturma, S. 441. 205

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Ebene210. Durch die Vergleiche kompletter menschlicher Gensequenzen wurde in den letzten 20 Jahren ermittelt, dass es sehr viele genetisch bestimmte Unterschiede gibt, die nicht nur für Krankheiten verantwortlich sind, sondern auch für Unterschiede in der Ansprechbarkeit auf Medikamente211. Der Medikamenteneinsatz könnte durch Voruntersuchungen in der Zellkultur optimiert werden und es könnten besonders geeignete Wirkstoffkombinationen zielgerichtet für eine bestimmte Person zusammengestellt werden. Auf längere Sicht sollen patientenspezifische pluripotente Stammzellen hergestellt werden, wofür sich möglicherweise auch die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden eignet212.

VIII. Potenziell therapierbare Krankheitsbilder Auf wissenschaftlich begründeter Basis macht die Stammzellforschung durch die Entwicklung von Zellersatzstrategien Hoffnung auf Linderung oder Heilung neurodegenerativer Erkrankungen und degenerativer Herzerkrankungen213. Mit Hilfe embryonaler Stammzellen könnten Zellersatzstrategien entwickelt werden, die eine erfolgreiche Behandlung bislang unheilbarer Krankheiten wie z. B.­ Chorea Huntington, Morbus Parkinson214 oder Multiple Sklerose215 ermöglichen würden216. Ebenso wird die Behandlung von Alzheimer, Schlaganfall/Hirninfarkt217, Herzinfarkt218, (Querschnitts-)Lähmungen, fokaler Epilepsie, Diabetes Mellitus Typ I219, Leukämie, Immunschwäche, Osteoporose, Muskeldystrophie, Hepatitis, Entwicklungsstörungen, Unfruchtbarkeit und Krebs durch Einsatz embryonaler Stammzellen diskutiert220. Bei diesen Krankheiten kommt es zum Absterben von spezialisierten Zelltypen in den einzelnen Organen, die vom Körper nicht wieder erneuert werden können221. Eine Zell- oder Gewebe-Ersatztherapie könnte in solchen Fällen mit großen Erfolgsaussichten und hoher Effizienz innerhalb weniger Wochen angewandt werden222. 210

Federal Ministry of Health et al., S. 679. Deutscher Ethikrat 2011, S. 95. 212 Deutscher Ethikrat 2011, S. 95. 213 Wobus in: Wobus et al., S. 174. 214 Instrastriatale Implantation von dopaminergen Neuronen, Hossmann in: JWE 2003, 289 (296), Tab. 1. 215 Transplantation von Obligodendroglia-Vorläuferzellen, Hossmann in: JWE 2003, 289 (296), Tab. 1. 216 Wiestler/Brüste, DÄBl. 2000, A-1666 (A-1670). 217 Transplantation von neuronalen Progenitorzellen, Hossmann in: JWE 2003, 289 (296). 218 Transplantation von Herzmuskel-Progenitorzellen, Hossmann in: JWE 2003, 289 (296), Tab. 1; vgl. hierzu auch Müller-Jung: Die Lücke im Stammzellgesetz in; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.10.2005, N2. 219 Intraperitoneale Implantation von Insulin-produzierenden beta-Zellen, Hossmann in: JWE 2003, 289 (296), Tab. 1. 220 Wiestler in: JWE 2003, 289 (290). 221 Schönthaler/Wagner in: Stammzellforschung, S. 13. 222 Silver, S. 175. 211

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

Beispielhaft sollen die potenziellen Stammzelltherapien bei drei Krankheitsbildern  – Herzerkrankungen, Morbus Parkinson und Diabetes  – kurz skizziert werden: 1. Herzerkrankungen Herz-Kreislauferkrankungen wie Arteriosklerose, Bluthochdruck, Herzinfarkt und schließlich Herzversagen zählen zu den wesentlichen Todesursachen in den westlichen Industrienationen223. Problematisch ist, dass nicht genügend transplantierbare Organe für Herztransplantationen zur Verfügung stehen. Statt ihrer könnten Stammzellen zum Ersatz von Herzzellen für bestimmte Behandlungsstrategien nach Herzinfarkt eingesetzt werden. Beim Herzinfarkt führt der Ausfall der Herzfunktion zu einem Verlust von kontrahierenden Kardiomyozyten, welche die Pumpfunktion im Herzen ausführen. Anders als das Blutsystem enthält das erwachsene Herz keine leicht isolierbare Stammzellfraktion224. Denkbare Methoden, um verloren gegangene Herzzellen zu ersetzen oder die Neubildung von Herzzellen zu induzieren, sind erstens die Reaktivierung der Zellzyklusaktivität durch Aufhebung der Zellzykluskontrolle und Aktivierung des Zellzyklus, zweitens die Reaktivierung der endogenen Stammzellaktivität durch Mobilisierung von kardiomyogenen Stammzellen sowie drittens die Transplantation von Kardiomyozyten, die aus Stammzellen entwickelt wurden, oder von Zellen mit kardiogenem Entwicklungspotenzial225. Die Differenzierung von murinen226 und humanen ESZellen in funktionelle Herzzellen, die alle Zelltypen des Myokards repräsentieren, ist seit langem bekannt und gehört zumindest für ES-Zellen der Maus inzwischen zur Standardtechnik227. Die Entwicklung von Herzzellen aus humanen ES-Zellen ist derzeit noch wenig effizient, was unter anderem an der Heterogenität der ZellLinien und den unterschiedlichen Kulturbedingungen liegen kann228. Grundsätzlich aber bestätigen die bisherigen Forschungsergebnisse, dass Herzmuskelzellen, die von ES-Zellen abstammen, zur Therapie von Herzkrankheiten genutzt werden können. Ein Einsatz für die Regeneration des infarktgeschädigten Herzens beim Menschen setzt allerdings erst noch die Entwicklung von 100 Prozent reinen und stabilen kardialen Zelltransplantaten voraus229.

223

Wobus in: Wobus et al., S. 121. Wobus in: Wobus et al., S. 122. 225 Wobus in: Wobus et al., S. 123. 226 Embryonale Stammzellen von Mäusen, abgekürzt mES. 227 Wobus in: Wobus et al., S. 124. 228 Wobus in: Wobus et al., S. 123. 229 Wobus in: Wobus et al., S. 125. 224

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2. Morbus Parkinson Auch neurodegenerative Erkrankungen sollen mit Hilfe von Stammzellen  – durch den Ersatz von Nervenzellfunktionen – behandelt werden230. Morbus Parkinson („Schüttellähmung“) ist charakterisiert durch den zunehmenden Verlust Dopamin produzierender (DA) Neurone im Mittelhirn231. Dem könnte entgegengewirkt werden, indem die dopaminergen Neurone ersetzt oder direkt oder indirekt zu einer Neubildung angeregt werden. Embryonale sowie foetale und adulte neurale Stammzellen können funktionelle Nervenzellen bilden232. Demgegenüber haben xenogene neurale Zellquellen, zum Beispiel aus Schweinen, wegen des potenziellen Risikos der Kontamination mit endogenen Retroviren und der lebenslangen Immunsuppression langfristig keine therapeutische Bedeutung233. Bereits gelungen ist es, das Bewegungsvermögen gelähmter Ratten mit Hilfe embryonaler Stammzellen zu verbessern und Parkinsonsymptome zu lindern234. Der Bonner Biologe Oliver Brüstle und sein Team schafften es, alle drei Hauptzelltypen des Gehirns – Nervenzellen (Neurone), Stützzellen (Astrocyten) und Isolierzellen (Obligodendrocyten) – aus embryonalen Stammzellen zu generieren. Diese überlebten nach Transplantation in ein sich entwickelndes Mäuse-Gehirn, reagierten auf Signale aus ihrer Umgebung und waren in gewissem Umfang in der Lage, eine regionenspezifische Differenzierung zu durchlaufen235. Auch nach Transplantation in das Gehirn von Primaten-Modellen236 der Parkinson’schen Krankheit integrierten sich transplantierte ES-Zellen und führten zu einer symptomatischen Verbesserung237. Im Primatenversuch zeigte sich allerdings, dass 99 Prozent der transplantierten Zellen innerhalb von 14 Tagen abstarben, wobei die Gründe für die geringe Überlebensrate unbekannt sind. Auch wenn Tierversuche den prinzipiellen Nachweis einer Verbesserung von Symptomen des Morbus Parkinson durch dopaminerge ES-Zellderivate nach dem „proof-of-principle“ erbracht haben, bedarf es noch großer Anstrengungen, bis klinische Anwendungen am Menschen möglich sind238.

230

Wobus in: Wobus et al., S. 126. Wiestler in: JWE 2003, 289 (290). 232 Wobus in: Wobus et al., S. 126. 233 Wobus in: Wobus et al., S. 126. 234 Spiegel-online am 20.09.2005, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,151 8,375490,00.html. 235 Brüstle et al., 1997, S. 14811. 236 Aus Cynomolgus-Affen, auch Langschwanzmakaken oder Javaneraffen genannt. 237 Takagi et al. 2005, S. 107. 238 Wobus in: Wobus et al., S. 132. 231

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

3. Diabetes Die Insulin-Mangelkrankheit Diabetes geht mit einer permanenten Erhöhung des Blutzuckerspiegels (Hyperglykämie)  aufgrund einer Autoimmunkrankheit (angeborener Typ 1) oder der Entwicklung einer Insulin-Resistenz (erworbener Typ 2) einher und hat gravierende gesundheitliche Folgen239. Seit den 1970er Jahren werden zur Behandlung des Insulinmangels Organtransplantationen durchgeführt. Erst mit Entwicklung des „Edmonton-Protokolls“ konnte seit 1990 durch die Transplantation von Inselzellen mit einem spezifischen Behandlungsregime ein größerer Patientenkreis therapiert werden240. Da jedoch auch hierbei Nebeneffekte nicht ausbleiben und die Mengen benötigter Inselzellen bei Weitem nicht ausreichen, um alle Patienten zu therapieren, besteht nach wie vor die Notwendigkeit, neue Quellen Insulin produzierender Zellen zu erschließen241. Mit humanen embryonalen Stammzellen erscheint dies möglich, die Effizienz spontaner Differenzierung ist allerdings gering242. Um die derzeitigen Unzulänglichkeiten wie den niedrigen Insulinspiegel oder die potenzielle Tumorbildung in Transplantaten zu überwinden, sind weitere grundlegende Arbeiten zur Differenzierung von hES-Zellen in Beta-Zellen erforderlich. Zudem ist noch aufzuzeigen, dass in vitro entwickelte Insulin produzierende Zellen den Beta-Zellen des Organismus entsprechen und in vivo auf eine Erhöhung des Blutglukosespiegels präzise reagieren können243.

IX. Klinische Studien mit embryonalen Stammzellen am Menschen Die Beispiele der therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten haben gezeigt, dass noch einige komplexe Hindernisse überwunden werden müssen, um das Poten­zial von Stammzellen in klinisch-therapeutische Anwendungen zu überführen. Die meisten Unternehmungen befinden sich noch in der Phase von Zellkultur-Studien, die tierexperimentelle Vorarbeit ist noch nicht abgeschlossen und die Übertragbarkeit der am Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen noch nicht hinlänglich geklärt244. Zur weiteren Entwicklung stammzell­ basierter Zelltherapien liegen die Hoffnungen im Einsatz neuer Techniken, durch die das Entwicklungspotenzial humaner Stammzellen modifiziert bzw. erweitert werden kann245. Mögliche therapeutische Anwendungen embryonaler Stamm­

239

Wobus in: Wobus et al., S. 132. Wobus in: Wobus et al., S. 133. 241 Wobus in: Wobus et al., S. 133. 242 Wobus in: Wobus et al., S. 134. 243 Wobus in: Wobus et al., S. 135. 244 Wobus in: Wobus et al., S. 138. 245 Wobus in: Wobus et al., S. 139. 240

A. Stammzellforschung und Stammzelltherapie

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zellen am Menschen sind nach Aussagen der beteiligten Forscher erst in zehn bis 30 Jahren zu erwarten, was erklärt, warum Aussagen über Chancen und Grenzen der verschiedenen Wege der Stammzellforschung nur unter Vorbehalt möglich sind246. Die Anwendung am Menschen birgt derzeit noch das Risiko der Ausbildung von Krebs, denn es ist möglich, dass sich die Zellen am Einsatzort zu einem unerwünschten Gewebetyp entwickeln und sich Tumore bilden247. Von klinischen Studien mit induzierten pluripotenten Stammzellen am Menschen sind Forscher noch weiter entfernt248. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die klinischen Anwendungsmöglichkeiten der Stammzelltherapie in Fachkreisen sehr viel zurückhaltender diskutiert werden als in der Laienpresse249. Folgende publizierte Studien der klinischen Anwendung embryonaler Stammzellen am Menschen seien an dieser Stelle erwähnt: 1. Studie zur Querschnittslähmung Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) genehmigte im Sommer 2009 Wissenschaftlern des Biotechnikunternehmens Geron, zehn querschnittsgelähmten Patienten aus embryonalen Stammzellen gezüchtete Rückenmarkszellen zu injizieren250. Die Studie sollte zunächst dazu dienen, Sicherheitsrisiken auszuschließen, die im Zusammenhang mit einer Therapie mit humanen embryonalen Stammzellen stehen. Von der einmaligen Injektion in die beschädigte Stelle des Rückenmarks erhofften sich die Wissenschaftler, dass die Zellen die beschädigten Nerven der Patienten wieder zum Wachsen, also zur Regeneration, anregen, sodass das Gefühlsvermögen und möglicherweise sogar das Gehvermögen wiederhergestellt wird. Bei chronischen Verletzungen, bei denen sich schon Narbengewebe gebildet hat, wirkt die Therapie allerdings nicht. Deshalb sollte die US-amerikanische Studie an Patienten erprobt werden, die erst seit ein oder zwei Wochen gelähmt waren. Kurze Zeit später wurde das Forschungsprojekt gestoppt, wofür Geron wirtschaftliche Erwägungen als Grund angab251. 2. Studie zu Augenerkrankungen In den USA und in Großbritannien wurden Patienten mit bislang unheilbaren Augenerkrankungen retinale Pigment-Epithelzellen ins Auge injiziert, welche aus 246

Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin. S. 186. Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin. S. 186. 248 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 249 Hossmann in: JWE 2003, 295 (295). 250 Spiegel-Online am 23.1.2009, online abrufbar unter: URL: http://www.spiegel.de/wissen schaft/mensch/0,1518,603132,00.html. 251 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 247

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humanen embryonalen Stammzellen abgeleitet wurden252. Erste Daten deuten darauf hin, dass sich die Zellen einnisten und die Anwendung sicher ist. 3. Studie zu neuromuskulären Erkrankungen In Deutschland plant Axel Methner, Professor für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, mit embryonalen Stammzellen die neuromuskuläre Erkrankung Morbus Charcot-Marie-Tooth zu erforschen253. Bei Parkinson-Kranken haben erste Versuche mit embryonalen Stammzellen schwere Schäden angerichtet und zu verstärkten Bewegungsstörungen geführt254.

B. Klonen Für ein besseres Verständnis der Herstellung und Zusammensetzung von MenschTier-Zybriden ist es unerlässlich, die Funktionsweise der Klonierung zu verstehen.

I. Definition Klon Der Begriff „Klon“255 bezieht sich zum einen auf einzelne Nachkommen, zum anderen wird die Bezeichnung in einem kollektiven Sinn verwendet und umfasst sowohl die Nachkommen als auch die genetischen Eltern256. Hervorzuheben ist, dass es beim Klonen um einen Vorgang ungeschlechtlicher Vermehrung geht257. Handeln kann es sich dabei um das Klonen eines DNA-Fragments, eines DNAMoleküls (dabei entstehen molekulare Klone), einer Zelle (zelluläre Klone, z. B. Einzeller wie Bakterien), eines Gewebes oder eines ganzen Organismus258. 252 Focus vom 27.04.2012: „Furcht vor der Medizin der Zukunft: Umwandlung von Zelltypen direkt im Körper“. 253 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 254 Vgl. Beck, S. 16 mit dem Hinweis darauf, dass folgende Aussagen wohl noch heute gelten: Freed et al.: „After improvement in the first year, dystonia and dyskinesias recurred in 15 percent of the patients who recieved transplants, even after reduction or discontinuation of the dose of levodopa“, S. 710; Flöhl in: FAZ v. 10.03.2001, Nr. 59, S. 9 kommentierte dazu, dass hier beschönigend von „Dystonien“ und „Dyskinesien“ gesprochen werde und dass einer der beteiligten Ärzte die nicht zu behebenden Bewegungsstörungen als „absurd verheerend“ bezeichnet habe: „Patienten leiden unter Zuckungen, winden sich, kauen ununterbrochen, könnten teilweise nicht mehr richtig sprechen“. 255 Das Wort „Klon“ stammt aus dem Griechischen („κλώνος“) und bedeutet Zweig oder Spross, vgl. Hetz, S. 21. 256 Hetz, S. 21. 257 Seidel in: MacKinnon, S. 7. 258 Hetz, S. 21; Volhard, online abrufbar unter: http://www.drze.de/im-blickpunkt/Forschungs klonen.

B. Klonen

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II. Entstehung natürlicher Klone Auf natürliche Weise entstehen Klone durch Zweiteilung bei der vegetativen Vermehrung, z. B. wenn sich Algenfäden zerteilen oder Hefen sprießen259. Höhere Pflanzen vermehren sich durch Knospen oder Sprosse, insofern sind auch alle Kartoffeln eines Ackers Klone260. Die vegetative Fortpflanzung stellt zudem den Vermehrungsmechanismus aller Bakterien dar, aber auch höherer Mikroorganismen wie Hefen oder Pilzen oder sogar vieler Arten mehrzelliger Tiere261. So teilen sich einige Arten der Ringelwürmer durch Sprossung am letzten Körpersegment und Quallen können sich in ihrer Lebensform als Polypen durch Querteilung vermehren262. Dem Grundsatz nach existiert auch bei Säugetieren die vegetative Vermehrung in Form der eineiigen Zwillingsbildung: Wenn sich Embryonen in frühen Entwicklungsstadien spontan aufspalten und sich die beiden Zellmassen getrennt in unabhängige Individuen weiterentwickeln, entstehen genetisch identische Individuen263. Zu beachten ist, dass die monozygoten Zwillinge zwar untereinander genetisch identisch sind, nicht jedoch im Verhältnis zu ihren Vorfahren264. Bei der Spezies Homo Sapiens liegt die Rate der Zwillingsbildung bei einem Prozent, davon sind etwa 20 Prozent eineiig, also Klone265. Derzeit leben viele Millionen Menschen, die genetisch identische Geschwister haben. Eine ähnlich niedrige Rate für das Entstehen eineiiger Zwillinge (0,2 bis 0,4 Prozent) wird auch bei Rindern und Schafen beobachtet266. Eineiige Drillings- oder gar Vierlingsgeburten wurden vereinzelt beschrieben und tauchen nur extrem selten auf. Es gibt allerdings Säugetierarten wie z. B. Gürteltiere, die obligatorisch eineiige Mehrlinge, also Klone, in Vier- bis Zwölfzahl durch Aufteilung eines Embryos­ hervorbringen267.

III. Künstliche Klonierung Wegbereiter des künstlichen Klonens waren Überlegungen und Experimente im Tierbereich von Hans Spemann268 (1869–1941) in den 1930er Jahren269. Er trennte zweizellige Salamander-Embryonen so, dass sich beide Hälften zu einem vollständigen Embryo entwickelten270. 259

Hillebrand/Lanzerath, S. 11. DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 3. 261 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 3. 262 Hillebrand/Lanzerath, S. 11. 263 Hillebrand/Lanzerath, S. 12. 264 Hetz, S. 21. 265 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 3. 266 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 3. 267 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 3. 268 1935 wurde der medizinische Nobel-Preis an Hans Spemann verliehen. 269 Vgl. Wilmut/Campbell/Tudge, S. 91 f. 270 Wilmut/Campbell/Tudge, S. 100. 260

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1. Zielsetzung des Klonens Je nach Zielsetzungen der Klonierung ist zwischen dem reproduktiven Klonen einerseits und dem therapeutischen Klonen andererseits zu differenzieren271. Ausgangspunkt bildet ein und dasselbe Klonverfahren, die Begriffe rücken lediglich die Intention der Handlung in den Mittelpunkt272. a) Reproduktives Klonen Als reproduktives Klonen, auch Klonen zu Fortpflanzungszwecken genannt, wird ein Verfahren bezeichnet, das auf den Transfer eines erzeugten Embryos in den Uterus gerichtet ist, welcher beim therapeutischen Klonen gerade nicht erfolgen soll273. Es wird die Herbeiführung einer Schwangerschaft und die Geburt eines erbgleichen Klons angestrebt, also die Schaffung ganzer Organismen274. b) Therapeutisches Klonen Demgegenüber wird beim therapeutischen Klonen nicht die Herbeiführung einer Schwangerschaft beabsichtigt, sondern die Herstellung einer Blastozyste, aus der embryonale Stammzellen für Forschungszwecke oder Therapieversuche gewonnen werden können275. Es geht lediglich um die Erzeugung bestimmter Zelltypen mit spezifischen Funktionen276, welche dieselbe Genausstattung aufweisen wie der Empfänger277. Mit diesen patientenspezifischen ES-Zellen278 lässt sich das Risiko immunologisch bedingter Transplantatabstoßungen vermutlich minimieren279. Neben dem Fernziel, erneuerte Zellen oder Gewebe für die Behandlung von Krankheiten zu gewinnen, besteht ein weiteres Ziel darin, den Entwicklungsprozess von Gebilden mit und ohne genetische Störungen am Embryonenmodell zu untersuchen, weshalb das Verfahren auch als Forschungsklonen bezeichnet wird280. Ferner geht es um Einsatzmöglichkeiten der Klonierungstechnik in Verbindung mit weiteren reprogenetischen Technologien zur Lösung eines breiten Spektrums anderer biomedizinischer Probleme. So glauben viele For-

271

Volhard, online abrufbar unter: http://www.drze.de/im-blickpunkt/Forschungsklonen. Hetz, S. 46. 273 Hetz, S. 46. 274 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 12. 275 Heinemann, S. 194. 276 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3433). 277 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 13. 278 Heinemann, S. 194. 279 Heinemann, S. 194. 280 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 13. 272

B. Klonen

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scher, dass die wahre Bedeutung des Klonens nicht in dieser Technologie für sich genommen liegt, sondern in ihren potenziellen Beiträgen zu anderen Bereichen der Reprogenetik281. 2. Klon-Methoden Unter dem Begriff des Klonens werden drei sehr unterschiedlichen Verfahren und Techniken zusammengefasst: Embryonensplitting, Abspaltung einer einzelnen totipotenten Zelle und Nukleustransfer. a) Embryonensplitting Beim Embryonensplitting wird durch mikrochirurgische Teilung eines Embryos auf künstliche Art eine Zwillings- oder Mehrlingsbildung erreicht282. Weil die Zellen zu Beginn der Embryonalentwicklung noch totipotent sind, entstehen zwei oder mehr Embryonen, die sich in geeigneter Umgebung wie ein ungeteilter Embryo weiterentwickeln283. Sofern es sich um einen Befruchtungs-Embryo handelt, basiert das Embryonensplitting – im Unterschied zum Nukleustransfer – letztlich auf einer vorangegangenen Befruchtung284. Der durch Embryonensplitting erzeugte Embryo befindet sich im selben Entwicklungsstadium, wie es der ungeteilte Embryo wäre, weder Alter noch Totipotenz werden verändert285. Anders als beim Zellkerntransfer-Embryo weist der mittels Embryonensplitting erzeugte Klon hinsichtlich der Erbinformation eine vollständige Identität zu dem ursprünglichen Embryo auf286. Allerdings spielt diese Methode in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion eine eher untergeordnete Rolle. b) Abspaltung totipotenter Zellen Von einem frühen Embryo können totipotente Zellen abgespalten und getrennt zur Entwicklung gebracht werden287. Das Verfahren wird insbesondere im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik (PID) angewendet und deshalb auch als dia­

281

Silver, S. 172. Vgl. Hetz, S. 42. 283 Volhard, http://www.drze.de/im-blickpunkt/Forschungsklonen. 284 Hetz, S. 45 mit dem Hinweis darauf, dass es denkbar sei, dass in einem so genannten zweiten Schritt erneut geklont werde, sei es mittels Abspaltung einer totipotenten Zelle oder durch Embryonensplitting. 285 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 29, 30. 286 Hetz, S. 45. 287 Vgl. BT-Drs. 13/11263, S. 7. 282

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

gnostisches Klonen bezeichnet288. Es führt zu eineiigen Mehrlingen und damit genetisch vollständig identischen Individuen289. Die Anzahl der Klone, die sich auf diese Weise erzeugen lassen, wird durch die beginnende Blastozystenbildung und den damit verbundenen Verlust der Totipotenz begrenzt290. Sofern die Zelle einem Befruchtungs-Embryo entnommen wird, beruht auch diese Klonmethode auf einer vorangegangenen Befruchtung. c) Nukleustransfer (SCNT)291 Weiterhin ist es möglich, einen Klon mit Hilfe des Nukleustransfers zu erzeugen292. Diese Methode wird im Englischen als „somatic cell nuclear transfer“ bezeichnet293. Dabei wird ein Zellkern (Karyoplast) in eine zuvor entkernte Eizelle (Zytoplast) eingebracht und diese artifiziell aktiviert, sodass sie den Zellkern zur Reprogrammierung anregt und eine Embryonalentwicklung beginnt294. Nur mit Hilfe des Zellkerntransfers ist es möglich, größere Gruppen von Nachkommen durch Klonierung zu erzeugen295. Zu betonen ist, dass diese Klonmethode ein technisches Verfahren ungeschlechtlicher Fortpflanzung darstellt; die Existenz des entstehenden Individuums beruht somit nicht auf einer Befruchtung296. aa) Genotyp des Nukleustransfer-Klons Der Genotyp beschreibt die Gesamtheit der genetisch determinierten Eigenschaften297. Träger der Erbinformation ist die DNA298. Diese findet sich nicht nur im Zellkern; vielmehr existieren aus extrachromosomale299 Gene. Die Mitochondrien enthalten zwei bis sechs zirkuläre DNA-Moleküle, welche als mitochondriale DNA (mtDNA) bezeichnet werden und deren spezifische Erbinformation enthalten300. Das menschliche Gesamtgenom enthält 26.000 bis 31.000 Gene und 288

Kollek, S. 75 f. Hetz, S. 44 f. 290 Hetz, S. 42. 291 „SCNT“ steht abgekürzt für somatic Cell Nucleus Transfer, vgl. Hurlbut, S. 2322. Bei den erzeugten Entitäten spricht man im Englischen von nt-units. 292 Vgl. zu der Verfahrensweise die detaillierte Beschreibung unter Teil 2: B. III. 2. c) cc). 293 Beck, S. 17. 294 Trips-Herbert, ZRP 2009, 80 (80); Volhard, http://www.drze.de/im-blickpunkt/Forschungs klonen. 295 Hetz, S. 43. 296 Hetz, S. 43. 297 Medizinische Mikrobiologie, S. 108. 298 Roche, Lexikon Medizin, S. 302. 299 „Extrachromosomale Gene“ = DNA außerhalb des Nukleus, Roche, Lexikon Medizin, S. 88. 300 Biologie für Mediziner, S. 36. 289

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zweimal 3,2 Milliarden Basenpaare301. Dabei ist die mitochondriale DNA im Vergleich zur Zellkern-DNA mengenmäßig von nur sehr geringem Anteil: Die Erbinformation im Zellkern umfasst ca. 25.000 Gene, die Mitochondrien hingegen nur 37 Gene (sowie 6.569 Basenpaare), die für die Ausbildung des Organismus jedoch unentbehrlich sind302. Hinsichtlich des im Zellkern enthaltenen Erbmaterials ist der klonierte Embryo mit dem Zellkernspender genetisch identisch. Die Mitochondrien entstammen jedoch der Eizelle303. Anders als bei der Technik des Embryonensplittings oder der Abspaltung totipotenter Zellen entsteht beim Nukleus­ transfer somit keine vollständig genetisch identische Entität304, sondern ein Klon, der lediglich zu 99,9 Prozent das Erbgut des Zellkernspenders enthält, während 0,1 Prozent – die mitochondrialen DNA – von der Eizelle stammen305. Vollständige genetische Identität zwischen Zellkernspender und Klon besteht nur dann, wenn Zellkern- und Eizellspenderin genetisch identisch sind306. Wichtiger als der Prozentanteil der mitochondrialen DNA sind die verschiedenen Funktionen der Mitochondrien. Die wichtigste ist, dass sie die „Energieumwandler“ jeder Zelle sind und Glukose über Oxidationsprozesse in Energie umsetzen307. Die mitochondriale DNA steuert zudem den individuellen Stoffwechsel der Mitochondrien308. Weiterhin erfüllt sie Aufgaben wie die Apoptose – den programmierten Zelltod, welcher von essentieller Bedeutung während der Embryonalentwicklung ist –, die Zellproliferation (schnelles Wachstum durch Zellteilung und Zellwachstum), Steroid-Synthese (Synthese der Sexualhormone) und andere, einschließlich der zelltypspezifischen, Funktionen309. Die Ergebnisse von Studien zum Nukleustransfer bei Säugetieren erscheinen auf den ersten Blick widersprüchlich: Während die mitochondrialen DNA der ersten somatisch geklonten Säugetiere – auch bei Interspezies-Klonen  – ausschließlich die mitochondriale DNA des Zytoplasmas der Eizelle aufwiesen, also homoplasmatisch waren, zeigten sich einige geklonte Säugetiere in ihren Mitochondrien heteroplasmatisch, enthielten also mitochondriale DNA sowohl der Spenderzelle als auch der Eizelle310. In frühen Pandabär-Kaninchen-Blastozysten fanden sich sowohl Mitochondrien des Pandabären, des Zellkernspenders, als auch Ooplasma des Kaninchens311. Allerdings reduzierte sich das Kaninchen-Ooplasma im Laufe der Entwicklung und die Pandabär-Mitochon 301

Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Einf. Rn. A 12. Deutscher Ethikrat, 2011, S. 19. 303 Becker/Reichling, S.  190; Löffler/Petrides, S.  190; Volhard, http://www.drze.de/imblickpunkt/Forschungsklonen. 304 Entität von lateinisch entitas/ens: Dasein im Unterschied zum Wesen eines Dinges, Duden, Stichwort „Entität“. 305 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Einf. Rn.  A 12; Beck, S.  87; Lewin, S.  574: Stryer, S. 565; Lehninger, S. 905. 306 Nationaler Ethikrat Klonen, S. 19; Hetz, S. 45. 307 Badura-Lotter in: Taupitz/Weschka, S. 202, Anmerkung 2. 308 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 16. 309 Badura-Lotter in: Taupitz/Weschka, S. 202, Anmerkung 2. 310 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 49. 311 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 530. . 302

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drien dominierten den frühen Foetus nach der Implantation. Ergebnisse anderer Forschungsstudien suggerieren hingegen, dass die maternale mitochondriale DNA sich nach dem Morula-Stadium repliziert312. So sank der Anteil der mitochondrialen DNA von Affen als Zellkernspender zu der mitochondrialen DNA von Kaninchen-Oozyten abrupt von zwei Prozent im 1-Zellstadium auf 0,011 Prozent im Blastozysten-Stadium313. Experimente zum interspezifischen Nukleustransfer bei Fischen mit dem Zellkern eines Karpfens und der Eizelle eines Goldfisches zeigen, dass mitochondriale Goldfisch-DNA in den geklonten Embryonen bis zum Stadium der Blutzirkulation existieren und danach verschwinden314. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich die Heteroplasmazität der mitochondrialen DNA im Laufe der Entwicklung eines Klons in Homoplasmazität wandelt315. bb) Phänotyp des Nukleustransfer-Klons Unter dem Phänotyp eines Organismus ist die Gesamtheit der in Erscheinung tretenden äußeren Merkmale und Eigenschaften zu verstehen316. Dieser wird vom Genotyp beeinflusst. Phänotyp von Zellkernspender und Klon müssen keinesfalls identisch sein317, denn nicht alle Merkmale eines lebenden Organismus werden durch die Genwirkung bestimmt, sondern auch durch die Entwicklungsbedingungen, beim Menschen insbesondere durch das sozio-kulturelle Umfeld318. cc) Durchführung des Nukleustransfers und biologische Vorgänge Zur Erzeugung eines Nukleustransfer-Klons müssen Eizellen gewonnen und entkernt sowie ein anderer Zellkern in diese transplantiert werden. (1) Medizinische Risiken der Eizellspende Auch nach heutigem Stand der technischen Entwicklung geht die Gewinnung der Eizellen mit medizinischen Risiken für die Eizellspenderinnen einher. Die Ova-Spende beginnt mit der Stimulierung zur Poly-Ovulation und wird mit Ernte der reifen Ova beendet319. Üblicherweise reift in jedem Zyklus der Frau nur ein

312

Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 49. Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 530. 314 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 49. 315 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 49. 316 Medizinische Mikrobiologie, S. 110. 317 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 3. 318 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 3. 319 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 297. 313

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einziges befruchtungsfähiges Ei in den Ovarien heran320. Zur Optimierung wird dieser Zyklus über eine hormonelle Stimulationsbehandlung (ovarielle Hyperstimulation  – OHSS) zunächst so gesteuert, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig mehrere Eizellen heranreifen, wodurch massiv in die Regulierung des Organismus der Spenderin eingegriffen wird321. Je mehr Eizellen heranreifen, desto größer werden die Eierstöcke, in seltenen Fällen kann es zu einer Überstimulation kommen, d. h. es bilden sich zu viele und zu große Eibläschen, die wiederum vermehrt Hormone ausschütten, wodurch es zu Flüssigkeitsansammlung mit Schmerzen im Bauchraum kommen kann322. Ist die Überstimulation zu stark, kann es in wenigen Fällen zu Blutungen, Darmverletzungen, Bauchfellentzündungen und Ähnlichem kommen323. Zusammengefasst werden die klinischen Symptome unter dem Begriff der „ovarian hyperstimulation syndrome“324. Leichte Formen sind Unregelmäßigkeiten des Herzrhythmus, in schweren Fällen Ovarienkarzinome und Unfruchtbarkeit325. Etwa 15 Prozent der Spenderinnen entwickeln dieses Syndrom, zwei Prozent in der schweren Form326. Auch wurde von Todesfällen berichtet, deren Häufigkeit auf einen Fall pro 450.000 bis 500.000 Stimulierungen geschätzt wird327. Durch regelmäßige Ultraschallkontrollen während der Stimulation kann das Risiko einer Hyperstimulation jedoch auf das Minimum, nämlich unter ein Prozent, reduziert werden328. Allerdings bleiben weitere Risiken bestehen. Die Ovarien sind Bestandteil der hypothalamisch-adrenal-gonadalen Regulierungs-Achse, zu deren Aufgaben unter anderem die Regulierung der geschlechtsspezifischen Hirnstrukturen zählt; diese können durch die Hormonbehandlung schwer geschädigt werden329. In komplikationslosen Fällen erreichen die Follikel etwa eine Woche nach Beginn der ovariellen Stimulation die erforderliche Größe, sodass durch intramuskuläre Injektion des Hormons HCG der Eisprung ausgelöst werden kann (Ovulationsinduktion)330. Die Entnahme der Eizellen (Follikel) erfolgt etwa 36 Stunden später mit Hilfe der Technik der Follikelpunktion331. Gewonnen werden können etwa acht bis zwölf sekundäre Oozyten am Ende der ersten Reifeteilung332. Da jede Follikelpunktion einen operativen Eingriff darstellt, bringt diese die entsprechenden Risiken und Komplikationen wie Infektionen oder Organverletzun­ 320

Volhard, http://www.drze.de/im-blickpunkt/Forschungsklonen. Hartleb, S. 39; Beier Reproduktionsmedizin 2002, 25 (29). 322 Vgl. URL: http://www.wunschkind-koeln.de/index.php?id=2#.UXornKLwm8A. 323 Kollek, S. 57 f.; Middel, S. 246. 324 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 297. 325 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 297. 326 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 297. 327 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 297. 328 Vgl. URL: http://www.wunschkind-koeln.de/index.php?id=2#.UXornKLwm8A. 329 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 297. 330 Hartleb, S. 40. 331 Volhard, http://www.drze.de/im-blickpunkt/Forschungsklonen. 332 Hartleb, S. 40. 321

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gen mit sich333. Das Absaugen der Ova wird mit Hilfe einer Sonde durch den vaginalen Kanal durchgeführt. Zwar birgt diese Prozedur kaum Risiken für anhaltende Schäden, ist jedoch für die Spenderin so unangenehm und schmerzhaft, dass eine Sedierung – mit den damit verbundenen Risiken – bis hin zur Vollnarkose erforderlich ist334. Aufgrund der beschriebenen medizinischen Risiken verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz die heterologe Eizellspende, also diejenige zu anderen Zwecken als der Herbeiführung einer Schwangerschaft bei der Eizellspenderin selbst335. Auch im ärztlichen Berufsrecht findet sich ein solches Verbot336. Für die Herstellung einer embryonalen Stammzell-Linie werden sehr viele Ei­zellen benötigt: Ergebnisse aus Tierversuchen ergaben, dass für die Herstellung einer ES-Zell-Linie nach Kerntransfer bei der Maus durchschnittlich etwa 60 Eizellen verbraucht werden337. Höchst problematisch erscheint somit die limitierte Verfügbarkeit menschlicher Eizellen338. Es sind mehrere Labore bekannt, die Ova-Spenden für Klonexperimente erhalten haben. Eine Firma ist das US-amerikanische Unternehmen Advanced Cell Technology in Worcester MA, USA339. Zahlen der Spenderinnen und die erhaltenen Ova sind jedoch nicht bekannt. Zudem verfügen US-Forscher der Oregon Health & Science University in Portland über menschliche Eizellen340. Eine weitere Einrichtung ist die Universität Newcastle im Vereinigten Englischen Königreich341. Weil in England eine Kommerzialisierung von Ova oder Stimulierung zum Zwecke der Spende unzulässig ist, werden hier „überzählige“ Ova aus In-vitro-Fertilisationen verwendet. Diese fallen an, weil nach Poly-Stimulierung typischerweise 15 Ova geerntet werden, die Chancen auf eine Schwangerschaft jedoch ab dem zwölften Ovum nicht mehr signifikant steigen. Auch der Seoul National University in Südkorea stehen weibliche Ova zur Verfügung342. Die veröffentlichten Studien von Hwang erwiesen sich jedoch als Fälschung. Das für die Untersuchung der Spendepraxis eingerichtete Panel berichtete von 119 Spenderinnen und 2.221 erhaltenen Ova, woraus sich schließen lässt, dass die Spenderinnen ausschließlich für die Spende stimuliert wurden343.

333

Vgl. URL: http://www.wunschkind-koeln.de/index.php?id=2#.UXornKLwm8A. Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 299. 335 Vgl. § 1 I Nr. 1 ESchG. 336 Vgl. Teil D IV Nr. 15I 2 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä 1997). 337 Wakayama et al., S. 679. 338 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 50. 339 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 298. 340 Tachibana et al. in: Cell 153 (2013), 1 (6). 341 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 299. 342 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 299. 343 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 299. 334

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(2) Enukleierung der Oozyte Bei Säugetieren ist die am häufigsten angewendete Enukleierungs-Technik für Eizellen das Absaugen des Kernes unter Verwendung von Kappilarglas-­ Nadeln, um vorsichtig die Chromosomen und einiges umgebende Zytoplasma344 (die „Karyoplasten“) zu entfernen, ohne das Plasma in die Membran eindringen zu lassen345. Eine andere invasive Methode besteht darin, manuell die Eizelle in zwei Teile zu schneiden, anschließend mit Hilfe von UV-Licht zu selektieren und diejenige Hälfte zu entfernen, welche die maternalen Chromosomen trägt. Danach müssen die Hälften wieder fusioniert werden, um das ursprüngliche Volumen des Zytoplasmas wiederherzustellen346. Eine dritte Methode ist die chemisch assistierte Enukleierung. Diese hat bislang jedoch nur bei Mäusen gut funktioniert347. (3) Selektierung des Spenderzellkerns Alle Funktionszustände des zu klonenden Zellkerns müssen in den für die befruchtete Eizelle typischen Zustand zurückversetzt, reprogrammiert, werden348. Es kann sich sowohl um den Zellkern einer totipotenten Blastomere als auch einer nicht mehr totipotenten Zelle handeln, sei es eine embryonale, foetale oder eine differenzierte Körperzelle349. Der Klonvorgang verspricht umso mehr Erfolg, je näher die implantierte Zelle am embryonalen Zustand ist. In Tierversuchen wurden die besten Ergebnisse mit Zellkernen aus embryonalen Stammzellen sowie solchen aus keimzellproduzierenden Geweben (Hoden, Eierstock) erzielt350. (4) Transfer des Nukleus (a) Elektrische Fusionierung Durch eine elektrische Entladung kann der Zellkern oder die komplette Spenderzelle, die den Zellkern enthält, mit ihrer Zellmembran und der Zellmembran der Empfängerzelle  – der entkernten Eizelle  – fusioniert werden351. Während der Fusion werden alle zytoplasmatischen und plasmatischen Membranbestand 344

„Zytoplasma/Cytoplasma/Zellplasma“: Das Protoplasma der Zelle, das nach außen hin von der Zellmembran begrenzt wird: Roche, Lexikon Medizin, S. 1821. 345 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 47. 346 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 47. 347 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 47. 348 Nationaler Ethikrat Klonen, S. 21. 349 BT-Drs. 13/11263, S. 7. 350 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 21. 351 Vgl. zu den Details der komplexen Technik BT-Drs. 13/11263, S. 8.

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teile der Spenderzelle (einschließlich der Organellen, Zentrosomen und zytoso­ lischen352 Faktoren) in das Zytoplasma der Eizelle eingebracht353. Die Konsequenzen daraus sind bislang noch nicht vollständig geklärt354. (b) Mikroinjektion Die Übertragung des Zellkerns kann auch mit Hilfe der Mikroinjektion geschehen. Dabei wird die Spender-Zellmembran innerhalb der gläsernen Injektionspipette mechanisch rupturiert (zerrissen) und anschließend nach wenigen Minuten Isolation in das Zytoplasma der Eizelle injiziert355. Die Menge an mit injizierten zytoplasmatischen Komponenten, die vom Zellkernspender stammen­ (Zytoplasma, Zellorganellen356), sowie an Kultivierungsmedien ist im Vergleich zu derjenigen bei der elektrischen Fusion gering. Allerdings sind elektrische Fusionsmethoden einfacher in der Handhabung und deshalb bislang die am weitesten verbreitete Methode des Nukleustransfers357. (5) Artifizielle Aktivierung der Oozyte Die Eizelle bietet das für die Entwicklung des Embryos notwendige Milieu, da im Zytoplasma der Eizelle Entwicklungsfaktoren vorhanden sind, welche die ersten Entwicklungsphasen unterstützen und kontrollieren; ohne diese könnte sich gar kein Embryo entwickeln358. Zudem sind in der Eizelle Komponenten enthalten, die zum Aufbau der Zellbestandteile bis zur Blastozystenbildung not­wendig sind359. Um die Embryonalentwicklung zu unterstützen, muss die Eizelle aktiviert werden. Natürlicherweise führt die Befruchtung der Eizelle mit Spermien zur physiologischen Aktivierung der Eizelle360. Weil Spenderzellen von Säugetieren das Zytoplasma der Eizelle nicht aus sich heraus aktivieren können, wurden verschiedene Methoden der artifiziellen Aktivierung entwickelt, um die zellulären Abläufe, die nach einer Befruchtung typischerweise auftreten, auf andere Art und Weise einzuleiten und ablaufen zu lassen361. Zu beachten ist, dass artifizielle

352 „Zytosol“: Bestandteil des Zytoplasmas, das aus Zytosol und den darin verteilten zytoplasmatischen Organellen besteht, Biologie für Mediziner, S. 316. 353 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 47 f. 354 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48; Wilmut/Campbell/Tudge, S. 89. 355 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 47. 356 „Organell“: Jede Struktur von charakteristischer Morphologie (Gestalt) und Funktion innerhalb des Zytoplasmas der Zelle, Biologie für Mediziner, S. 307. 357 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 47. 358 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 18. 359 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 19. 360 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48. 361 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48.

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Aktivierung der Oozyte und artifizielle Befruchtung nicht funktional äquivalent sind, sodass die verschiedenen Arten der artifiziellen Aktivierung unterschiedliche Konsequenzen für die Entwicklung der erzeugten Entität nach sich ziehen362. (6) Reprogrammierung des Nukleus, Epigenetik und Embryogenese Die von der aktivierten Eizelle ausgehenden Impulse sorgen für eine Reprogrammierung des Zellkerns, bei der dieser seine Spezialisierung verliert363: Er wird aus seinem bereits differenzierten Zustand in einen solchen zurückversetzt, in dem die Entwicklung eines Embryos möglich ist. Dieser Prozess wird als n­ uklearer Reprogrammierungsprozess bezeichnet. Damit ein totipotenter Zustand erreicht wird, müssen Gene, die für die spezifischen Funktionen der Zelle nötig waren, abgeschaltet und Gene, die für die embryonale Entwicklung erforderlich sind, wieder angeschaltet werden364. Weil epigenetische Mechanismen bei der Reprogrammierung der Zelle eine entscheidende Rolle spielen, wird von einer epigenetischen Reprogrammierung gesprochen365. Der somatische Zellkern trägt die spezifischen epigenetischen Modifikationen dieses Gewebetyps in sich, welche während der Reprogrammierung des Zellkerns gelöscht werden müssen366. Nach einem Zellkerntransfer betrifft die epigenetische Reprogrammierung unter anderem folgende Bereiche: DNA-Methylierung367, genomisches Imprinting368, X-Chromosom-Inaktivierung, Histonmodifikationen369 und weitere Mechanismen370. Etliche Hinweise deuten darauf hin, dass die Reprogrammierung nach dem Nukleustransfer unvollständig oder fehlerhaft abläuft, was zu abnormen Mustern in den genannten Bereichen führt371. Die Reprogrammierungsfähig-

362

Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48. Volhard, http://www.drze.de/im-blickpunkt/Forschungsklonen. 364 Gurdon/Colman 1999, S. 745; Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44. 365 Wünsch, S. 8 mit Verweis auf Jaenisch/Bird 2003, S. 248. Der Begriff Epigenetik bedeutet wörtlich übersetzt „außerhalb der konventionellen Genetik“ und ist definiert als nukleare Vererbung, die nicht auf den Unterschieden in den DNA-Sequenzen beruht. 366 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44. 367 Chemische Änderungen an Grundbausteinen der Erbsubstanz einer Zelle, Biologie für Mediziner, S. 12. 368 „Genomisches Imprinting“ ist eine Prägung der mütterlichen oder väterlichen Allele bestimmter Gene, sodass sich die Expression beider Allele trotz gleicher DNA-Sequenz unterscheiden kann. Ursache bildet eine unterschiedliche Methylierung der Allele während der Gametenbildung. Durch das genomische Imprinting wird die epigenetische Information von Keimzellen auf somatische Zellen (Körperzellen) übertragbar, vgl. URL: http://universal_ lexikon.deacademic.com/242441/genomisches_Imprinting. 369 Chemische Veränderungen an Histon, Proteinen, die u. a. Einfluss auf die Transkription (Synthese von RNA anhand einer DNA-Vorlage) haben, Biologie für Mediziner, S. 19. 370 Shi et al. 2003, S. 110. 371 Daniels et al. 2000, S. 1040; Daniels et al. 2001, S. 283; Rideout et al., S. 26; Wrenzycki et al. 2001, S. 314; Humphreys et al. 2002, S. 95. 363

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keit der Zellkerne wird durch den Grad ihrer epigenetischen Modifikation beeinflusst und könnte durch die vorhergehende Behandlung mit pharmakologischen Faktoren, mit denen epigenetische Marker vor der Zellkerntransplantation entfernt werden, erhöht werden372. In verschiedenen Tierversuchen zeigte sich jedoch, dass auch bei Anwendung dieser Technik die Reprogrammierung der epigenetischen Marker unnormal verläuft373. Je mehr die Zusammenhänge des epi­genetischen Reprogrammierungsprozesses in geklonten Tieren verstanden werden, desto mehr wird sich die Klontechnologie weiterentwickeln, damit unter idealen Bedingungen eine fehlerlose und vollständige Reprogrammierung des somatischen Zellkerns stattfinden kann. (7) Bedeutung der Implantation Zu betonen ist schließlich das Erfordernis der Implantation des Klons in eine Gebärmutter. Von der Einnistung hängt es ab, ob zusätzliche Faktoren ihre Wirkkraft entfalten, die nicht zu dem schon vorhandenen genetischen Programm des Embryos gehören374, sondern epigenetisch einwirken und die Voraussetzung für eine weitere Embryonalentwicklung bilden375: Der Steuerungsapparat der Mutter376 gibt die Befehle zu der konkreten Embryogenese377. Erst mit der Einnistung in den Uterus der Mutter wird das Programm der Entwicklung vollständig. Aus diesem Grunde sehen viele im Vorgang der Implantation einen gravierenden Einschnitt in der Embryonalentwicklung: „Biologisch gesehen gibt es kaum etwas Diskontinuierlicheres in einer Entwicklung als einen solchen Vorgang, bei dem sich der Embryo in direkten zellulären Kontakt mit einem anderen Organismus begibt“378. dd) Ergebnisse aus Tierversuchen Nukleustransfer-Klone werden schon jahrzehntelang hergestellt.

372

Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44 f. Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 45. 374 Der Chromosomensatz eines Embryos, der bei der Befruchtung von Ei- und Samenzelle entsteht, ist der gleiche, wie er in milliardenfacher Ausführung in jeder Zelle vorkommt, sich aber dennoch nicht zu einem Embryo entwickelt, Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3439). 375 Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 145 f.; Nüsslein-Volhard in: FAZ vom 02.10.2001; vgl, Kummer in: Oduncu, 148 (154 f.), mit dem Hinweis auf weiteren Forschungsbedarf. 376 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3439). 377 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3439). 378 Nüsslein-Volhard in: Human Biotechnology, 25 (41 f.). 373

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(1) Amphibien und Säugetiere Im Jahr 1952 wurde von Briggs und King erstmals über einen erfolgreichen Nukleustransfer aus einer embryonalen Zelle berichtet379. Durch die Trans­plantation des Zellkerns einer Blastula-Zelle in entkernte Eizellen von Leopardfröschen (rana pipiens) erzeugten sie Kaulquappen, die normal schlüpften380. In den späten 1960er Jahren war James B. Gurdon der Erste, der zeigen konnte, dass die Transplantation des Zellkerns einer Hautzelle eines erwachsenen Frosches in eine entkernte Eizelle des Frosches zwar nicht zur Bildung eines erwachsenen Tieres, aber immerhin zur Entstehung einer Kaulquappe führen kann381. Der erste Bericht über eine Entwicklung bis zum Morulastadium nach einem Nukleustransfer bei Säugetieren wurde 1975 von Bromhall veröffentlicht, der sowohl die Mikroinjektion als auch die Fusion mit Hilfe des Sendai-Virus durchführte, um eine Kaninchen-Morula-Zelle in eine entkernte Kaninchen-Eizelle zu transferieren. Die hergestellten Embryonen entwickelten sich bis ins Furchungsstadium, ein geringer Prozentsatz sogar bis in ­ illadsen die Elektrofusion sowie den das Morula-Stadium382. Im Jahr 1986 nutzte W Sendai-Virus, um Zellen von 8- oder 16-Zell-Embryonen mit enukleierten Eizellen von Schafen zu fusionieren, und erzeugte damit zwei geklonte Lämmer383. Im Anschluss konnte der Nukleustransfer mit embryonalen Spenderzellen erfolgreich bei Kaninchen, Schweinen, Mäusen, Kühen und Affen durchgeführt werden384. 1996 führten Campbell und Willadsen den Nukleustransfer mit den Zellkernen von etablierten Stammzell-Linien aus einem neun Tage alten Schaf-Embryo durch. Vor der Elektrofusion in eine entkernte Schafs-Eizelle brachte Campbell diese Zellen in ein Ruhestadium385. Im nächsten Jahr, 1997, wendeten die Forscher dieselbe Technik mit dem Kern kultivierter adulter Drüsen-Zellen eines Säugetieres an und es gelang ihnen, ein einzelnes lebendes Klon-Schaf zu erzeugen: „Dolly“, das erste Säugetier, das nicht mit embryonalen Stammzellen, sondern mit Hilfe einer somatischen Körperzelle, einer Euterzelle, geklont worden war386. Weil die Reprogrammierung von Zellkernen aus Körperzellen besonders selten gelingt, stellte dies auch für die Wissenschaftler eine Sensation dar387. 1997 entstand das Kalb „Gene“ aus einer Zell-Linie der Vorläuferzellen von Keimzellen, welche aus einem dreißig Tage alten Rinderfoetus etabliert werden konnten388. Danach erschienen Berichte über die erfolgreiche Klonierung von Mäusen, Rindern, Schweinen und Pferden389. 379

Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 30; Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44; Wilmut/Campbell/Tudge, S. 109. 380 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 524. 381 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 5. 382 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 527. 383 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44; Hetz, S. 41. 384 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 528; Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44. 385 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 528. 386 Campbell/Wilmut, S. 47; Campbell/McWhir/Ritchie/Wilmut in: Nature 1996, S. 64. 387 Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 31. 388 Robertson in: Nature Biotechnology 1997, S. 833. 389 Vgl. die detaillierten Nachweise unter: www.roslin.ac.uk/public/webtablesGR.pdf.

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(2) Nichthumane Primaten Einer Studie aus dem Jahr 1997 zufolge gelang die Klonierung lebender Rhesus­ affen durch den Transfer von Zellkernen von Blastomeren dieser Spezies im 6bis 12-Zellstadium in entkernte Eizellen: Zwei der rekonstituierten Embryonen entwickelten sich nach dem Transfer in den Uterus eines Weibchens zu geborenen Affen (Neti und Ditto)390. Bis dies gelang, wurden 213 Eizellen „verbraucht“. In der Folgezeit wurde weder von einer erfolgreichen Wiederholung der Klonierung von Affen mit Kernen embryonaler Zellen noch von erfolgreichen Versuchen mit adulten Zellkernen berichtet391. Bei einer Studie aus dem Jahr 2003 an Primaten, ebenfalls Rhesusaffen, ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Reprogrammierung adulten Erbmaterials durch Zellkerntransfer392. Zwar teilten sich die Zellen nach der Kerntransplantation, die Chromosomen konnten sich jedoch schon bei der ersten mitotischen Zellteilung nicht wie erforderlich in der Mitte der Zelle anordnen393. Der korrekte Aufbau des Spindelapparates gelang nicht, vielmehr wiesen die rekonstituierten Eizellen eine starke Desorganisation auf 394. Durch die Störung wurden die Chromosomen bei der Zellteilung ungleichmäßig in die Zellen verteilt, sodass Aneuploidien in den Tochterzellen auftraten und Embryonen mit unterschiedlichen Chromosomensätzen entstanden395. Meist führten diese Verteilungsfehler zum Absterben des Embryos396. Die Schwierigkeiten der Kerntransfertechnik bei Primaten, insbesondere die fehlerhafte Ausbildung der Mitosespindel bei der ersten Zellteilung, werden vermutlich durch eine Asynchronie zwischen transplantiertem Kern und Zytoplasten bedingt397. Daraus folgerten Wissenschaftler zunächst, dass bei Primaten andere molekulare Voraussetzungen bestehen als bei anderen Spezies, und vermuteten, dass sich mit den traditionellen Techniken des Kerntransfers die Erzeugung von ES-Zellen als schwierig und eine solche mit reproduktiver Zielsetzung als unmöglich erweisen könnte398. Im Jahr 2007 scheint jedoch der Durchbruch auf dem Gebiet der Klonierung von Primaten gelungen zu sein: US-Forschern um Shoukhrat Mitalipov des Nationalen Primaten Forschungs-Zentrums (Oregon Health and Science University in Beaverton) gelang es, Affenembryos zu klonieren, die sich so weit entwickelten, dass aus ihnen embryonale Stammzellen gewonnen werden konnten399. Sie entnahmen 14 Rhesusaffenweibchen insgesamt 304 Eizellen, entfernten den Zellkern und setzten stattdessen Kerne von Hautzellen eines neun Jahre alten 390

Meng, S. 458. Heinemann, S. 190. 392 Simerly et al., S. 297. 393 Müller-Jung in: FAZ v. 11.04.2003. 394 Heinemann, S. 199. 395 Vogel, S. 225. 396 Simerly et al., S. 297. 397 Heinemann, S. 199. 398 Simerly et al., S. 296.; vgl. auch Heinemann, S. 199. 399 Byrne et al., S. 501. 391

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Affenmännchens ein400. An dem prinzipiellen Verfahren der Fusionierung einer entkernten Ei- mit einer Körperzelle änderten sie nichts, jedoch verbesserten sie zwei Details: Zum einen wurde das abzusaugende Erbgut der Eizelle mit polarisiertem Licht sichtbar gemacht, anstatt es, wie bislang üblich, anzufärben, sodass es präziser und ohne schädliche Chemie entfernt werden konnte 401. Zum anderen ließen die Forscher Kalzium- und Magnesiumionen im Nährmedium weg, weil sie vermuteten, dass diese die Embryonalentwicklung einleiten, bevor das Erbgut in der verschmolzenen Zelle genügend Zeit hat, sich zu reprogrammieren402. Dennoch blieb die Erfolgsrate relativ niedrig: Aus 304 Eizellen konnten nur 35 KlonEmbryonen und daraus lediglich zwei Stammzell-Linien gewonnen werden, was verdeutlicht, dass das Verfahren noch keineswegs optimal ist. Dennoch haben sich die Chancen auf ein erfolgreiches Klonen beim Menschen mit diesem Erfolg deutlich verbessert403, denn die beiden embryonalen Stammzell-Linien von Affen aus Nukleustransfer-Embryonen beweisen die grundsätzliche Durchführbarkeit der Zellkerntransfertechnik bei Primaten. (3) Erfolgsrate Mittlerweile haben einige Schritte des Zellkerntransfers beim Rind einen recht hohen Effizienzgrad erreicht: Enukleation ca. 95 bis 100 Prozent, Aktivierung von Eizelle und Fusion circa 80 bis 90 Prozent, Blastozystenentwicklung ca. 25 bis 35 Prozent, Nachkommen etwa 20 bis 30 Prozent, durchschnittliche Embryonenüberlebensrate etwa ein bis sechs Prozent404. Bei Rindern ist die Geburtenrate nach Implantation von Blastozysten offenkundig besonders gut, bei Schafen und Ziegen scheint es schwieriger zu sein – die Erfolgsrate liegt bei etwa zehn Prozent –, und bei Maus, Ratte, Kaninchen, Schwein, Katze, Pferd und Muli befindet sich die Geburtenrate bei nur wenigen Prozent. Hunde konnten bislang überhaupt nicht mittels somatischen Zellkerntransfers geklont werden405. Im Hinblick auf die Erzeugung lebender Tiere liegt die Effizienz des Zellkerntransferverfahrens bei allen Spezies derzeit nicht höher als ca. drei bis fünf Prozent406.

400 Vgl. URL: http://www.stern.de/wissen/natur/primaten-forschern-gelingt-durchbruch-beimKlonen-602564.html. 401 Vgl.: URL: http://www.spektrum.de/alias/reproduktionsbiologie/erste-klonembryonenvon-affen/912273. 402 Vgl.: URL: http://www.spektrum.de/alias/reproduktionsbiologie/erste-klonembryonen-vonaffen/912273. 403 Vgl.: URL: http://www.spektrum.de/alias/reproduktionsbiologie/erste-klonembryonenvon-affen/912273. 404 Vgl. BT-Drs. 13/11263, S. 9. 405 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 22. 406 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 528.

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(4) Probleme und Risiken Häufig wurden in den Klonexperimenten allerdings Anomalien festgestellt. Diese werden unter dem Sammelbegriff „Klonsyndrom“ zusammengefasst, welcher unterschiedliche Symptome beinhaltet407. (a) Hohe Letalitätsrate und phänotypische Anomalien Zahlreiche klonierte Tiere weisen eine hohe perinatale oder postnatale Leta­lität und nach der Geburt eine mangelnde Adaption an die Umgebungsbedingungen auf408. Nur etwa zwei Drittel aller geborenen Klone überleben zumindest bis zum Abstillen. Weniger als ein Prozent aller Nukleustransfers von adulten oder ausdifferenzierten Zellen führte zu gesundem Nachwuchs, vielmehr wurden in den meisten Fällen Entwicklungsstörungen und physische Anomalien festgestellt409. Einige Stimmen behaupten, dass zumindest die lang überlebenden Klone physiologisch unauffällig und offensichtlich gesund seien sowie normale Verhaltensweisen, Wachstum, Produktivität (Milch etc.) und Fortpflanzung zeigten410, und auch die Nachkommen der Klone hätten sich normal entwickelt411. Demgegenüber existieren Berichte über anomale Phänotypen unter Klonen sowie eine höhere JährlingsSterblichkeitsrate bei Rindern, eine verkürzte maximale Lebenserwartung sowie Adipositas (Fettleibigkeit) bei Mäusen und gestörte Immunfunktionen in beiden Spezies412. Die Anomalie-Rate variiert abhängig von der Spezies, dem Genotyp, dem Status der Spenderzelle sowie spezifischen Aspekten der NukleustransferMethode413. Es bleibt unklar, welche Anomalien durch technische Weiterentwicklung verhindert oder zumindest verringert werden könnten. (b) Large offspring syndrome Unter dem Begriff des „large offspring syndrome“ werden verschiedene pathologische Phänomene zusammengefasst414. Vor allem klonierte Rinder und Schafe weisen häufig eine ungewöhnliche Körpergröße und ein hohes Geburtsgewicht, das „Riesenbabysyndrom“415, auf, sodass oftmals eine Entbindung per Kaiser 407

Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48. Heinemann, S. 192. 409 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44. 410 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48. 411 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 22. 412 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48. 413 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 48. 414 Young et al, S. 157; Heinemann, S. 192; unter den Begriff fallen zudem multiple Organdefekte und morphologische Anomalien. 415 Heinemann, S. 192. 408

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schnitt erforderlich ist416. Häufig werden auch strukturelle und funktionelle Unterentwicklungen der Lunge mit Hypoglykämien und metabolischen ­Azidosen in Verbindung mit Hyperkaliämien beobachtet417. Zudem traten vergrößerte und funktionell insuffiziente Plazentae bei klonierten Foeten, insbesondere bei Mäusen, auf418. Da viele dieser Anomalien nicht vererbt werden, geht man davon aus, dass diese nicht durch Defekte bei der Chromosomenreplikation419 verursacht werden, sondern eher durch einen Reprogrammierungsfehler420 der epigenetischen Charakteristika der somatischen Zellen, insbesondere des genomischen­ Imprintings421. (c) Vorzeitige Alterung und Telomerenlänge Schließlich wurden bei etlichen Tieren vorzeitige Alterskrankheiten und andere Abnutzungserscheinungen festgestellt422. So war es auch bei dem berühmten Schaf „Dolly“, das im Alter von sechs Jahren schwere Gelenkschäden entwickelte und im Jahr 2003 im Alter von nicht einmal sieben Jahren (bei einer gewöhnlichen Lebenserwartung von durchschnittlich zehn bis zwölf Jahren) verendete, sowie anderen durch Kerntransfer klonierten Schafen423. Bei aus den Kernen von Cumuluszellen (Zellen aus dem Eierstock) klonierten Rindern ergab sich ein ähnlicher Befund424. Ein Risiko für diese vorzeitige Alterung bildet die Übertragung der biologischen Seneszenz der verwendeten Zellkerne auf die klonierten Tiere, sodass es das biologische Alter des Zellkernspenders „übernimmt“: Bei jeder Zellteilung von Körperzellen werden die Telomeren infolge einer inkompletten Replikation der DNA an den Enden der Chromosomen verkürzt („Hyflick-Phänomen“)425. Telomeren sind die schützenden Strukturen, welche die Enden der Chromosomen von Säugetieren bedecken, um Reparaturmechanismen zu verhindern, welche Fusionen von Chromosomenenden hervorrufen können426. Werden Zellkerne von Zellen eines adulten Organismus für die Rekonstitution der Eizellen verwendet, 416 Pennisi/Vogel, S. 1726; Young et al., S. 159.; Kato et al., S. 235.; Cibelli et al. in: Science 1998, 1256 (1256). 417 Heinemann, S. 192. 418 Heinemann, S. 192. 419 „Replikation“: Ablesung und Aufspeicherung von genetischer Information auf einen neuen Informationsträger durch Kopie einer vorher existierenden Einheit derselben Art. Biologische Systeme hierfür sind Nukleinsäuren, Biologie für Mediziner, S. 310. 420 Pennisi/Vogel, S. 1725. 421 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 528; demgegenüber hält es der Deutsche Ethikrat für möglich, dass Klone – oftmals einschneidende – somatische Mutationen ihrer Spenderindividuen vererben, weil Reprogrammierungsfehler sich bis ins Erwachsenenalter hinein auszuwirken scheinen, Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 23. 422 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 22 f. 423 Shiels et al., S. 346. 424 Kato et al., S. 235. 425 Heinemann, S. 192 f. 426 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 46.

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besteht die Möglichkeit, dass die Telomerenlänge der mit dem Zellkern transplantierten Chromosomen nicht wie bei einer normalen Entwicklung wiederhergestellt wird, sondern dass der Embryo mit den verkürzten Telomeren des Spenderzellkerns seine Entwicklung startet und somit früher genetisch altert427. Der Zusammenhang zwischen Telomerenlänge und Alterung ist jedoch schwach und hängt vom jeweiligen Zelltypus ab sowie der Spezies und den Kultivierungsbedingungen428. So ergaben Studien mit geklonten Rindern und Mäusen auf der einen Seite und geklonten Schafen auf der anderen widersprüchliche Ergebnisse: Die ersten beiden Tierarten zeigten eine normale Telomerenlänge nach der Klonierung, die Schafe hingegen verkürzte Telomeren. In nuklearen Blutzellen von fünf bis zehn Monate alten Kälbern, welche aus den Kernen foetaler Fibroblasten kloniert worden waren, wurden im Vergleich zu altersentsprechenden Vergleichstieren sogar signifikant längere Telomere festgestellt429. Eine mögliche Erklärung für die divergierenden Befunde könnte darin liegen, dass gewebetypspezifische Unterschiede in der Telomerenlänge bestehen. Foetale Fibroblasten von Rindern weisen eine 16-fach höhere Aktivität der Telomerase auf als adulte Fibroblasten und offenbar wird die Telomeraseaktivität der kultivierten Spenderzellen von den Kulturbedingungen beeinflusst430. So war nach Re-Klonierung durch Kerntransfer bei Mäusen über vier bis sechs Generationen keine Verkürzung der Telomeren in den peripheren Blutlymphozyten festzustellen431. Insofern bleibt die Frage nach einer frühzeitigen genetischen Alterung klonierter Tiere derzeit ungeklärt, zumal die biologischen Grundlagen noch kaum verstanden und die bisherigen Ergebnisse in hohem Maße erratisch sind432. Der potenzielle Einfluss der Telomerenlänge auf die Gesamtlebensdauer müsste in Langzeitstudien beobachtet werden433. (d) Fazit Ob es überhaupt möglich ist, aus Säugetieren ungeschädigte geborene Klone zu erzeugen, ist noch nicht hinreichend geklärt434. Einige Forscher schließen die Möglichkeit komplett aus, während die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus Klon-Embryonen für wahrscheinlicher gehalten wird, weil sich die vitalen Zellen bevorzugt vermehren und in diesen zudem nicht alle Funktionen erforderlich sind, wie es bei der Entwicklung eines funktionsfähigen Organismus der Fall ist435.

427

Heinemann, S. 193. Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 46. 429 Lanza et al., S. 667. 430 Betts et al., S. 1079. 431 Wakayama et al., S. 372. 432 Wakayama/Yanagimachi, S. 679. 433 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 46. 434 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 23. 435 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 23. 428

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d) Alterierter Nukleustransfer (ANT) Kerntransplantationen sind auch in Verbindung mit gentechnischen Veränderungen möglich. Die Methode wird als „altered nuclear transfer“ (ANT) bezeichnet und derzeit in den USA diskutiert436. Dabei soll der Zellkern vor der Implantation in die entkernte Eizelle durch Ausschaltung des Cdx2 Gens (caudal-related homebox 2) so manipuliert werden, dass der daraus entstehende Embryo zwar den Embryoblasten bilden kann, in dem die innere Zellmasse vorhanden ist und aus der die embryonalen Stammzellen gewonnen werden, nicht aber den Trophoblasten437, welcher für die Implantation und die Bildung der Plazenta notwendig wäre438. Nach Meinung des US-amerikanischen Arztes und Wissenschaftlers William Hurlbut439 wäre dieses Verfahren ein gangbarer Weg, ohne die Herstellung und Zerstörung von „Embryonen“ zu den gewünschten Stammzellen zu gelangen. Erzeugt würden vielmehr „Wesen“, die entweder keine Embryonen seien oder keine werden könnten, aber dennoch die gesuchten pluripotenten Stamm­zellen lieferten440. Denn weil die ANT-Entität nicht nidationsfähig ist, kann sie sich auch nicht zu einem erwachsenen Menschen entwickeln. e) Alterierter Nukleustransfer in assistiert reprogrammierte Eizellen (ANT-OAR) Mittlerweile wurde die Methode des alterierten Nukleustransfers weiter entwickelt zum so genannten „altered nuclear transfer – oocyte assisted reprogramming“ (ANT-OAR)441, einer Modifikation der ANT-Methode, die ebenfalls vor allem in den USA thematisiert wird442. Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler, bestehend aus Philosophen, Theologen, Biologen und Medizinern, hat die Methode als ethisch akzeptabel bewertet443. Auch hierbei wird mit Hilfe des somatischen Nukleustransfers ein Zellkern in eine entkernte Eizelle verbracht und vor der Implantation in die Eizelle gentechnisch manipuliert. Es wird jedoch kein Gen abgeschaltet wie bei der ANT-Methode, sondern es werden mehrere Gene

436

„Altered Nuclear-Transfer“: Vgl. White Paper, S. 36–48; Hurlbut, S. 2321. „Trophoblast“: Teil der Blastozyste, der sich später zum kindlichen Anteil der Plazenta entwickelt, Biologie für Mediziner, S. 314. 438 Beck, S. 19. 439 Hurlbut, S. 2322. 440 Beck, S. 17. 441 Altered nuclear transfer  – oocyte assisted reprogramming: Diese Alternative wird im White Paper angedeutet, ohne dass der Begriff ANT-OAR verwendet wird, unter dem Kapitel: Pluripotent stem cells via somatic cell dedifferentiation, S. 50–54. 442 Grompe/George. S. 52. 443 Production of pluripotent stem cells by oocyte assisted reprogramming, URL: http:// www.eppc.org/publications/pub-ID.2374/pub_detail.asp. 437

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angeschaltet oder überexprimiert444. Aufgrund der Überexpression der Gene und durch die in den Genen codierten Transkriptionsfaktoren Nanog und Oct 3/4 und weitere soll erreicht werden, dass der adulte ausdifferenzierte Zellkern sofort und direkt in den Zustand einer pluripotenten Stammzelle zurückversetzt wird, ohne dass dabei ein Embryo entsteht445. Bis dato wurde diese Methode allerdings nicht einmal im Tierversuch erprobt und wird nur theoretisch diskutiert. f) Nukleustransfer mit anderen „Medien“ als Eizellen Um den medizinischen und ethischen Problemen der heterologen Eizellspende von Frauen aus dem Weg zu gehen, versuchen Forscher, die Reprogrammierung von Zellen durch andere „Medien“ als Eizellen zu erreichen, suchen also nach alternativen „Reprogrammierungsmedien“446. Drei Optionen werden diskutiert: erstens die Zellfusion von zu reprogrammierenden Zellkernen mit embryonalen Stammzellen447, zweitens die Reprogrammierung durch Zellextrakt sowie drittens die Transdifferenzierung von Zellkernen in andere Zellen durch Zugabe verschiedener die Reprogrammierung einleitender Faktoren448. Noch stellen diese Möglichkeiten aber keine gleichwertige Alternative zum „herkömmlichen“ ­Klonen dar449. g) Zytoplasmatransfer Neben den klassischen Klonmethoden besteht die Möglichkeit des Zytoplasmatransfers (Eiplasmatransfers)450. Statt Erbgut in eine entkernte Eizelle einzubringen, wird die Zellflüssigkeit einer unbefruchteten Eizelle in eine Körperzelle injiziert451. Somit findet der Transfer „in die andere Richtung“ statt452. Auch dabei kommt es zu einer Reprogrammierung der Zellen. Versuche an Kühen haben gezeigt, dass die Zellen anschließend Eigenschaften embryonaler Stammzellen aufweisen453. Dennoch hat sich diese Methode bis heute nicht etabliert.

444

Beck, S. 20. Beck, S. 20. 446 Beck, S. 20. 447 Hochedlinger/Jaenisch, S. 1062. 448 Hochedlinger/Jaenisch, S. 1064. 449 Hochedlinger/Jaenisch, S. 1066. 450 Schwägerl in: FAZ v. 20.10.2001; Hetz, S. 44. 451 Schwägerl in: FAZ v. 20.10.2001. 452 Hetz, S. 44. 453 Schwägerl in: FAZ v. 20.10.2001. 445

B. Klonen

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h) Parthenogenese Ferner kann sich ein Klon aus Blastozysten entwickeln, die mittels Parthenogenese454 (Jungfernzeugung) erzeugt wurden. Dies wird auch als Hemiklonen bezeichnet455. Dabei beginnen unreife oder reife Eizellen sich zu teilen, ohne dass sie befruchtet wurden oder ein Zellkerntransfer stattgefunden hat456. Durch artifizielle Induktion der Eizelle wird in die Zellteilung eingegriffen und während der Meiose457 die Abstoßung von Chromosomen in Polkörperchen verhindert: Die Zelle bleibt Eizelle, verfügt aber über einen vollen Chromosomensatz458. Der Impuls der Eizelle, sich zu teilen, kann künstlich mit Hilfe von Chemikalien, Proteinen oder durch elektrischen Impuls erfolgen459. Abzugrenzen ist die Parthenogenese von der Haploidisierung460. Werden aus einer noch diploiden Keimzelle parthenogenetisch diploide Nachkommen erzeugt, handelt es sich um Klone der Mutter461. Anders verhält es sich bei der Erzeugung haploider Nachkommen: Diese sind weder untereinander noch im Verhältnis zur Mutter genetisch identisch, weil nur die Hälfte der mütterlichen Gene vererbt wird und ein „Crossing-over“462 bereits stattgefunden hat, sodass auch untereinander genetische Vielfalt besteht463. Forschern des US-Unternehmens ACT (Advanced Cell Technologies) gelang es eigenen Angaben zufolge am 13.10.2001 erstmals, menschliche Embryonen mittels Parthenogenese zu erzeugen, indem die Konzentration elektrisch geladener Teilchen in Eizellen mit Hilfe chemischer Substanzen verändert wurde464. Allerdings starben diese Embryonen vor Erreichung des Blastozystenstadiums ab. Inzwischen gelang die Stammzellentnahme aus humanen parthenogenetisch erzeugten Embryonen mehrfach465. Bei der Parthenogenese handelt es sich um eine Variante der asexuellen Reproduktion, die von Natur aus bei einigen Lebewesen auftritt, beispielsweise bei Stabheuschrecken, Rüsselkäfern, Blattläusen und Eidechsen466. Bei Säugetieren ist die Parthenogenese von der Natur nicht vorgese 454 Griechisch Parthenos („,Παρθενος“) = Jungfrau, Jungfernzeugung. Vgl. ausführlich­ Almeida Santos et al., S. 128; Holden, S. 779 f. 455 Schreiner in: NER Klonen durch ZKT, S. 19. 456 Wilmut/Campbell/Tudge, S. 77. 457 Vgl. FN 45. 458 Schwägerl in: FAZ v. 20.10.2001. 459 Hetz, S. 59. 460 Vgl. Teil 2: A. IV. 11. 461 Hetz, S. 59. 462 „Crossing-over“: Vorgang, der zur genetischen Rekombination führt; man versteht darunter den reziproken Austausch von Chromosomensegmenten an sich entsprechenden Positionen von homologen Chromosomenpaaren durch symmetrische Bruchereignisse und kreuzweise Reunion, Biologie für Mediziner, S. 295. 463 Wilmut/Campbell/Tudge, S. 78. 464 The first Human Cloned Embryo, in: Scientific American, URL: www.Sciam.com/ explorations/2001, 24.11.2001. 465 Revazova et al. in: Cloning and Stem Cells 2007, 1 (8); Kim et al. in: Cell Stem Cell 2007, 346 (351). 466 Stiegler, S. 17.

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hen, das genomische Imprinting467 steht einer parthenogenetischen Fortpflanzung entgegen468. Deshalb scheinen bei Säugetieren die parthenogenetisch aktivierten Eizellen nicht entwicklungsfähig, jedenfalls nicht nidationsfähig, zu sein469. Es ist jedoch möglich, wenn auch (noch) nicht erwiesen, dass die aus den erzeugten Blastozysten470 gewonnenen Stammzellen für therapeutische Zwecke verwendbar sind471. i) „Unechte“ Parthenogenese Zudem existiert eine zweite Form der Parthenogenese, die eigentlich keine solche ist, sondern eine Methode der Befruchtung472, weil hierbei neues genetisches Material zugefügt wird, durch Spermien, gentechnisch manipulierte Eizellen oder durch „künstliche“ Spermien, die aus Stammzellen gewonnen wurden473. In der Literatur wird ein Versuch mit Mäusen beschrieben, bei dem eine Eizelle entkernt und mit zwei haploiden weiblichen Chromosomensätzen bestückt wurde, von denen einer durch Ausschaltung von Genen „vermännlicht“ und so zu einem Spermium „umprogrammiert“ wurde474. Das entstandene Konglomerat von Chromosomen wurde in ein weibliches Muttertier verpflanzt, sodass letztlich das Genmaterial von vier verschiedenen weiblichen Tieren beteiligt war: die entkernte Eizelle mit der Rest-DNA der Mitochondrien, die beiden weiblichen Chromosomensätze, von denen einer umprogrammiert war, und das weibliche Muttertier475. Zwei Mäuse wurden auf diese Art geboren, die wiederum gesunde Nachkommen zur Welt gebracht haben476. Im Frühjahr 2003 gelang es einem Forscherteam um Karin Hübner und Hans Schöler in Pennsylvania erstmalig, aus pluripotenten embryonalen Stammzellen von Mäusen funktionsfähige Eizellen zu züchten477. In Langzeitkulturen von embryonalen Stammzellen der Maus erreichte die Forschergruppe478

467

Vgl. FN 411. Hetz, S. 59. 469 Vgl. Dederer in: GRUR 2012, 336 (337). 470 Die Manipulation der Eizelle, die deren parthenogenetische Entwicklung hervorruft, wird nicht vom ESchG erfasst, Hetz, S. 79. Ob die sich entwickelnde Parthenote als Embryo im Sinne des § 8 I ESchG anzusehen ist, wird kontrovers diskutiert. Problematisch ist das Tatbestandsmerkmal der „Befruchtung“ sowie insbesondere der „Entwicklungsfähigkeit“. Da menschliche Parthenoten nicht nidationsfähig sind, wird ihnen zumeist nicht der Status eines Embryos i.S.d ESchG zugesprochen, vgl. Hetz, S. 79. 471 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 20; Holden, S. 780; Schwägerl in: FAZ v. 20.10.2001. 472 Kono/Obata, S. 862. 473 Beck, S. 95 mit Verweis auf Pilcher, S. 117. 474 Beck, S. 23. 475 Beck, S. 24. 476 Beck, S. 24. 477 Hübner et al. 2003, S. 1251. 478 Hübner et al. 2003, S. 1255. 468

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die Bildung eizellähnlicher Zellen479 sowohl aus weiblichen als auch aus männlichen Stammzellen, aus denen in Kulturen ohne Befruchtung blastozystenähnliche Kulturen entstanden480. Schließlich gelang es, aus embryonalen Stammzellen der Maus auch samenzellähnliche Zellen481 heranreifen zu lassen482 und zur Befruchtung von Maus-Oozyten zu verwenden. Tatsächlich entwickelten sich die entstandenen Embryonen zu Blastozysten483. Zwar gingen die Mäuseembryonen stets in einem sehr frühen Entwicklungsstadium zugrunde, ob dies aber auch in Zukunft so bleiben muss, kann derzeit noch niemand abschätzen484.

IV. Klonen von Menschen 1. Versuchsergebnisse Insbesondere in China, den USA und Großbritannien wird an dem Verfahren des therapeutischen Klonens menschlicher Embryonen geforscht. Im November 2001 versuchte das amerikanische Unternehmen Advanced Cell Technology, menschliche Embryonen mittels Klonens herzustellen485. Die Embryonen entwickelten sich aber nicht weit genug, um ihnen Stammzellen zu entnehmen486. Im den Jahren 2004 und 2005 wurde in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift von der erfolgreichen Erzeugung menschlicher Klon-Embryonen durch Zellkerntransfer berichtet487, der sich jedoch im Jahr 2006 als Fälschung erwies: Die Forschergruppe des südkoreanischen Tierarztes Woo Suk Hwang hatte weder menschliche Embryonen geklont noch auf Patienten maßgeschneiderte Stammzellen hergestellt, zwei Publikationen hierüber waren gefälscht worden488. Zudem wurden nach­weislich Mitarbeiterinnen zur Eizellspende gedrängt und Frauen für die Eizellspende bezahlt; ferner habe Hwang anstelle der behaupteten 427 Eizellen ins­gesamt fast viermal so viele, nämlich 1600 Eizellen verwendet489. Lange Zeit schien die Erzeugung menschlicher Embryonen durch Zellkerntransfer erfolglos geblieben zu sein, doch im Mai 2013 gelang der Durchbruch490: US-For 479 Die Zellen zeigten in den Versuchen, die veröffentlicht wurden, einen für Gameten charakteristischen Marker. Ob jedoch tatsächlich funktionelle Keimzellen vorliegen, ist nicht nachgewiesen. 480 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 20. 481 Vgl. FN 87. 482 Toyooka et al. 2003, S. 11461. 483 Geijsen et al. 2004, S. 149. 484 Vgl. Denker in: DÄBl. 2003, A – 2728 f. 485 Schwägerl in: FAZ v. 27.11.2001. 486 Heinemann, S. 190 FN 510 m. w. N. 487 Hwang et al., S. 1671. 488 Vgl. Bürger in: VersMed 2006, 44 (44). 489 Vgl. URL: http://www.stern.de/gesundheit/gesundheitsnews/klonskandal-science-willHwangs-beitrag-zurueckziehen-552584.html. 490 Bahnsen/Spiewak in: DIE ZEIT v. 16.05.2013.

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

scher der Oregon Health & Science University in Portland um den russischstämmigen Zellbiologen Shoukhrat Mitalipov schafften es, mit Hilfe des somatischen Nukleustransfers von Hautzellen aus Foeten und kranken Kindern in menschliche Eizellen lebensfähige Embryonen zu erzeugen491. Die Eizellen stammten von Spenderinnen zwischen 23 und 31 Jahren, die für die Eizellspende finanziell entschädigt wurden492. Die Klonprozedur funktionierte sogar noch besser als bei Tieren493. Unter optimalen Ausgangsbedingungen gelang den Forschern eine 50-prozentige Erfolgsrate494: Jede zweite kultivierte Oozyte erreichte das Blastozystenstadium, sodass Stammzellen gewonnen werden konnten495. Nach sieben Tagen Kultivierung entwickelten sich die Embryonen bis in ein Stadium von 150 Zellen. Aus mehr als 102 Embryonen konnten schließlich sechs embryonale Stammzell-Linien etabliert werden496. Das „Erfolgsrezept“ des angewendeten Verfahrens des Nukleustransfers war es, die Eizelle für den Zellkerntransfer zu einem bestimmten Zeitpunkt, der Metaphase, zu stoppen und während des Verfahrens eine koffeinhaltige Lösung anzuwenden497. Knapp 16 Jahre nach der Geburt des Klonschafes Dolly stand damit fest, dass der Nukleustransfer beim Menschen genauso funktioniert wie beim Tier498. Festzuhalten bleibt, dass das therapeutische Klonen zwar noch kein standardisiertes Therapieverfahren darstellt, jedoch über einen bloßen Forschungsansatz bereits weit hinausgeht499. Schon in absehbarer Zeit scheint es möglich zu sein, mit Hilfe des therapeutischen Klonens bislang unheilbare Krankheiten zu behandeln. 2. Bedeutung für die Fortpflanzungsmedizin Das Klonen durch Zellkerntransfer im Bereich der Fortpflanzungs- und Reproduktionsmedizin hat den Vorteil, dass es keiner Befruchtung der weiblichen­ Eizelle durch männliche Keimzellen mehr bedarf, sodass die Fortpflanzung unabhängig von einer heterologen geschlechtlichen Befruchtung durchgeführt werden

491 Tachibana et al. in: Cell 153 (2013), 1 (6). Es wurden zwei Testreihen durchgeführt, einmal mit und einmal ohne Koffein in der Petrischale. Nur Letztere entwickelten sich so weit, dass embryonale Stammzell-Linien gewonnen werden konnten (Blastozystenstadium): „Improved blastocyst development of human SCNT embryos treated with caffeine. A total of 63 (five cycles) and 43 (three cycles) oocytes were utilized for SCNT without or with caffeine, respectively. Sixty (95,2 %) and 42 (97,7 %) oocytes survived after SCNT micromanipula­ tions. NT-ESCs were derived only from blastocysts produced with caffeine“, S. 4, Abb. 492 Tachibana et al. in: Cell 153 (2013), 1 (6). 493 Bahnsen/Spiewak in: DIE ZEIT v. 16.05.2013. 494 Tachibana et al. in: Cell 153 (2013), 1 (9). 495 Tachibana et al. in: Cell 153 (2013), 1 (6). 496 Hamburger Abendblatt v. 16.05.2013. 497 Tachibana et al. in: Cell 153 (2013), 1 (9). 498 Bahnsen/Spiewak in: DIE ZEIT v. 16.05.2013. 499 Wobus in: Wobus et al., S. 67.

B. Klonen

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kann500. Die Hürden der Infertilität könnten auf diese Weise überwunden werden, weil dennoch ein genetischer Abkömmling mit Hilfe der Technik des Zellkerntransfers erzeugt werden kann501. Solter und Gearhart entwickelten eine Hypothese, die theoretisch die Erzeugung menschlicher Embryonen mit der Technik des Kerntransfers unter Erhaltung des Prinzips der Zufallsverteilung der genetischen Beiträge von Mann und Frau erlaubt502. Nach diesem Modell werden bei beiden Partnern eines unfruchtbaren Paares somatische Zellen isoliert und die Kerne jeweils in eine entkernte Eizelle transferiert; anschließend durchlaufen die Zellen eine Meiose, die zu Zellen mit einem haploiden Chromosomensatz führt503. Je ein haploider Zellkern vom Mann und von der Frau könnten anschließend in eine weitere entkernte Eizelle transferiert werden und sich zu einem neuen diploiden Genom vereinigen, sodass der sich entwickelnde Embryo kein Klon wäre, sondern das Produkt einer zufallsabhängigen genetischen Kombination elterlicher Genome504. Ob eine solcherart rekonstituierte Zygote entwicklungsfähig ist, ist allerdings nicht bekannt505. Zudem wäre auf Grundlage der Erkenntnis, dass sich murine und humane ES-Zellen in Embryoidkörperchen zu Keimzellen differenzieren können506, die Möglichkeit denkbar, durch Zellkerntransfer individualspezifische embryonale Stammzellen von einem oder von beiden unfruchtbaren Partnern eines Paares zu erzeugen, diese zu funktionellen Keimzellen zu differenzieren und im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation zu verwenden507. Hierbei würden menschliche Embryonen kloniert, die zerstört werden, um einen nicht klonierten Embryo zu erzeugen, welcher dann zur Geburt gebracht wird508. Wegen der hohen Risiken  – Reprogrammierungsfehler sind nach heutigem Stand der Technik unvermeidlich und so zahlreich und zufällig verteilt, dass eine Beherrschung oder Korrektur ihrer Auswirkungen jedenfalls bis auf Weiteres unmöglich erscheint – raten die meisten führenden Forscher von der Anwendung des Zellkerntransfers beim Menschen zu reproduktiven Zwecken ab509. Der Versuch würde ein extrem hohes Risiko von schweren Gesundheitsschäden, Missbildungen, schweren Krankheitssyndromen und stark eingeschränkter Lebenserwartung der dabei entstehenden Menschen in sich bergen510. Der italienische Arzt Dr. Severino Antinori behauptete im April 2002, dass bereits drei Frauen mit einem geklonten Embryo schwanger seien511. Seitdem hat er sich nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt und seinen

500

Berger, S. 43. Berger, S. 43. 502 Heinemann, S. 199. 503 Heinemann, S. 199. 504 Solter/Gearhart, S. 1469. 505 Heinemann, S. 199. 506 Hübner et al., S. 1254. 507 Heinemann, S. 199. 508 Heinemann, S. 199. 509 Wilmut/Jaenisch in: FAZ v. 29.03.2001; Humphreys et al., S. 96. 510 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 24; Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 50. 511 Vgl.: URL: http://www.bionetonline.org/deutsch/content/sc_cont5.htm. 501

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

Kommentar weder bestätigt noch revidiert512. Jedenfalls wurde von keiner Geburt eines geklonten menschlichen Embryos berichtet513.

C. Mensch-Tier-Mischwesen In den letzten Jahrzehnten wurden in der experimentellen Biologie Verfahren entwickelt, mit denen Gene, Zellen oder Gewebe von zwei Arten gemischt werden können. Dazu zählen Transplantation, somatischer Zellkerntransfer, Gentransfer, Chromosomentransfer, Embryonenverschmelzung und Gametenfusion. Als Resultat entstehen Chimären, Hybride oder Zybriden. Die Nomenklatur verschiedener Interspezies-Wesen erfolgte bisher nicht einheitlich, was leider zu einer gewissen Verwirrung innerhalb der öffentlichen Diskussion geführt hat514. Im Folgenden soll auf die beiden großen Gruppen Chimären und Hybride eingegangen werden sowie auf zytoplasmatische Hybride, kurz Zybriden, auf denen der Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt.

I. Chimären 1. Definition Chimäre Die Bezeichnung Chimäre, auch Schimäre, Chimaera, Chimaira oder Chimera genannt, ist eine Eindeutschung bzw. Transliteration von griechisch „Χίμαιρα“ bzw. „Chímaira“, gleich „Ziege“515 . Sie lässt sich zurückführen auf ein Zwitter­ wesen der griechischen Mythologie, ein Feuer speiendes Ungeheuer mit dem Kopf eines Löwen, dem Körper einer Ziege und dem Schwanz einer Schlange, welches von Bellerophon getötet wurde516. Sprichwörtlich wird der Ausdruck Chimäre für ein Hirngespinst, Fantasiegebilde oder Unding benutzt517. In der Medizin und Biologie versteht man unter einer Chimäre einen Organismus, der zwar aus genetisch unterschiedlichen Bausteinen (Zellen, Geweben oder Organen) aufgebaut ist, jedoch ein einheitliches Individuum bildet518. Die verschiedenen Zellen stammen

512

Vgl.: URL: http://www.bionetonline.org/deutsch/content/sc_cont5.htm. Schwägerl in: FAZ v. 27.11.2001. 514 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 170 mit Verweis auf Government proposals for the regulation of hybrid and chimera Embryos. House of Common Science and Technology Committee, Fifth Report of Session 2006–07; Volume 1 (HC 272-I). London: The Stationary Office: 2007, page 5–6, 44–46. 515 Brockhaus, S. 467; Wahrig, S. 130. 516 Brockhaus, S.  105; Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 473. 517 Brockhaus, S. 105. 518 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 513

C. Mensch-Tier-Mischwesen

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aus unterschiedlichen befruchteten Eizellen519. Irrelevant für die Definition ist, ob die Zellen von Individuen der gleichen oder verschiedenen Arten abstammen. Abzugrenzen ist die Chimäre vom Mosaik520: Auch in diesem lassen sich genetisch unterschiedliche Zellen finden, die jedoch alle aus derselben befruchteten Eizelle hervorgegangen sind521. Zudem muss die Chimäre unterschieden werden von dem so genannten Arthybriden, welcher meist einer einzigen befruchteten Eizelle entstammt, dessen Elternteile aber verschiedenen Arten zuzuordnen sind522. 2. Arten von Chimären a) Intraspezies-Chimäre Bei Intraspezies-Chimären kommen die unterschiedlichen Zellen von Individuen der gleichen Art, wie zum Beispiel bei der Transplantation eines Organs von einem Menschen auf einen anderen Menschen523. b) Interspezies-Chimäre Interspezies-Chimären hingegen stammen von unterschiedlichen Arten. Ein Beispiel aus dem Tierreich bildet die Chimäre zwischen Ziege und Schaf, welche als „Schiege“ bezeichnet wird524. 3. Entstehung und Herstellung von Chimären Je nach Art der Herstellung entstehen unterschiedliche Chimären. a) Natürliche Blutchimären Beim Menschen und anderen Säugetieren können natürlicherweise Blutchimären auftreten. Diese entstehen durch die Fusion zweier Embryonen, welche aus der Befruchtung zweier Eizellen derselben Mutter hervorgegangen sind, die beim 519

Behringer, S. 261. „Mosaik“: Die Anwesenheit von Zellen innerhalb eines Individuums, die sich durch ihre genetische Herkunft, ihre Chromosomenstruktur oder ihre Chromosomenzahl unterscheiden, Biologie für Mediziner, S. 305. 521 Behringer, S. 261. 522 Vgl hierzu die Ausführungen unter Teil 2: C. II. 523 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 524 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 520

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selben Eisprung freigesetzt wurden525. Dieser seltene Vorgang verwundert nicht im Hinblick auf die Tatsache, dass Embryonen auch spontan zu zwei ein­eiigen Zwillingen zerfallen können526. In diesen Fällen können die Geschwister auch unterschiedliche Blutgruppen aufweisen, weil ihr Blut auf unterschiedliche Blutstammzellen zurückgeht: neben den eigenen auch auf Blutstammzellen der Mehrlingsgeschwister527. „Entdeckt“ werden natürliche menschliche Chimären zumeist nur dann, wenn ihre Genitalien von Ärzten als „nicht eindeutig“ eingestuft werden528, was seit den fünfziger Jahren über hundert Mal der Fall war529. b) Künstliche Chimären Chimären können auf verschiedene Weise artifiziell im Labor erzeugt werden. aa) Transplantationschimäre Bei der Organtransplantation werden Spenderorgane verpflanzt, die vom Empfänger genetisch verschieden sind, sodass dieser per definitionem zu einer Chimäre wird, da in seinem Körper Zell-Linien aus verschiedenen befruchteten Eizellen zusammenkommen530. Demgegenüber stellt der Empfänger einer Bluttransfusion nur kurzzeitig eine Chimäre dar, weil die erhaltenen Blutzellen nach einiger Zeit wieder abgebaut werden531. Werden Organe oder Blut derselben Spezies übertragen, handelt es sich um intraspezifische Chimären. Durch eine­ Xenotransplantation entstehen demgegenüber interspezifische Chimären532. Unter Xenotransplantation versteht man die Übertragung von Zellen, Geweben oder Organen, bei der Spender und Empfänger des Transplantats Individuen verschiedener Spezies sind533. Erfolgt die Transplantation von Zellen, Geweben oder Organen in einen Organismus nach Ausdifferenzierung seiner Organanlagen, bezeichnet man den erzeugten Organismus als Transplantationschimäre534. Bei dieser bleibt der Einfluss des Spendermaterials begrenzt, weil sich die transplantierten Materialien in einen vollständig nach dem Bauplan der Empfängerart funktionierenden Organismus einfügen müssen. Menschliche Krebszellen, die zu Forschungs­ zwecken in eine Maus transplantiert wurden, stellen hierfür ein Beispiel dar535. 525

Pschyrembel, S. 197. Silver, S. 241. 527 Pschyrembel, S. 197. 528 Silver, S. 242. 529 Silver, S. 241. 530 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 531 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 532 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 533 Müller/Vesting in: MedR 1997, 203 (203). 534 Deutscher Ethikrat 2011, S. 18. 535 Deutscher Ethikrat 2011, S. 18. 526

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bb) Embryonale Chimäre Werden die Materialien zweier Organismen bereits vor der Organentwicklung durch Transplantation vereinigt, sodass sie an dieser Entwicklung gemeinsam teilgenommen haben, spricht man von einer embryonalen Chimäre536. Weil das Immunsystem bei Embryonen noch nicht existiert, werden die fremden Zellen nicht als fremd erkannt, sodass sie sich gut in den neuen Organismus des Embryos integrieren können537. Zellen beider Arten tragen zur Entwicklung bei, weshalb ganze Organe oder Organsysteme ausschließlich oder vorwiegend aus der einen oder anderen Art bestehen oder sich zu Mischformen entwickeln können538. Gleiches gilt für die Keimzellen des geschlechtsreifen Organismus, was dazu führen kann, dass er äußerlich der einen Art anzugehören scheint, jedoch Eizellen oder Spermien einer anderen Art produziert539. cc) Chimären aus Embryonenverschmelzung Eine künstliche Chimäre kann schließlich durch die Verschmelzung von zwei Embryonen unterschiedlicher Art in einem sehr frühen Entwicklungsstadium – innerhalb der ersten Tage nach der Befruchtung – erzeugt werden (Embryonenverschmelzung)540, indem diese in vitro so eng beieinander gehalten werden, dass sie sich zu einem einzigen Organismus verbinden541. Bei dieser experimentellen Verschmelzung entwickeln sich Zellen unterschiedlicher Herkunft während der gesamten vorgeburtlichen Phase nebeneinander her542; es entsteht ein Mischwesen aus zwei verschiedenen Individuen, das die Zellen zweier Arten zu etwa gleichen Anteilen in sich trägt543. Demzufolge ist keine Unterscheidung von Spender- und Empfängerart möglich, sodass auch der entstehende Organismus nicht mehr überwiegend der einen oder der anderen Art zugeordnet werden kann544. 4. Phänotyp von Chimären Eine Chimäre ist in nahezu jeder Hinsicht von anderen Artgenossen nicht zu unterscheiden545. Hiervon gibt es jedoch zwei Ausnahmen, die durch die Embryo 536

Deutscher Ethikrat 2011, S. 16. Beck, S. 22. 538 Deutscher Ethikrat 2011, S. 18. 539 Deutscher Ethikrat 2011, S. 18. 540 Deutscher Ethikrat 2011, S. 21. 541 Beck, S. 22. 542 Pschyrembel, S. 278 („Chimärismus“). 543 Deutscher Ethikrat 2011, S. 21. 544 Deutscher Ethikrat 2011, S. 21. 545 Silver, S. 242. 537

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nenverschmelzung hervorgerufen werden. Hatten erstens die beiden verschmolzenen Embryonen sehr unterschiedliche genetische Programme bezüglich Hautund Haarfarbe, kann die erzeugte Chimäre unter Umständen einen fleckigen Teint oder eine unregelmäßige Hautfarbe aufweisen. Diese Unregelmäßigkeit taucht bei natürlichen Chimären nur sehr selten auf, was vermutlich daran liegt, dass beide nur eine einzige genetische Mutter und einen einzigen genetischen Vater haben, während es bei künstlich erzeugten Chimären vier Elternteile gibt546. So entstanden scheckige Mäuse, als mittels Embryonenverschmelzung Mäuse aus Inzuchtstämmen verschiedenfarbiger Felle miteinander kombiniert wurden – ein klarer Beweis dafür, dass sich hier in der Tat zwei Embryonen zu einem einzigen Individuum vereinigt hatten547. Die zweite Ausnahme ergibt sich, wenn ein Embryo mit einer XX-Konstitution mit einem XY-Embryo vermischt wird, denn im Laufe der foetalen Entwicklung werden die Gewebe, aus denen sich die Geschlechtsorgane entwickeln sollen, mit widersprüchlichen Signalen bombardiert 548. Meist herrschen die Signale des Y-Chromosoms vor, und die Chimäre entwickelt (weitgehend) normale männliche Genitalien, die Keimdrüsen selbst aber sind in vielen Fällen eine Mischung aus Eierstock und Hodengewebe549. Bei zweigeschlechtlichen Chimären können die Genitalien das gesamte Spektrum zwischen normal weiblich und normal männlich abdecken. Zudem können zweigeschlechtliche Chimären fruchtbar sein und selbst Nachkommen haben, sowohl als Vater als auch als Mutter550. 5. Forschungsstand Dr. Beatrice Mintz vom Krebsforschungsinstitut in Philadelphia gelang es bereits in den 1960er Jahren, frühe Mäuseembryonen miteinander zu verschmelzen, also intraspezifische Chimären zu erzeugen, und anschließend in den Uterus von Mäuseweibchen einzupflanzen, in dem sich diese Komplexe zu lebensfähigen Tieren entwickelten551. Voll entwicklungsfähig sind die erzeugten Entitäten jedoch nach heutigen Kenntnissen nur, wenn es sich um Embryonen derselben Art handelt oder die Arten nahe verwandt sind552. So wurde 1984 durch Verschmelzen eines Schafembryos mit einem Ziegenembryo die bereits erwähnte „Schiege“ erzeugt553. Die Verschmelzung zweier menschlichen Embryonen wird heute weder untersucht noch angestrebt. Provokativ fragt Silver: „Spricht irgendetwas dagegen, menschliche Chimären absichtlich entstehen zu lassen? Der am nächsten 546

Silver, S. 242. Lederberg in: Die ZEIT v 08.09.1967, Nr. 36, S. 1. 548 Silver, S. 242. 549 Silver, S. 242. 550 Silver, S. 242. 551 Lederberg in: Die ZEIT v 08.09.1967, Nr. 36, S. 1. 552 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 553 Fehilly/Willadsen/Tucker 1984, S. 635. 547

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liegende Einwand wäre, dass 50 Prozent von ihnen zweigeschlechtlich sein würden und deshalb eine Tendenz zur Ausbildung abnormer Geschlechtsorgane haben könnten. Es wäre unmoralisch, ein Kind mit einem derart hohen Risiko für eine schwerwiegende Fehlbildung in die Welt zu setzen“554. Demgegenüber wurden schon Experimente zur Herstellung von Mensch-Tier-Chimären unternommen: Nach der Übertragung humaner embryonaler Stammzellen in Schafembryonen waren etwa fünf Prozent der Zellen des heranwachsenden Schafes menschliche Zellen555. Weiterhin wurden menschliche Gehirnzellen in Affenhirne implantiert556. In der Grundlagenforschung werden chimärische Mischungen zwischen Mensch und Tier hergestellt, um im Tier die Funktion menschlicher Zellen, Gewebe und Organe zu untersuchen557. Menschliche Zellen und Gewebe werden in der Therapieforschung in Versuchstiere transplantiert, um invasive Beobachtungen, Messungen und Eingriffe durchzuführen, die am Menschen aus ethischen Gründen unvertretbar wären. Der Vorteil dieser Studien liegt darin, dass wissenschaftliche und medizinische Fragen in vivo, also innerhalb eines lebenden Organismus, mit all seinen Einflüssen erforscht werden können. Präklinische Studien sollen Aufschluss geben über die Effekte der Transplantation auf den zumeist bereits ausgereiften Empfängerkörper558. Von den hier transplantierten menschlichen Zellen und Geweben erhofft man sich therapeutische Effekte, um als nächsten Schritt zur Transplantation menschlicher Materialien in menschliche Empfänger zu gelangen559. Die umgekehrte Transplantationsrichtung – tierische Materialien in den Menschen – wird im kurativen Bereich erforscht und verfolgt das Ziel, die Knappheit von Organ- und Gewebespenden für die Behandlung menschlicher Krankheiten oder Organschäden durch die Nutzung von tierischem Material für Xenotransplantationen zu überwinden560. Neben den üblichen Transplantationsrisiken besteht das Hauptproblem der Xenotransplantation in der hyperakuten Abstoßung des Spenderorgans: Das Immunsystem des Empfängers erkennt das Spenderorgan der anderen Spezies nicht als sein eigenes an und zerstört es561. Um eine möglichst geringe Abstoßungsreaktion und eine möglichst große Akzeptanz des Spenderorgans zu erreichen, müssen solche Tiere als Spenderorganismen verwendet werden, die genetisch möglichst weitgehend mit dem Menschen übereinstimmen562. Da Affen nur begrenzt parat stehen, stellen Schweine zurzeit die einzigen Tiere dar, die aufgrund ihrer freien Verfügbarkeit und einer für die Transplantation auf den Menschen geeigneten Organgröße als zukünftige Organspender für

554

Silver, S. 243. Vgl. Beck, S. 22 mit Verweis auf Scottish Council on Bioethics unter 8.2.2. 556 Vgl. Beck, S. 22 mit Verweis auf White Paper, S. 48–50. 557 Deutscher Ethikrat 2011, S. 18. 558 Deutscher Ethikrat 2011, S. 18. 559 Deutscher Ethikrat 2011, S. 18. 560 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 37. 561 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 37. 562 Müller/Vesting in: MedR 1997, 203 (203). 555

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den Menschen in Betracht kommen563. Diese sind zwar nicht unmittelbar mit dem Menschen verwandt, mit Hilfe der Kombination aus kontrolliertem „Gen-Knockout“ und dem Einfügen neuer Gene können sie aber derart verändert („humanisiert“)564 werden, dass die Abstoßung ihrer Organe im Menschen zumindest abgeschwächt wird und Blutgerinnungen im transplantierten Organ sowie Gefahren durch im Schweinegenom integrierte Retroviren verringert werden565. Es sind bereits erste klinische Studien zur Transplantation von Schweine-Inselzellen in die Bauch­speicheldrüse von Diabetikern gelaufen566. Demgegenüber brachte die Übertragung tierischer Zellen in Gehirne von Parkinson-Kranken nicht die erhofften therapeutischen Erfolge567.

II. Hybride 1. Definition Hybrid568 Das Wort Hybrid geht etymologisch auf die griechische „ὕβρις“ („hybris“) zurück, die eine schuldhafte Tat wider die Ordnung meint, sowie die lateinische „hybrida“, welche mit Mischling oder Bastard übersetzt wird569. Beiden Bedeutungen ist gemeinsam, dass eine bestimmte Ordnung überschritten wird, sodass der Ausdruck damit einen negativen Beiklang erfährt570. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Hybrid ein Gebilde aus zwei verschiedenen gemischten Bestandteilen oder von unterschiedlicher Herkunft571. Dies trifft beispielsweise auf technische Dinge wie Motoren zu. Es ist aber auch ein linguistischer Begriff, der auf ein Wort hindeutet, dessen Elemente von verschiedenen Sprachen herrühren (Bei-

563

Kollek 1998, S. 59. Deutscher Ethikrat 2011, S. 19. 565 Kollek, S. 60; Beckmann/Brem/Eigler/Günzburg/Hammer/Müller-Ruchholtz/NeumannHeld/Schreiber, S. 191. 566 Deutscher Ethikrat 2011, S. 19. 567 Nicht veröffentlichtes Expertengespräch des Deutschen Ethikrates, mündliche Mitteilung von Guido Nikkhah am 26.08.2009 in Berlin. 568 Der Duden spricht von „die oder der Hybride“: „aus Kreuzung verschiedener Arten hervorgegangene Pflanze; aus Kreuzung verschiedener Rassen hervorgegangenes Tier“, vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Hybride; ebenso: Roche Lexikon Medizin: Hybride: „Jeder aus der Kreuzung von 2 genetisch verschiedenen Individuen hervorgegangene Nachkomme“; ebenso Hybride: Springer Lexikon Medizin, S. 958. Demgegenüber versteht der Duden unter „das Hybrid“: „Mischung; Gebilde aus zwei oder mehreren Komponenten“. Auch wenn der Duden sowie die medizinischen Lexika „der Hybrid“ gar nicht kennen, wird dieser Terminus im Rahmen dieser Arbeit verwendet, zumal § 7  ESchG von „Chimären- und Hybrid-Bildung“ und nicht von „Chimären- und Hybridenbildung“ spricht. Zur Frage des Vorschlags einer Änderung der Terminologie des Gesetzes vgl. Teil 5: C. 569 Vallant, S. 75. 570 Vallant, S. 75. 571 Badura-Lotter/Düwell in: Taupitz/Weschka, S. 571. 564

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spiel „aizberg“ für Eisberg im Albanischen)572. In der Biologie wird ein Hybrid definiert als Organismus, der aus der Vereinigung von Ei- und Samenzellen entsteht, sodass alle seine späteren Zellen die gleiche genetisch gemischte Zusammensetzung haben573. Im Gegensatz zu Mosaiken und Chimären weisen Hybride, zumindest theoretisch, nur einen einzigen Zelltyp  – bestehend aus Komponenten verschiedener Organismen – in ihrem Körper auf. Ein prominentes Beispiel hierfür sind Maultier und Maulesel574. 2. Arten von Hybriden a) Intraspezies-Hybrid Wird der Hybrid aus Lebewesen derselben Spezies gebildet, spricht man von einem Intraspezies-Hybrid oder einem speziesgleichen Hybrid575. b) Interspezies-Hybrid Werden hingegen verschiedene Spezies kombiniert, entsteht ein InterspeziesHybrid bzw. ein speziesdifferenter Hybrid576. Hybride aus unterschiedlichen Subspezies und Rassen haben über Jahrhunderte eine elementare Rolle in der Pflanzenforschung gespielt. Tierische Interspezies-Hybride werden seit geraumer Zeit auf dem Forschungsfeld der evolutionären Biologie verwendet577. 3. Entstehung und Herstellung von Hybriden Je nach Komponenten und Erzeugungsart entstehen unterschiedliche Arten von Hybriden. a) Natürliche genetische Hybride aus Gametenfusion Bei jeder natürlichen Zeugung innerhalb einer Art entsteht streng genommen ein Hybrid578. Bei diesen Intraspezies-Hybriden stammen Ei- und Samenzelle von 572

Vgl. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutscher_WProzentC3ProzentB6rter_in_ anderen_Sprachen. 573 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. 574 Badura-Lotter/Düwell in: Taupitz/Weschka, S. 571. 575 Heinemann, S. 195. 576 Heinemann, S. 195. 577 Badura-Lotter/Düwell in: Taupitz/Weschka, S. 571 mit Verweis auf Byrne et al., S. 499. 578 Deutscher Ethikrat 2011, S. 12.

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

Eltern derselben Art.  Innerhalb der Biologie wird der Begriff Hybrid überwiegend allerdings nur dann verwendet, wenn Ei- und Samenzellen von Eltern verschiedener Arten stammen, also bei Interspezies-Hybriden579. Im gesamten Tierreich tritt natürliche Arthybridisierung580 auf, die Tiere sind jedoch vom Phänotyp her nicht leicht zu erkennen, sondern können häufig erst mit Methoden der genetischen Analyse entdeckt werden581. In der freien Wildbahn können Hybride dort auftauchen, wo sich die Reviere nah verwandter Arten überschneiden, wie etwa bei Polarbären und Grizzlybären in Nord-Kanada582. Tendenziell können in der Natur vor allem junge Arten hybridisieren. Eng verwandte Spezies wie Katzen und Hunde, einige Bärenarten (wie Braunbär und Eisbär), verschiedene Einhufer (wie Pferd und Esel), und einige Affenarten können lebensfähigen gemischten Nachwuchs zeugen. Dieser ist selbst normalerweise unfruchtbar583, sodass die Hybride für den Evolutionsprozess ohne Bedeutung bleiben584. Sind die Hybride doch fertil, bilden sie die Grundlage für die Entstehung neuer Genotypen und Arten, wie dies verschiedentlich bei Schnecken, Wasserflöhen oder Vögeln gezeigt wurde. Zudem wurde fertiler Nachwuchs aus Braunbär und Eisbär585 sowie aus Hund und Wolf586 nachgewiesen. Auch in Zoos sind durch die gemeinsame Haltung Mischwesen entstanden, wie der Liger aus männlichem Löwen und weiblichem Tiger587. Das am besten bekannte Beispiel für einen natürlichen Hybrid ist das Maultier, welches durch Kreuzung eines Pferdehengstes mit einer Eselstute entsteht; die Kreuzung zwischen Eselhengst und Pferdestute hingegen wird Maulesel genannt. Diese Tiere werden seit über 5000 Jahren gezüchtet und zum Tragen schwerer Lasten genutzt. Normalerweise sind sie unfruchtbar, nur in seltenen Fällen wurde von Nachkommen von Maultieren durch Kreuzung mit Pferden oder Eseln berichtet588. Zudem existiert ein Bericht über lebensfähige Hybride aus Schaf und Ziege, zwei Spezies, die sogar zu verschiedenen Gattungen gehören589: Schafe (Ovis) stammen aus der Gruppe der Ziegenartigen (Caprinae), während Ziegen (Capra) zur Gattung der Hornträger (Bovidae) gehören590. 579

Deutscher Ethikrat 2011, S. 12. Schwenk/Brede/Streit, S. 2807. 581 Süddeutsche Zeitung vom 16. 12.2010, Nr. 291. 582 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 32 mit Verweis auf: http://news.national geographic.com/news/2006/polar-bears.html. 583 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 32. 584 Vallant, S. 76. 585 Vallant, S. 74. 586 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 32. 587 Vgl. URL: http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2008/mischwesen.pdf. 588 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 32, Verweis auf Rong et al., S. 134–139. 589 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S.  32 mit Verweis auf Letshwemyo/Kedikliwe, S. 732–734. 590 Interessanterweise stellen Chimären zwischen diesen Spezies (Schaf und Ziege) auch das einzige Beispiel für lebensfähigen Nachwuchs in wissenschaftlichen Versuchen zur Embryonenverschmelzung dar; Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S.  32 mit Verweis auf Polzin et al., S. 325–330. 580

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b) Genetische Hybride aus künstlicher Gametenfusion Die Biomedizin bemüht sich, Hybride mit Hilfe experimenteller Verfahren künstlich herzustellen. Eine Methode der Erzeugung von Hybriden ist die Verwendung künstlicher Chromosomen, welche in menschliche und tierische Zell-Linien eingebracht werden591. Werden Spermien einer Art in Eizellen einer anderen Art injiziert oder anderweitig zur Fusion gebracht592, kann mittels In-vitro-Befruchtung unterschiedlicher Spezies ein „echtes“ Hybridwesen hergestellt werden593. Die in den 1920er Jahren durchgeführten Versuche des russischen Biologen Ivanov, durch artfremde künstliche Besamung Hybride zwischen Mensch und Menschenaffen herzustellen, scheiterten und wurden seither nicht mehr wiederholt594. Ob es physiologisch denkbar wäre, Mensch-Tier-Wesen aus einem menschlichen Samen und der Eizelle einer Kuh oder eines Kaninchens herzustellen, ist fraglich; möglicherweise wird dies durch eine Art Interspezies-Barriere verhindert595. Für kurze Zeit haben sich Kreuzungen aus menschlichen und tierischen Keimzellen („Mensch-Maus-Hybride“) als lebensfähig erwiesen596. Soweit ersichtlich, existieren bis dato keine weiteren derartigen Versuche oder wurden jedenfalls nicht veröffentlicht. Selbst in Korea, wo Mensch-Tier-Mischwesen durch das Klonen durch Zellkerntransfer erzeugt werden dürfen, ist die Herstellung von Hybriden mit Hilfe der Verschmelzung von Samen- und Eizelle von verschiedenen Spezies verboten597. Lange Zeit war es allerdings in Deutschland üblich, im Rahmen der In-vitro-Fertilisation mit Hilfe des so genannten „Hamster-Tests“ die Penetrationsfähigkeit des menschlichen Spermas zu testen, indem die menschlichen Spermien im Reagenzglas mit Eizellen von Hamstern zusammengebracht wurden598. Keines der erzeugten Hybride ließ man sich weiterentwickeln, wobei ohnehin kein Entwicklungspotenzial bestand, da kein funktionsfähiger Zellkern gebildet wurde599.

591

Dinnyes in: Taupitz/Weschka, S. 519. Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S.  33 mit Verweis auf Steptoe/Edwards, S. 366. 593 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 171 Abbildung 15.1. 594 Rossiianov 2002, S. 301. 595 Beck, S. 91. 596 Sarasin in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 9 mit Verweis auf Köbl in: FS Hubmann, S. 161, 164. 597 Beck, S. 91. 598 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 33 mit Verweis auf Yanagimachi/Yanagimachi/Rogers, S. 471–476. 599 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 33, vgl. Deutscher Ethikrat 2011, S. 22. 592

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c) Somatische Hybridzellen aus Protoplastenfusion600 Somatische Hybridzellen entstehen durch Protoplastenfusion zweier oder mehrerer somatischer oder auch geschlechtlicher Zellen mit unterschiedlichem Genotyp601. Verschmelzen nur die Zellmembranen, besitzt die so entstehende Hybridzelle zwei Zellkerne und wird Heterokaryon genannt; fusionieren hingegen auch die Kernmembranen, entsteht eine Zelle mit nur einem Kern und der anfänglich doppelte Chromosomensatz wird durch spontanen Chromosomenverlust reduziert602. Gewebekulturzellen, die Chromosomen von mehr als einer Rasse oder Spezies enthalten, werden erzeugt, indem zwei Zelltypen in vitro zusammengebracht und diejenigen Zellen gesammelt werden, die DNA aus beiden Quellen enthalten603. Induziert wird die Verschmelzung durch elektrischen Strom oder Polyethylenglykol604. Nach der Zellfusion kommt es meistens auch zu einer Verschmelzung der Zellkerne, was als Karyogamie bezeichnet wird. Aus diesem Grund können somatische Hybride selbst aus solchen Arten erzeugt werden, die nicht miteinander kreuzbar sind605. Die Bezeichnung „somatisch“ erscheint irreführend, weil eine der Zellen eine embryonale Stammzelle sein kann. Ein Beispiel für die Verwendung von somatischen Hybriden ist es, die Eigenschaften der anderen Spezies zu untersuchen oder herauszufinden, welche Gene auf einem Chromosom dicht beieinander liegen. So bilden Gewebekulturen aus Mensch-Maus-Hybriden gewöhnlich Gene aus menschlichen Chromosomen; bislang gelang dies nur in Gewebekulturen606. d) Transgene Tiere Weit fortgeschritten ist die Verwendung so genannter transgener Tiere zur Erzeugung pharmazeutischer Produkte, das so genannte Gen-Pharming607. Diese Tiere tragen fremdes Genmaterial in sich: Entweder stammen ihre Zellen aus Organen von derselben Spezies (z. B. Mensch-Mensch; Maus-Maus) oder von einer anderen Spezies, zum Beispiel Menschenzellen in Tieren oder umgekehrt tierische Zellen in Menschen608. Diese werden den Hybriden zugeordnet, auch wenn nur vereinzelt Gene einer fremden Art in allen Zellen des Empfängerorganismus vorhanden sind609. Interessant ist, dass die artübergreifende Implantation von 600

„Somatic Cell Hybrids“. Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 171 Abb. 15.1. 602 Pschyrembel, S. 1810 („Zellhybride“). 603 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 171 Abb. 15.1. 604 Zum Folgenden Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 171. 605 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 171. 606 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 171 Abb. 15.1. 607 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 36. 608 Beck, S. 91. 609 Der Deutsche Ethikrat ordnet transgene Tiere den Hybriden zu, vgl. Deutscher Ethikrat 2011, S. 20 sowie die Befragung des Deutschen Ethikrates zur Forschung an Mensch-TierMischwesen, 2010, online abrufbar unter: http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/fragebogen_ 601

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Zellen im Tierreich einigermaßen erfolgreich ist, bei der Implantation von menschlichen Zellen in Affen aber zu Schäden führt610. Zudem sind speziesübergreifende Transplantationen embryonaler Stammzellen von Mäusen in Ratten therapeutisch erfolgreich, während bei Transplantationen innerhalb derselben Art (bei MausMaus-Versuchen, welche den Mensch-zu-Mensch-Transplantationen am ähnlichsten sind) deren Gehirn nach der Transplantation vom Krebs zerfressen war611. aa) DNA-Mikroinjektion Transgene Tiermodelle können erzeugt werden, indem DNA eines Organismus (das Transgen) per Mikroinjektion in den Zellkern einer befruchteten Eizelle eines anderen Organismus eingebracht werden612. Diese Methode wurde in den 1980er Jahren präferiert und mit ihr wurden tausende hybrider Tiere erzeugt, vor allem Mäuse und Ratten, welche die Gene anderer Säugetiere, einschließlich des Menschen, in sich tragen. Ziel ist es, dass die DNA im Organismus des Empfängertieres in das entsprechende Eiweiß umgesetzt wird und sich im Phänotyp des Tieres oder seinen Körperfunktionen manifestiert613. Allerdings hat sich dieses Verfahren als aufwändig und ineffizient erwiesen614. bb) Gentransfer (Gen-Targeting) Eine andere Möglichkeit zur Erzeugung transgener Tiere, die sich 1989 etabliert hat, stellt der Gentransfer dar. Artfremdes oder synthetisch hergestelltes Erbgut wird dabei in pluri- oder totipotente embryonale Stammzellen eingeschleust und diese werden anschließend in Blastozysten eingebracht und auf trächtige Muttertiere übertragen615. Alternativ dazu ist es möglich, einzelne Gene auszuschalten, sodass so genannte „Knock-out“-Tiere entstehen616. Dabei werden spezifi-

mensch-tier-mischwesen.pdf.: „Darüber hinaus gibt es jedoch auch spezielle Formen von Hybriden, bei denen nur wenige Gene einer Art auf die andere übertragen werden. Hierzu gehören transgene Tiere, die menschliche Gene in sich tragen…“; Beck zählt transgene Tiere zu den Chimären, S. 91: „Chimären sind Lebewesen, die Zellen oder Organe anderer Lebewesen in sich tragen. Werden Gene oder Chromosomen transferiert, spricht man eher von transgenen Tieren (oder Menschen), aber im weitesten Sinne sind dies auch Chimären, sie tragen fremdes Material in sich“. 610 Beck, S. 91. 611 Beck, S. 91 mit Verweis auf: http://www.swr.de/report vom 6.10.2003. 612 Meschede, S. 15; Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 33 mit Verweis auf Constantini/Lacy, S. 92–94; Harbers/Jähner,/Jaenisch, S. 540 -542; Wagner et al., S. 5016–5020. 613 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 35. 614 Kollek 1998, S. 86. 615 Deutscher Ethikrat 2011, S. 27. 616 Deutscher Ethikrat 2011, S. 20.

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sche Gene aus der Erbsubstanz eines Organismus gezielt zerstört617 – so genannte „Knock-out“-Mutationen – oder durch eine mutierte Version ersetzt, was als GenTargeting bezeichnet wird618. Die Bedeutung dieser Methoden fand ihre Würdigung im Jahr 2007, als Mario Capecchi, Martin Evans und Oliver Smithies für die Erzeugung der Knock-Out-Maus mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurden619. cc) Chromosomentransfer Weiterhin wurden transchromosomale Tiere hergestellt, die ebenfalls als Hybride einzuordnen sind, da alle ihre Zellen die gleiche genetische Ausstattung aufweisen620. 1997 wurden zum ersten Mal Mäuse erzeugt, in deren Genom ein menschliches Chromosom mittels eines mikrozell-vermittelten Transfers eingefügt worden war621. Mit der Übertragung des menschlichen Chromosoms 21 in Mäuse622 wurde im Jahr 2005 gezeigt, dass der Transfer vollständiger Chromo­ somen zwischen Arten möglich ist. dd) Weitere Methoden In den letzten Jahren sind unzählige weitere Methoden zur Erzeugung trans­ gener Tiere entwickelt worden. So können die Gene auch mittels viraler Konstrukte übertragen und unter Nutzung der homologen Rekombination623 embryonaler Stammzellen in bestimmte Regionen der Gene integriert werden624. Neue Techniken der synthetischen Biologie versuchen, künstliche Chromosomen bzw. Chromosomenteile aus menschlichem Genmaterial herzustellen und dem tierischen Genom beizufügen625. Transgene Tiere, die das Fremdgen auch vererben, lassen sich nur durch einen Eingriff in die Keimbahn erzeugen626. Durch das Klonieren ist jeder Nachkomme eines transgenen Tieres ebenfalls transgen627. 617

Niemann, S. 17. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 35. 619 Patalong, in: Spiegel Online vom 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 620 Deutscher Ethikrat 2011, S. 21. 621 Tomizuka, S. 140. 622 O’Doherty et al. 2005, S. 2034. 623 „Rekombination“: Neukombination von Genen auf einem Chromosom durch Austausch homologer Genorte von Nicht-Schwesterchromatiden, Biologie für Mediziner, S. 310. 624 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 33 mit Verweis auf Capecchi, S. 507–512 mit Verweis auf O’Doherty et.al. 625 Vgl. z. B. die deutsche Patentanmeldung DE 10 2007 043 131 A1, offengelegt am 12.03. 2009. 626 Meschede, S. 8. 627 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 35. 618

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ee) Bedeutung transgener Tiere für die Forschung (1) Tiermodell Transgene Tiere werden verwendet, um die Funktionen der transferierten Gene zu studieren und Tiermodelle für menschliche Krankheiten oder pathologische Prozesse abzubilden, um neue Therapiemöglichkeiten zu generieren628. Es existieren bereits Modelle unter anderem für Altersdemenz629 und psychische Erkrankungen630. Durch deren Untersuchung werden Erkenntnisse über die Ursachen und Entstehungsmechanismen einer Krankheit, ihren Verlauf, die Ausprägung der jeweiligen Symptome sowie neue therapeutische Strategien für die Behandlung der Patienten erwartet631. Allerdings variiert die Übertragbarkeit auf den Menschen stark632. An transgenen Schweinen wird erforscht, ob sie menschliche Organe bilden können633. Die Züchtung transgener Tiere mit menschlichen „Krankheitsgenen“ erfolgt für die Arzneimittelerprobung, mit menschlichem Immunsystem zur AIDS-Forschung oder zur Erzeugung von Blutzellen634. (2) Gen-Pharming Neben transgenen Tieren als Versuchsmodell gibt es Ansätze, transgene Nutztiere herzustellen. Schafe und Ziegen können in ihren Milchdrüsen therapeutisch nutzbare humane Proteine produzieren635, welche durch Melken gewonnen werden636. In der Milch transgener Ziegen konnte ein hoher Anteil des menschlichen Antithrombins637 von zwei bis zehn Gramm pro Liter nachgewiesen werden638. Der Mangel des jeweiligen Proteins bildet die Ursache verschiedener menschlicher Krankheiten, etwa Diabetes mellitus, Bluterkrankheit oder Antithrombin-III-

628

Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 34. Games et al., S. 524. 630 Otte et al., S. 342. 631 Kollek, S. 85. 632 Lynch, S 61; Morrissette, S. 6035. 633 Deutscher Ethikrat 2011, S. 20. 634 Krebs in: Wuermeling, S 17. f. 635 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 36; Drohan/Lubon/Velander, S. 72. 636 Edmunds, S. 4568. Seit 2008 wird das transgen produzierte Antithrombin von der Firma GTC Biotherapeutics unter dem Markennamen ATryn verkauft, vgl. http://www.gtc-bio.com/ products/atryn.html. 637 Bader/Schreiner/Wolf in: Taupitz/Weschka, S. 33 mit Verweis auf: Human antithrombin III ATryn RimKreis produced from transgenic goat (Genzyme Transgenetics Corp.). August 2006: European Medicines Agency (EMEA) approved Marketing Authorization Application (MAA). 638 Anton-Beitz in: PZ 33/2006, S. 2: Über zehn Monate geben die Ziegen ca. 2,5 Liter Milch pro Tag, die 2 bis 10 g des Proteins pro Liter enthält. In konventionellen Zellkulturen liegt das Protein hingegen nur in Konzentrationen von 0,2 bis 1 g pro Liter Zellkultur vor. 629

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Mangel, der zu erhöhter Neigung von Thrombosen und Embolien führt639. Auch Wirkstoffe wie Insulin, Blutfaktoren oder andere menschliche körpereigene Substanzen können erzeugt und viel reiner gewonnen werden als bei herkömmlichen Methoden über Zwischenprodukte von Tieren und Menschen640. Nach der genetischen Transformation von foetalen Fibroblasten wurde 1997 das transgene Schaf „Polly“ geboren, welches ein Gen für den menschlichen Blutgerinnungsfaktor IX in sich trägt, das aus dessen Milch gewonnen werden kann641. Japanische Forscher schufen im Jahr 2009 einen transgenen Marmosett642. Die besten Forschungs­ ergebnisse erhoffen sich Wissenschaftler mit Primaten643. e) Hybride aus Nukleustransfer Mit Hilfe der Technik des somatischen Zellkerntransfers entstehen nukleozytoplasmatische Hybride644, die im Zentrum dieser Arbeit stehen.

III. Nukleozytoplasmatische Hybride (Zybriden) 1. Definition a) Problematik der uneinheitlichen Terminologie Unglücklicherweise werden unterschiedliche Bezeichnungen für Misch-Entitäten aus Mensch und Tier verwendet, die durch Nukleustransfer erzeugt wurden645.

639 Braun, Das Klonieren von Tieren, S.  36 mit dem Hinweis darauf, dass das Verfahren auch rechtlich nicht unumstritten ist und nach § 7 I Nr. 3 ESchG strafbar sein soll, BTDrs. 13/11263 vom 20.06.1998. 640 Kollek 1998, S. 51. 641 Schnieke/Kind/Ritchie/Mycock/Scott/Wilmut/Colman/Campbell in: Science 1997, S. 2130; Wilmut/Campbell/Scott/Tudge, S. 288 f. 642 Kimbell in: Biology Pages: http://users.rcn.com/jkimball.ma.ultranet/BiologyPages/T/ TransgenicAnimals.html. 643 Deutscher Ethikrat 2011, S. 29. 644 Heinemann, S. 195. 645 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 173 mit Verweis auf Loi/Ptak/Barboni/Fulka/Cap­ pai/Clinton, S. 963; Camporesi/Boniolo, S. 824; Skene/Testa/Hyun/Jung/McNab/Robert­son, S. 27.

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aa) Chimäre Nur selten werden die gemeinten Entitäten als Chimären klassifiziert646. Möglicherweise ist das darauf zurückzuführen, dass die Begriffe Chimäre und Hybrid zum Teil fälschlicherweise synonym verwendet werden647. bb) Hybrid-Embryo Häufig wird von Mensch-Tier-Hybrid-Embryonen gesprochen648, ungeachtet der Tatsache, dass ein „echter“ Hybrid durch Gametenfusion und nicht durch Nukleus­transfer entsteht649. Die Zellflüssigkeit (Zytoplasma) gehört bei einem mittels Nukleustransfer erzeugten Klon zum Keimzellspender, wohingegen der Zellkern nur das Erbgut des Zellkernspenders enthält650. Bei einem „echten“ Hybrid aber stammt das Zellkernmaterial von verschiedenen Spezies, bei Nukleustransfer-Embryonen nur vom Spender der Körperzelle. Da gewonnene Körperzellen innerhalb desselben Körpers meist jedoch einheitlich sind (so liegen zellspezifische Abweichungen innerhalb der „normalen“ Unterschiede, die verschiedene Säugetiere aufweisen), schlagen einige Autoren vor, den Begriff Hybrid auch für alle Organismen zu verwenden, die mittels interspezifischen Zellkerntransfers erzeugt wurden, obwohl deren Kernmaterial von nur einem Spender stammt651. cc) iSCNT-units Entsprechend ihrer Herstellungsmethode mittels Zellkerntransplantation werden die gemeinten Entitäten, insbesondere im englischsprachigen Raum, auch iSCNT-units („interspecies-somatic-cell-nuclear-transfer-units“) genannt652.

646

So z. B. Tarkowski, S. 907; Waksmundszka 1994, S. 557; Badura-Lotter/Düwell in: Taupitz/Weschka, S. 571. 647 Vgl. z. B. die fehlende Differenzierung der Kundgebung der Evangelischen Kirche in Deutschland, online abrufbar unter: http://www.evmediziethik.de/pages/themen/transplanta tion_und_stammzellforschung/themenfelder/chimaeren-_und_Hybrid-Bildung/index.html. 648 Z. B. Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (80) sowie oftmals in der Laienpresse, wie z. B.: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stammzellen-forscher-schaffen-hybrid-embryoaus-mensch-und-kuh-a-544830.html. 649 Roche, Lexikon Medizin, S. 775 (Hybride). 650 Donner, Deutscher Bundestag, wissenschaftliche Dienste: http://www.bundestag.de/ dokumente/analysen/2008/mischwesen.pdf. 651 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 173 mit Verweis auf St John/Lovell-Badge, S. 989. 652 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 173 mit Verweis auf Beyhan/Iager/Cibelli, S. 508.

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dd) Chimbrid Die Forschungsgruppe des Instituts für Deutsches, Europäisches und Interna­ tionales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidel­berg und Mannheim kreierte den Begriff „Chimbrid“ anlässlich eines Forschungsprojektes zur rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme in Bezug auf Mensch-TierMischwesen653. Unter diesen Ausdruck fallen alle solchen genetischen Mischwesen, die nicht direkt von den gängigen Definitionen erfasst werden654. ee) Klon-Embryo Manchmal ist von Mensch-Tier-Klonen die Rede. Im „Chimbrids-Projekt“ werden Entitäten, die durch Transfer einer menschlichen somatischen Körperzelle in eine entkernte tierische Eizelle erzeugt werden, als „clone embryos“ bezeichnet655. Nur mittels Gametenfusion erzeugte Mischwesen gelten nach der dort vertretenen traditionellen Definition als Hybride. Wird ein menschlicher somatischer Zellkern in eine entkernte tierische Eizelle eingebracht, so handle es sich um einen Klon656. Da die aus diesen Entitäten gewonnen Zelltypen hauptsächlich einheitlich innerhalb des Körpers sind (mit Ausnahme von selten auftretenden Mosaiken), solle es für alle Organismen aus einem Zellkerntransfer bei dem Begriff Klon bleiben657. ff) Nukleozytoplasmatischer Hybrid oder zytoplasmatischer Hybrid Oftmals werden die beschriebenen Entitäten als nukleozytoplasmatische Hybride oder zytoplasmatische Hybride bezeichnet658. Diese Begriffe beziehen sich eigentlich auf eine umfassende Definition und beschreiben entwicklungsfähige Zellen, die durch Fusion eines Zytoplasten mit einer ganzen Zelle entstehen – eine Technik, die seit einiger Zeit in Experimenten zur Reprogrammierung von Zellen eingesetzt wird659. Die durch Nukleustransfer hergestellten Mensch-Tier-Entitäten werden mit Hilfe eines Zellkernes geklont, also, streng genommen, nicht erfasst660.

653

Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 212. Taupitz/Weschka, S. 435. 655 So etwa Shimoda in: Taupitz/Weschka, S. 814 2. (2) a. 656 Shimoda in: Taupitz/Weschka, S. 814. 657 Badura-Lotter/Düwell in: Taupitz/Weschka, S. 571 f. 658 Badura-Lotter/Düwell in: Taupitz/Weschka, S. 571. 659 Badura-Lotter/Düwell in: Taupitz/Weschka, S.  572; vgl. auch Cobbe/Wilson in: Hug/ Hermerén, S.  174 mit Verweis auf Strelchenko/Kukharenko/Shkumatov/Verlinsky/Kuliev/ Verlinsky, S. 108). 660 So z. B. Heinemann, S. 195. 654

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gg) Zybride Ein möglicher – internationaler – Konsens hat sich mittlerweile mit dem Begriff Zybrid bzw. cybrid, einer Wortkombination aus „zytoplasmatischem ­Hybrid“ bzw. „cytoplasmatic cybrid“ herauskristallisiert661. Unter einem Zybriden ist (im engeren Sinne) eine lebende Zelle zu verstehen, die durch Fusion (Hybridisierung) einer entkernten Eizelle eines Individuums einer Art mit dem Zellkern eines Individuums einer anderen Art entstanden ist662. Bei dem durch Nukleustransfer erzeugten Klon gehört das Zytoplasma zum Keimzellspender, worauf der Begriff zytoplasmatischer Hybrid hinweist, wohingegen der Zellkern nur das Erbgut des Zellkernspenders enthält663. Problematisch erscheint lediglich, dass in der Literatur der Begriff Zybrid oder Cybrid manchmal ausschließlich – wie bei nukleo­ zytoplasmatischen Hybriden – für somatische Hybridzellen verwendet wird664. b) Terminologie der vorliegenden Untersuchung Das Wort „Zybrid“ stellt eine Abkürzung für einen (nukleo)zytoplasmatischen Hybrid dar, sodass Missverständnisse vorprogrammiert sind, wenn die Begriffe (nukleo)zytoplasmatischer Hybrid und Zybrid für unterschiedliche Konstellationen verwendet werden. Die vorliegende Untersuchung verwendet beide Begriffe synonym und meint damit, sofern nicht anders kenntlich gemacht, die Situation, in der ein somatischer Zellkern transferiert wird. Der Begriff des Hybrides wird traditionell definiert: Danach sind Hybride nur „echte“ Hybride, also solche, die aus einer Gametenfusion hervorgegangen sind. In der vorliegenden Arbeit geht es um Entitäten, die durch Nukleustransfer einer menschlichen somatischen Zelle in eine enukleierte tierische Oozyte hergestellt wurden. Diese können nach hier vertretener Auffassung als iSCNT-Embryonen aus Mensch und Tier, als MenschTier-Klon-Embryonen, als (nukleo)zytoplasmatische Mensch-Tier-Hybride oder Mensch-Tier-Zybrid-Embryonen bzw. Mensch-Tier-Zybride bezeichnet werden, wobei alle Begriffe Synonyme darstellen. Im Folgenden soll aus Gründen der Übersichtlichkeit der Begriff Mensch-Tier-Zybride verwendet werden. 2. Arten und Entstehung von Zybriden Werden als Zytoplasten entkernte Eizellen verwendet, entstehen Zybridorganismen; handelt es sich bei den Zytoplasten um weiter differenzierte somatische 661 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174 mit Verweis auf St. John/Lovell-Badge, S. 990; Fulka/Fulka/John/Galli/Lazzari/Lagutina et al., S. 469. 662 Deutscher Ethikrat 2011, S. 25. 663 Donner, Deutscher Bundestag, wissenschaftliche Dienste: http://www.bundestag.de/ dokumente/analysen/2008/mischwesen.pdf. 664 So z. B. Heinemann, S. 195.

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Zellen, werden Zybridzellen erzeugt665. So wurde gezeigt, dass Zybridzellen aus menschlichen adulten Zellkernen und adulten Zytoplasten des Schimpansen in Kultur teilungsfähig sind666. Zybriden können aus Zellkernen und Zellen der gleichen, aber auch verschiedener Spezies erzeugt werden. Handelt es sich um Materialien derselben Spezies, entsteht ein intraspezifischer Zybrid. Demgegenüber nennt man das Einsetzen von Spenderzellkernen einer Spezies in Eizellen einer anderen Spezies Interspezies-Nukleustransfer, abgekürzt iSCNT667. Die erzeugte Entität wird entsprechend als interspezifischer Zybrid bezeichnet668. Allerdings scheinen diese wegen einer funktionellen Inkompatibilität zwischen den Proteinkomponenten des nuklearen und mitochondrialen Genoms nur bei phylogenetisch nahestehenden Spezies überlebensfähig zu sein669. Der Intraspezies-Nukleustransfer bietet die Möglichkeit, die Totipotenz oder Pluripotenz differenzierter Zellkerne zu studieren, während der Zellkerntransfer in andere Spezies die Erforschung der Interaktion zwischen Zellkern und Zytoplasma ermöglicht, welche die Embryogenese bestimmt670. 3. Forschungsergebnisse mit interspezifischen Tier-Tier-Zybriden In der konversationsbiologischen Forschung wurden interspezifische Zybriden in der Absicht erzeugt, vom Aussterben bedrohte Tiere zu retten671, indem Zellkerne dieser Tiere in Eizellen von eng verwandten Spezies verbracht wurden, die weniger gefährdet waren672. Der Zellkerntransfer bietet den großen Vorteil, dass die in großen Mengen produzierbaren Eizellen von Rindern oder anderen häufig vorkommenden Tierarten mit Körperzellen bedrohter Tiere kombiniert werden können673. So wurde beispielsweise ein Tier der vom Aussterben bedrohten Spezies der Mufflons kloniert: In der Wildbahn lebenden Tieren wurden die Zellkerne von Granulosazellen674 entnommen und mittels Mikroinjektion in entkernte Eizel-

665

Colman/Kind, S. 194. Kenyon/Moraes, S. 9132. 667 Abgekürzt für: „Interspecies somatic cell nucleus transfer“. 668 Schreiner in: NER Klonen durch ZKT, S. 16; Heinemann, S. 195. 669 Heinemann, S. 196. 670 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 43. 671 Donner, Deutscher Bundestag, wissenschaftliche Dienste: http://www.bundestag.de/do kumente/analysen/2008/mischwesen.pdf. 672 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S.  174 mit Verweis auf Loi/Ptak/Barboni/Filka/ Cappai/Clinton, S. 963. 673 Dinnyes in: Taupitz/Weschka, S. 516. 674 Bei „Granulosazellen“, von Lateinisch „granum“ = Korn, auch „Körnchenzellen“ genannt, handelt es sich um Epithel-Zellen in Ovarialfollikeln, vgl. URL: http://lexikon.freenet. de/Granulosazelle. 666

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len von Schafen transferiert675. Sieben rekonstituierte Eizellen entwickelten sich zur Blastozyste und nach dem Transfer in den Uterus eines Schafes wurde ein offenbar gesundes Mufflon geboren676. a) Karpfen-Goldfisch 1963 gelang es chinesischen Wissenschaftlern um Dr. Tung erstmals, interspezifische Klone aus Fischen herzustellen, und zwar aus Karpfen und Goldfisch. Diese gehören unterschiedlichen Gattungen an: der Karpfen (Cyprinus carpio) der Gattung des Cyprinus, der Goldfisch (Carassius gibelio) der Gattung des Carassius677. Es lag nahe, dass die erzeugten Fische Zybridfische waren, jedoch existierte kein eindeutiger und in Wissenschaftskreisen unbestrittener Beweis678. Jedenfalls zeigte der Versuch, dass Zellkerne von embryonalen Fischzellen die Embryogenese und Ontogenese679 nach einer Implantation in das Eizellzytoplasma sogar bei auf der Gattungs-Skala weit entfernt verwandten Spezies unterstützen können680. Bei anderen Wirbeltieren und Amphibien funktionierte hingegen nur das Klonen mit derselben Spezies681. Dass die Rekombination von Zellkern und entkernter Eizelle unterschiedlicher Spezies bei Fischen erfolgreicher war, liegt vermutlich daran, dass Fische die ersten Wirbeltiere in der Evolutionsgeschichte waren682. Die Überlebensrate von Karpfen-Goldfisch-Zybriden blieb allerdings sehr gering und die Zybride waren meistens steril683. Nur etwa ein Prozent der Embryonen (sieben von 501) entwickelte sich bis ins Erwachsenenalter684. Zudem wurden umgekehrt gattungsübergeifende Interspezies-Klon-Fische aus GoldfischZellkern und enukleierten Eizellen von Karpfen hergestellt685. b) Pandabär-Kaninchen In China wurden von Dr. Chen und seinem Forschungsteam somatische Zellkerne des Großen Panda in entkernte Kaninchen-Eizellen transferiert686 und die iSCNT-Embryonen konnten sich in dem Kaninchen-Ooplasma bis zum Blasto­ 675

Heinemann, S. 191. Loi et al., S. 310. 677 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44. 678 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 524 f. 679 In der Biologie meint Ontogenese die Entwicklung zum erwachsenen Lebewesen, Biologie für Mediziner, S. 112. 680 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 681 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 682 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44; .Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 683 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 684 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44. 685 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 686 Chen et al. 2002, S. 639. 676

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zystenstadium weiterentwickeln687. Besonders gut können Pandabär-Zellkerne in entkernten Kaninchen-Oozyten reprogrammiert werden, wenn diese sich in der Metaphase II der meiotischen Teilung befinden; durchschnittlich erreichten 18,5 Prozent dieser iSCNT-Embryonen nach fünf Tagen In-vitro-Kultivierung das Blastozystenstadium 688. Ca. 2.300 geklonte Pandabär-Kaninchen-Embryonen wurden in 100 Kaninchen-Gebärmütter transferiert, keines wurde jedoch trächtig689. Dies deutet darauf hin, dass Kaninchen keine geeigneten Leihmütter für interspezifisch geklonte Pandabär-Kaninchen-Embryonen sind, auch wenn ihr Ooplasma die Reprogrammierung der Zellkerne von Pandabären unterstützt690. In anderen Versuchen wurden sowohl Pandabär-Kaninchen- als auch Katze-Kaninchen-Klone in den Eileiter von 21 Katzen implantiert. 14 Katzen wurden innerhalb von 35 Tagen brünstig, fünf Empfänger 43 bis 48 Tage nach dem Embryotransfer. Die anderen beiden Katzen starben an Lungenentzündung, eine von diesen erwies sich nach der Autopsie als mit sechs frühen Foeten trächtig. Eine Mikrosatelliten-DNA-Analyse ergab, dass zwei von ihnen Pandabär-Kaninchen-KlonEmbryonen waren. Dieser Versuch konnte weder wiederholt noch durch eine andere Versuchsreihe bekräftigt werden. Dennoch demonstrieren die Ergebnisse, dass Pandabär-Kaninchen-Klone sich in den Uterus einer dritten Spezies, der Hauskatze, einnisten können691. c) Kuh-Oozyte mit unterschiedlichen Zellkernen Interspezies-Wesen wurden zudem erzeugt, indem Kerne aus Hautfibroblasten von adulten Schafen, Schweinen, Affen und Ratten in entkernte Eizellen der Kuh transferiert wurden692. Dabei entsprach der Zeitablauf der Entwicklung der Zybrid-Embryonen dem des Zellkernspenders und ähnelte dem von mittels IVF erzeugten Embryonen der Zellkernspender-Spezies693. Weiterhin gelang es, Zybride aus Bergantilope-Kuh sowie Büffel und Kuh zu erzeugen694. Diese Embryonen konnten sich bis ins Blastozystenstadium entwickeln, nach dem Transfer in pseudo-trächtige Kühe konnte jedoch keine weiterführende Entwicklung erzielt werden695.

687

Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 529 mit Verweis auf Chen et al., 2002, S. 638. Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 529. 689 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 529. 690 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 529. 691 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 529. 692 Beck, S. 87. 693 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 529: Schaf-Kuh, Schwein-Kuh, Affe-Kuh (Briggs, R. and King, T. J. (1957) J. Morphol. 100, S. 269–312), Maus-Kaninchen, Katze-Kaninchen (unveröffentlichte Daten der Autoren). 694 Vgl. Nationaler Ethikrat 2001, S. 10. 695 Dominko et al., S. 1499. 688

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d) Rinder-Oozyte mit unterschiedlichen Zellkernen Das Zytoplasma der Eizellen von Rindern unterstützt die frühe Entwicklung von iSCNT-Entitäten vieler Säugetierarten wie Kühen, Schafen, Schweinen, Affen und Ratten696 bis zum Blastozystenstadium697. Ähnliche Ergebnisse ergab die Entwicklung eines Zybriden aus Bison und Rind698. Bei nur entfernt verwandten Arten wie Maus und Rind wurden bereits im 2- bis 8-Zellstadium aberrante Expressionsmuster699 embryonaler Gene festgestellt700. Nach Transfer von Zellkernen foetaler Kaninchenfibroblasten in enukleierte Rinder-Oozyten teilten sich die Embryonen zwar zunächst, erreichten aber nicht das Blastozystenstadium701. e) Bison-Ochse, Bison-Mufflon, Wildkatze-Hauskatze Der Nukleustransfer von eng verwandten Arten derselben Gattung (Bison (Gaur)702 und Ochse, Bison703 und Mufflon704 , Afrikanische Wildkatze und Hauskatze)705 führte sogar zu lebenden Tieren. Einige dieser Tiere verstarben allerdings kurz nach der Geburt, vermutlich wegen einer Inkompatibilität zwischen dem neuen Kernmaterial und den Mitochondrien der Oozyte706. f) Mufflon-Schaf, Riesenwildschaf-Schaf, Rind-Schaf, Schwein-Schaf Zybriden aus Mufflon und Hausschaf sowie aus Riesenwildschaf und Hausschaf gelang eine weitergehende Embryonalentwicklung707; bei Zybriden aus Mufflon und Hausschaf gab es sogar Lebendgeburten708 . Schafeizellen unterstützen embryonales Wachstum von SCNT-Embryonen mit Rinder- und Schweinezellkernen hingegen nur in den ersten drei embryonalen Zellzyklen709.

696

Dominko et al., S. 1498; Loi et al., S. 964. Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 524: Kuh, Schaf, Schwein, Affe, Ratte (Dominko et al., 1999, S. 1499), Mensch (Lanza, 1999, S. 667). 698 Dinnyes in: Taupitz/Weschka, S. 516. 699 Fehlerhaft verlaufende Ausprägung des vom Genotyp bestimmten Phänotyps, Biologie für Mediziner, S. 12, 64. 700 Arat et al. 2003, S. 340. 701 Shi et al. 2003, S. 94. 702 Lanza et al. 2000, S. 665. 703 Loi et al., S. 963. 704 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 528 mit Verweis auf Lanza et al. 2000 und Loi et al., 2001. 705 Gomez et al. 2004, S. 254. 706 Dinnyes in: Taupitz/Weschka, S. 516. 707 Dinnyes in: Taupitz/Weschka, S. 516. 708 Loi et al., S. 310. 709 Hamilton et al. 2003, S. 255. 697

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g) Ziege-Schwein, Affe-Kaninchen, Hund-Yak, Wolf-Hund Die Embryonen aus einem Transfer von Ziegen-Zellkernen in Schweine-Eizellen entwickelten sich bis ins Morulastadium710. Weiterhin wurden Zybriden aus Affe-Kaninchen, Hund-Yak sowie Hund und Wolf711 beschrieben. Nach der Implantation in die Gebärmutter eines Tieres kamen allerdings nur selten Nachkommen zur Welt712. Koreanische Forscher erzeugten einen geklonten Wolf durch Transfer einer Wolf-Spenderzelle in die Eizelle einer Hündin713. h) Primat-Rind, Katze-Kaninchen Zybride aus weiter entfernen Arten wie Primat und Rind oder Katze und Kaninchen sind noch während der Embryonal- oder Foetalentwicklung verstorben714. 4. Forschungsergebnisse mit Mensch-Tier-Zybriden Seit einiger Zeit werden auch menschliche Zellkerne in tierische entkernte Eizellen implantiert. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Versuchen mit tierischen Zybriden auf den Menschen ist nicht erwiesen, aber gut möglich. Ergebnisse vergleichender anatomischer und physiologischer Untersuchungen zeigen, dass es bei allen Säugetieren, auch dem Menschen, zahlreiche Übereinstimmungen im Bauplan, in der Entwicklung, im Stoffwechsel und in physiologischen Abläufen gibt: Grundlegende Vorgänge wie Wachstum, Differenzierung, Alterung oder krankhafte Veränderungen folgen allgemeinen Prinzipien, die sich in der Evolution herausgebildet haben und die bei allen Säugern ähnlich komplex sind715. a) Mensch-Kuh-Zybriden Aufsehen erregte die Veröffentlichung eines Experiments aus dem Jahre 1998, bei dem die Zellkerne von 34 Zellen aus der menschlichen Mundschleimhaut sowie von 18 menschlichen Lymphozyten716 in die entkernten Eizellen von Kühen übertragen wurden717. Zwar zeigten die mit Lymphozyten-Zellkernen rekonstituierten Kuh-Oozyten keine Entwicklung, wohl aber entwickelte sich aus einer mit 710

Park et al. 2003, S. 278. Kim/Jang/Yuda/Kim/Wang et al., S. 132. 712 Vgl. Nationaler Ethikrat 2001, S. 10. 713 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 528 f. (primär unveröffentlichtes Experiment). 714 Wen et al. 2003, S. 42; Beyhan/Iager/Cibelli, S. 510; Lorthongpanich et al. 2008, S. 329. 715 Birchmeier in: Thiele, S. 9. 716 „Lymphozyten“ = zelluläre Bestandteile des Blutes, Biologie für Mediziner, S. 73. 717 Robl. et al., S. 41. 711

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dem Kern einer Mundschleimhautzelle versehenen Oozyte eine Kolonie von ca. 400 Zellen, die allerdings nicht weiter untersucht, sondern lediglich aufgrund ihres Phänotyps als embryonale Zellen eingestuft wurden718. Im November 1999 berichtete die Company Advanced Cell Technologies (ACT) in den USA, sie habe den Kern einer menschlichen Körperzelle in eine entkernte Kuh-Eizelle eingebracht719. Zwölf Tage lang ließ man die Embryonen sich entwickeln und teilen, bevor sie zerstört wurden720. Ähnliches gelang Prof. Panayiotis Zavos, der ein Reproduktionslabor in den USA betreibt, im Jahr 2003. Er erzeugte ca. 200 Mensch-Kuh-Zybrid-Embryonen, die etwa zwei Wochen lebten, sich in mehrere hundert Zellen teilten und bis in ein Stadium hinein entwickelten, in dem erste Anzeichen für die Entwicklung von Organanlagen auftreten721. Die Entitäten schienen auch normale menschliche DNA aufzuweisen722. Auch in China soll, ebenfalls im Jahr 2003, ein Zybrid-Embryo aus Mensch und Kuh hergestellt worden sein723. b) Mensch-Rind-Zybriden 2008 berichtete eine chinesische Arbeitsgruppe von Zybriden aus Mensch und Rind, die bis zum Blastozystenstadium überlebten und die Stammzellgene erfolgreich einschalteten724. Dagegen zeigte die von Robert Lanza und seinen Kollegen 2009 publizierte Studie, dass Zybriden aus Mensch und Rind drei für die Stammzellentwicklung essentielle Gene (NANOG, Oct4 und Sox2) nicht einschalteten und schon nach dem 16-Zellstadium abstarben725. c) Mensch-Kaninchen-Zybriden Die größten Erfolge konnten mit Oozyten von Kaninchen erzielt werden. Im Jahr 2002 berichteten zwei chinesische Forschergruppen um Xigu Chen an der Zhongshan Medizinischen Universität in Kanton sowie Huizhen Sheng an der 718

Vgl. Heinemann, S. 198. Scottish Council on Human Bioethics, S. 12. 720 BBC News v. 18.06.1999, Details of hybrid clone revealed, http://news.bbc.co.uk/1/hi/ sci/tech/371378.stm.; BBC News v. 13.11.1998, Company ‚cloned human cells‘, http://new. bbc.co.uk/1/hi/sci/tech/213663.stm.; Scottish Council on Human Bioethics, S. 12: „This embryo was left to develop and divide for 12 days before being destroyed“. 721 Scottish Council on Human Bioethics, S. 12. 722 Coghlan, A, NewScientist.com – 15.09.2003, First human clone embryo ready for implantation, http://uk.news.yahoo.com/030916/12/e8k6h.html.; Leake, J., TimesOnline – 14.09. 2003, Cloning expert claims to have created ‚human-cow‘ embryo, http://www.timesonline. co.uk/article/0,,8122-817880,00.html; Scottish Council on Human Bioethics, S. 12: „It was also noted that they appeared to have normal human DNA“. 723 Cheng et al., S. 961. 724 Li et. al. 2008, S. 302. 725 Chung et al. 2009, S. 217. 719

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Zweiten Medizinischen Universität in Shanghai über die Erzeugung von Zybriden durch Transfer menschlicher Zellkernen in entkernte Kaninchens-Oozyten726. Die geklonten Embryonen starben allerdings vor einer möglichen Stammzellengewinnung ab727. Diese gelang dem Team um Ying Chen und Huizhen Sheng im Jahr 2003, und zwar aus Zybriden, die mit menschlichen Fibroblasten und Kanincheneizellen erzeugt wurden728. Bei den Körperzellspendern handelte es sich um einen fünfjährigen Jungen, zwei Männer und eine Frau im Alter von 42, 52 und 60 Jahren, verwendet wurden die männliche Vorhaut sowie die weibliche Gesichtshaut729, wobei es sich um „verworfenes“ Operationsmaterial handelte730. Die Zybride entwickelten sich in ein 100-Zellstadium, welches etwa am vierten Entwicklungstag erreicht wird731. Die gewonnenen embryonalen Stammzellen wurden als teilungsfähig charakterisiert, behielten in Kultur einen undifferenzierten Phänotyp bei und konnten sich zu Stammzellverbänden formieren732. d) Mensch-Maus Zybrid-Embryonen aus menschlichem Zellkern und Mäusen-Eizellen entwickelten sich nicht über das 16-Zellstadium hinaus733. 5. Genotyp von Zybriden Da die Erbinformation des Spenderkerns während der Zybridenentwicklung vervielfältigt wird, handelt es sich um einen Klonierungsvorgang734. Aufgrund seiner Erzeugungsart weist ein Zybride die für Nukleustransfer-Klone typischen geno­typischen Besonderheiten auf 735: Sein genetisches Material ist nicht vollständig vermischt736, vielmehr enthält es im Zellkern das Genom der einen Spezies (Mensch) und im Zytoplasma der Eizelle die Proteine und mitochondriale DNA der anderen Spezies, des Tieres (z. B. von Kuh oder Kaninchen)737. Anders ausge-

726

Chen et al., S. 641.; vgl. auch Cohen 2002, S. 3; Abbott/Cyranoski, S. 437. Dinnyes in: Taupitz/Weschka, S. 517. 728 Chen et al. 2003, S. 261. 729 Vgl. dazu Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 199. 730 Chen et al. 2003, S. 260. 731 Scottish Council on Human Bioethics, S. 12; Abbott/Cyranoski; Sheng; New Scientist – 15.08.2003, Human-rabbit embryos intensify stem cell debate, http://www.newscientist.com/ news/news.jsp?id=ns99994060. 732 Heinemann, S. 198. 733 Young et al., S. 158; Wakayama/Yanagimachi 2001, S. 678. 734 Deutscher Ethikrat 2011, S. 25. 735 Vgl. B. III. 2. c) aa). 736 Deutscher Ethikrat 2011, S. 25. 737 Beck, S. 87. 727

C. Mensch-Tier-Mischwesen

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drückt, trägt ein Mensch-Tier-Zybride zu 99,9 Prozent die menschliche ZellkernDNA und zu 0,1 die tierische mitochondriale DNA738. Genau diese Differenz ist es, die den Zybrid-Embryo von einem humanen Embryo unterscheidet. Aufgrund der bedeutenden Rolle der mitochondrialen DNA in der Entwicklung von Säugetieren739 erscheint es unwahrscheinlich, dass Zybriden, zumindest die aus weit entfernten Arten, sich zu vollständigen, geborenen Individuen entwickeln können740. 6. Phänotyp von Zybriden a) Befunde bei Tier-Tier-Zybriden Schon der Versuch zum interspezifischen Klonen von Fischen aus dem Jahr 1963 zeigte, dass die meisten phänotypischen Charakteristika der erzeugten­ Fische denjenigen des Zellkernspenders, des Karpfens, entsprachen741. Diese morphologischen Daten stellen einen soliden Beweis dafür dar, dass das Genom des Zellkernspenders das nukleare Genom des entstehenden geklonten Fisches und damit dessen Entwicklung steuert742 und nicht die Eizelle743. Die Analyse der Entwicklung der Somite744 und der Anzahl der Wirbel führte jedoch zu einem anderen Ergebnis: Der Vorgang der Wirbelsegmentierung ähnelte nicht dem des Zellkern-, sondern des Eizellspenders745. Die Anzahl der Wirbel, die bei der taxonomischen Einordnung eine große Rolle spielt, war in den meisten geklonten Fischen dieselbe wie bei dem Eizell-spendenden Goldfisch746. Auch die frühe Embryogenese (der Zeitpunkt der Ausbildung der Blastozystenhöhle und des Schlüpfens der Blastozyste aus der Zona Pellucida) von Pandabär-Kaninchen-Zybriden ähnelte derjenigen von Kaninchen (Eizellspender)747. Der Ablauf der Zellteilung wird in der frühen Embryogenese also von eizytoplasmatischen Komponenten bestimmt und erst später übernimmt die Zellkern-DNA die Steuerung und prägt den Phänotyp748.

738

Beck, S. 87. Vgl. Teil 2: B. III. 2. c) aa). 740 Badura-Lotter in: Taupitz/Weschka, S. 202, Anmerkung 2.  741 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 44, 49. 742 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 743 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 744 Urwirbel, der vorübergehend in der embryonalen Entwicklung der Wirbeltiere auftritt. 745 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 49. 746 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 49 f. 747 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 529. 748 Dinnyes/Weschka/Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 50. 739

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

b) (Erwartete) Befunde für Mensch-Tier-Zybriden und deren Stammzellen Die veröffentlichten Daten zeigen, dass Mensch-Tier-Zybrid-Zellen im Wesentlichen die gleichen Fähigkeiten aufweisen wie hES-Zellen, jedoch nicht alle Kriterien zur Qualifikation als humane embryonale Stammzellen erfüllen749. Stammzellen aus Mensch-Kaninchen-Zybriden verfügen über viele Fähigkeiten und den Phänotyp (rein) menschlicher embryonaler Stammzellen, sie enthalten normale Karyotype750 und haben das Vermögen zur Zelldifferenzierung751. Dies stimmt mit den Ergebnissen der Tierversuche überein, dass der Phänotyp eines Zybrid-Embryos durch seinen Spenderkern bestimmt wird752. Zu 99,9 Prozent müssten seine äußeren Charakteristika also denen eines humanen Embryos gleichen. Zwar sind die Masse der Hülle und des Plasmas der Eizelle erheblich größer als der injizierte Zellkern: Das Ausgangsmaterial ist seiner Masse nach zu mindestens 95 Prozent tierischer und nur zu maximal fünf Prozent menschlicher Herkunft753. Zudem wird in den ersten Tagen der Entwicklung die Morphogenese (Gestaltwerdung) des Zybrid-Embryos entscheidend durch epigenetische Signale aus der tierischen Eizelle (zytosolische RNA, Steuerungsproteine, hormonelle Signale)  bestimmt; die Relationen kehren sich aber um, wenn anschließend das humane Zellkern-Genom die Regulierung übernimmt754. Unterstellt, dass die Entwicklung eines Zybrides in einen erwachsenen Organismus möglich ist, müsste der Phänotyp eines geborenen Mischwesens ebenfalls dem eines Menschen entsprechen. 7. Probleme und Risiken der Zybridenforschung Vielen erscheint es wegen gewisser Risiken unwahrscheinlich, dass MenschTier-Zybriden eine tragende Rolle innerhalb der Stammzellforschung spielen­ werden755.

749

Chen et al. 2003, S. 261; vgl. auch Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 532. Der Karyotyp meint die Gesamtheit aller zytologisch erkennbaren Chromosomeneigenschaften, zu denen auch die Anzahl der Chromosomen einer Zelle gehört, ebenso ihre Ausbildung, die relative und die absolute Größe, die Lage des Zentromers, Sekundäreinschnürungen, spezifische Bandenmuster sowie die Chromatinverteilung im Chromosom, Biologie für Mediziner, S. 302. 751 Zhou in: Taupitz/Weschka, S.  532: unter Bezugnahme auf die Äußerungen von Prof. Huizhen Sheng (Shanghai Ruijin Hospital). 752 Jaenisch, S. 233. 753 Deutscher Ethikrat 2011, S. 97. 754 Deutscher Ethikrat 2011, S. 98. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen, ob Zybrid-Embryonen aus Mensch und Tier nicht auch tierische phänotypische Charakteristika entwickeln würden. 755 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174. 750

C. Mensch-Tier-Mischwesen

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a) Reprogrammierungsfehler Entwicklungsstörungen und Anomalien liegen vermutlich weniger in den chemischen Einflüssen begründet, die beim Kerntransfer auf die rekonstituierten Eizellen einwirken, als vielmehr in einer unvollständigen Reprogrammierung der Kerne sowie in einem veränderten Muster imprimierter Gene756. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass bei Zybriden 1950 bis 2400 Gene falsch geschaltet werden757. Die Ursachen für die misslingende Reprogrammierung der menschlichen Körperzelle durch die tierischen Eizellen und ihre Behebbarkeit sind bislang ungeklärt758. Klar ist, dass die meisten Zellkerne keine vollständige Reprogrammierung durchlaufen können und nur wenige Mensch-Tier-Zybriden in der Lage sind, sich bis ins Blastozystenstadium zu entwickeln759. Klone aus tierischen Eizellen sind noch stärker geschädigt als rein menschliche Klone, weil die tierische Eizelle offensichtlich kein genügend großes Potenzial zur Reprogrammierung besitzt760. b) Erhöhtes Krebsrisiko Möglicherweise rufen Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden bei der Anwendung am Menschen ein erhöhtes Krebsrisiko hervor761. Die Veranlagung zur Tumorbildung wurde im Experiment von Chen et al., bei dem Mensch-KaninchenZybride erzeugt wurden, nicht getestet762. Dieses potenzielle Risiko könnte von Patienten in Anbetracht des erheblichen Leids, das sie ohne Therapie erdulden müssen, jedoch möglicherweise freiwillig in Kauf genommen werden. c) Immunologische Abstoßung von Zellen und Geweben aus Mensch-Tier-Zybriden Zwar existieren Behauptungen, dass Stammzellen von Interspezies-Zybriden immunkompatibel mit dem Spender der somatischen Zelle seien763. Möglich erscheint aber auch, dass sie nach der Implantation in den Patienten aufgrund des 756

Vgl. B. III. 2 c) dd). Vgl. Chung, S. 1. 758 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 14: mit Verweis auf Fulka/Fulka/John/Galli/Lazzari/Lagutina et al,. S. 469; St. John/Lloyd/Bowles/Thomas/Shourbagy, S. 634. 759 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 525. 760 Beck, S. 90. 761 Zhou in: Taupitz/Weschka, S. 533. 762 Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 199. 763 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174 mit Verweis auf Camporesi/Boniolo, S. 824; Chen et al., S. 259; Lord Walton of Detchant, Hansard Official Report (House of Lords), 19th November 2007: Spalte 708–709. 757

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

kleinen tierischen Anteils in der mitochondrialen DNA von einem menschlichen Immunsystem als fremd erkannt und abgestoßen werden764. Im Grundsatz ist dieses Problem bei Verwendung menschlicher Eizellen ebenfalls gegeben, weil auch diese „fremde“, wenn auch nicht artfremde DNA enthalten765. Die medizinischen Risiken einer Transplantation von Zellen mit einer Mischung aus tierischer mitochondrialer DNA und menschlicher Zellkern-DNA sind aber vermutlich höher angesichts der Tatsache, dass bei unterschiedlichen Spezies vielfältige Inkompatibilitäten zwischen mitochondrialen und nuklearen Funktionen bestehen766. Bei weit entfernt verwandten Arten bestehen große Unterschiede in den mitochondrialen Proteinen767. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass mitochondriale Dysfunktionen einen Schlüsselfaktor vieler neurodegenerativer Erkrankungen bilden und es sich bei vielen Krankheitsbildern, die durch therapeutisches  Klonen behandelt werden sollen, um neurodegenerative Krankheiten handelt768. Einigen erscheint die Verwendung von Tiereiern für den somatischen Zellkerntransfer wegen des hohen Ausmaßes mitochondrialer Aktivität in den betreffenden Organen als unverantwortlich, solange der Einfluss der tierischen mitochondrialen DNA un­geklärt ist769. d) Kontamination der Zellen mit tierischen Erregern Embryonale Stammzellen aus Zybriden bergen das Risiko einer Übertragung von Tierkrankheiten auf den Menschen oder der Erzeugung neuartiger Krankheiten. Deshalb sind einige Forscher der Meinung, es sei besser, für die Therapie rein menschliches Material zu verwenden, das eine reinere Qualität aufweist770. e) Fehlende Eignung für die Grundlagenforschung Auch bei der Verwendung von Zybriden in der Grundlagenforschung herrscht Skepsis, ob ein „von Grund auf kranker Organismus“ überhaupt als Versuchsobjekt dienen kann, weil die Verhältnisse in einem gesunden Organismus, der ein-

764

Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174 mit Verweis auf Wakayama. Chen et al., S. 262. 766 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174 mit Verweis auf Beyhan/Iager/Cibelli, S. 511; John/Lloyd/Bowles/Thomas/El Shourbagy, S. 634; Dennis, S. 653; Cobbe, S. 614. 767 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174 mit Verweis auf Cobbe, S. 613: Die Zweige des „phylogenetischen Baumes“, welcher die evolutionären Beziehungen zwischen verschiedenen Arten grafisch darstellt, zeigen große Unterschiede zwischen menschlichen mitochondrialen Proteinen und denen von Mäusen, Kaninchen, Kühen oder Schweinen. 768 Scottish Council on Human Bioethics, S. 12. 769 Scottish Council on Human Bioethics, S. 12. 770 So Oliver Brüstle auf dem Kongress zur Stammzellforschung am Max Planck Institut in München. 765

C. Mensch-Tier-Mischwesen

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zelne Krankheiten aufweist, ganz anders sind als in einem Organismus, der grundsätzlich wegen zahlreicher Imprintingfehler krank ist771. Aus den zahlreichen profunden genetischen und epigenetischen Fehlern folgern einige, dass interspezifische Klon-Modelle nicht zur Erforschung von Krankheiten geeignet sind, jedenfalls sei die Aussagekraft der gefundenen Ergebnisse sehr gering772. Lediglich einige sehr spezielle Fragestellungen könnten durch interspezifische Modelle besser erforscht werden als mit intraspezifischen773. 8. Theoretisches Entwicklungspotenzial Einen Mensch-Tier-Zybriden weiter als in das Blastozystenstadium ausreifen oder gar geboren werden zu lassen, stellt nicht das Ziel der Forschung dar. Von Bedeutung ist das theoretische Entwicklungspotenzial allerdings im Hinblick auf den Realitätsgehalt von Missbrauchsszenarien wie das Implantieren in einen Uterus sowie auf die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Status eines solchen Wesens. Die Ergebnisse aus Tierversuchen deuten darauf hin, dass eine Entwicklung bis zur Geburt nur in Ausnahmefällen und nur bei sehr eng verwandten Arten möglich ist774. Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft erscheint es daher unwahrscheinlich, dass aus Mensch-Tier-Zybriden, bei denen die Spendereizelle von Rind, Kuh oder Kaninchen stammt, ein lebensfähiger Organismus entstehen kann775. Das Potenzial der tierischen Eizelle ist offenbar nicht so groß wie das einer menschlichen Eizelle, es scheint lediglich auszureichen, um die in der ausdifferenzierten Zelle abgeschalteten Gene im Zuge des Reprogrammierungsprozesses wieder zu aktivieren776. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob die Transplantation menschlicher Zellen in entkernte Eizellen von anderen Tieren als Primaten zu einer weiterführenden Embryonalentwicklung oder gar zu Lebendgeburten führen kann. Andererseits hat die Forschung schon oft Ergebnisse vorgebracht, die zuvor nicht für möglich gehalten wurden.

IV. Fazit Die Idee, bei der Erzeugung embryonaler Stammzellen menschliche Eizellen durch tierische zu ersetzen, rührt daher, dass die menschliche Eizellengewinnung medizinische Risiken mit sich bringt, insbesondere bei der Hyperstimulation der

771

Beck, S. 90. Scottish Council on Human Bioethics, S. 12; Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 200 f. 773 Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 202. 774 Deutscher Ethikrat 2011, S. 20. 775 Deutscher Ethikrat 2011, S. 20. 776 Beck, S. 87. 772

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Teil 2: Medizinischer und naturwissenschaftlicher Überblick 

Frau und der operativen Entnahme der Eizellen777, sowie ethisch nicht unproblematisch ist778. Hinzu kommt, dass sehr viele Eizellen benötigt werden779. Zum zweiten soll das Problem umgangen werden, dass aus einem menschlichen Zellkern und einer menschlichen Eizelle eben sicher ein menschlicher Embryo entsteht780, der durch die Stammzellentnahme zerstört wird781. Bei einem Mensch-Tier-Zybriden lässt sich dies hingegen nicht mit Gewissheit sagen782. In Großbritannien ist die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden seit 2008 unter engen Voraussetzungen rechtlich zulässig. Dort sollen im Jahr 2011 bereits über 300 hybride Klon-Embryonen durch Fusion menschlicher Zellen mit tierischen Eizellen, vor allem aus Kühen und Kaninchen, hergestellt worden sein783. Die Zybridenforschung wurde dort jedoch inzwischen vorerst eingestellt, weil die erforderlichen Fördermittel fehlen784. Insgesamt bleibt die Forschung an Mensch-Tier-Zybriden hinter den Erwartungen zurück. Die fehlgeschlagenen Versuche sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie mit Material von relativ weit entfernt verwandten Arten erfolgten. Die Erfolgschancen könnten größer sein, wenn Eizellen von solchen Tieren verwendet würden, die dem Menschen biologisch näher stehen785, beispielsweise von Primaten. Es liegt aber auf der Hand, dass ein solches Vorgehen die ethische Problematik noch erheblich steigern würde. Zu resümieren ist, dass eine abschließende Bewertung des Potenzials der Technik aus medizinischem Blickwinkel aufgrund der nur schmal vorhandenen Datenbasis verfrüht wäre786. Solange keine Langzeit-Studien vorliegen, in denen sowohl die physiologische als auch die therapeutische Funktionsfähigkeit der erzeugten Zellen für menschliche Krankheiten getestet und bewiesen wurde, bleibt unklar, ob embryonale Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden in der Transplantationsmedizin oder zur Stammzelltherapie verwendet werden können787. Sicher ist nur, dass die Anwendung der Methode des Zellkerntransfers – unabhängig davon, zu welchen Zwecken die Technik eingesetzt wird, – erhebliche Risiken einer Schädigung der hergestellten Entitäten birgt. Mit den gleichen Unsicherheiten und Risiken sind jedoch auch sämtliche alternative Methoden der Stammzellengewinnung

777 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174 mit Verweis auf „Korean women lauch lawsuit over egg donation“, in: Nature 2006 (440), S. 1102. 778 Vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 88, 94. 779 Cobbe/Wilson in: Hug/Hermerén, S. 174 mit Verweis auf Beyhan/Iager/Cicelli, S. 507; Minger, S. 512. 780 Beck, S. 90. 781 Deutscher Ethikrat 2011, S. 95; Beck, S. 90. 782 Vgl. Nationaler Ethikrat 2001, S. 10. 783 Vgl. URL: http://www.ft.com/cms/s/0/96d72196-3e62-11dd-b16d-0000779fd2ac.html# axzz2QztAHNeN; http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-2017818/Embryos-involvinggenes-animals-mixed-humans-produced-secretively-past-years.html. 784 Deutscher Ethikrat 2011, S. 27. 785 Deutscher Ethikrat 2011, S. 96. 786 Deutscher Ethikrat 2011, S. 27. 787 Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 202.

C. Mensch-Tier-Mischwesen

135

oder vergleichbare „Materialien“, die anstelle von Stammzellen Verwendung finden könnten, behaftet. Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist es nicht vorhersehbar, welcher Weg die besten Ergebnisse liefern wird. Festzuhalten bleibt somit, dass die Alternativlosigkeit der Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden nach heutigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand nicht erwiesen ist.

Teil 3

Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata Als Erstes soll geprüft werden, ob Herstellung, Verwendung und Implantation von Mensch-Tier-Zybriden sowie der Import solcher Entitäten oder aus ihnen gewonnener embryonaler Stammzellen nach der bestehenden einfachgesetzlichen Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist.

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG) I. Entstehung und Grundkonzept des ESchG Die maßgeblichen einfachgesetzlichen Regelungen zur Herstellung von Embryonen enthält das Embryonenschutzgesetz1, das seit 01.01.1991 in Kraft ist. Es stellt die Reaktion auf die rasanten Fortschritte in Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik in den späten 1970er und 1980er Jahren dar, in denen man die denk­ baren Chancen und Risiken potenziert sah2. Die im Hinblick auf den Lebens- und Menschenwürdeschutz für erforderlich gehaltenen Schranken der Fortpflanzungs­ medizin sowie der Forschung an und mit menschlichen Embryonen sollten deshalb festgelegt werden3. Dabei wurde das ESchG als strafrechtliches Nebengesetz konzipiert und darauf beschränkt, Missbräuchen der neu entwickelten Techniken entgegenzuwirken und strafrechtlich sanktionierte Verbote dort einzusetzen, wo sie nach einem Minimalkonsens zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erschienen4. Es verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: Die extrakorporale Erzeugung von Embryonen soll auf Fortpflanzungszwecke beschränkt, die Entstehung überzähliger Embryonen bereits im Vorfeld verhindert und die Verwendung des extrakorporal verfügbaren Embryos zu anderen als Fortpflanzungszwecken ausgeschlossen werden5. Als viertes Ziel kann es angesehen werden, den

1 Gesetz zum Schutz von Embryonen (ESchG) vom 13.12.1990, BGBl. I S. 2746, das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 21.11.2011 (BGBl. I S. 2228) geändert worden ist. 2 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, Vor § 1 I, Rn. 1. 3 Brewe, S. 13. 4 BT-Drs. 11/5460, S. 6 (Begründung zum Entwurf des ESchG). 5 Brewe, S. 14.

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

137

Einstieg in die Eugenik zu verwehren6. Die Entscheidungen des Gesetzgebers lassen sich am besten vor dem Hintergrund der vorangegangenen rechtspolitischen Debatte verstehen, welche vor allem von der Arbeit in offiziellen Kommissionen7 getragen wurde, sowie durch in- und ausländische Stellungnahmen der Standesvertretungen, das einschlägige Schrifttum und die Vorlage von Gesetzesentwürfen8. Dabei kennzeichnen drei Entwicklungslinien den Gang der Diskussion9: Als Erstes wurde als Begründung der Anwendbarkeit des verfassungsrechtlichen Lebensschutzgebotes angeführt, dass bereits mit der Befruchtung ein spezifisch menschliches Erbprogramm entsteht und dass sich keine natürlichen Entwicklungszäsuren bestimmen lassen, um das weiter ausgebildete von einem nur elementaren Leben eindeutig abzugrenzen10. Bei der Berücksichtigung des staatlichen Schutzauftrages verbiete es sich, den Schutz zu relativieren und etwa nur eingeschränkt anzuerkennen11. Hintergrund bildete die traditionelle These, dem Lebensschutz den biologischen Lebensbegriff12 zugrunde zu legen, um die Gleichwertigkeit des Lebens zu sichern und zu verhindern, dass er anfällig für eine willkürliche Beeinträchtigung wird13. Das künstlich erzeugte Leben sollte einen ungeschmälerten Schutz der Menschenwürde in Anspruch nehmen14, worunter die weitestgehende Unantastbarkeit zu verstehen ist15. Die zweite Entwicklungslinie bestand in der Diskussion um die Zulässigkeit der vererblich wirkenden Gentherapie16. Man stand dieser ablehnend gegenüber, weil das Menschenwürderecht auf Achtung der individuellen Integrität durch die Veränderung des Erbprogramms verletzt werde und die Eingriffe mindestens vorläufig weder technisch noch hinsichtlich ihrer Auswirkungen beherrschbar und deshalb zu gefährlich seien17. Die dritte Leitlinie betraf die Missbrauchsgefahr, die sich immer mehr zu einem

6

Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 455. Vgl. Arbeitsgruppe-In-vitro-Fertilisation, S. 12. 8 Vgl. die Übersicht bei Keller in: Keller/Günther/Kaiser, S. 65; siehe auch Merz, S. 223. 9 Losch in: NJW 1992, 2926 (2927). 10 Vgl. Keller in: Günther/Keller, S. 111, Wolkinger in: Bernat, S. 89; Elsässer in: Wuermeling, S. 72; Eberbach in: ZRP 1990, 217 (218). 11 Vgl. beispielhaft Ostendorf in: JZ 1984, 595 (598); Giesen in: Schwab/Giesen/Listl/ Strätz in: FS Mikat, S.  55; Classen in: WissR 1989, 235; Günther in: GA 1987, 433 (442); grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber der verbrauchenden Embryonenforschung: Scholz, S.  59; Fechner in: JZ 1986, 653 (653); Fechner in: Günther/Keller, S.  37, 53; Blankenagel in: KritJ 1987, 379. Nicht ablehnend für den Fall, dass es sich um „überzählige“, also ohnehin todgeweihte Embryonen handelt: Deutsch in: Flöhl, S. 232, 240; Eser in: Günther/Keller, S. 275; Starck, S. 35; Graf Vitzthum in: Braun/Mieth/Steigleder, S. 263; Püttner in: Günther/ Keller, S. 79; Püttner/Brühl in: JA 1987, 289 (295). 12 Vgl. Teil 2: A. I. 13 Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 8. 14 Benda in: Flöhl, S. 205. 15 Fechner in: Günther/Keller, S. 37, 53; Blankenagel in: KritJ 1987, 379. 16 Flämig, B. 14; Döring, S. 2. 17 BT-Drs. 417/19 v. 11.08.1989, abgedruckt in Günther/Keller, S. 368; vgl. Günther in: Keller/Günther/Kaiser, S. 229, R. 2–4. 7

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

„Wehret den Anfängen“ entwickelte und erheblich dazu beitrug, den Lebens- und Menschenwürdeschutz in besonders strenger Form anzumahnen18.

II. Strafrechtliches Analogieverbot aus Art. 103 II GG Konzipiert ist das  ESchG als strafrechtliches Nebengesetz19. Bei seiner Auslegung ist somit das im Strafrecht geltende Analogieverbot des Art. 103 II GG – nullum crimen, nulla poena sine lege – zu berücksichtigen20, welches in § 1 StGB einfachgesetzlich konkretisiert wurde. Der Wortlaut bildet die Grenze einer möglichen Auslegung. Im Zusammenhang mit der medizinisch unterstützten Fortpflanzung bestehen erhebliche Regelungslücken, die nicht aufgrund teleolo­ gischer Überlegungen mithilfe eines Analogieschlusses überwunden werden dürfen. Diese Lücken sind zum einen darauf zurückzuführen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des ESchG dem Bund die Zuständigkeit für ein umfassenderes Fortpflanzungsmedizingesetz fehlte21. Zum anderen entwickeln sich Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik so rasant, dass neue Verfahren und die Erzielung neuartiger Ergebnisse oft nicht ausdrücklich erfasst werden konnten22. Ferner kann das Stammzellgesetz (StZG), das beispielsweise den Embryonenbegriff anders definiert als das ESchG23, nicht zur Auslegung des ESchG herangezogen werden24.

III. Der Embryonenbegriff des ESchG Der Schutzbereich des ESchG beschränkt sich entsprechend seiner Ausrichtung, den Missbrauch neuer Fortpflanzungstechniken zu verhindern, auf den Zeitpunkt der Befruchtung bis zur Nidation25. In Fällen, in denen neue Entitäten entstehen, wie sie „so“ oder „so gemacht“ in der Natur nicht vorkommen, ergeben sich besondere Probleme mit der Begrifflichkeit des Embryos26. § 8 I ESchG nimmt eine Legaldefinition des Embryos vor und unterscheidet drei Arten von ­Embryonen:

18

Vgl. Günther in: Günther/Keller, S.  137, 168; Günther in: GA 1987, 433 (442); kritisch zum „Dammbruch“-, „Rutschbahn“ oder „slippery slope“-Argument Graf Vitzthum in: Braun/Mieth/Steigleder, S. 279; Bayertz in: Sass, S. 291. 19 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, Einf. B Rn. 18. 20 Grundsätzlich zum strafrechtlichen Analogieverbot: BVerfGE 73, 206 (234 f.). 21 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, Einf. B Rn. 17. 22 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, Einf. B Rn. 18. 23 Nach § 3 Nr. 4 StZG wird jede totipotente Zelle als Embryo definiert. Demgegenüber verlangt § 8 I Alt. 2 ESchG darüber hinaus, dass die totipotente Zelle einem (anderen) Embryo entnommen worden sein muss, um als Embryo zu gelten, vgl. Taupitz in: Günther/Taupitz/ Kaiser, Einf. B Rn. 18. 24 Vgl. Deutscher Ethikrat 2011, S. 38. 25 BT-Drs. 11/5460, S. 7 (Begründung zum Entwurf des ESchG). 26 Höfling, S. 103; Ach/Schöne-Seifert/Siep in: JWE 2006, 261, 291.

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

139

1. Befruchtete menschliche Eizelle (§ 8 I Alt. 1 ESchG) Entsprechend § 8 I Alt. 1  ESchG gilt „bereits die befruchtete, entwicklungs­ fähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an“ als Embryo im Sinne des Gesetzes. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass menschliches Leben mit dem Abschluss der Befruchtungskaskade27 entsteht28. Begründet wird dies damit, dass die genetischen Merkmale des Individuums mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle festgelegt werden und die befruchtete Eizelle sich kontinuierlich zu einem vollständigen menschlichen Organismus entwickelt. Jede spätere Zäsur für den Beginn des menschlichen Lebens wird als willkürlich betrachtet und daher abgelehnt29. Dies widerspricht zwar dem medizinischen Sachverständnis, nach dem als Embryo die ungeborene Leibesfrucht während der Zeit der Organentwicklung im Mutterleib bezeichnet wird und in der Zeit davor eine Zygote vorliegt30. Der Gesetzgeber berührt diese medizinische Terminologie aber nicht, indem er die Formulierung „als Embryo …gilt“ verwendet31. 2. Totipotente Zelle (§ 8 I Alt. 2 ESchG) Gemäß § 8 I Alt. 2 ESchG zählt „ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag“, als Embryo. Der Begriff der Totipotenz wird dabei im Sinne der klassischen Embryologie als Entwicklungsfähigkeit einer einzelnen Zelle zu einem vollständigen Organismus definiert32. Werden einem Embryo Stammzellen im Blastozystenstadium33 entnommen, sind sie nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr totipotent und stellen demzufolge keine Embryonen im Sinne des ESchG dar34. 3. Embryonaler Zellverband (§ 8 I Alt. 2 ESchG) Ausdrücklich wird von § 8 I Alt. 2 ESchG nur die einzelne, einem Embryo entnommene totipotente Zelle im Frühstadium der Embryonalentwicklung erfasst, das heißt die zelluläre Totipotenz35. Embryonen können jedoch nicht nur durch 27

Vgl. Teil 2: A. II. BT-Drs. 11/5460, S. 6 (Begründung zum Entwurf des ESchG). 29 Vgl. Brewe, S. 15. 30 Vgl. Teil 2: A. II. sowie Brewe, S. 17. 31 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 1. 32 Beier, Reproduktionsmedizin 2000, 332 (339); vgl. zur naturwissenschaftlichen Definition Teil 2: A. IV. 4. 33 Vgl. Teil 2: A. V. 34 Vgl. Brewe, S. 17. 35 Beier, Reproduktionsmedizin 1999, 190 (192). 28

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

die Abspaltung einer einzelnen totipotenten Zelle im Frühstadium der Embryonalentwicklung gewonnen, sondern ebenso durch Teilung des embryonalen Zellverbandes im Morula- oder Blastozystenstadium36 erzeugt werden37. Auch wenn die einzelnen Zellen nicht mehr totipotent sind, besitzen die geteilten Zellverbände als Ganzes jeweils die Fähigkeit, sich zu einem Individuum zu entwickeln38. In seiner ungetrennten Gesamtheit wird ein Verband embryonaler Stammzellen in Kultur deshalb als Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes geschützt39. 4. Mensch-Tier-Zybride als Embryo i.S.d § 8 I ESchG? Ob Embryonen, die durch Kreuzung von tierischem und menschlichem Material entstanden sind, unter den Begriff des „Embryos“ i.S.d § 8 I Alt. 1 oder Alt. 2 ESchG fallen, ist unklar. Die Legaldefinition geht auf die Problematik von Mensch-Tier-Mischwesen nicht explizit ein40. Die Subsumtion eines Mensch-TierZybriden unter § 8 I  ESchG erscheint unter drei Aspekten bedenklich: Erstens erfolgt seine Erzeugung durch Zellkerntransfer, zweitens steht seine Entwicklungsfähigkeit in Frage, und drittens erscheint es zweifelhaft, ob er der Gattung „Mensch“ zugeordnet werden kann. a) Problem der Erzeugungsart Problematisch ist die Frage, ob Zybride trotz Erzeugung durch somatischen Zellkerntransfer dem Wortlaut des § 8 I Alt. 1 oder Alt. 2 ESchG unterfallen. aa) Fertilisation im biologischen Sinne Die Zellkerntransplantation stellt keine Befruchtung im biologischen Sinne dar41. (1) § 8 I Alt. 1 ESchG: Befruchtete Eizelle § 8 I Alt. 1 ESchG erklärt die befruchtete Eizelle zum Embryo im Sinne des Gesetzes. Der Zellkerntransfer unter Verwendung unbefruchteter Eizellen führt somit nicht zur Erzeugung eines Embryos i.S.d § 8 I Alt. 1 ESchG. Unterstellt, bei 36

Vgl. Teil 2: A. IV. Viehbahn in: JWE 2000, 277 (285). 38 Beier, Reproduktionsmedizin 1999, 190 (194). 39 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3434); Taupitz in: JWE 2009, 107 (109); Brewe, S. 18. 40 Deutscher Ethikrat 2011, S. 40. 41 Vgl. Teil 2: A. II. zu den Vorgängen bei der Befruchtung und Teil 2: B. III 2. c) zu den Abläufen beim Nukleustransfer, s. auch Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (24). 37

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

141

der Methode des Klonens durch Zellkernaustausch würde als Akzeptorzelle eine soeben befruchtete Eizelle (noch vor der ersten Zellteilung) eingesetzt, würde ein solcher Zellkerntransferklon ohne Interpretationsprobleme einen Embryo i. S. d § 8 I Alt. 1 ESchG darstellen42. Die Erzeugung der Mensch-Tier-Zybriden erfolgt jedoch durch Implantation des menschlichen Zellkerns in eine entkernte unbefruchtete tierische Eizelle. Demzufolge werden Mensch-Tier-Zybriden vom Wortlaut des § 8 Alt. 1 ESchG nicht erfasst. (2) § 8 I Alt. 2 ESchG: Totipotente Zelle Auch Alt. 2 des § 8 I ESchG scheidet aus. Die Fiktion der totipotenten Zelle als Embryo ist durch die Entnahme aus einem Embryo i.S.d § 8 I Alt. 1 ESchG bedingt, setzt also die direkte Abstammung der totipotenten Zelle von einem durch Befruchtung entstandenen Embryo bzw. einer als solchen fingierten totipotenten Zelle voraus43. Bei der Zellkerntransplantation findet aber gerade keine Befruchtung statt44. Auch eine Abspaltung der totipotenten Zelle von einer ihrerseits totipotenten und damit als Embryo fingierten Zelle liegt nicht vor. Die somatische Ausgangszelle verfügt nur über eine beschränkte Differenzierungs- und Entwicklungsfähigkeit; das Vermögen, sich zu einem Individuum zu entwickeln, war ihr von vornherein nicht immanent45. Demzufolge sind bei wortgetreuer Betrachtung weder die Voraussetzungen des § 8 I Alt. 1 noch Alt. 2 ESchG erfüllt. bb) Nukleustransfer als fertilisationsvergleichbarer Initialisierungsprozess Damit wird die Frage aufgeworfen, ob § 8 I ESchG ausschließt, dass ein Embryo im Sinne der Vorschrift durch andere Methoden als durch Befruchtung im Sinne der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entstehen kann. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 8 I ESchG wird die Qualifikation eines Nukleustransfer-Klons als Embryo nach dem ESchG teilweise abgelehnt46. Der Wortlaut sei eindeutig, sodass bei einer Einbeziehung von Entitäten, die weder durch eine Befruchtung gemäß § 8 I Alt. 1 ESchG noch im Sinne von § 8 I Alt. 2 ESchG durch Embryonensplitting entstanden sind, die Grenze zum Analogieverbot überschritten werde47. Demgegenüber wird überwiegend mit Blick auf die Formulierung „als Embryo gilt 42

DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13. Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (24). 44 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (24); Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung, BT-Drs. 13/7590 vom 29.04.1997, S. 4. 45 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (24); Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung, BT-Drs. 13/7590 vom 29.04.1997, S. 2. 46 Z. B. Kersten, Jura 2007, 667 (669). 47 Taupitz in: NJW 2001, 3433 f. 43

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

bereits“ die Auffassung vertreten, § 8 I ESchG sei nicht abschließend gemeint48, sondern lege lediglich fest, was jedenfalls ein Embryo ist49. Damit werde der Befruchtungsvorgang nicht zum zwingenden Erfordernis50, vielmehr genüge ein „der Befruchtung vergleichbarer Prozess der Initialisierung“51. (1) Wortlaut Dreh- und Angelpunkt der Diskussion bildet die Frage, wie das Wort „bereits“ in § 8 I ESchG zu verstehen ist. (a) „Bereits“ als Öffnungsklausel im Sinne von „auch“ oder „unter anderem“ Einerseits könnte der Wortlaut mit der Formulierung „gilt bereits…“ darauf hindeuten, dass die Legaldefinition nicht abschließend zu verstehen ist52, sondern beispielhaft im Sinne von „auch“ oder „unter anderem“. Die sprachliche Wendung verdeutliche, dass die Definition entsprechend der Ratio des ESchG, den Embryo umfassend zu schützen, keine abschließende Begriffsbestimmung enthalte. Sie solle vielmehr sicherstellen, dass der strafrechtliche Schutz schon ab der beschriebenen frühen Phase der Entwicklung zum Menschen beginne53, ohne andere Formen des sich entwickelnden menschlichen Lebens von diesem Schutz auszunehmen54. Ein Stadium der Entwicklung, das dem Stadium nach der Befruchtung entspricht, könne eine Eizelle auch im Wege des Zellkerntransfers erreichen55. Folgt man dieser Auffassung, steht die Entstehung durch Zellkerntransfer einer Qualifikation der Entität als Embryo im Sinne des ESchG nicht entgegen.

48 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 7; Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung, BT-Drs. 13/7590 vom 29.04.1997, S. 6. 49 Eser/Frühwald, Honnefelder/Markl/Reiter/Tanner/Wehmacher in: JWE 1997, 357 (369 f.); v. Bülow in: DÄBl 1997, A 718 (A 729); Middel, S. 208; BT-Drs. 11/5460, S. 14; EnquêteKommission des Deutschen Bundestages, Stammzellforschung, S. 23. 50 Koenig/Müller, ZRP 2009, 19 (24). 51 Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung, BT-Drs. 13/7590 vom 29.04.1997, S. 6. 52 So die Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/7590, S. 6 und BT-Drs. 13/11263 S. 14; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (763). 53 In BT-Drs. 13/11263, S. 14 ist explizit die Rede von der Entwicklung zum Menschen und nicht als Mensch. 54 Middel, S. 208. 55 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn.  50; Enders in: Jura 2003, 666 (668); Rosenau in: FS Schreiber, 761 (763); Eser in: JWE, 1997, 357 (359); BT-Drs. 13/11263, S. 14; Drs. 12/1283 des Landtages von Baden-Württemberg, S. 5; ablehnend Koenig et al. GA, ERK, Kom-Drs. 15/48, S. 159 f.

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

143

(b) „Bereits“ als zeitliches Moment im Sinne von „schon“ Andererseits könnte das Adverb „bereits“ auch temporal zu verstehen sein und lediglich ein zeitliches Moment beschreiben56, nämlich den Zeitpunkt der Kernverschmelzung, und verdeutlichen, dass entgegen der in der Medizin vertretenen Ansicht schon der Abschluss des Befruchtungsprozesses und nicht erst spätere Stadien als Kriterium für den Definitionsrahmen gelten sollen57. Legt man diese Ansicht zugrunde, würden durch Zellkerntransfer hergestellte Embryonen nicht unter die Definition des § 8 I ESchG fallen58. (c) Stellungnahme Für die letztgenannte Auffassung spricht, dass damit Unklarheiten ausgeräumt würden, die sich aus dem international uneinheitlichen Sprachgebrauch ergeben, wonach in der frühen Embryonalphase oftmals der Begriff des „Präembryos“59 verwendet wird60. Denn weder in der Umgangssprache noch im juristischen Sprachgebrauch existiert ein einheitliches Verständnis von einem Embryo, auf das für die Auslegung des  ESchG zurückgegriffen werden könnte61. Zweifelhaft erscheint jedoch, ob der Formulierung „bereits“ ausschließlich zeitliche Bedeutung beizumessen ist. Entscheidend ist die Klärung, ob das Analogieverbot des Art. 103 II GG einer Auslegung des § 8 I ESchG in der Weise, dass es auch andere Erzeugungsarten als die Befruchtung im biologischen Sinne erfasst, entgegensteht. Aufgrund der dargestellten Auslegungsschwierigkeit in Bezug auf die Entstehungsart des Embryos ist ein solcher Verstoß jedoch nicht anzunehmen. Beide Interpretationsansätze werden vom Wortlaut gedeckt. Auch wenn man „bereits“ als zeitliches Moment auffasst, muss man § 8 I ESchG nicht abschließend im Hinblick auf die Erzeugungsart verstehen. Vielmehr soll die Formulierung eher umgekehrt die Einbeziehung frühester Entwicklungsstadien sichern62. Hinzu kommt, dass eine rein biologische Betrachtungsweise dem Embryonenschutzgesetz nicht immanent ist. Dies zeigt sich zum einen daran, dass in § 8 I Alt. 2 ESchG eine totipotente Zelle im Widerspruch zur medizinischen Terminologie als Embryo fingiert wird und der Embryo i.S.d § 8 I Alt. 1 ESchG von Medizinern als Zygote bezeichnet würde. 56

Schroth in: JZ 2002, 170 (172); Schoth in: Oduncu, 249 (254); Gutmann in: Roxin/ Schroth, S. 355; Kersten, Klonen, S. 36; Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (259); Paul, S. 98; Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1162); Trute in: GS Krüger, 385 (390). 57 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (25), vgl. auch Teil 2: A. II. 58 Kluth Stellungnahme, S. 4; Schroth in: Oduncu, S. 249, 254; Schroth in: JZ 2003, 170 (172); Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (259); Gutmann in: Roxin/Schroth, 355 (355). 59 Vgl. Teil 2 A. III. 60 von Bülow in: DÄBl 1997, B-570 (B-572); Limbeck, S. 100. 61 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 50. 62 Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung, BT-Drs. 13/7590 vom 29.04.1997, S. 6.

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

Zum anderen spricht der Gesetzgeber in § 7 I ESchG von der „Hybrid-Bildung“, während dies nach medizinischem Begriffsverständnis „Hybridenbildung“ heißen würde63. Der Wortlaut folgt demzufolge nicht strikt der biologischen Terminologie, sodass er auch bezüglich der Erzeugungsart als offen zu betrachten ist. Entscheidend für die Qualifikation als Embryo im Sinne des ESchG ist damit nicht die Erzeugungsart. Die Entstehung durch Zellkerntransfer steht einer Subsumtion unter § 8 I ESchG nicht entgegen, sofern die Entität zu Befruchtungsembryonen funktional äquivalent64 ist, also die weiteren Definitonskriterien des § 8 I ESchG erfüllt. Denn unvertretbar wäre es, § 8 ESchG überhaupt keine Bedeutung für die Ermittlung von Entitäten beizumessen, die unter den Schutz des ESchG fallen, da es sich bei diesem um ein Strafgesetz handelt, das in besonderem Maße dem Bestimmtheitsgebot unterliegt65. Als nicht abschließend kann demnach lediglich das Kriterium der Befruchtung, nicht aber die anderen Merkmale angesehen werden. (2) Systematik Für die Einbeziehung von Zellkerntransfer-Embryonen in den Embryonenbegriff des  ESchG sprechen systematische Erwägungen, nämlich die Existenz des Klonverbots aus § 6 I  ESchG. Einige der in § 6  ESchG aufgeführten Konstellationen wären bei einem engen Begriffsverständnis schlicht sinnentleert66. Beispielsweise ist die verbotene Erzeugung von Embryonen, die mit Foeten, Menschen und Verstorbenen erbgleich sind, derzeit technisch nur durch Zellkerntransfer möglich67. Zudem bezweckt § 6 I ESchG gerade einen Rundumschutz vor der „Herstellung von ‚Kopien‘ menschlicher Individuen“68. Teilweise wird deshalb vertreten, die Legaldefinition des § 8 I ESchG im Rahmen des § 6 I ESchG nicht anzuwenden69. Dies widerspricht jedoch der Bedeutung von § 8 I ESchG als Legaldefinition, die gerade für das gesamte Gesetz Geltung beansprucht. Vorzugswürdig erscheint es deshalb, aus § 6 I  ESchG Rückschlüsse für die Auslegung des § 8 I  ESchG zu ziehen, anstatt die Definition im Rahmen des § 6 I  ESchG aus­zusetzen.

63

Vgl. hierzu sowie zu einem terminologischen Reformvorschlag die Ausführungen in Teil 5: C. I. 2., 3. 64 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 55. 65 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 50. 66 Trips-Herbert, ZRP 2009, 80 (81). 67 Bruckmoser, S. 216 f.; Middel, S. 209. 68 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, Vor § 1, Rn. 6, Rn. 7. 69 Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung vom 29.04.1997, BT-Drs. 13/7590, S. 6.

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

145

(3) Historie Bei der Schaffung des ESchG wurde die Methode des Zellkerntransfers vor allem in Gestalt der Übertragung eines Zellkerns in eine befruchtete Eizelle in Betracht gezogen70. Aus der Tatsache ließe sich folgern, dass eine befruchtete Eizelle Ausgangspunkt für alle Embryodefinitionen sein sollte, sodass deren Erzeugung mit Hilfe des Zellkerntransfers nicht von der Legaldefinition des § 8 I ESchG erfasst sei, und zwar unabhängig davon, ob diese zu diagnostischen, therapeutischen oder experimentellen Zwecken erfolgt71. Im Gesetz hat das Verbot des Zellkerntransfers unter Beschränkung auf die Variante, bei der eine befruchtete Eizelle verwendet wird, jedoch offenkundig keinen Niederschlag gefunden. Denn bei der Variante des Nukleustransfers in eine befruchtete Eizelle „entsteht“ nicht ein Embryo, sondern wird ein bereits vorhandener Embryo im Sinne des § 8 I Alt. 1 ESchG, also die befruchtete Eizelle, „verwendet“72. Demzufolge spricht mehr dafür, dass das Klonen auch und gerade dann verboten sein soll, wenn durch Zellkerntransfer in eine nicht befruchtete Eizelle ein „neuer“ Embryo entsteht73. Deshalb muss § 8 I ESchG als Legaldefinition für das gesamte Gesetz derartige Entitäten erfassen74. Auch die Formulierung „gilt als“ deutet darauf hin, dass das Gesetz für neue naturwissenschaftliche Sachverhalte offen bleiben sollte75. Dass dieses von der geschlechtlichen, durch die Vereinigung von Ei- und Samenzelle bewirkten Entstehung menschlichen Lebens ausgeht, lässt sich vor allem auf historische Gründe, nämlich darauf zurückführen, dass bei seiner Entstehung nur medizinische Erkenntnisse und Methoden bis zu einem gewissen Entwicklungsstand berücksichtigt und den Vorschriften und Legaldefinitionen zugrunde gelegt werden konnten76. (4) Telos Auch teleologische Erwägungen sprechen dafür, durch Nukleustransfer erzeugte Embryonen unter § 8 I ESchG zu subsumieren. Denn das ESchG bezweckt einen „Rundumschutz“ von Embryonen, der nicht konterkariert werden darf. Die Herausnahme von Zellkerntransfer-Embryonen aus der Embryodefinition führte jedoch zu der absurden Konsequenz, dass ein auf diese Weise geklonter Mensch niemals das Embryonalstadium durchlaufen hätte77.

70

Arbeitsgruppe In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie, S. 40. Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 7 ESchG, Rn. 2. 72 Taupitz in: Günther/Taupitz/Keller, § 8 Rn. 52. 73 Koch in: Maio/Just, S. 107. 74 Günther in: Günther/Taupitz/Keller, § 8 Rn. 52. 75 Wendtland, S. 54. 76 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, Vor. § 1, Rn. 3. 77 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8 Rn. 54. 71

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

(a) Kein Schutz des Nukleustransfer-Klons wegen § 6 II ESchG? § 6 II ESchG verbietet die Übertragung eines Klons auf eine Frau und gebietet damit indirekt strafbewehrt dessen Tötung78. Daraus wird zum Teil geschlossen, dass durch Zellkerntransfer erzeugte Embryonen nicht zum Schutzbereich des ESchG zählen79. Diese Argumentation müsste sich jedoch konsequenterweise nicht nur auf die durch Zellkerntransfer entstandenen Embryonen beziehen, sondern generell auf Klone. Dem steht jedoch der Wortlaut des § 8 I Alt. 2 ESchG entgegen, nach dem durch Embryonensplitting erzeugte Klone eindeutig von der Definition des Embryos umfasst sind80. Zudem wird die Verfassungsmäßigkeit des § 6 II ESchG in der Literatur in Zweifel gezogen: Zwar verstoße das Klonen in jeder Spielart, also sowohl das reproduktive als auch das therapeutische Klonen, gegen die Menschenwürdegarantie, weil der Eigenwert und die Individualität menschlichen Lebens negiert werde81. Soweit § 6 II ESchG den Transfer eines wie auch immer geklonten menschlichen Embryos unter Strafe stellt, bewirke dies aber einen staatlichen Eingriff in das Lebensrecht des Klons aus Art. 2 II S. 1 GG, denn infolge dieses strafbewehrten Verbots werde der Klon jeder Entwicklungschance beraubt82. Es handle sich um eine „strafbewehrte Tötungspflicht“83 oder zumindest eine „strafbewehrte Pflicht zur Vorenthaltung der wichtigsten Entwicklungsvoraussetzungen“84. Der Klon selbst sei jedoch als Mensch anzusehen und deshalb ungeachtet der verfassungs- und verbotswidrigen Klonierung vollwertiger Träger des Lebensgrundrechts, sodass ihm mit der Erzeugung ein „Recht auf Transfer“ und damit eine Chance auf Verwirklichung seines inhärenten Potenzials zustehe85. Dieses Recht finde seine Grenze auch nicht in Art. 1 I S. 1 GG, da der Klon als menschliches Individuum selbst über Würde verfüge und diese seinem Schutz und nicht seiner Vernichtung zu dienen bestimmt ist, sodass § 6 II ESchG unhaltbar sei86. Aus Perspektive des Grundrechtsträgerkonzepts87 stelle 78

Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8 Rn. 22. Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 356. 80 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8 Rn. 53. 81 Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu GG, Art. 1 I, Rn. 36; Klein in: Schmidt-Bleibtreu GG, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 36; Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1, Rn. 100, 105; Hillgruber in: BOK GG, Art. 1, Rn. 22; differenzierend hingegen Podlech in: AK GG, Art. 1, Rn. 53 a; Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 108–114; andere Auffassung Robbers in: Umbach/Clemens, Art. 1, Rn. 69; für therapeutisches Klonen a. A. auch Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 99; für reproduktives Klonen a. A. Enders in: Friauf/Höfling, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 131. 82 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3. 83 Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 11; diesem folgend Hilgendorf in: FS Maurer, S. 1147, 1161; Höfling, Bitburger Gespräche 2002/II, S. 99, 114; Neidert in: ZRP 2002, 467 (470). 84 Kersten, Klonen, S. 43. 85 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3. 86 Hillgruber in: BOK GG, Art. 1, Rn. 22; Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3; Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 22; Prütting/Höfling, § 6, Rn. 9; Kersten, Klonen, S. 42. 87 Nach dem Grundrechtsträgerkonzept schützen die Grundrechte nur Individuen, nicht aber überindividuelle Werte, vgl. Hartleb, S. 121. 79

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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die Regelung des § 6 II ESchG einen Systembruch dar, wenn man davon ausgeht, dass extrakorporalen Embryonen unabhängig von ihrer Entstehungsart als subjektiv Berechtigte aus Art. 2 II S. 1 Alt. 1 GG ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf staatlichen Schutz zusteht, denn dieser sei mit einem ausnahmslosen Weiterentwicklungsverbot nicht in Einklang zu bringen88. Bei näherer Betrachtung würden sich sämtliche Rechtfertigungsversuche, etwa über die Menschenwürde des kopierten Erbgutspenders89 oder die körperliche Unversehrtheit der austragenden Frau90, als nicht tragfähig erweisen. Die Norm sei deshalb verfassungswidrig und ersatzlos zu streichen91. Ohne auf die verfassungsrechtliche Bewertung des reproduktiven Klonens vorgreifen zu wollen, bleibt es dabei, dass einem geborenen Klon Menschenwürdeschutz aus Art. 1 I S. 1 GG zukommt. Vor diesem Hintergrund kann § 6 II ESchG nicht als Argument dafür verwendet werden, Nukleus­ transfer-Klone aus dem Anwendungsbereich des § 8 I ESchG auszuklammern. (b) Minderer verfassungsrechtlicher Status des Nukleustransfer-Klons? Teilweise werden Zellkerntransfer-Klone wegen ihres minderen verfassungsrechtlichen Status bis zur Nidation aus dem einfachgesetzlichen Embryonenbegriff des § 8 I  ESchG herausgenommen92. Dabei wird argumentiert, dass eine Entität, welche ihre Entstehung keiner zufälligen Neukombination haploider Chromosomensätze verdankt, keinen Anteil am rechtlichen Menschenwürdeschutz habe93. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Gesetzesbegründung zeigt, dass Klonen vor allem im Hinblick auf die zur Entstehung gebrachten Menschen verboten wird94. Geht man davon aus, dass ein geborener Klon als Mensch anzusehen ist und kein Grund vorliegt, ihm die Menschenwürde abzusprechen95, kann man nicht sagen, er sei nie ein Embryo gewesen96. Nach teleologischen Gesichtspunkten kann die Art der Erzeugung durch Nukleustransfer somit nicht als

88

Hartleb, S. 222. Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 11; Hilgendorf in: FS Maurer, S. 1161: Selbst wenn man tatsächlich von einer Würdeverletzung des geklonten Erbgutspenders ausginge, könne diese niemals zu einem Anspruch auf Vernichtung eines mit eigenem Lebensrecht und eigener Menschenwürde ausgestatteten Grundrechtsträgers führen. 90 Hillebrand/Lanzerath, S.  24; demgegenüber meint Kersten, Klonen, S.  523, dass eine Frau im Rahmen eines „informed consent“ ein solches Gesundheitsrisiko eingehen könne. 91 Höfling, Bitburger Gespräche 2002/II, S.  99, 113; Hilgendorf in: FS Maurer, S.  1161; Kersten, Klonen, S. 580; Nettesheim in: AöR 2005, 71 (107); Deutscher Bundestag, Unterrichtung Klonen, BT-Drs. 13/11263, S. 26. 92 Eser/Koch, S. 65. 93 Hetz, S. 179 f.; 188; Eser/Koch, S. 65 f. 94 Begründung zum Entwurf des ESchG vom 25.10.1989, BT-Drs. 11/5460, S. 11 f. 95 Nationaler Ethikrat, Klonen, S.  41; Klonbericht Bundesregierung, BT-Drs.  13/11263, S. 20. 96 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8 Rn. 54. 89

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

Begründung dafür herangezogen werden, einer Entität den Schutz des § 8 I ESchG zu versagen. (5) Zwischenergebnis Nach alledem kann eine Eizelle, die einen der Befruchtung vergleichbaren Prozess der Initialisierung erfahren hat, also auch eine solche, die mit Hilfe der Technik des somatischen Zellkerntransfers erzeugt wurde, als Embryo qualifiziert werden, sofern die im Folgenden zu untersuchenden Voraussetzungen der „Entwicklungsfähigkeit“ und „Menschlichkeit“ der sich entwickelnden Entität zu bejahen sind. b) Problem der Entwicklungsfähigkeit Als entscheidend für das Merkmal „Embryo“ betrachten viele weniger die Herkunft aus bestimmten Zellarten als vielmehr die Entwicklungsfähigkeit97. Dieses weitere Merkmal der Embryonendefinition des § 8 I ESchG erweist sich jedoch als sehr problematisch, denn es herrscht kein Konsens darüber, was unter „Entwicklungsfähigkeit“ in diesem Sinne zu verstehen ist. aa) Implantations- oder Nidationsfähigkeit Vereinzelt wird unter der Entwicklungsfähigkeit das Potenzial des Embryos verstanden, sich bis zur Implantation oder Nidation in die Gebärmutter fortzuentwickeln98. Als Argument hierfür wird die Entwicklungsfähigkeitsvermutung des § 8 II ESchG angeführt („In den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle als entwicklungsfähig, es sei denn, dass schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, dass sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag“). Die Vermutung gilt innerhalb der ersten 24 Stunden, weil in diesem frühen Stadium technisch noch nicht festgestellt werden kann, ob sich die Zygote über das Einzellstadium hinaus entwickeln kann. Daraus wird gefolgert, dass sich das Attribut „entwicklungsfähig“ auf die Nidationsfähigkeit bezieht99. Ist eine Entität nicht nidationsfähig, sei es nämlich nicht angebracht, die Entwicklungsfähigkeit bis in ein totipotentes Stadium zu vermuten, wenn danach offensichtlich keine weitere Entwicklung zu einem vollständigen Individuum möglich ist100. Ob Zybrid-Embryonen in diesem 97

So z. B. DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13. Hetz, S. 79; Neidert in: MedR 2007, 279 (284 f.). 99 Hetz, S. 79. 100 Hetz, S. 79, 180. 98

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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Sinne Nidationsfähigkeit besitzen, ist aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht unsicher101. Zudem ist davon auszugehen, dass die Implantation solcher Embryonen von fast allen Rechtsordnungen verboten wird oder jedenfalls nach dem ärztlichen Ethos ausscheidet102. Nach dieser Ansicht wären Mensch-Tier-Zybriden somit nicht „entwicklungsfähig“ i.S.d § 8 I, II ESchG. bb) Abgrenzung zur Totipotenz Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass das Erfordernis der Entwicklungsfähigkeit nur eine Verdeutlichung des gesetzgeberischen Totipotenzverständnisses in Abgrenzung zur Pluripotenz darstellt103. Pluripotente Zellen können sich zwar ebenfalls teilen und entwickeln, nicht aber zu einem kompletten Individuum entfalten104. Totipotente Zellen hingegen verfügen über die Fähigkeit zur Ganzheitsbildung. Legt man diese Auffassung zugrunde, reicht es aus, wenn sich die Zybrid-Embryonen bis zum totipotenten Blastozysten-Stadium entwickelt haben, was Forschern bereits gelungen ist105. cc) Stellungnahme Die Vermutungsregelung des § 8 II ESchG hat technische Gründe der fehlenden Beweisbarkeit innerhalb des ersten Tages nach der Erzeugung und stellt insofern eine vorläufige Vermutung dar. Jedenfalls für den Zeitraum danach lassen sich aus der Regelung keine Rückschlüsse für die Auslegung des Absatzes 1 ziehen. Erwägungen dazu, ob eine Implantation überhaupt angestrebt wird, stehen in keinem Zusammenhang mit der Frage nach der Fähigkeit zur Entwicklung. Da sich das ESchG zudem vornehmlich an Ärzte und Reproduktionsmediziner richtet, sollte auch deren Begriffsverständnis zugrunde gelegt106 und die Entwicklungsfähigkeit im Sinne von Totipotenz interpretiert werden. Insbesondere spricht die Tatsache, dass bereits eine totipotente Zelle als Embryo fingiert wird, dafür, dass mit der Entwicklungsfähigkeit (nur) das Vermögen gemeint ist, das Stadium der Totipotenz erreichen zu können. Demzufolge ist die Voraussetzung der Entwicklungsfähigkeit auch bei Mensch-Tier-Zybriden gegeben.

101

Vgl. Teil 2 sowie Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (81). Huwe, S. 97. 103 Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (81). 104 Limbeck, S. 68. 105 Vgl. Teil 2: C. III. 3. sowie Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (81); Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, Rn. 20 f. 106 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, Rn. 20. 102

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

c) Problem der Zugehörigkeit zur Gattung Homo Sapiens Entscheidendes Augenmerk bei dem Versuch, Mensch-Tier-Zybriden unter § 8 I ESchG zu subsumieren, gilt daher der Frage, ob sich diese zweifellos der Gattung „Mensch“ bzw. „Homo Sapiens“ zuordnen lassen. Mit Blick auf den Wortlaut des § 7 I Nr.  3  ESchG, der die Erzeugung eines „differenzierungsfähigen Embryos“ durch Befruchtung einer tierischen Eizelle mit dem Samen eines Menschen verbietet, ist begrifflich nicht auszuschließen, dass der Embryonenbegriff aus § 8 I  ESchG neben „rein“ menschlichen auch Mensch-Tier-Misch-Embryonen beinhaltet107. Bereits der „Klonbericht“ der Bundesregierung von 1998 forderte eine begriffliche Klarstellung des Verbots des § 7 ESchG im Hinblick auf die Erzeugung eines Lebewesens mittels Zellkerntransplantation unter Verwendung tierischen und menschlichen Erbguts108. Unter systematischem Blickwinkel ist festzustellen, dass das ESchG begrifflich zwischen „menschlichen“ Embryonen einerseits (vgl. § 7 I Nr. 1, II Nr. 2 ESchG) und Embryonen ohne entsprechende Spezifizierung andererseits unterscheidet (vgl. § 8 I ESchG)109. § 7 I Nr. 3 ESchG sanktioniert beispielsweise die Erzeugung eines „differenzierungsfähigen Embryos“ durch Befruchtung einer tierischen Eizelle mit dem Samen eines Menschen. Demzufolge könnte der Embryonenbegriff aus § 8 I ESchG neben „rein“ menschlichen auch Mensch-Tier-Misch-Embryonen umfassen110. Der Gesetzgeber hat jedoch lediglich in § 7 ESchG das spezielle Thema Mensch-Tier-Mischwesen aufgegriffen und insoweit einer abschließenden Regelung zugeführt111. Darüber hinaus wird die Übertragung eines solchen Embryos u. a. auf ein Tier (§ 7 II Nr. 1 lit. b ESchG) verboten, der durch eine Handlung nach Absatz 1 entstanden ist112. Entstünde durch eine Handlung nach Absatz 1, also beispielsweise durch Interspeziesbefruchtung, ein menschlicher Embryo, wäre das zusätzliche Verbot des Absatzes 2 Nr. 2 („einen menschlichen Embryo auf ein Tier zu übertragen“) schlicht überflüssig113. Auch lässt sich das Verbot nicht damit begründen, dass der Gesetzgeber sich bezüglich einer durch eine Handlung nach Nr. 1 entstandenen Entität nicht festlegen und deswegen prophylaktisch den Transfer eines menschlichen Embryos auf ein Tier gesondert unter Strafe stellen wollte. Denn die Gesetzesbegründung besagt, dass § 7 II ESchG den Transfer „der in Absatz 1 bezeichneten Embryonen ebenso wie die Übertragung eines menschlichen Embryos“ auf ein Tier verbiete. Dies verdeutlicht, dass ein nach Absatz 1 erzeugter Embryo von einem menschlichen Embryo verschieden ist. Vor diesem Hintergrund muss § 8 I ESchG so verstanden werden, dass es sich um einen „menschlichen“ Embryo handeln muss. Fraglich ist jedoch, wann genau von der Zugehörigkeit zur Gattung 107

Deutscher Ethikrat 2011, S. 41. Klonbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 13/11263, S. 20. 109 Vgl. Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 60. 110 Deutscher Ethikrat 2011, S. 41. 111 Huwe, S. 96. 112 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 60. 113 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 60. 108

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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„Mensch“ auszugehen ist. Wie beschrieben114, wird die Morphogenese des ZybridEmbryos in den ersten Tagen der Entwicklung noch entscheidend durch epigenetische Signale aus der tierischen Eizelle bestimmt, jedoch kehren sich die Relationen um, wenn anschließend die humane Zellkern-DNA die Steuerung übernimmt115. Zudem sind die Gene eines Mensch-Tier-Zybriden zu 99,9 Prozent menschlich116. Demgegenüber macht die Eizelle bei der Herstellung des Zybrid-Embryos einen wesentlich größeren Anteil aus als der Zellkern: 95 Prozent der „Ausgangsmaterialien“ sind tierischen Ursprungs. Damit stellt sich die Frage, welches Kriterium man bei der Beantwortung der Frage nach der Spezieszugehörigkeit eines MenschTier-Zybriden anwenden muss. aa) Erbinformation des Zellkerns Eine Option ist es, auf die Gene und damit auf die Erbinformation des Zellkerns abzustellen117. Dafür spricht die qualitative Bedeutung des Zellkerns: Dieser macht 99,9 Prozent der Erbinformation aus118. Da das Kerngenom eines MenschTier-Zybrides menschlich ist, müsste er der Art Homo Sapiens zugeordnet werden. Dies korreliert zudem mit dem Herstellungszweck, diesen als biologisch gleichwertigen Ersatz für rein humane embryonale Stammzellen zu verwenden. Auch das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen119 stellt auf die Identität der Zellkern-DNA ab120. Zudem verfolgt das ESchG gerade auch das Ziel, biologisch-ethische Grenzbereiche zu regeln, und zwar sowohl zeitliche Grenzbereiche, also die Entstehung von Leben, als auch speziesbezogene (Chimären und Hybride)121, sodass man im Zweifel eine Entität unter den Embryonenbegriff fassen muss. Ferner spricht für ein Abstellen auf die Erbinformation des Zellkerns, dass dieser für die Steuerungsprozesse der Embryonalentwicklung (jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt) verantwortlich und insofern seine qualitative Bedeutung hoch ist122. Folgt man der Ansicht, dass es für die Bestimmung der Gat 114

Vgl. Teil 2: C. III. 2., 4., 5. Deutscher Ethikrat 2011, S. 98. 116 Vgl. Teil 2: C. III. 4. 117 So Brewe, S.  30; Bericht zur Frage eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs beim ESchG, BT-Drs. 13/11263, S. 21. 118 Deutscher Ethikrat 2011, S. 98. 119 Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen, Paris, 12.01.1998, in der Fassung vom 12.01.1998, zuletzt geändert am 01.03.2001, nicht amtliche Übersetzung online abrufbar unter: http:// conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/168.htm. 120 Middel, S. 209. 121 Vgl. Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (81). 122 Vgl. Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (81). 115

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

tungszugehörigkeit auf die im Zellkern vorhandene Erbinformation ankommt, ist ein Mensch-Tier-Zybrid als „menschlich“ im Sinne des § 8 I ESchG zu qualifizieren. bb) Sämtliche Ausgangsmaterialien Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Qualifikation als menschlicher Embryo i.S.d  ESchG davon abhängig zu machen, dass sämtliche „Ausgangsmaterialien“ menschlichen Ursprungs sind. Denn das Gesetz stellt auch in anderen Konstellationen auf das Ausgangsmaterial ab und es ist gerade Zweck der Zybridentechnik, ohne menschliche Eizellen auszukommen123. „Menschlich“ i.S.d ESchG ist ein Embryo demnach nur dann, wenn alle für seine Erzeugung verwendeten Gameten, Zellen, Zellhüllen und Zellkerne vom Menschen und nicht von Tieren stammen124. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nicht erfüllt, wenn als Gamet auf eine tierische Eizelle, deren Kern entfernt wurde, zurückgegriffen wird125. Sowohl die Zellhülle als auch die in deren Zytoplasma verbliebenen extrachromosomalen Gene sind tierischer Herkunft, sodass auch die Implantierung des Kerns einer menschlichen Zelle nicht zur Erfüllung des Merkmals „menschliche Eizelle“ führen kann, da 95 Prozent des Ausgangsmaterials tierisch sind126. cc) Stellungnahme Im Hinblick auf Art. 103 II GG ist zu berücksichtigen, dass § 8 I ESchG offensichtlich in beiden Varianten eine menschliche Eizelle als „Ausgangspunkt“ eines menschlichen Embryos annimmt. Weder das Gesetz noch die Gesetzesmaterialien enthalten Anhaltspunkte für eine Verzichtbarkeit der menschlichen Eizelle127. Selbst wenn eine tierische Eizelle mit einem menschlichen Zellkern verbunden wird, kann nicht von einer menschlichen Eizelle die Rede sein128. Dem wird entgegenhalten, dass es nicht darauf ankommen könne, ob eine menschliche Eizelle verwendet wird, sondern nur darauf, ob es sich bei der erzeugten totipotenten Zelle im Ergebnis um eine menschliche handle129. Zudem könne man die Zugehörig 123 So Limbeck, S. 82; Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 2, Rn. 16; Taupitz in: Günther/ Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 59; Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80 (81); Deutscher Ethikrat 2011, S. 40; Hetz, S. 75; Middel, S. 210. 124 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 7 Rn. 9. 125 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (27). 126 Deutscher Ethikrat 2011, S. 40; Hetz, S. 75; Keller/Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6 I, Rn. 5. 127 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn. 59. 128 Zweiter Zwischenbericht der Enquête-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ vom 21.11.2001, BT-Drs. 14/7546, S. 25; Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3434); Koenig/ Müller in: PharmR 2005, 19 (27). 129 Brewe, S. 30.

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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keit eines lebenden Menschen zur Gattung Homo Sapiens auch nicht deshalb in Zweifel ziehen, weil ihm ein tierisches Organ oder tierisches Gewebe transplantiert wurde130. Hält man im Fall des Klonens durch Zellkerntransfer in eine unbefruchtete Eizellhülle die genetische Abweichung des Klons vom Zellkernspender infolge der mitochondrialen DNA der Eizellhülle für unwesentlich, müsse dies sowohl für die Verwendung einer menschlichen als auch einer tierischen Eizellhülle gelten131. Diese Argumentation, dass es nicht auf die Ausgangsmaterialien ankommen könne, verkennt jedoch, dass gerade das Material, aus dem eine Entität erzeugt wird, Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit sein kann, was schon die bloße Existenz von § 7 ESchG zeigt. Weiterhin stellt es kein Argument dar, auf das Protokoll zum Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin abzustellen, weil jedes Regelwerk autonom ausgelegt werden muss. Auch der Herstellungszweck, dass Mensch-Tier-Zybriden menschlichen Embryonen möglichst ähnlich sein sollen, streitet nicht zwingend für diese Ansicht, da es nur darum geht, immunologische Abstoßungsreaktionen zu verhindern, und nicht etwa um eine phänotypische Ähnlichkeit o. ä. Für die Ausgangsmaterialien als Spezies-qualifizierendes Kriterium spricht wiederum, dass der Zweck der Erzeugung gerade darin besteht, keine menschlichen Eizellen mehr zur Stammzellengewinnung zu benötigen. Vorzugswürdig ist es demnach, auf das Ausgangsmaterial abzustellen. Der Transfer eines menschlichen Zellkerns in eine tierische Eizellhülle führt somit nicht zu einem menschlichen Embryo im Sinne des § 8 I ESchG132. d) Ergebnis Zybrid-Embryonen, die durch Einbringung einer menschlichen Körperzelle in eine entkernte tierische Eizelle erzeugt worden sind, werden nach alledem nicht vom Embryonenbegriff des § 8 I ESchG de lege lata erfasst.

IV. Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden Zu prüfen ist nun, ob die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden durch die einzelnen Verbotstatbestände des Embryonenschutzgesetzes untersagt wird. Die Prozedur ihrer Erzeugung umfasst das Entkernen der tierischen Eizelle, die Entnahme der menschlichen Körperzelle und die Isolierung des Zellkerns sowie den Transfer der Körperzelle in die Tier-Eizelle und deren artifizielle Aktivierung133 . 130

Brewe, S. 30. Brewe, S. 30. 132 So auch Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 8, Rn.  59; Günther in: Keller/Günther/ Kaiser, § 6, Rn. 5; Kersten, S. 150; Middel, S. 210; Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3434); Taupitz in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, S. 96, 98. 133 Vgl. Teil 2: B. III. II. c) cc) zur Technik des Nukleustransfers. 131

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

1. Verstoß gegen § 7 I ESchG (Chimären- und Hybrid-Bildung)? § 7 I ESchG bedroht die Chimärenbildung (§ 7 I Nr. 1, 2 ESchG) und Hybridbildung (§ 7 I Nr. 3 ESchG) mit Strafe. Alle Modalitäten der Vorschrift sind als Unternehmensdelikt ausgestaltet. Schon der Versuch ist formell einer vollendeten Tat gleichgestellt, § 11 I Nr. 6 StGB; ein Rücktritt nach § 24 StGB scheidet aus134. Mitwirkende Ärzte und Biologen handeln als Mittäter (§ 25 II StGB), das Hilfspersonal macht sich bei Vorsatz wegen Beihilfe strafbar, § 27 StGB. Demgegenüber bleiben die Gametenspender als notwendige Teilnehmer straflos135. Ausweislich der Gesetzesbegründung dient § 7 ESchG dem Schutz der Menschenwürde136. Auch von der Literatur wird die Chimären- und Hybrid-Bildung an Embryonen, wie sie § 7 ESchG verbietet, überwiegend als nicht zu verantwortender und besonders schwerwiegender Verstoß gegen die Würde des Menschen erachtet137. Diese Argumentation ist angreifbar mit der Begründung, dass Handlungen, an die der Vorwurf einer Würdeverletzung anknüpft, dem Würdeträger mit einer bestimmten genetischen Konstitution erst zur Existenz verhelfen, sodass die Würde des menschlichen Individuums durch die Erschaffung dieser genetischen Konstitution auch nicht verletzt werden kann138. Ob es möglich ist, eine aus Art. 1 I S. 1 GG herzuleitende „Menschheitswürde“ durch eine Chimären- und Hybrid-Bildung zu verletzen, erscheint ebenfalls fraglich139. Weniger angreifbar ist es daher, zur Rechtfertigung des Straftatbestandes auf die fehlende Beherrschbarkeit solcher Techniken für die betroffenen Individuen zu rekurrieren140. a) § 7 I Nr. 1 ESchG Nach § 7 I Nr. 1 ESchG macht sich strafbar, wer es unternimmt, Embryonen mit unterschiedlichen Erbinformationen unter Verwendung mindestens eines menschlichen Embryos zu einem Zellverband zu vereinigen. Die Vorschrift setzt als Tatobjekt einen menschlichen Embryo voraus141. Die Tathandlung besteht in der Vereinigung eines menschlichen Embryos mit einem anderen, in seiner Erbinfor-

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Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 7, Rn. 12. Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 7, Rn. 30. 136 BT-Drs. 11/5460, S. 12. 137 Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 473; Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7, Rn. 4; Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drs. 11/5460, S. 12; Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundesministers für Forschung und Technologie und des Bundesministers der Justiz von 1985, S. 177 (182); Starck, S. A 46; Deutsch in: MDR 1985, 177 (182). 138 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 7 ESchG, Rn. 1. 139 Müller-Terpitz, S. 328; vgl. auch die Ausführungen in Teil 3. 140 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7, Rn. 6. 141 Pelchen/Häberle in: Erbs/Kohlhaas, § 7 ESchG, Rn. 1. 135

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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mation abweichenden Embryo zu einem Zellverband. Der andere Embryo kann sowohl ein menschlicher als auch ein tierischer Embryo sein142. Ein Verstoß gegen § 7 I Nr. 1 ESchG durch die Erzeugung eines Mensch-TierZybriden ist nicht denkbar, da hierbei nicht mehrere Embryonen zu einem Zellverband vereinigt werden. Zudem wird kein „menschlicher“ Embryo verwendet143, denn bei der heterologen Kerntransplantation in eine artfremde Eizelle werden eine entkernte, unbefruchtete Eizelle und ein ausdifferenzierter Zellkern verwendet und damit weder ein menschlicher noch ein tierischer Embryo144. b) § 7 I Nr. 2 ESchG Tatobjekt des § 7 I Nr. 2 ESchG ist ebenfalls ein menschlicher Embryo. Die Tathandlung setzt die Verbindung des menschlichen Embryos mit einer in ihrer Erbinformation abweichenden Zelle voraus, die sich mit dem Embryo weiter differenzieren kann, jedoch darf es sich nicht um eine totipotente Zelle handeln, weil die Vereinigung mit einem menschlichen Embryo bereits durch § 7 I Nr. 1 ESchG pönalisiert wird145. Erfasst werden vielmehr ausdifferenzierte oder allein nicht mehr entwicklungsfähige embryonale Zellen, etwa embryonale Karzinomzellen menschlichen oder tierischen Ursprungs, die sich mit einem menschlichen Embryo verbinden lassen und an dessen Differenzierungsprozess partizipieren146. Eine Subsumtion der Erzeugung von Zybriden unter § 7 I Nr. 2 ESchG scheitert daran, dass kein menschlicher Embryo verwendet wird147, sondern eine tierische Eizelle entkernt und dieser ein menschlicher Zellkern hinzugefügt wird. c) § 7 I Nr. 3 Alt. 2 ESchG Die Erzeugung eines „differenzierungsfähigen Embryos“ durch Befruchtung einer menschlichen mit einer tierischen Keimzelle wird von § 7 I Nr.  3 Alt. 2 ESchG unter Strafe gestellt148. Dabei macht es für die Strafbarkeit keinen Unterschied, ob eine menschliche Eizelle mit dem Samen eines Tieres oder umgekehrt

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Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7, Rn. 7. Trips-Herbert in: ZRP 2009, 80; Eser/Koch, S. 34. 144 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7, Rn. 7. 145 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7, Rn. 17. 146 Vgl. zu entsprechenden Krebsforschungen Bräutigam/Mettler, S. 39. 147 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 7 ESchG, Rn. 2. 148 Die Einschränkung des Verbots der Hybrid-Bildung auf differenzierungsfähige Hybridembryos wird als zu weitgehend kritisiert von Coester-Waltjen in: Trotnow/Coester-Waltjen, S. 31 f. und Gröner in: Günther/Keller, S. 319 f. 143

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

eine tierische Eizelle mit menschlichem Samen befruchtet wird. Die Vorschrift verbietet damit die Erzeugung eines „echten“ Hybrid-Embryos149. Beim Transfer eines menschlichen somatischen Zellkerns in eine entkernte tierische Eizelle wird kein „Samen eines Menschen“ verwendet. Die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden erfolgt vielmehr mittels heterologer Zellkerntransplantation150. Somit findet kein Befruchtungsvorgang statt, wie ihn die Vorschrift voraussetzt, sodass auch keine Strafbarkeit nach § 7 I Nr. 3 Alt. 2 ESchG ge­geben ist151. d) Ergebnis Festzuhalten bleibt, dass die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden nicht nach § 7 I Nr. 1 ESchG strafbar ist, weil nicht zwei Embryonen miteinander verbunden werden. Eine Sanktionierung nach § 7 I Nr. 2 ESchG scheitert daran, dass kein menschlicher Embryo, sondern eine tierische Eizelle mit einer Zelle verbunden wird. Für eine Strafbarkeit nach § 7 I Nr. 3 ESchG fehlt es an dem erforderlichen Befruchtungsvorgang. 2. Verstoß gegen § 6 I ESchG (Klonverbot)? Näher liegend erscheint ein Verstoß gegen das in § 6 I ESchG statuierte Klonverbot durch die künstliche Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden. Gemäß § 6 I ESchG macht sich strafbar, wer künstlich bewirkt, dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderes, bereits existierendes Individuum entsteht. Das statuierte Klonierungsverbot gilt sowohl für das reproduktive als auch für das therapeutische Klonen. Der in § 6 I ESchG als Klonen bezeichnete Vorgang umfasst unumstritten die seit langem bekannte und auch vom Gesetzgeber des ESchG aufgeführte Technik des Embryonensplittings152. Bei allen weiteren Techniken153 wird die Einschlägigkeit des § 6 I ESchG nicht einhellig beantwortet154. Wer eine von ihm entkernte menschliche Eizelle einem anderen zur Verfügung stellt und weiß oder damit rechnet, dass diese zum Klonen verwendet wird, macht sich zumindest wegen Beihilfe zu dieser Tat strafbar155. Gelingt die Erzeugung eines Klons nicht, liegt ein nach § 6 III ESchG strafbarer Versuch vor156. Damit stellt sich die Frage, ob das Entkernen einer Eizelle lediglich eine 149

Vgl. zum „echten“ Hybrid aus Gametenfusion Teil 2: C. III 1. a. bb). Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (27), vgl. auch Teil 2: III. II. c) cc) zur Technik des Nukleustransfers und Teil 2: A. II. zur Befruchtung. 151 Prütting/Höfling, § 7 ESchG, Rn. 6 m. w. N. 152 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 2; vgl Teil 2: B. III. 2. a). 153 Vgl. Teil 2: B. III. 2. b) – i). 154 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 3. 155 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13 f. 156 Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 8. 150

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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Vorbereitungshandlung darstellt oder bereits einen strafbaren Versuch begründet, wenn es mit dem Ziel des späteren Einbringens eines anderen Zellkerns erfolgt, wobei es nicht darauf ankommt, dass beide Teilhandlungen von derselben Person vorgenommen werden157. Im Hinblick darauf, dass das Entkernen der Eizelle üblicherweise keinen Selbstzweck darstellt und sich die Zellkerntransplantation unmittelbar anschließt, sollte man davon ausgehen, dass der Täter unmittelbar zur Tatausführung des Zellkernaustauschs, wodurch ein Klon entsteht, ansetzt und aus seiner Sicht keine wesentlichen Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung mehr erforderlich sind, sodass ein Versuch gem. § 22 StGB vorliegt. a) Künstliche Erzeugung eines Embryos mit „gleicher“ Erbinformation Zu prüfen gilt es, ob die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden unter den Tatbestand des § 6 I ESchG subsumiert werden kann. Dazu müsste zunächst ein Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, Foetus, Mensch oder Verstorbener erzeugt werden. Demnach kommt es auf die „Gleichheit der Erbinformation“ an, wobei die Auslegung des Wortes „gleich“ problematisch erscheint. Fraglich ist, ob die mittels Kerntransplantation entstandene totipotente Zelle die gleiche Erbinformation besitzt wie der Mensch, von dem sie stammt158. Vergleichbar ist diese Problematik mit der Erzeugung eines rein menschlichen Embryos durch Nukleustransfer wie beim therapeutischen Klonen: Auch bei Verwendung menschlicher Eizellen entsteht aufgrund der Übernahme mitochondrialer Gene der entkernten Eizelle ein Embryo mit nur nahezu gleicher Erbinformation – es sei denn, Körperzelle und entkernte Eizelle stammen von derselben Frau159. Der Wortlaut des § 6 I ESchG ist insoweit offen, als dass er keine Anhaltspunkte dafür enthält, ob eine 100-prozentige Übereinstimmung im Genom von Ausgangszelle und entstandener totipotenter Zelle nötig ist160. aa) „Gleich“ als „mathematisch gleich“ Versteht man das Wort „gleich“ als „mathematisch gleich“, sind sowohl identische Zellkern-DNA als auch identische extrachromosomale Gene erforderlich161. Für diese Auffassung wird angeführt, dass das strafrechtliche Analogieverbot eine 157

DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13. Vgl. zur nur 99,9 prozentigen genetischen Identität Teil 2: B. III. 2. c) aa). 159 Vgl. Middel, S. 208. 160 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (27). 161 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (27); für das therapeutische Klonen Kersten, Klonen, S. 33, 47; Schroth in: Oduncu, 249 (253); Schroth in: JZ 2002, 170 (172); Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 353; Wendlandt, S. 65. 158

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

andere Auslegung verbiete: Ein Embryo mit einer nahezu gleichen Erbinformation sei kein Embryo mit gleicher Erbinformation162. Auch das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG müsse beachtet werden163. Nach dieser Ansicht führt die Kerntransplantation nicht zu genetisch gleichen Zybrid-Organismen, da 0,1 Prozent der DNA tierisch sind, sodass keine mathematische Gleichheit vorliegt. bb) „Gleich“ als „nahezu gleich“ bzw. „qualitativ gleich“ Gegenüber einem mathematischen Gleichheitsbegriff kann man auch einen semantischen bzw. rechtlichen anlegen. So sind viele der Meinung, in Übereinstimmung mit der Umgangssprache müsste auch solches als „gleich“ gelten, von dem der Mathematiker nur als „ungefähr gleich“ sprechen würde164. Der Gesetzgeber habe bewusst die Formulierung „gleich“ gewählt und nicht etwa von „derselben“ oder „identischer“ Erbinformation gesprochen und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Erbinformation des geklonten Embryos nicht völlig mit der seines Genomspenders identisch sein müsse165. Es müsse vielmehr auf eine qualitative Beurteilung der Abweichungen des Genoms von Klon und „Original“ ankommen. Wann eine qualitative Gleichheit vorliegt, wird dabei unterschiedlich be­ urteilt. Günther vertritt die Ansicht, die Abweichung mache qualitativ dann einen Unterschied, wenn diejenigen Basenpaare je Zelle betroffen sind, die den spezifischen Genotyp des kopierten Menschen und seines Klons festlegen166. Demgegenüber spielten „Abweichungen im nichtcodierten167 Teil  der DNA (…) keine entscheidende Rolle“168. Da die mitochondriale DNA jedoch den individuellen Stoffwechsel steuere, übe sie eine individuenspezifische, wichtige und dringend erforderliche Funktion aus169. Bei der Kombination aus Zellkern-DNA mit fremder mitochondrialer DNA könne deshalb nicht von einer „juristischen“ Gleichheit der Erbinformation gesprochen werden170. Die Abweichung sei vielmehr so erheblich, dass Zellkerntransfer-Embryonen vom Anwendungsbereich des § 6 I ESchG

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Vgl. Middel, S. 208. Vgl. Middel, S. 208. 164 Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung, BT-Drs. 13/7590 vom 29.04.1997, S. 6. 165 Eser/Koch in: GS Keller, 15 (26); Hilgendorf in: FS Maurer, 1149 (1160); BT-Drs. 13/ 11263, S. 13. 166 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 16. 167 Mit „nichtkodierenden DNA“ („noncoding DNA“, früher auch „junk DNA“) sind diejenigen Teile der  DNA gemeint, die nicht für Proteine kodieren. Bei höheren Organismen wie Menschen und Tieren ist der überwiegende Teil der DNA (75 bis 95 Prozent) in diesem Sinne nicht-kodierend, jedoch üben auch diese Anteile der DNA vielfältige Funktionen aus, Brandt in: Springer Lexikon Medizin, Stichwort „Gewebespezifische Genexpression“. 168 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 16. 169 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 16. 170 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 16. 163

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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ausgenommen seien, mit der – unbefriedigenden – Konsequenz, dass das Verfahren der Zellkerntransplantation de lege lata nicht gegen § 6 I ESchG verstoße171. Die Gegenauffassung meint, dass angesichts der Tatsache, dass ständig aufgrund äußerer Einflüsse einzelne Basen der DNA Mutationen erfahren, die Existenz fremder mitochondrialer DNA unbeachtlich sei172. Legt man „gleich“ im rechtlichen bzw. umgangssprachlichen Sinne als „nahezu gleich“ aus, genüge eine Identität der DNA der Zellkerne173. Die überwiegende Übereinstimmung der Erbinformation in Höhe von 99,9 Prozent174 reicht dann aus, um die Erbinformation des Mensch-Tier-Zybrides zwar nicht als (absolut) identisch, wohl aber im semantischen Sinne als „gleich“ mit dem menschlichen Zellkernspender zu qualifizieren. cc) Stellungnahme Für ein mathematisches Gleichheitsverständnis lässt sich anführen, dass das Erfordernis 100-prozentiger Übereinstimmung Auslegungsschwierigkeiten darüber vermeidet, wo genau die Grenze für eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ zu ziehen ist175. Auslegungsprobleme begründen für sich genommen jedoch kein Argument, vielmehr ist es gerade Aufgabe der Juristen, ein Gesetz zu interpretieren. Dem Auslegungsgrundsatz, den Telos einer Norm zu ermitteln und diesem gerecht zu werden, entspricht die wertende Betrachtungsweise. § 6 I ESchG soll eine phänotypische Identität verhindern176. Die Unterschiede im mitochondrialen Genom führen jedoch nicht zur phänotypischen Ausprägung177, sodass Abweichungen in diesem Bereich einer qualitativen Bewertung als „gleich“ nicht entgegenste 171

So Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn.  16, 17.  Bei dem via Kerntransplantation in eine menschliche Eizelle erzeugten Keimling handle es sich somit zwar nicht um einen Klon, wohl aber um einen von § 2  ESchG vor missbräuchlicher Verwendung geschützten menschlichen Embryo, sodass beispielsweise die Entnahme von Stammzellen unzulässig sei; vgl. Schroth in: JZ 2002, 172 (172); Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 354 unter Hinweis darauf, dass auch das Genom von Mensch und Schimpansen zu 99 Prozent übereinstimmt. – Gesetzgeberischen Handlungsbedarf sahen deshalb schon früh Keller in: FS Lenckner, S. 487 und der Klonbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 11263. Den Bedenken Rechnung tragend, beschränkt sich das von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifizierte Zusatzprotokoll des Europarates explizit auf die genetische Identität der Zellkerne (Art. 1 II: „the same nuclear genes set“). 172 Beck, S. 166; v. Bülow in: DÄBl. 1997, A-720; Hilgendorf in: FS Maurer, S. 1160; Jungfleisch, S. 92; Keller in: FS Lenckner, S. 486 (allerdings deutliche Zweifel äußernd); Rosenau in: FS Schreiber, S. 764; Schütze, S. 308; Klonbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 13/11263, S. 13. 173 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 5; Haßmann, S. 211; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (764); Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (259). 174 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (27). 175 Schroth in: JZ 2002, 170 (172). 176 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3. 177 Vgl. Teil 2: B. III c) bb).

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

hen. Auf die Bedeutung der Mitochondrien für den Stoffwechsel kommt es nicht an. Würde das gesetzliche Klonverbot aus § 6 I ESchG ausschließlich die Technik des Embryonensplittings umfassen, verlören zudem die übrigen Tatbestandsmerkmale ihre Bedeutung: Mittels Embryonensplittings ließen sich nur Embryonen, nicht aber Foeten, bereits geborene Menschen oder schon Verstorbene klonen; das Klonen dieses Personenkreises ist vielmehr nur denkbar, wenn es durch die Technik des Zellkerntransfers realisiert wird178. Dem Sinn und Zweck von § 6 I ESchG, einen „Rundumschutz“179 von Embryonen vor Klonierung zu gewährleisten, kann nur bei Einbeziehung der Zellkerntransplantation entsprochen werden180. Eine solche Interpretation, die Zellkerntransfer-Klone in den Anwendungs­ bereich des § 6 I ESchG einbezieht, ist (noch) mit dem Wortlaut vereinbar: Da § 6 I ESchG sprachlich nicht „dieselbe“ oder eine „identische“ Erbinformation verlangt, liegt in einer Auslegung des Wortes „gleich“ als „nahezu gleich“ kein Verstoß gegen das Analogieverbot181. Dem Einwand unzulänglicher Bestimmtheit lässt sich entgegenhalten, dass das Bundesverfassungsgericht182 anerkannt hat, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm mit zunehmender Spezialisierung des Adressatenkreises abnehmen183. Dies wird mit dessen Möglichkeit begründet, im Rahmen seiner täglichen Befassung mit der ausdifferenzierten Materie Kenntnisse über die von ihm verlangten Verhaltensweisen zu erlangen. Der kleine Kreis von Personen, der in der Praxis mit Zellkerntransplantationen zu tun hat, sollte über die grundsätzliche Unmöglichkeit der Herstellung eines genetisch absolut identischen Wesens Bescheid wissen und § 6 I ESchG dahingehend verstehen, dass die Norm den mit den gegenwärtigen technischen Methoden zu erreichenden Herstellungsgrad an genetischer Identität verbieten will184. Demzufolge steht das Bestimmtheitsgebot der Einbeziehung der Methode des somatischen Zellkerntransfers nicht entgegen – jedenfalls solange nicht, wie eine bewusste Veränderung, insbesondere eine Optimierung der Erbinformation des Zellkerns vor dem Transfer, nicht erfolgt185. Denn wohl unumstritten ist, dass die veränderte Variante, der alterierte Nukleustransfer186, nicht vom Verbot des § 6 I  ESchG umfasst wird187. Einige verneinen die Strafbarkeit nur bei erheblicher Veränderung 178

Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 7  ESchG, Rn.  3; Bruckmoser, S.  216 f.; Middel, S. 209; Eser/Koch in: FS Eser, 1091 (1109); Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (28). 179 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 7. 180 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (28). 181 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (28). 182 BVerfGE 75, 329. 183 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 7 ESchG, Rn. 3; v. Bülow in: DÄBl. 1997, 64, A-718 (721); Keller in: FS Lenckner, S. 477, 486; im Ergebnis genauso mit z. T. anderer Begründung BT-Drs. 13/7590, S. 6, BT-Drs. 13/11263, S. 14. 184 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (259); a. A. Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 356. 185 Vgl. zu dieser Problematik Hilgendorf in: FS Maurer, 1149 (1160); Höfling, S. 109. 186 Vgl. Teil 2: B. III. 2. d). 187 Beck, S. 166; v. Bülow in: DÄBl. 1997, A-720; Hilgendorf in: FS Maurer, S. 1160; Jungfleisch, S.  92; deutliche Zweifel äußernd: Keller in: FS Lenckner, S.  486; Rosenau in: FS

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des Zellkerns188. Weil sich der Genotyp jedoch phänotypisch manifestiert und § 6 ESchG eine solche Gleichheit gerade verhindern will, stellt eine Abweichung der Zellkern-DNA stets eine qualitativ erhebliche Differenz dar. Somit führt jede genetische Veränderung des Nukleus vor der Transplantation dazu, die Tatbestandserfüllung zu verneinen. Nach alledem sollte das Tatbestandsmerkmal der „gleichen“ Erbinformation dahingehend ausgelegt werden, dass identische Zellkern-DNA genügen (und erforderlich sind) und somit die Methode des Zellkerntransfers von § 6 I ESchG erfasst wird. Demzufolge entsteht bei der Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybrides ein Embryo mit gleicher Erbinformation im Sinne des § 6 I ESchG wie ein lebender Mensch, nämlich derjenigen des Zellkernspenders.  b) Entstehung eines menschlichen Embryos Das Verfahren des Nukleustransfers müsste zur Erzeugung eines menschlichen Embryos führen. Die Erzeugungsart mittels Zellkerntransplantation steht einer Qualifikation als Embryo i. S. d. § 8 I ESchG nach hier vertretener Auffassung nicht entgegen, da es sich um einen der Befruchtung vergleichbaren Initialisierungsprozess handelt189. Demnach ist das therapeutische Klonen, also das Verbringen eines menschlichen Zellkerns in eine entkernte menschliche Eizelle zum Zwecke der Züchtung patientenspezifischen Gewebes, verboten190. Fraglich ist aber, ob es sich bei dem Mensch-Tier-Zybrid-Wesen um einen menschlichen Embryo handelt. Wie bereits dargestellt, kann die durch Fusion einer tierischen Eizelle mit einem menschlichen Zellkern entstehende Entität mangels Qualifikation als „menschlich“ kein Embryo i. S. d. § 8 I ESchG sein191. Die Legaldefinition findet auf alle Normen des ESchG Anwendung und damit auch auf § 6 I ESchG192. Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu den vorangegangenen Überlegungen: Die Erbinformation des Mensch-Tier-Zybriden ist „gleich“ i. S. d. § 6 I ESchG mit derjenigen des Zellkernspenders; hier genügt die Übereinstimmung der Zellkern-DNA. Der entstandene Embryo ist aber nicht „menschlich“ i. S. d. § 8

Schreiber, S. 764; Schütze, S. 308; Taupitz in NJW 2001, 3434 (3434): Klonbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 13/11263, S. 1; DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13. 188 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 17, der die Erheblichkeit qualitativ bestimmen und einen Maßstab anlegen will, der auf die Relevanz für den spezifischen Genotyp abstellt. 189 Vgl. Teil 3: A. III. 3. a). 190 Vertreter der gegenteiligen Ansicht, die Zellkerntransfer-Klone aus dem Anwendungsbereich des § 8 I ESchG ausnehmen, negieren konsequenterweise auch eine Strafbarkeit des Zellkerntransfer-Verfahrens nach § 6 I ESchG, vgl.: Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 355; Hilgendorf in: FS Schiedermair, S. 1147, 1162; Prütting/Höfling, § 6, Rn. 6; Kersten in: Heinemann/Kersten, S. 130, 140; Schroth in: JZ 2002, 170 (172); Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 16. 191 Vgl. Teil 3: A. III. 4 c). 192 Vgl. Teil 3: A. III. 4. bb) (2).

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I ESchG, denn hierbei kommt es nicht nur auf die genetische Information an. Vielmehr verhindert die Tatsache, dass die zu seiner Herstellung verwendeten Materialien weit überwiegend tierisch sind, die Qualifikation als menschlicher Embryo. c) Ergebnis zum ESchG bezogen auf die Herstellung Festzuhalten ist, dass eine Strafbarkeit nach § 6 I  ESchG durch die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden daran scheitert, dass diese nicht als menschlich i.S.d ESchG zu qualifizieren sind. Zudem lässt sich eine Strafbarkeit dadurch umgehen, dass die Zelle oder der menschliche Zellkern vor der Implantation genetisch verändert wird193. Eine fehlende Identität der Erbinformation zwischen Zybrid-Embryo und menschlichem Zellkernspender steht der Einschlägigkeit von § 6 I ESchG hingegen nach hier vertretener Auffassung nicht entgegen. 3. Verstoß gegen § 5 I ESchG (Verbot der Keimbahnintervention)? Die Einbringung einer menschlichen Körperzelle in eine tierische entkernte Eizelle könnte gegen das Verbot der Keimbahnintervention aus § 5 I ESchG verstoßen. Die Norm stellt in Absatz 1 und 4 humangenetische, „intergenerationell“ wirkende Veränderungen menschlicher Keimbahnzellen unter Strafe sowie in Absatz 2 die Verwendung genetisch veränderter Keimbahnzellen, etwa zur Keimbahntherapie194. Sie lässt sich weniger von Aspekten der Ethik und Moral (Züchtung perfekter Menschen) leiten als vielmehr von der Erkenntnis, dass die Entwicklung und Anwendung derartig komplexer Manipulationsverfahren zurzeit nicht risikolos möglich und deshalb nicht zu verantworten ist195. In § 8 III ESchG wird die Keimbahnzelle legal definiert. Einbezogen sind alle Zellen der befruchteten Eizelle, totipotente embryonale Zellen, körpereigene Keimbahnzellen nach ihrer Ausdifferenzierung – also diejenigen, die für die Weitergabe der Erbinformation verantwortlich sind,  – sowie die Keimzellen selbst, also Ei- und Samenzellen196. In § 8 III ESchG erfolgt eine Erweiterung auf die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an (imprägnierte Eizelle)197 bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung.

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So auch Taupitz in: Wobus et al., S. 168. Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 5, Rn. 2. 195 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 5 ESchG, Rn. 1. 196 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 5, Rn. 9. 197 Vgl. Teil 2: A. II. 194

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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a) Menschliche Keimbahnzelle Wird eine Eizelle entkernt, handelt es sich um eine künstliche Veränderung der Erbinformation einer Keimbahnzelle im Sinne von § 5 I ESchG198. Menschlich ist die Keimbahnzelle dann, wenn das in ihr kodierte Erbgut ausschließlich menschlichen Ursprungs ist: Beide Keimzellen, aus denen die Keimbahnzellen in einer Zell-Linie hervorgegangen sind, müssen von Menschen stammen199. Handelt es sich um hybride Keimzellen mit Anteilen artfremden, namentlich tierischen Erbguts, ist nicht § 5 ESchG, sondern § 7 ESchG einschlägig200. Bei der Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybrides wird eine tierische Eizelle entkernt, sodass es sich nicht um eine menschliche Keimbahnzelle handelt. Der zum Transfer in die tierische Eizelle verwendete menschliche Körperzellkern ist keine Keimbahnzelle. b) Veränderung der Erbinformation Eine künstliche Veränderung der Erbinformation201 liegt bereits vor, wenn auch nur ein Basenpaar des Gesamtgenoms vom ererbten Zustand abweicht, nicht hingegen, wenn die DNA vollständig entfernt wird202. Die Erzeugung eines MenschTier-Zybriden mittels Transplantation einer menschlichen Körperzelle in eine (vollständig) entkernte tierische Eizelle verändert also nicht die Erbinformation im Sinne des § 5 I  ESchG. Zudem greift der Tatbestandsausschluss des § 5 IV Nr. 1 ESchG ein: Wer eine Eizelle entkernt, um damit das Einbringen eines anderen menschlichen oder auch tierischen203 Zellkerns in diese Zelle vorzubereiten, ist straffrei, weil durch die Bestimmung der Verwendung zum Zellkernaustausch ausgeschlossen ist, dass diese Zelle zur Befruchtung verwendet wird204. Die Herstellung eines Zybriden zur Stammzellengewinnung, also ohne geplante Implantation in eine Gebärmutter, wird zudem durch § 5 IV Nr. 2 a ESchG von der Strafbarkeit ausgenommen, nach dem Straflosigkeit besteht, wenn die Übertragung der künstlich veränderten menschlichen Keimbahnzelle auf einen Embryo, Foetus oder Menschen ausgeschlossen ist. Denn in einem solchen Fall besteht a priori keine Möglichkeit der dauerhaften Veränderung des Genoms von Nachkommen205.

198

DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13. Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 5, Rn. 9. 200 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 5, Rn. 10. 201 Vgl. Teil 2: B. III. 2. c) aa). 202 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 5 ESchG, Rn. 2. 203 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3435). 204 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13. 205 Koenig/Müller in: PharmR 2005, 19 (28); Gutachterbericht für den Bundesminister für Bildung und Forschung, BT-Drs. 13/7590 vom 29.04.1997, S. 7. 199

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c) Ergebnis Da die menschliche Körperzelle keine Keimbahnzelle darstellt und die Entkernung einer Eizelle ihr Genom nicht verändert, sondern beseitigt und diese darüber hinaus nicht zur Befruchtung verwendet und der erzeugte Embryo nicht in einen Uterus implantiert werden soll, verstößt die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden auch nicht gegen § 5 I ESchG206. Sie ist damit nach dem Embryonenschutzgesetz de lege lata straffrei.

V. Im- und Export von Mensch-Tier-Zybriden In Betracht kommt eine Strafbarkeit für den Im- oder Export von Mensch-TierZybriden nach § 2 I ESchG. Diese Norm stellt es unter Strafe, einen extrakorporal erzeugten oder einer Frau vor Abschluss seiner Einnistung in der Gebärmutter entnommenen menschlichen Embryo zu veräußern oder zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck abzugeben, zu erwerben oder zu verwenden. 1. Export aus dem Ausland oder aus Deutschland Wird ein Embryo aus dem Ausland exportiert, kommt eine Strafbarkeit nach § 2 I Var. 1 und 2 ESchG in Betracht. Diese setzt jedoch voraus, dass deutsches Recht und damit das Embryonenschutzgesetz auf den Fall überhaupt anwendbar ist. Dem ESchG lassen sich keine Vorschriften zur örtlichen Anwendbarkeit entnehmen. Entsprechend seiner Ausgestaltung als reines Strafgesetz muss deshalb auf die allgemeinen Bestimmungen der §§ 3 bis 9 StGB zurückgegriffen werden. Nach § 7 II StGB gilt deutsches Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und der Täter entweder zur Tatzeit Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist (Nr. 1) oder in dem Fall, dass ein Ausländer die Tat begeht, im Inland betroffen und nicht ausgeliefert wurde (Nr.  2)207. Ansonsten findet entsprechend der §§ 3, 9  StGB deutsches Strafrecht Anwendung, wenn der Taterfolg auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eintritt oder die Tathandlung dort ausgeführt wird, wobei die Staatsangehörigkeit des Täters keine Rolle spielt208. Grundsätzlich ist eine Strafbarkeit des Exports somit möglich, sofern der Tatbestand des § 2 I ESchG erfüllt, also ein extrakorporal erzeugter menschlicher Embryo veräußert oder zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck abgegeben oder erworben wird.

206

Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 17. Rosenau/Linoh in: JZ 2013, 936 (939). 208 Eser in: Schönke/Schröder, § 3, Rn. 3 f., § 9, Rn. 2 f. 207

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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Da die Abgabe des Embryos durch eine ausländische Kryobank regelmäßig unentgeltlich erfolgt, scheidet die Variante des Veräußerns aus. Denn Veräußern meint nur den entgeltlichen Verkauf des Embryos209. An der Unentgeltlichkeit ändern auch Kosten für den Transport oder eine Vertragsstrafe im Falle frühzeitiger Beendigung eines Lagerungsvertrages nichts, weil die Zahlung dann nicht für die Abgabe des Embryos erfolgt, sondern einen bloßen Reflex seiner Abgabe darstellt210. Abgegeben im Sinne des § 2 I Var. 2 ESchG wird ein Embryo, wenn der Gewahrsam an ihm übertragen wird, ohne dass eine Veräußerung erfolgt211. Damit wird insbesondere der Export erfasst212. Mensch-Tier-Zybriden erfüllen jedoch nicht die Kriterien der Embryonendefinition des § 8 I ESchG, welche im gesamten ESchG und damit auch im Rahmen des § 2 I ESchG Geltung beansprucht. Demzufolge scheidet eine Strafbarkeit für den Export solcher Entitäten aus. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Mensch-TierZybride (der nach dem  ESchG zulässigerweise hergestellt wurde) aus Deutschland exportiert wird. 2. Import nach Deutschland Das „Spiegelbild“ zum Abgeben bildet das Tatbestandsmerkmal des Erwerbens (§ 2 I Var. 3 ESchG) und setzt die Erlangung von Gewahrsam am Embryo voraus, gleich auf welche Weise213. Hierunter fällt vor allem der Import214. Mensch-TierZybride stellen jedoch keine Embryonen im Sinne des ESchG dar, sodass auch der Import von Mensch-Tier-Zybriden nach Deutschland straflos ist.

VI. Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Weiterhin ist zu untersuchen, ob die Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zu Forschungszwecken oder zur Stammzellengewinnung vom ESchG verboten wird. 1. Verstoß gegen § 2 I ESchG (Missbrauchsverbot)? In Betracht kommt ein Verstoß gegen § 2 I  ESchG durch die Forschung an Mensch-Tier-Zybriden oder ihre Nutzung zur Entnahme von Stammzellen. Während § 1  ESchG dem Schutz des Embryos und später geborenen Menschen vor 209

Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 2, Rn. 25, 27. Rosenau/Linoh in: JZ 2013, 936 (939). 211 Pelchen/Häberle in: Erbs/Kohlhaas, § 2 ESchG, Rn. 4. 212 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 2 ESchG, Rn. 2. 213 Rosenau/Linoh in: JZ 2013, 936 (939). 214 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 2 ESchG, Rn. 2. 210

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physischen und psychosozialen Gefahren dient, die von assistierten Reproduktionstechniken ausgehen, soll § 2 ESchG den Embryo umfassend vor solchen Gefährdungen abschirmen, die gerade durch seine (zumindest temporäre)  In-vitro-Existenz begründet sind215 und in besonderem Maße dessen Würdeschutz verletzen: Er darf nicht zum bloßen Objekt fremdnütziger Interessen degradiert werden, seien diese kommerzieller, wissenschaftlicher oder sonstiger Natur216. Daneben dient die Norm dem Lebensschutz des Embryos (Art. 2 II S. 1 GG), indem Verwendungen, die nicht seiner Erhaltung dienen, verboten werden. Der zentrale Begriff des Verwendens ist als „zweckgerichteter Gebrauch“217 zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verstehen und erfasst jedes Tun, das in aktiver Weise das Schicksal des Embryos beeinflusst, auf ihn einwirkt oder mit ihm agiert218. Nach § 2 I ESchG verboten ist demnach jede Forschung – auch Grundlagenforschung – mit Embryonen219, wobei dazu auch die Verbindung eines Embryos mit Zellen, Geweben oder Organen eines anderen Lebewesens zählt, sofern dies nicht in der Absicht geschieht, den betreffenden Embryo zu erhalten220. Die Transplantation von Zellen auf einen Embryo zu anderen Zwecken als der Erhaltung des Embryos wird von § 2 I ESchG unabhängig davon mit Strafe bedroht, ob es sich bei dem transferierten Material um menschliches oder tierisches h­ andelt221. Verboten ist auch die Gewinnung von Stammzellen aus einem Embryo, wobei der „überzählige“ Embryo ebenfalls durch die Vorschrift geschützt wird222. Demgegenüber sind Maßnahmen wie die morphologische Beobachtung oder das bloße passive „Stehenlassen“, also Absterbenlassen eines Embryos, und nicht einmal das „Wegschütten“ vom Verwendungsbegriff umfasst223. Zudem stellt der Vorgang der Entnahme und des Entkernens einer Körperzelle eines menschlichen Embryos eine gemäß § 2 I ESchG strafbare Verwendung dar, weil diesbezüglich auf die Zellkerninformation als identitätscharakterisierendes Merkmal abzuheben ist: Wer den Zellkern einer entwicklungsfähigen befruchteten Eizelle auswechselt, erhält nicht diesen Embryo, sondern erzeugt einen anderen224.

215

Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 2 ESchG, Rn. 1. BT-Drs. 11/5460, S. 10; BGH, Urt. v. 06.07.2010, Az. 5 StR 386/09, Rn. 34; Prütting/ Höfling, § 2 ESchG, Rn. 1. 217 BGH, Urt. v. 06.07.2010 (Az. 5 StR 386/09), NJW 2010, 2672 (2675). 218 Deutscher Ethikrat 2011, S. 44 mit Hinweis darauf, dass in bestimmten Fällen einer Präimplantationsdiagnostik an Zellen der Blastozyste kein verbotenes „Verwenden“ vorliegt, BGH, NJW 2010, 2672 (2675). Vgl. zur Präimplantationsdiagnostik (PID) Teil 2: A. VI. 1. d). 219 Dazu zählen auch totipotente Zellen, vgl. § 8 I ESchG. 220 Deutscher Ethikrat 2011, S. 44; Deutsch in: NJW 1991, 721 (725). 221 Deutscher Ethikrat 2011, S. 45. 222 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 2, Rn. 51. 223 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 2, Rn. 31, 36, 49; BGH, Urt. v. 06.07.2010 (Az. 5 StR 386/09), NJW 2010, 2672 (2675), Rn. 38. Zwar ist das „Wegschütten“ eine „aktive“ Handlung, steht dem „Stehenlassen“ aber wertungsmäßig gleich. 224 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 13. 216

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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Nach dem eindeutigen Wortlaut werden allerdings nur menschliche Embryonen erfasst. Zybrid-Embryonen, die aus Materialien erzeugt wurden, die zu 95 Prozent tierischen Ursprungs sind, stellen keine Embryonen i. S. d. § 8 I ESchG dar. Erst recht handelt es sich nicht um menschliche Embryonen gemäß § 2 I ESchG. Damit fallen sie nicht unter den Schutz dieser Norm. 2. Ergebnis Die Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zu Forschungszwecken oder der Stammzellengewinnung verstößt demzufolge de lege lata nicht gegen das ESchG.

VII. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Zu prüfen bleibt, ob das Embryonenschutzgesetz die Implantation von MenschTier-Zybriden in eine Gebärmutter verbietet. 1. Verstoß gegen § 1 I Nr. 1 ESchG (Übertragungsverbot fremder unbefruchteter Eizellen)? § 1 I Nr. 1 ESchG untersagt das Übertragen einer fremden unbefruchteten Eizelle auf eine Frau. Vollendet ist die Tat mit der Übertragung. Da zu der Tat kein Erfolg gehört, handelt es sich um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt225. Der Versuch ist nicht strafbar, wie § 1 IV ESchG zeigt. Der persönliche Strafausschließungsgrund aus § 1 III ESchG nimmt die Frau, von der die Eizelle stammt, sowie die Frau, auf die sie übertragen wird, von jeglicher Strafbarkeit aus. § 1 I Nr. 1 ESchG verbietet die heterologe Eizellspende, welche durch die Übertragung einzelner Eizellen oder Transplantation des Eierstocks einer – möglicherweise verstorbenen – Spenderin erfolgt226. Im ärztlichen Berufsrecht findet sich ein ebensolches Verbot227. Demgegenüber gestattet das  ESchG eine heterologe Samenspende, also die Verwendung von Spermien, die von einem anderen Mann als dem Ehemann oder Lebenspartner stammen, zur Befruchtung der Eizellen228. Ferner steht § 1 I Nr.  1  ESchG einer Embryonenspende bzw. der Embryonenadoption, also der Übertragung einer mit fremdem Samen befruchteten fremden Eizelle auf eine Frau, die nicht als Ersatzmutter dienen will (§ 1 I Nr. 7 ESchG), nicht im Wege. Denn das Übertragungsverbot bezieht sich ausschließlich auf unbefruchtete Eizel 225

Kaiser in: Keller/Günther/Kaiser, § 1 I Nr. 1, Rn. 9. Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 1 I Nr. 1, Rn. 2. 227 Vgl. Teil D IV Nr. 15 I 2 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä 2011). 228 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 1 I Nr. 1, Rn. 12. 226

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len. Ein Verbot einer solchen reproduktionsmedizinischen Maßnahme lässt sich auch nicht aus anderen Straftatbeständen des  ESchG herleiten229. Die Embryonenspende darf aber nicht schon bei der Befruchtung geplant werden230. Es handelt sich hierbei um eine bewusst offen gehaltene Strafbarkeitslücke, denn ein generelles Verbot der Embryonenspende erschien schon deshalb entbehrlich, weil das Embryonenschutzgesetz mit seinen Verbotstatbeständen zur Ersatzmutterschaft (vgl. § 1 I Nr. 1, 2, 6, 7 ESchG) bereits „im Vorfeld“ das Entstehen der unerwünschten gespaltenen Mutterschaft zu verhindern versucht231. Hinzu kommt, dass es für Embryonen, die aus tatsächlichen Gründen nicht mehr auf die Eizellspenderin übertragen werden können – zum Beispiel, weil diese verstorben ist, – die einzige Möglichkeit darstellt, aus ihrer kryokonservierten Existenz befreit zu werden, womit es sich letztlich um eine durch die Schwangerschaftsphase erweiterte Form der herkömmlichen Adoption handelt232. Erfasst werden von der Regelung des § 1 I Nr. 1 ESchG nur menschliche Eizellen. Zwar sagt das Gesetz hier anders als in anderen Vorschriften nicht ausdrücklich, dass es sich um eine menschliche Eizelle handeln muss.  Das Problem der Chimären- und Hybrid-Bildung ist jedoch in § 7 ESchG spezifisch geregelt worden und Absatz 2 führt eigene Transferverbote auf, weshalb davon auszugehen ist, dass § 1 I Nr. 1 ESchG nur menschliche Eizellen erfasst233. Schon von der Wortbedeutung her kann bei einer tierischen Eizellhülle, in die ein menschlicher Zellkern verbracht wurde, nicht von einer menschlichen Eizelle gesprochen werden234. Eine menschliche Eizelle ist vielmehr nur die sowohl aus menschlichem Zellkern als auch aus menschlicher Eizellhülle gebildete Zelle, selbst wenn die beiden Teile nicht von derselben Frau stammen235. Genauso ist bezüglich des umgekehrten Ergebnisses einer Manipulation – der Übertragung eines tierischen Zellkerns in eine menschliche entkernte Eizelle – nicht von einer menschlichen Eizelle im Sinne des § 1 I Nr. 1 ESchG auszugehen, auch wenn der Wortlaut ein anderes Ergebnis nicht von vornherein ausscheiden lässt236. § 1 I Nr. 1 ESchG soll nämlich lediglich eine „gespaltene“ Mutterschaft237 verhindern, die bei einer Übertragung der beschriebenen Mischform gar nicht infrage steht238. Mangels Vorliegens einer menschlichen Eizelle verstößt die Implantation eines Mensch-Tier-Zybriden in die Gebärmutter einer Frau nicht gegen § 1 I Nr. 1 ESchG.

229

Vgl. BT-Drs. 11/5460 S. 9; Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, Einf. B, Rn. 79 m. w. N.  Frommel/Taupitz/Ochsner/Geisthövel, S. 104. 231 Kaiser in: Keller/Günther/Kaiser, § 1 I Nr. 1, Rn. 9 f. 232 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 1 ESchG, Rn. 8. 233 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 1 ESchG, Rn. 1. 234 Taupitz in: NJW 2001, S. 3434 (3434); Hetz, S. 75; Middel, S. 210 m. w. N. 235 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 1 I Nr. 1, Rn. 16. 236 Deutscher Ethikrat 2011, S. 43. 237 Deutscher Bundestag 1989, S. 7. 238 Deutscher Ethikrat 2011, S. 43; dieses Ergebnis wird zudem durch die Existenz der speziellen Regelung des § 7 II ESchG untermauert. 230

A. Embryonenschutzgesetz (ESchG)

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2. Verstoß gegen § 1 I Nr. 7 ESchG (Verbot der Leihmutterschaft)? Möglich erscheint aber ein Verstoß gegen das Verbot der Leihmutterschaft aus § 1 I Nr.  7  ESchG. Diese Norm untersagt es, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt auf Dauer Dritten zu überlassen („Ersatzmutter“), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen. Wie bei § 2 I ESchG wird auch hier ausdrücklich von einem menschlichen Embryo gesprochen. Das Verbot der Ersatzmutterschaft greift daher nicht bei Mensch-Tier-Zybriden ein, da diese entsprechend den vorstehenden Ausführungen nicht als „menschlich“ i.S.d ESchG zu qualifizieren sind. Demzufolge steht auch § 1 I Nr. 7 ESchG der Übertragung eines Mensch-TierZybriden in die Gebärmutter einer Frau nicht entgegen. 3. Verstoß gegen § 6 II ESchG (Implantationsverbot)? § 6 II  ESchG beinhaltet ein Implantationsverbot, womit gesetzlich beachtet wird, dass der Unterschied zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen in der Absicht der Implantation des durch Klonierung erzeugten Embryos liegt239. Durch § 6 II ESchG wird somit die mögliche Sozialschädlichkeit einer Übertragung auf eine Frau verdeutlicht240. Ein Verstoß gegen das Transferverbot des § 6 II  ESchG durch Übertragung eines Mensch-Tier-Zybriden auf eine Frau scheitert daran, dass bei dessen Erzeugung entsprechend obigen Überlegungen kein menschlicher Klon im Sinne des Absatzes 1 hergestellt wird. 4. Verstoß gegen § 7 II Nr. 1 ESchG (Implantationsverbot)? Näher liegt ein Verstoß gegen § 7 II Nr. 1 ESchG, wenn ein Mensch-Tier-Zybride auf eine Frau oder ein Tier übertragen wird. Nach § 7 II Nr. 1 ESchG ist es verboten, menschliche oder hybride Embryonen, die auf eine in Absatz 1 genannte Art erzeugt wurden, auf eine Frau oder ein Tier zu transferieren. Die Übertragung ist tatbestandlich verwirklicht, sobald ein solcher Embryo in den Uterus implantiert wurde241. Unerheblich für die Transferverbote des § 7 II ESchG ist es, ob es tatsächlich zu einer Einnistung des Embryos in die Gebärmutter der Frau oder des Muttertieres kommt. Daher macht sich auch derjenige strafbar, der eine mögliche Nidation und Schwangerschaft der Frau oder Trächtigkeit des Tieres sicher ausschließt. Zudem ist der Versuch gemäß Absatz 3 strafbar, wobei ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung mit der Einführung in den weib 239

Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 11. Berger, S. 102. 241 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 11. 240

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lichen Unterleib im Sinne des Embryotransfers bei der In-vitro-Fertilisation zu bejahen ist242. Als notwendige Teilnehmer werden die Gametenspender nicht bestraft243. Mitwirkendes ärztliches Personal muss sich wegen Beihilfe (§ 27 StGB) verantworten. Strafbar wegen Beihilfe zu § 7 II Nr. 1 a ESchG kann sich auch die vorsätzlich mitwirkende Frau machen244, weil sie durch ihr Verhalten die Verletzung der Würde der Menschen, die sich in dem übertragenen Embryo fortpflanzen, vertieft245. Aufgrund ihrer Erzeugungsart wird den im Sinne des Absatzes 1 erzeugten Embryonen das Lebensrecht abgesprochen und mit dem Transferverbot indirekt ihre Tötung geboten246. In der Literatur wird dieses Tötungsgebot im Hinblick auf menschliche Intraspezies-Hybride kritisiert247 und zumindest in Bezug auf diese begegnet das Transferverbot den gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken wie § 6 II ESchG248. Demgegenüber werden die Verbote, einen menschlichen Embryo auf ein Tier zu übertragen (§ 7 II Nr. 1 lit. b und Nr. 2 ESchG), mit dem Hinweis auf die Vergleichbarkeit mit dem Verbot der Ektogenese249 aus § 2 II ESchG begründet, mit dem unverantwortliche Humanexperimente mit Embryonen untersagt werden250. Die Übertragung eines Mischwesens auf eine Frau ist nach überwiegender Auffassung nur dann von § 7 II ESchG erfasst, wenn dieses entgegen den Verboten des § 7 I ESchG hergestellt wurde251. Ein Mensch-Tier-Zybride entsteht im Gegensatz zu einem Hybridwesen i. S. d. § 7 I ESchG nicht durch Gametenfusion, sondern durch Nukleustransfer. Folglich ist die Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in die Gebärmutter einer Frau oder eines Tieres nach dem ESchG straffrei. 5. Verstoß gegen § 2 II ESchG (Verbot der Ektogenese)? § 2 II  ESchG verbietet die extrakorporale Weiterentwicklung eines menschlichen Embryos zu einem anderen Zweck als der Herbeiführung einer Schwangerschaft. Damit wird die Implantation in eine Retorte als künstliche Gebärmutter untersagt252. Bei Mensch-Tier-Zybriden handelt es sich jedoch nicht um (rein) menschliche Embryonen. Der Transfer einer solchen Entität in einen künstlichen Uterus bleibt somit ebenfalls straflos unter dem ESchG. 242

Berger, S. 103. Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 7, Rn. 44. 244 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 7, Rn. 44. 245 Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 7, Rn. 44. 246 Deutscher Ethikrat 2011, S. 42. 247 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7, Rn. 32; Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 7, Rn. 1. 248 Vgl. Prütting/Höfling, § 7, Rn. 7 und § 6, Rn. 4 sowie Teil 3: III. 4. a) bb) (4). 249 „Ektogenese“ = Reifung eines Säugetierembryos in einem künstlichen Uterus. 250 Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7, Rn. 32. 251 Deutscher Ethikrat 2011, S. 46. 252 Müller-Terpitz in: Spickhoff, § 2 ESchG, Rn. 4. 243

B. Stammzellgesetz (StZG)

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VIII. Zusammenfassung Weder die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden noch ihr Im- und Export noch ihre Verwendung zur Forschung oder der Entnahme von Stammzellen noch ihre Implantation in einen menschlichen, tierischen oder künstlichen Uterus verstößt gegen das ESchG.

B. Stammzellgesetz (StZG) Zu prüfen bleibt, ob das Stammzellgesetz253 die Herstellung und Nutzung von Mensch-Tier-Zybriden bzw. aus ihnen gewonnenen Stammzellen beschränkt.

I. Entstehung und Grundkonzept des Stammzellgesetzes (StZG) Um die „Lücke“ im ESchG bezüglich der Import- und Verwendungsmöglichkeiten pluripotenter embryonaler Stammzellen zu schließen, wurde am 01. Juli 2002 das „Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit der Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen“ in Kraft gesetzt. Das ESchG regelt nicht die Forschung an und Verwendung von Zellen, die zwar aus einem Embryo stammen, selbst jedoch nicht mehr das Poten­zial zur Bildung eines vollständigen Individuums aufweisen und daher nicht als Embryonen im Sinne des ESchG gelten. Gegner der Embryonenforschung sahen darin eine unzulässige Ausnutzung internationaler Rechtsunterschiede und forderten ein Verbot der Einfuhr und Verwendung der „Früchte des verbotenen Baumes“, um die Konsistenz der verfassungsrechtlichen Ordnung wiederherzustellen254. Andere argumentierten, dass Rechtsunterschiede im internationalen Vergleich nicht per se anstößig seien, und sprachen dem Gesetzgeber mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie der Forschungsfreiheit die Befugnis ab, den Import von legal im Ausland gewonnenen Stammzellen, die als solche weder Embryonen noch Grundrechtsträger darstellten, zu untersagen255. Der Deutsche Bundestag entschied sich dafür, den Stammzellimport grundsätzlich zu verbieten, um die Nachfrage bezüglich embryonaler Stammzellen von Deutschland aus und damit jede Veranlassung einer Stammzellengewinnung, also Gefährdung humaner Embryonen im 253 Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz –  StZG) vom 28.06.2002 (BGBl. I S. 2277), das zuletzt durch Art. 4 Abs. 16 des Gesetzes vom 07.08.2013 (BGBl. I S.  3154) geändert worden ist. Zusammenfassende Darstellung der Gesetzesintentionen von Gehrlein in: NJW 2002, 3680 f. 254 Brewe, S. 1. 255 von Renesse in: ZRP 2003, 161 (162).

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

Ausland, für die Zukunft zu vermeiden256. Als Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt ermöglicht das StZG deutschen Wissenschaftlern nur unter strengen Voraussetzungen und in eng umgrenzten Fällen, die benötigten Stammzellen zu importieren, und bekräftigt damit den Embryonenschutz mit dem Grundsatz: „Für deutsche Forschung stirbt kein einziger Embryo“257. Das Gesetz brachte Rechtsfrieden, indem es den „Glaubenskrieg“ um die Rechtsnatur des Embryos nicht entschied258. Dennoch oder gerade deshalb wird es aber auch stark kritisiert. Das Hauptargument der Kritiker bildet die fehlende Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers und seine „Doppelmoral“259: Einerseits wird die Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken in Deutschland untersagt, anderseits aber gestattet, dass man sich solcher Zellen bedient, deren Vorhandensein die Tötung von Embryonen im Ausland voraussetzt. 1. Kernbestimmungen des Gesetzes Das Stammzellgesetz verbietet zunächst grundsätzlich Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen (§ 1 Nr.  1  StZG). Des Weiteren will es verhindern, dass von Deutschland aus die Gewinnung embryonaler Stammzellen oder die Erzeugung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen veranlasst wird (§ 1 Nr.  2  StZG). Darüber hinaus bestimmt es die Voraussetzungen, unter denen Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen ausnahmsweise zu Forschungszwecken zugelassen werden (§ 1 Nr. 3 StZG). Diese unterliegen einem Verbot mit Genehmigungsvorbehalt (§§ 4 I, 6 I StZG). Für die Genehmigung ist das Robert-Koch-Institut unter Hinzuziehung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung (§§ 8, 9 StZG) zuständig. 2. Genehmigungsvoraussetzungen Kernpunkt der Genehmigungsvoraussetzung ist die Stichtagsregelung aus § 4 II Nr. 1 lit. a StZG, nach der ein Import embryonaler Stammzellen nur dann möglich ist, wenn zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststeht, dass sie vor dem 01.05.2007 gewonnen wurden. Mit Wirkung zum 20.08.2008 wurde der Stichtag vom 01.01.2002 auf Grund einer Gesetzesänderung auf den 01.05.2007 verschoben. Der Gesetzgeber gab gleichzeitig zu verstehen, dass es bei einer einmaligen Verschiebung des Stichtags bleiben werde260. Weiterhin dürfen nur solche Embryonen zur Stammzellengewinnung verwendet worden sein, die mit 256

Brewe, S. 1. Brewe, S. 59. 258 von Renesse in: ZRP 2003, 161 (162). 259 Kreß in: ZRP 2006, 219 (220). 260 von Renesse in: ZRP 2003, 161 (162). 257

B. Stammzellgesetz (StZG)

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Hilfe künstlicher Befruchtung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden sind, jedoch endgültig nicht mehr diesem Zweck zugeführt werden können, wobei dies keine Gründe sein dürfen, die an dem Embryo selbst liegen (§ 4 I Nr. 2 lit. b StZG). Erfasst werden also „überzählige“ IVF-Embryonen, nicht aber „verworfene“ PID-Embryonen, weil diese aus Gründen, die an ihnen selbst liegen, nicht implantiert werden261. Untersagt sind auch Einfuhr und Nutzung von Stammzellen, die nicht auf dem Weg der Befruchtung, sondern etwa durch therapeutisches Klonen gewonnen wurden262. Weiterhin darf für die Überlassung der Embryonen kein Entgelt oder sonstiger geldwerter Vorteil gewährt oder versprochen worden sein (§ 4 I Nr. 1 lit. c StZG). Gem. §§ 4, 5 StZG sind Import und Verwendung der Stammzellen nur zu Forschungszwecken zulässig. Dazu muss wissenschaftlich begründet dargelegt werden, dass die Forschungsarbeiten hochrangigen Zielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung oder für die Erweiterung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung am Menschen dienen (§ 5 Nr. 2 StZG). Darüber hinaus muss aufgezeigt werden, dass nach anerkanntem Stand von Wissenschaft und Technik die vorgesehenen Fragestellungen so weit wie möglich bereits mit tierischen Zellen in vitro oder in Tierversuchen vorgeklärt sind und sich der anvisierte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur mit embryonalen Stammzellen erreichen lässt (§ 5 Nr. 2 StZG). Schließlich muss das Forschungsvorhaben im Sinne dieser Voraussetzungen ethisch vertretbar sein (§ 6 IV Nr. 2 StZG). 3. Auswirkungen auf medizinische Anwendungsmöglichkeiten von hES Aufgrund der Regelungen des  StZG ist es in Deutschland zwar erlaubt, embryonale Stammzellen, die vor dem 01.05.2007 auf zulässige Weise im Ausland gewonnen wurden, zu importieren. Es ist aber selbst bei Erfüllung aller Voraussetzungen des Gesetzes verboten, diese Zellen zu anderen Zwecken als der Forschung zu verwenden. Somit stellt sich die Frage, ob eine konkrete medizinische Anwendung, also die Übertragung importierter humaner embryonaler Stammzellen auf den Menschen, genehmigungsfähig sein kann. Prinzipiell müssen dazu sämtliche aufgestellten Kriterien erfüllt werden. Von einem hochrangigen Ziel ist jedenfalls dann auszugehen, wenn durch die Forschungsarbeiten diagnostische, präventive oder therapeutische Verfahren bezüglich schwerer und bis dato unheilbarer Krankheiten entwickelt werden sollen. Die Schwere der Krankheit bemisst sich nach ihren Auswirkungen auf Leben und Gesundheit des Betroffenen und ist zu bejahen, wenn die Krankheit zum Tode führen oder eine schwere Behinderung

261

Vgl. hierzu die kritischen Ausführungen in Teil 2: A. IV. 1. b). Taupitz in: Wobus et al., S. 176.

262

174

Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

nach sich ziehen kann263. Die in Teil 2 aufgezeigten Krankheiten, für die eine Behandlung mit Hilfe embryonaler Stammzellen in (naher) Zukunft geplant ist, erfüllen dieses Kriterium problemlos. Eine gleichwertige Alternative zur Verwendung humaner embryonaler Stammzellen bieten andere Zelltypen bereits dann nicht, wenn durch weitere Forschungsarbeiten zunächst noch geklärt werden muss, ob der angestrebte Erkenntnisgewinn auch mit anderen Stammzellen erreicht werden kann264. Alternativen für Therapien mit humanen embryonalen Stammzellen sind nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht ersichtlich265. Problematisch erscheint einzig das Kriterium der Forschungsarbeiten, worunter die medizinische Anwendung, insbesondere im Rahmen einer Zellersatztherapie, dem Wortlaut nach nicht fällt. Die Formulierung des Gesetzes mit seiner Bezugnahme auf diagnostische, präventive und therapeutische Zwecke spricht dafür, dass das gesamte Spektrum der medizinischen Forschung zulässig sein soll. Im Grenzbereich angewandter Forschung bis hin zur praktischen Erprobung der Forschungsergebnisse überschneiden sich nicht selten die Bereiche der durch Art. 5 III S. 1 GG geschützten Wissenschaft einerseits und der rein praktischen Anwendung andererseits266. Als letzte Stufe humanbezogener anwendungsorientierter Forschung267 kann auch die unmittelbare Anwendung am Menschen als klinischer Versuch unter die Genehmigungsmöglichkeit des  StZG fallen268, denn auch dabei geht es zweifellos um die „Erweiterung medizinischer Kenntnisse“. Nicht vom Schutzbereich des Art.  5 III S.  1 GG erfasst wird die bloße Anwendung bereits bekannter Ergebnisse269. Die Nutzung embryonaler Stammzellen am Menschen für diagnostische, therapeutische und präventive Zwecke im Rahmen der klinischen Routine oder der Durchführung von Heilversuchen wird vom Ausnahmetatbestand des StZG nicht erfasst270. Für eine derartige Gesetzesauslegung spricht zum einen, dass der Wortlaut des § 5 StZG ausdrücklich nur Forschungsarbeiten „an“, nicht hingegen „mit“ embryonalen Stammzellen gestattet271, zum anderen die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Vor dessen Verabschiedung war bekannt, dass die vor dem damaligen Stichtag angelegten embryonalen Stammzell-Linien humanen Ursprungs nicht für den therapeutischen Einsatz geeignet waren, weil sie auf Mäusenähr­

263

Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (88). Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (88). 265 Vgl. Teil 2: A. VI. und C. IV. 266 Brewe, S. 198. 267 Vgl. zum Begriff der Forschungstätigkeit Teil 2: A. VIII. 1.; Mangold in: Mangold/Klein/ Starck, Art. 5, Rn. 224. 268 Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (90). 269 BA-GE 62, 156 (165); Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 5, Rn. 77. 270 Vgl. z. B. Taupitz in: JZ 2007, 113 (120); Nationaler Ethikrat 2007, S. 38; Wobus, S. 174; Brewe, S. 186. 271 Diese Formulierung könnte selbst die Verwendung der Stammzellen im Rahmen eines therapeutischen Experiments in Frage stellen. Da dieses jedoch unzweifelhaft der anwendungsorientierten Forschung unterfällt, wird es vom Ausnahmetatbestand des StZG erfasst, vgl. Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (90). 264

B. Stammzellgesetz (StZG)

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zellen kultiviert wurden und deshalb möglicherweise Infektionen und Viren in sich trugen272. Das Anwendungsverbot von ES-Zellen bei der klinischen Routine und in Heilversuchen wird nicht selten als wenig sachgerechte Inkonsistenz des Stammzellgesetzes kritisiert273, zumal die Anwendung zu Therapiezwecken gerade das Ziel der Forschungsarbeit bildet. Ferner fällt die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen zu pharmakologischen und toxikologischen Vorhaben nicht unter die Genehmigungsmöglichkeit, sondern wird ausnahmslos verboten274. Erlaubt wird hingegen das Verfahren des tissue engineering275 zur Behandlung von Gewebeverlust oder -schädigung, sogar mittels ursprünglich embryonaler Stammzellen, weil bei dieser Methode lediglich aus Stammzellen abgeleitete und kultivierte Gewebezellen dem Patienten übertragen und somit unmittelbar für die Therapie verwendet werden276. Die Transplantation des gezüchteten Gewebes in das geschädigte Organ stellt keine „Verwendung“ embryonaler Stammzellen dar, als solche ist nur die vorangegangene Herstellungshandlung zu werten und daher verboten277. Ein deutscher Arzt, der die Transplantation vornimmt, kann seine Strafbarkeit dadurch vermeiden, dass er bereits hergestelltes Gewebe erwirbt. Zudem bleibt er auch dann straflos, wenn er solches Gewebe selbst und mit Genehmigung zu Forschungszwecken herstellt und anschließend weiterverwendet278. 4. Auswirkungen auf den kommerziellen Einsatz von ES-Zellen Durch die Beschränkung der Verwendung embryonaler Stammzellen auf Forschungszwecke schließt das StZG auch eine kommerzielle Nutzung aus279. Damit wird jedoch nicht untersagt, diese zu Forschungszwecken entgeltlich abzugeben oder zu erwerben280. Der Handel mit ihnen ist aber ausschließlich in dieser Form möglich. Sofern nicht sichergestellt werden kann, dass die Abgabe zu Forschungs 272 So der Biologe Peter Guss in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages am 11.3.2002, Ausschuss-Drs. 14–574g, 3 (sub 2) sowie der Biologin Bärbel Friedrich, Ausschuss-Drs. 14-574n, 2 (sub 2). 273 Taupitz in: Wobus et al., S. 174 f. 274 Der Deutsche Ethikrat vertritt hingegen die Auffassung, dass Toxizitätsprüfungen, die der Arzneimittelsicherheit dienen, ebenfalls vom Genehmigungsvorbehalt des StZG gedeckt seien, vgl. Nationaler Ethikrat, Stellungnahme 2007, S. 38; anders z. B. Kreß in: ZRP 2006, 219 (219). 275 Vgl. Teil 2: A. VII. c) bb) (c). 276 Taupitz in: Wobus et al., S. 175. 277 Taupitz in: Wobus et al., S. 175. 278 Taupitz in: Wobus et al., S. 175 mit der Einschränkung „möglicherweise“. Eine Straf­ losigkeit müsste verneint werden, wenn der Arzt von vornherein kein Forschungsarbeiten an den Zellen beabsichtigt, sondern nur deren therapeutische Weiterverwendung anstrebt. 279 Taupitz in: Wobus et al., S. 172. 280 Brewe, S. 186 m. w. N.

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

zwecken erfolgt, ist die entgeltliche Veräußerung verboten. Gleiches gilt erst recht für Verwendungen, die in keinerlei Zusammenhang mit medizinischer Forschung stehen. Die industrielle Verwertung embryonaler Stammzellen für die Kosmetikbranche ist nach den Vorschriften des StZG somit nicht genehmigungsfähig.

II. Einfuhr- und Verwendungsverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden gem. § 4 II StZG? Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden könnten nach § 4 I StZG verboten und nur unter den Voraussetzungen des § 4 II Nr. 1 b) StZG genehmigungsfähig sein. Genehmigungsfähig sind Einfuhr und Verwendung solcher embryonaler Stammzellen, deren Ursprungs-Embryonen im Wege der medizinisch unterstützten extrakorporalen Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden sind. Diese Voraussetzungen werden nicht erfüllt, da ein Mensch-Tier-Zybrid durch Zellkerntransfer und nicht zu dem Zweck, eine Schwangerschaft herbeizuführen, hergestellt werden. Auf die Genehmigungsfähigkeit kommt es jedoch nicht an, wenn Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden gar nicht vom Importverbot erfasst werden. Ein Mensch-Tier-Zybrid stellt keinen Embryo i.S.d § 3 Nr.  4  StZG dar. Darunter ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nur eine menschliche totipotente Zelle zu fassen, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. Das strafrechtliche Analogieverbot verbietet es, eine Mischform wie eine tierische entkernte Eizelle, in die das Erbgut einer menschlichen somatischen Zelle eingebracht wurde, unter den Embryonenbegriff des StZG zu subsumieren. Weiterhin findet das StZG auch nur auf menschliche Stammzellen Anwendung, denn nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 1 StZG sind im Sinne des Gesetzes „Stammzellen alle menschlichen Zellen, die die Fähigkeit besitzen, in entsprechender Umgebung sich selbst durch Zellteilung zu vermehren, und die sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen verschiedener Spezialisierung, nicht jedoch zu einem Individuum zu entwickeln vermögen“. Stammzellen, die aus einer Verbindung menschlicher und tierischer Zellen herrühren, sind nicht als menschliche Stammzellen zu qualifizieren281. Auch hier steht das Analogieverbot einer anderen Auslegung entgegen. Damit ist das  StZG mit seinen Restriktionen nicht einschlägig: Der Anwendungsbereich ist gar nicht eröffnet, weil andere Arten von Stammzellen nicht der Kontrolle durch das StZG und Einfuhr und Verwendung auch nicht dem Geneh 281

Eser/Koch, S. 33.

C. Gentechnikgesetz (GenTG)

177

migungserfordernis des § 6 I StZG unterliegen. Das beschriebene Verbot therapeutischer Anwendungen von ES-Zellen am Menschen bezieht sich demzufolge nicht auf Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden. Auch deren Import ist straffrei.

III. Import von Mensch-Tier-Zybriden Ausweislich der Definition in § 3 Nr. 1 und 2 StZG fallen nur solche Zellen in den Anwendungsbereich des StZG, welche nicht die Fähigkeit besitzen, sich zu einem Individuum zu entwickeln. Der Import humaner Embryonen, auch kryokonservierter282, wird vom StZG folglich nicht untersagt. Gleiches gilt erst recht für Mensch-Tier-Zybriden, für die der Anwendungsbereich des StZG nicht eröffnet ist.

C. Gentechnikgesetz (GenTG) Das Gentechnikgesetz283 könnte auf die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden anwendbar sein.

I. Regelungsgegenstände Das GenTG regelt den Umgang mit der Gentechnik in Forschungs- und Produktionsanlagen im geschlossenen System, die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt sowie das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen. Die Durchsetzung der Ver- und Gebotsnormen wird durch Straf- (§ 39  GenTG) und Bußgeldvorschriften (§ 38  GenTG) gesichert284. Das  GenTG verlangt entweder eine Anzeige oder eine Erlaubnis für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, vgl. § 2 I Nr. 3 GenTG. Ein Organismus im Sinne des GenTG ist nach § 3 Nr. 1 GenTG „jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen, einschließlich Mikroorganismen“. Als gentechnisch verändert gilt gem. § 3 Nr. 3 GenTG, „ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch 282

Vgl. Rosenau/Linoh in: JZ 2013, 937 (938). Gentechnikgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.12.1993 (BGBl. I S. 2066), das zuletzt durch Artikel 4 Abs. 14 des Gesetzes vom 07.08.2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. 284 Keller in: Keller/Günther/Kaiser, S. 60. 283

178

Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind“. Zu den gentechnischen Arbeiten zählt gem. § 3 Nr. 2 a GenTG die Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen. Demzufolge ist das Gesetz einschlägig, wenn eine Keimzelle (Ei- oder Samenzelle)  verändert wird285. Auch Tiere gehören zu den geschützten Gütern (§ 2 Nr. 4 HS. 2 GenTG: „Tiere gelten als Produkte im Sinne dieses Gesetzes“), nicht jedoch, wenn ihr genetisches Material, wie beim Klonen, nicht verändert wird286. Wird genetisches Material in ex-vivo isolierte und kultivierte Zellen eingebracht, unterliegt diese Prozedur dem GenTG287. Gleiches gilt für In-vitro-Arbeiten an menschlichen Zellen, auch embryonalen Stammzellen288. Führt der Transfer menschlicher Gene in ein Tier zu einer Vermischung menschlicher und tierischer Gene in einer tierischen Keimzelle, ist das Tier, das diese Keimzellen enthält, oder der Organismus, der sich aus isolierten genetisch veränderten Keimzellen entwickelt und über die Fähigkeit zur Fortpflanzung verfügt, ein gentechnisch veränderter Organismus gem. § 3 GenTG289.

II. Einschlägigkeit bei der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden Die Anwendbarkeit des GenTG auf die Einbringung eines menschlichen somatischen Zellkerns in eine entkernte tierische Eizelle ist problematisch. 1. Wortlaut Dem Wortlaut nach scheint das GenTG auf diesen Fall anwendbar zu sein. Denn es ist immer dann einschlägig, wenn eine Keimzelle gentechnisch verändert wird. Die Entkernung der tierischen Eizelle und die Ersetzung durch den menschlichen Zellkern könnte man als Manipulationsakt betrachten290. So sprechen sich einige Stimmen in der Literatur dafür aus, Mensch-Tier-Zybriden als gentechnisch veränderte Organismen entsprechend dem Annex I zu Teil  1 der „Europäischen Richtline 2001/18/EC zur überlegten Entlassung von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt“ zu qualifizieren291. Diese Richtlinie wurde umgesetzt, indem das deutsche Gentechnikgesetz geändert und die Definition des gentech 285

Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 141. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 138. 287 Brewe, S. 37 m.w.Nachw. 288 Keller in: Keller/Günther/Kaiser, S. 60; Ronellenfitsch in: Dolde, S. 711: Schütze, S. 332. 289 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 142. 290 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 227. 291 Schweizer/Bernhard in: Taupitz/Weschka, S. 427. 286

C. Gentechnikgesetz (GenTG)

179

nisch veränderten Organismus wortgetreu übernommen wurde. Vertreter dieser Ansicht müssten Mensch-Tier-Zybride folglich auch als gentechnisch veränderte Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG qualifizieren. Nach § 3 Nr. 1 GenTG ist ein Organismus dadurch gekennzeichnet, dass er fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen. Demnach ist das GenTG nur anwendbar, wenn ein menschlicher Zellkern in eine tierische Keimzelle, wie etwa eine Eizelle, transferiert wird und entweder die Keimzelle in vivo gentechnisch verändert oder die in vitro veränderte Keimzelle in eine Gebärmutter implantiert wird und die manipulierte Keimzelle sich zu einem vollständigen fortpflanzungsfähigen Individuum entwickeln kann292. Solange die tierische Eizelle in Kultur verbleibt und ihre Fortpflanzungsfähigkeit behält, bildet sie selbst einen Organismus im Sinne des Gesetzes. In diesem Fall stellt der Austausch des Zellkerns die Erzeugung eines gentechnisch veränderten Organismus dar und erfordert eine Anzeige oder Erlaubnis unabhängig davon, ob die Zelle in einen anderen Organismus implantiert wird oder nicht293. Bei der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden wird jedoch eine unbefruchtete Eizelle verwendet, die somit nicht fortpflanzungsfähig ist. Auch wird die erzeugte Entität nicht implantiert. Vermutlich ist diese auch nicht in der Lage, sich zu einem vollständigen fortpflanzungsfähigen Individuum zu entwickeln. Die Subsumtion der Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden unter den Tatbestand der Freisetzung eines gentechnisch veränderten Organismus, § 2 I Nr. 3 GenTG, würde damit die Wortlautgrenze des Begriffes „Organismus“ im Sinne des § 3 I Nr. 1 GenTG sprengen, zumal das Analogieverbot auch für das Gentechnikgesetz als strafrechtliches Nebengesetz gilt. Ein Mensch-Tier-Zybrid ist damit kein gentechnisch veränderter Organismus i. S. d. § 3 Nr. 1, 3 GenTG294. 2. Historie und Telos Nach historischer und teleologischer Auslegung muss bereits die Anwendbarkeit des GenTG verneint werden295. Die Intention des Gesetzgebers bestand darin, dass dieses nicht auf dem gesamten Gebiet der menschlichen Gentechnologie anwendbar sein sollte296. Der gesamte Bereich der Humangenetik wurde vielmehr aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeklammert297. Dies ist darauf zurückzuführen, dass insoweit das  ESchG  – welches zur selben Zeit entworfen wurde298  – ausweislich der Begründung des Gesetzgebers299 eine abschließende Regelung darstellt: „Das Gesetz soll grundsätzlich auch keine Anwendung finden 292

Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 141. Kapteina, S. 39; Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 141. 294 Vgl. Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 216, 227. 295 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 213. 296 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 227. 297 Ronellenfitsch in: Dolde, S. 705 mit Hinweisen zur Entstehung. 298 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 227. 299 BT-Drs. 11/5622; 11/6778; 2/5614; 13/6538; 13/7877; 14/3363; 15/3088. 293

180

Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

auf den gesamten Bereich der Humangenetik. Soweit insoweit ein Regelungsbedarf besteht, sollen die erforderlichen Regelungen durch ein in Vorbereitung befindliches Embryonenschutzgesetz geschaffen werden. Außerhalb des Anwendungsbereichs sollen insbesondere Fragen der Genomanalyse bleiben (…), der somatischen Gentherapie, (…), der Keimbahntherapie (…) sowie sämtliche gentechnische Arbeiten mit Zellen in der menschlichen Keimbahn. Erfasst werden sollen dagegen gentechnische Arbeiten mit menschlichen Körperzellen im Bereich der zellbiologischen Grundlagenforschung, solange damit noch keine gentherapeutischen Maßnahmen am Menschen verbunden sind“300 . Das Verbot gentechnologischer Verfahren am Menschen ergibt sich aus § 5 ESchG (Verbot künstlicher Veränderungen menschlicher Keimbahnzellen), § 6 ESchG (Verbot des Klonens) und § 7 ESchG (Verbot der Chimären- und Hybrid-Bildungen) und fällt deshalb nicht in den Anwendungsbereich des GenTG301. Das Gentechnikgesetz bietet somit für den humangenetischen Bereich keinen strafrechtlichen Schutz für den Embryo302. Da sämtliche Arbeiten mit Zellen in der menschlichen Keimbahn vom Anwendungsbereich des  GenTG ausgeklammert werden sollen, fällt der (umgekehrte)  Fall des Transfers einer tierischen somatischen Zelle in eine menschliche Eizelle aufgrund der Verwendung einer menschlichen Keimbahnzelle – der Eizelle  – definitiv nicht unter das  GenTG303. Weniger eindeutig verhält es sich bei der Implantation einer menschlichen Körperzelle in eine tierische Eizelle, bei welcher der entstehende Embryo „nahezu menschlich“ ist304. Denn es handelt sich hierbei um eine tierische Keimzelle. Zudem wird die Erzeugung eines MenschTier-Zybrides de lege lata nicht vom ESchG erfasst305. Gegen eine Anwendbarkeit des GenTG spricht jedoch, dass in § 7 ESchG die Erzeugung von Chimären und Hybriden sowie ihre Implantation in einen Uterus untersagt wird. Gesetzgeberische Intention ist es damit, Entstehung und Fortpflanzung gemischt menschlichtierischer Entitäten zu verhindern. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe zu vermuten, dass der Gesetzgeber des ESchG Gleiches bei Mensch-Tier-Zybiden auch hätte tun wollen, wenn ihm die Möglichkeit ihrer Erzeugung zum Zeitpunkt der Verabschiedung des ESchG bewusst gewesen wäre. Demnach handelt es sich um eine unbeabsichtigte Regelungslücke im  ESchG. Der Gesetzgeber des  GenTG konnte bei dessen Verabschiedung nicht ahnen, dass es eine solche Regelungslü-

300 BT-Drs. 11/5622, S. 23; Keller in: Keller/Günther/Kaiser, S. 60; vgl. auch Kern in: MedR 2001, 9 (9 f.). 301 Hirsch/Schmidt-Didczuhn, Rn.  4; Wahl in: Landmann/Rohmer, Rn.  28; Herdegen in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, Rn 35; Spickhoff in: Medizinrecht, § 2 GenTG, Rn. 4. 302 Keller in: Keller/Günther/Kaiser, S. 60; Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 2, Rn. Rn. 4 ff., 7. 303 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 227 mit dem Hinweis darauf, dass dies auch gilt, obwohl der entstehende Embryo aufgrund seiner Zellkern-DNA nicht als menschlicher, sondern als tierischer qualifiziert werden müsste. 304 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 227. 305 Vgl. Teil 3: A. IV., VII.

E. Arzneimittelgesetz (AMG)

181

cke geben würde, und wollte diese Materie nicht selbst regeln, vielmehr sollte auch die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden vom Anwendungsbereich des GenTG ausgeschlossen bleiben. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden dem Wortlaut nach die Herstellung eines gentechnisch veränderten Organismus darstellt, muss die Auslegung hinter den von dem Gesetzgeber gewollten Sinn und Zweck des Gesetzes zurücktreten306. Die Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden bedarf somit keiner Anzeige oder Genehmigung nach dem GenTG.

D. Gendiagnostikgesetz (GenDG) Das Gendiagnostikgesetz307 bezieht sich gemäß § 1 GenDG auf genetische Untersuchungen bei Embryonen und Foeten während der Schwangerschaft. Auf Embryonen in vitro – seien es humane IVF-Embryonen oder Mensch-Tier-Zybriden – ist es demzufolge nicht anwendbar.

E. Arzneimittelgesetz (AMG) Im Zusammenhang mit der therapeutischen Anwendung embryonaler Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden stellt sich die Frage, ob diese als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes308 aufgefasst werden können. Nach § 2 I Nr. 1 AMG sind Arzneimittel „Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die [u. a.] dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen […] Körper […] Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen“. In § 3 AMG wird der zentrale Stoffbegriff näher umschrieben. Danach zählen zu den Stoffen u. a. „Körperteile, -bestandteile und Stoffwechselprodukte von Menschen […] im bearbeiteten oder unbearbeiteten Zustand“. Fraglich ist, ob auch humane embryonale Stammzellen Stoffe i. S. d. AMG sind. Der Wortlaut wirkt durch die Verwendung der Begriffe „Körper“ und „Mensch“ offen genug, auch solche Stammzellen zu umfassen, die aus pränatalen menschlichen Individuen gleich welcher Entwicklungsstufe gewonnen wurden309. Dass der Begriff „Mensch“ in § 3 Nr. 3 AMG weit zu verstehen ist, zeigt auch ein systematischer Vergleich mit § 4 XIII S. 2 AMG, bei dem sich der Ausdruck „schwerwiegende Nebenwirkungen“ auf das pränatale Entwicklungsstadium er 306

Keller in: Keller/Günther/Kaiser, S. 60; Hirsch/Schmidt-Didczuhn, § 2, Rn. Rn. 4 ff., 7. Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen  – Gendiagnostikgesetz vom 31.07.2009 (BGBl. I S. 2529, 3672), das durch Art. 4 Abs. 18 des Gesetzes vom 07.08.2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. 308 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394), das durch Art. 2a des Gesetzes vom 27.03.2014 (BGBl. I S. 261) geändert worden ist. 309 Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (93). 307

182

Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

streckt. Eine funktionale Betrachtung des Arzneimittelrechts spricht ebenfalls für eine solch weite Auslegung, denn auch der therapeutische Einsatz embryonaler Stammzellen verlangt nach einer Qualitäts-, Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitskontrolle, wie es § 1 AMG als Zweck des Gesetzes beschreibt. Überdies legt die EG-Richtlinie310, deren Umsetzung das AMG dient, ein so weites Begriffsverständnis nahe, indem sie in Art. 1 Nr. 3 von Substanzen „menschlicher Herkunft“ spricht. Embryonale Stammzellen sollten daher als Stoffe i.S.d § 3 Nr. 3 AMG qualifiziert werden311. Arzneimittel sind Stoffe aber nur dann, wenn sie dazu bestimmt sind, am oder im menschlichen Körper zu wirken (§ 2 I Nr. 1 AMG). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Vorstufen von Arzneimitteln (Roh- oder Grundstoffe), die nicht unmittelbar der Heilung oder Linderung, sondern allein der Herstellung von Arzneimitteln dienen, keine Arzneimittel im Sinne der Vorschrift darstellen312. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der pharmazeutische Grundstoff selbst zur Verwendung als Arzneimittel geeignet und bestimmt ist. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sind embryonale Stammzellen als solche bislang weder dazu geeignet noch bestimmt, unmittelbar am oder im menschlichen Körper zu wirken, sondern müssen zunächst zu Stammzellderivaten weiterdifferenziert oder andersartig aufbereitet (z. B. infektionsserologisch untersucht, gewaschen, volumenreduziert und kryokonserviert313) werden, bevor ihre Übertragung auf den Menschen in Betracht zu ziehen ist314. Unbehandelte Stammzellen fallen daher regelmäßig nicht unter das Arzneimittelgesetz. Auch für Stammzellderivate folgt im Ergebnis nichts anderes: § 4a AMG statuiert nämlich wichtige Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Gesetzes. Eine solche ergibt sich zum Beispiel, wenn das Arzneimittel unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes hergestellt worden ist (§ 4a Nr. 3 AMG)315. Gegenwärtig unterliegt daher nur die Gewinnung neonataler Stammzellen aus Nabelschnurblut dem AMG und auch nur dann, wenn es als ungerichtete Spende in einer (öffentlichen) Blutbank eingelagert werden soll316. Sollten in Zukunft auch embryonale Stammzellen zu Therapiezwecken in Stammzellbanken gelagert werden – was allerdings eine Änderung des StZG voraussetzen würde –, unterfielen auch diese den Bestimmungen des AMG. Aus heutiger rechtlicher Perspektive ist das jedoch nicht der Fall. Dies gilt erst recht für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden. Diese können nicht als menschliche Zellen qualifiziert werden. Zwar muss das AMG autonom ausgelegt und es dürfen keinesfalls aus § 8 I ESchG Rückschlüsse gezogen werden. § 3 AMG

310

Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 311/67. 311 So auch Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (94). 312 So auch Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (95). 313 Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (95) m. w. N. 314 Rosenau/Linoh in: JZ 2013, 937 (937). 315 Oeser/Sander, AMG Erl. § 4a Nr. 4. 316 Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (96).

F. Transplanta­tionsgesetz (TPG)

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spricht aber ausdrücklich von Körperteilen, -bestandteilen und Stoffwechselprodukten von Menschen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass das Material, aus dem Mensch-Tier-Zybriden erzeugt wurden, zu 95 Prozent tierischen Ursprungs ist, können aus ihnen gewonnene Stammzellen nicht als Zellen von menschlichen Embryonen angesehen werden. Demzufolge fällt die Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden de lege lata nicht unter das AMG.

F. Transplanta­tionsgesetz (TPG) Fraglich ist die Anwendbarkeit des Transplantationsgesetzes317. Nach § 1 II TPG gilt dieses „für die Spende und die Entnahme von menschlichen Organen oder Geweben zum Zwecke der Übertragung sowie für die Übertragung der Organe oder der Gewebe einschließlich der Vorbereitung dieser Maßnahmen. Es gilt ferner für das Verbot des Handels mit menschlichen Organen oder Geweben“. § 1 III TPG besagt: „Dieses Gesetz gilt nicht für […] Gewebe, die innerhalb ein und desselben chirurgischen Eingriffs einer Person entnommen werden, um auf diese rückübertragen zu werden“. § 1 a TPG legt Begriffsbestimmungen fest und statuiert: „Im Sinne dieses Gesetzes 1. sind Organe, mit Ausnahme der Haut, alle aus verschiedenen Geweben bestehenden, differenzierten Teile des menschlichen Körpers, die in Bezug auf Struktur, Blutgefäß­ versorgung und Fähigkeit zum Vollzug physiologischer Funktionen eine funktionale Einheit bilden, einschließlich der Organteile und einzelnen Gewebe eines Organs, die unter Aufrechterhaltung der Anforderungen an Struktur und Blutgefäßversorgung zum gleichen Zweck wie das ganze Organ im menschlichen Körper verwendet werden können, mit Ausnahme solcher Gewebe, die zur Herstellung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne des § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes bestimmt sind; […] 4. sind Gewebe alle aus Zellen bestehenden Bestandteile des menschlichen Körpers, die keine Organe nach Nummer 1 sind, einschließlich einzelner menschlicher Zellen; 6. ist Entnahme die Gewinnung von Organen oder Geweben; 7. ist Übertragung die Verwendung von Organen oder Geweben in oder an einem menschlichen Empfänger sowie die Anwendung beim Menschen außerhalb des Körpers“.

317 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben – Transplantationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.09.2007 (BGBl. I S. 2206), das durch Art. 5 d des Gesetzes vom 15.07.2013 (BGBl. I S. 2423) geändert worden ist.

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

I. Die gespendete menschliche Körperzelle Die menschliche Körperzelle, die gespendet wird, könnte dem TPG unterfallen. Gemäß Nr. 4 des Legaldefinitionskatalogs in § 1a TPG sind unter Geweben alle aus Zellen bestehenden Bestandteile des menschlichen Körpers, die keine Organe nach § 1a Nr. 1 TPG sind, einschließlich einzelner Zellen, zu verstehen. Das TPG erfasst neben Geweben wie Haut, Herzklappen und Plazentas nach § 1 II auch Knochenmark318. Zu beachten ist, dass das TPG gem. § 1 II TPG nur dann auf die Spende menschlicher Zellen anwendbar ist, wenn diese zum Zweck der Übertragung auf einen menschlichen Empfänger gewonnen werden. Die gespendete Körperzelle wird jedoch entkernt und mit einer tierischen Eizelle fusioniert. Erst aus dieser fusionierten Eizelle werden Gewebe gezüchtet, die auf menschliche Patienten übertragen werden sollen. Folglich wird die Körperzellspende für Klonexperimente nicht vom TPG erfasst.

II. Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden Möglicherweise fallen die Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden unter die Bestimmungen des Transplantationsgesetzes.  Das  TPG erfasst seit der Neufassung 2012319 auch foetale und embryonale Organe und Gewebe320. Dieser neuen Einbeziehung tragen die §§ 4a, 5 III TPG Rechnung. Im Einzelnen setzt eine Entnahme von Organen oder Geweben die Feststellung des Todes des Embryos bzw. Foetus, die schriftliche Einwilligung der entsprechend aufgeklärten Frau, die mit dem Embryo bzw. Foetus schwanger war, sowie die Vornahme des Eingriffs durch einen Arzt voraus321. Auf die Entnahme von Stammzellen aus mittels In-vitro-Fertilisation erzeugten (lebenden) Embryonen im Reagenzglas sind diese Regelungen nicht anwendbar, ebenso wenig auf Zellkerntransfer-Embryonen. Gleiches gilt erst recht für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden: Das TPG ist nicht anwendbar, weil es nur die Entnahme menschlicher Organe und Gewebe und ihre Übertragung auf einen menschlichen Empfänger regelt322. Ein Mensch-Tier-Zybride besteht jedoch aus einer tierischen Eizellhülle. Auch bei dem TPG handelt es sich um ein strafrechtliches Nebengesetz, auf welches das Analogieverbot Anwendung findet. Es würde die Wortlautgrenze sprengen, Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden als menschliche Zellen zu qualifizieren. Die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden fällt somit nicht in den Regelungsbereich des TPG.

318 BT-Dr 16/3146, S. 28, unter Hinw. auf Art. 13 II und den Anhang der Richtlinie; Bausch/ Kohlmann in: NJW 2008, 1562 (1563). 319 Neubekanntmachung vom 04.09.2007, BGBl. I 2007, 2207. 320 Vgl. BT-Dr 16/3146, S. 21. 321 Bausch/Kohlmann in: NJW 2008, 1562 (1563). 322 Deutscher Ethikrat 2011, S. 34.

G. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

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G. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Im Hinblick auf die Spende der menschlichen Körperzelle, deren Kern in die tierische Eizelle implantiert wird, finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches323 (BGB) zur Aufklärung und Einwilligung in körperliche Eingriffe Anwendung, namentlich die §§ 630d, e  BGB324. Als Erstes ist zu klären, ob es sich bei der gespendeten Körperzelle – wie es zum Beispiel bei dem von Chen et al. durchgeführten Experiment der Fall war325 – um „verworfenes“ Material nach einer Operation handelt oder um eine zielgerichtete Spende.

I. Aufklärungspflichten 1. Zielgerichtete Spende Eine gezielte Entnahme von Körperzellen ausschließlich zum Zwecke der Erzeugung eines Mensch Tier-Zybrides erfordert eine Aufklärung über die ge­ sundheitlichen Risiken der Spende und ist nur mit einer entsprechenden, selbstbestimmten Einwilligung des freiwilligen Zellspenders zulässig („informed consent“). Die gesundheitlichen Risiken einer zielgerichteten Spende von Körperzellen sind sehr gering. Eine medizinisch nicht indizierte Körperzellentnahme zu wissenschaftlichen Zwecken muss dem Probanden im Rahmen der Aufklärung als ein aus therapeutischen Gründen nicht notwendiger Eingriff dargelegt werden326, um seinem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht Rechnung zu tragen. Eine Blanko-Einwilligung (wie es bei Biobanken praktikabel wäre), nach der „alles erlaubt“ ist, stellt einen „blanket consent“, nie aber einen „informed consent“ dar, wenn es zum Zeitpunkt der Einholung der Einwilligung des Patienten nicht möglich ist, tatsächlich über alle Versuchszwecke aufzuklären, und reicht daher nicht aus327. Möglich wäre höchstens eine genaue Beschreibung des spezifischen Forschungsvorhabens, für das eine Biobank eingerichtet wird, was sich in der Praxis aufgrund zahlreicher Folgeprojekte jedoch kaum durchführen lässt.

323

Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I, S. 42), das durch Art. 4 Absatz 5 des Gesetzes vom 01.10.2013 (BGBl. I S. 3719) geändert worden ist m.W.v. 09.10.2013, Stand: 01.05.2014 aufgrund Gesetzes vom 28.08.2013 (BGBl. I S. 3458). 324 §§ 630d, e BGB, eingefügt in das BGB durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013, BGBl. I, S. 277, m. W. v. 26.02.2013. 325 Badura-Lotter in: Taupitz/Weschka, S. 207. 326 Lenk/Hoppe in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 204. 327 Lenk/Hoppe in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 203.

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2. Verwendung „verworfener“ Materialien Als „verworfenes“ Material werden körpereigene Materialien und Gewebe bezeichnet, die nach einer Operation, einer Geburt oder einer diagnostischen Maßnahme früher als Abfall entsorgt wurden und heutzutage einen wertvollen Rohstoff für die medizinische Forschung darstellen328. Werden „verworfene“ Operationsmaterialien verwendet, bestehen keinerlei Risiken, die über den ohnehin medizinisch indizierten Eingriff hinausgehen. Bei der Verwendung solcher Materialien darf sich die Aufklärung nicht nur auf den medizinisch notwendigen Eingriff beziehen. Denn Forschung an und mit Körpermaterialien kann Persönlichkeitsrechte tangieren329. Sie ist nur dann legitim, wenn der Zweck gegenüber der Person, von der die Materialien stammen, offengelegt wurde. Das Selbst­ bestimmungsrecht des Patienten, auf dem das Erfordernis der Einwilligung beruht330, kann sinnvoll nur bei einem entsprechenden Kenntnisstand ausgeübt werden331. Eine Verwendung von Körpermaterialien ohne die Zustimmung der Person, von der diese Materialien entnommen wurden, ist unzulässig332. Ebenso wenig reicht der beschriebene „blanket consent“ aus. Problematisch ist eine abstrakte Beantwortung der Frage, wie weit über die Verwendungszwecke aufgeklärt werden muss. Es fragt sich, ob der Patient über jedes Detail der beabsichtigten Verwendung von Substanzen seines Körpers informiert werden und ob er ausdrücklich jeder einzelnen Untersuchung, Behandlung, Verwendung, Verwertung oder Weitergabe des Körpermaterials zustimmen muss333. Dies muss stets im Einzelfall entschieden werden. In jedem Fall muss der Patient erfahren, dass seine Körperzellen zu Klonexperimenten verwendet werden sollen, bei denen sein genetisches Material zur Erzeugung eines Embryos benutzt wird. Diese Prozedur stößt bei vielen Menschen auf ethische Bedenken, insbesondere, wenn eine tierische Eizelle verwendet wird. Es ist möglich, dass eine Person diesen Vorgang missbilligt334. Jeder muss aber für sich selbst entscheiden können, ob er solche Forschungszwecke, insbesondere weltanschaulich kontroverse, oder auch die konkrete Behandlung eigener Krankheiten gutheißt oder nicht. Was die Detaillierung betrifft, ist eine laienverständliche Schilderung in groben Zügen ausreichend335. Die Patienten müssen jedenfalls wissen, dass ihr genetisches Material mit dem eines Tieres vermischt wird.

328

Lenk/Hoppe in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 199. Lenk/Hoppe in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 199. 330 Statt vieler BVerfGE 52, 131, 165 f.; BGHZ 29, 46, 49; 29, 176, 181. 331 Laufs, S. 17. 332 Lenk/Hoppe in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 199. 333 Schröder/Taupitz, S. 3. 334 Lenk/Hoppe in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 202. 335 Lenk/Hoppe in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 202. 329

H. Patentgesetz (PatG)

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II. Einwilligungsfähigkeit Schließlich müssen bei nicht einwilligungsfähigen Patienten bzw. Probanden Besonderheiten berücksichtigt werden. Einwilligungsfähigkeit wird durch natürliches Einsichtsvermögen des Patienten und seine Urteilskraft, bezogen auf die Art und Bedeutung der medizinischen Maßnahme, bestimmt336. Volljährige sind grundsätzlich einwilligungsfähig337. Gemäß §§ 630d I S. 2 BGB muss bei Nichteinwilligungsfähigen die Einwilligung eines hierzu Berechtigten eingeholt werden, soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1901a I S. 1 BGB die Maßnahme gestattet oder untersagt. In dem Fall muss der zur Einwilligung Berechtigte entsprechend den Anforderungen des § 630e I  – IV  BGB aufgeklärt werden. Bei einem Betreuten ist das der Betreuer (§ 1896–1908a BGB) bzw. der in einer Vorsorgevollmacht bestellte rechtsgeschäftliche Vertreter (§ 1896 II BGB), bei Minderjährigen der gesetzliche Vertreter (Eltern: § 1629, Vormund: §§ 1793, 1800)338. Bei Minderjährigen muss im Einzelfall die Einsichtsfähigkeit und damit festgestellt werden, ob die Eltern als gesetzliche Vertreter, der Minderjährige allein oder auch der Minderjährige und seine Eltern gemeinsam einwilligen müssen339. Im Regelfall liegt die Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger dann vor, wenn sie über die behandlungsspezifische natürliche Einsichtsfähigkeit verfügen340. Gleiches gilt bei Betreuten341. Die beschriebenen im BGB statuierten Grundsätze müssen bei Aufklärung und Einwilligung in die Spende von Körperzellen beachtet werden.

H. Patentgesetz (PatG) Das Forschungsfeld der Stammzelltherapie eröffnet ein erhebliches ökonomisches Potenzial342. An dieser und besonders an den darauf aufbauenden medizinischen Einsatzmöglichkeiten bestehen erhebliche gesellschaftliche Interessen: Neben der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Hoffnung auf Heilung steht der wirtschaftliche Erfolg, wobei im Zeitalter der Globalisierung auch die Entwicklungen in anderen Staaten zu beachten sind343. In der modernen Medizin ist die Anwendung embryonaler Stammzellen auch mit Formen „kompetitiven Wissens“, also mit Schutz und gewerblicher Verwertung von entwickelten Verfahren, verbunden, namentlich der Patentierung344. Bei einem Patent handelt es 336

Mansel in: Jauernig, § 630d, Rn. 3. Mansel in: Jauernig, § 630d, Rn. 3. 338 Mansel in: Jauernig, § 630d, Rn. 3. 339 BT-Drs. 17/10488, S. 23; zum Vetorecht vgl. BGH NJW 2007, 217. 340 Mansel in: Jauernig, § 630d, Rn. 3. 341 Mansel in: Jauernig, § 630d, Rn. 3. 342 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 17. 343 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 15. 344 Siep in: JWE 2007, 179 (181). 337

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

sich um ein durch den Staat gewährtes, zeitlich begrenztes Schutzrecht für technische Erfindungen, das der Erfinder grundsätzlich ausschließlich für sich selbst nutzen kann; es wird ein zeitlich befristetes Monopol eingeräumt345. Mit dem Patent gehen Verpflichtungen zur Zahlung von Lizenzen und ähnlichen Vergütungen durch spätere Nutzer einher346. Aus dem Patentrecht ergeben sich keine Rückschlüsse auf die Zulässigkeit der Herstellung von Embryonen oder der Gewinnung von Stammzellen, denn dieses gewährt nur ein Recht zum Ausschluss anderer von der wirtschaftlichen Verwendung der patentgeschützten Gegenstände oder Verfahren. Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob ein Patent erteilt werden dürfte, das nur unter Verstoß gegen Verbotsnormen genutzt werden kann347. Umgekehrt kann allein aus der Patenterteilung nichts weiter für Verbotsregeln abgeleitet werden348. Global betrachtet stellen Patente auf Stammzellen keine Fiktion dar, in den USA werden auch auf menschliche Stammzell-Linien gerichtete Patente erteilt349. In Deutschland gestaltet sich die Patenterteilung im Zusammenhang mit embryonalen Stammzellen hingegen problematisch.

I. Relevante Vorschriften Die Patentierbarkeit von Stammzellen und Verfahren bestimmt sich nach dem Patentgesetz350: Gemäß § 1 erfordert die Erteilung eines Patents auf Produkte, Verfahren und Verwendungen eine Erfindung (im Gegensatz zur Entdeckung), d. h. eine Lehre zum praktischen Handeln, deren Gegenstand technischer Natur, realisier- und wiederholbar ist und die Lösung einer Aufgabe darstellt351. Grundsätzlich erlaubt das Patentrecht auch den Schutz von Stoffen oder Substanzen als solchen, sofern nicht die Patentierung des Stoffes in seiner natürlichen Umgebung angestrebt wird352. Daneben sind Patente auf Verfahren zur Gewinnung von Stammzellen sowie auf stammzellgestützte Verfahren in Betracht zu ziehen. Die Erfindung muss unter Berücksichtigung des Standes der Technik neu sein, ihr muss eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegen und sie muss gewerblich anwendbar sein (§ 5 PatG). Bei embryonalen Stammzellen ist im Hinblick auf das Kriterium der Neuheit zu berücksichtigen, dass sie sich nicht nur in Bezug auf das 345

Spranger in: JWE 2004, 263 (263); Spranger in:. EurUP 2004, 192 (192). Spranger in: JWE 2004, 263 (263); Spranger in: EurUP 2004, 192 (192). 347 Schütze, S. 333. 348 Schütze, S. 333. 349 So Kreß/Engelhard in: GRUR int. 2003, 985 (989) mit Verweis auf: US 5,843,780 und US 6,200,806 der Wisconsin Alumni Research Fundation. 350 Patentgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.12.1980 (BGBl. 1981 I S. 1), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19.10.2013 (BGBl. I S. 3830) geändert worden ist. 351 Nach der „Rote-Taube-Entscheidung“ (BGH, GRUR 1969, 672) muss es sich um eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte handeln, die zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs führt; vgl. Hartmann in: GRUR int. 2006, 195 (202). 352 Spranger in: EurUP 2004, 192 (195). 346

H. Patentgesetz (PatG)

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Stadium ihrer Ausdifferenzierung unterscheiden können, sondern entsprechend der aktivierten Gene auch im gleichen Ausdifferenzierungsstadium unterschiedlich sein können353. Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Erfindung (§ 5 PatG) setzt voraus, dass der Gegenstand auf gewerblichem Gebiet hergestellt oder genutzt werden kann. Die Herstellung isolierter Stammzellen erfolgt derzeit mit der Zielsetzung, sie später in ausdifferenzierter Form zur Heilung von schweren chronischen Krank­heiten in den Körper des Betroffenen zu injizieren. Dabei kommen Stammzellen als Erzeugnisse in Betracht, die während eines solchen medizinischen Verfahrens am menschlichen Körper zur Anwendung gebracht werden, und sind somit grundsätzlich gewerblich anwendbar354. Schließlich darf kein Patentausschluss nach §§ 1a, 2 und 2a PatG einschlägig sein. Gemäß § 2 I PatG werden keine Patente auf solche Erfindungen erteilt, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. § 2 II lit. a  PatG nimmt „Verfahren zum Klonen menschlicher Lebewesen“ von der Patentierbarkeit aus.  Nach § 2 II Nr.  3  PatG ist die Verwendung menschlicher Embryonen zur industriellen oder kommerziellen Verwendung nicht patentierbar. Da das deutsche Patentgesetz auf der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.07.1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen355 – der Biopatent-Richtlinie – beruht, ist zur Auslegung dieser Normen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bedeutsam.

II. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Anlass für das prominente Urteil des EuGH in der Sache „Brüstle/Greenpeace“ war die Arbeit des Bonner Stammzellexperten Oliver Brüstle, dessen Forschung bereits Auslöser für das deutsche Stammzellgesetz von 2002 war, weil er 1997 ein Verfahren zur Herstellung menschlicher Nervenzellen patentieren ließ356. Dabei werden aus embryonalen Stammzellen, die zu einer Stammzell-Linie kultiviert wurden, Vorläuferzellen des Gehirns hergestellt, um sie später in das Nervensystem zu transplantieren, um Krankheiten wie Alzheimer oder Multiple Sklerose zu heilen357. Weil bei der Gewinnung der Stammzellen aber die Organismen, aus denen sie stammen, zerstört werden, erhob Greenpeace einige Jahre später Nichtigkeitsklage gegen dieses Patent mit der Begründung, es verstoße gegen das deutsche Patentgesetz, nach dem Patente „für die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ ausgeschlossen sind. Nachdem das 353

Spranger in: EurUP 2004, 192 (196). Hartmann in: GRUR int. 2006, 195 (202). 355 ABIEG Nr. L 213, S. 13. 356 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (1). 357 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (1). 354

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

Bundespatentgericht der Klage stattgegeben hatte358, legte der BGH die Sache Ende 2009 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor359. Bei der Prüfung, ob der besagte Ausschlusstatbestand erfüllt wird, legt der Europäische Gerichtshof alle relevanten Begriffe in extrem patentfeindlicher Weise aus360. Das am 18.10.2011 verkündete Urteil wird deshalb als schwerer Rückschlag für den europäischen Wirtschaftsstandort angesehen, weil es letztlich dem Geist des deutschen Stammzellgesetzes sowie der europäischen Forschungsförderungspolitik eklatant zuwiderlaufe361. 1. Auslegung des Begriffs „Embryo“ Der EuGH möchte den Begriff des „menschlichen Embryos“ im Sinne von Art.  6 II lit.  c der Richtlinie im gesamten Gebiet der Europäischen Union einheitlich und weit auslegen362. Eine extensive Auslegung sei deshalb erforderlich, weil Zusammenhang und Ziel der Richtlinie erkennen ließen, dass der Unions­ gesetzgeber alle Verfahren von der Patentierung ausschließen wolle, welche die der Menschenwürde geschuldete Achtung beeinträchtigen könnten363. Entscheidendes Kriterium für das Vorliegen eines Embryos ist es für den EuGH, ob die jeweilige Entität „geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen“ – wie paradigmatisch die befruchtete Eizelle364. Dazu sei auch die unbefruchtete menschliche Eizelle in der Lage, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert oder die durch Parthenogenese365 zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist. Diese Organismen seien zwar nicht befruchtet worden, aber geeignet, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen366. Bei Parthenoten sind sich Naturwissenschaftler allerdings einig, dass sich diese unmöglich zu einem geborenen Menschen ent­ wickeln können367. Für die patentrechtliche Qualifikation als Embryo dürfte daher entscheidend sein, inwiefern die fragliche Zelle im Zuge ihrer weiteren Teilungen (erste)  Entwicklungsschritte vollzieht, die mit den (ersten) Entwicklungsschritten einer befruchteten Eizelle prinzipiell identisch sind368. Dagegen deutet der Verzicht auf das seinerzeit vom Generalanwalt noch durchgehend verwendete369 358

BPatG, Urt. v. 05.12.2006, Az. 3 Ni 42/04, GRUR 2007, 1049 – Neurale Vorläuferzellen. BGH, Urt. v. 17.12.2009, Az. Xa ZR 58/07, GRUR 2010, 212 – Neurale Vorläuferzellen. 360 Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Urteil vom 18.10.2011, C-34/10, GRUR 2011, 1104 – Brüstle/Greenpeace; vgl. hierzu Taupitz in: GRUR 2012, 1 (1). 361 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (1). 362 Zustimmend Taupitz in: GRUR 2012, 1 (2); ablehnend Laimböck/Dederer in: GRUR Int 2011, 661 (662 f.). 363 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (2). 364 Dederer in: GRUR 2012, 336 (337). 365 Vgl. Teil 2: B. III. 2. h). 366 EuGH, Urteil vom 18.10.2011, C-34/10, Rn. 36. 367 Vgl. Teil 2 B. III. 2. h).; Dederer in: GRUR 2012, 336 (337). 368 Dederer in: GRUR 2013, 352 (356). 369 GA Bot, GRUR 2011, 1104, Rn. 84 f., 91 f. – Brüstle/Greenpeace, passim. 359

H. Patentgesetz (PatG)

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Totipotenzkriterium darauf hin, dass die Fähigkeit unmaßgeblich geworden ist, das Endstadium eines vollständigen, funktionsfähigen Organismus zu erreichen370. Bei einer menschlichen Blastozyste371 sei es Sache des nationalen Gerichts, im Lichte der technischen Entwicklung festzustellen, ob dieses Stadium bereits geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen und zu entscheiden, ob dieser unter den Begriff des „menschlichen Embryos“ im Sinne des Art. 6 II lit. c fällt. An der Argumentation des EuGH wird kritisiert, dass es aufgrund der höchst unterschiedlichen Auffassungen in den europäischen Staaten, ab welchem Entwicklungsstand Handlungen an befruchteten Eizellen, welche die entstandene Entität zerstören, einen Menschenwürdeverstoß begründen und deshalb verboten werden müssen, näher gelegen hätte, den Begriff angesichts des fehlenden Konsenses restriktiv auszulegen372. Verstärkt werde dieses teleologische Auslegungsprinzip durch den Grundsatz, Patentausschlussvorschriften grundsätzlich eng auszulegen373. Zudem werde das Dogma der einheitlichen Auslegung im gesamten Unionsgebiet wieder aufgehoben, wenn der EuGH feststellt, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, im Licht der technischen Entwicklung festzustellen, ob eine Stammzelle, welche von einem menschlichen Embryo im Stadium der Blastozyste gewonnen wird, einen menschlichen Embryo im Sinne der Richtlinie darstellt374. 2. Auslegung des Begriffs der „Verwendung von Embryonen“ Nach Ansicht des EuGH fällt unter die „Verwendung von Embryonen“ auch die Nutzung embryonaler Stammzellen, die ursprünglich einmal durch Verbrauch von Embryonen (diese auch noch gemäß der „weiten Auslegung“ des EuGH) gewonnen wurden375. Zwischen Ursprungs- und Verwertungshandlung wird somit nicht differenziert. Diese These ließe sich, so wird kritisch entgegnet, nur halten, wenn man in der Verwendung embryonaler Stammzellen, denen unstreitig kein Lebensund Menschenwürdeschutz zukommt, die Verletzung einer „postmortalen Menschenwürde pränatalen Lebens“ erblickte376. „Faktisch werden Herrn Brüstle also alle Handlungen, die andere Personen im Ausland ohne jede Beteiligung von ihm (und ohne Bezug zu seiner Forschung bzw. seinem Patentantrag) begangen haben, offenbar im Sinne einer diffusen Lehre von den „Früchten des verbotenen Baumes“ als eigenes Unrecht zugerechnet“, was weder mit dem Wortlaut der Richtlinie noch mit ihrem Telos hinreichend vereinbar sei377. 370

Dederer in: GRUR 2013, 352 (356). Vgl. Teil 2: A. IV. 372 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (2). 373 Laimböck/Dederer in: GRUR Int 2011, 661 (663). 374 EuGH, Urt. v. 18.10.2011, Az. C-34/10, GRUR 2011, 1104 – Brüstle/Greenpeace, Rn. 38. 375 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (3); Dederer in: GRUR 2012, 336 (336). 376 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (3). 377 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (3). 371

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

3. Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung Die Entscheidung des EuGH betrifft formal nur das Patentrecht der EU-Mitgliedstaaten und hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die sehr unterschiedlichen nationalen Definitionen eines menschlichen Embryos und auch nicht auf die Zulässigkeit der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Kritiker sehen jedoch die mittelbaren Auswirkungen der Entscheidung darin, dass Investitionen in Forschung mit embryonalen Stammzellen unterbleiben und dieses Gebiet damit gewissermaßen ausgetrocknet werde378. Zudem führe die Stigmatisierung eines gesamten Forschungsfeldes möglicherweise auch unmittelbar zur Schwächung entsprechender akademischer Forschung. „Investitionen und Forschungsaktivitäten werden vermutlich ins außereuropäische Ausland verlagert oder von vornherein dort getätigt werden, wo Patente auf Verfahren zur Gewinnung und Nutzung embryonaler Stammzellen großzügiger vergeben werden. Die europäische Forschungsförderung finanziert also letztlich außereuropäische Patente und damit außereuropäische Monopole“379. Insgesamt bedeute das Urteil „einen Rückschlag für die Forschung mit embryonalen Stammzellen – und damit auch die Hoffnung auf Heilung vieler schwer kranker Menschen“380.

III. Bedeutung für die Forschung an Mensch-Tier-Zybrid-Zellen Festzuhalten bleibt, dass nach derzeitiger Rechtslage human-embryonale Stammzellen und Stammzellderivate sowie deren (Herstellungs-)Verfahren381 nicht patentierbar sind. Fraglich ist, wie es sich mit embryonalen Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden verhält, auch wenn in Deutschland noch kein MenschTier-Zybrid erzeugt und demzufolge auch noch kein entsprechender Patentantrag gestellt wurde. Der Patentierungsausschluss des § 2 II Nr. 3 PatG (bzw. Art. 6 II lit. c Richtlinie 98/44/EG) in der Auslegung des EuGH erstreckt sich auf alle Erfindungen, deren patentgemäße Ausführung die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen voraussetzt, sofern diese Zellen aus solchen Entitäten stammen, die geeignet sind, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen382. Mensch-Tier-Zybride können sich nach derzeitigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht über das Blastozystenstadium hinaus entwickeln383. Gleiches gilt jedoch auch für Parthenoten384, denen der EuGH die Fähigkeit,

378

Taupitz in: GRUR 2012, 1 (4). Taupitz in: GRUR 2012, 1 (4). 380 Taupitz in: GRUR 2012, 1 (5). 381 Vgl. dazu auch Taupitz in: JZ 1992, 1089 (1096). 382 Vgl. Dederer in: EuR 2012, 336 (342). 383 Vgl. Teil 2: C. III. 4., 7. 384 Vgl. Teil 2: B. III. 2. h). 379

H. Patentgesetz (PatG)

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den „Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen“, ausdrücklich zuspricht. Diese Fähigkeit besitze auch „die unbefruchtete menschliche Eizelle, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist“385. Entscheidendes Kriterium ist damit nicht nur, dass die erzeugte Entität den Prozess der Entwicklung eines Menschen durchmacht. Bereits dies ist bei einem Mensch-Tier-Zybrid zweifelhaft, denn selbst wenn er sich weiterentwickeln kann, ist unklar, ob er aufgrund des Anteils tierischer DNA überhaupt als „menschlich“ qualifiziert werden kann. Vielmehr nennt der EuGH ausdrücklich die menschliche Eizelle und ihre Entwicklungsfähigkeit nach einem Zellkerntransfer, welcher dem nach einer Befruchtung entspreche. Eine tierische Eizelle, in die ein menschlicher Zellkern transferiert wird, unterfällt dem Patentierungsausschluss des § 2 II Nr. 3 PatG auch nach der extensiven Auslegung des Embryonen- und Verwendungsbegriffs durch den EuGH nicht. In Erwägung 38 der Erläuterung zu Art.  6 der EU-Richtlinie (gleichlautend mit § 2 PatG) werden Mensch-Tier-Zybride nicht genannt386, jedoch heißt es dort: „Ferner ist es wichtig, in die Vorschriften der vorliegenden Richtlinie eine informatorische Aufzählung der von der Patentierbarkeit ausgenommenen Erfindungen aufzunehmen, um so den nationalen Gerichten und Patentämtern allgemeine Leitlinien für die Auslegung der Bezugnahme auf die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten zu geben. Diese Aufzählung ist selbstverständlich nicht erschöpfend. Verfahren, deren Anwendung gegen die Menschenwürde verstößt, wie etwa Verfahren zur Herstellung von hybriden Lebewesen, die aus Keimzellen oder totipotenten Zellen von Mensch und Tier entstehen, sind natürlich ebenfalls von der Patentierbarkeit auszunehmen“. Daraus lässt sich schließen, dass die Erzeugung von Chimären und echten – also durch Fertilisation erzeugten – Hybriden nicht patentierbar ist387. Mensch-Tier-Zybriden aus Nukleustransfer werden hingegen nicht genannt. Bedenkt man, dass sowohl der Nukleustransfer als auch die Erzeugung von Hybriden vom EuGH bzw. in den Erläuterungen zur Biopatent-RL genannt werden, nicht aber Mensch-Tier-Zybriden, so lässt sich schlussfolgern, dass diese auch nicht gemeint sind. Demzufolge bezieht sich der Patentierungsausschluss des § 2 II Nr. 3 PatG nicht auf Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden. Verfahren zur Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden und Stammzellen aus diesen sind vielmehr patentierbar.

385

EuGH, Urteil vom 18.10.2011, C-34/10, Rn. 36. Presidenza del Consiglio dei Ministre, S. 32. 387 Presidenza del Consiglio dei Ministre, S. 32; Einige gehen davon aus, dass auch das Verfahren des somatischen interspezifischen Nukleustransfers aufgrund des Art. 6 der BiopatentRL nicht patentierbar ist, so Schweizer/Bernhard in: Taupitz/Weschka, S. 427. 386

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

I. Tierschutzgesetz (TierSchG) Es stellt sich die Frage, ob die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden gegen das Tierschutzgesetz388 verstößt. Zunächst gilt es zu prüfen, ob die erzeugte Entität in den Schutzbereich des TierSchG fällt, sodass sich möglicherweise ihre Zer­störung zur Stammzellengewinnung oder ihre Verwendung zu Forschungszwecken verbietet bzw. eingeschränkt wird. Des Weiteren ist die Eizellengewinnung aus zuvor hyperstimulierten Tieren anhand der Bestimmungen des Tierschutzgesetzes zu prüfen sowie die Transplantation eines menschlichen Zellkerns in eine tierische Eizelle. Schließlich könnte das  TierSchG auch der Implantation eines MenschTier-Zybrides in die Gebärmutter eines Tieres entgegenstehen. Das TierSchG wurde zu dem Zweck erlassen, „aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen“ (§ 1 S. 1 TierSchG). Nach § 1 S. 2 TierSchG darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Verfassungsrechtlich beruht das aktuelle TierSchG auf dem Staatsziel des Tierschutzes aus Art. 20a GG und beinhaltet die wesentlichen Vorschriften zu Tierhaltung und Tötung von Tieren, Eingriffen und Versuchen an Tieren sowie zahlreiche Regelungen zu Zucht und Handel. Im Wesentlichen ist das Gesetz verwaltungsrechtlich ausgestaltet und enthält diverse Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. In den §§ 17–20a enthält es Strafund Bußgeldvorschriften und ist insoweit als strafrechtliches Nebengesetz konzipiert. Entscheidend für die tierschutzrechtliche Bewertung ist der jeweilige Stand von Wissenschaft und Technik der Verfahren389.

I. Geschützte Tiere Grundsätzlich erstreckt sich das Gesetz auf alle Tiere, die meisten Einzelbestimmungen beziehen sich allerdings nur auf Wirbeltiere390. In der am 13.07.2013 in Kraft getretenen Fassung wird zudem zwischen Primaten und anderen Wirbeltieren differenziert (vgl. z. B. §§ 8a II Nr. 1, 9 III Nr. 1 TierSchG). Die weiblichen Tiere, denen Eizellen entnommen und die zuvor hyperstimuliert werden, fallen zweifellos unter das TierSchG. Mensch-Tier-Mischwesen, die sich der Kategorie „Tier“ zuordnen lassen, werden ebenfalls durch dieses geschützt. Bei Mensch-Tier-Zybriden ist das Erbgut zu 99 Prozent menschlich, was dagegen spricht, sie als Tiere im Sinne des TierSchG einzuordnen. Da sie entsprechend obigen Ausführungen – insbesondere im Rah 388 Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.05.2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Art. 2 Abs. 114 und Art. 4 Abs. 90 G zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes vom 07.08.2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. 389 Tierschutzbericht 1999, S. 63. 390 Ruhdel/Sauer, S. 25.

I. Tierschutzgesetz (TierSchG)

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men des ESchG und des StZG – jedoch auch nicht als menschliche Embryonen qualifiziert werden können, stellt sich die Frage, ob sie im Hinblick auf die tierische Eizelle, mit der sie erzeugt wurden und die 95 Prozent des Ausgangsmaterials ausmacht, dennoch unter das TierSchG fallen sollten. Hierfür lässt sich anführen, dass im Rahmen des TierSchG das Gebot der tierfreundlichen Auslegung berücksichtigt werden muss und keine gesetzlichen Regelungen für Mischwesen unklarer Artzuordnung existieren. Letztlich sollte aber der gleiche Auslegungsgrundsatz gelten, wie er auch bei der Frage nach der Einordnung von MenschTier-Zybriden als menschliche Embryonen angewendet wurde: Nur eine eindeutige Klassifizierung führt zu einer bestimmten Zuordnung. Das TierSchG bezieht Lebewesen nur dann ein, wenn sie eindeutig dem zoologischen Bereich „Tier“ angehören391. Bei Mensch-Tier-Zybriden ist das nicht der Fall. Diese werden zwar hauptsächlich aus tierischem Material erzeugt, ihr Phänotyp ähnelt aber weit mehr dem menschlichen. Demzufolge sind sie keine Tiere i. S. d  TierSchG und werden somit auch nicht durch dieses vor einer Tötung zur Stammzellengewinnung oder vor „verbrauchender“ Forschung geschützt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass Mensch-Tier-Zybriden weder dem „Menschenschutz“ – insbesondere durch das ESchG – noch dem Tierschutz unterfallen. Das geltende einfache Recht hält keinerlei Schutzvorschriften für derartige Mischwesen bereit. Dieses Ergebnis mag unbefriedigend erscheinen und für eine Gesetzesänderung sprechen, kann aber nicht dazu führen, die Auslegungskriterien „aufzuweichen“, um einen Schutz dieser Entitäten zu „erzwingen“. Dem steht insbesondere das Analogieverbot im Wege, das auf alle strafrechtlichen Nebengesetze wie ESchG und TierSchG Anwendung findet und die Grenze der möglichen Auslegung bildet. Mensch-TierZybriden sind weder menschliche noch tierische Embryonen im Sinne dieser Gesetze und de lege lata schutzlos.

II. Tierversuch, § 7 TierSchG Zu prüfen bleibt, ob Gewinnung und Verwendung tierischer Eizellen zur Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden durch das TierSchG verboten werden. Es könnte sich dabei um einen Tierversuch handeln, dessen Durchführung das Tierschutzgesetz im Interesse der betroffenen lebenden Tiere in den §§ 7–9 TierSchG regelt. 1. Versuchscharakter In Abgrenzung zu anderen Maßnahmen liegt ein Tierversuch dann vor, wenn das Verfahren noch nicht zur Praxisreife entwickelt ist und der Versuchscharakter im Vordergrund steht392. Bestehen Zweifel, ob ein Verfahren noch experimentellen 391

Lorz in: Lorz/Mezger, Einf. A, Rn. 1. Deutscher Ethikrat 2011, S. 47.

392

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Charakter hat oder bereits als standardisiert gilt, ist nach dem Gebot der tierfreundlichen Auslegung von einem Tierversuch auszugehen, weil die §§ 7 f. TierSchG das Tier am umfassendsten schützen393. Die Gewinnung tierischer Eizellen sowie deren Entkernung wird zwar schon seit Jahrzehnten durchgeführt, kann jedoch noch nicht als standardisiertes Verfahren gelten, insbesondere nicht, wenn man das gesamte Experiment betrachtet, da sich dieses Vorgehen zum Zwecke der Transplantation eines menschlichen Zellkerns in eine tierische Eizelle definitiv noch im Experimentalstadium befindet. Die Zulässigkeit sämtlicher Arbeitsschritte muss daher nach den Vorschriften für Tierversuche be­urteilt werden394. 2. Versuchsgegenstand Tierversuche im Sinne des § 7 II S. 1 TierSchG sind „Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken 1. an Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere verbunden sein können, 2. an Tieren, die dazu führen können, dass Tiere geboren werden oder schlüpfen, die Schmerzen, Leiden oder Schäden erleiden, oder 3. am Erbgut von Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die erbgutveränderten Tiere oder deren Trägertiere verbunden sein können“.

Kontrovers wird diskutiert, ob die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden als Tierversuch im Sinne des § 7 II S. 1 TierSchG einzuordnen ist. Zu prüfen ist, ob die Entnahme und Entkernung einer tierischen Eizelle und/oder die Implantierung einer menschlichen Körperzelle in eine entkernte tierische Eizelle die vom Tierschutzgesetz statuierten Voraussetzungen erfüllt. a) Hyperstimulation und Eizellentnahme bei den weiblichen Tieren Zunächst könnte die Hyperstimulation der weiblichen Tiere sowie die Entnahme ihrer Eizellen einen Tierversuch i. S. d. § 7 II S. 1 TierSchG darstellen. Der Tatbestand der Nr. 1 wäre erfüllt, wenn bei diesen Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden hervorgerufen werden. Zwar verursachen Hyperstimulation und Eizell­ entnahme mittels Eierstockspunktion gewisse Schmerzen395. Diese sind jedoch als so gering einzustufen, dass sie nicht das von § 7 II S. 1 TierSchG geforderte Maß erreichen. 393

Deutscher Ethikrat 2011, S. 52. Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 139 zum Transfer (fremder) tierischer Zellkerne in entkernte tierische Eizellen. 395 Braun, Das Klonen von Tieren, S. 140. 394

I. Tierschutzgesetz (TierSchG)

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b) Entkernen tierischer Eizellen und Nukleustransfer Fraglich ist weiterhin, wie das Entkernen der Eizelle im Rahmen des § 7 II S.  1  TierSchG zu beurteilen ist. Während geschützter Versuchsgegenstand bei § 7 II S. 1 Nr. 1 TierSchG nur das lebende geborene Tier ist, schützt § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG auch das Erbgut des Tieres, und zwar im Interesse des davon betroffenen (später) geborenen Tieres396. Anders als bei Nr. 1 sind damit auch Eingriffe an Eizellen und Embryonen erfasst, die möglichen Folgen des Versuchs müssen aber für das erbgutveränderte oder das zur Austragung verwendete Tier drohen397. Unter mehreren Aspekten erscheint zweifelhaft, ob § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG einschlägig ist. Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Norm auch Versuche an nicht befruchteten Eizellen erfasst398. Aus dem Wortlaut des § 7 II S.  1 Nr. 3 TierSchG folgt keine ausdrückliche Beschränkung. Nach Sinn und Zweck der Regelung, erbgutveränderte Tiere und deren Trägertiere vor Schmerzen und Schäden zu bewahren, scheint es vielmehr geboten, die Anwendbarkeit der Vorschrift auch für unbefruchtete Eizellen zu bejahen399. Hier lässt sich, wie bei der Interpretation des  ESchG400, mit einem „der Befruchtung vergleichbaren Initialisierungsprozess“ argumentieren. Gegen die Einschlägigkeit des § 7 II S.  1 Nr. 3 TierSchG für die Transplantation des menschlichen Zellkerns in die tierische Eizelle spricht jedoch, dass beim Nukleustransfer das Tatbestandsmerkmal des „Eingriffs am Erbgut“ zweifelhaft ist. aa) Argumente für eine Einbeziehung de lege lata Bejaht wird ein Eingriff am Erbgut mit dem Argument, dass beim Klonieren durch Zellkerntransplantation eine Neukombination mitochondrialer und chromosomaler DNA erfolgt, sodass die Voraussetzungen für eine Erbgutveränderung vorliegen401. Es müsse berücksichtigt werden, dass die Erbinformation des Klons nur zu 99,9 Prozent mit der seines „Originales“ übereinstimmt und 0,1 Prozent der mitochondrialen Erbinformation aus der Eizelle stammt402. Hinzu komme, dass nur eine weite Auslegung dem Zweck des Tierschutzgesetzes gerecht werde403. 396

Lorz in: Lorz/Mezger, Einf. A, Rn. 1. Lorz in: Lorz/Mezger, § 7 Rn. 12. 398 Braun, Das Klonen von Tieren, S. 140. 399 Braun, Das Klonen von Tieren, S. 140. 400 Das  TierSchG muss unabhängig vom  ESchG ausgelegt werden. Nur bezüglich dieses Problems kann dasselbe Argumentationsmuster angewendet werden, weil auch hier ein „Rundumschutz“ durch den Gesetzgeber bezweckt wird. 401 Henze/Zeddies, S. 59; Tierschutzbericht der Bundesregierung 1999, S. 63. Danach liegt eine Behandlung des Erbguts zu Versuchszwecken vor und im Ergebnis ein genehmigungspflichtiger Tierversuch. 402 Braun, Das Klonen von Tieren, S. 140. 403 Hillmer, S. 52. 397

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bb) Argumente gegen eine Einbeziehung de lege lata Überwiegend wird das Tatbestandsmerkmal der Erbgutveränderung jedoch verneint, und zwar mit der Begründung, dass § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG dem Wortlaut nach eine Veränderung am Erbgut erfordere. Dies setze begrifflich bereits vorhandenes Erbgut voraus, welches als solches verändert wird404. Beim Zellkerntransfer erfolge eine solche Veränderung des Erbgutes aber gerade nicht405: Wird der Kern der tierischen Eizelle gegen den Kern einer menschlichen Körperzelle ausgetauscht, liege kein vorhandenes tierisches Erbgut vor, in das eingegriffen werden könnte406. Der komplette Austausch des Erbgutes könne in diesem Sinne nicht als Eingriff am Erbgut verstanden werden407, denn von einem „Verändern“ könne nur dann gesprochen werden, wenn das Objekt erhalten bleibt. Die entkernte Eizellhülle sei jedoch keine Eizelle mehr, sondern nur noch ein Rest davon, sodass weder durch das Entkernen noch durch das Einfügen eines anderen Zellkerns in die Eizellhülle eine Veränderung einer fortbestehenden Zelle gegeben sei408. cc) Stellungnahme Die Auslegung des Begriffs „erbgutverändert“ sollte nach denselben Grundsätzen erfolgen wie im Rahmen des Embryonenschutzgesetzes zu dem gegensätzlichen Begriff „gleiche Erbinformation“. Dort wurde der Meinung gefolgt, dass keine mathematische, sondern eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen ist409 mit dem Ergebnis, dass die 0,1-prozentige Abweichung qualitativ nicht ins Gewicht fällt, sodass beim Nukleustransfer von der gleichen Erbinformation von Zellkernspender und Klon gesprochen werden kann. Konsequenterweise muss deshalb im Rahmen des TierSchG angenommen werden, dass keine Erbgutveränderung vorliegt, sondern das Erbgut des Zellkernspenders lediglich dupliziert wird. Die tierische Eizelle wird entkernt und somit – weitestgehend – von ihrem Erbgut befreit. Dieses wird durch das menschliche Erbgut, die Zellkern-DNA, ersetzt. Demzufolge wird das tierische Erbgut, das in der Eizelle vorhanden ist, nicht im Sinne von § 7 II S.  1 Nr.  3  TierSchG verändert. Das Entkernen der Eizelle sowie der

404 Vesting/Simon in: ZRP 1998, 261 (263); a. A. Caspar, S. 434: Zwar werde durch die Klonierungstechniken nur ein Austausch bzw. eine Vervielfältigung des Zellkerns durchgeführt und nicht im eigentlichen Sinne in die Erbsubstanz eingegriffen, eine unterschiedliche Behandlung zwischen Klonierungsverfahren und gentechnischer Manipulation sei dennoch ungerechtfertigt. 405 Vesting in: Vesting/Simon, S. 263 mit der Folgerung, dass § 7 I Nr. 2 TierSchG nicht eingreife. 406 Braun, Das Klonen von Tieren, S. 140. 407 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 17; Simon, S. 16. 408 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3435). 409 Vgl. Teil 3: A. IV. 2. a).

I. Tierschutzgesetz (TierSchG)

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Transfer des menschlichen Körperzellkerns in die Eizellhülle gilt daher nicht als Tierversuch gemäß § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG410. c) Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in ein Tier zur Austragung Die Implantation eines Mensch-Tier-Zybriden in die Gebärmutter eines Tieres zur Austragung könnte einen Tierversuch im Sinne des § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG darstellen. Das Verbringen des Mensch-Tier-Zybriden in ein Mutter- oder Trägertier ist als Tierversuch zu werten, wenn an diesem ein Eingriff gemäß § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG vorgenommen wird411. Unter Trägertieren sind Empfängertiere zu verstehen, die im Rahmen des für die Weiterentwicklung erforderlichen Transfers einer unbefruchteten oder befruchteten Eizelle beziehungsweise eines Embryos benötigt werden; nicht nur die genetischen, sondern auch die experimentellen Elterntiere fallen darunter412. Das Verbringen der Eizelle bzw. des Embryos in das austragende Tier ist als Eingriff am lebenden Tier zu bewerten413. Zweifelhaft ist, ob dieses für das Tier mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein kann. Die Implantation selbst wird diese Folgen nicht hervorrufen; es könnte jedoch mittelbar dazu kommen, wenn die Geburt des Mischwesens wegen Übergröße oder Missbildungen für das Trägertier schmerzhaft ist414. Allerdings bezieht sich § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG nur auf erbgutveränderte Eizellen und damit auch nur auf die Trägertiere solcher erbgutveränderten Embryonen415. Nicht erfasst werden die Trägertiere von klonierten und nicht erbgutveränderten Embryonen416. Folglich fällt auch der Transfer von Mensch-Tier-Zybriden als nicht erbgutveränderten Klon-Embryonen nicht unter das Verbot des § 7 II S. 1 Nr. 3 TierSchG. § 7 II S. 1 Nr. 2 TierSchG, nach dem solche Eingriffe oder Behandlungen verboten sind, die dazu führen können, dass Tiere geboren werden, die Schmerzen, Leiden oder Schäden erleiden, scheidet bereits deshalb aus, weil Mensch-TierZybriden, die ausgetragen werden sollen, nicht in den Schutzbereich des TierSchG fallen.

410

Braun, Das Klonen von Tieren, S. 140. Braun, Das Klonen von Tieren, S. 141. 412 Lorz/Mezger, § 7, Rn. 12; Schiwy, § 7, S. 3. 413 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 142. 414 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 142; vgl. zu den medizinischen Risiken und Fehlbildungen geklonter Entitäten Teil 2: B. IV. 4. 415 Lorz/Mezger, § 7, Rn. 12; Vesting/Simon in: ZRP 1998, 261 (263); a. A. Caspar, S. 434, der nicht auf das Kriterium der Erbgutveränderung der Embryonen der Trägertiere abstellt. 416 Braun, Das Klonen von Tieren, S. 141. 411

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III. Biotechnische Maßnahmen, § 7 II S. 2 TierSchG In § 7 II S. 2 TierSchG werden biotechnische Maßnahmen geregelt. Die Norm ist erst einschlägig, wenn sich aus dem Versuch ein standardisiertes Verfahren entwickelt hat417. Im Vordergrund steht die wirtschaftliche Verwertung der Verfahren, unter anderem die Herstellung von Arzneimitteln418. Nach dieser Vorschrift gelten auch Eingriffe oder Behandlungen an Wirbeltieren zur Herstellung, Gewinnung, Aufbewahrung oder Vermehrung von Stoffen, Produkten oder Organismen, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein können, als Tierversuche, soweit eine der Voraussetzungen des § 7 II S. 1 Nr. 1 bis 3 vorliegt, und dürfen nur vorgenommen werden, wenn die Maßnahme als unerlässlich und ethisch vertretbar zu bewerten ist. § 7 II S. 2 TierSchG erfasst auch das Verfahren zur Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung, sofern sie massenhaft und typisiert durch standardisierte Maßnahmen hergestellt würden419. Weder die Gewinnung tierischer Eizellen noch deren Entkernung und Fusionierung mit menschlichen Zellkernen noch die Implantation solchermaßen erzeugter Embryonen in den Uterus eines Trägertieres erfüllen jedoch einen der Tatbestände des § 7 II S. 1 Nr. 1–3 TierSchG. Zudem befindet sich die Herstellung von MenschTier-Zybriden bisher im Experimentalstadium, sodass das Kriterium der standardisierten Maßnahme nicht erfüllt wird420. Die Implantation in ein Tier zum Zwecke der Austragung wird nicht einmal angestrebt, also erst recht nicht routinemäßig angewendet421. Demzufolge unterfällt die Herstellung von Mensch-TierZybriden nicht dem § 7 II S. 2 TierSchG.

IV. Verbot der Entnahme von Organen oder Geweben, § 6 I TierSchG Zu prüfen ist, ob die Entnahme der Eizellen aus Tieren einen Verstoß gegen § 6 I TierSchG begründet. Nach dieser Vorschrift ist „das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres“ verboten. Damit wird nicht bereits die Entnahme von tierischen Zellen oder Genen untersagt, sondern erst die von Organen oder Gewebe422. Folglich steht § 6 I TierSchG der Entnahme von Eizellen aus weiblichen Tieren nicht im Wege.

417

Lorz in: Lorz/Mezger, § 10a, Rn.  4 f., der § 10a  TierSchG z. B. für das standardisierte Klonen von Tieren und die bei landwirtschaftlichen Tieren verbreitete Embryonenteilung anwendet; Hirt/Maisack/Moritz, § 10a, Rn. 2. 418 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 141; Lorz in: Lorz/Mezger, § 10a, Rn. 2. 419 Deutscher Ethikrat 2011, S. 53. 420 Deutscher Ethikrat 2011, S. 53. 421 Vgl. auch Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 141. 422 Hirt in: Hirt/Maisack/Moritz, § 7, Rn. 69.

I. Tierschutzgesetz (TierSchG)

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V. Zucht von Tieren, §§ 11, 11b TierSchG Möglicherweise verstößt die Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden und die anschließende Implantation in die Gebärmutter eines Tieres gegen die Verbote der §§ 11, 11b TierSchG. Grundsätzlich besteht für die Zucht von Tieren ein behördlicher Erlaubnisvorbehalt nach § 11  TierSchG. Im Interesse der Tiere wird dem menschlichen Verlangen nach einem bestimmten genetischen Design durch § 11b  TierSchG eine Grenze gesetzt423. So untersagt die Norm Qualzüchtungen und ihr gleichstehende bio- oder gentechnische Maßnahmen. Verboten sind Züchtung und bio- oder gentechnische Veränderungen von Wirbeltieren, wenn aufgrund der Umgestaltung oder Manipulation mit Schmerzen, Leiden oder Schäden an den veränderten Tieren oder deren Nachkommen zu rechnen ist. Weder die Veränderung bereits existierender Tiere durch bio- oder gentechnische Maßnahmen noch die Herstellung eines Tieres mittels Bio- oder Gentechnik gelten als Züchtung im Sinne des § 11b I TierSchG424. Bei der Erzeugung von Mensch-TierZybriden handelt es sich deshalb allenfalls dann um Züchtung, wenn die entstandenen Organismen lebensfähig sind und weiter vermehrt werden425. Mensch-TierZybriden können sich nach derzeitigen Erkenntnissen jedoch nicht bis zur Geburt entwickeln, geschweige denn sich weiter vermehren426. Gemäß § 11 b III TierSchG gilt zudem eine Ausnahme für wissenschaftliche Vorhaben. Allerdings wird der Bereich der Forschung bereits dann verlassen, wenn die Verwendung des Tieres nicht mehr der Gewinnung neuer Erkenntnisse dient, sondern als medizinische Maßnahme die Heilung eines Menschen bezweckt427. Nach alledem scheiden die Verbote der §§ 11, 11b TierSchG in Bezug auf die Erzeugung von Mensch-TierZybriden zu Therapiezwecken aus.

VI. Artgerechte Haltung, § 2 TierSchG Gemäß § 2 TierSchG muss ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden (Nr. 1), wobei seine Möglichkeit zu artgemäßer Versorgung nicht so eingeschränkt werden darf, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (Nr. 2). Weiterhin muss die artgerechte Haltung den Erkenntnissen der modernen Verhaltensforschung bei Tieren genügen und die Entwicklungs- und Anpassungsstufe der jeweiligen Art berücksichtigen (Nr. 3). Die weiblichen Tiere, die zur Eizellentnahme verwendet werden sollen, müssen entsprechend diesen Kriterien untergebracht und gehalten werden. Diese Tiere müssen im Gegensatz 423

Lorz in: Lorz/Mezger, § 11b, Rn. 1. Deutscher Ethikrat 2011, S. 53. 425 Deutscher Ethikrat 2011, S. 53. 426 Vgl. Teil 2: C. III. 7. 427 Lorz in: Lorz/Mezger, § 11b, Rn. 1; § 4 Rn. 9. 424

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

zu anderen Versuchstieren nicht unter pathogen- und keimfreien Bedingungen gehalten werden (was die Tiere vom Weidegang ausschließt und eine besondere Unterbringung erfordert), sodass eine Missachtung des § 2 Nr. 1 TierSchG durch eine angemessene Unterbringung unwahrscheinlich ist428.

J. Tierzuchtgesetz (TierZG) Das Tierzuchtgesetz429 bezweckt nach § 1 II  TierZG die Förderung der Tierzucht, wobei die Leistungsfähigkeit der Tiere unter Berücksichtigung der Vitalität erhalten und verbessert (Nr.  1), die Wirtschaftlichkeit  – insbesondere Wettbewerbsfähigkeit – der tierischen Erzeugung erhöht (Nr. 2) und die genetische Vielfalt erhalten werden soll (Nr.  4)430. Allerdings werden gemäß § 1 I  TierZG nur Handlungen mit landwirtschaftlichen Nutztieren zum Zwecke der Zucht erfasst431. § 3 III TierZG regelt das Anbieten und Abgeben von Eizellen und Embryonen zu Zuchtzwecken, welche in Embryotransfereinrichtungen gewonnen und behandelt werden dürfen432. Da die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden jedoch nicht zu Zuchtzwecken erfolgt, ist das TierZG nicht einschlägig.

K. Strafgesetzbuch (StGB) Schließlich ist an eine Strafbarkeit durch die Erzeugung eines Mensch-TierZybriden, die sich daran anschließende Stammzellentnahme oder eine Implantation in einen Uterus im Ausland nach den Regelungen des Strafgesetzbuches433 zu Auslandsstraftaten, §§ 3–9 StGB, zu denken. Durch die Entnahme von Stammzellen wird der Zybrid-Embryo getötet. Eine Strafbarkeit nach § 7 I StGB lässt sich jedoch nicht begründen, weil diese Norm schon deshalb nicht angewendet werden kann, weil der Embryo (noch) keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, denn für deren Erwerb ist zumindest die Geburt Voraussetzung, vgl. § 3 StAG. Zudem genießt der Mensch-Tier-Zybride nach deutschem Recht entsprechend obigen Ausführungen keinen Schutz. Die Anwendung von § 7 II StGB kommt in Betracht, wenn die Erzeugung, Zerstörung oder Implantation eines Mensch-Tier-Zybriden

428

Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 143. Tierzuchtgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.01.1998 (BGBl. I 1998, S. 145), das zuletzt durch Art. 2 Abs. 85 des Gesetzes vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist. 430 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 138. 431 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 138. 432 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 138. 433 Strafgesetzbuch (StGB) vom 15.05.1871 in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel Artikel 1 des Gesetzes vom 23.04.2014 (BGBl. I S. 410) geändert worden ist. 429

L. Ergebnis zur einfachgesetzlichen Rechtslage de lege lata

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nach dem ausländischen Recht strafbar ist und der Täter zur Tatzeit oder danach deutscher Staatsangehöriger war bzw. wurde (Nr. 1); Gleiches gilt in dem Fall, dass ein Ausländer die Tat begeht, im Inland betroffen und nicht ausgeliefert wurde (Nr. 2)434. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, gilt deutsches Strafrecht. Nach diesem sind Erzeugung, Verwendung und Implantation von Mensch-Tier-Zybriden aber straflos. Gemäß § 9 II StGB ist die Teilnahme an Auslandsstraftaten strafbewehrt, sofern der Teilnehmer innerhalb Deutschlands gehandelt hat. Wird zu einer Straftat von Deutschland aus angestiftet oder Beihilfe geleistet, tritt eine Strafbarkeit nach den einschlägigen deutschen Normen selbst dann ein, wenn die Straf­ taten im Ausland durchgeführt werden und dort nicht mit Strafe bedroht sind435. Erzeugung, Verwendung und Implantation von Mensch-Tier-Zybriden sind jedoch straffrei, sodass auch eine Bestrafung nach § 9 II StGB für im Ausland durchgeführte Taten ausscheidet. Das  StGB begründet somit keine Strafbarkeit für die Zybridenforschung außerhalb Deutschlands.

L. Ergebnis zur einfachgesetzlichen Rechtslage de lege lata Damit lässt sich zusammenfassend Folgendes feststellen:

I. Kein Herstellungsverbot von Mensch-Tier-Zybriden 1. ESchG Ob neuere Methoden zur Gewinnung embryonaler Stammzellen durch das Embryonenschutzgesetz per se verboten werden, wird kontrovers diskutiert. So ist beim therapeutischen Klonen umstritten, ob dieses durch § 6 I ESchG untersagt wird, wenn es mittels Zellkerntransplantation durchgeführt wird. Nach hier vertretener Ansicht verbietet § 6 I ESchG aufgrund teleologischer Auslegung die Herstellung von therapeutischen Zellkerntransfer-Klonen; es genügt, dass ein Embryo mit „nahezu gleicher“ Erbinformation erzeugt wird. Anders verhält es sich jedoch, wenn eine tierische Eizelle verwendet wird. Denn bei Mensch-Tier-Zybri­ den handelt es sich aufgrund der tierischen Eizellhülle nicht um Embryonen im Sinne der Legaldefinition aus § 8 I ESchG, welche auch im Rahmen des § 6 I ESchG Geltung beansprucht. Zudem begründet die Erzeugung im Wege des Nukleustransfers mangels Befruchtungsvorgangs keinen Verstoß gegen das Verbot der Chimären- und Hybrid-Bildung aus § 7 I ESchG. Die Herstellung von Mensch-

434

Rosenau/Linoh in: JZ 2013, 936 (939). Middel, S. 210.

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

Tier-Zybriden begründet somit de lege lata keine Strafbarkeit nach dem ESchG436. Eine analoge Anwendung ist im Bereich des (Neben-)Strafrechts von vornherein nicht statthaft437. 2. GenTG Die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden fällt nicht unter das GenTG. Zwar lässt sich argumentieren, dass dem Wortlaut nach ein gentechnisch veränderter Organismus gem. § 3 Nr. 3 GenTG erzeugt wird. Ein Organismus muss nach § 3 Nr. 1 GenTG allerdings fortpflanzungsfähig sein. Dies trifft auf einen MenschTier-Zybrid, solange er nicht in einen Uterus implantiert wird, nicht zu. Nach dieser Auslegung stellt die Herstellung eines Mensch-Tier-Zybriden keine Erzeugung eines gentechnisch veränderten Organismus dar. Zudem ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Bildung von Mensch-Tier-Zybriden durch das ESchG geregelt werde, welches insoweit allerdings lückenhaft ist. Nach teleologischer Auslegung sollte das GenTG auf den Fall der Zybridenerzeugung daher prinzipiell nicht angewendet werden. 3. GenDG Mensch-Tier-Zybriden in vitro fallen nicht in den Anwendungsbereich des GenDG. 4. TPG Die Spende der menschlichen somatischen Zelle unterliegt nicht dem TPG. 5. BGB Im Hinblick auf die Spende der menschlichen Körperzelle müssen die allgemeinen Grundsätze zur erforderlichen Einwilligung des Patienten oder Probanden nach umfassender Aufklärung (§§ 630d, e BGB) beachtet werden.

436

So auch Heinemann/Kersten, S. 151 f. Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3435).

437

L. Ergebnis zur einfachgesetzlichen Rechtslage de lege lata

205

6. TierSchG Bei der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden handelt es sich nicht um einen Tierversuch i.S.d § 7 I S. 1 Nr. 1 oder 2 TierSchG. Zwar werden von der Vorschrift auch unbefruchtete Eizellen erfasst, die Hyperstimulation weiblicher Tiere sowie die Eizellengewinnung mittels Eierstockspunktion fügen den betroffenen Tieren jedoch keine Leiden oder Schäden zu. Zudem findet an den Eizellen kein „Eingriff in das Erbgut“ statt, wie ihn die Vorschrift verlangt. § 6 I TierSchG verbietet lediglich die Entnahme von Organen und Geweben, nicht jedoch einzelner Zellen, sodass die Eizellengewinnung nicht unter diese Norm fällt. Zudem gilt die Norm nur für massenhaft durchgeführte, typisierte Verfahren. Das Verbot der Qualzüchtung aus § 11b TierSchG findet mangels geschlechtlicher Fortpflanzung keine Anwendung438. Für einen Verstoß der durch § 2 TierSchG geforderten Haltungs­ bedingungen bestehen keinerlei Anhaltspunkte. 7. TierZG Solange die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden nicht zu Zwecken der Zucht erfolgt, ist das TierZG nicht anwendbar. 8. StGB Schließlich greifen die §§ 7 I, II, 9 II StGB im Hinblick auf die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden im Ausland nicht ein, weil keine deutsche Verbotsnorm für die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden einschlägig ist.

II. Kein Verwendungsverbot von Mensch-Tier-Zybriden zur Forschung und Stammzellengewinnung 1. ESchG Die Gewinnung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden sowie ihre Verwendung zu Forschungszwecken wird nicht durch § 2 I ESchG verboten, weil es sich nicht um menschliche Embryonen i.S.d ESchG handelt.

438

Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 144.

206

Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

2. TierSchG Der Mensch-Tier-Zybride selbst lässt sich nicht eindeutig der Gattung „Tier“ zuordnen, sodass er nicht dem Schutz des Tierschutzgesetzes unterfällt.

III. Kein Anwendungsverbot von Stammzellen zur Therapie 1. ESchG Die Verwendung embryonaler Stammzellen, weder humaner noch zybrider, zu gesundheitsorientierten Zwecken wird vom ESchG nicht geregelt 2. StZG Bezüglich humaner embryonaler Stammzellen ist es in Deutschland aufgrund der Regelungen des StZG verboten, diese zu anderen Zwecken als der Forschung zu verwenden (§§ 4, 6  StZG). Konkrete Heilversuche oder therapeutische Behandlungen mit humanen embryonalen Stammzellen sind daher nicht möglich. Auch ist deren gewerbliche oder kommerzielle Nutzung durch die Beschränkung auf Forschungszwecke ausgeschlossen439. Diese Verbote des StZG beziehen sich aber nicht auf Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden. Der Anwendungsbereich des StZG ist nicht eröffnet, da es sich bei Mensch-Tier-Zybriden weder um Embryonen i.S.d § 3 Nr. 4 StZG handelt noch bei den aus ihnen gewonnenen Stammzellen um solche im Sinne des § 3 Nr. 1 StZG. Demzufolge wird die Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden zur therapeutischen Anwendung am Menschen nicht durch das StZG beschränkt, sondern ist vielmehr zulässig. 3. AMG Die Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden wird auch vom AMG nicht erfasst, weil diese keine menschlichen Stammzellen darstellen und nicht einmal humane embryonale Stammzellen unter das AMG fallen, wenn es sich um unbehandelte Stammzellen handelt.

439

Brewe, S. 186.

L. Ergebnis zur einfachgesetzlichen Rechtslage de lege lata

207

4. TPG Da das  TPG nur die Entnahme und Übertragung menschlicher Organe und Gewebe auf Menschen erfasst, ist es bei der Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden nicht einschlägig.

IV. Kein Im- und Exportverbot für Mensch-Tier-Zybriden § 2 I ESchG statuiert mangels Qualifikation als „menschlicher“ Embryo kein Importverbot für Mensch-Tier-Zybriden nach Deutschland. Ebenso wenig wird der Export untersagt, weder aus Deutschland heraus noch  – i. V. m. § 7 II oder §§ 3,9 StGB – aus dem Ausland.

V. Kein Importverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden Aufgrund der Nichtanwendbarkeit des  StZG auf ES-Zellen aus Mensch-TierZybriden wäre deren Import unabhängig von der Stichtagsregelung und den weiteren Voraussetzungen der §§ 4 bis 6 StZG – die schon deshalb nicht erfüllt wären, weil Zybride nicht mittels In-vitro-Fertilisation erzeugt werden – zulässig. Die §§ 3, 9 StGB stehen einem Import embryonaler Stammzellen aus MenschTier-Zybriden nicht entgegen, weil die Einfuhr nach deutschen Recht straflos ist.

VI. Kein Implantationsverbot für Mensch-Tier-Zybriden 1. ESchG Schließlich fällt die Implantation eines Mensch-Tier-Zybriden in die Gebärmutter einer Frau oder eines Tieres nicht unter das Verbot des § 1 I Nr. 1 ESchG, weil es sich nicht um eine menschliche, sondern um eine tierische Eizelle handelt, die übertragen wird. Die Subsumtion unter § 1 I Nr. 7 Nr. 7 ESchG scheitert daran, dass der erzeugte Mensch-Tier-Zybrid nicht als menschlicher Embryo qualifiziert werden kann. § 6 II  ESchG ist nicht anwendbar, weil ein Mensch-TierZybrid keinen gemäß § 6 I ESchG hergestellten Klon darstellt. Das Transferverbot des § 7 II Nr. 1 ESchG bezieht sich lediglich auf echte Hybridwesen, die aus Gametenfusion entstanden sind, nicht aber auf solche, die durch Nukleustransfer erzeugt wurden.

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Teil 3: Die einfachgesetzliche Rechtslage der Zybridenforschung de lege lata 

2. TierSchG Da es sich bei Mensch-Tier-Zybriden nicht um erbgutveränderte Embryonen handelt, stellt auch die Implantation eines Zybrides in die Gebärmutter eines Tieres zum Zwecke der Austragung keinen Tierversuch i.S.d § 7 I Nr. 2 TierSchG dar.

VII. Fazit Nach den geltenden einfachen Gesetzen ist die Herstellung von Mensch-TierZybriden in Deutschland ebenso wenig verboten wie ihre Verwendung zur Forschung oder zur Gewinnung von Stammzellen. Ebenfalls straflos bleibt die Implantation derartiger Entitäten in die Gebärmutter eines Tieres, einer Frau oder in einen künstlichen Uterus. Auch der Im- und Export von Mensch-Tier-Zybriden oder aus ihnen gewonnenen Stammzellen ist de lege lata straffrei. Diese Ergebnisse laufen allerdings der gesetzgeberischen Intention, insbesondere des ESchG, zu­wider, was sich bei einer Gesamtbetrachtung der Gesetze zeigt. Das ESchG pönalisiert in § 6 ESchG den Nukleustransfer zur Erzeugung rein menschlicher Klone440. In § 7 I ESchG wird die Chimären- und Hybrid-Bildung, bei der menschliche Embryonen oder menschliche Gameten verwendet werden, verboten. Diese wird in Deutschland fast einhellig abgelehnt441. Laut Gesetzesmaterialen zum ESchG soll die Menschenwürde des Art. 1 I S. 1 GG geschützt werden, die durch die Anwendung derartiger Techniken in besonders schwerer Weise verletzt würde442. Auch das Europäische Parlament hatte sich in seiner Entschließung zu den ethischen und rechtlichen Problemen der Genmanipulation schon 1989 für ein strafbewehrtes Verbot der Chimären- und Hybrid-Bildung unter Beteiligung menschlicher Embryonen oder Gameten ausgesprochen443. Bedenkt man, dass der Gesetzgeber sowohl den Zellkerntransfer als auch die Vermischung menschlicher und tierischer Gene in einer neu erzeugten Entität umfassend verhindern wollte, liegt der Schluss nahe, dass es sich bei der Regelungslücke im Hinblick auf MenschTier-Zybriden um ein Versehen handelt444. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Embryonenschutzgesetzes im Jahre 1990 die Technik des 440

Vgl. Teil 3: A. III. 4. a) bb) und A. IV. 2. Bereits Benda-Kommission 1985, S. 33 f.; Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines ESchG des Arbeitskreises „Ethische und rechtliche Fragen der Humangenetik“ der MaxPlanck-Gesellschaft vom 04.02.1987 und der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 09.03. 1987; Gröner in: Günther/Keller, S. 293 f.; Bernat, S. 265; Deutsch in: MDR 1985, 182 (182); Eser in: Braun/Mieth/Steigleder 1987, S. 145 f.; einschränkend jedoch 1989, S. 265; Gröner in: Günther/Keller, S. 312 f.; Jung in: ZStW 100, 3 (34); Kaufmann in: FS Oehler, S. 667; Starck, 1986, A 46; Zierl in: DRiZ 1986, 161 (166); Zierl in: DRiZ 1986, 310 (310). 442 Begründung zu § 7 RegEntwESchG, BT-Drs. 11/5460, 12; Begründung zu § 8 DE ESchG (abgedruckt bei Günther/Keller, S. 362; Benda-Kommission 1985, S. 35. 443 Entschließung vom 16.03.1989, abgedruckt in: Europäisches Parlament, S. 17. 444 Vgl. hierzu die Ausführungen in Teil 3: C. II. 2. 441

L. Ergebnis zur einfachgesetzlichen Rechtslage de lege lata

209

Transfers menschlicher Zellkerne in tierische Eizellen noch nicht angewendet wurde445. Dem Gesetzgeber war die Möglichkeit, auf diese Weise Mensch-TierMischwesen zu erschaffen, also nicht bewusst. Andernfalls hätte er auch diesen Fall explizit geregelt, sodass es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelt. Wegen des strafrechtlichen Analogieverbots kann diese nicht im Wege der Rechtsanwendung geschlossen werden. Damit stellt sich die Frage, ob gesetzliche Einschränkungen von Verfassungs wegen geboten oder zumindest möglich sind.

445

Dies gelang erstmals in den Jahren 2002/2003, vgl. Teil 2: C. III. 3.

Teil 4

Verfassungsrechtliche Würdigung von Herstellung, Verwendung, Import und Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Die deutsche Rechtsordnung basiert auf einer Freiheitsvermutung, nach der alles erlaubt ist, was nicht hinreichend deutlich durch einen legitimierten Gesetz­ geber verboten wird1. Die vorstehende Analyse hat zu dem Ergebnis geführt, dass sowohl die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden als auch ihre Verwendung, ihre Implantation in einen Uterus sowie der Im- und Export solcher Entitäten und aus ihnen gewonnenen Stammzellen nach derzeitiger Rechtslage keinerlei Beschränkungen unterliegt. Es stellt sich die Frage, ob eine Änderung der Rechtslage verfassungsrechtlich geboten oder lediglich politisch zweckmäßig und wünschenswert ist. Maßstab für ein Tätigwerden des Gesetzgebers bildet das Grundgesetz, aus dem sich eine Schutzpflicht des Staates herleiten lassen müsste2.

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten Die Bedrohung von Rechtsgütern führt zu einer objektiven Verpflichtung des Staates zum positiven Tätigwerden3. Der Staat ist verpflichtet, die Forschung an und mit Mensch-Tier-Zybriden zu verbieten, wenn eine Schutzpflicht für Rechtsgüter besteht, die angesichts der aufgeführten Bedenken und Risiken durch die Erzeugung derartiger Entitäten gefährdet sein könnten. Die dogmatische Begründung staatlicher Schutzpflichten ist strittig. Zunächst wurden sie von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für ganz bestimmte Bereiche entwickelt4, später hat dieses auch eine allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht anerkannt5. Manchmal wird sie aus den objektiven Wertentscheidungen der Verfassung abgeleitet6, 1

Taupitz in: Wobus et al., S. 176. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 150. 3 BVerfGE 56, 54 (81). 4 Isensee, HbStR V, § 111, Rn. 77 für das Wächteramt des Staates über die Ausübung des Elternrechts, den Schutz des ungeborenen Kindes vor Abtreibung, die Sicherheitsvorkehrungen gegen Anschläge des Terrorismus, die Rechtfertigung der Strafvollstreckung und den Schutz vor Immissionen und sonstigen Risiken technischer Anlagen. 5 BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164); 49, 24 (53); 49, 89 (142). 6 z. B. BVerfGE 49, 24 (56); 49, 89 (141 f.): dort wird auch auf Art. 1 I S. 2 GG Bezug genommen, jedoch deshalb, weil in diesem Artikel das Schutzgebot am deutlichsten zum Ausdruck komme; 77, 170 (214). 2

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

211

manchmal aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Einzelgrundrechts7. Zum Teil wird flankierend auf Art. 1 I S. 2 GG hingewiesen8, in anderen Entscheidungen Art. 2 II i. V. m. Art. 1 I S. 2 GG genannt9. Ob sich daraus Differenzierungen ergeben, ist fraglich, aber eher unwahrscheinlich10. Von der Literatur werden staatliche Schutzpflichten teils auf die objektivrechtlichen, teils auf die abwehrrechtlichen Dimensionen11 der Grundrechte gestützt. Die wohl vorherrschende Meinung geht davon aus, dass die objektive Wertentscheidung des Art. 1 I S. 2, III GG den Staat dazu verpflichtet, auch für eine (vorbeugende)  Verhinderung von Grundrechtsverletzungen zu sorgen, und leitet die Schutzpflicht insbesondere aus der objektiv-rechtlichen Dimension des Art. 2 II S. 1 GG ab12. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass Schutzpflichten auch bei anderen Grundrechten in Betracht kommen13. Bejaht werden muss eine staatliche Schutzpflicht, wenn ein rechtswidriger Eingriff eines Privaten in ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut vorliegt oder die Gefahr eines solchen Grundrechtseingriffs besteht14. Wird der Tatbestand eines Grundrechtseingriffs oder einer Grundrechtsgefährdung erfüllt, besteht für die nach Art. 1 III GG grundrechtsgebundene Staatsgewalt in allen Erscheinungen die Pflicht, die grundrechtlichen Güter mit zwecktauglichen rechtsstaatlichen Mitteln, dem jeweiligen Bedarf entsprechend, wirksam zu schützen, wobei diese Aufgabe aufgrund der Komplexität der zu regelnden Konflikte weitgehend dem Gesetzgeber vorbehalten ist15. Bei der Prüfung des Bestehens einer objektiven Schutzpflicht sind die Qualität der Gefahr zu überprüfen sowie die Qualität des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgutes. Je bedeutsamer ein Schutzgut ist und je weniger sich der Betroffene wehren kann, desto größer ist die staatliche Schutzpflicht. Hier geht es um vier Regelungszusammenhänge: Entstehung des Mensch-TierZybriden, Forschung und Stammzellengewinnung, Import von Zybriden und aus ihnen gewonnenen Stammzellen sowie Transfer in einen Uterus, denen konfligierende Verfassungswerte gegenüberstehen, insbesondere die Forschungsfreiheit.

7

Vgl. BVerfGE 53, 30 (57); 56, 54 (73). Z. B. BVerfGE 45, 187 (254 f.). 9 Z. B. BVerfGE 46, 160 (164); BVerfG, NJW 1995, 2343; BVerfG, NJW 1996, 651. Vgl. auch Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV, S. 937 f. 10 Ablehnend Iliadou, S. 152; vgl. Giwer, S. 86; Zusammenfassung bei Schneider, S. 85 f. 11 Murswiek in: WiVerw 1986, 179 (193). 12 Vgl. Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV; Isensee in: Isensee/Kirchhof, HbStR V, § 111, Rn. 61 f, 119 f.; Iliadou, S. 145–149 m. w. N. 13 Lang in: BOK GG, Art. 2, Rn. 27. 14 Isensee, HbStR V, § 111, Rn. 89. 15 BVerfGE 56, 54 (70 f.). 8

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

I. Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden Es stellt sich die Frage, ob der Staat einer Schutzpflicht für die heutige Bevölkerung oder zukünftige Generationen in der Weise nachzukommen hat, dass eine gesetzliche Reglementierung der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden erlassen werden muss. Das verfassungsrechtliche Spannungsfeld besteht zwischen allen im Rahmen der Zybridforschung potenziell Beteiligten: den menschlichen wie tierischen Spendern der relevanten Gene oder Zellen, den Empfängern der verschiedenen biologischen Materialien (Patienten), den neu geschaffenen Individuen und möglicherweise der Menschheit als solcher16. Die Erzeugung von Mensch-TierZybriden könnte Grundrechte der menschlichen Körperzellspender gefährden sowie wegen der Verwendung tierischer Eizellen Aspekte des Tierschutzes berühren. Auch ist eine Schutzpflicht des Staates für die produzierten Mensch-Tier-Zybriden in Erwägung zu ziehen. Schließlich kommt eine Beeinträchtigung der Menschenwürde des Art. 1 I S. 1 GG in einem überindividuellen Sinne in Betracht. 1. Staatliche Schutzpflicht für die menschlichen Körperzellspender Zunächst ist der Spender der Körperzelle zu betrachten. Dieser kann, muss aber nicht identisch mit dem Patienten sein, auf den zybride Zellen transplantiert werden sollen. Meistens wird dies der Fall sein, weil es gerade darum geht, patientenspezifische, immunkompatible Zellen und Gewebe zu erhalten. Denkbar ist aber auch, dass Freiwillige ihre Zellen zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen. a) Leben und Gesundheit (Art. 2 II S. 1 GG) Es kommt eine Gefährdung der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit der Körperzellspender in Betracht. aa) Schutzbereich Zunächst müsste der Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG eröffnet sein. (1) Persönlicher Schutzbereich Nach Art. 2 II S. 1 GG steht jedem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu. Inhaber des Grundrechts sind also alle natürlichen Personen, sodass die Spender der Körperzellen dem persönlichen Schutzbereich unterfallen. 16

Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 143.

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

213

(2) Sachlicher Schutzbereich Sachlich schützt die Norm das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die biologisch-natürlichen Voraussetzungen für die im Grundrechtskatalog genannten geistigen, ideellen, kulturellen und wirtschaftlichen Verwirklichungsmöglichkeiten des Grundrechtsträgers, welche im Wertesystem der Grundrechte Teilwerte im Verhältnis zum allgemeinen Wert des menschlichen Lebens aus Art. 2 II S. 1 GG darstellen17. Körperliche Unversehrtheit liegt vor, wenn der Körper keinerlei äußeren und inneren Fremdeinflüssen auf seine Funktionen oder seine Substanz ausgesetzt ist18. Dabei bedeutet es vor allem Gesundheit im biologisch-physiologischen Bereich19, also Integrität der körperlichen Substanz. Gesundheit in diesem Sinne meint die Freiheit von Schmerz20. Werden „verworfene“ Operationsmaterialien verwendet, geht es nicht um die Entnahme von Zellen, sondern nur um deren Weiterverwendung, sodass der Schutzbereich in solchen Fällen nicht eröffnet ist. Die Entnahme von Körperzellen als zielgerichtete Spende außerhalb medizinisch indizierter Operationen hingegen fällt in den Schutzbereich. bb) Eingriff Weiterhin müsste ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen oder drohen. Auch bei einer ärztlichen Behandlung, bei welcher die körperliche Unversehrtheit zu Heilungszwecken zunächst geschädigt wird, liegt ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit vor21. Nicht nur wegen des Autonomiegehalts des Grundrechts, sondern auch wegen des Schutzes der Würde und der Freiheit des Menschen22 kann es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff vorliegt oder nicht, auf die Zielsetzung des Eingriffs nicht ankommen. cc) Eingriffsrechtfertigung durch Einwilligung Allerdings kann die Einwilligung bei voller Subjektstellung des Betroffenen einen solchen – von seiner Intention her positiven – Eingriff rechtfertigen23. Die 17

Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 152. Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 29. 19 BVerfGE 56, 54 (73); Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 II GG, Rn. 55. 20 Epping/Hillgruber in: Beck’scher OK, Art. 2 II S. 1 GG, Rn. 62. 21 Vgl. BVerfGE 52, 131 (171 [173 f.; 175 f.; 177 f.]) – Sondervotum Hirsch, Niebler, Steinberger; 89, 120 (130); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2, Rn. 219; Schulze-Fielitz, in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 51, 55 f.; Lorenz, HStR VI § 128 Rn. 64; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 65.  22 Vgl. BVerfGE 52, 131 (171 [173 f.; 175 f.; 177 f.]) – Sondervotum Hirsch, Niebler, Steinberger; Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 II GG, Rn. 55. 23 BVerfGE 5, 13 (15); 52, 131 (169 f.); KG, Beschl. v. 23. 12. 1988, NJW 1987, 2311; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 67a; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 395. 18

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Rechtsordnung konzentriert sich deshalb auf die Sicherung der kognitiven Voraussetzungen freier Willensentschließung24. Die Einwilligung muss bewusst und freiwillig vorgenommen werden und zuvor eine ärztliche Aufklärung über mögliche Risiken stattgefunden haben25. Die Entnahme einer Körperzelle stellt also zunächst einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Spenders dar, der durch eine wirksame Einwilligung gerechtfertigt werden kann. Die Einwilligung des Körperzellspenders zur Benutzung seiner Zellen ist nur dann möglich, wenn man dem Patienten oder Körperzellspender nicht seine Dispositionsbefugnis über die Verwendung seiner Körperzellen abspricht. Es stellt sich die Frage, ob das Rechtsgut der körperlichen Integrität seine vollumfängliche Disponibilität durch den Grundrechtsträger verliert, wenn die Einwilligung in einem menschenverachtenden Kontext steht. So wird argumentiert, die Würde des Menschen sei immer auch ein Schutz der Gattung vor den Selbstgefährdungen einer sittlich richtungslosen Freiheit, weshalb das Dispositionsrecht über den Körper dort ende, wo der objektive Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde in Rede steht26. Sofern man in der Nutzung der Körperzellen zur Zybriden-Herstellung eine Menschenwürdeverletzung erblickt, wäre eine Einwilligung in die Spende nicht möglich. Stützen ließe sich eine Verletzung des Art. 1 I S. 1 GG durch die Erwägung, dass die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden die Identität und Unverfälschtheit des Menschen elementar angreift27. Solange deren Herstellung keine reproduktiven Zwecke verfolgt, wird das genetische Material des Zellkernspenders jedoch nicht in dem Sinne dupliziert, dass ein lebender Klon geboren wird, dessen Genotyp mit dem des Zellkernspenders (nahezu) identisch ist. Ebenso wenig kann diese genotypische Ausstattung weiter vererbt werden, wenn der Mensch-Tier-Zybride in vitro verbleibt und nach einer gewissen Zeit, wie zum Zwecke der Stammzellengewinnung, zerstört wird. Eine Würdeverletzung des Spenders der duplizierten Chromosomen oder der Menschheit als Ganzer scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Perspektive zum Heranreifen eines Menschen fehlt28. Weiterhin könnte man befürchten, dass sich ein Trend zur Kommerzialisierung menschlicher Körperzellen entwickelt, wenn für Klonexperimente menschliche Zellen in hohem Maße benötigt würden und der menschliche Körper damit zur Ressource transformiert. Weitere, wenn auch mittelbare, Risiken könnten unter anderem in der mangelnden Freiwilligkeit der Spende oder dem Fehlen der informierten Einwilligung liegen sowie in der Ausnutzung von Notsituationen von Menschen, insbesondere in armen Ländern29. Dies ist jedoch nicht wahrscheinlich und ließe sich durch strenge Überprüfung wirksamer Einwilligungen leicht verhindern. Eine Verletzung der Menschenwürde der Spender durch ein freiwilliges und selbstbestimmtes ZurVerfügung-Stellen von Zellen ist jedenfalls nicht ersichtlich. Die Einwilligung in 24

Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 II GG, Rn. 55. Vgl. zu Einwilligung und Aufklärung gem. §§ 630d, e BGB: Teil 3: G.  26 Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 II GG, Rn. 70. 27 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art 1 I GG, Rn. 107.; vgl. auch Schröder/Taupitz, S. 10. 28 Ipsen in. JZ 2001, 989 (996); anders Höfling in: Sachs GG, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 25. 29 Vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (94) zur Spende von Eizellen. 25

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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die Verwendung von Körperzellkernen zum Transfer in tierische Oozyten kann somit wirksam erteilt werden, jedenfalls, wenn dieses im rein therapeutischen Kontext geschieht. dd) Ergebnis Sofern der Körperzellspender umfassend über die Verwendung seiner Zellen zur Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden aufgeklärt wird, kann er wirksam in die Zellspende einwilligen. In diesem Fall ist die an ihm bei der Entnahme der Körperzelle vorgenommene Körperverletzung i.S.d Art. 2 II S. 1 GG gerechtfertigt. Demzufolge lässt sich keine staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 II S. 1 GG im Hinblick auf die menschlichen Körperzellspender ableiten. b) Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) Bei der Weiterverwendung menschlicher Körpermaterialien, die nach einem operativen Eingriff anfallen, ist grundsätzlich dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Spenders Rechnung zu tragen30. Dessen Herleitung ist umstritten, entweder wird es auf Art. 2 II S. 1 GG oder Art. 2 I S. 1 GG gestützt oder es wird auf das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG rekurriert31. Jedenfalls ist dieses Recht allgemein anerkannt, sodass der Streit rein dogmatischer Natur ist. Vorzugswürdig erscheint es, auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht abzustellen, weil dieses der hohen Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts besser gerecht wird als das subsidiäre Auffanggrundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit inhaltlich weniger passend erscheint32. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Privatsphäre des Einzelnen einschließlich der Befugnis, Entscheidungen in eigener Verantwortung, also ohne Druck oder gar Zwang, zu treffen33. Eine Verletzung des individuellen Selbst­ bestimmungsrechts wird durch eine wirksame Einwilligung zur Nutzung der „verworfenen“ Zellen für Klonexperimente ausgeschlossen. Dieses könnte nur dann verletzt werden, wenn die Spendenbereitschaft durch staatlichen Druck oder durch Zwangswirkungen von Privaten beeinflusst wird34. Anreize sind grundsätz 30

Vgl. Taupitz in: JZ 1992, 1089 (1093). Spickhoff, Art. 1, Rn. 9. 32 Quaas/Zuck, § 2, Rn. 35. 33 BVerfGE 27, 1 (6) = NJW 1969, 1707; Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2, Rn. 128, 147 f. m.w. Nachw. 34 Ständ. Rspr., vgl. BVerfGE 90, 263 (270) = N W 1994, 2475; BVerfGE 82, 236 (269) = NJW 1991, 91. 31

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

lich legitim, soweit sie nicht zu einer Beeinträchtigung des individuellen Selbstbestimmungsrechts führen35. Erfolgt die Einwilligung nach einer umfassenden Aufklärung frei und selbstbestimmt, scheidet eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Spender „verworfener“ Operationsmaterialien aus, sodass keine staatliche Schutzpflicht ausgelöst wird. 2. Staatliche Schutzpflicht für die tierischen Eizellspender In Betracht kommt eine staatliche Schutzpflicht für die weiblichen Tiere, die zur Eizellengewinnung herangezogen werden. a) Art. 74 I Nr. 20 GG Aus Art.  74 I GG, welcher enumerativ die Gebiete aufführt, auf die sich die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt, könnte sich eine Pflicht des Staates zum Tätigwerden ergeben,. Eines der Gebiete ist der Tierschutz in der Nr. 20 („… sowie den Tierschutz“). Die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung aus der Kompetenznorm des Art. 74 GG begründet allerdings keine Pflicht zum Erlass von Gesetzen durch den Bund, sie steht vielmehr in dessen Ermessen, soweit nach Art. 72 II GG ein Bedürfnis besteht36. Aus der Norm leitet sich daher keine staatliche Schutzpflicht zugunsten der tierischen Eizellspender ab. b) Art. 20a GG aa) Schutzgewährungen Nach Art. 20a GG schützt der Staat „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“. Damit wird der Tierschutz als Staatszielbestimmung verfassungsrechtlich verankert. Staatszielbestimmungen stellen objektives Verfassungsrecht dar37, welches der Staatstätigkeit, insbesondere der Gesetzgebung, die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung sachlich umschriebener Aufgaben, also bestimmter Politikziele, vorschreibt38. Sie verkörpern keine normativ-unmittelbar umsetzbaren Schutzgewährleistungen, sondern rangieren eher beim Verfassungsauftrag bzw. bedingen in je 35

Bausch/Kohlmann in: NJW 2008, 1562 (1563). Münch in: Münch/Kunig, Art. 72, Rn. 18; Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 74, Rn. 18. 37 Uhle in: URP 1996, 55 (55). 38 BVerfGE 77, 170 (214). 36

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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dem Falle die gesetzgeberische Umsetzung, wobei der Gesetzgeber im Rahmen einer Staatszielbestimmung über ein deutlich höheres Maß an Gestaltungsfreiheit verfügt als beim Verfassungsauftrag39. Im Unterschied zu Programmsätzen richtet sich eine Staatszielbestimmung nicht nur an den Gesetzgeber, sondern bindet auch vollziehende Gewalt und Rechtsprechung40. Verpflichtungsadressat des „Tierschutzes“ sind somit alle drei Staatsgewalten: Die Legislative erhält einen Handlungsauftrag, sich der Belange des Tierschutzes anzunehmen und im Einzelfall – etwa zwischen kollidierenden Grundrechten und dem Tierschutz – die gebotene Güterabwägung vorzunehmen, also den Tierschutz einfachgesetzlich zu konkretisieren, und ist damit primärer Adressat41. Für die Exekutive ist die Bestimmung des Art. 20a GG bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe relevant. Zudem nimmt sie Einfluss auf die Betätigung des behördlichen Ermessens im Rahmen der Gesetzesanwendung. Der Rechtsprechung kommt vor allem die Aufgabe zu, die Ermessensausübung und die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung zu kontrollieren42. Ferner ist die Staatszielbestimmung „Tierschutz“ nur begrenzt justiziabel43. Wie aus der  amtlichen Begründung  zur Verfassungsnovelle vom 26.07.2002 ersichtlich, soll sie die folgenden drei Gewährleistungselemente enthalten: „den Schutz der Tiere von nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden sowie der Zerstörung ihrer Lebensräume“44. Damit ergibt sich eine Verpflichtung, die Lebensbedingungen der Tiere zu bewahren und nach Möglichkeit weiter zu verbessern45. Dies schließt keineswegs aus, dass für die Herstellung von Lebensmitteln und anderen Gebrauchsgegenständen Tiere getötet oder dass ihnen etwa bei Tierversuchen Schmerzen zugefügt werden46. Die Verfassung verlangt allerdings, diese Leiden auf das unbedingt erforderliche Minimum zu reduzieren, was hinreichende Kenntnisse über Schmerzempfinden und Leidensfähigkeit der Tiere voraussetzt sowie eine Abwägung, bei der das Bemühen im Mittelpunkt stehen muss, unnötige Leiden zu vermeiden47. bb) „Individualtierschutz“ unter Art. 20a GG? Art. 20a GG umfasst unumstritten den Schutz der Tiere als Gattung48. Kontrovers wird diskutiert, ob auch das einzelne Tier Schutz genießt. Der Versuch, Tiere in ihrer konkret-individuellen Existenz- und Lebensweise verfassungsrechtlich 39

Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 46. Bernsdorff in: NuR 1997, 328 (330); Tremmel/Leukemann/Lux in: ZRP 1999, 432 (434). 41 Hillmer, S. 207. 42 Hillmer, S. 207. 43 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 49, 53 f., 78. 44 Vgl. BT-Drs. 14/8860, S. 3. 45 Huster/Rux in: BOK GG, Art. 20a GG, Rn. 26. 46 Huster/Rux in: BOK GG, Art. 20a GG, Rn. 26. 47 Huster/Rux in: BOK GG, Art. 20a GG, Rn. 26. 48 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 253. 40

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zu schützen, knüpft an die Vokabel vom Tier als „Mitgeschöpf“ des Menschen an, versucht also aus dieser Form von „Mitgeschöpflichkeit“ den Schutz des einzelnen Tieres in seiner realen Existenz abzuleiten49. Art. 20a GG wird allerdings ausdrücklich in den „Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung“ eingefügt 50. Darüber wird auch der Tierschutz als Staatszielbestimmung in den Gesamtzusammenhang der verfassungsrechtlichen Werteordnung gestellt und empfängt erst dadurch seine konkrete Schutzreichweite51. Das bedeutet, dass das Gesamtsystem der Verfassung und damit auch ihr tragendes Prinzip, nämlich das in Art. 1 I S. 1 GG wurzelnde anthropozentrische Menschenbild des Grundgesetzes, für den Bereich des Tierschutzes ebenso maßgebende Direktive wie ausschließlicher Ausgangsund Bezugspunkt bleibt52. Das anthropozentrische Menschenbild stellt im Grunde schon die Voraussetzung der Verfassung selbst dar, über die keine gesetzte Rechtsordnung hinwegführen kann, und steht mit Recht im Sinne des Art. 1 I S. 1 GG unter dem Unabänderlichkeitsvorbehalt des Art. 79 III GG53. Die anthropozentrische Ausrichtung des GG hat ausschließlich den Schutz des Menschen und nicht der anderen Lebewesen zum Ziel54. Damit scheidet jede Form der Rechtssubjektivierung oder Personalisierung von Sachen, Bestandteilen der Natur oder der sonstig real-gegenständlichen Welt aus55. Bereiche der Natur, von der Pflanze über Luft und Wasser bis hin zu den Tieren, können nie in eigene Rechtssubjektivität erstarken, etwa mit der Maßgabe, dass diesen kraft eigener Rechtsfähigkeit oder Quasi-Rechtsfähigkeit auch das „Recht zu eigenen Rechtsbeziehungen mit dem Menschen“ eingeräumt werden könnte56. Hierüber führt auch das Wort von der „Mitgeschöpflichkeit“ der Tiere nicht hinweg. „Mitgeschöpflichkeit“ besteht ausschließlich in biologischer, nicht aber in rechtlicher Hinsicht. In dieser verbleibt es bei der ausschließlichen „Geschöpflichkeit“ des Menschen und seiner Rechtssubjektivität sowie rechtlichen Verantwortung, wobei zur dieser qua Rechtssetzung naturgemäß auch Verpflichtungen gegenüber Tieren gehören57. Derartige Verantwortlichkeiten wurzeln aber nicht im Menschenbild des Grundgesetzes und können aus diesem nicht abgeleitet und somit auch nicht verfassungsrechtlich postuliert werden. In diesem Sinne existiert keine der Würde des Menschen gegenüberzustellende „Würde der Kreatur“, die eigenständige Rechtsqualität be-

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Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 72 f., 50 f. Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 39. 51 Vgl. BT-Drs. 14/8860, S. 3. 52 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 39. Der Begriff Anthropozentrik meint, dass der Mensch in seiner Rechtssubjektivität ausschließlicher Bezugs- und Zuordnungspunkt für jede verfassungsrechtliche Gewährleistung ist. 53 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 40. 54 VG Frankfurt: NJW 2001, 1295 (1296). 55 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 39. 56 Vgl. Steinberg, S. 63 ff.; Löwer, in: Thiele, S. 42 ff.; Obergfell in: ZRP 2001, 195; Kloep­ fer in: JZ 86, 208 f.; Sommermann, in: Münch/Kunig, Art. 20a, Rn. 22; Scholz in: Maunz/ Dürig, Art. 20a GG, Rn. 53. 57 Vgl. auch Löwer, in: Thiele, S. 43 ff; Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 53. 50

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sitzt, und auch die These vom „ethisch gebotenen Tierschutz“ lässt sich nicht im Kontext des grundgesetzlichen Menschenbildes bzw. des Satzes von der Unantastbarkeit der Menschenwürde verorten58. Art. 20a GG begründet vor diesem Hintergrund keine „Eigenrechte“ von Tieren59 und es existiert kein grundrechtlicher „Individual-Tierschutz“60. Das Staatsziel „Tierschutz“ verlangt ausschließlich in objektiv-rechtlicher Qualität, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Tiere zu treffen61. Dies gilt wiederum für alle drei Schutzelemente des Art. 20a GG, also für „den Schutz der Tiere vor nicht artgerechter Haltung, vor vermeidbaren Leiden sowie vor der Zerstörung ihrer Lebensräume“62. cc) Verfassungsmäßigkeit der Eizellengewinnung aus Tieren Es stellt sich die Frage, ob die Gewinnung tierischer Eizellen und ihre Verwendung zur Mensch-Tier-Zybrid-Forschung mit dem objektiv-rechtlichen Schutz­ gehalt des Art. 20a GG zu vereinbaren ist. Einige bezeichnen es als „Instrumentalisierung des Tieres“63, das zur Eizellspende herangezogen wird, um Stammzellen zu produzieren. Weil Tiere jedoch, wie aufgezeigt, über keinen eigenen grundrechtlichen Schutzstatus verfügen, kann aus Art. 20a GG im Lichte dieser Auslegung kein unmittelbarer juristischer Schutzanspruch zugunsten einzelner Tiere abgeleitet werden64. Selbst wenn man in der Verwendung tierischer Eizellen zur Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden die Instrumentalisierung eines Tieres erblickt, kommt diesem kein verfassungsrechtlicher Würdeschutz zu. Darüber hinaus lösen weder die Hyperstimulation noch die Entnahme von Eizellen mittels Eierstockspunktion bei den betroffenen Tieren Schmerzen oder Leiden aus, die außer Verhältnis zum Versuchszweck stünden und damit über das Erforderliche hinausgingen. Auch sind anders als bei klonierten Tieren keine besonderen Haltungsbedingungen65 nötig, sodass der Tierschutz durch die Gewinnung tierischer Eizellen nicht in der Weise beeinträchtigt wird, dass diese verboten werden müsste.

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Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 74. So auch Caspar, S. 323. 60 Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 76. 61 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 76. 62 Vgl. BT-Drs. 14/8860, S. 3. 63 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 154. 64 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 20a GG, Rn. 65. 65 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 253 f. 59

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3. Staatliche Schutzpflicht für die zu erzeugenden Mensch-Tier-Zybriden Weiterhin könnte eine staatliche Schutzpflicht für die zu erzeugenden MenschTier-Zybriden selbst bestehen. Als möglicherweise verletzte oder gefährdete Grundrechtsnormen sind das Lebensrecht aus Art. 2 II S. 1 GG sowie der Würdeschutz des Art. 1 I S. 1 GG in Erwägung zu ziehen. Dabei stellen sich zwei zentrale Fragen: Erstens erscheint die Grundrechtsträgerschaft von Mensch-Tier-Zybriden in vitro zweifelhaft, zweitens sind diese bei der Herstellung, also zum Zeitpunkt des Zellkerntransfers, noch gar nicht existent. Als Erstes soll der verfassungsrechtliche Status und Schutz bereits erzeugter Mensch-Tier-Zybriden aller Entwicklungsstufen untersucht werden. Daran anschließend gilt es, das Problem des fehlenden Rechtsgutsträgers zum Zeitpunkt der Herstellung des Mischwesens zu lösen. a) Verfassungsrechtlicher Status und Schutz von Mensch-Tier-Zybriden Bei der Zybridenforschung hat es die Rechtsordnung mit einem neuartigen Lebenssachverhalt zu tun, der sich nur schwer in das bestehende Rechtssystem einordnen lässt. Besonders problematisch erscheint, dass dieser Forschungsansatz darauf ausgerichtet ist, neues Leben zu erzeugen, das sich gar nicht über die ersten Tage hinaus entwickeln und erst recht nicht zur Geburt gelangen soll und vermutlich auch gar nicht das Vermögen hierzu aufweist. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob ein Mensch-Tier-Zybrid Träger von Grundrechten sein kann. Ob ein Lebewesen Träger von Grundrechten ist, kann nicht für alle Grundrechte allgemein, sondern stets nur für das im konkreten Fall zu beurteilende einzelne Grundrecht festgestellt werden66. Die Frage nach einer Grundrechtsträgerschaft lässt sich dem Grundgesetz nicht einmal bei humanen Embryonen eindeutig entnehmen und wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Die Debatte verschärft sich bei Embryonen in vitro und noch mehr bei menschlichen Zellkerntransfer-Klonen. Es ist höchst zweifelhaft, ob solchen entwicklungsfähigen Zellen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der gleiche Schutz zukommen kann wie dem durch Kernverschmelzung ge- oder erzeugten Embryo. Erst recht trifft die Verfassung keine Aussage über die Grundrechtsträgerschaft eines Mensch-Tier-Zybriden; eine „Zwitterrechtsstellung“ zwischen Mensch und Tier ist ihm jedenfalls fremd67. Adressat und Schutzobjekt der Grundrechte ist der Mensch 68, während ein Tier kein Grundrechtsträger sein kann69. Damit kommt es für die Beantwortung der Frage, ob einem Wesen Grundrechtsschutz zukommt oder ob es unter den Tierschutz fällt, auf eine Zuordnung zur Kategorie „Mensch“ oder „Tier“ an. Dem GG 66

Kunig in: Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1–19, Rn. 7. Deutscher Ethikrat 2011, S. 34. 68 Sachs in: Sachs, Art. 19, Rn. 10. 69 Vgl. Teil 3: A. I. 2 b); vgl. auch Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 20a GG, Rn. 1. 67

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lassen sich keinerlei Hinweise entnehmen, nach welchen Kriterien diese Abgrenzung zu erfolgen hat70. Um Status und Schutz von Mensch-Tier-Zybriden zu ermitteln, sollen im Folgenden zunächst die unterschiedlichen Positionen zum Lebensund Würdeschutz menschlicher Embryonen dargestellt werden. aa) Lebensschutz (Art. 2 II S. 1 GG) Nach Art. 2 II S. 1 GG steht „jedem“ das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu. Sachlogisch scheidet der Schutz der körperlichen Unversehrtheit aus, wenn es an einer schutzwürdigen körperlichen Gestalt fehlt71. Schutzgut des Lebens ist das menschliche Leben in seiner biologisch-physischen Existenz72. Das Lebensrecht steht Embryonen dann zu, wenn sie unter den „Jedermanns“Begriff fallen. Zweifellos ist mit „jedem“ jeder geborene Mensch gemeint. (1) Lebensschutz humaner Embryonen in vivo (Art. 2 II S. 1 GG) Ob embryonales Leben bereits menschliches Leben im Sinne des Art.  2 II S. 1 GG darstellt, wird uneinheitlich beantwortet. (a) Die Aussage des Grundgesetzes Im Grundgesetz ist der Embryonenschutz nicht ausdrücklich normiert73. (aa) Wortlaut Im einfachen Recht ist unter „Mensch“ der geborene Mensch zu verstehen, wie beispielsweise § 1 BGB zeigt. Demgegenüber heißt ein Embryo in der Sprache des Gesetzes entweder „Ungeborenes“ (§ 219  StGB) oder „Leibesfrucht“ (z. B. § 1615o BGB) oder, wie im Embryonenschutzgesetz, „Embryo“. Aus der einfachgesetzlichen Terminologie lässt sich jedoch kein Schluss auf die Aussagen in der Verfassung ziehen. Als das Fundament der gesamten Rechtsordnung kann sie einem so zentralen Rechtsbegriff wie dem Embryo eine ganz andere, umfassendere Bedeutung geben, als die einfachen Gesetze es tun74. Vom Wortlaut her be 70

Deutscher Ethikrat 2011, S. 35. Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 450 mit dem Hinweis, dass dies „jedenfalls“ für Embryonen in vitro angenommen wird. 72 Steiner in: Spickhoff Medizinrecht, Art. 2 II S. 1 GG, Rn. 11. 73 Demgegenüber enthält die Brandenburgische Landesverfassung vom 20.08.1992 in Art. 8 II GG eine Schutzklausel zugunsten des ungeborenen Lebens, vgl. Iliadou, S. 107. 74 Rohrer, S. 17. 71

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trachtet erscheint es daher möglich, den Embryo in den „Jeder“-Begriff des Art. 2 II S. 1 GG sowohl hinein- als auch herauszulesen. (bb) Systematik Nahezu alle Grundrechte, die Art. 1 und 2 GG nachfolgen, wären für den Embryo aus empirisch-praktischen Gründen nicht realisierbar. Diese Tatsache besagt aber nichts darüber, ob er von den beiden fundamentalen Grundrechten und etwa noch vom Gleichheitssatz des Art. 3 GG erfasst wäre, weil diese ersichtlich auch ihm einen subjektivrechtlichen Status mit wichtigen Konsequenzen sinnvoll garantieren könnten75. (cc) Historie Am 19.11.1948 wurde von der DP-Fraktion der Antrag gestellt76, einen gesonderten Artikel zu erlassen, der den Wortlaut enthält: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Das keimende Leben wird geschützt…“77, woraufhin eine heftige Debatte über die Frage entstand, ob eine solche Ergänzung des Grundgesetzes erforderlich sei. Die Änderung erfolgte nicht. Allerdings lässt sich hieraus nicht der zwingende Schluss ziehen, dass ungeborenes Leben vom Schutz des Art. 2 II S. 1 GG ausgenommen sein sollte. Möglicherweise wurde die Ergänzung auch als überflüssige Klarstellung betrachtet. (dd) Telos Auch die Prüfung von Sinn und Zweck des Art. 2 II S. 1 GG führt nicht weiter. Denn die Frage, ob der Embryo Träger dieser Grundrechte ist, setzt das Wissen voraus, ob es dem Sinn und Zweck von Art. 2 II S. 1 GG entspricht, auch Embryonen als Grundrechtsträger anzuerkennen. Folglich müsste man zur Beantwortung der Frage das Ergebnis schon vorher kennen78. Eine teleologische Interpretation würde somit dazu führen, dass jeder das Ergebnis, das er nach seiner persönlichen Überzeugung für richtig hält, in die Verfassung hineinlesen würde79.

75 Merkel, S. 27 mit Hinweis darauf, dass auch verschiedene andere Grundrechte de facto nicht von allen Menschen wahrgenommen werden können, von Neugeborenen z. B. nicht die Grundrechte auf Meinungs- oder Versammlungsfreiheit; dies ist eine Frage der Grundrechtsmündigkeit, nicht aber der Grundrechtsfähigkeit. 76 Parlamentarischer Rat, Drs. Nr. 298, S. 2, zitiert nach Wernicke in: BK, Art. 2, S. 3. 77 Parlamentarischer Rat, Drs. Nr. 398, S. 2, zitiert nach Wernicke in: BK, Art. 2, S. 3. 78 Weschka, S. 153. 79 Vgl. Merkel, S. 28.

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(ee) Ergebnis Die juristischen Auslegungsmethoden führen zu keinem sicheren Ergebnis. Es bleibt dabei: Das Grundgesetz schweigt zur Frage eines subjektiv-grundrechtlichen Status menschlicher Embryonen. (b) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens bislang unbeantwortet gelassen. (aa) Erstes Abtreibungsurteil Im ersten Abtreibungsurteil80 vom 25.02.1975 hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die Frage offengelassen, ob der Nasciturus81 selbst Grundrechtsträger ist oder aber wegen mangelnder Rechts- und Grundrechtsfähigkeit „nur“ von den objektiven Normen der Verfassung geschützt wird. So hat es formuliert: „Leben im Sinne der geschichtlichen Existenz eines menschlichen Individuums besteht nach gesicherten biologisch-physischen Erkenntnissen jedenfalls vom 14. Tag nach der Empfängnis (Nidation, Individuation) an“. In der Begründung heißt es, Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie würden es nahelegen, dass menschliches Leben schon mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht82. Damit betont das Gericht den medizinisch-anthropologischen Befund, den die herrschende Literatur für ihre Bestimmung des Beginnes des Lebens heranzieht, und scheint dieser Definition demzufolge nicht ablehnend gegenüberzustehen83. Es wird statuiert: „1. Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbstständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung (Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Die Schutzpflicht des Staates verbietet nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das sich entwickelnde Leben, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen. 2. Die Verpflichtung, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, besteht auch gegenüber der Mutter. 3. Der Lebensschutz der Leibesfrucht genießt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und darf nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden. 80

BVerfGE 39, 1 f. Als Nasciturus wird der Embryo nach der Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut bezeichnet. 82 BVerfGE 88, 203 (251 f.). 83 Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 451. 81

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden 4. Der Gesetzgeber kann die grundgesetzlich gebotene rechtliche Missbilligung des Schwangerschaftsabbruchs auch auf andere Weise zum Ausdruck bringen als mit dem Mittel der Strafdrohung…“.

Das Bundesverfassungsgericht hält somit fest, dass Art. 2 II S. 1 GG auch das sich im Mutterleib entwickelnde Leben als selbstständiges Rechtsgut schützt, „jeder“ also auch das ungeborene Leben ab dem 14. Tag nach der Empfängnis ist. Begründet wird dies nicht nur mit dem Wortlaut, sondern auch mit der Entstehungsgeschichte und vor allem dem Telos der Norm: Die Sicherung der menschlichen Existenz gegenüber staatlichen Übergriffen wäre unvollkommen, wenn sie nicht auch die Vorstufe des „fertigen Lebens“, das ungeborene Leben, umfasst84. Diese extensive Auslegung entspricht dem Auslegungsgrundsatz, wonach in Zweifelsfällen diejenige zu wählen ist, welche die juristische Wirkungskraft der Grundrechtsnorm am stärksten entfaltet85. Das Gericht leitet die staatliche Schutzpflicht unmittelbar aus der objektiv-rechtlichen Funktion des Art. 2 II S. 1 GG und „darüber hinaus auch aus der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 1 I S. 2 GG“ her86. (bb) Zweites Abtreibungsurteil Im zweiten Abtreibungsurteil87 von 1993 knüpft das Bundesverfassungsgericht an die Grundaussagen des ersten Urteils an88 und formuliert: „1. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Diese Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1 I S. 1 GG; ihr Gegenstand und – von ihm her – ihr Maß werden durch Art. 2 II S. 1 GG näher bestimmt. Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu. Die Rechtsordnung muss die rechtlichen Voraussetzungen seiner Entfaltung im Sinne eines eigenen Lebensrechtes des Ungeborenen gewährleisten. Dieses Lebensrecht wird nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet. 2. Die Schutzpflicht für das menschliche Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf das menschliche Leben allgemein. 3. Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber der Mutter. (…) 4. Der Schwangerschaftsabbruch muss für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen werden und demgemäß rechtlich verboten sein (Bestätigung von BVerfGE 39, 1 [44]). Das Lebensrecht darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden. (…) 84

BVerfGE 39, 1 (37). BVerfGE 39, 1 (38). 86 BVerfGE 39, 1 (41). Teilweise wird aus dieser Aussage des Gerichts der Schluss gezogen, dem Embryo stünden keine subjektiven Rechte zu, sondern es sei lediglich das Objekt staatlicher Schutzpflichten, so Merkel, S. 35. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Das BVerfG bezieht sich ausdrücklich auch auf Art. 2 II S. 1 GG. 87 BVerfGE 88, 203 f. 88 Vgl. Faßbender in: NJW 2001, 2745 (2750). 85

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11. Dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht verwehrt, zu einem Konzept für den Schutz des ungeborenen Lebens überzugehen, das in der Frühphase der Schwangerschaft in Schwangerschaftskonflikten den Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen, und dabei auf eine indikationsbestimmte Strafdrohung und die Feststellung von Indikationstatbeständen durch einen Dritten verzichtet.“

Mit der Verankerung in Art. 1 I S. 1 GG wird der Lebensschutz in die Ausgangsund Richtungsnorm der Verfassung integriert, die wegen der „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 III GG nicht einmal durch den verfassungsändernden Gesetzgeber aufgehoben werden kann89. Zutreffend wird daraus gefolgert, dass dem ungeborenen menschlichen Leben damit im Prinzip aus Art. 1 I S. 1 GG ein elementares und unveräußerliches Lebensrecht zusteht, das der Staat schützen muss90. Das Ausmaß des Schutzes sei unabhängig vom Alter der Schwangerschaft, denn das Grundgesetz kenne keine Abstufungen des Lebensrechts und seines Schutzes, die vom Ablauf bestimmter Fristen abhängen oder dem Entwicklungsprozess der Schwangerschaft folgen, – schon in der Frühphase der Schwangerschaft habe die Rechtsordnung dasselbe Maß an Schutz zu gewährleisten91. Weil die Würde des Menschen auch beim ungeborenen Leben im Dasein um seiner selbst willen liegt, verböten sich jegliche Differenzierungen der Schutzverpflichtungen mit Blick auf Alter und Entwicklungsstand dieses Lebens oder die Bereitschaft der Frau, es weiterleben zu lassen92. Jedes menschliche Leben – auch das sich erst entwickelnde – sei als solches gleich wertvoll und könne deshalb keiner irgendwie gearteten unterschiedlichen Bewertung unterworfen werden93. (cc) Kritik Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschafts­ abbruch wird scharf kritisiert94. Zunächst ist seine Inkonsequenz zu bemängeln, denn die konkreten Entscheidungsinhalte passen nicht zu den abstrakten Prä 89

Kirchhof in: H/H/I/K, 9 (18); Iliadou, S. 169. Schlink, aktuelle Frage, S. 8. 91 BVerfGE 88, 203 (254) dafür; abw. Meinung der Richter Mahrenholz und Sommer, 383 (342 f.). 92 BVerfGE 88, 203 (267); anders: abw. Meinung der Richter Rupp von Brünneck und Sommer, BVerfGE 39, 68 (80). 93 BVerfGE 39, 1 (59). 94 Die Kritik bezieht sich auf das Beratungsschutzkonzept, das dogmatisch-methodische Vorgehen und die rechtspolitischen Konsequenzen, vgl. hierzu Schlink, S.  7 f.; Hörnle in: ARSP 2003, 318 (334); Merkel in: Hillenkamp, S. 36 (43 f.); Scherzberg in: DVBl. 1999, 356 (359, 366); Tröndle in: NJW 1995, 3009 (3010 f.); Dreier in: DÖV 1995, 1036 (1037 f.); Geiger/ von Lampe in: Jura 1994, 21 f.; Spieker in: Thomas/Kluth, S. 317 (319 f.); Tröndle in: Thomas/ Kluth, S. 161 f.; Hermes/Walther, in: NJW 1993, 2337 (2339 f.); Denninger in: KritV 2003, 191 (292 f.); Denninger in: FS Mahrenholz, 561 f.; Raasch in: FS Mahrenholz, 607 f.; Brugger in: NJW 1986, 896 (899). 90

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missen95. Die Auffassung des Gerichts, dass bereits der menschliche Embryo „Mensch“ im Sinne des Art. 1 I S. 1 und Art. 2 II S. 1 GG ist, steht in eklatantem Widerspruch zur Beratungs- und Fristenregelung des Schwangerschaftsabbruchs96. Denn das Gericht sagt einerseits: „Die besondere Lage der Frau und des Ungeborenen (…) darf aber (…) nicht dazu führen, die Grundrechtspositionen der Frau denen des ungeborenen Lebens überzuordnen. Liegt die Würde des Menschseins auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen, so verbieten sich jegliche Differenzierungen der Schutzverpflichtung mit Blick auf Alter und Entwicklungsstand dieses Lebens oder die Bereitschaft der Frau, es weiter in sich leben zu lassen.“97 Dann aber ist es widersprüchlich, den Schwangerschaftsabbruch in bestimmten Konstellationen überhaupt zuzulassen, Fristen von zwölf bzw. 22 Wochen98 zu akzeptieren und darauf abzustellen, ob der Frau die Fortsetzung der Schwangerschaft zugemutet werden kann99. Zu beanstanden ist ferner, dass das Bundesverfassungsgericht bis zur Nidation überhaupt keinen Schutz des Embryos fordert100. Auch nach der Nidation bis zur 12. Schwangerschafts­woche kommt dem Embryo nur ein sehr eingeschränkter Schutz zu, denn faktisch besteht eine Fristenregelung mit Beratungsschutz, die den Schwangerschaftsabbruch zulässt, sodass die Einordnung als „rechtswidrig, aber straffrei“ einen „Etikettenschwindel“101 darstellt. Es begründet einen Widerspruch, die Nothilfe zugunsten des Embryos explizit auszuschließen102, wenn tatsächlich eine rechtswidrige Handlung vorliegt. Weiterhin erscheint fragwürdig, weshalb es für eine rechtswidrige Abtreibung Lohnfortzahlungsansprüche gegen den Arbeitgeber und Sozialhilfe für die mittellose abtreibungswillige Frau geben soll103. Entgegen den eigenen Prämissen akzeptiert das Bundesverfassungsgericht letztlich einen gestuften Schutz vorgeburtlichen Lebens104. Erst mit der Geburt kommt dem Foetus der gleiche Schutz zu wie einem geborenen Menschen, was das Gericht einräumt, wenn es ausführt, der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, das ungeborene Leben strafrechtlich in gleichem Maße zu schützen wie das geborene105. 95

Middel, S. 91. Hoerster in: NJW 1997, 773 (773). 97 BVerfGE 88, 203 (367). 98 Vgl. den Strafausschließungsgrund aus § 218a IV StGB. 99 Vgl. Middel, S. 93. 100 Middel, S. 91: Die fehlende Entscheidungserheblichkeit stünde dem nicht (zwingend) entgegen, weil das Bundesverfassungsgericht oftmals mehr sagt, als es die jeweils vorliegenden Entscheidungen unbedingt erfordern. 101 Dreier in: ZRP 2002, 377 (380). 102 BVerfGE 88, 203 (279); vgl. auch BT-Drs. 13/1850, S. 25. 103 BVerfGE 88, 203 (321 f.). 104 Schlink, S. 7 f. (besonders 15); Merkel in: Geyer, 51 (53), welche ausdrücklich von Derogation spricht (kritisch Pfordten in: Schweidler et al., 175 (193 f.); Merkel, S. 76 f.; Dreier in: ZRP 2002, 377 (378 f.); Dreier in: DÖV 1995, 1036 (1039 f.); Schwarz in: KritV 2001, 182 f. (200); Geiger/von Lampe in: Jura 1994, 21 (23 f.); Kopernock, S.  110 f.; Jerouschek in; JZ 1989, 279 (282); Brugger in; NJW 1986, 986 (899); Hilgendorf in: NJW 1996, 758 (761); ähnlich Ipsen in: JZ 2001, 989 (994). 105 BVerfGE 39, 1 (45). 96

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Schließlich muss die Ableitung eines „eigenständigen Lebensrechts“ aus der Menschenwürde kritisch beurteilt werden. Dass jedem menschlichen Leben Würde zukommt, kann nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass das Rechtsgut Leben als solches von Art. 1 I S. 1 GG erfasst wird106. Das Lebensrecht als unveräußerlicher Ausfluss der Menschenwürde passt nicht in die Grundrechtsdogmatik, in der dieses ein eigenständiges Schutzgut bildet, das zwar elementar ist, aber eben nicht unveräußerlich im Sinne der Unverfügbarkeit für den Grundrechtsberechtigten und der Unantastbarkeit für den Staat107. Zudem spricht schon die Existenz des spezielleren Grundrechts aus Art. 2 II S. 1 GG gegen eine Ableitung des Lebensrechtes aus Art. 1 I S. 1 GG108 und auch der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 II S. 3 GG sowie das explizite Verbot der Todessstrafe in Art. 102 GG verlören ihren Sinn, wenn Art. 1 I S. 1 GG bereits das Leben schützte109. Schließlich ist das Leben nicht nur die „vitale Basis“ der Menschenwürde, sondern auch aller anderen Grundrechte und dennoch würde niemand auf die Idee kommen zu behaupten, jedes einzelne Grundrecht schütze zugleich das Leben110. Zudem wird durch eine Einbeziehung des Lebens in den Schutzbereich des Art. 1 I S. 1 GG die Gefahr heraufbeschworen, durch weit reichende Beschränkungsmöglichkeiten dessen Unantastbarkeit zu relativieren; solche Probleme würden vermieden, wenn man Art. 1 I und Art. 2 II S. 1 GG als zwei grundsätzlich eigenständige Grundrechte mit unterschiedlichen Schutzbereichen anerkennt111. Trotzdem kann die Tötung menschlichen Lebens neben der Verletzung von Art. 2 II S. 1 GG zugleich eine Menschenwürdeverletzung darstellen, genauso wie die Menschenwürde unabhängig von einer Beeinträchtigung des Lebensrechts verletzt sein kann112. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht keine echten Konsequenzen aus seiner Menschenwürdeprämisse gezogen hat. Die Kernaussage lautet, dass Lebensrecht und Würdeschutz zusammenhängen113 und dass dem Embryo jedenfalls ab dem 14. Tag nach der Befruchtung, also mit Nidation und Individuation, Schutzwürdigkeit zukommt. Die Frage nach einer Grundrechtsträger-

106

Hermes, S. 41; Geiger/von Lampe in: Jura 1994, 21 (22) mit dem Vorwurf des Zirkelschlusses. 107 Schlink, S. 7. 108 Weck, S. 81; Hermes, S. 141. 109 Enders in: Jura 2001, 666 (672); Hermes, S.  141; zu Art.  102 GG als Argument auch Schmidt-Jortzig in: DÖV 2001, 925 (930); Weck, S. 82. 110 Middel, S. 94. 111 Denninger in: KritV 2003, 191 (203); Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 170; Dreier in: Dreier/Huber, 9 (39 f.); Dreier in: DÖV 1995, 1036 (1037 f.); Schmidt-Jortzig in: DÖV 2001, 925 (926); Geiger/von Lampe in: Jura 1994, 21 (22); Hermes, S. 141; Heun in: JZ 2002, 517 (518); Herdegen in: JZ 2001, 773 (775); Hilgendorf in: NJW 1996, 758 (761); Lerche in: Lukes/Scholz, S. 88 (102 f.); Hofmann in: AöR 1993, 353 (376); einschränkend Merkel, S. 110 f.; dagegen Picker in: Schweidler et al., 202 f.; gegen eine Entkopplung in den frühen Entwicklungsphasen Kluth, Stellungnahme, S. 8. 112 Middel, S. 94. 113 Middel, S. 89.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

schaft des Embryos bleibt jedoch offen114 und auch über einen etwaigen Schutz vor Abschluss der Nidation sagen die Urteile nichts aus. (c) Die Aussagen der Literatur In der Literatur wird der Beginn des Lebensschutzes und die Grundrechtsfähigkeit menschlicher Embryonen kontrovers diskutiert, ohne dass ein Konsens darüber existiert, ob diese Träger subjektiver Rechte oder (bloßes) Objekt staatlicher Schutzpflichten sind. (aa) Voller Lebensschutz spätestens ab Fertilisation Zahlreiche Autoren sprechen dem Embryo den gleichen Schutz zu wie einem geborenen Menschen. Der Beginn dieses vollen Schutzes wird jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten angesiedelt. Den frühest denkbaren Zeitpunkt des Lebensbeginnes zieht Starck115, der schon der unbefruchteten Eizelle Menschenwürde, aber wohl noch kein Recht auf Leben zuspricht. Dabei geht er von einem fundamentalen Wert des Lebens aus, der es erforderlich mache, für den Beginn des Schutzes den frühesten biologisch vertretbaren Zeitpunkt zu wählen116. Kirchof meint, dass für den Fall, dass der Gedanke der Menschenzüchtung, der Klonierung und der manipulativen Erzeugung einer neuen Spezies rechtliche Bedeutung gewinnen sollte, sich das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als Mensch um der Menschen willen bereits vor der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle als kategorisches Verbot bewähren müsste117. Überwiegend wird der Beginn menschlichen Lebens normativ auf den biologisch bestimmbaren Zeitpunkt der Chromosomenverschmelzung, also die Befruchtung der Eizelle, bezogen118. Begründet wird dies damit, dass die genetischen Merkmale des Individu 114 BVerfGE 39, 1 (41); vgl. auch Kopernock, S. 109; Ipsen in: JZ 2001, 989 (992, 994); Fink in: Jura 2000, 210 (213); Kunig in: Jura 1991, 415 (417); andere behaupten, das BVerfG bejahe die Grundrechtsträgerschaft des Embryos: Geiher/von Lampe in: Jura 1994, 20 (21); bzgl. Art. 1 I S. 1 GG Dreier in: DÖV 1995, 1036 (1037). 115 Starck 1986, A 17; jetzt aber Starck in: JZ 2002, 1065 (1069, FN. 31). 116 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (54). 117 Kirchhof in: H/H/I/K, 9 (23). 118 Koenig et al., GA, ERK, Kom.-Drs. 15/48, S. 157, 178, 180, 184, 188, XXIV; Fraling in: ZME 2003, 137 (142); Böckenförde-Wunderlich in: ZME 2003, 397 (402 f.); BöckenfördeWunderlich, S. 173 f., 223, 230 f., einschränkend S. 179; Herzog in: Beckmann/Löhr, 34 (38); Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A., S.  52 f.; Nationaler Ethikrat 2003, PID, Minderheitsvotum 2.4.; Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.2.1; Beckmann in: ZRP 2003, 97 (101); Beckmann in: MedR 2001 169 f.; Classen in: DVBl. 2002, 141 (143 f.); Starck in: JZ 2002, 1065 (1067); Fink in: Jura 2000, 210 (213 f.); Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 21 f.; Laufs in: BMG, S. 204 f.; Röger in: JVL 17, 55 (57); Spiekerkötter, S. 54, 66 f.; Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I, Rn. 19 f., 92, 94, Art. 2, Rn. 205; Isensee in: H/H/I/K, 37 (59, 62); Isensee, Essays, 459 (464 f.); Schulze-Fielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 16.

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ums mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle festgelegt sind und sich die befruchtete Eizelle kontinuierlich bis zu einem vollständigen menschlichen Organismus entwickelt, sodass jede weitere Zäsur als willkürlich betrachtet und daher abgelehnt wird119. Hergeleitet wird das volle Lebensrecht aus der „SKIP-Theorie“, die auf die (ethischen) Kriterien der Spezialität, Kontinuität, Identität und Potenzialität abstellt, der Menschenwürde oder kirchlicher Aspekte120. (α) Herleitung aus der SKIP-Theorie Die SKIP-Theorie geht von einer Gleichsetzung der Begriffe „Mensch“ und „Person“ aus, weshalb sie auch als Inklusionsthese bezeichnet wird. Dabei werden vier Argumente für eine (Rück-)Erstreckung des Lebensrechtes sowie der Menschenwürdegarantie auf das früheste embryonale Entwicklungsstadium angeführt: Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potenzialitätsargument121. (αα) Speziesargument Das Speziesargument lautet, dass die biologische Zugehörigkeit zur Spezies Mensch gebiete, den Embryo als Grundrechtsträger anzuerkennen, weil er als Mitglied der Gattung Mensch genauso behandelt werden müsse wie ein geborener Mensch122. Entscheidend ist also die Artspezifität. (ββ) Kontinuitätsargument Das Kontinuitätsargument bezieht sich auf die Relation zwischen Embryo und Erwachsenem als eine kontinuierliche physische und psychische Entwicklung und besagt, dass es nicht möglich sei, einen genauen Zeitpunkt im Sinne eines bestimmten Ereignisses zu finden, der es erlaube, zwischen rechtlich zu schützendem und nicht zu schützendem Leben zu differenzieren123. Gestützt wird diese Argumentation auf die naturwissenschaftliche Erkenntnis, dass es in der Entwicklung menschlichen Lebens keine scharfen Einschnitte gibt, sondern alle Entwick-

119

Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 450. Vgl. Honnefelder in: H/H/I/K, 79 (90 f.); Honnefelder in: Damschen/Schönecker, S. 61 (68); Kaminsky, S. 87; Starck in: JZ 2002, 1065 (1068 f.). 121 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (69). 122 Robbe/Schwichtenberg, S. 12. 123 Kaminsky, S. 87 ff; Leist, S. 50 f.; vgl. Nationaler Ethikrat 2003, PID, Minderheitsvotum 2.4.; Starck in: JZ 2002, 1065 (1070) unter Bezugnahme auf Kant; vgl. Böckenförde in: Geyer, 112 (112 f.); ähnlich Däubler-Gmelin in: Geyer, 121 (129); Tauer, S. 40; Rager in: ZME 2000, 81 (88); Lorenz in: ZfL 2001, 38 (43); Lehmann in: DRiZ 2002, 192 (194 f.). 120

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lungsphasen kontinuierlich ineinander übergehen124. Versuche, Entwicklungsphasen mit moralischen Bewertungsstufen zu identifizieren und damit die Differenz von moralischer Aussage und natürlichen Fakten zu nivellieren, werden als Willkür abgelehnt. Der Beginn der kontinuierlichen Entwicklung zur Person wird mit der Verschmelzung der elterlichen Gameten bei der Fertilisation angesetzt125 und sei gekennzeichnet durch Linearität und Finalität126, weshalb dem Menschen über die gesamte Dauer seine Existenz das Lebensrecht zustehen müsse127. (γγ) Identitätsargument Das Identitätsargument beschreibt ein diachrones Identitätsverhältnis zwischen befruchteter Eizelle und Erwachsenem. Aufgrund dieser Identität dürfe der Embryo ebenso wenig getötet werden wie der Erwachsene selbst128. Körperliche und genetische Kontinuität werden zum Kriterium personaler Identität: Befruchteten menschlichen Eizellen wird ein Lebensrecht zugesprochen, weil sie nummerisch und genetisch mit der sich aus ihnen entwickelnden erwachsenen Person identisch sind129. Dabei sei die bestehende Möglichkeit der Bildung eineiiger Zwillinge unerheblich, weil Individualität nicht Singularität bedeute130. Die Argumentation beruht auf einem nicht unumstrittenen Personenbegriff, nach dem jedes Mitglied der menschlichen Spezies von der Befruchtung an Person ist, die aufgrund ihrer genetischen Anlagen wie eine aktuelle (geborene)  Person geschützt werden muss131. Eine Aufspaltung in biologisches Substrat und personale Eigenschaften wird abgelehnt132 und Personen vielmehr als leibhafte Individuen, als ursprüngliche Einheit von Leib und Ich, Subjekt und Substanz, verstanden133.

124

Vgl. Teil 2: A. IV. Kaminsky, S. 88. 126 Elsässer in: Wuermeling, S. 72 (85); Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.2.1. 127 Kaminsky, S. 90; für die durch Zellkerntransfer bzw. Embryonensplitting entstandenen Zellen vgl. Kersten, Klonen, S. 550. 128 Zusammenfassung bei Kaminsky, S. 87, 93 f.; ebenso Leist, S. 104 f.; vgl. Honnefelder in: Damschen/Schönecker, S. 61 (67). 129 Kaminsky, S. 94. 130 ERK, BT-Drs. 14/7546, 2.1.4.1.; Kersten, Klonen, S. 552; Rager in: Körtner/Kopetzki, 133 (139 f.); Isensee in: H/H/I/K, 37 (58); Höfling, S.  21; vgl. Nationaler Ethikrat, 2001 Stammzellen, 5.2.1.; vgl. Honnefelder in: Damschen/Schönecker, S. 61 (72); vgl. Starck in: JZ 2002, 1065 (1069). 131 ERK, BT-Drs.  14/7546, 2.1.4.1; Kersten, Klonen, S.  552; Rager in: Körtner/Kopetzki, 133 (139 f.); Isensee in: H/H I/K, 37 (58); Höfling, S.  21; vgl. Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.2.1; vgl. Honnefelder in: Damschen/Schönecker, S. 61 (72); vgl. Starck in: JZ 2002, 1065 (1069); Zusammenfassung bei Kipke, S. 49 f.; vgl. auch Tauer, S. 49. 132 Beckmann, S. 279 (304); Lanzerath in: Dreyer/Fleischhauer, S. 81 (101); Kipke, S. 49. 133 Baumgartner et al., S. 161, (232, 239 f.); vgl. Lanzerath in: Dreyer/Fleischhauer, S. 81 (101); Kipke, S. 49. 125

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(δδ) Potenzialitätsargument Schließlich besagt das Potenzialitätsargument, dass die befruchtete menschliche Eizelle eine funktionelle, sich selbst organisierende und differenzierende Einheit, ein dynamisches und autonomes System134 darstellt, die zumindest das Potenzial besitzt, Person zu werden, also potenzielle Person ist135. In dem mit der Befruchtung neu entstandenen Genom seien alle Eigenschaften des Menschen angelegt und nur auf diese aktive Potenz komme es an136. Potenzielle Personen müssten genauso behandelt werden wie aktuelle Personen, vor allem ein Recht auf Leben haben137. Auf eine aktuelle Realisierung der Fähigkeiten komme es nicht an138. Mit Abschluss der Befruchtung stehe dem Embryo der volle Lebensschutz zu139. (β) Ableitung aus der Menschenwürde Gewichtige Stimmen in der Literatur leiten die unbedingte bzw. unabdingbare Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens aus der Würde des Menschen ab140. Würde komme jedem Menschen zu, weil er das Vermögen besitze, sittliches Subjekt, also Subjekt selbst gesetzter und zu verantwortender Zwecke, kurz gesagt, „Person“, zu sein141. Der Grund für die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens liege nicht in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Spezies, sondern der Tatsache, dass es zum Wesen eines Mitglieds dieser Spezies gehört, sittliches Subjekt zu sein142. 134 Bodden-Heinrich et al., S. 15 (77 f., 153 f.); Rager in: ZfL 2004, 66 (69, 72 f.); Rager in: ZME 2000, 81 (86 f.). 135 Blechschmidt, 171 (177), nach dem „ein einzelliger menschlicher Keim (…) nicht potenziell (…), sondern aktuell“ eine Person sei. 136 Schmidt, S. 93; Starck in: JZ 2002, 1065 (1069); Merkel, Früheuthanasie, S. 479;; vgl. auch Baumgartner et al., S. 161 (229 f.) zur Unterscheidung zwischen potentia obiectiva und potentia subiectiva; zu aktiver und passiver Potenzialität Middel, S. 100 f.; Kummer in: Oduncu, 148 (151 f.). 137 Rager in: Beckmann, S. 254 (272 f.); vgl. Lorenz in: HbStR VI, § 128, Rn. 10. 138 Vgl. Middel, S. 100. 139 Kaminsky, S. 99; Spaemann, S. 264; Spaemann in: Geyer, 41 (48). 140 Enskat in: Damschen/Schönecker, S. 101 (125); Schockenhoff in: FAZ vom 23.01.2002; Baumgartner et al., S. 161 (170 f., 240), Deutsche Bischofskonferenz, 1989, S. 40 f.; ähnlich Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 (54 f.); vgl. Starck in: JZ 2002, 1065 (1067); Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art.  2 II, Rn.  190; ähnlich Däubler-Gmelin in: Geyer, 121 (123, 132): „Geltung und Schutz der menschlichen Würde nach Art. 1 I S. 1 GG und das Recht auf Leben und sein Schutz in Art. 2 GG haben dieselbe Reichweite“; vgl. auch Schweidler in: ZfL 2003, 2 (4); Höffe, S. 82, der die menschliche Würde als Rechtfertigungsgrund des Lebensschutzes betrachtet; vgl. auch Böckenförde-Wunderlich in: ZME 2003, 397 (400 f.), welche auf die dirigierende Funktion der Menschenwürde für die Auslegung des Lebensrechts abstellt. 141 Baumgartner et al., S.  161 (186, 239 f.) sowie Einleitung, S.  12 und Glossar, S.  382; Honne­felder in: BMG, S. 76 f. 142 Baumgartner et. al., S. 185, 192, 213; anders Starck in: JZ 2002, 1065 (1067), der die Menschenwürde dem Menschen allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Spezies Homo Sapiens zuspricht; ebenso Spaemann in: Geyer, 41 (49).

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Weil die Geburt oder andere Ereignisse nach der Befruchtung keine echte Zäsur143 in der Entwicklung des Individuums darstellten144 und weil zum menschlichen Individuum das natürliche Vermögen zähle, die aktuellen Eigenschaften einer Person auszubilden, sei auch der ungeborene Mensch von Beginn an als Person einzustufen und in seinem Lebensanspruch zu respektieren145. Bei der Frage nach dem Lebensschutz werden wegen der „dirigierenden Funktion der Menschenwürde“ dieselben Erwägungen angestellt wie beim Würdeschutz146. (γ) Herleitung aus kirchlichen Aspekten Aus kirchlicher Perspektive wird das Leben als Geschenk Gottes betrachtet, das als solches heilig ist und deshalb vom ersten Augenblick seines Daseins an geschützt werden müsse147. Ab der Befruchtung sei das menschliche Leben Person und habe ein Recht auf Leben, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dies der Zeitpunkt ist, in dem die Seele empfangen wird148. Um jegliche Risiken auszuschließen, einen beseelten Menschen, ein personales Individuum, zu schädigen, müsse der Embryo nach der „tutioristischen Regel“149 von der Befruchtung an geschützt werden150. Rechtlich ausgedrückt, fällt der Embryo nach kirchlicher Auffassung mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle sowohl in den sachlichen als auch den persönlichen Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG151. (δ) Kritik am Konzept voller Schutzwürdigkeit Gegen ein Abstellen auf kirchliche Aspekte und die Heiligkeit des Lebens spricht, dass religiöse Glaubenssätze  – so viel Achtung und Respekt sie auch verdienen  – nicht als Fundament einer allgemeinverbindlichen Rechtsregelung taugen152. Gegen die Ableitung des Lebensrechts aus der Menschenwürde ist zu 143

Vgl. Fraling in: ZME 2003, 137 (143 f.); Baumgartner et al., S. 161 (192 f., 214 f., 239 f.) sowie S. 194 f. zu den Positionen von Aristoteles, Thomas von Aquin, Boethius, Locke und Kant bezüglich einer möglichen Trennung von Mensch und Person, Körper und Seele. 144 Baumgartner et al., S. 161 (219 f.) mit einem historischen Überblick über mögliche moralisch relevante Zäsuren in der Entwicklung des Menschen. 145 Starck in: JZ 2002, 1065 (1068 f.); vgl. Böckenförde in: JZ 2003, 810 (812 f.); Baum­ gartner et al., S. 161 (241 f.), ebenso in der Einleitung S. 9 (11); vgl. Bodden-Heinrich et al., S. 15 (103 f.). 146 Hetz, S. 197. 147 Vatikan, S. 2b; vgl. auch Erlsässer in: Wuermeling, S. 72 f.; Graf, S. 127 f. 148 Kaminsky, S. 77 f. m. w. N. sowie zur Kritik innerhalb der römisch-katholischen Kirche und zur Lehre von der Sukzessivbeseelung Thomas von Aquins S. 78. 149 Burghardt in: ZME 2004, 289 (291 f.). 150 Kaminsky, S. 87; Bosshardt et al., S. 243 (309 m. w. N.). 151 Vgl. Elsässer in: Wuermeling, S. 72 (76 f.). 152 So auch Spiekerkötter, S. 43 m. w. Nachw.; Merkel in: Geyer, 51 (63); Middel, S. 101.

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sagen, dass es sich um zwei unabhängige Grundrechte handelt153. Auch gegen eine Herleitung aus der SKIP-Theorie bestehen Bedenken. Die bloße Zugehörigkeit zur Spezies Homo Sapiens kann den Genuss fundamentaler Rechte nicht plausibel begründen154; die Bevorzugung des Menschen wird kritisch als „Speziesismus“ bezeichnet155. Dem Kontinuitätsargument lässt sich vorwerfen, dass es einen Fehlschluss zieht, der seit der Antike als „Sorites-(Haufen-)-Paradoxon“ bekannt ist: Ein Sandkorn stellt keinen Sandhaufen dar und ein Sandkorn mehr sorgt nicht für den Übergang zum Sandhaufen, demzufolge könnte es keinen Sandhaufen geben156. Dennoch gibt es ihn, nur kann nie entschieden werden, welches Korn genau den Sandhaufen entstehen lässt. Genauso verhält es sich beim menschlichen Leben: Dass es sich bei der Entwicklung des Menschen von der Entstehung der Keimzelle über ihre Verschmelzung bis hin zur Verwesung des Körpers um ein Kontinuum handelt, verhindert keine Grenzziehung. Dem Recht ist es vielmehr geradezu immanent, Grenzen zu ziehen und Entscheidungen zu treffen157. Zudem ist aus naturwissenschaftlicher Sicht der Abschluss der Befruchtung nicht der einzige „scharfe Einschnitt“ in der menschlichen Entwicklung158. Die Kritik an dem Identitätsargument159 besteht darin, dass der Grundrechtsstatus ausschließlich Individualpersonen zukommt, weil dieser das einzelne menschliche Leben und nicht menschliches Leben allgemein schützt: „Grundrechtsschutz setzt individuelles und identisches menschliches Leben voraus“160. Frühestens mit Abschluss der Nidation und vollzogener Individuation liegt ein identifizierbarer individueller biologischer Organismus vor, der eine abgrenzbare kohärente Entität darstellt161. Solange die Teilungsmöglichkeit in zwei Individuen  – eineiige Zwillinge – fortbesteht, kann nicht davon gesprochen werden, dass ein bestimmter Mensch getötet wird162. Dem Embryo vor der Individuation kommt das Recht auf Leben weder in einem objektiven noch in einem subjektiven Sinne zu163, weil

153

Middel, S. 94, 101. Merkel in: Geyer, 51 (55 f., 60); vgl. Gerhardt, S. 152. 155 Kipke, S. 17; Singer, S. 82 f., 121 f., 196; vgl. Hoerster, Abtreibung, S. 55 f.; Leist, S. 61. 156 Darauf stellt ab BVerGE 39, 1 (37). 157 Middel, S. 102. 158 Vgl. Teil 2: A. IV.; vgl auch Nüsslein-Volhard, S. 18; Nüsslein-Volhard in: Human Biotechnology, 25 (41 f): ähnlich Haßmann, S. 94; Taupitz in: NJW 2001, 3233 (3438); vgl. Markl in: Geyer, 177 (187); äußerst kritisch dazu Wisser in: Beckmann/Löhr, 26 (32). 159 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S.  63 (70); Hufen in: JZ 2004, 1011 (1012); Dreier in: Dreier, Art.  1 I, Rn.  85; Heun in: JZ 2002, 517 (521); Merkel, Früheuthanasie, S. 491 f.; Merkel in: Geyer, 51 (59); Steinvorth in: JWE 2002, 165 (165 f.); Seelmann in: Maio/ Just, 156 (162); Rosenau in: FS Schreiber, 761 (768); Gerhardt, S. 150 f.; Kaminsky, S. 96; Schroth in: JZ 2002, 170 (176). 160 Heun in: JZ 2002, 517 (520, 522) m. w. N. Zur Embryonalentwicklung in FN 44; vgl. Vossenkuhl in: Oduncu, 163 (168); Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 85. 161 Vgl. Heun in: JZ 2002, 517 (521); Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (70 f.). 162 Heun in: JZ 2002, 517 (521); vgl. Kuhse/Singer, S. 97 (106 f.). 163 Heun in: JZ 2002, 517 (523). 154

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

noch kein individueller Mensch existiert164. Damit scheidet die Möglichkeit einer Rückprojektion einer später realisierten personalen Identität im Sinne eines „Das war ich, und daraus konnte nur ich werden“ aus, weil noch nicht feststeht, ob sich aus der Blastozyste ein Lebewesen oder mehrere entwickeln165. Die einzige Identitätsbrücke, die plausibel einen Zeitpunkt vor der Individuation erfassen könnte, ist die genetische Identität, welche hierzu jedoch untauglich ist, weil der Mensch nur partiell durch seine genetische Identität festgelegt wird und unstreitig mehr ist als die „Summe seiner Gene“166. Gegen das Potenzialitätsargument wird vorgebracht, dass die Rückprojektion eines späteren Rechtszustandes auf eine frühere Entwicklungsstufe der Rechtsordnung vollkommen fremd ist167. Polemisch und mit den Worten eines britischen Autors bemerkt, sind alle Menschen potenziell tot, ohne dass wir heute mit Blick auf diesen späteren Status wie Leichen behandelt werden möchten168. Zudem steht die Gleichsetzung von potenziellem späteren Status mit der aktuellen Position in Widerspruch zur Intention des Grundgesetzes, konkrete Schutzgarantien für bestimmte Subjekte zu begründen169. Es wird nicht überzeugend dargelegt, aus welchem Grund die Gleichstellung erfolgt, weshalb der status ad quem zu einer Rechtszuschreibung bereits im status quo führen soll170. Hinzu kommt die naturwissenschaftliche Beobachtung, dass die Potenzialität des Embryos auch die Möglichkeit beinhaltet, sich nicht zu einem Menschen zu entwickeln, sondern abzusterben171. Insbesondere hängt es von der Einnistung ab, ob zusätzliche Faktoren ihre Wirkkraft entfalten, welche die Voraussetzung für eine weitere Entwicklung bilden172. Somit zwingt die SKIP-Theorie nicht dazu, den Embryo schon ab dem Zeitpunkt der Befruchtung in den Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG aufzunehmen und ihm das gleiche Schutzmaß zu gewähren wie einem Geborenen.

164

Haßmann, S. 101 f., 269. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (70 f.). Für das therapeutische Klonen aber ist gerade dieses frühere Stadium relevant, denn dabei geht es um Zellverbände im Blastozystenstadium. 166 Dreier in: Dreier/Huber, 9 (25); Heun in: JZ 2002, 517 (521); auch akzeptiert von der Mindermeinung in: Nationaler Ethikrat, Dezember 2001, Stammzellen, 5.2.1; Ach in: Hello Dolly?, S. 123 f., 134; Winnacker in: FAZ v. 15.12.2001, Nr. 292, S. 44. 167 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (71). 168 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (71). 169 Birnbacher in: EthikMed 2004, 155 (156 f.); Wetz in: Körtner/Kopetzki, 7 (27); Haßmann, S. 99 f.; Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 85; Gerhardt, S. 153 f.; Heun in: JZ 2002, 170 (175 f.); Singer/Dawson, S. 123 (127 f., 144 f.); Harris, S. 39 f. 170 Vgl. Middel, S. 105 mit Verweis auf die ablehnende Haltung des Nationalen Ethikrates, PID, Minderheitsvotum 3; Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 85; Wolf, S. 175. 171 Kaminsky, S. 99. 172 Teil 2: B. III. 2. c) ee). 165

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

235

(bb) Voller Lebensschutz ab einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung Andere Autoren lassen dem Embryo erst ab einem bestimmten Zeitpunkt nach der Befruchtung den Schutz des Art. 2 II S. 1 GG zuteil werden und lehnen eine Stufung des Schutzes nach dem Entwicklungsstand ab. (α) Abstoßung des zweiten Polkörpers Einige Stimmen sprechen sich dafür aus, den Beginn des Schutzes auf den Zeitpunkt zu legen, in dem der zweite Polkörper aus der befruchteten Eizelle abgestoßen173 wird, weil das einzigartige Genom des neuen Menschen bereits zu diesem Zeitpunkt feststeht, wenngleich auf die männlichen und weiblichen Vorkerne verteilt174. Von diesem Zeitpunkt an sei der Embryo – zumindest eine werdende – Person175 mit einem eigenständigen Recht auf Leben, welches dem eines geborenen Menschen prinzipiell gleichzustellen sei176. (β) Verlust der Totipotenz Einen weiteren denkbaren Anknüpfungspunkt für die Entstehung menschlichen Lebens bildet der Verlust der Totipotenz177 der Embryonalzellen. Auf diesen Zeitpunkt stellt auch das britische Parlament ab178. (γ) Nidation der befruchteten Eizelle Einen späteren Startpunkt stellt die Nidation179 der befruchteten Eizelle dar180. Begründet wird dies damit, dass der Embryo erst von diesem Zeitpunkt an eine 173

Vgl. Teil 2: A. II.: Nach der Imprägnation, vor der Chromosomenverschmelzung. Röger in: JVL 17, 55 (57); Röger in: Habilitationsschrift, S. 122 f., insbesondere 137 f., Bodden-Heinrich et al., S. 15 (151 f.); Graf, S. 79; ablehnend Isensee in: H/H/I/K, 37 (58); Honnefelder in: Damschen/Schönecker, S. 61 (71 f.); Eibach in: Oduncu, 170 (183). 175 Rager in: Körtner/Kopetzki, 133 (143 f.); Rager in: ZME 2000, 81 (88). 176 Nationaler Ethikrat 2003, PID, Minderheitsvotum 2.4.; Beckmann in: ZRP 2003, 97 f.; Eibach in: Oduncu, 170 (179 f.); vgl. Spaemann in: ZfL 2004, 62 f.; vgl. Böckenförde in: Geyer, 112 (113, 115); Isensee in: H/H/I/K, 37 (57 f., 61 f., 72, 76 f.); ähnlich Spiekerkötter, S. 66 f.; 106; vgl. Schmidt, S. 147, 174 f. 177 Vgl. Teil 2: A. V. 4.: ca. 5. Tag nach der Befruchtung. 178 Vgl. Human Fertilization and Embryology (Research Purposes) Regulations vom 24.01.2001. 179 Vgl. Teil 2: A. IV.: ca. 13. /14. Tag nach der Befruchtung. 180 Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art.  2 II, Rn.  176; Dreier in: ZRP 2002, 377 (379); Hofmann in: JZ 1986, 253 (259); Klopfer, S. 73 f., 102 f.; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (772 f., 775); Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art.  2 II, Rn.  24 f.; 30; Scholz, Plenarprotokoll 14/233, S. 23257 (B, C); Lege in: HbStR, 669 (753); Anderheiden in: KritV 2001, 353 (380); vgl. auch Murswiek in: Sachs, Art.  2, Rn.  145 a, der auf den siebten Tag und damit den Beginn der­ 174

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

reale Lebenschance habe, weil ein großer prozentualer Anteil befruchteter Eizellen im normalen biologischen Ablauf nie zur Nidation gelangt oder kurz danach in einem spontanen Abort endet: Insgesamt schaffen es nur etwa 30 Prozent der befruchteten Eizellen in vivo bis zur Geburt181. Zwar entstehe bereits bei der Befruchtung der „Bauplan“ für das menschliche Leben, erst die von der Mutter stammenden epigenetischen Faktoren gäben jedoch die Befehle zur konkreten Embryogenese182: Der Chromosomensatz, der bei der Befruchtung von Ei- und Samenzelle entsteht, sei der gleiche, wie er in milliardenfacher Ausführung in jeder Zelle auftaucht, sich aber dennoch nicht zu einem Embryo entwickelt183. Die Befehle zur Embryogenese erteile der Steuerungsapparat der Mutter, weshalb die Ausblendung dieser mütterlichen Faktoren einen „genozentrischen Reduktionismus“ bedeute184. Erst mit der Nidation entstehe eine Persönlichkeit, die ein Lebensrecht hat185. Dem trage auch § 218 I S. 2 StGB Rechnung, nach dem Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutter eintritt, nicht als Schwangerschaftsabbruch gelten186. (δ) Individuation Andere argumentieren, frühestens ab dem Zeitpunkt der Individuation187 falle der Embryo in den Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG. Da bis zur Individuation die Teilungsmöglichkeit in zwei Individuen – eineiige Zwillinge – fortbestehe, sei erst nach diesem Zeitpunkt ein konkretes Individuum vorhanden188. Zuvor handle es sich nicht um individuelles, sondern nur artspezifisches Leben, sodass kein subjektives Recht auf Leben bestehen könne189. Andere verneinen sogar ein Recht auf Leben des Embryos vor der Individuation in einem objektiven Sinn, sodass keine staatliche Schutzpflicht bis zum 14. Tag nach der Befruchtung bestehe190. Einnistung abstellt; vgl. Netzer in: EthikMed 1998, 138 (142); Elsässer in: Wuermeling, S. 72 (82 f.); Dressler, S. 49, 62, 180; vgl. auch Nüsslein-Volhard in: FAZ vom 02.10.2001. 181 Hescheler/Feld, Bitburger Gespräche 2002/II, 5 (14); Kummer in: Oduncu, 148 (149); Schmidt-Jortzig, S. 23 spricht von nur 23 Prozent. 182 Vgl. Teil 2: A. IV, B. III. 2 c) ee); Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 145 f.; Nüsslein-Volhard in: FAZ vom 02.10.2001; Kummer in: Oduncu, 148 (157 f.). 183 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 184 Huber, S. 1. 185 Kummer in: Oduncu, 148 (157). 186 Ronellenfitsch in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2009, 91 (104). 187 Vgl. Teil 2: A. IV. 188 Heun in: JZ 2002, 517 (521); vgl. Kuhse/Singer, S. 97 (106 f.); vgl. auch Steinvorth in: JWE 2002, 165 (175 f.), der den Ausdruck „Gastrulation“ verwendet. 189 Hofmann in: JZ 1986, 253 (258 f.); Knoepffler in: Knoepffler/Haniel, 55 (61); vgl. auch Coester-Waltjen in: FamRZ 1984, 230 (235), die bis zur Nidation bzw. Individuation von „latentem menschlichen Leben“ spricht, dessen Schutz zwischen realem und potenziellem Leben angesiedelt werden müsse. 190 Heun in: JZ 2002, 517 (519, 522 f.); Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.1.1.; Nationaler Ethikrat 2003, PID, Minderheitsvotum 3.

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

237

(ε) Beginn der Hirnströme Analog zum Hirntod am Lebensende191 wird teilweise auf den Beginn der Hirnströme abgestellt, die etwa ab dem 57. Tag nach der Befruchtung zu messen sind192. Dabei wird argumentiert, die Grundlagen menschlicher Personhaftigkeit seien mit der Entwicklung des Gehirns verbunden193. Hinzu komme, dass die Hirntoddefinition von einem breiten Konsens getragen sei, weil menschliches Leben in unserem Kulturkreis nicht biologisch, sondern im Lichte des Personenstatus bewertet werde194. Die Zuerkennung des vollen rechtlichen Schutzes sowie der vollen ethischen Solidarität und Achtung ab dem 57. Tag nach der Empfängnis könnte „ethische und rechtliche Doppelstandards“ wirkungsvoll vermeiden195. Da ab diesem Zeitpunkt erstmals organspezifische Zellen vorhanden seien, aus denen später funktionierendes Organleben entsteht, böte sich der Beginn der Hirnströme als relevante Zäsur an, auch wenn die Hirnaktivität erst am 70. Tag beginne; insofern sei ein „ethisches Sicherheitsnetz“ erforderlich196. (ζ) Erste Regung im Mutterleib Einen weiteren Bezugspunkt bildet die erste Regung im Mutterleib, welche erst in der foetalen Phase, frühestens ab der 13. Schwangerschaftswoche, auftritt197. (η) Extrauterine Lebensfähigkeit Möglich ist schließlich ein Anknüpfen an die extrauterine Lebensfähigkeit. So entschied der United States Supreme Court in der bis heute in den Grundzügen nicht angefochtenen Entscheidung Roe vs. Wade198 zur Frage der Zulässigkeit 191 Vgl. § 3 II  TPG: endgültiger, nicht behebbarer Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, Kleinhirns und des Hirnstammes. 192 Joerden in: JWE 2002, 113 (122); Hofmann in: FS Krause, 115 (119); Sass, Extrakor­ porale Fertilisation und Embryotransfer, in: Flöhl, S. 30, 38. 193 Hofmann in: FS Krause, 115 (119) spricht vom 35. Tag als Beginn der Hirnfunktionen; Sass in: Sass, S. 160 f.; Joerden in: JWE 2002, 113 (115, 123); Joerden, S. 45 f., wobei er hier als Zeitpunkt „etwa das Ende des zweiten Monats nach der Empfängnis“ nennt (S. 62). 194 Sass in: Sass, S. 160 (164 f.). 195 Sass in: Sass, S. 160 (173); ähnlich Hoyer in: FS Rolinski, 81 (89), der sich an § 3 II TPG anlehnt und sagt, menschliches Leben scheine erst mit dem Entstehen jedenfalls eines der dort genannten Hirnteile zustande zu kommen, also erst nach der vierten Schwangerschaftswoche; demgegenüber werde das frühembryonale Dasein nicht mehr um seiner selbst willen geschützt, sondern weil es auf menschliches Leben gerichtet sei. 196 Sass in: Sass, S. 160 (171 f.); vgl. auch Schmidt, S. 89 m. w. N. 197 Vgl. Teil 2: A. IV.; Zippelius in: JuS, 1983, 659 (660). 198 Supreme Court of the United States vom 22.01.1973, Roe et al. v. Wade, United States Report 113 (1973) 410; deutsche Übersetzung: EuGRZ 1974, 52 f.; in dieselbe Richtung: Plan-

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

einer Abtreibung, dass das ungeborene Kind keine Person im Sinne des 14. Zusatzartikels der Verfassung sei, da die meisten Normen der amerikanischen Verfassung den Begriff Person in einer Weise gebrauchten, die nur auf bereits geborene Menschen sinnvolle Anwendung finden könne. So umfasse das „right of privacy“ der Frau auch die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch. Dem Embryo komme vor dessen individuell zu bestimmender extrauteriner Lebensfähigkeit kein die Entscheidungsfreiheit der Frau einschränkendes Lebensrecht zu. Dem Staat stünde es lediglich frei, den Schwangerschaftsabbruch zu verbieten, sobald der Foetus extrauterin lebensfähig sei, weil zumindest potenzielles Leben existiere. Für den Fall einer Lebens- und Gesundheitsgefährdung der Frau müssten jedoch Ausnahmen zugelassen werden199. (θ) Lebensschutz nur für Personen (Nichtäquivalenztheorie) Die so genannte Nichtäquivalenztheorie geht von einer begrifflichen und normativen Trennung von Mensch und Person aus und wird deshalb auch als Exklusionsthese bezeichnet200. Der zentrale Begriff der Person steht teilweise als abkürzendes Symbol für das Ensemble der sachlich entscheidenden Zuschreibungskriterien für den Status als Person201. Ein Mensch sei nichts anderes als ein Zugehöriger zu der biologischen Spezies Homo Sapiens, wobei es eine willkürliche und irrationale Bevorzugung darstelle, an der bloßen Spezieszugehörigkeit moralische Rechte wie das Lebensrecht festmachen zu wollen202. Nach der Nicht­ äquivalenztheorie existiert keine Sonderstellung des Menschen und keine prinzipielle Differenz zwischen Mensch und Tier, sondern nur eine durchlaufende Skala, die vom niedrigsten Organismus bis zur „Person“ reiche und auf der das Leben jedes Menschen einen relativen Wert beinhalte203. Subjektive Rechte könnten nur aufgrund bestimmter Eigenschaften und Interessen rational begründet werden, weil der Begriff des subjektiven Rechts analytisch mit dem Schutz und dieser mit der Verletzbarkeit seines Inhabers verknüpft sei204. Einem Wesen, das bestimmte Eigenschaften und Interessen gar nicht haben kann, könne auch kein subjektives Recht auf Berücksichtigung oder Nichtverletzung dieser Eigenschaften und Interessen zustehen: „Im Hinblick auf ein nichtverletzungs- (schädigungs-, interessen) fähiges Wesen kann aber gegenüber anderen eine Pflicht zur Schadensvermeidung (Interessenbeachtung) schon nicht verständlich gemacht werden“205. Anknüpned Parenthood of Central Missouri v. Danforth, 96 S.  Ct. 2831 (1976); City of Akron v. Akron Center for Reproductive Health, 103 S. Ct. 2481 (1983). 199 Nach der deutschen Übersetzung: EuGRZ 1974, 52 f. 200 Höfling, S. 11; Singer, S. 82 f., 121 f., 196; vgl. Hoerster, Abtreibung, S. 55 f.; Leist, S. 61 f. 201 Leist, S. 77; Hare in: Leist, 132 (134 f.); Merkel, Früheuthanasie, S. 454. 202 Kipke, S. 17; Singer, S. 82 f., 121 f., 196; vgl. Hoerster, Abtreibung, S. 55 f.; Leist, S. 61. 203 Singer, S. 82 f., 141 f. 204 Merkel, Früheuthanasie, S. 444; Merkel in: DRiZ 2002, 184 (191); vgl. Höfling, S. 12. 205 Merkel, Früheuthanasie, S. 441 m. w. N.; vgl. Leist, S. 141.

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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fungspunkte für die Interessenfähigkeit seien Lebenswunsch und Empfindungsfähigkeit. So könne ein Lebensrecht nur solchen Wesen eingeräumt werden, die ein individuelles Interesse an ihrem Weiterleben haben, also die Fähigkeit besitzen, irgendetwas als künftiges Ereignis zu wünschen. Jeder Wunsch nach künftigem Leben reiche aus und setze das eigene Leben voraus; auf die aktuelle Präsenz des Wunsches komme es hingegen nicht an206. Zeit-, Selbst- und Ich-Bewusstsein, also bestimmte kognitive Fähigkeiten, bilden nach dieser Ansicht die Gründe für das Zugestehen des Lebensrechtes207. Würde eine solche Person getötet, würden ihre Wünsche für die Zukunft durchkreuzt208. Nach dieser „Wunschtheorie“ können weder Embryonen noch Neugeborene die statuierten Voraussetzungen erfüllen, sodass unter dem Aspekt ihrer eigenen Interessen kein zwingendes Verbot der Tötung von Embryonen, Foeten und Neugeborenen begründet werden könne209. Andere Autoren stellen auf den Zeitpunkt ab, in dem die für das Ich-Bewusstsein relevanten Gehirnteile vorhanden sind, sodass man von einer normativ relevanten personalen Identität von Foetus und erwachsener Person sprechen könne, was ab der ca. 20. Woche der Fall ist210. Die Identität des sich entwickelnden Menschen mit derjenigen Person, die er potenziell ist, begründe eine Art Anwartschaftsrecht auf den künftigen Status, dessen Entwicklungsbedingungen schon hic et nunc garantiert werden müssten211. Ein zweites notwendiges Kriterium für Lebensinteressen stelle die Empfindungsfähigkeit dar, also die Fähigkeit, Leid, Freude und Glück zu erfahren212. Ebenfalls etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche verfüge der Embryo über ein integriertes, funktionsfähiges Neuralsystem, das subjektive Empfindungen ermöglicht und die Fähigkeit zur Interaktion mit der Mutter begründet213. Ein Wesen, das schlechterdings nichts empfinden kann, könne subjektiv nichts erleben und daher an seiner unerlebten Existenz kein eigenes Interesse haben. Die Anerkennung eines subjektiven Rechts aber setze die Existenz eines Interesses voraus214.

206

Hoerster, Abtreibung, S. 73 f., 76 f.; Merkel, Früheuthanasie, S. 455. Merkel, Früheuthanasie, S. 456; Singer, S. 129 f.; vgl. Harris, S. 47. 208 Singer, S. 123; Harris, S. 48. 209 Hoerster, Abtreibung, S. 79 f., 87 f.; Hoerster, Neugeboren, S. 14 f.; Tooley in: Leist, 157 (157 f.); Singer, S. 218 f.; a. A. Merkel, Früheuthanasie, S. 506, 509, 511. 210 Merkel, Früheuthanasie, S. 505 f. 211 Merkel, Früheuthanasie, S. 510 f. 212 Merkel, Früheuthanasie, S.  460; Leist, S.  141; Schoene-Seifert in: Damschen/Schönecker, S. 169 (182 f.); Singer, S. 85. 213 Kopernock, S. 115; vgl. Singer, S. 213 f., der auf die 18. Schwangerschaftswoche abstellt; Merkel, Früheuthanasie, S. 510, spricht von der Mitte des vierten Schwangerschaftsmonats, anders S. 461, wo von der Mitte des zweiten Schwangerschaftstrimesters die Rede ist. 214 Kopernock, S. 115; Leist, S. 141 f., 147 f., 158; vgl. Merkel, Früheuthanasie, S. 460. 207

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(ι) Geburt Wieder andere stellen auf die Geburt als den sicheren Moment der Entwicklung der Personalität ab215. Begründet wird dies vor allem damit, Widersprüche zu anderen Vorschriften zu vermeiden216. Damit wird Embryonen jeglicher verfassungsrechtliche Lebensschutz versagt. Hoerster geht davon aus, dass dem Embryo zwar kein Lebensrecht im Sinne der Verfassung zugesprochen werden könne, wohl aber ein „schlichter Lebensschutz“, welcher allerdings nicht ausreiche, Verletzungen unter strafrechtliche Sanktionen zu stellen217. (ϰ) Kritik am Konzept des späteren Lebensschutzbeginns Gegen die Nidation als rechtlich relevanten Beginn rechtlich schützenswerten Lebens ist anzuführen, dass die natürliche Embryonenselektion bis zu diesem Zeitpunkt anders als menschliche Handlungen keiner Rechtfertigung bedarf und keiner moralischen Bewertung unterliegt218. Die natürliche Verlustrate bildet keine Grundlage dafür, den Schutz der überlebenden Embryonen zu verringern219. Insbesondere stellt § 218 StGB kein Argument dar, weil das einfache Recht nicht zur Definition eines grundrechtlichen Schutzbereichs herangezogen werden kann220. Einwände gegen die Individuation als maßgeblichen Zeitpunkt bestehen darin, dass die Festlegung auf diesen Moment ebenso willkürlich ist wie der Zeitpunkt der Nidation221. Aus der selten vorkommenden Entstehung eineiiger Zwillinge kann keine generelle Regelung abgeleitet werden222. So ist es geradezu absurd, einem Individuum das Lebensrecht mit der Begründung abzusprechen, dass aus ihm noch zwei Individuen entstehen könnten223. Dem wird wiederum entgegenge-

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Hoerster in: JuS 1989, 172 (178); Hoerster in: JR 1995, 51 (52); vgl. auch Giwer, S. 76. Umfassend hierzu Wille, S. 87 f. m. w. N.; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (770); vgl. Böckenförde in: JZ 2003, 809 (811); siehe auch Dederer in: AöR 2002, 1 (10) der argumentiert, die Entstehungsgeschichte lasse noch deutlicher als der Wortlaut hervortreten, dass die Menschenwürde dem geborenen Menschen zustehen soll. 217 Hoerster, Ethik des Embryonenschutzes, S. 132. 218 Schmidt, S. 95 f.; Isensee in: H/H/I/K, 37 (60). 219 Giwer, S. 68. 220 Vgl. Reimann in: ZfL 2004, 2 (6), die dem weitreichenden Schutz des Embryos in vitro durch ESchG und StZG eine Indizwirkung für die Beantwortung der verfassungsrechtlichen Frage nach dem Status des Embryos entnimmt und daraus eine Grundrechtsträgerschaft hinsichtlich des Rechts auf Leben und Menschenwürde ableitet. Auch für ESchG und StZG gilt jedoch dasselbe wie für § 218 StGB, nämlich dass das einfache Recht nicht zur Auslegung der Verfassung verwendet werden kann. 221 Giwer, S. 69. 222 Vgl. Schmidt, S. 96; Böckenförde-Wunderlich, S. 176. 223 Sackowsky, Gutachten, S. 15; in diese Richtung auch Böckenförde-Wunderlich, S. 176. 216

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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halten, es handle sich um einen Zirkelschluss, da es gerade um die Frage gehe, ob überhaupt ein Individuum vor dem Zeitpunkt der Individuation vorliegt224. Das Abstellen auf den Beginn der Hirntätigkeit ist im Hinblick darauf zu kritisieren, dass dieser kein unveränderlicher Anfangspunkt ist, wie der Hirntod einen Endpunkt darstellt, der unverrückbar biomedizinisch das Ende des Individuallebens einleitet225. Zudem stellt gerade die Veranlagung menschlichen Lebens, ein Hirn zu entwickeln, den Schutzgrund dar226. Der Anknüpfung an die extrauterine Lebensfähigkeit steht entgegen, dass dieser Zeitpunkt sehr variabel und sowohl von der konkreten Entwicklung des Embryos als auch von den jeweiligen Möglichkeiten der Medizin abhängig ist227. Gegen den Zeitpunkt der Geburt als Schutzbeginn des Art. 2 II S. 1 GG ist zu sagen, dass dieser keinen qualitativen Sprung darstellt, weil der Foetus unmittelbar nach der Geburt – abgesehen von der Abnabelung – demjenigen vor der Geburt gleicht: Zwar ist er schon unabhängig von der Mutter lebensfähig, jedoch hilfsbedürftig228. Vor allem aber führt diese Auffassung dazu, dass vorgeburtlichem Leben jeglicher Grundrechtsschutz vorenthalten bleibt. Die völlige Versagung eines verfassungsrechtlichen Schutzes für Embryonen widerspricht jedoch dem Telos des Art. 2 II S. 1 GG und muss daher abgelehnt werden. Auch embryonales vorgeburtliches Leben muss unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen, denn nur wenn auch die pränatale Entwicklung menschlichen Lebens abgesichert ist, kann der Schutz des Lebens effektiv sein. Ähnliche Kritik gilt für die leistungsorientierten Ansichten. Macht man das Recht auf Leben davon anhängig, bestimmte Fähigkeiten, Eigenschaften und Interessen zu haben, müsste man auch schwer geistig Behinderten das Recht auf Leben absprechen, womit der Euthanasie „lebensunwerter“ Menschen Tür und Tor geöffnet wäre229. Dies würde nicht nur den Intentionen des historischen Gesetzgebers widersprechen, sondern auch Art. 3 III S. 2 GG, der besagt, dass – jedenfalls geborene  – Menschen230 nicht aufgrund ihrer Behinderung rechtlich benachteiligt werden dürfen. Eine Auslegung des Art. 2 II S. 1 GG im Sinne der Nichtäquivalenztheorie liefe damit dem Prinzip der Einheit der Verfassung zuwider, nach dem die Normen der Verfassung stets in der Weise zu interpretieren sind, dass Widersprüche zu anderen Normen vermieden werden231. Vor allem ist gegen das Abstellen auf bestimmte Fähigkeiten, Eigenschaften und Interessen anzuführen, dass es sich hierbei um eine rein philosophische Betrachtungsweise des Beginns menschlichen Lebens handelt, denn insbesondere

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Middel, S. 102, 113. Giwer, S. 69; kritisch auch Rosenau, in: FS Schreiber, 761 (772). 226 Laufs, S. 45 f.; Giwer, S. 69. 227 Schmidt, S. 94; Giwer, S. 71. 228 Böckenförde-Wunderlich, S. 174, 176. 229 Giwer, S. 75; Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 10 f. 230 Vgl. Middel, S. 135 f. 231 Giwer, S. 75 m. w. N. 225

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

das Kriterium des Lebenswunsches entstammt der Moralphilosophie232. Anders als der Begriff der Menschenwürde in Art. 1 I S. 1 GG deutet das Tatbestandsmerkmal „Leben“ aus Art. 2 II S. 1 GG auf einen naturwissenschaftlichen Begriff hin233. Während es möglich ist, den Lebensbeginn wissenschaftlich bzw. empirisch zu belegen, erscheinen philosophische Kriterien außerdem zu vage, um einen derart fundamentalen Begriff wie das Leben zu definieren234. Damit würde dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht genügt. Für die Frage nach dem Beginn schützenswerten Lebens taugt diese Ansicht daher nicht. Anders verhält es sich hingegen bei der Frage nach dem Maß der Schutzwürdigkeit; hier können ethischphilosophische Erwägungen durchaus Anhaltspunkte bieten235. (cc) Abgestufter Lebensschutz Weiterhin existieren verschiedene Ansätze für einen „verringerten“, „verminderten“ oder „abgestuften“ Lebensschutz236 der Leibesfrucht, wobei unterschiedliche Konzepte vertreten werden. Einigkeit besteht zumindest weitestgehend im Hinblick darauf, dass menschliches Leben in jedem Stadium wertvoll und schützenswert ist, mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht und mit voranschreitender Entwicklung zunehmenden Schutz genießen muss237. (α) Subjektivrechtlicher Lebensschutz mit geringerer Intensität Kirchhof betrachtet den Embryo ab der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle als Grundrechtsträger des Art. 2 II S. 1 GG: Zu diesem Zeitpunkt greife zwar noch nicht der Menschenrechtsschutz, aber mit der Befruchtung beginne ein den Schutz des Art. 2 II S. 1 GG beanspruchendes individuelles Leben, wobei das Ausmaß des Schutzes geringer anzusiedeln sei als bei geborenen Menschen238.

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Middel, S. 115. Middel, S. 123. 234 Merkel, Früheuthanasie, S. 457 f. 235 So auch Middel, S. 115. 236 Hoerster in: NJW 1997, 773 (774). 237 Z. B. Schwarz in: MedR 2003, 158 (163); vgl. Schroth in: ZME 2003, 211 (214 ff); vgl. Zypries, Rede vom 29.10.2003, ERK-Kom.-Drs. 15/80, S. 4; Hörnle in: ARSP 2003, 318 (336 f.); Schlink, S. 13 f.; Neidert in: ZRP 2002, 467 (471); Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113 f.); Taupitz in: NJW 2001, 3233 (3437 f.); Kloepfer in: JZ 2002, 417 (420 f.); Hufen in: DRiZ 2002, 175 (176 f.); Hufen in: MedR 2001, 440 (446 f.); Dreier in: ZRP 2002, 377 (379 f.); Ipsen in: JZ 2001, 989 (995); vgl. Kunig, Art. 2, Rn. 58 b; Spranger in: ZfSH 2001, 266 (270); Sendler in: NJW 2001, 2148 (2150); Djie, S. 38 f, 42, 116; vgl. Kirchhof in: H/H/I/K, 9 (21, 27); vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 64; Schulze-Fielitz in: Dreier, Art. Art. 2 II, Rn. 70; Hilgendorf in: ARSP 1997, 90 (106); Geiger/von Lampe in: Jura 1994, 20 (23 f.). 238 Kirchhof in: H/H/I/K, 9 (21 f., 27, 32). 233

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

243

(β) Abgeleitetes Lebensrecht von der Mutter Geiger und von Lampe argumentieren, die Prozesshaftigkeit der embryonalen Entwicklung entspreche einer abgestuften Intensität seines Schutzes239. Sie schlagen – im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch – vor, die Schutzpflicht für das vorgeburtliche Leben aus einem Grundrecht sui generis abzuleiten240. Ein selbstständiges Lebensrecht könne dem Embryo aufgrund seiner biologischen Abhängigkeit von der Mutter nicht zustehen, wenngleich er nicht nur als Teil des mütterlichen Organismus anzusehen sei. Bis zur eigenen, von der Mutter unabhängigen Lebensfähigkeit stehe ihm ein Recht auf Fortentwicklung im Mutterleib zu, das weder aus Art. 1 I S. 1 GG noch aus Art. 2 II S. 1 GG folge, sondern aus der Vorwirkung beider Grundrechte. Die Differenzierung zwischen dem Lebensrecht des geborenen Menschen und dem (eigenen) Recht des Embryos auf Fortentwicklung im Mutterleib würde es ermöglichen, sinnvoll zwischen geborenem und ungeborenem Leben zu unterscheiden. (γ) Grundrechtsanwartschaft Eine Vorwirkung der Grundrechte befürwortet Kloepfer und hält es für gerechtfertigt, embryonalen Zellen vorwirkend den Schutz des Lebensgrundrechts zukommen zu lassen241. Damit handelt es sich letztlich um eine „Entstehenssicherung“242 bzw. um eine Art „Grundrechtsanwartschaftsschutz“243. Dieser sei nicht so stark anzusetzen wie das Leben geborener Menschen und am geringsten aus­ geprägt bei der In-vitro-Fertilisation vor der Einpflanzung in die Gebärmutter, wobei die Intensität des Schutzes mit dem Heranwachsen steige244. (δ) Rein objektiv-rechtlicher Lebensschutz mit geringerer Intensität Andere leiten eine geringere Intensität des Lebensschutzes aus dem objektivrechtlichen Grundgehalt des Art. 2 II S. 1 GG ab. Hilgendorf spricht dem ungeborenen Leben zwar ein grundsätzliches Lebensrecht zu, jedoch bestehe ein qualitativer Unterschied zwischen geborenem und ungeborenem menschlichen Leben 239 Vgl. auch Waldner, S. 101 f., der das ungeborene Leben zwar als Grundrechtsträger des Art. 2 II S. 1 GG sieht, eine unterschiedlich starke Schutzpflicht des Staates sei wegen der körperlichen Beziehung zur Frau aber gerechtfertigt, wobei der abgeschwächte Lebensschutz des Embryos in der engen, sich aber mit zunehmender Entwicklungsstufe lösenden Beziehung zur Mutter begründet liege. 240 Geiger/von Lampe in: Jura 1994, 20 (23). 241 Kloepfer in: JZ 2002, 417 (417 f.). 242 So auch Hoyer in: FS Rolinski, 81 (91). 243 Kloepfer in: JZ 2002, 417 (420); kritisch Seelmann in: Maio/Just. 244 Kloepfer in: JZ 2002, 417 (420).

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

in seinen ersten Entwicklungsmonaten, weshalb es hinter dem entsprechenden Recht eines geborenen Menschen zurückbleibe245. Im Zuge seiner Entwicklung gewinne das Leben an Wert, sodass die Einschränkbarkeit seines Lebensrechts entsprechend abnehme. Dem Vorwurf eines möglichen Verstoßes gegen Art.  3 I GG wird entgegengehalten, dass es sich nicht um eine grundlose Ungleichbehandlung handle, weil der geborene Mensch wegen seines unterschiedlichen Entwicklungsstandes ungleich schutzwürdiger sei als eine befruchtete Eizelle246. Weder moralisch noch von Verfassungs wegen sei es geboten, einer Blastozyste den Status einer Person zuzusprechen, noch gebe das Grundgesetz vor, sie als Träger des Rechts auf Leben anzusehen247. Lübbe stellt bei der Abstufung auf das Kriterium der Menschenähnlichkeit ab: Je ähnlicher das Gegenüber dem Menschen sei, desto höher sei die Hemmung, es zu töten248. Embryonen müsse deshalb ein abgeschwächter Lebensschutz zuerkannt werden249. Die Schutzpflicht für pränatales Leben sei dabei Ausfluss des objektiv-rechtlichen Gehalts unseres Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit250. Eser konstatiert, dass es nicht auf eine Bestimmung des rechtlichen Status, eine „Präjudizierung durch begriffliche Etikettierung“, ankomme. Vielmehr stelle sich die Frage, inwieweit artspezifi­ sches menschliches Leben  – das schon mit der Zygote vorliegt, weil alle Erbanlagen bereits vorhanden seien und nur noch zur Entfaltung kommen müssten („potenzielles Subjekt“), – hinreichend wertvoll erscheint und erscheinen muss, um es nicht der Beliebigkeit willkürlicher Erhaltung oder Vernichtung preiszugeben251. Ziegler geht so weit, auf jegliche Definition eines allgemein gültigen Grundrechtsstatus zu verzichten und ausschließlich Einzelfallbeurteilungen vorzunehmen252. Dreier spricht sich für eine Stufung des vorgeburtlichen Schutzes aus, weil ein kategorialer Unterschied zwischen dem Lebensrecht geborener Menschen und dem Schutz ungeborenen Lebens bestehe253: Der vorgeburtliche Schutz wachse­

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Hilgendorf in: ARSP 1997, 90 (108); Hilgendorf in: NJW 1996, 758 (761); Hilgendorf in: MedR 1994, 429 (431). 246 Hilgendorf in: ARSP 1997, 90 (106 f.). 247 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (63). 248 Lübbe in: ZfP 1989, 138 (147 f.). 249 Lübbe in: ZfP 1989, 138 (141, 144). 250 Lübbe in: ZfP 1989, 138 (148). 251 Eser in: Günther/Keller, 263 (286); ähnlich von Renesse in: Geyer, 107 (108); vgl. Djie, S. 42, der die Frage nach einer Grundrechtsträgerschaft des Embryos dahinstehen lässt; vgl. auch Böckenförde-Wunderlich, S. 61 f. u. a. zum Warnock-Report, vgl. auch Warnock, S. 60, 66: Der Warnock-Report ging der britischen Regelung zur künstlichen Befruchtung und­ Embryonenforschung voraus, bei dem die Frage nach dem Beginn der Mensch- oder Personqualität nicht abschließend beantwortet wurde, weil es wichtiger erschien, die Frage zu klären, wie der Embryo zu behandeln sei. 252 Ziegler, S. 135 f. 253 Dreier in: ZRP 2002, 377 ((377 f.); Dreier in: Dreier/Huber, 9, (21 f., 38).

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

245

parallel zum Wachstum des Embryos und erstarke mit der Geburt zu einem „strikten Lebensrecht“254, was der Intention des Art. 2 II S. 1 GG entspreche255. Der Deutsche Ethikrat geht davon aus, dass sich aus dem Grundgesetz kein „absoluter“ Lebensschutz für Embryonen ableiten lasse256. Vor diesem Hintergrund bejahen einige Vertreter eine Abstufung des Schutzes vorgeburtlichen Lebens257 und betonen, dass diese auch dann gelte, wenn man den verfassungsrechtlichen Lebensschutz bereits mit dem Zeitpunkt der Befruchtung beginnen lässt, weil der Gesetzgeber einen abgestuften Lebensschutz auch auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 2 II S. 3 GG stützen könnte258, aufgrund dessen Eingriffe in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zulässig sind, wenn dies zum Schutz anderer hochrangiger, mindestens gleichgewichtiger Rechtsgüter erforderlich ist259. Alle geborenen Menschen genössen strikten Lebensschutz, der lediglich in Ausnahmesituationen wie Notwehr, finalem Rettungsschuss oder Militäreinsatz durchbrochen werden kann260. Anders verhalte es sich beim vorgeburtlichen Leben, bei dem es nicht mit diesen wenigen Ausnahmesituationen sein Bewenden haben könne. Allein die Existenz der Indikationenlösung beim Schwangerschaftsabbruch, die allgemeine Anerkennung genießt, zeige, dass eine Abwägung zwischen Lebensgefährdung der Mutter und Leben des Kindes möglich ist, was im Konfliktfall zwischen zwei geborenen Menschen nicht der Fall ist261. Stimmig sei die medizinische Indikation nur dann, wenn man eine Ungleichwertigkeit von geborenem und ungeborenem Leben annimmt262. Der absolute Schutz von Embryonen werde keinesfalls nur in der einzigartigen Situation der Schwangerschaft aufgehoben. Dies zeige sich schon durch das Transferverbot des § 6 II ESchG, nach dem ein ge­klonter Embryo nicht übertragen werden darf und somit sterben muss, obwohl einem geborenen Klon unumstritten die gleiche Würde zukäme wie jedem Menschen263. Auch die Hinnahme der Verwendung von Spiralen264 und ande 254

Dreier in: ZRP 2002, 377 (378, 383); siehe auch Schulze-Fielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 70; vgl. Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113); ähnlich Losch in: NJW 1992, 2926 (2930); Schmidt-Jortzig, S. 20 f.; ähnlich Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 64. 255 Dreier in: ZRP 2002, 377 (378, 379). 256 Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.1. 257 Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.1., 5.1.1.; 5.1.2.; Nationaler Ethikrat 2003, PID, Mehrheitsvotum 3.; Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 (77). 258 Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.1.1; im Ergebnis ebenso Paul, S.  62 f.; vgl. auch Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz, S. 51. 259 Middel, S. 125. 260 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (75). 261 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (75 f). 262 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (76). 263 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (76). 264 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art.  2 II, Rn.  24. Die Hinnahme der Spirale werde verfassungs­rechtlich damit begründet, dass sie das Recht auf Leben deshalb nicht berühre, weil sie gerade die den Lebensbeginn markierende Einnistung, mit der das autonome Entfaltungsprogramm menschlichen Lebens beginne, verhindert und vorher den so genannten Abgang verursacht.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

ren nidationshemmenden Empfängnisverhütungsmitteln, insbesondere der „Pille danach“, die zur alltäglichen routinemäßigen Tötung von befruchteten Eizellen und damit von Embryonen führen, zeigten, dass nach heutigen gesellschaftlichen Vorstellungen keineswegs nur eine gravierende und konkrete Konfliktsituation für die Frau und werdende Mutter den Lebensschutz der frühen Leibesfrucht relativieren könne265. Vor diesem Hintergrund lasse sich kaum plausibel begründen, weshalb selbst hochrangige Heilungsziele nicht auch zu einem im Einzelfall abgewogenen und im Ergebnis abgestuften Lebensschutz frühester menschlicher Zellverbände führen dürften266, zumal es offensichtlich sei, dass es ein „Mittleres“ gebe zwischen dem höchstmöglichen Schutz, der einer Person zukommt, und dem achtlosen Verfahren mit einer Sache267. So verbiete schon die Pietät den beliebigen Umgang mit menschlichen Leichen, erlaube jedoch schon seit Jahrhunderten aus gewichtigen medizinischen und kriminologischen Gründen Eingriffe am Leichnam, die beim lebenden Menschen undenkbar wären, ohne dass die Achtung vor dem Leichnam dadurch außer Kraft gesetzt worden wäre268. Das Schutzbedürfnis eines Gestorbenen schwinde in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt269. Eine objektiv-rechtliche staatliche Schutzpflicht könne also durchaus ohne lebendes Rechtssubjekt als konkretindividuellem Grundrechtsträger bestehen270. Entsprechend den Embryonal­ entwicklungen könnten folglich Abstufungen des Lebensschutzes vorgenommen werden, sodass der Schutz bis zur Geburt kontinuierlich anwachse, bis er schließlich beim geborenen Menschen zum strikten Lebensrecht erstarke271. (ε) Kritik am Konzept abgestuften Lebensschutzes Auch die Konzeption eines abgestuften Lebensschutzes stößt auf Kritik. Die­ Figur eines „verringerten Rechts“ sei der verfassungsrechtlichen Dogmatik un 265

Sendler in: NJW 2001, 2148 (2149). Herdegen in: JZ 2001, 773 (774); Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 267 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (79 f.). 268 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (80). 269 BVerfGE 30, 173 (194, 196); vgl. auch BGHZ 50, 133 (136 f.); BGH, NJW 1993, 1462; kritisch Weck, S. 210 f. 270 Middel, S.  126 mit Verweis auf Dederer in: AöR 2002, 1 (18 f.); Faßbender in: NJW 2001, 2745 (2749 f.); Heun in: JZ 2002, 517 (519); vgl. für die grundsätzliche Unterscheidbarkeit von sachlichem und persönlichem Schutzbereich Murswiek in: Sachs  GG, Art.  2, Rn. 145 f., der aus Gründen eines möglichst effektiven Grundrechtsschutzes dem Nasciturus jedoch (auch) die Grundrechtssubjektivität zuspricht; a. A. Giwer, S. 81; Geddert-Steinacher, S. 67 f.; Zippelius in: BK, Art. 1 I, II GG, Rn. 29, 53; Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437 f.); Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113 f.); Kunig in: Münch/Kunig, der allerdings von einem Grundrechtssubjekt auf Zeit spricht; Weck, S. 95 f., 217; Losch, S. 343; Dietlein, S. 124 f.; Hofmann in: FS Krause, 115 (122); Isensee in: HbStR V, § 111, Rn. 95. 271 Weschka, S. 401. 266

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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bekannt272. Zudem bestehe die Gefahr willkürlicher Einschränkung, die den Lebensschutz als solchen zu zerstören vermöge273. Erkennt man den Embryo ab der Befruchtung nicht als vollwertigen Grundrechtsträger an, gebe man den Grundsatz preis, dass jeder Mensch im Sinne des Grundgesetzes gleich viel wert ist274. (dd) Stellungnahme Die Diskussion um eine Grundrechtsträgerschaft des Embryos muss zwingend entschieden werden, weil sie Auswirkungen auf das Maß und die Konkretisierung eventuell aktivierter grundrechtlicher Schutzpflichten hat. Denn es geht nicht nur um die prozessuale Bedeutung der Grundrechtsträgerschaft; vielmehr bedeutet die Zuerkennung subjektiver Rechte ein höheres Maß an Realisierung als die Statuierung bloß objektiver Gebote275. Grundrechtsträger kann nur ein individueller Mensch sein. Das mit der Befruchtung entstandene Leben ist insoweit individuell, als dass erstmalig ein neues Genom in einer neuen zellulären Struktur auftaucht. Da jedoch bis zur Ausbildung des Primitivstreifens noch die Bildung eineiiger Zwillinge möglich ist276, handelt es sich im Rechtssinn nicht um ein Individuum277. Als Grundrechtsträger kann der Embryo deshalb erst nach abgeschlossener Nidation und erfolgter Individuation fungieren. Erst dann verfügt er über Potenzialität im Sinne der SKIP-Theorie, denn durch die Einnistung in die Gebärmutter erhält er von der Mutter die für die weitere embryonale Entwicklung erforderlichen epigenetischen Signale, die ihm eine reale Lebenschance eröffnen. Entgegen der herrschenden Meinung278 liegt vor der Individuation kein Grundrechtsträger vor: „Wo kein Individuum, da kein Grundrechtsträger“279. Zwischen Lebensbeginn und Individuation bleibt der Embryo wegen der objektiv-rechtlichen Wertentscheidungen der Verfassung nicht schutzlos gestellt: Denn neben der Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Rechtsordnung sowie Organi 272

Giwer, S. 77; in diese Richtung auch Merkel, Früheuthanasie, S. 462. Schneider, S. 160 f.; Böckenförde in: Geyer, 112 (115); Giwer, S. 77, 115. 274 Haßmann, S. 88 f.; vgl. Schneider, S. 160 f; Lübbe in: ZfP 1989, 138 (145 f.); kritisch auch Merkel, Früheuthanasie, S. 462 f. 275 Schneider, S. 95; Alexy, S. 414; vgl. Böcher, S. 141; Giwer, S. 79 f.; vgl. Klein in: NJW 1989, 1633 (1637); vgl. Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.1., 5.1.1.; vgl. BVerfGE 30, 173 (194 f.); a. A. wohl BVerfGE 39, 1 (41); Dietlein, S. 155; Hillgruber in: JZ 1997, 975 (976); zweifelnd Geddert-Steinacher, S. 69; Kunig in: Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 48. 276 Vgl. Teil 2: A. IV. 277 Vgl. Middel, S. 123. 278 Vgl. Böckenförde-Wunderlich, S. 178 f.; Kluth, Stellungnahme, S. 5 f., 8; Kluth in: Beckmann/Löhr, 208 (217); Schneider, S. 96 f., 109 f.; Büchner in: ZfL 2003, 12; Kunig in: Münch/ Kunig, Art.  2, Rn.  47, 49; Kunig in: Jura 1991, 415 (417); Giwer, S.  81; Schulze-Fielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 40; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 64; Lorenz in HbStR VI, § 128, Rn. 10; Rüfner in: HbStR V, § 116, Rn. 17; Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 21; Fink in: Jura 2000, 210 (215); vgl. Corell in: AL, Art. 2 II, Rn. 36, 49. 279 Middel, S. 104. 273

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

sations- und Verfahrensgehalte existiert eine subjektiv-rechtliche Bedeutung objektiv-rechtlicher Gehalte280. Zudem kann nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung eine staatliche Schutzpflicht auch ohne lebendes Rechtssubjekt bestehen281. Damit stellt sich die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Lebensbeginn, der objektiv-rechtlichen Schutz auszulösen vermag. Eine philo­sophisch geprägte Betrachtungsweise des Beginns menschlichen Lebens muss abgelehnt werden, denn das Tatbestandsmerkmal „Leben“ deutet – anders als der Begriff der Menschenwürde in Art. 1 I S. 1 GG – auf einen naturwissenschaftlich fundierten Begriff hin. Zudem muss dem Bedürfnis an Rechtssicherheit genügt werden. Eine Gleichsetzung von biologischem Beginn menschlichen Lebens mit dem rechtlichen Beginn schützenswerten Lebens bedeutet keinen naturalistischen Fehlschluss, wenn Gründe für eine Gleichsetzung existieren282. Gewichtige Argumente sprechen dafür, den rechtlichen dem biologischen Lebensbeginn gleichzusetzen283. Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht schützenswertes menschliches Leben. Den ersten scharfen Einschnitt in der biologischen Entwicklung des Menschen bildet die Entwicklung der Zygote. Nur der Normzweck des Art. 2 II S. 1 GG könnte es rechtfertigen, rechtlich von diesem naturwissenschaftlichen Beginn abzuweichen284. Hierfür sind jedoch keine Gründe ersichtlich, denn spätestens mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt ein neuer, schützenswerter Lebenskreislauf. Eine spätere Zuerkennung des Lebensschutzes würde dem Telos des Art. 2 II S. 1 GG – der Gewährung eines umfassenden grundrechtlichen Schutzes menschlichen Lebens – widersprechen. Während die Biologie die maßgeblichen Anhaltspunkte für den Lebensbeginn liefert, kann die Philosophie ohne einen Verstoß gegen das Prinzip der Rechtssicherheit oder der hinreichenden Bestimmtheit für die Frage nach dem Maß des Schutzes herangezogen werden: sowohl für die Bestimmung der Intensität des objektiv-rechtlichen Schutzes vor der Individuation als auch für das Maß des subjektiv-rechtlichen Lebensschutzes des Embryos ab der Individuation. Der subjektive Grundrechtsschutz des Embryos nach der Individuation muss in seiner Intensität hinter demjenigen zurückbleiben, den geborene Menschen für sich beanspruchen können. Die Geburt stellt eine wesentliche Zäsur dar, weil der Embryo nun nicht mehr Teil des mütterlichen Körpers ist, sondern über eine eigenständige Körperlichkeit verfügt. Aus dem Gesetzesvorbehalt des Art. 2 II S. 3 GG 280 BVerfGE 7, 198 (204 f.); 39, 1 (41 f.); 49, 89 (141 f.); 53, 30 (57); 56, 54 (73); 77, 170 (214); Neben dem Begriff der Wertentscheidung verwendet das BVerfG auch Ausdrücke wie Grundsatznormen, objektive Normen, objektiver Grundrechtsgehalt und Ähnliches, dazu Jarass in: AöR 1985, 363 f.; Jarass in: Jarass/Pieroth, Vorb. Art. 1 I, Rn. 3; Sachs in: Sachs GG, Vor. Art. 1, Rn. 29 m. w. N.; Stern, Staatrecht III/1, § 69 II 5. 281 Vgl. BVerfGE 39, 1. 282 Vgl. Middel, S. 123. 283 Auch wenn dies im einfachen Recht nicht immer so umgesetzt wurde, vgl. die Ausführungen zur Auslegung des ESchG. 284 Giwer, S. 78; Murswiek in: Sachs GG, Art. 2; Rn. 144.

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folgt, dass das Grundgesetz auch für den geborenen Menschen keinen absoluten Lebensschutz kennt, sodass die Absolutheit des Lebensschutzes zu einem „nie verwirklichten philosophischen oder religiösen Postulat“ wird285. Deshalb ist dem Konzept abgestuften Lebensschutzes zu folgen. Dem Argument, ein abgestufter Lebensschutz von Embryonen setze sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, kann man entgegenhalten, dass das Gericht entgegen den eigenen Prämissen letztlich einen abgestuften Schutz akzeptiert, welcher sich an der fortschreitenden Entwicklung des Embryos orientiert286. Hinsichtlich geborener Menschen besteht gleicher Schutz für jeden287, sodass auch jedem Leben gleicher Wert zukommt. Die einfachgesetzlichen Regelungen zum Umgang mit intrakorporalem Leben als Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Schranken zeigen, dass die Intensität des Schutzes der Lebensformen divergiert288. Die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in den §§ 218 f. StGB verdeutlichen, dass der Gesetzgeber ein zeitlich gestuftes Regelungsmodell wählt289: Nidationshemmer sind von der Strafandrohung ausgenommen (§ 218 I S. 2 StGB), und während innerhalb der ersten zwölf Wochen ein Schwangerschaftsabbruch nach Beratung290 zulässig291 ist, richtet sich ein Abbruch in späteren Schwangerschaftsphasen nach bestimmten Indikationen. Die medizinische Indikation verdeutlicht, dass das Lebensrecht des Embryos schwächer ausgeprägt ist, da dieses von vornherein und grundsätzlich dem der Mutter untergeordnet ist292. Diese Regelung ist als Ausdruck eines parallel zur Entwicklung wachsenden Lebensschutzes zu werten: Je näher der Embryo dem geborenen Kind ist, desto stärker sind Umfang und Intensität seines Lebensschutzes und somit seines Lebensrechts mit der Folge, dass eine Abwägung immer strengeren Voraussetzungen unterliegt293. Das vorgeburtlich abgestufte Lebensschutzkonzept entspricht darüber hinaus dem Verständnis vieler anderer westlicher Verfassungsordnungen294. Im Hinblick auf die SKIP-Theorie ist zu sagen, dass diese keinen vollen Schutz des Embryos in vivo zu begründen vermag, der demjenigen des geborenen Menschen entspricht. Zwar werden die Kriterien der Spezieszugehörigkeit, Kontinuität und Individualität erfüllt: Der Embryo entwickelt sich als Zugehöriger der Gattung Mensch kontinuierlich zum geborenen Menschen, mit dem er (später) identisch ist. 285

Iliadou, S. 154 m. w. N. Vgl. Middel, S. 91, 122. 287 Für viele Schulte-Fielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 15. 288 Natürlich kann nicht von einfachgesetzlichen Normen auf die Verfassung geschlossen werden. Als Konkretisierungen des Grundgesetzes spiegeln sie jedoch deren Auslegung ­wider. 289 Hetz, S. 198. 290 Eser in: Schönke/Schröder, § 218 a, Rn.  12 f. mit dem Hinweis darauf, dass die Beratungspflicht lediglich physische Präsenz von der Schwangeren verlangt. 291 Auch die terminologische Wahl „rechtswidrig, aber straffrei“ ändert daran nichts, vgl. Eser in: Schönke/Schröder, § 218 a, Rn. 12 f. 292 Dreier in: Dreier/Huber, S. 34. 293 Sackowsky, S. 26; Dreier in: Dreier/Huber, S. 28 f. 294 Eser in: Eser/Koch, S. 95 f., 146 f., 149, 163 f., 167, 181. 286

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Die Potenzialität aber kann als Verbindungsglied unterschiedlicher Phasen und Stufen des Werdens nicht mit der vollendeten Stufe gleichgesetzt werden295. Weder moralisch noch von Verfassungs wegen ist es geboten, einer Blastozyste den Status eines geborenen Menschens zuzusprechen296. Vielmehr lässt sich mit Hilfe der SKIP-Theorie das Maß des Lebensschutzes herleiten: Je näher der Embryo dem Leitbild des geborenen Menschen kommt, desto stärker muss er von der Verfassung geschützt werden. (d) Ergebnis Folglich beginnt menschliches Leben mit der Befruchtung. Von diesem Zeitpunkt an wird es vom objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 2 II S. 1 GG geschützt. Erst mit der Individuation kann von konkret-individuellem Leben gesprochen werden, sodass der Embryo zum Grundrechtsträger des Art. 2 II GG wird. Der Schutzumfang ist allerdings geringer anzusetzen als bei einem geborenen Menschen und wächst mit zunehmender Entwicklung des Embryos. Eine Abwägung mit anderen Verfassungswerten ist deshalb möglich. (2) Lebensschutz humaner IVF-Embryonen in vitro (Art. 2 II S. 1 GG) Traditionell stellten sich Probleme des Lebensschutzes im Hinblick auf die Vorgänge bei der Geburt und den vorgeburtlichen Eingriff. Erheblich erweitert wurde das Diskussionsfeld, als der medizinischen Wissenschaft und Praxis die künstliche Befruchtung außerhalb des menschlichen Körpers gelang297. Seit der Lebensbeginn nicht mehr nur indirekt über den Nachweis einer Schwangerschaft in Erscheinung tritt, sondern in Form der befruchteten Eizelle und ihren Teilungsstadien in der Petrischale sichtbar gemacht wird, tauchte die Frage auf, wie das Verständnis des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes auf die neue Situation zu reagieren hat und welche Konsequenzen für die Auswirkungen des Schutzgebotes gezogen werden müssen298. Kontrovers wird diskutiert, ob das künstlich erzeugte Leben dem natürlich gezeugten gleichzusetzen ist oder ob das Lebensschutzgebot solchen Embryonen gar nicht zusteht oder zumindest weiter reichende Eingriffe erlaubt.

295

Hetz, S. 199. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (63). 297 Rjosk in: Dietrich-Reichardt, S. 29; Papp, S. 45. 298 Losch in: NJW 1992, 2926 (2926); Steiner, S. 12. 296

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

251

(a) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts Aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch folgern einige Autoren, dass diese bei konsequentem Weiterdenken zu einem „vollen“, nicht abstufbaren Lebensschutz für alle Embryonen, auch solche in vitro, ab der Befruchtung führen299. Auf Embryonen in vitro sind die Entscheidungen aber keinesfalls übertragbar. Beide Urteile beziehen sich bereits in ihren Leitsätzen „nur“ auf das „ungeborene“300 bzw. das „sich im Mutterleib entwickelnde“301 menschliche Leben. Die zeitliche Dimension der Urteile beschränkt sich damit auf den Zeitraum der Schwangerschaft, welcher nach den – verfassungsrechtlich un­ bedenklichen – Bestimmungen des Strafgesetzbuches von der Nidation bis zum Beginn der Geburt reicht302. Wie das Bundesverfassungsgericht den Grundrechtsstatus eines in vitro erzeugten Embryos beurteilen würde, bleibt offen303. (b) Die Aussage des Bundesgerichtshofes Am 06.07.2010 hat der Bundesgerichtshof304 eine Klarstellung zur Präimplantationsdiagnostik getroffen und den Lebensschutz des frühen Embryos und den Gesundheitsschutz des erhofften Kindes mit der Verantwortung für die Vermeidung schwerer Krankheiten und die Interessen der Eltern – zu deren Gunsten er entscheidet – abgewogen305. Damit zeigt sich, dass der verfassungsrechtliche Lebensschutz des Embryos in vitro vom BGH als abwägungsfähig erachtet wird. (c) Die Aussagen in der Literatur Mit der künstlichen Erzeugung von menschlichem Leben hat sich das verfassungsrechtliche Lebensschutzgebot erweitert, wobei in der Literatur umstritten ist, wie sich dies auszuwirken hat, ob als absolute Schranke auch für kollidierende Bedürfnisse der medizinisch-naturwissenschaftlichen Forschung oder als grundsätzlich einschränkbares, mit anderen Schutzgeboten vermittelbares Prinzip306.

299

So Benda in: DRiZ 2002, 175 (176); vgl. Sackowsky, Gutachten, S. 15. BVerfGE 88, 203. 301 BVerfGE 39, 1. 302 BVerfGE 88, 203 (251) mit Hinweis auf BVerfGE 39 1, (37), wo auch auf die Individuation Bezug genommen wird. 303 Dreier in: ZRP 2002, 377 (382); Rosenau in: FS Schreiber, 761 (770); vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 (74); andere Auffassung Benda in: DRiZ 2002, 175 (176). 304 BGH, Urt. v. 06.01.2010, Az. 5 StR 386/09 = NJW 2010, 2672–2676. 305 Kreß in: ZRP 2010, 201 (203). 306 Losch in: NJW 1992, 2926 (2926). 300

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(aa) Kein Lebensschutz Viele Autoren, die dem Embryo Lebensschutz erst ab einem späteren Zeitpunkt als der Befruchtung zusprechen  – z. B. erst ab der Nidation307, dem Beginn der Hirnströme308, der ersten Regung im Mutterleib309, der Geburt310 oder nur Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften oder Leistungen311 –, gewähren Embryonen in vitro weder einen objektiv-rechtlichen noch einen subjektiv-rechtlichen Lebensschutz aus Art. 2 II S. 1 GG312. (bb) Gleicher Lebensschutz wie bei Embryonen in vivo Weite Teile der Literatur – insbesondere diejenigen, die dem Embryo spätestens ab der Befruchtung vollen Lebensschutz313 zukommen lassen, und Autoren, die ab diesem Zeitpunkt ein abgestuftes Schutzmodell vertreten314, – stellen den extrakorporal erzeugten Embryo dem natürlich gezeugten Embryo in vivo gleich, kommen also je nach vertretener Ansicht zu einer vollen oder abgestuften Schutzwürdigkeit, wobei die Begründungen für eine Gleichstellung divergieren. (α) Voller Schutz Überwiegend wird der Beginn menschlichen Lebens normativ auf den biologisch bestimmbaren Zeitpunkt der Befruchtung bezogen. Dies gelte unabhängig davon, ob der Embryo inner- oder außerhalb des Mutterleibs erzeugt wurde315, weil 307

Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art.  2 II, Rn.  176; Dreier in: ZRP 2002, 377 (379); Hofmann in: JZ 1986, 253 (259); Klopfer, S. 73 f., 102 f.; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (772 f., 775); Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art.  2 II, Rn.  24 f.; 30; Scholz, Plenarprotokoll 14/233, S. 23257 (B, C); Lege in: HbStR, 669 (753); Anderheiden in: KritV 2001, 353 (380); vgl. auch Murswiek in: Sachs, Art. 2, Rn. 145 a, der auf den siebten Tag und damit den Beginn der Einnistung abstellt; vgl. Netzer in: EthikMed 1998, 138 (142); Elsässer in: Wuermeling, S.  72 (82 f.); Dressler, S. 49, 62, 180; vgl. auch Nüsslein-Volhard in: FAZ vom 02.10.2001. 308 Sass in: Sass, S. 160 (164 f.). 309 Zippelius in: JuS, 1983, 659 (660). 310 Hoerster in: JuS 1989, 172 (178); Hoerster in: JR 1995, 51 (52); vgl. auch Giwer, S. 76. 311 Merkel, Früheuthanasie, S. 444; Merkel in: DRiZ 2002, 184 (191); vgl. Höfling, S. 12; Höfling, S. 11; Singer, S. 82 f., 121 f., 196; vgl. Hoerster, Abtreibung, S. 55 f.; Leist, S. 61 f. 312 Vgl. Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 2 II, Rn. 176. 313 Vgl. Teil 4: A. I. 1. a) aa). 314 Vgl. Teil 4: A. I. 1. a) cc). 315 Schulze-Fielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 16; Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 143, 145; Lorenz in: HStR VI, § 128, Rn. 12; Beckmann in: MedR 2011, 169 (171); Böckenförde in: JZ 2003, 809 (812); Böckenförde-Wunderlich, S. 178; Classen in: DVBl. 2002, 141 (442); Hufen in: MedR 2001, 440 (447); Ipsen in: JZ 2001, 989 (995); Kloepfer in: JZ 2002, 417 (420); Lorenz in: FS Brohm, 441 (445); Mildenberger in: MedR 2002, 293 (298); Schwarz in: KritV 2001, 182 (196); Deutscher Ethikrat 2011, PID, S. 34.

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

253

das Leben nicht aufgrund seiner Herstellung im Wege der technischen Produktion diskriminiert werden dürfe316. Mit Abschluss der Fertilisation falle der Embryo in vitro in den persönlichen und sachlichen Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG. Autoren, die den Lebensschutz aus der Menschenwürde ableiten, kommen zu dem Ergebnis, dass das Wort „Mensch“ in Art. 1 I S. 1 GG dasselbe bedeute wie der Begriff „Jeder“ aus Art. 2 II S. 1 GG, da Menschenwürde und Lebensschutz nicht voneinander getrennt werden könnten. Auch beim geborenen Menschen seien Fähigkeiten wie Ich-Bewusstsein, Empfindungs- oder Handlungsfähigkeit keine Voraussetzung für die Zuerkennung der Menschenwürde, sodass deren Nichtvorliegen beim Embryo in vitro kein Hinderungsgrund für das Zusprechen des Lebensschutzes sei317. Eine Abstufung des Schutzumfangs wird abgelehnt und zwischen geborenem Menschen und Embryo in vitro kein Unterschied gesehen, der einen geringeren Schutz des Embryos in vitro rechtfertigen könnte; vielmehr wird dieser als vollwertigen Grundrechtsträger anerkannt318. (β) Abgestufter Schutz Eine andere Ansicht betrachtet den Embryo in vitro zwar als menschliches Leben, erkennt ihm jedoch nur eine eingeschränkte Grundrechtsträgerschaft (abgestuften Grundrechtsschutz bzw. Grundrechtsanwartschaft)319 zu oder verneint eine solche und gewährt Schutz nur über den objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte in Gestalt eines abgestuften Schutzkonzeptes. Dabei sei die Intensität des Schutzes für Embryonen in vivo und in vitro dieselbe, da es nicht auf die Art und Weise der Initialisierung des Lebens ankomme320.

316

Sternberg-Lieben in: JuS 1986, 673 (678); Vitzthum in: JZ 1985, 201 (203). Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (56). 318 Koenig et al., GA, ERK, Kom.-Drs. 15/48, S. 157, 178, 180, 184, 188, XXIV; Fraling in: ZME 2003, 137 (142); Böckenförde-Wunderlich in: ZME 2003, 397 (402 f.); BöckenfördeWunderlich, S. 173 f., 223, 230 f., einschränkend S. 179; Herzog in: Beckmann/Löhr, 34 (38); Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A., S.  52 f.; Nationaler Ethikrat 2003, PID, Minderheitsvotum 2.4.; Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.2.1; Beckmann in: ZRP 2003, 97 (101); Beckmann in: MedR 2001 169 f.; Classen in: DVBl. 2002, 141 (143 f.); Starck in: JZ 2002, 1065 (1067); Fink in: Jura 2000, 210 (213 f.); Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 21 f.; Laufs in: BMG, S. 204 f.; Röger in: JVL 17, 55 (57); Spiekerkötter, S. 54, 66 f.; Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I, Rn. 19 f., 92, 94, Art. 2, Rn. 205; Isensee in: H/H/I/K, 37 (59, 62); Isensee, Essays, 459 (464 f.). 319 Vgl. hierzu die Ausführungen unter: Teil 4: A. I. 1. a) cc) (3) (c)); siehe auch z. B. Hoyer in: FS Rolinski, 81 (91). 320 Vgl. Dreier in: ZRP 2002, 377 (378, 383); siehe auch Schulze-Fielitz in: Dreier  GG, Art. 2 II, Rn. 70; vgl. Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113); ähnlich Losch in: NJW 1992, 2926 (2930); Schmidt-Jortzig, S. 20 f.; ähnlich Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 64; Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.1., vgl. auch Teil 4: A. I. 1. a) cc) (3) (d). 317

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(cc) Stärkerer Lebensschutz als bei Embryonen in vivo Einige Stimmen in der Literatur sprechen sich dafür aus, dem Embryo in vitro einen höheren Schutz zukommen zu lassen als dem Embryo in vivo. Begründet wird dies mit den besonderen Gefahren und Risiken durch die extrakorporale Daseinsform sowie das Erfordernis der Transfers in eine Gebärmutter321. Die Enquête-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages erkennt an, dass verfassungsrechtlich schützenswertes Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht322. Dies gelte unabhängig davon, wie diese bewirkt wird, weil es sich in allen Fällen um menschliches Leben mit dem gleichen Entwicklungspotenzial handle323. Dennoch plädiert eine Minder­ meinung für eine nur sehr begrenzt zulässige PID in Anlehnung an die Indikationslage beim Schwangerschaftsabbruch324, woraus gefolgert werden muss, dass sie für den Embryo in vitro ein abgestuftes Schutzmodell zulässt325. Hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit würden sich der natürlich gezeugte und der Embryo in vitro unterscheiden: Während der Embryo in vivo bis zur Nidation durch den Eileiter der Mutter wandert und durch deren Körper geschützt wird, sei der mit reproduktionsmedizinischer Hilfe „erzeugte“ Embryo im Labor von Anfang an dem unbeschränkten Zugriff Dritter ausgesetzt326. Hetz verweist darauf, dass die gegenwärtigen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch sowie diejenigen des ESchG und StZG deutliche Unterschiede des Schutzmaßes von Embryonen in vivo und solchen in vitro zeigen und letzterer stärker geschützt werde. Zur Begründung stellt sie folgende Erwägungen an: Das abgestufte Schutzmodell natürlich gezeugter Embryonen, das sich in den Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch manifestiert, beruhe auf zwei Säulen: einer temporären, nämlich am Entwicklungsstand orientierten, und dem „Unzumutbarkeits-Kriterium“, das aus der leiblichen Verbundenheit mit der Mutter resultiert, bei dem die gegenläufigen Interessen von Embryo und Mutter zugunsten der Mutter aufgelöst werden327. Beim In-vitro-Embryo müsse die fehlende leibliche Koexistenz mit der Mutter berücksichtigt werden, sodass sich die Frage stelle, welches Gewicht dem temporären Moment allein zukommt bzw. ob die zeitliche Abstufung nur in Verbindung mit dem Kriterium der „Unzumutbarkeit“ Gültigkeit hat und wegen der „Nichtvergleichbarkeit“ und „Einzigartigkeit“ der Schwangerschaft eine Übertragung der Grundsätze auf IVF-Embryonen ausscheidet328. Im Ergebnis bejaht Hetz, dass der zeitliche Aspekt auf das extrakorporale Stadium übertragen werden könne: Auch wenn die „Unzumutbarkeit“ wichtiges Kriterium während der Schwangerschaft sei, komme doch 321

Hetz, S. 201. ERK, BT-Drs. 14/9020, S. 108, 111. 323 ERK, BT-Drs. 14/9020, S. 106. 324 ERK, BT-Drs. 14/9020, Minderheitsvotum, S. 107 f. 325 Middel, S. 119. 326 ERK, BT-Drs. 14/9020, S. 106. 327 Hetz, S. 201. 328 Hetz, S. 201. 322

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

255

der fortschreitenden Embryonalentwicklung das entscheidende Gewicht zu, was die Berücksichtigung von Fristen deutlich zeige329. Das Schutzmaß müsse daher auch bei Embryonen in vitro abgestuft werden und in diesem Kontext werde das Fehlen der natürlichen Verbundenheit mit der Mutter relevant. So habe das Bundesverfassungsgericht formuliert: „Bei aller Schutzverpflichtung des Staates darf nicht aus den Augen verloren werden, dass das sich entwickelnde Leben von Natur aus in erster Linie dem Schutz der Mutter anvertraut ist“330. Aus dem Fehlen der „Zweiheit in Einheit“ folge eine leichtere Zugriffsmöglichkeit auf den Embryo331. Diese „gesteigerte Verfügbarkeit“ trete als zusätzliche Gefährdungslage neben den temporären Aspekt und übe somit einen entscheidenden Einfluss auf das Maß des Schutzes aus332. Anders als beim Schwangerschaftsabbruch gehe es nicht nur um den Lebensschutz gegenüber Belangen der Mutter, sondern um den Schutz vor dem „Zugriff“ Dritter333. Diese Verfügbarkeit resultiere aus der extrakorporalen Erzeugung und damit aus menschlichem Handeln334. Sie stehe in Zusammenhang mit der Verantwortung, die sich aus der ersten Handlung, der Erzeugung des Embryos außerhalb des Mutterleibes als erster Stufe eines von vornherein auf zwei Stufen angelegten Geschehens – Herstellung und Transfer –, ergibt335. Die Extrakorporalität führe zu einer geringeren Entwicklungsfähigkeit und -möglichkeit sowie zu einer gesteigerten Verletzbarkeit des Embryos im Vergleich zum Embryo in vivo336. Aus alledem folgert Hetz, dass dem Embryo in vitro aus Art. 2 II S. 1 GG ein höheres Maß an Schutz zukommen müsse als dem Embryo in vivo. (dd) Geringerer Lebensschutz als bei Embryonen in vivo Oftmals wird der Lebensschutz des Embryos in vitro geringer angesetzt als bei natürlich gezeugten Embryonen im Mutterleib. (α) Fehlende menschliche Gestalt Gegen eine unmittelbare Übertragung des grundgesetzlichen Lebensschutzes auf das künstlich erzeugte Leben am Lebensbeginn wenden Kritiker ein, dass damit die Gleichwertigkeitsthese in einem Fall verfochten werde, auf den sie grundsätzlich nicht passe337. Zwar könne dieser Ansatz im Hinblick auf den Beginn 329

Hetz, S. 201. BVerfGE 39, 1 (45). 331 Hetz, S. 201. 332 Hetz, S. 201. 333 von der Pfordten in: Schweidler et al., S. 175. 334 Hetz, S. 201. 335 Kaminsky, S. 232 f. 336 Hetz, S. 171. 337 Losch in: NJW 1992, 2926 (2930). 330

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

schützenswerten Lebens überzeugen, weil das entscheidende Vergleichskriterium die Existenz eines individuellen Erbprogrammes sei. In Bezug auf das Maß der Schutzwürdigkeit gehe diese Annahme aber zu weit, zumal die Ausdehnung des Lebensbegriffes diesen ungeeignet dafür mache, gleichzeitig auch den Maßstab für die Intensität der Schutzwürdigkeit zu begründen338. Im Hinblick auf den Schutzzweck sei der maßgebliche Vergleich nicht die Existenz der Erbinformation, sondern die Erscheinung des Lebens in menschlicher Gestalt. Die Gestaltwerdung werde zwar durch die Erbinformation gesteuert, stelle grundsätzlich jedoch eine völlig andere Existenzform dar339. Eine Gleichstellung der Schutzintensität für Embryonen in vivo und in vitro versäume es, zwischen dem genetischen Programm und dem Produkt zu differenzieren, und setze daher wesentlich Ungleiches gleich340. Der Schutz des Art. 2 II S. 1 GG müsse bei Embryonen in vitro geringer ausgeprägt sein als bei solchen in vivo. (β) Künstliche Erzeugungsart Zudem wird argumentiert, dass sich eine Gleichsetzung verbiete, weil Embryonen in vitro nicht „gezeugt“, sondern künstlich „erzeugt“ wurden341. Soweit besondere Interessen einen Zugriff auf das Leben am Lebensbeginn unter Berücksichtigung seiner besonderen Existenzform erforderlich machen, müsse eine Abwägung zulässig sein. Daraus folge, dass medizinische Forschungsinteressen wie etwa zur Verbesserung der künstlichen Befruchtung und des Versuchs, eine Schwangerschaft herbeizuführen, sowie sonstige lebenswichtige medizinische Forschungsziele nicht a priori von der Inanspruchnahme des frühen extrakorporalen Lebens ausgeschlossen werden dürften342. Das Maß des Schutzes müsse demzufolge geringer angesetzt werden als bei natürlich gezeugten Embryonen in vivo. (d) Stellungnahme Wie beim Lebensschutz des Embryos in vivo dargelegt, unterfällt das werdende Leben ab der Befruchtung dem objektiv-rechtlichen Schutz des Art. 2 II S. 1 GG. Weil menschliches Leben unabhängig von der Erzeugungsart in vivo oder in vitro mit der Fertilisation beginnt und es diesbezüglich keinen Unterschied macht, ob diese natürlich oder artifiziell bewirkt wird, darf der Embryo in vitro nicht ohne jeden verfassungsrechtlichen Schutz gelassen werden. Eine Grundrechtsträgerschaft ist vor der Individuation aufgrund der noch möglichen Zwillingsbildung 338

Losch in: NJW 1992, 2926 (2930). Losch in: NJW 1992, 2926 (2930). 340 Vgl. Fletcher in: Sass, S. 303. 341 Vgl. Hetz, S. 186. 342 Losch in: NJW 1992, 2926 (2930). 339

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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abzulehnen. Jedoch entfaltet Art. 2 II S. 1 GG einen objektiv-rechtlichen Schutz zugunsten der Embryonen in vitro. Die Besonderheiten der Extrakorporalität sowie die zweifellos existierende Zäsur mit dem Transfer in eine Gebärmutter sind für das Maß des Schutzes relevant, nicht etwa für den objektiv-rechtlichen Schutzbeginn. Ein höheres Maß des Schutzes als bei Embryonen in vivo muss abgelehnt werden: Weder aus der größeren faktischen Schutzbedürftigkeit noch aus einer etwaigen gesteigerten Verantwortung des Menschen, der den Embryo erzeugt hat, kann auf einen höheren verfassungsrechtlichen Schutz geschlossen werden. (aa) SKIP-Theorie Das Ausmaß des Schutzes sollte mit Hilfe der Kriterien der SKIP-Theorie analysiert werden. Oft vermisst man eine Differenzierung danach, ob es sich um einen Embryo in vivo oder in vitro handelt, weil auf die Besonderheiten des Aufenthaltsraumes und des Transfers nicht eingegangen, sondern der Status des ungeborenen Lebens aus rein zeitlicher Perspektive erörtert wird343. Erforderlich ist jedoch, die konsentierten SKIP-Kriterien unter Berücksichtigung der Extrakorporalität und des Transfererfordernisses zu betrachten und zu hinterfragen, ob diese auch auf Embryonen in vitro anwendbar sind. (α) Spezieszugehörigkeit Zweifellos stellt auch das künstliche, mittels In-vitro-Fertilisation erzeugte Leben artspezifisch menschliches Leben dar, welches mit dem später geborenen Menschen identisch ist. Die Extrakorporalität als Beschreibung des Aufenthaltsraumes des Embryos hat keinen Einfluss auf dessen Artspezifität344. Im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur Gattung Mensch kommt dem Transfer also keine Relevanz zu. (β) Kontinuität und Transfererfordernis Gegen die Erfüllung des Kontinuitätskriteriums für die Entwicklung von Embryonen in vitro wird angeführt, dass der Entwicklungsprozess des mittels künstlicher Befruchtung erzeugten Embryos sehr wohl Zäsuren beinhalte und insofern einen diskontinuierlichen Prozess darstelle345. Denn bei der künstlichen Befruchtung erfordere die Übertragung des Embryos in die Gebärmutter die Handlung

343

Vgl. dazu exemplarisch Böckenförde in: FAZ v. 03.09.2003. Hetz, S. 169. 345 Koch in: Maio/Just, S. 104. 344

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

einer weiteren Person, was einen entscheidenden Einschnitt darstelle346, zumal der Transfer für die Weiterentwicklung des Embryos unabdingbar sei347. Das Transfer­ erfordernis unterbreche somit die Kontinuität des Entwicklungsprozesses.  Das Kontinuitätsargument kann jedoch erst durch die Verbindung mit der Poten­zialität ex ante auf den geborenen Menschen übertragen werden, denn für sich allein genommen beschreibt die Kontinuität nur einen vorhandenen Zustand, weshalb sie vom Transfererfordernis nicht berührt wird348. Dies gilt auch für die einzelnen Entwicklungsstufen als Teilaspekt der Kontinuität, denn die pränidative Phase ist – unabhängig davon, ob sich der Embryo in vitro oder in vivo befindet – unabdingbare Voraussetzung für die Embryonalentwicklung349. (γ) Identität und Transfererfordernis Individuelles menschliches Leben liegt erst mit der Individuation vor, welche beim Embryo in vitro zunächst noch den Transfer in einen weiblichen Uterus voraussetzt, sodass eine Grundrechtsträgerschaft vor diesem Zeitpunkt ausscheidet. Schon vor der Individuation besteht jedoch zumindest genetische Identität mit dem später geborenen Menschen. (δ) Potenzialität und Transfererfordernis Gegen einen Grundrechtsschutz des Embryos in vitro spricht, dass dieser anders als der Embryo im Mutterleib nicht ohne Weiteres zu einem Menschen heranreifen kann: Während der Embryo in vivo über die aktive Potenzialität verfügt, sich zu einem vollständigen Individuum zu entwickeln, weil die Embryonalentwicklung beim natürlichen Geschehensablauf ohne menschliches Zutun von allein weiterlaufen kann350, weist der Embryo in vitro nur passive Potenzialität351 auf. Denn die Realisierbarkeit des embryonalen Vermögens hängt bei einer In-vitro-Fertilisation im Gegensatz zu einer „normalen“ Zeugung von der bewussten menschlichen Entscheidung ab, ob die Frau den Embryo austrägt352. Hinzu kommt noch, dass die Entwicklung zum geborenen Menschen den aktiven Eingriff eines Dritten vo-

346

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (70). Koch in: Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2000, M 67 (M 71); Koch in: Maio/Just, S. 104. 348 Hetz, S. 103, 170. 349 Hetz, S. 170. 350 Ipsen in: JZ 2001, 989 (994 f.). 351 So verfügen Samen und Eizelle über nur passive Potenzialität, weil jeder des anderen bedarf und zu jedem noch etwas hinzukommen muss, während beim entstandenen Embryo in vivo außer Nahrung nichts mehr hinzutreten muss, Beck, S. 34. 352 Reich in: ZME 2004, 115 (121 f., 126). 347

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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raussetzt, nämlich die Implantation durch den Arzt353. Ohne diese für die Weiterentwicklung des Embryos unabdingbaren menschlichen Handlungen354 kann sich der Embryo in vitro nicht zu einem menschlichen Organismus entwickeln355. Der Unterschied in der Potenzialität zwischen Embryonen in vivo und solchen in vitro hat seine Ursache im „Lebensbeginn durch Menschenhand“356. Die Extrakorporalität stellt einen Umstand dar, der außerhalb des Embryos selbst liegt und sich im Wesentlichen damit beschreiben lässt, dass er durch das bewusste Handeln Dritter gekennzeichnet ist357. Es handelt sich um ein Durchgangsstadium zwischen Entstehung und Transfer in den mütterlichen Organismus bzw. eine Phase bis zur Entscheidung des Nichttransfers, die jeweils durch menschlichen Willen beginnt und endet358. Im Rahmen der Reproduktion wird prägnant von der „intendierten Zweiaktigkeit des Entstehungsprozesses“359 gesprochen, nämlich der Aufspaltung des Geschehens in die jeweils selbstständigen Akte der Fertilisation und des Transfers360. Während es bei natürlichen Bedingungen im Ermessen der Natur steht, ob eine Nidation stattfindet, erfolgt der Transfer nicht selbstgesteuert und zufällig, sondern stellt von vornherein einen „intendierten zweiten Akt“ dar361. Aus diesem Grunde wird teilweise die Potenzialität des Embryos in vitro verneint, weil der Transfer als entscheidende schutzbegründende Zäsur gewertet362 wird. Von Bedeutung ist damit die Beantwortung der Frage, welches normative Gewicht dem Kriterium der Potenzialität im Vergleich zu den anderen Kriterien zukommt. Gegen eine so starke Gewichtung des Transfers, die dazu führt, Embryonen in vitro jeglichen Grundrechtsschutz zu versagen, lässt sich der Einwand erheben, dass auf das Nichtvorhandensein eines erforderlichen Merkmales abgestellt wird, welches selbst durch menschliches Handeln hervorgerufen wurde363. Der Embryo befindet sich deshalb nicht in seiner natürlichen, bestimmungsgemäßen Umgebung, weil er in vitro erzeugt wurde und der Transfer also erst durch die gewählte Entstehungsweise erforderlich wird364. Weiterhin wird eine stärkere Ge 353 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 (70); Taupitz in: NJW 2001, 3233 (3438); vgl. Ipsen in: JZ 2001, 989 (994); Gerhardt, S. 150. 354 Koch in: Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2000, M 67 (M 71); Koch in: Maio/Just, S. 104; Beck, S. 34. 355 Ipsen in: NJW 2004, 268 (269); Ipsen in: JZ 2001, 989 (996); kritisch dazu Beckmann in: ZfL 2003, 128 f. 356 So der Titel eines Sammelbandes, herausgegeben von Erwin Bernat, Graz 1985. 357 Hetz, S. 168. 358 Hetz, S. 168. 359 Koch in: Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2000, M 67 (M 71). 360 Koch in: Maio/Just, S. 104; Eser/Koch in: FS Keller, S. 15; Kloepfer in: JZ 2002, 417 (420 f.). 361 Koch in: Maio/Just, S. 104. 362 Koch in: Maio/Just, S. 104, der den Transfer als statusbegründende Zäsur nicht im Rahmen der Menschenwürde betrachtet, sondern allgemein im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit extrakorporaler Embryonen. 363 Hetz, S. 171. 364 Hetz, S. 171.

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wichtung des Transfers mit der hohen Verlustrate vor der Nidation begründet365. Dem lässt sich jedoch entgegengehalten, dass die „Natur“ keiner Rechtfertigung bedarf, während es hier um die normative Gewichtung und Begründung menschlichen Handelns geht366. Zudem muss berücksichtigt werden, dass man bei einem Embryo nie wissen kann, welches Potenzial er in sich trägt, sofern nicht von Anfang an offensichtliche Mängel seiner Weiterentwicklungsmöglichkeit erkennbar sind. Schließlich wird zur Begründung der Relevanz des Transfererfordernisses auf einfachgesetzliche Normen verwiesen, insbesondere auf das Verbot der Ektogenese aus § 2 II ESchG, sowie darauf, dass die Frau ohne Angabe von Gründen den Transfer verweigern kann, was aus § 4 I Nr. 2 ESchG folgt367. Eine Pflicht der Frau, dass sich ihre Zustimmung zur In-vitro-Fertilisation auch auf den nachfolgenden Transfer bezieht und unwiderruflich ist, widerspricht nach überwiegender Auffassung dem in Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG verankerten Selbstbestimmungsrecht der Frau368. Andere argumentieren, dass zwar bestimmte Ausnahmesituationen auftreten können, in denen ein Transfer auf eine Frau ausgeschlossen ist; grundsätzlich müsse aber von einer – wenn auch nicht durchsetzbaren – Pflicht der Frau ausgegangen werden, sich an ihrem ursprünglichen Einverständnis festhalten zu lassen369. Gegen eine grundsätzliche Transferpflicht könne auch nicht die Möglichkeit einer späteren Abtreibung angeführt werden, weil das zeitlich begrenzte Beratungs- und Fristenmodell seinerseits einen Kompromiss darstelle. Eine Logik, die sich auf eine bestehende Gesetzeslage bezieht, setze jedoch voraus, dass dieser Ausgangspunkt vorbehaltlos akzeptiert wird370. Wird eine als Grenzfall akzeptable Lösung als nicht hinterfragte Basis für weitergehende Schlussfolgerungen vorausgesetzt, ohne dass deren anfängliche Geltung anhand derartiger Konsequenzen nochmals überprüft werden dürfte, werde das Ergebnis unstimmig371. Somit führt der Verweis auf einfachgesetzliche Normen nicht weiter, zumal es sich um Normen handelt, welche den Grundrechten untergeordnet sind, die also zwar einen Hinweis auf bereits vorhandenen Konsens oder eine Interpretationsrichtung der Verfassung geben, zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen jedoch nicht verbindlich sind, sondern sich nach diesen zu richten haben372. Das Transfer­ erfordernis kann demzufolge nicht dazu führen, dem Embryo in vitro die (passive) Potenzialität abzusprechen.

365 Koch in: Maio/Just, S. 103, 105; für den Embryo in vivo: Sass in: Flöhl, S. 43, wobei der Autor als maßgeblichen Zeitpunkt auf den Beginn des Hirnlebens abstellt. 366 Böckenförde-Wunderlich, S. 176. 367 Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 4, Rn. 22. 368 § 4 I Nr. 2 ESchG verbietet die eigenmächtige Embryonenübertragung durch den Arzt; Hetz, S. 197; Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 4, Rn. 22. 369 Brohm in: JuS 1998, 197 (203); Böckenförde-Wunderlich, S. 189, 190. 370 Mieth in: EthikMed 1999, 77 (83). 371 Mieth in: EthikMed 1999, 77 (83). 372 Hetz, S. 172.

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(bb) Ergebnis Auch Embryonen in vitro werden vom objektiven Gehalt des Art. 2 II S. 1 GG geschützt. Aufgrund ihrer nur passiven Potenzialität muss bei der Abwägung mit anderen Interessen ein geringerer Schutzmaßstab angelegt werden als bei natürlich gezeugten Embryonen in vivo. (3) Lebensschutz humaner SCNT-Embryonen in vitro (Art. 2 II S. 1 GG) Noch kontroverser zeigt sich die Debatte um den Lebensschutz aus Art.  2 II S. 1 GG für humane Embryonen, die mit Hilfe der Technik des somatischen Nukleustransfers hergestellt wurden. (a) Initialisierung des Lebensschutzes Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht schützenswertes menschliches Leben, unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche Zeugung oder artifizielle Reproduktion handelt. Demgegenüber ist bei der Methode des Nukleustransfers bereits die Bestimmung des „Ob“ des Lebensschutzes problematisch, weil eine Befruchtung, welche für den Schutzbeginn eine entscheidende Rolle spielt, gerade nicht stattfindet373. Während bei den Klonmethoden des Embryonensplittings und der Abspaltung einer totipotenten Zelle in dieser neuen Generation zumindest ursprünglich eine Befruchtung stattgefunden hat, fehlt eine solche beim Verfahren des Zellkerntransfers gänzlich374. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob ein der Befruchtung vergleichbarer Initialisierungsprozess – der Zellkerntransfer – ebenfalls zum Lebensschutzbeginn führen kann und ob durch Zellkerntransfer hergestellte Embryonen solchen, die durch In-vitro-Fertilisation erzeugt wurden, gleichzustellen sind375. (aa) Fertilisation als zwingende Voraussetzung Einige Stimmen in der Literatur halten es für unvertretbar, beliebige Körperzellen als „werdendes menschliches Leben“ zu betrachten und entsprechend zu schützen, nur weil sie in eine entkernte Eizelle implantiert werden und dort entwicklungsfähig sind376. Befürworter eines Sonderstatus für Klon-Blastozysten führen 373

Taupitz in: Wobus et al., S. 182. Hetz, S. 173. 375 So auch die Fragestellung von Bartram in: FAZ v. 29.06.2001. 376 Vgl. Middel, S. 216. 374

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zur Begründung die grundlegend anderen Umstände ihrer Erzeugung an. Ohne künstliche Manipulation wäre die entstandene Entität in der Natur nicht denkbar und komme so in der Natur nicht vor377. Das Verfahren des Zellkerntransfers sei ein gänzlich anderes als das der Befruchtung: Nur ein einzelner schon vorhandener Chromosomensatz des Zellkernlieferanten gelange zur Wirkung378, sodass kein neues individuelles Genom entstehe, sondern lediglich der schon vorhandene Chromosomensatz kopiert werde379. Bei der Befruchtung handle es sich demgegenüber um eine zufallsbedingte Neukombination zweier Chromosomensätze unterschiedlicher geschlechtlicher Herkunft, zudem gehe der Befruchtung die Meiose voraus, in der durch das „Crossing-over“ schon eine Durchmischung des Erbmaterials der Generation stattfindet380. Es sei nicht angebracht, jeder Zelle, die totipotent ist oder die Totipotenz auch nur kurz als Durchgangsstadium erreicht, die normative Eigenschaft als „Embryo“ zuzusprechen381. Denn der Begriff des Embryos entstamme dem Bereich der Reproduktion und bezeichne ein Stadium der Entwicklung zum geborenen Menschen382. Zudem sei nach dem Menschenbild des Grundgesetzes die Befruchtung unverzichtbare Voraussetzung für das „Menschsein“ und die Qualifikation als Embryo im Rechtssinne; dabei mache es keinen Unterschied, ob für die Befruchtung natürliche und künstliche Keimzellen verwendet werden383. Auch der mittels Embryonensplitting oder Abspaltung einer totipotenten Zelle entstehende Klon falle unter den Embryonenbegriff, während die embryoähnliche Struktur von Kerntransfer-Entitäten, retro-/transdifferenzierten somatischen Zellen sowie Parthenoten nicht ausreichten, um aus diesen embryoähnlichen Eigenschaften den Begriff und damit den Status „Embryo“ herzuleiten384. Mit Hilfe dieser Erwägungen ließe sich argumentieren, dass die Entstehung durch Gametenfusion zwingende Voraussetzung für den Beginn des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes aus Art. 2 II S. 1 GG ist. (bb) Normative Äquivalenz von Nukleustransfer und Fertilisation Nach anderer Auffassung kommt allen entwicklungsfähigen Entitäten im Blastozystenstadium prinzipiell derselbe Status zu, unabhängig davon, ob sie durch Klontechnik oder sexuelle Zeugung (natürlich oder künstlich) entstanden sind. Auch für Zellkerntransfer-Embryonen müssten dieselben Kriterien zum frühembryonalen menschlichen Leben geprüft werden385. Begründet wird dies mit der 377

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (66). Taupitz in: NJW 2001, 3233 (3439). 379 Vgl. Teil 2: B. III. 2. c) aa); Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (66). 380 Vgl. Teil 2: A. II; B. III. 2 c); Hetz, S. 175. 381 Koch in: Maio/Just, S. 107 f. 382 Hetz, S. 208. 383 Hetz, S. 208. 384 Hetz, S. 208. 385 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (66). 378

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These, dass auch ein „der Befruchtung vergleichbarer Initialisierungsprozess“ zum Beginn des Lebensschutzes führen kann. Vertreter dieser Ansicht gehen von einer normativen Äquivalenz von Befruchtungsembryonen und geklonten Embryonen aus386, weil die Entwicklungspotenz zu einem „vollständigen“ Menschen in beiden Varianten gleichermaßen vorhanden sei387. Diese Argumentationsweise ist von der Vorstellung geprägt, dass alles, was das Merkmal der Totipotenz aufweist, unter den Terminus des „Embryos“ zu fassen ist388. Die Diskussion entspricht derjenigen im einfachen Recht zum Embryonenbegriff im Rahmen des § 8 I ESchG und des § 3 Nr. 4 StZG, insbesondere der strittig beurteilten Bedeutung der Befruchtung in § 8 I ESchG389. Auch verfassungsrechtlich schützenswertes Leben müsse mit dem Erreichen der Totipotenz und somit der Übertragung von Teilen des Genoms von einer Spenderzelle auf eine Empfängerzelle beginnen390, denn das Prinzip der „Grundrechtseffektivität“ besage, dass eine weite Tatbestandsauslegung grundsätzlich vorzuziehen ist391. Grundrechtsbestimmungen seien als normative Antworten auf potenzielle Gefährdungen menschlicher Existenz ausgerichtet, die darauf mit Hilfe der Wachstumsfähigkeit ihres Schutzbereichs reagieren müssen, soweit der Wortlaut einer extensiven Auslegung nicht eindeutig entgegensteht392. Zudem unterwerfe ein weites Tatbestandsverständnis die Einschränkbarkeit von Grundrechten einem schärferen Argumentationszwang und ermögliche eine transparente Abwägung der unterschiedlichen verfassungsrechtlich relevanten Interessen393. Folglich handle es sich auch bei dem durch Zellkerntransfer erzeugten Embryo um menschliches Leben, das am Lebensschutz des Art. 2 II S. 1 GG teilnehme394. Je nach Auffassung trägt ein Zellkerntransfer-Embryo das Grundrecht auf Leben395 oder fällt unter den objektiv-rechtlichen Schutz des Art. 2 II S. 1 GG396.

386 Hartleb, S. 223 mit der Folge, dass auch für diese Entitäten das strikte Forschungsverbot des § 2 ESchG gelten und auch bei ihnen ein „Sterbenlassen“ gesetzlich angeordnet werden müsse wie in § 6 II ESchG; Chen, S. 45; Dederer in: AöR 2002, 1 (14); Kluth in: Beckmann/ Löhr, 208 (223); Höfling, Bitburger Gespräche, S. 111; Kersten, Klonen, S. 541; Hetz, S. 197. 387 Vgl. auch Hetz, S. 193, 205. 388 Hetz, S. 208. 389 Hetz, S. 208. 390 Middel, S. 124. 391 Alexy, S.  290 f.; Höfling, offene Grundrechtsinterpretation, S.  175 f.; Kluth in: Beckmann/Löhr, 208 (217 f.); zur Gegenansicht Isensee in: HbStR V, § 111, Rn. 172 f. 392 Höfling in: FS Schiedermair, 363 (374). 393 Middel, S. 124. 394 Berger, S. 147. 395 Chen, S. 46. 396 Middel, S.  217 f.; andere Auffassung Wolf, S.  178, 185, 193, die den mittels therapeutischen Klonens entstandenen Embryo vom Schutzbereich des Art.  2 II S.  1 GG ganz ausnimmt.

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(cc) Stellungnahme Dem Grundgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass ein Befruchtungsvorgang unverzichtbare Voraussetzung für den Lebensschutz des Art.  2 II S.  1 GG ist. Theoretisch besitzt ein Nukleustransfer-Embryo das Vermögen, sich zu einem vollständigen Individuum zu entwickeln. Einem geborenen Klon käme unstreitig der gleiche Grundrechtsschutz zu wie jedem Menschen, sodass auch ein Klon im Embryonalstadium ebenso wie ein „normaler“ Embryo durch Art. 2 II S. 1 GG geschützt werden muss. Es stellt sich jedoch die Frage, wann das Leben eines mit Hilfe des Zellkerntransfers geklonten Wesens anfängt. Denkbare Zeitpunkte sind die Implantation des Zellkerns in die entkernte Eizelle, der Beginn des Reprogrammierungsvorgangs, der Moment, in dem die erste Zellteilung beginnt, oder der Zeitpunkt, wenn alle Reprogrammierungsschritte abgeschlossen sind, das Embryonalstadium erreicht ist und die Zelle sich „nach vorne“ zu teilen beginnt397. Für den Schutzbeginn aus Art. 2 II S. 1 GG ist der biologische Zeitpunkt des Lebensbeginns ausschlaggebend, welcher beim Nukleustransfer in dem Moment der Fusionierung des Zellkerns mit der entkernten Eizelle liegt. Der Lebensbeginn eines Nukleustransfer-Klons sollte bereits zu diesem Zeitpunkt angesetzt werden, denn ab der Fusionierung entsteht ein spezifisch menschliches Erbprogramm. Es sind keine Gründe ersichtlich, den Lebensbeginn des Zellkerntransfer-Embryos zu verneinen oder auf einen späteren Zeitpunkt – wie etwa erst den Transfer in den weiblichen Uterus – zu verlegen. Mit der Zellfusion entfaltet Art. 2 II S. 1 GG somit objektiv-rechtlichen Schutz für den Zellkerntransfer-Embryo. (b) Ausmaß des Schutzes nach der SKIP-Theorie Die atypische Erzeugungsart begründet keine Negierung des Lebensschutzes, kann sich aber auf die Intensität des Schutzes auswirken. Diese ist mit Hilfe der SKIP-Theorie zu bestimmen. (aa) Spezieszugehörigkeit Auch bei durch Zellkerntransfer erzeugten totipotenten Zellen handelt es sich um artspezifisch menschliches Leben. (bb) Kontinuität Dieses menschliche Leben entwickelt sich kontinuierlich. Jedoch bildet der erforderliche Transfer in die Gebärmutter einer Frau einen relevanten Einschnitt. 397

Beck, S. 32 f.

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Dieser führt entsprechend obiger Erörterung allerdings nicht zu einem späteren Schutzbeginn, sondern wirkt sich lediglich auf das Maß des Schutzes aus. (cc) Identität Der Zellkerntransfer-Klon wäre mit dem später geborenen Klon genetisch identisch. Von individuellem – im Gegensatz zu artspezifischem – Leben kann nach hier vertretener Auffassung erst ab der Individuation gesprochen werden. Eine Grundrechtsträgerschaft scheidet vor dem Transfer in einen Uterus deshalb aus. Da ab der Fusionierung von Zellkern und entkernter Eizellhülle aber menschliches Leben existiert, unterfällt der Zellkerntransfer-Embryo dem objektiv-rechtlichen Schutz des Art. 2 II S. 1 GG schon, bevor Individualität vorliegt. (dd) Potenzialität Die Potenzialität des Nukleustransfer-Klons erscheint unter mehreren Aspekten bedenklich. (α) Passive Potenzialität aufgrund des Transfererfordernisses Aufgrund der Extrakorporalität ist der Transfer in die mütterliche Gebärmutter erforderlich, sodass dem SCNT-Embryo ebenso wie dem Embryo in vitro nur passive Potenzialität zukommt, was die Intensität des objektiv-rechtlichen Lebensschutzes aus Art. 2 II S. 1 GG mindert. Beim Zellkerntransfer steht bereits die passive Potenzialität in Zweifel, weil aus naturwissenschaftlicher Sicht zweifelhaft ist, inwieweit ein Nukleustransfer-Klon entwicklungsfähig und in der Lage ist, sich in eine Gebärmutter zu implantieren398. (β) Anforderungen an die (passive) Potenzialität Ungeklärt ist, ob Potenzialität die logische Möglichkeit, eine statistische Wahrscheinlichkeit oder das dispositionelle Vermögen meint399. Eine statistische Wahrscheinlichkeit darf nicht gefordert werden, weil dies zu unvertretbaren Experimenten führen könnte. Die logische Möglichkeit erscheint zu schwach, zumal nicht ersichtlich ist, wie diese je ausgeschlossen werden könnte. Demzufolge sollte auf das dispositionelle Vermögen abgestellt werden, das sich unter geeigneten Be 398 399

Vgl. Teil 2: B. IV 4., V. Hartleb, S. 156 f.

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dingungen entfalten und zeigen kann. Daran anschließend stellt sich die Frage, auf welches Entwicklungsziel hin ein früher Embryo oder eine totipotente Zelle eigentlich Potenzialität besitzen sollen: auf die Individualität, die nach der Nidation erreicht wird, oder auf die Geburt, auf das Erwachsensein oder auf eine sonstige Stufe der Existenz.400. Da ein Embryo ab der Individuation als Grundrechtsträger fungieren kann, ist dies der am spätesten denkbare Anknüpfungspunkt für Potenzialität. Damit bleibt fraglich, ob unter Potenzialität Nidationsfähigkeit und damit das Vermögen zur Individuation zu verstehen ist oder ob Totipotenz – in Abgrenzung zu Pluripotenz – ausreicht. (αα) Potenzialität als Nidationsfähigkeit Einige sind der Auffassung, der Begriff der Potenzialität müsse im Sinne der Nidationsfähigkeit verstanden werden401. Künstlich erzeugte Totipotenz ohne Vermögen der Entität, sich in eine Gebärmutter zu implantieren, könne für die Annahme von Potenzialität nicht genügen402. Begründet wird dies zum einen mit der Möglichkeit, die Totipotenz von vornherein künstlich durch gentechnische Manipulation zu verhindern, denn es sei unstreitig, dass eine Blastozyste ohne Totipotenz, die sich unter keinen Umständen zu einem Kind entwickeln kann, kein Embryo ist403. Zum anderen wird bei therapeutischen Klonen die mit der Erzeugung bereits geplante spätere Vernichtung der Entität durch die Zerstörung bei der Stammzellentnahme angeführt. Dadurch stelle das Stadium der Totipotenz nur eine notwendige, aber eher unerwünschte Entwicklung für kurze Zeit404 dar. Diese Art von Totipotenz dürfe für die Annahme von Potenzialität nicht ausreichen und nicht zur Qualifikation der Entität als „Embryo“ führen. Deshalb sollten therapeutische Klone aus dem Kontext der Reproduktion herausgelöst und eigenen Bewertungskriterien unterworfen werden405. Künstlich erzeugte Totipotenz führe nur bei Nidationsfähigkeit der Entität zur Annahme von Potenzialität. Beim Menschen lässt sich positiv nicht überprüfen, ob es sich bei den Ergebnissen von Klon-Versuchen um zur Ganzheitsbildung fähige Entitäten, mithin um Embryonen, handelt406. Viele führende Wissenschaftler bezweifeln die Fähigkeit menschlicher Klone, sich in die Gebärmutter einer Frau zu implantieren407, ausgeschlossen ist sie aber nicht. 400

Vgl. Beier et al. in JRE 2010, 68 (75 f.). ZES 2002, S. 46, FN 9, Anmerkung Prof. Nagel. 402 Beck, S. 40 m. w. N. 403 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (73). 404 Middel, S. 244. 405 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). Die Tatsache, dass „das Stadium der künstlich erzeugten Totipotenz lediglich für eine kurze Zeitspanne in Kauf genommen wird, legt es nahe, das Verfahren des therapeutischen Klonens aus dem Kontext des kategorialen Embryonenschutzes zu lösen und eigenen Beurteilungskriterien zu unterwerfen“. 406 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (87 f.). 407 Vgl. Teil 2: B. IV. 4., V. 401

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Nach dem Auslegungsgrundsatz in dubio pro vita 408 sowie dem Prinzip der Grundrechtseffektivität ist die Frage nach der Nidationsfähigkeit mangels entgegenstehender empirischer Beweise jedoch, zumindest vorläufig, zu bejahen. (ββ) Potenzialität als (jede Form von) Totipotenz Teilweise wird vertreten, die Definition des § 8 I  ESchG, nach der jede toti­ potente Zelle, die sich unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Individuum zu entwickeln vermag, als Embryo fingiert wird, auch auf der Verfassungsebene anzuwenden409. Totipotenz genüge für die Annahme von Potenzialität, und eine extrakorporale (Teil)-Entwicklung hin zu lebensfähigen Formen könne als funktionales Äquivalent zur Nidation betrachtet werden und damit den Lebensschutz eingreifen lassen, wenn das Entwicklungsziel des dann autonomen Prozesses wiederum als Mensch anzusehen ist410. Mit der Implantation der genetischen Information des Zellkernspenders entstehe eine entwicklungsfähige Zelle, die über ein ihr eigenes, wenn auch nicht einzigartiges, Genom verfüge. Eine grundsätzliche Entwicklungsfähigkeit zum Menschen sei damit vorhanden, auch wenn die Chancen der tatsächlichen Entwicklung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand deutlich geringer einzustufen seien als bei einem durch Fertilisation erzeugten Embryo. Aufgrund des Entwicklungspotenzials müsse Art. 2 II S. 1 GG seinen Schutz auch auf das durch Zellkerntransfer erschaffene Produkte ausdehnen411. Wenn aus lebender Materie ein Mensch erwachsen kann, könne hierin kaum etwas anderes als menschliches Leben gesehen werden, welches auch unter Art. 2 II S. 1 GG fallen müsse412. Die Möglichkeit der manipulativen Zerstörung von Totipotenz stelle kein Gegenargument dar: Die Tatsache, dass die Totipotenz nicht mehr wie früher nur eine naturgegebene Disposition einer Entität bezeichnet, sondern durch künstliche Manipulation beliebig „an- und abgeschaltet“ werden kann413, führe vielmehr dazu, dass zwischen Lebensformen, welche aus sich heraus keine Embryonen sein können, und solchen, die durch genetische Manipulation in einen Zustand versetzt worden sind, der ihnen nur eine gewisse Überlebenszeit gewährt, differenziert werden müsse414. Während bei ersteren die Potenzialität verneint werden müsse, sollte sie bei solchen Embryonen, die aufgrund künstlicher Manipulation 408

Vgl. zu diesem Grundsatz Roller, S. 24. Zum Lebensschutz der totipotenten Zelle: Djie, S. 47 f.; Röger in: JVL 17, 55 (57); wohl auch ERK, BT-Drs. 14/9020, Mehrheitsvotum S. 111; wohl auch Knoepffler in: Knoepffler/ Haniel, 55 (65); vgl. Kirchhof in: H/H/I/K, 9 (35); siehe auch Geddert-Steinacher, S. 65 bezogen auf den Menschenwürdeschutz der totipotenten Zelle; vgl. Kersten, Klonen, S 25, 563, der vom Klonen zu diagnostischen Zwecken spricht. 410 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 26. 411 Höfling in: ZME 2001, 277 (282); Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I, Rn. 100; Hofman in: Schmidt-Bleibtreu GG, Art. 1, Rn. 30, 36. 412 So Schwarz in: KritV 2001, 182 (204 f.); Herdegen in: JZ 2001, 773 (776). 413 Hartleb, S. 67; Hetz, S. 202; Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (73). 414 Beck, S. 40. 409

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nicht totipotent sind415, angenommen werden. Kein „Nicht-Embryo“ würde entstehen, sondern ein Embryo mit extrem kurzer Lebensdauer. Legt man die Auffassung zugrunde, dass mit dem Begriff der Potenzialität die Totipotenz im Sinne dispositionellen Vermögens zur Ganzheitsbildung gemeint ist, reicht es aus, wenn sich die Mensch-Tier-Zybriden bis zum totipotenten Blastozysten-Stadium ent­ wickelt haben, was Forschern bereits gelungen ist416. (γγ) Problem des fehlenden Nachweises von Totipotenz Zentrales Unterscheidungskriterium zwischen Embryonen und anderen Zellverbänden ist die Fähigkeit, einen vollständigen Organismus zu bilden417. Die Totipotenz lässt sich bei menschlichen Klon-„Embryonen“ zwar vermuten, prüfen ließe sich dies aber nur im unvertretbaren Humanexperiment, sodass die Informationen fehlen, die für ein wissenschaftlich fundiertes Urteil erforderlich wären418. Ein Rückschluss von Ergebnissen aus Tierversuchen ist mit Unsicherheiten behaftet419. In Zweifelsfällen muss deshalb nach dem Grundsatz „in dubio pro vita“ Totipotenz unterstellt werden. Denn dadurch lässt sich vermeiden, dass potenziell zur Ganzheitsbildung fähige Embryonen experimentell erzeugt und verbraucht werden. Allerdings könnte eine solche Sichtweise auch dazu führen, dass eine Vielzahl von experimentell hergestellten menschlichen Zellen oder Zellverbänden unter Schutz gestellt würde, ohne dass je bewiesen werden könnte, dass sich aus ihnen vollständige menschliche Lebewesen entwickeln können. So müsste jede menschliche Zelle geschützt werden, an der experimentelle Manipulationen vorgenommen worden sind, die Anlass zur Vermutung geben, dass sich ihr Entwicklungspotenzial in Richtung auf Erlangung der Fähigkeit zur Ganzheitsbildung verändert hat. Diese weit reichende Schlussfolgerung birgt Probleme420: Solche Experimente wären erstens kaum zu kontrollieren, zweitens würde dadurch das Prinzip des Embryonenschutzes ad absurdum geführt. Sähe man potenziell jede in ihrer Differenzierungsfähigkeit manipulierte Zelle als Embryo an, würden ethische Grenzziehungen und rechtliche Regelungen ihren spezifischen, eindeutig bestimmbaren Gegenstand verlieren. Demzufolge ist es erforderlich, zusätzliche Kriterien zu benennen, auf deren Grundlage das Entwicklungspotenzial der Zellen eingeschätzt werden kann421. Eine Möglichkeit ist es, nach der Art der verwendeten Eizellen zu differenzieren, denn es existierten Indizien dafür, dass der Prozess der Reprogrammierung eines somatischen Zellkerns durch die Art der 415

Vgl. zum ANT-OAR Teil 2: B. III. 2. e). Vgl. Teil 2: B. V. 1. sowie Trips-Herbert, ZRP 2009, 80 (81); Taupitz in: Günther/Taupitz/ Kaiser, Rn. 20 f. 417 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (97). 418 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (97 f.). 419 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (98). 420 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (98). 421 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (98 f.). 416

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verwendeten Eizelle beeinflusst wird. Kryokonservierte sind weniger geeignet als sehr frische Eizellen, tierische Eizellen weniger geeignet als menschliche. Unklar ist, inwieweit Embryonen sich normal entwickeln könnten, zu deren Erzeugung Eizellen verwendet werden, die aus embryonalen Stammzellkulturen gewonnen wurden. Auch weil eine direkte Nachweismethode fehlt, spricht einiges dafür, dass mit Hilfe menschlicher Eizellen erzeugte Entitäten eher zur Ganzheitsbildung fähig sind als solche, die mit Hilfe anderer Ausgangszellen oder Materialien erzeugt wurden. Deshalb sollte die Tatsache, dass dem menschlichen Körper entnommene Eizellen verwendet wurden, bei der Bewertung experimenteller Verfahren besonders berücksichtigt werden422. Im Zweifel muss entsprechend dem Gebot der Grundrechtseffektivität vom Vorliegen von Totipotenz ausgegangen werden. (δδ) Stellungnahme Gegen die Annahme, Potenzialität erfordere Nidationsfähigkeit, spricht die fehlende experimentelle Überprüfbarkeit. Hinzu kommt, dass das Vermögen zur Entwicklung schon vorher angelegt ist und sich in der Nidation (nur) manifestiert. Potenzialität im rechtlichen Sinne ist vielmehr gleichbedeutend mit Totipotenz im entwicklungsbiologischen Sinne. Durch die Totipotenz erlangt menschliches Leben Verfassungsrang, jedoch müssen hinsichtlich der Intensität des Schutzes die jeweiligen Besonderheiten und Ausprägungen der Totipotenz berücksichtigt werden423. Bildet die Totipotenz den Anknüpfungspunkt des Potenzialitätsarguments, ist zu berücksichtigen, dass diese beim Klonen asexuell hergestellt wird, nämlich durch Zellkerntransfer oder zukünftig möglicherweise sogar durch Reprogrammierung einer Körperzelle. Diese neuen „äußeren“ Bedingungen sind völlig artifiziell, helfen letztlich aber ebenfalls, ein biologisch angelegtes Potenzial zu befördern424. Die Manipulierbarkeit verhindert nicht die Annahme, dass auch künstliche erzeugte Totipotenz für Potenzialität genügt. Totipotenz ist jedoch die Minimalbedingung, sodass die Auffassung, durch die Methode des alterierten Nukleustransfers entstehe kein „Nicht-Embryo“, sondern ein Embryo mit kurzer Lebensdauer, abzulehnen ist. Der verständliche Wunsch, derartige Verfahren zu verbieten, kann nicht erfüllt werden, indem Potenzialität dort zugesprochen wird, wo keine existiert. Bestehende, künstlich erzeugte Totipotenz eröffnet objektiv-rechtlichen Schutz aus Art. 2 II S. 1 GG für die entsprechenden Entitäten – sie werden in ihrer extrakorporalen Phase über den Wert des artspezifischen und entwicklungsfähigen Lebens geschützt425 –, jedoch auf einem geringeren Niveau als bei IVF-Embry 422

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (98). Hetz, S. 203. 424 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (72). 425 Hetz, S. 205. 423

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onen426. Denn die Erzeugungsart spielt bei der Bestimmung der Schutzintensität eine wichtige Rolle. Zu berücksichtigen ist, ob bei der Herstellung einer Entität – irgendwann  – eine Befruchtung stattgefunden hat. Die atypische Erzeugungsart ohne Befruchtung muss bei Nukleustransfer-Klonen zu einem geringer ausgeprägten objektiv-rechtlichen Lebensschutz aus Art. 2 II S. 1 GG führen als bei Klonen, die durch Embryonensplitting oder Abspaltung einer totipotenten Zelle entstanden sind, bei denen also ursprünglich eine Befruchtung vorlag427. Bei Nukleustransfer-Klonen steht darüber hinaus die Nidationsfähigkeit in Zweifel. Zwar genügt Totipotenz als Minimalbedingung für Potenzialität; für das Maß des Schutzes ist aber zu berücksichtigen, ob eine Entität die Fähigkeit zur Nidation besitzt. Hinzu kommt der Zweck der Erzeugung: IVF-Embryonen wurden ursprünglich zur Herbeiführung einer Schwangerschaft hergestellt, während ein therapeutischer Klon von vornherein nur zur Gewebezüchtung verwendet und dabei zerstört werden soll, sich bestimmungsgemäß also gar nicht bis zur Geburt entwickeln soll. Mithin besteht nur ungewollte und passive Potenzialität428. (ee) Ergebnis Nukleustransfer-Klone unterfallen ab der Fusion, also dem Zeitpunkt der Einbringung des Zellkerns in die enukleierte Oozyte, dem objektiv-rechtlichen Schutzgehalt des Art. 2 II S. 1 GG. Dieser Schutz muss aufgrund der nur passiven Potenzialität geringer angesiedelt werden als bei einem Embryo in vivo. Zudem ist ihre Entwicklungsfähigkeit bis zur Nidation und erst recht zu einem vollständigen Individuum aus biomedizinischer Sicht sehr zweifelhaft. Darüber hinaus stellt die Entwicklungsstufe der Totipotenz bei therapeutischen Klonen ein ungewolltes und zeitlich sehr eng begrenztes Durchgangsstadium dar, weil sich der therapeutische Klon nicht über dieses Stadium hinaus entwickeln und niemals geboren werden soll. Schließlich ist der SCNT-Embryo aufgrund seiner atypischen Entstehungsart, nicht durch Befruchtung, sondern durch Zellkerntransfer, noch weiter vom Leitbild des geborenen Menschen entfernt als der IVF-Embryo in vitro. Nach alledem ist der objektiv-rechtliche Schutz (deutlich) weniger stark ausgeprägt als beim IVF-Embryo in vitro. Eine Grundrechtsträgerschaft des Nukleustransfer-Embryos scheidet mangels Individuation jedenfalls solange aus, wie kein Transfer in einen Uterus erfolgt ist.

426

Hetz, S. 202. Hetz, S. 205. 428 Hetz, S. 202. 427

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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(4) Lebensschutz von Mensch-Tier-Zybriden in vitro (Art. 2 II S. 1 GG) Die soeben entwickelten Grundsätze zum Lebensschutz des Nukleustransfer-Klons müssen auf den Fall der Verwendung einer tierischen Eizelle übertragen werden, um zu entscheiden, ob und ggf. welcher Schutz einem Mensch-Tier-­ Zybriden aus Art. 2 II S. 1 GG erwächst. (a) Lebensbeginn des Mensch-Tier-Zybriden Da es sich auch bei Mensch-Tier-Zybriden um Zellkerntransfer-Klone handelt, gelten für den Lebensbeginn dieselben Grundsätze wie bei dem rein menschlichen Klon: Der Nukleustransfer ist als funktionales Äquivalent zur Befruchtung zu betrachten, sodass mit der Einbringung des menschlichen Zellkerns in die entkernte tierische Eizelle das Leben des Mensch-Tier-Zybriden beginnt. Eine Grundrechtsträgerschaft bezüglich Art. 2 II S. 1 GG scheidet bei MenschTier-Zybriden mangels Nidation und Individuation – welche nur durch den Transfer in einen Uterus zu erreichen wären – von vornherein aus. Infrage steht nur ein etwaiger objektiv-rechtlicher Schutz aus dieser Norm. Ob und in welchem Maße sich dessen Schutz auch auf Mensch-Tier-Zybriden bezieht, muss anhand der Kriterien der SKIP-Theorie geprüft werden. (b) Zuerkennung und Ausmaß des Schutzes nach der SKIP-Theorie (aa) Spezieszugehörigkeit Es stellt sich die Frage, ob ein Mensch-Tier-Zybride ein menschlicher Embryo ist und somit dem sachlichen Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG unterfällt oder ob es sich um eine Entität handelt, die allenfalls als „besonderes Gut“ verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Bereits die erste Voraussetzung, das Vorliegen artspezifisch menschlichen Lebens, erscheint problematisch. Während beim rein menschlichen Klon offensichtlich ist, dass er, wenn er geboren ist, als „Mensch“ anzusehen ist und vollen Grundrechtsschutz genießt, ist beim geborenen Mensch-Tier-Zybriden unklar, ob man ihn der Gattung Homo Sapiens zurechnen kann. Jedes Lebe­ wesen wird in der Biologie im Rahmen einer Klassifikation (taxonomisch) einer bestimmten Gattung (genus) und Art (species) zugeordnet, wobei die Art die unterste Ebene der Klassifikation darstellt429. Nach herkömmlicher Differenzierung wird der Begriff Gattung für Lebewesen verwendet – Menschen und Tiere gehören zur Gattung der Lebewesen430 –, sie unterscheiden sich aber in ihrer Art (Spezies)431. 429

Deutscher Ethikrat 2011, S. 13. Vgl. Teil 2: A. I. 431 Beck, S. 31. 430

272

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Ein Lebewesen ist ein Mensch-Tier-Zybride in jedem Fall. Einige Stimmen in der juristischen Literatur gehen davon aus, ein Mensch sei nichts anderes als ein Zugehöriger zu der biologischen Spezies Homo Sapiens. Andere argumentieren, dass es eine willkürliche und irrationale Bevorzugung („Speziesismus“432) darstelle, an der bloßen Spezieszugehörigkeit Rechte wie das Lebensrecht festmachen zu wollen433. Nach der Nichtäquivalenztheorie existiert keine Sonderstellung des Menschen und keine prinzipielle Differenz zwischen Mensch und Tier, sondern eine durchlaufende Skala, die vom niedrigsten Organismus bis zur „Person“ reicht und auf der jedem Leben ein relativer Wert zukommt434. Die deutsche Verfassung jedoch geht von einer klaren Trennung zwischen Mensch und Tier aus. Den „Vätern des Grundgesetzes“ war die Möglichkeit einer Vermischung menschlichen und tierischen Materials nicht bewusst. In der gesamten westlichen Kultur – anders womöglich im Hinduismus in Indien – wird der Mensch anders betrachtet und geschützt als das Tier435. Es fragt sich, wo die Grenze der Spezieszugehörigkeit eines Wesens zu ziehen ist, das sowohl menschliche als auch tierische Gene in sich trägt, ob es um eine quantitative Frage der Zahl der Gene geht oder ob sich ein Wesen qualitativ von einem mit rein tierischer oder rein menschlicher genetischer Ausstattung unterscheidet. Letzteres lässt sich empirisch nicht feststellen und bleibt, solange kein Mensch-Tier-Mischwesen geboren wird, rein spekulativ. Fest steht lediglich, dass nur Menschen Grundrechtsträger sein können436. Art. 2 II S. 1 GG garantiert „jedem“, also jedem Menschen, ein Recht auf Leben. Gesetzesbegriffe sind jedoch normativ437, sodass eine biologische Einordnung zur Gattung Homo Sapiens nicht zwingend zu einer rechtlichen Einstufung als Mensch und damit als Träger subjektiver Rechte führt. Die Bedeutung rechtlicher Begriffe wird weder von den Naturwissenschaften noch vom Alltagssprachgebrauch bestimmt438, sondern lässt sich nur durch teleologische Erwägungen feststellen. (α) Argumente gegen eine Qualifikation als menschlich Bei der Herstellung eines Mensch-Tier-Zybriden sind 95 Prozent des Ausgangsnmaterials tierischer Herkunft, nämlich die Eizellhülle. Die Substanz spricht also eher für eine Zuordnung zur Spezies Tier. Gegen eine Qualifikation des Mensch-Tier-Zybrides als menschliches Wesen lässt sich zudem anführen, dass seine genetische Ausstattung zu 0,1 Prozent tierisch ist. Es lässt sich nicht vorhersagen, welche Auswirkungen dies auf den Phänotyp und die Befähigungen und Eigenschaften des Mischwesens haben wird. 432

Vgl. Teil 4: A. I. 3. a) aa) (1) (c) (aa) (δ). Kipke, S. 17; Singer, S. 82 f., 121 f., 196; Hoerster, Abtreibung, S. 55 f.; Leist, S. 61 f. 434 Singer, S. 82 f., 141 f. 435 Beck, S. 31. 436 Sachs in: Sachs GG, Art. 19, Rn. 10; vgl. auch Deutscher Ethikrat 2011, S. 34 f. 437 Merkel, S. 26. 438 Merkel, S. 26. 433

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

273

(β) Argumente für eine Qualifikation als menschlich Sowohl der Geno- als auch der Phänotyp des Mensch-Tier-Zybriden ähnelt jedoch weit mehr dem eines menschlichen als eines tierischen Embryos. Durch die Entkernung der tierischen Eizelle vor dem Zellkerntransfer wurde das tierische Erbmaterial nahezu vollständig entfernt. Zu 99,9 Prozent trägt der Mensch-TierZybrid daher menschliches Erbgut in sich. Nur 0,1 Prozent bestehen aus der tierischen mitochondrialen DNA439. Der Phänotyp wurde von Forschern ebenfalls als „menschlich“ charakterisiert440. Diese Ergebnisse werden auch angestrebt, da die Stammzellen am Menschen angewendet werden und deshalb humanen embryonalen Stammzellen möglichst ähnlich sein sollen. Daher wird die Ansicht vertreten, Mensch-Tier-Zybriden seien als menschliche Embryonen mit einem kleinen Anteil tierischer Gene aus den Mitochondrien der weiblichen Eizelle zu bewerten, weil ihr Grundorganismus der eines Menschen ist und sie den vollen Chromosomensatz und damit das theoretische Potenzial zur Entwicklung zu einem vollständigen Individuum aufweisen441. Zum Teil wird an das „In-dubio-pro-vita“-Prinzip angelehnt argumentiert, dass bei Zweifeln über die Menscheigenschaft Grundrechtsschutz zugestanden werden müsse442. (γ) Stellungnahme Solange kein Mensch-Tier-Zybride geboren wird, lässt sich empirisch nicht feststellen, ob dieser die erforderlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zur Qualifikation als menschlicher Embryo aufweist. Eine eindeutige Zuordnung zur Gattung Homo Sapiens ist jedenfalls nicht möglich. Nach dem Prinzip der Grundrechtseffektivität sowie dem Auslegungsgrundsatz „In dubio pro vita“ sollte im Zweifel und damit auch bei Mensch-Tier-Zybriden von menschlichem Leben ausgegangen werden, das dem sachlichen Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG unterfällt. (bb) Kontinuität Der Mensch-Tier-Zybride entwickelt sich kontinuierlich, wobei das Transfer­ erfordernis einen Einschnitt in seiner Entwicklung darstellt. Dieses steht jedoch ebenso wenig wie bei dem IVF- und SCNT-Embryo in vitro der Entfaltung eines objektiv-rechtlichen Schutzes aus Art. 2 II S. 1 GG im Wege, sondern sorgt lediglich für eine Abschwächung der Schutzintensität.

439

Vgl. Teil 2: C. III. 5. Vgl. Teil 2: C. III. 4. 441 Beck, S. 318, 40. 442 Vgl. Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 144. 440

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(cc) Identität Der Mensch-Tier-Zybride müsste mit einem später geborenen Menschen identisch sein. Problematisch ist, dass mit der Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden zu Therapiezwecken die Geburt eines menschlichen Wesens weder intendiert wird noch aus naturwissenschaftlicher Sicht geklärt ist, ob sich ein Zybride überhaupt zu einem vollständigen Individuum entwickeln kann. Es fragt sich, mit wem der Zybrid identisch sein soll, wenn dieser gar nicht geboren wird. Dies stellt jedoch vornehmlich ein Problem der Potenzialität der erzeugten Entität dar. Würde ein Mensch-Tier-Mischwesen geboren, wäre der Zybrid-Embryo jedenfalls mit diesem genetisch identisch. (dd) Potenzialität Äußerst fragwürdig erscheint die Annahme der Potenzialität des Mensch-TierZybriden.  (α) Passive Potenzialität aufgrund des Transfererfordernisses Aufgrund des Transfererfordernisses für die Realisierung der (theoretischen) Entwicklungsmöglichkeit in ein vollständiges Individuum kommt – wie bei allen extrakorporalen Entitäten – nur eine passive Potenzialität in Betracht. (β) Zweifelhafte Nidations- und Entwicklungsfähigkeit Die Nidationsfähigkeit des Mensch-Tier-Zybriden ist sehr zweifelhaft und noch weniger wahrscheinlich als bei einem rein menschlichen Klon. Forscher gehen beim derzeitigen Stand der Wissenschaft davon aus, dass Mensch-Tier-Zybriden nicht nidationsfähig sind, geschweige sich zu einem vollständigen Individuum entwickeln können. Denn die von Tieren stammenden Eizellen scheinen schlechter dazu in der Lage zu sein, die Embryonalentwicklung auf der Grundlage eines menschlichen Genoms zu unterstützen443. Solange der empirische Gegenbeweis jedoch aussteht, muss von Nidationsfähigkeit ausgegangen werden.

443

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (99).

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(γ) Zielsetzung bei der Erzeugung und geplante Vernichtung der Entität Die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zu therapeutischen Zwecken erfolgt im festen Bewusstsein der alsbaldigen Zerstörung durch die sich anschließende Stammzellentnahme. Die Totipotenz ist ein notwendiges, aber eher unerwünschtes Durchgangsstadium für kurze Zeit; die hergestellte Entität soll bestimmungsgemäß nicht zur Geburt gelangen. Dies führt entsprechend der Argumentation bei menschlichen SCNT-Embryonen zu einem im Maß deutlich verringerten Schutz aus Art. 2 II S. 1 GG. (δ) Künstliche Erzeugung der Totipotenz Bei der Methode des Zellkerntransfers im nichtreproduktiven Bereich ist bei der Variante, dass entkernte tierische Eizellen verwendet werden, zu beachten, dass damit die Entfernung zur normalen Reproduktion als Leitbild und Maßstab noch größer ist als bei rein menschlichen Zellkerntransfer-Klonen444. Mensch-Tier-­ Zybride sollten allerdings nicht wegen der „Unnatürlichkeit“ ihres Entstehungsprozesses vollständig von dem Schutz des Art. 2 II S. 1 GG ausgeschlossen werden. Denn im Hinblick auf die ebenfalls bestehende Artifizität der Herstellung von IVF-Embryonen erscheint eine Grenzziehung zwischen „akzeptabler“ und „inakzeptabler Unnatürlichkeit“ willkürlich und unangemessen. Die Umstände bei der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden bleiben jedoch auch im Ergebnis insofern nicht folgenlos, als die erzeugte Entität möglicherweise tierische Eigenschaften und Befähigungen aufweist. Die Tatsache, dass ein Zybride mit Hilfe einer TierEizelle künstlich geschaffen wurde, muss deshalb dazu führen, das Schutzniveau noch weiter herabzusetzen. (c) Ergebnis Mensch-Tier-Zybriden unterstehen ab der Einbringung des menschlichen Zellkerns in die tierische Eizelle dem objektiv-rechtlichen Lebensschutz des Art.  2 II S. 1 GG. Der Unterschied zwischen (rein) menschlichen Zellkerntransfer-Em­ bryonen und Mensch-Tier-Zybriden liegt neben den noch größeren Unsicherheiten bezüglich der Nidations- und Entwicklungsfähigkeit vor allem in der fraglichen Zugehörigkeit zur Gattung Homo Sapiens und der damit verbundenen noch weiteren Entfernung vom Leitbild des geborenen Menschen und dem Kontext der Reproduktion. Deshalb bleibt die Schutzintensität hinter derjenigen des menschlichen Nukleustransfer-Klons zurück.

444

Hetz, S. 202.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(5) Lebensschutz humaner IVF-Embryonen in utero (Art. 2 II S. 1 GG) Zu prüfen ist eine etwaige Rechtssubjektivität mittels künstlicher Befruchtung erzeugter Embryonen nach der Implantation in einen Uterus. Mit dem Transfer in die Gebärmutter kann die Nidation in die Gebärmutterschleimhaut und mit deren Abschluss die Individuation des IVF-Embryos stattfinden. Ab diesem Zeitpunkt unterscheidet sich der mittels In-vitro-Fertilisation erzeugte Embryo in keiner Weise von dem natürlich gezeugten445. Das nur passive Entwicklungspotenzial wandelt sich in aktive Potenzialität. Von diesem Moment an liegt individuelles menschliches Leben vor, sodass auch der IVF-Embryo in utero zum Grundrechtsträger des Art. 2 II S. 1 GG wird. (6) Lebensschutz humaner SCNT-Embryonen in utero (Art. 2 II S. 1 GG) Auch wenn es kein Ziel des theraputischen Klonens ist, die erzeugten Entitäten in einen Uterus zu transferieren, ist wegen der bestehenden Möglichkeit, dass dies – möglicherweise gesetzeswidrig – doch durchgeführt wird, zu prüfen, welcher verfassungsrechtliche Status diesen Wesen zukommen würde. Denn nur so kann entschieden werden, ob ein gesetzliches Transferverbot zwingend erforderlich ist. Kennzeichnend für den humanen Zellkerntransfer-Klon ist seine atypische Erzeugungsart, bei der keine Befruchtung stattfindet, die eine zufallsbedingte Neukombination der Gene zur Folge hätte. Im frühen extrakorporalen Stadium bildet die Entstehungsart den einzigen tatsächlichen Anhaltspunkt, an welchen die normativen Kriterien der Kontinuität und passiven Potenzialität anknüpfen können446. Beim SCNT-Embryo in vitro weicht durch die Entstehungsart als domi­nierendes Kriterium das menschliche Leben massiv von den Vorstellungen der Natur ab447. Nach dem Transfer treten jedoch der Bezug zum mütterlichen Organismus und damit andere normative Kriterien hinzu, aus der passiven Potenzialität wird nunmehr eine aktive Potenzialität448. Der in die Gebärmutter implantierte Klon hat somit dieselben Voraussetzungen wie der IVF-Embryo in utero, weshalb durch den Transfer die abweichende Entstehungsart dahingehend „überlagert“ wird, dass ihr kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen werden kann449. Der fortpflanzungsfremde Beginn mündet somit in typisch menschliche Fortpflanzungswege ein und richtet sich ab diesem Zeitpunkt nach deren Vorgaben450. Das atypisch 445

Weschka, S. 403. Hetz, S. 179. 447 Hetz, S. 179 f. 448 Hetz, S. 180. 449 Vgl. Teil 2: B. III. 2. c). dd), Teil 2: C. III. 4., Hetz, S. 180. 450 Hetz, S. 180. 446

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erzeugte Leben wird nun durch die spezifisch menschlichen Entwicklungsbedingungen geprägt, sodass SCNT-Entitäten ab der  – verbotenen  – Implantation in eine Gebärmutter in den Begriff des Embryos einbezogen werden können451. Der Transfer für den Zellkerntransfer-Embryo wirkt statusbegründend: Der humane Zellkerntransfer-Embryo in utero ist Grundrechtsträger des Art. 2 II S. 1 GG452. (7) Lebensschutz von Mensch-Tier-Zybriden in utero (Art. 2 II S. 1 GG) Ebenfalls aus Missbrauchserwägungen stellt sich schließlich die Frage, wie sich ein – eventuell verbotswidriger – Transfer in den weiblichen Uterus auf den Lebensschutz des Mensch-Tier-Zybriden auswirken würde. Auch bei diesem wandelt sich die passive Potenzialität in eine aktive, weil es keiner weiteren Handlung von außen mehr bedarf und er sich „aus sich heraus“ weiter entwickeln kann. Hierzu erhält er auch die notwendigen mütterlichen epigenetischen Signale. (a) Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit Auch in utero stellt sich das Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit. Entsprechend obigen Ausführungen greifen jedenfalls im Rahmen des Art.  2 II S.  1 GG der Grundsatz „in dubio pro vita“ sowie das Vorsichtsprinzip und das Prinzip der Grundrechtseffektivität. (b) Problem der zweifelhaften Entwicklungsfähigkeit Problematisch ist, dass das (aktive)  Entwicklungspotenzial von Mensch-TierZybriden sehr begrenzt zu sein scheint. Während es bei rein menschlichen Zellkerntransfer-Embryonen aus naturwissenschaftlicher Sicht zumindest denkbar ist, dass sich diese bis zur Geburt entwickeln, erscheint diese Möglichkeit bei Mensch-Tier-Zybriden fast ausgeschlossen zu sein. Tierische Eizellen unterstützen die Embryonalentwicklung offensichtlich weit weniger gut als menschliche Eizellen. Zudem ist ungewiss, ob der Mensch-Tier-Zybride nach der Implantation die epigenetischen Signale der Frau überhaupt „deuten“ und umsetzen kann. Im Vergleich zum humanen Zellkerntransfer-Klon erscheint der mit Hilfe tierischer Eizellen geklonte Embryo hierzu deutlich weniger befähigt. Schließlich wäre ein geborener SCNT-Klon zweifellos ein „Mensch“, was für das geborene Mischwesen nicht gilt. Solange sich aus biomedizinischer Perspektive nicht ausschließen lässt, dass es sich bei Mensch-Tier-Zybriden um zur Ganzheitsbildung fähige En 451 452

Koch in: Maio/Just, S. 114. So im Ergebnis Koch in: Maio/Just, S. 114; Herdegen in: JZ 2001, 773 (775); Hetz, S. 180.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

titäten handelt, sollte von einer entsprechenden Entwicklungsfähigkeit ausgegangen werden. Aufgrund der verbleibenden Unsicherheiten im Hinblick auf ihr Entwicklungspotenzial und die Tatsache, dass der Mensch-Tier-Zybride durch seine unklare Spezies­zugehörigkeit noch weiter vom Leitbild des natürlicherweise entstandenen Menschen entfernt ist, kann er jedoch nicht als Grundrechtsträger qualifiziert werden. (c) Ergebnis Durch die Implantation in den weiblichen Uterus wird der Mensch-Tier-Zybride im Gegensatz zum rein menschlichen SCNT-Embryo nicht zum Grundrechts­ träger des Art. 2 II S. 1 GG. Solange unklar ist, ob die erzeugte Entität fähig ist, sich bis zur Geburt zu entwickeln, kann sie auch kein Grundrechtsträger sein. Der Mensch-Tier-Zybride wird aber (weiterhin) vom objektiv-rechtlichen Schutzgehalt der Norm erfasst. Denn die Möglichkeit, dass er geboren wird, ist nicht absolut sicher auszuschließen, sodass man dem Wesen nicht jeglichen Schutz versagen darf. Der Schutz steigt durch die Implantation – auch, wenn diese entgegen einfachgesetzlichen Verboten durchgeführt wird, – in seiner Intensität aber deutlich an, zumal die Chance des Zybriden, zur Geburt zu gelangen, durch die Einpflanzung in einen Uterus erhöht wird. Allerdings ist der Zybrid-Embryo noch weiter vom Leitbild des „natürlichen Menschen“ entfernt als der humane Zellkerntransfer-Klon, weshalb die Schutzintensität schwächer ausgeprägt ist als bei Letzterem. (8) Lebensschutz des geborenen Menschen (Art. 2 II S. 1 GG) Dem geborenen Menschen kommt voller Lebensschutz aus Art. 2 II S. 1 GG zu. Es sind jedoch Abwägungen möglich, wie der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 II S. 3 GG zeigt. Staatliche Eingriffe in das Leben sind damit verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, jedoch an erhöhte Rechtfertigungsvoraussetzungen gebunden. Denn Eingriffe in das Grundrecht auf Leben bedeuten immer den Tod – einen anderen Eingriff in das Grundrecht gibt es nicht – und vernichten die Basis jeder weiteren Grundrechtsausübung453. Eine grundrechtliche Abwägung von Grund und Gegengrund ist prinzipiell möglich und beim „Alles-oder-Nichts“-Grundrecht auf Leben besonders akzentuiert454. Das ist der Hintergrund für den dem Grundrecht auf Leben in Rechtsprechung und Literatur zuerkannten besonderen Rang in der Ordnung des Grundgesetzes455. Jedes Menschenleben ist gleich wertvoll, denn im verfassungsrechtlichen Sinn gibt es kein „lebensunwertes Leben“, sodass

453

Lang in: Beck’scher OK, Art. 2 II GG, Rn. 57. Lang in: Beck’scher OK, Art. 2 II GG, Rn. 57. 455 Lang in: Beck’scher OK, Art. 2 II GG, Rn. 57. 454

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eine Abwägung „Leben gegen Leben“ nicht möglich ist456. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, wie das menschliche Leben ursprünglich entstanden ist, also ob es natürlich gezeugt oder mittels In-vitro-Fertilisation erzeugt wurde. (9) Lebensschutz des geborenen Klons (Art. 2 II S. 1 GG) Die Art der Erzeugung ist für den verfassungsrechtlichen Lebensschutz aus Art. 2 II S. 1 GG ohne Bedeutung. Deshalb würde auch ein geborener menschlicher Zellkerntransfer-Klon nach beinahe einhelliger Auffassung als „Mensch“ zu qualifizieren sein und unterfiele somit dem Lebensschutzgebot des Art. 2 II S. 1 GG457. (10) Lebensschutz des geborenen Mensch-Tier-Mischwesens (Art. 2 II S. 1 GG) Wie bereits beschrieben, ist die Zuordnung des Mensch-Tier-Zybriden zur Spezies Homo Sapiens zweifelhaft. Das gleiche Problem stellt sich für das geborene Mischwesen. Wenn es ein Mensch-Tier-Zybrid tatsächlich bis zur Geburt schafft, müsste er auch als Mensch qualifiziert werden und Träger des Grundrechts auf Leben aus Art. 2 II S. 1 GG sein. Ihm kann der Schutz – entsprechend der Argumentation beim humanen Zellkerntransfer-Klon – nicht unter Hinweis auf seine Erzeugung abgesprochen werden. Problematisch bleibt der geringe Anteil tierischer DNA. Deren Auswirkungen sind gänzlich unbekannt. Ein Tier, in das menschliche Gene eingebracht wurden, bleibt ein (nun transgenes) Tier. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die artfremden Gene quantitativ und qualitativ als gering einzustufen sind. Im Umkehrschluss spricht vieles dafür, ein Mensch-Tier-Mischwesen mit nur 0,1 Prozent tierischer DNA, die sich noch dazu nur in den Mitochondrien befinden und deshalb keinen bedeutsamen Einfluss auf den Gesamtorganismus ausüben, als Mensch zu betrachten. Im Zweifel muss ein Lebewesen wegen des Prinzips der Grundrechtseffektivität und des Vorsichtsprinzips als Mensch anerkannt werden. Ansonsten liefe man Gefahr, „Menschen zweiter Klasse“ anzuerkennen und ihnen den grundrechtlichen Lebensschutz abzusprechen. Mit der Geburt hat er sich gewissermaßen den Status als Mensch „erarbeitet“, der zuvor unsicher war. Durch die Geburt wird der Mensch-Tier-Zybride zum Grundrechtsträger des Art. 2 II S. 1 GG. 456

Lang in: Beck’scher OK, Art. 2 II GG, Rn. 64. Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 53; Frankenberg, in: KJ 2000,325 (329); Isensee in: FS Hollerbach, 2001, 253 (254); Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 41: Sollte es jedoch entgegen dem Verbot des Fortpflanzungsklonens zur Geburt eines Klons kommen, so würde die Art seiner Entstehung es dennoch nicht rechtfertigen, ihm die Menschenwürde abzusprechen. 457

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

bb) Menschenwürdeschutz (Art. 1 I S. 1 GG) Der Menschenwürdeschutz stellt eine elementare Wertentscheidung und Grundsatznorm der deutschen Verfassung dar. Auch das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates (MRB)458 sowie die EU-Grundrechtecharta459 enthalten gleichartige „Fundamentalnormen“460 und bezeichnen den Schutz der Würde „aller menschlichen Lebewesen“ bzw. der „Würde des Menschen“ als zentrales Anliegen. Der Menschenwürdeschutz besteht auch dort, wo spezielle Grundrechtsnormen nicht vorhanden sind, wie etwa in Österreich, wo die Menschenwürde als ungeschriebenes Prinzip gilt461 und Vorgaben gibt, die in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und damit auch der medizinischen Wissenschaft und Forschung wirken. Anders als das Recht auf Leben aus Art. 2 II S.  1 GG ist die Menschenwürde des Art.  1 I S.  1 GG „unantastbar“. Eine Einschränkung durch Gesetz ist nicht zulässig. Damit kommt der Frage, ob und inwieweit bereits der Embryo dem Schutz der Menschenwürde untersteht, überragende Bedeutung bei der Klärung der Frage zu, welche Handlungen an und mit Embryonen zulässig sind. (1) Menschenwürde als rein staatliche Verpflichtung? Nimmt man Art. 1 I S. 1 GG wörtlich, müsste man die Menschenwürde als ein alleiniges Thema des Staates begreifen und könnte daraus schließen, dass den einzelnen Forscher, jedenfalls in der Privatindustrie, die Würde der Menschheit oder bestimmter Menschen nicht interessieren müsse462. Schließlich ist es nach dem Wortlaut der Norm die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Auch die anderen bereits genannten Regelwerke lassen sich in dieser Weise interpretieren. Ein solches Verständnis würde zu der von vielen als schizophren bezeichneten Situation führen, wie sie etwa in den USA herrscht, wo zwar der öffentlich geförderte Forschungsbereich strengen Anforderungen unterliegt, privat finanzierte Forschung aber von „störenden Menschenwürdedebatten“ verschont bleibt463. Eine solche Interpretation der beschriebenen Regelwerte ist jedoch abzulehnen. Vielmehr ist aus der Diskussion um die Drittwirkung von Grundrechten anerkannt, dass diese durchaus eine „private“ 458 Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde von Biologie und Medizin des Europarates vom 04.04.1997 (MRB); vgl. hierzu Quaas/Zuck, § 67, Rn. 16; Taupitz in: JZ 2003, 109 (110). 459 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 18.12.2000; Amtsblatt der Euro­ päischen Gemeinschaften 2000/C 364/01. 460 Zu Art. 1 I S. 1 GG als „Staatsfundamentalnorm“ Taupitz in: JZ 1992, 1089 (1089). 461 Für Österreich Dujmovits in: RdM 2001, 72 (74). 462 Vgl. zum Streit um den Adressatenkreis des Art. 1 I S. 1 GG Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1 Rn. 11. 463 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 26.

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Dimension entfalten und, wenn auch mittelbar, den Bürger selbst binden464. Zwar wendet sich das Gebot, die Menschenwürde aktiv zu schützen, in erster Linie an die staatliche Gewalt. Das Gebot, sie zu achten, also nicht zu verletzen, hingegen richtet sich an jeden Einzelnen465. (2) Inhalt der Menschenwürdegarantie Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, was genau die Menschenwürde­ garantie des Art.  1 I S.  1 GG beinhaltet. Der Begriff der menschlichen Würde stellt einen Gesetzesbegriff dar, der in besonderem Maße ein Grenzbegriff ist, der die Grenzen rein rechtlich immanenter Definitionsmacht überschreitet und auf undefinierte, außerrechtliche Lebensbereiche hinweist, aber doch zur Anknüpfung rechtlicher Folgen einer „juristischen Definition“ bedarf466. (a) Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts Nach Aussage des Bundesverfassungsgerichts kommt jedem Menschen um seiner selbst willen ein von der staatlichen Gewalt unbedingt zu achtender Wert zu467. Der Mensch sei selbständige Person, nicht verfügbare Sache, gehöre niemandem als sich selbst und müsse deshalb stets Zweck an sich selbst bleiben468. Dies gelte uneingeschränkt für alle Rechtsgebiete, denn die unverlierbare Würde des Menschen bestehe gerade darin, dass er stets als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt469. Die Rechtsprechung vermeidet allerdings eine abschließende, positive Begriffsbestimmung der Menschenwürde, sondern setzt vielmehr beim Verletzungsvorgang im Einzelfall an, entwickelt Fallgruppen und bemüht somit eine negative Interpretationsmethode. Die von Dürig470 begründete und vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung471 verwendete „Objektformel“ füllt „den Begriff der Menschenwürde von der Verletzung her mit Inhalt“472. Nach dem Bundesverfassungsgericht widerspricht es „der menschlichen Würde, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertret­baren

464

Dreier in: Dreier GG, Vorbem., Rn. 59. Nach teilweise vertretener Auffassung gilt dies unmittelbar, andere sehen dies über einfachgesetzliche Normen begründet, die ihrerseits im Lichte der staatlichen Schutzpflicht ausgelegt werden müssen; vgl. hierzu Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 37 sowie Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 12. 466 Denninger in: KritV 2003, 191 (295); Scholz in: FS Baur, 673 (675). 467 BVerfGE 109, 279 (312 f.) = NJW 2004, 999 (1002). 468 Vgl BVerfGE 45, 187 (228) = NJW 1977, 1525 (1526). 469 BVerfGE 45, 187 (228) = NJW 1977, 1525 (1526). 470 Dürig in: Maunz/Dürig, Vorauflage 1058, Art. 1 I, Rn. 28. 471 BVerfGE 45, 187 (228) = NJW 1977, 1525 (1526); BVerfG, NJW 2006, 75 (757). 472 Vgl. hierzu Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I GG, Rn. 16. 465

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Größe herabgewürdigt wird“473. Zudem laufe es der Würde des Menschen zuwider, ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine „Subjektqualität prinzipiell in Frage“ stellt474. In der jüngeren Diskussion wurde die Objektformel verschiedentlich kritisiert: Sie tauge „zur Identifizierung evidenter Menschenwürdeverletzungen herkömmlicher Art, weist aber sonst Identifikationsschwächen auf“ und entpuppe sich als „Passepartout für subjektive Wertungen aller Art“475. Auch ihr „tautologisches Element“476 sei problematisch. Da es gleichwohl an einer präziseren Umschreibung des Gehalts der Menschenwürde fehle, deren Möglichkeit überdies angezweifelt wird, bleibe es für die Praxis aber bei der „Maßgeblichkeit der Objektformel“477. Auch das Bundesverfassungsgericht betont in seiner neueren Rechtsprechung, dass die Objektsformel und das in ihr enthaltene Instrumentalisierungsverbot in ihrer Leistungsfähigkeit begrenzt seien und daher nicht überstrapaziert werden dürften478, und betont im „Abhörurteil“479, dass „allgemeine Formeln wie die, der Mensch dürfe nicht zum bloßen Objekt der Staatsgewalt herabgewürdigt werden, (…) lediglich die Richtung andeuten (könnten), in der Fälle der Verletzung der Menschenwürde gefunden werden können.“ (b) Die Aussagen der Literatur In der Literatur existieren sehr unterschiedliche Interpretationsansätze zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffes der Menschenwürde480, von denen die wichtigsten kurz skizziert werden sollen. Dabei ist bereits umstritten, ob Art.  1 I S.  1 GG ein eigenständiges Grundrecht darstellt oder (nur) ein objektiv-rechtliches Prinzip. (aa) Objektformel Die vom Bundesverfassungsgericht verwendete Objektformel, nach der – in Anlehnung an Kant – eine Instrumentalisierung von Menschen gegen die Menschenwürde verstößt, wurde in der Literatur entwickelt, und zwar von Josef Wintrich481, und von Günther Dürig482 bekannt gemacht483 . Überwiegender Auffassung zufolge 473

Z. B. BVerfGE 9, 89 (95); 27, 1 (6); 45, 187 (228); 50, 166 (175); 87, 209 (228). BVerfGE 30, 1 (36); 50, 166 (175), 87, 209 (228). 475 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 53. 476 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 33. 477 Epping, Art. 1 I, Rn. 582. 478 Vgl. Sachs in: Sachs/Höfling, Art 1, Rn 15 ff; Dreier in: Dreier  GG, Art 1 I, Rn.  53;­ Epping/Hillgruber in: Beck’scher OK, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 21. 479 BVerfGE 30, 1. 480 Vgl. die Darstellung der verschiedenen Würdekonzepte bei Geddert-Steinacher, S. 110 f. 481 Wintrich in: FS Laforet 1952, 227 (235 f.). 482 Dürig in: Maunz/Dürig, Vorauflage 1958, Art 1 I, Rn. 28, 34. 483 Vgl. hierzu Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I GG, Rn. 16. 474

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können auch Embryonen nach dieser Formel in ihrer Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG verletzt werden484. (bb) Leistungstheorie Die Leistungstheorie geht auf Niklas Luhmann485 zurück und beschreibt die menschliche Würde als Fähigkeit zu gelingender Selbstdarstellung und somit als eine von Menschen im Verhältnis untereinander zu erbringende Leistung, die erbracht oder verfehlt werden könne486. Die Leistung der Identitätsbildung bildet das entscheidende Kriterium dafür, dem Schutz der Menschenwürde zu unterfallen487. Individualität und Würde gewinne der Mensch nur durch soziale Kontakte488. Weil der Mensch seine Würde selbst konstituiere, könne der Staat die Würde des Menschen nicht gewährleisten, sodass die Aufgabe des Staates vielmehr darin liege, dem einzelnen Menschen die Bedingungen und Voraussetzungen für die Identitäts- und Würdebildung zu schaffen489. Weil Embryonen nicht in der Lage sind, selbstbestimmt zu handeln, können sie nicht als Träger der Menschenwürde qualifiziert und ihnen kein Würdeschutz zugesprochen werden490. An diesem Verständnis des Begriffs der menschlichen Würde ist zu kritisieren, dass nur der geborene und leistungsfähige Mensch Schutz genießen und derjenige, der zu der geforderten Identitätsbildung nicht in der Lage ist, kein Träger der Menschenwürde sein kann491. In diesem Zusammenhang muss insbesondere auf die Überlegungen und Motive des Parlamentarischen Rates verwiesen werden, die aufgrund der Erfahrungen des Dritten Reiches gerade davon geprägt waren, dass die Menschenwürde jedem Menschen unabhängig von der konkreten Leistung und Fähigkeit gewährt werden müsse; eine Zuerkennung der Würde durch andere Menschen war gerade nicht gewollt492. Zudem wird nicht deutlich, welche Kriterien für eine „erfolgreiche Identitätsbildung“ heranzuziehen sind und wer darüber zu entscheiden hat493. Demzufolge ist diese Theorie kaum zu vertreten.

484 Befürwortend: Baumgartner et al., S. 161 (198); Starck in: FAZ vom 30.05.2001; äußerst kritisch: Dreier in: Dreier/Huber, 9 (43 m. w. N.); Hoerster in: FAZ vom 23.07.2001; Gerhardt, S. 22 f. 485 Luhmann, S. 68; vgl. auch Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (63). 486 Luhmann, S. 68. 487 Luhmann, S. 53 f., vor allem 57, 68. 488 Luhmann, S. 61 f. 489 Geddert-Steinacher, S. 118. 490 Luhmann, S. 53 f., vor allem 57, 68. 491 Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I, Rn. 14. 492 Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1, Rn. 13. 493 Kunig in: Münch/Kunig, Art. 1 I, Rn. 13.

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(cc) Optimierungstheorie Enders greift den Menschenwürdeansatz von Dürig auf und entwickelt diese Theorie weiter. Er verneint einen eigenen Grundrechtscharakter von Art.  1 I S. 1 GG und meint, dass sich die Menschenwürde gegenüber jedem Grundrecht durchsetze und nicht im Rahmen der praktischen Konkordanz abgewogen werden dürfe494. Der Menschenwürdegedanke sei in jedem einzelnen Grundrecht enthalten, sodass ein prinzipieller Vorrang der Menschenwürde des Einzelnen zugleich eine Verdrängung der in den Grundrechten aktualisierten Menschenwürde anderer bedeuten würde495. Die Menschenwürde bilde bei der Grundrechtskollision den Abwägungsmaßstab in der Weise, dass dann keine Menschenwürdeverletzung vorliege, wenn das auf diesem Weg gefundene Optimierungsverhältnis der beiden Grundrechte gegen das Prinzip der Menschenwürde verstößt496. Damit solle eine materielle Interpretation der Menschenwürde vermieden werden497. Ob Embryonen von Art. 1 I S. 1 GG erfasst werden, bleibt unklar. Der Ansatz der Optimierungstheorie führt, konsequent weitergedacht, dazu, dass zur Verhinderung dieses Konflikts der Anwendungsbereich der aus Art. 1 I S. 1 GG gewährten Grundrechte möglichst eng zu fassen ist, um Kollisionen von vornherein zu vermeiden498. Das wiederum widerspricht der Bedeutung der Menschenwürdegarantie als Fundamentalnorm. (dd) Soziale Achtungstheorie Einige sehen im Menschenwürdebegriff einen sozialen Achtungsanspruch und interpretieren diesen von einem empirischen Standpunkunkt aus499. Das spezifisch Menschliche sei die einzigartige Vernunftbegabung, die Gefühlsabhängigkeit und die Fähigkeit zur sozialen Interaktion500. Der Mensch stelle ein kulturelles Wesen dar mit Anlagen zur Musikalität und der Fähigkeit zur sprachlichen Artikulation, welche auf Kommunikation und Interaktion mit seinesgleichen angelegt sei501. Als Zweites wird nach der Funktion der Menschenwürde gefragt: Deren Schutzaspekt sei dahingehend zu verstehen, dass der Staat die Bedingungen schaffen oder ändern müsse, die für den Erhalt der Menschenwürde erforderlich seien, sodass die Menschenwürde (nur) in diesem Sinne „Aufgabe staatlicher Gewalt“ sei502. Daraus folge, dass die Menschenwürde in diesem zweiten Kontext etwas darstelle, das 494

Enders, S. 105 f. Enders, S. 106. 496 Enders, S. 124. 497 Hetz, S. 145. 498 Enders, S. 106 f. 499 Podlech in: AK GG, Art. 1 I, Rn. 12. 500 Herdegen in: JZ 2001, 773 (774). 501 Schmidt-Jortzig in: DÖV 2001, 925 (930). 502 Podlech in: AK GG, Art. 1 I, Rn. 12 zum Folgenden. 495

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verloren gehen und an dem es dem Menschen ermangeln könne, weil nur so der Schutz der Würde als staatliche Aufgabe denkbar sei. Folglich wird von einem gesellschaftlichen Anteil der Menschenwürde ausgegangen, der auf den Gedanken des „Gesellschaftsvertrages“503 zurückgeht504. Würde verkörpert demnach dasjenige eines Menschen, auf das zu verzichten niemandem zugemutet werden darf, weil es „dasjenige ist, was Zustimmung und Einordnung erst ermöglicht, nämlich, dass jeder Mensch Zweck an sich selbst ist“505. Nach dieser Ansicht kommt Embryonen kein Würdeschutz zu, weil Mensch-Sein im Sinne des Art. 1 I S. 1 GG mehr bedeute, als „die Summe der Gene abzubilden“506. Auch an der soziale Achtungstheorie lässt sich bemängeln, dass es Entstehungsgeschichte und Telos des Art.  1 I S.  1 GG widerspricht, die Zuerkennung von Würde von der Interaktion mit anderen Menschen abhängig zu machen. (ee) Kommunikationstheorie Auf die staatsstrukturelle Seite der Menschenwürdegarantie und ihre Verankerung im Gedanken mitmenschlicher Solidarität in einer konkreten Anerkennungsgemeinschaft rekurriert die Kommunikationstheorie. Die Menschenwürde stelle das gemeinschaftliche Versprechen der Rechtsgenossen zueinander dar, sich gegenseitig als gleichwürdige Mitglieder der Gemeinschaft anzuerkennen und des Weiteren die Eigenart und Individualität jedes Einzelnen zu respektieren507. Die Menschenwürde gehe dadurch über die einzelnen Grundrechte hinaus, weil der Mensch als Teil der solidarischen Gemeinschaft geschützt werde508. Damit hebt dieser Ansatz die „Staatsgründungsfunktion“ hervor, mit dem Resultat, dass Würde kein „Substanz-, Qualitäts- oder Leistungs-, sondern ein Relationsoder Kommunikationsbegriff“509 ist510. Was die Würde des Menschen ausmacht, sei weniger entscheidend als die Frage, wodurch Menschen entwürdigt und in ihrer Menschenwürde verletzt werden511. Embryonen werden nach der Kommunikationstheorie nicht geschützt. Denn nach dieser gehört nur derjenige, der „schon 503 Die „Vertragstheorien“ deuten den Staat über fiktive Rechtsvereinbarungen. Thomas Hobbes leitete den Gesellschaftsvertrag in seinem Buch „Leviathan“ aus dem Naturzustand des Krieges aller gegen alle ab („bellum omnium contra omnes“). Auch verschiedene Rechtsphilosophen vertraten die „Lehre vom Gesellschaftsvertrag“ und messen diesem eine über die positive Rechtsordnung hinausreichende Dimension zu. Nach dieser bringt ein (fiktiver) vertraglicher Zusammenschluss der Individuen den Staat und damit auch das Recht und die Rechtsordnung zur Entstehung. 504 Hetz, S. 146. 505 Podlech in: AK GG, Art. 1 I, Rn. 15. 506 Herdegen in: JZ 2001, 773 (774). 507 Hofmann in: AöR 1993, 118 (370). 508 Hofmann in: AöR 1993, 118 (370). 509 Hofmann in: AöR 1993, 118 (364). 510 Dreier in: Dreier GG, Art. 1, Rn. 43. 511 Iliadou, S. 120.

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oder noch unter uns“ ist, unabhängig von seinen aktuellen Fähigkeiten zum Kreis der Menschenwürdeträger512. Gegen eine Interpretation der Menschenwürde nach dieser Theorie lässt sich anführen, dass der traditionell akzeptierte wertbezogene Gehalt der Menschenwürde nicht ausreichend berücksichtigt wird, weil zu sehr auf Außenbeziehungen des Menschen und seine Empfindungs- und Erlebnisfähigkeit abgestellt wird513. (ff) Kulturspezifische Kontexttheorie Andere Stimmen betonen die Kontextgebundenheit der Menschenwürde514 und betrachten sie als Rechtsbegriff im Zusammenhang mit der Verfassung und ihrer Kultur und damit als relativen Begriff515. Ausgangspunkt bildet die These, dass die Gesamtheit der Rechtsverbürgungen dem Einzelnen einerseits Pflichten auferlegt und andererseits dem Menschen ermöglichen soll, Person zu sein516. Die Ab­ sicherung des Person-Seins sei in der Menschenwürdegarantie mit enthalten517. Die Frage, wie der Mensch zur Person wird und wie sich menschliche Identität bildet, könne anhand soziologischer und psychologischer Identitätskonzepte beantwortet werden518. Dogmatische Begründungen rücken in den Hintergrund und haben laut Häberle nur dienende Funktion519. Zudem müsse die Menschenwürde abhängig von der jeweiligen Gefahrenlage flexibel ausgelegt werden. Da Embryonen nicht „Person“ sein könnten, bleibe ihnen Schutz aus Art. 1 I S. 1 GG versagt. Kritik besteht darin, dass die Menschenwürde beim Abstellen auf einen konsensabhängigen Menschenwürdebegriff ihr absolutes, Konsens sicherndes Moment verliert, wenn gerade kein Konsens vorhanden ist520. Wenn der Menschenwürdebegriff für kulturspezifische Ausfüllungen unbegrenzt offen ist, droht eine Degradierung der Menschenwürde zu einem relativen Standard521.

512

Hoffmann in: AöR 1993, 353 (363); Hoffmann in: JZ 1986 253 (358), der darauf hinweist, dass sich mit Blick auf Art. 1 I S. 1 GG nur die Frage stellen könne, welchen Schutz wir dem ungeborenen Leben um unserer Selbstachtung willen schulden; Zusammenfassung bei Dreier in: Dreier/Huber, 9 (43 f.). 513 Iliadou, S. 121. 514 Häberle, Menschenbild,; Häberle, Verfassungslehre; Häberle in: Rechtstheorie 1980, 389 (389 f.); Geddert-Steinacher, S. 122. 515 Häberle in: Rechtstheorie 1980, 389 (389 f.). 516 Häberle in: Rechtstheorie 1980, 389 (403 f.). 517 Häberle in: Rechtstheorie 1980, 389 (404). 518 Häberle in: Rechtstheorie 1980, 389 (404 f.). 519 Häberle in: Rechtstheorie 1980, 389 (411). 520 Geddert-Steinacher, S. 123. 521 Geddert-Steinacher, S. 124.

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(gg) Ensembletheorie Die Ensembletheorie bemüht sich um eine positive Bestimmung der Menschenwürde522. Aufgezählt werden das Recht auf ein materielles Existenzminimum, autonome Selbstentfaltung, Schmerzfreiheit, Wahrung der Privatsphäre, geistigseelische Integrität, grundsätzliche Rechtsgleichheit und minimale Achtung523. Dadurch soll die Menschenwürde praxistauglicher und weniger philosophisch dargestellt werden524. Embryonen müsste nach dieser Ansicht zumindest das Recht auf Schmerzfreiheit und minimale Achtung zustehen können. Nachteilig ist, dass sich diese Theorie weniger gut abstrahieren lässt und die Menschenwürdegarantie damit ihren offenen Charakter einbüßen könnte. (hh) Werttheorie Alexys Prinzipientheorie525 unterscheidet zwischen Regeln und Prinzipien und geht von einem rein objektiv-rechtlichen Wert der Menschenwürdegarantie des Art. 1 I S. 1 GG aus. Von diesem müssten auch Embryonen geschützt werden. Kritisch anzumerken ist, dass dieser Theorie eine klare Richtschnur, wann gegen die Menschenwürde verstoßen wird, fehlt. (ii) Mitgifttheorie Nach der so genannten  Mitgifttheorie  ist die Menschenwürde ein dem Menschen von Gott oder der Natur mitgegebener Eigenwert, der von nichts als der puren Existenz abhängig ist526. Eine vorgeburtlich bestehende Menschenwürde kann im frühen Stadium der Schwangerschaft im Sinne einer weit verstandenen Mitgifttheorie (nur) mit der Anlage der den Menschen als Gattungswesen auszeichnenden Fähigkeiten – einschließlich des Appells an mitmenschliche Gefühle – begründet werden527. Die Mitgifttheorie teilt sich in verschiedene Ausprägungen auf. (α) Christliche Imago-Dei-Vorstellung Die christlich geprägte Mitgifttheorie definiert die Menschenwürde als einen Wert, der den Menschen von Gott oder der Natur mitgegeben wurde. Der Mensch 522

Vgl. Hilgendorf in: JRE 1999, 137 (148). Vgl. Hilgendorf in: JRE 1999, 137 (148). 524 Hilgendorf in: JRE 1999, 137 (149). 525 Alexy, S. 127. 526 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 62. 527 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 62. 523

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wurde als Gottesebenbild528 erschaffen und eben dies begründet dessen Würde529. Somit wird die besondere Auszeichnung des Menschen im Rahmen der göttlichen Schöpfung berücksichtigt und bereits dem ungeborenen Leben der „göttliche Funke personaler Existenz und Würde“ zugeschrieben530. Würde wird ohne Rücksicht auf ihre Aktualisierung oder Aktualisierungsmöglichkeit anerkannt. Die erste Prämisse lautet, dass Gott die höchste Existenz von allen sei und der Mensch als das ihm ähnlichste Wesen den zweiten Rang einnehme und vor allem Übrigen liege. Zum Zweiten verfüge der Mensch im Gegensatz zu Tieren und Pflanzen über Vernunft und dieser Besitz erhebe ihn über alle anderen Existenzformen531. Drittens sei die menschliche Wertegemeinschaft auf ein gewisses Maß an Reziprozität gegründet. Demzufolge erscheine es nur konsequent, dass die Menschen einander gegenseitig moralische Rücksicht zukommen lassen, weil sie auf eine entsprechende Resonanz hoffen dürften, während sich die anderen Existenzformen wie etwa Tiere nicht an diesem allgemeinen Austausch beteiligten und deshalb nicht als gleichberechtigte Partner angesehen werden müssten532. Kritisiert werden muss an dieser Ansicht, dass in einem säkularen Staat bestimmte Glaubensansätze einer religiösen Gemeinschaft nicht geeignet sind, einen dominanten Einfluss auf das Verständnis einer so fundamentalen Norm wie der Menschenwürdegarantie auszuüben533, weil Anhänger anderer Weltreligionen wie Juden, Buddhisten oder Muslime gerade im Hinblick auf vorgeburtliches Leben ganz andere Vorstellungen haben534. Eine rein religiöse Auslegung rechtlicher Normen erscheint somit bedenklich. (β) Naturrechtlich-idealistische Mitgifttheorie Demgegenüber stellt die naturrechtlich-idealistische Mitgifttheorie auf eine Menschenwürde ab, die nicht von Gottes Gnaden verliehen, sondern in seiner Vernunft, Fähigkeit zur freien Selbstbestimmung und sittlichen Autonomie begründet ist535. Der Mensch dürfe von niemandem „bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck“ gebraucht werden536. Umstritten ist, ob sich diese auf Immanuel Kant zurückgehenden Aussagen auch auf vorgeburtliches Leben beziehen537. 528

Danzig, S. 24 f. Vgl. Genesis 1, 26 f.; Genesis 9, 6.  530 Vgl. Deutsche Bischofskonferenz, S. 5. 531 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 11. 532 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 12. 533 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 84; Dreier in: Dreier/Huber, 9 (42); vgl. Schwarz in: KritV 2001, 182 (207). 534 Sass in: Schweidler et al., 93 (101 f.); Zusammenfassung zum Umgang mit vorgeburtlichem Leben in anderen Kulturen; Nationaler Ethikrat, Infobrief Nr. 3, Juni 2004, S. 1 f. 535 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der guten Sitten, S. 57 f. 536 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der guten Sitten (Teil 2, Tugendlehre), § 38. 537 Befürwortend: Baumgartner et al., S. 161 (198); Starck in: FAZ vom 30.05.2001; äußerst kritisch: Dreier in: Dreier/Huber, 9 (43 m. w. N.); Hoerster in: FAZ vom 23.07.2001; Gerhardt, 529

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Kritisch ist anzumerken, dass es einen großen Unterschied macht, ob es um die moralisch-ethische Bewertung individuellen Handelns geht oder um die Frage einer für alle verbindlichen Rechtsnorm538. (jj) Philosophische Argumente Nach dem philosophischen Ansatz ist die menschliche Würde weder an einen bestimmten körperlichen oder geistigen Zustand noch an soziale Merkmale gebunden und beruht nicht auf der Zustimmung anderer, sondern kommt vielmehr jedem Menschen unabhängig von Besonderheiten der Situation, des Ortes oder der Umstände zu539. Diese Grundeinstellung wird von Juden, Christen und Muslimen, von Vertretern anderer Weltanschauungen und Religionen geteilt und spiegelt sich auch in der Menschenrechtstradition und vielen philosophischen Entwürfen wider540. Die Argumentation geht davon aus, dass die Aufklärung den Grundgedanken für ein von sittlicher Selbstbestimmung, vom Eigenwert jeder menschlichen Existenz und gleicher Achtung geprägtes Würdeverständnis gelegt hat541. Für Blaise Pascal ist insbesondere die Fähigkeit zur Selbstreflexion für die Würde ausschlaggebend542. Samuel von Pufendorf leitet die menschliche Würde aus der unsterblichen Seele sowie aus der menschlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit ab543 und setzt die Würde in Bezug zur Gleichheit. Die gebotene Achtung als Mensch wurzele in der menschlichen Natur544 und jeder schulde dem anderen diese Achtung als seinesgleichen545. Hasso Hofmann verankert den Menschen­ würdegedanken in der mitmenschlichen Solidarität einer konkreten Anerkennungsgemeinschaft546. Jürgen Habermas sieht in der Menschenwürde etwas, das man nicht von Natur aus besitze, sondern das sich erst in interpersonalen Beziehungen reziproker Anerkennung konstituiere. Erst mit der Geburt finde der Aufnahmeakt in die intersubjektiv geteilte Lebenswelt statt547. Hegel versteht die

S. 22 f.; grundsätzlich kritisch auch Stern, Staatsrecht III/1; § 58, S. 8 f.; Fechner in: JZ 1986, 653 (654 f.); ablehnend auch Hufen in: JZ 2004, 313 (316). 538 Dreier in: Dreier/Huber, 9 (43). 539 Deutscher Ethikrat 2011, S. 58. 540 Deutscher Ethikrat 2011, S. 58. 541 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 11. 542 Blaise Pascal, Pensées, Fragment 347.  543 Samuel von Pufendorf, De iure naturae et gentium, 1672, lib. II., cap. I, § 5.  544 Samuel von Pufendorf, De iure naturae et gentium, 1672, lib. III., cap. II, § I.  545 Samuel von Pufendorf, De iure naturae et gentium, 1672, lib. III., cap. II, § I: Humana porro natura, cum omnibus hominibus aeque competat, neque socialem cum isto homine vitam degere quis possit, abs quo non saltem ut homo aestimatur; inde consequitur, iure naturali praeceptum esse, ut quisque alterum hominem aestimet atque tractet, tanquam nautura­ liter sibi aequalem, seu ut aeque hominem.  546 Nationaler Ethikrat PID, S. 49. 547 Nationaler Ethikrat PID, S. 48.

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Menschenwürde als eine zu erwerbende Qualität548 und steht insoweit noch in der Tradition des scholastischen Ansatzes549. Unter den Deutungsansätzen der Aufklärung hat die Moralphilosophie von Kant die größte Wirkung auf die Auslegung der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes ausgeübt550. Sie grenzt „im Reich der Zwecke“ die Würde vom Preis ab, der im Gegensatz zur Würde äquivalent ersetzbar sei551. Kant begreift die Freiheit des Einzelnen zur sittlichen Selbstbestimmung und den absoluten Eigenwert der vernunftbestimmten Existenz als Basis der Menschenwürde: „Autonomie ist also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur“552. Als vernunftbegabtes Wesen existiere der Mensch „als Zweck an sich selbst“553. Zugleich diktiere der Eigenwert der menschlichen Existenz den „praktischen Imperativ“: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“554. Die Menschenwürde zieht so wechselseitige Achtung „auf dem Fuß der Gleichheit“ nach sich555. Autoren, die sich auf Kant beziehen, fordern sittliche Autonomie und freie Selbstbestimmung556. Verhaltenssteuernde Wirkung entfaltet die Idee der menschlichen Würde als „ontologischer Schlüssel“557 zu einer von der Eigenverantwortung des Einzelnen bestimmten Pflichtenethik, welche durch die konkreten Eigenschaften und 548 Hierzu Bayertz in: ARSP 89 (465 ff.).; Messner in: FS Geiger 1974, S. 221 (221 f.); Ruiz Miguel in: JöR n.f. 2002, 281 (281 f.); Schaede in: Bahr/Heinig, S. 3 ff. Siehe auch Spaemann in: Böckenförde/Spaemann, S. 295 ff. 549 Scholastik, abgeleitet vom lateinischen Adjektiv  scholasticus  („schulisch“, „zum Studium gehörig“), bezeichnet die wissenschaftliche Denkweise und Methode der Beweisführung, die in der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt des Mittelalters entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um ein von den logischen Schriften des Aristoteles ausgehendes Verfahren zur Klärung wissenschaftlicher Fragen mittels theoretischer Erwägungen. Dabei wird eine Behauptung untersucht, indem zuerst die für und die gegen sie sprechenden Argumente nacheinander dargelegt werden und anschließend eine Entscheidung über ihre Richtigkeit getroffen und begründet wird. Behauptungen werden widerlegt, indem sie entweder als unlogisch oder als Ergebnis einer begrifflichen Unklarheit gezeigt oder indem ihre Unvereinbarkeit mit evidenten oder bereits bewiesenen Tatsachen nachgewiesen wird. 550 Dürig, Vorauflage, Art. 1 I, Rn. 48; Dürig. in: JöR n.f. 1987, 91 (95); Wintrich in FS Laforet 1952, 227 (235 f.); Geddert-Steinacher, S. 33, 104; Hruschka in: ARSP 2002, 463 (463 f.); Luf  in: FS Wolff 1998, S. 307 ff.; Münch, S. 9; Starck in: JZ 2002, 1065 (1070); Graf Vitzthum in: JZ 1985, 201 (205). Im Sinne eines von Kant inspirierten vorkonstitutionellen Menschenwürdeverständnisses schon Radbruch in: SJZ 1947, 131 (132).  551 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 2. S. 68: „Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde“.  552 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 79.  553 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 66.  554 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 66 f.  555 Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 139.  556 Nationaler Ethikrat PID, S. 49. 557 Kant kritisiert die Ontologie als eine Disziplin, die ihren „stolzen Namen“ zu Unrecht trage und „sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doktrin zu geben“, während doch „der Verstand a priori niemals mehr leisten könne, als die Form einer möglichen Erfahrung überhaupt zu antizipieren“. 

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Lebensbedingungen des einzelnen Menschen zugunsten einer auf die Menschheit als Gattung bezogenen Perspektive abstrahiert werde558. Zu kritisieren ist, dass die Anerkennung des hohen Wertes sittlicher Eigenverantwortung und die darauf gegründete Würde keinen zuverlässigen Maßstab liefern559, um die Grenzen staatlicher Zumutung für die Selbstbestimmung des Einzelnen zu bestimmen560. (kk) Stellungnahme Die Betrachtung der verschiedenen Theorien zum Menschenwürdeschutz zeigt, dass mit ihnen eine Erstreckung auf das pränidative, frühembryonale Leben oftmals nicht zu vereinbaren ist561. Insbesondere gilt dies für solche Ansätze, die Würde als Fähigkeit zu gelingender Selbstdarstellung, als eine von Menschen im Verhältnis untereinander zu erbringende Leistung, begreifen (z. B. Niklas Luhmann), weil dazu nur Geborene fähig sind. Ebenso verhält es sich, wenn man den Menschenwürdegedanken in der mitmenschlichen Solidarität einer konkreten Anerkennungsgemeinschaft verankert (Hasso Hofmann). Ähnliches gilt für die Theorie nach Habermas, der Menschenwürde als etwas einstuft, das man nicht von Natur aus besitzt, sondern das sich erst in interpersonalen Beziehungen reziproker Anerkennung konstituiert, sodass mit der Geburt der Akt einer Aufnahme in die intersubjektiv geteilte Lebenswelt erfolgt562. Anders als bei dem Kriterium „Leben“, das bei Art. 2 II S. 1 GG relevant war, handelt es sich bei dem Würdebegriff aus Art.  1 I S.  1 GG nicht um einen naturwissenschaftlich analysierbaren Sachverhalt, sondern um einen normativen, geschichts- und kulturbezogenen Zuschreibungsbegriff, der ohne einen religiösen oder weltanschaulich-philosophischen Standpunkt nicht ausgefüllt werden kann563. Allen dargestellten Menschenwürde-Theorien gemeinsam ist die Betonung der Doppelstellung: Menschenwürde als gegenseitiges Versprechen und damit als Ausprägung des Gesellschaftsvertrages und des Gedankens der Gleichheit sowie 558

Vgl. Bayertz in: ARSP 199, 465 (468, 471); Scheler, S. 372, Anm. 3.  Hierzu Dreier, in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 13; Luf, in: FS Wolff 1998, 307 (312); Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 12. 560 Kritisch zum materiellen Gehalt der Kantschen Objektformel schon Schopenhauer/Toman, S. 510: „Aber dieser von allen Kantianern so unermüdlich nachgesprochene Satz, ‚man dürfe den Menschen immer nur als Zweck, nie als Mittel behandeln‘, ist zwar ein bedeutend klingender und daher für alle die, welche gern eine Formel haben mögen, die sie alles fernen Denkens überhebt, überaus geeigneter Satz; aber beim Lichte betrachtet ist es ein höchst vager, unbestimmter, seine Absicht ganz indirekt erreichender Ausspruch, der für jeden Fall seiner Anwendung erst besonderer Erklärung, Bestimmung und Modifikation bedarf, so allgemein genommen aber ungenügend, wenig sagend und noch dazu problematisch ist“.  561 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (68). 562 So auch Nationaler Ethikrat, 2004, Klonen, Position B, S. 63 (S. 68 f.). 563 Denninger in: KritV 2003, 191 (203); vgl. Schmidt-Jortzig, S. 18. 559

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Menschenwürde auf den Menschen rein als Individuum bezogen und damit dem Bereich der vorgesetzlichen Freiheit zugeordnet564. Kennzeichnend für den Menschenwürdebegriff ist somit seine Mehrdimensionalität. Deshalb sollte auf eine Interpretation abgestellt werden, die einerseits das Menschenwürdeprinzip im Zusammenhang mit einer ideen- und entstehungsgeschichtlichen Entwicklung versteht und andererseits offen für das gegenwärtige Menschenwürdeverständnis ist565. Die Menschenwürdegarantie achtet den Eigenwert des Menschen gegenüber den Zumutungen von Staat und Gesellschaft566. Innerhalb dieses Rahmens können jedoch aktuelle Wertungen, Gewichtungen und Verständnisse einfließen, sodass Menschenwürde nicht nur einen Begriff der Mehrdimensionalität darstellt, sondern auch einen Konsensbegriff der jeweiligen Generation567. Vor diesem Hintergrund ist im Grundsatz von einem Kantschen Würdeverständnis auszugehen, zumal die Prägung durch seine Philosophie und die historischen Erfahrungen der massiven Menschenverachtung in der nationalsozialistischen Zeit dazu geführt haben, dass eine Differenzierung zwischen „Mensch“ und „Person“ nicht in Betracht kommt568. Die an Kant angelehnte Objektformel bildet den geeigneten Rahmen für eine inhaltliche Ausfüllung des komplexen Menschenwürdebegriffes. (3) Reichweite von Menschenwürde und Unantastbarkeitsklausel Problematisch im Zusammenhang mit dem Inhalt der Menschenwürdegarantie, die nach Art. 1 I S. 1 GG „unantastbar“ ist, und der Feststellung einer Verletzung ist insbesondere die Frage, ob die Garantie der Menschenwürde jeder Abwägung entzogen bleibt, sodass eine Abwägung kollidierender Verfassungsgüter von vornherein nicht statthaft ist, wenn auf der einen Seite der Waagschale die Menschenwürde zu verorten ist569. Nach einem universalistischen Verständnis gilt die Menschenwürde als unantastbar in dem Sinne, dass sie jeder konkreten Abwägung entzogen bleibt, während sie nach anderen Interpretationsansätzen mit der Würde anderer Menschen durchaus abgewogen werden kann. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, nach der Entwicklungsstufe menschlicher Wesen zu differenzieren.

564

Hetz, S. 148. Hetz, S. 148. 566 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 1. 567 Hetz, S. 149 mit der Warnung, dies nicht dahingehend misszuverstehen, dass die Anwendung der Menschenwürdegarantie nur auf Fälle des Konsens begrenzt sein solle; Menschenwürde als „Konsensbegriff“ entspreche der restriktiven Handhabung der Menschenwürdegarantie, womit einer inhaltlichen Aufweichung entgegengewirkt werden solle (Hetz, S. 149, FN 129). 568 Vgl. zur Entwicklung des juristischen Personenbegriffs Stern, Staatsrecht III/1, § 58 I 3. 569 Vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 12; Herdegen in: JZ 2001, 773 m. w. N. 565

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

293

(a) Universalistisches Menschenwürdeverständnis Die Inanspruchnahme für Zwecke anderer  – wie die wissenschaftliche Forschung – stellt nach verbreiteter Auffassung eine Instrumentalisierung eines Embryos und damit einen Menschenwürdeverstoß nach der Objektformel dar. Zudem könne menschliches Leben nicht gegeneinander abgewogen werden mit der Folge, dass auch die mit der Forschung verfolgten Ziele keine Bedeutung haben könnten570. Weil die Menschenwürde einen unantastbaren Höchstwert darstellt, könnten ihr gegenüber keine therapeutischen Ziele in die Waagschale geworfen werden: Die Menschenwürde sei einer Abwägung nicht zugänglich571. Schließlich heilige der Zweck nicht die Mittel572. Eine rechtswidrige Beeinträchtigung, also Verletzung der Menschenwürde, könne ohne Weiteres aus der Maßnahme selbst folgen, ohne Rücksicht auf den für sich genommen möglicherweise völlig legitimen unmittelbaren oder mittelbaren Zweck573. Gefährlich sei zudem, dass die Frage der Würdeverletzung in das Belieben des Rechtsanwenders gestellt wird. Ferner sei sehr problematisch, das „solidarische Potenzial bis zum Äußersten und Letzten“ als Ausdruck menschlicher Würde zwangsweise zu realisieren574. Weiterhin wird argumentiert, durch das Verdikt des Abwägungsverbots, das aus Art. 1 I S. 1 GG gelesen wird, werde die Menschenwürde zu einer „absoluten Grenze für Wissenschaft und Forschung“, die nicht einmal zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stehe575. Die Unantastbarkeitsklausel dürfe keinesfalls umgangen werden576. (b) Gesamtabwägung zur Feststellung einer Verletzung der Menschenwürde Ungeklärt lässt die dargestellte Argumentationslinie allerdings, ob die in Frage stehende Forschung an Embryonen tatsächlich eine Verletzung der Menschenwürde darstellt577. Es trifft zu, dass die Menschenwürde nicht anderen Belangen gegenübergestellt und nicht mit ihnen „abgewogen“ werden kann578. Demgegenüber beruht die Feststellung einer Verletzung der Menschenwürde sehr wohl auf einer Gesamtabwägung579. Im Rahmen dieser Abwägung darf Lebensschutz nicht mit Menschenwürdeschutz gleichgesetzt werden, was schon die Tatsache belegt,

570

Zum Folgenden: Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 572 Zum Folgenden: Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 573 Dederer in: JZ 2003, 986 (988); vgl. auch Dietlein in: NWVBl. 2002, 453 (455). 574 Middel, S. 239. 575 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 12. 576 Vgl. Middel, S. 240. 577 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 578 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 12; Herdegen in: JZ 2001, 773 m. w. N. 579 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 571

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

dass das Recht auf Leben neben dem Schutz der Menschenwürde genannt wird580. Da der Lebensschutz unter einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt steht, kann und soll er vom Gesetzgeber ausgestaltet werden; das Leben ist folglich durchaus „abwägungsfähig“. Selbst die bewusste Tötung eines Menschen kann – worauf die Literatur immer wieder hinweist – erst dann am Schutzbereich des Art. 1 I S. 1 GG gemessen werden, wenn besondere Begleitumstände bei der Tötung vorliegen581. Schon die Existenz des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr zeigt auf, dass dem Ziel der in Frage stehenden Handlung besondere Bedeutung beizumessen ist. Notwehr kann nicht nur gegenüber demjenigen geübt werden, der eigenverantwortlich handelt, sondern auch gegenüber einem schuldlos Handelnden582. Dies setzt jedoch voraus, dass die Gefahr auch von demjenigen ausgeht, gegenüber dem Notwehr oder Nothilfe geübt wird: Es gibt keine Drittwirkung der Notwehr. Insofern unterscheidet sich die Embryonenforschung von Notwehr- oder Nothilfehandlungen583. Die Regelungen zur Abtreibung zeigen jedoch, dass das ungeborene Leben, um das es bei der Embryonenforschung geht, nicht nur zugunsten des konkret bedrohten Lebens eines anderen Menschen geopfert wird, sondern auch zugunsten anderer Rechtsgüter584. Während es bei der Abtreibung um eine konkrete Konfliktsituation der Frau und ihr Selbstbestimmungsrecht geht, wird Embryonenforschung zum potenziellen Wohl der Menschheit durchgeführt585. Jegliche Embryonenforschung zu verbieten, begründet einen Wertungswiderspruch mit der rechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, mit welcher der Staat ein Recht auf Tötung anerkannt hat586. Ferner findet die Abtreibung im Vergleich zur Embryonenforschung in einem sehr viel späteren Entwicklungsstadium statt und wird keineswegs nur beim Vorliegen bestimmter Gründe und Motive der Frau hingenommen587. Eine Verletzung der Menschenwürde muss sich schließlich mit einer gewissen Evidenz zeigen, um zu verhindern, dass Art. 1 I S. 1 GG der politischen Dezision und der parlamentarischen Abwägung zu wenig Raum lässt. Ohne eine Gesamtschau, welche auch die Finalität und die sozialen Zusammenhänge mit einbezieht, erwiese sich auch die „beliebte Formel“ von der „Instrumentalisierung des Menschen“ als Test für die Würdeverletzung nur als „leere Hülse“588.

580

Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 60; Dreier in: Dreier GG, Art. 1, Rn. 48; Herdegen in: JZ 2001, 773 (775). 582 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 583 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 584 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 585 Kritisch zur Vergleichbarkeit beider Konstellationen Günther in: MedR 1990, 161 (164). 586 Beckmann in: ZRP 1987, 80 (85). 587 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 588 Herdegen in: GS Heinze, 357 (364); Herdegen in: JZ 2001, 773 (774). 581

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

295

(c) Herausfordernde Dimension der Menschenwürde Die Bezugnahme auf die Menschenwürde darf nicht zu einem – wie es ­Taupitz589 drastisch formuliert – „Totschlagsargument“ werden mit dem Tenor: „Wer sich auf die Menschenwürde beruft, ist einer weiteren Begründung offenbar enthoben“590. Die Menschenwürde würde damit auf ein reines Abwehrrecht reduziert und ein Verweis auf die Menschenwürde als hinreichend für die Forderung nach einem gesetzlichen Verbot bestimmter medizinischer (Forschungs-)Maßnahmen erachtet591. Die Menschenwürdegarantie beinhaltet richtigerweise ebenso eine herausfordernde Dimension: Auch ein Unterlassen von Hilfe und der Verhinderung von gegenwärtigem und zukünftigem Leid kann eine Verletzung der Menschenwürde darstellen592. Schließlich bedeutet Forschung stets zugleich die Wahrnehmung der Verantwortung für zukünftige Generationen593, sodass Handeln und Unterlassen im Lichte dieser Verantwortung bewertet und Risiken und Chancen verantwortungsvoll abgewogen werden müssen594. Hinzu kommt, dass die Menschen heute davon profitieren, dass frühere Generationen trotz vorhandener Bedenken das Betreten medizinischen Neulands nicht verboten haben595. Der Rechtsbegriff der Menschenwürde ist – aus beiden Blickwinkeln – nicht statisch konzipiert596. Vielmehr definiert und entwickelt er sich dynamisch mit den gesellschaftlichen Wertvorstellungen, welche ebenfalls einem ständigen Wandel der Zeit unterliegen. Deshalb verzichten bezeichnenderweise alle nationalen und internationalen Regelwerke, welche die Menschenwürde als eine Legitimation, grundsätzliches Bekenntnis und Regelungsziel bewerten, auf eine inhaltliche Festlegung597. Auch in der kirchlichen Tradition hat es bedeutsame Wandlungen zur Frage von Beginn und Ausmaß des Menschenwürdeschutzes gegeben598. Hinzu kommt, dass auch das Bundesverfassungsgericht keine positive Bestimmung des Menschenwürdebegriffs vorgenommen, also nicht festgelegt hat, was alles von ihr umfasst ist und somit „dem Menschenbild entspricht“. Denn eine positive Bestimmung würde zu einer schleichenden Versteinerung führen, weil mit der Zeit immer mehr in die Menschenwürde hineininterpretiert und damit fixiert werden

589 Taupitz. Biomedizinische Forschung, S.  27; Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin, 409 (469); Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113); Taupitz in: Kreß/Racké, 17 (24 f.); Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3436). 590 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 27. 591 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 56. 592 Ipsen, JZ 2001, 989 (996) für die zu Heilungszwecken dienende Stammzellforschung. 593 Vgl. zur Folgenverantwortung der Wissenschaft Losch, S.  95, S.  254; Perniece in: Dreier GG, Art. 5 III (Wissenschaft), Rn. 32. 594 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3436). 595 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 27. 596 BVerfGE 45, 187 (228); 96, 375 (399); vgl. auch Benda in: NJW 2001, 2147, 2148. 597 Taupitz. Biomedizinische Forschung, S. 28. 598 Honecker, Zeitzeichen 2, 2001, 7, 8 (10).

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könnte599. Stattdessen ist vom Bundesverfassungsgericht nur einzelfall­bezogen und damit situativ entschieden worden, ob eine bestimmte Maßnahme oder Handlung in concreto gegen die Menschenwürde verstößt. Demzufolge existieren keine A-priori-Antworten auf neue Sachverhalte, sondern müssen Fragen jedes Mal aufs Neue auf dem Boden der aktuell geltenden Auffassungen beurteilt werden600. Aus eben diesem Grund sagt das BVerfG, dass „allgemeine Formeln wie die, der Mensch dürfe nicht zum bloßen Objekt der Staatsgewalt herabgewürdigt werden“, nur „die Richtung andeuten, in der Fälle der Verletzung der Menschenwürde gefunden werden können“601. Hinzu kommen muss, dass der Mensch einer „verächtlichen Behandlung ausgesetzt wird und dabei zum Objekt gemacht wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt, oder dass in der Behandlung im konkreten Fall eine willkürliche Missachtung der Menschenwürde liegt“602. Schlüsselbegriffe in der Diskussion um die Menschenwürde sind damit das Absprechen der Subjektqualität in prinzipieller Hinsicht und das Willkürverbot. Deren Feststellung läuft zwangsläufig auf eine Abwägung hinaus sowie die Suche nach einer Rechtfertigung der fraglichen Maßnahme, wobei damit auch die Ziele der Handlung relevant werden603. (d) Willkürverbot Im Hinblick auf das Willkürverbot und seine Konkretisierung in Art. 3 I GG ist zu berücksichtigen, dass vergleichbare Sachverhalte ohne hinreichenden Grund nicht ungleich behandelt werden dürfen604. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass von Rechts wegen nur dort eine Zäsur gemacht werden darf, wo ein entscheidender Unterschied besteht. Weicht hingegen der zweite Schritt kaum vom ersten ab, darf der Gesetzgeber nicht willkürlich einen zweiten Schritt verbieten, wenn er einmal den ersten Schritt zugelassen hat und dies auch nicht rückgängig machen will605. Der vermeintlich erste Schritt muss sorgfältig im Hinblick darauf geprüft werden, ob er tatsächlich den ersten Schritt darstellt606. Diesbezüglich ist das „Argument der schiefen Ebene“ zu kritisieren, welches immer wieder bemüht wird und besagt, dass dem ersten Schritt unaufhaltsam der zweite und darauf der dritte und vierte folgen werde. Vielmehr muss jeder Schritt der technologischen oder medizinischen Entwicklung am vorherigen Schritt gemessen 599 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 40 zu Versuchen in der Literatur, die Menschenwürde positiv zu bestimmen. 600 Taupitz. Biomedizinische Forschung, S. 28. 601 BVerfGE 30, 1 (25). 602 BVerfGE 30, 1 (25). 603 Taupitz. Biomedizinische Forschung, S. 28. 604 Vgl. Ipsen in: JZ 2001, 989 (994) zur verfassungsrechtlichen Bindung des Gesetzgebers im Hinblick auf die Wertungskonsistenz. 605 Taupitz. Biomedizinische Forschung, S. 28. 606 Taupitz. Biomedizinische Forschung, S. 28.

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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werden, sodass die Argumentationsweise insoweit „rückwärtsgewandt“ ist, als bisherige Argumente oder Regeln, die zur Lösung von in der Vergangenheit aufgetretenen Fragen und Konflikten herangezogen wurden, auf die neue Problematik angewendet und dabei nötigenfalls modifiziert und verfeinert werden müssen607. Der Rechtsordnung kommt dabei eine retardierende Funktion zu, weil neue Sachverhalte an bisherigen Lösungen zu messen sind und neuen Entwicklungen nicht leichtfertig und gedankenlos gefolgt werden darf. Stattdessen muss ein Abwägungsvorgang einsetzen, der die zu erwartenden unmittelbaren und mittelbaren Folgen in positiver und negativer Hinsicht einbezieht608. Insofern existiert auch auf Seiten der Wissenschaft eine Begründungspflicht für ihr Tun und Unterlassen, da die Gesellschaft nur auf Basis zutreffender und umfassender Informationen verantwortliche Entscheidungen treffen kann. Denn in einer auf Freiheit beruhenden Gesellschaft bedürften Einschränkungen dieser Freiheit der Begründung, welche nicht nur in einem Verweis auf das Neue oder in einer Verwendung von Schlagworten wie einem undifferenzierten Verweis auf die Menschenwürde bestehen kann609. Auch die Möglichkeit, Freiheit zu missbrauchen, rechtfertigt allein keine Freiheitseinschränkung610. Damit beruht die juristische Argumentation um die Menschenwürde auf einem Vergleich verschiedener Sachverhalte, dem Bemühen um Konsistenz innerhalb der Rechtsordnung und auf der Notwendigkeit, willkürliche Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Unabhängig von dem – dogmatischen – Streit, ob die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 I S. 1 GG überhaupt ein eigenständiges Grundrecht beinhaltet oder lediglich als „verfassungsrechtliches Prinzip“ die Wirkkraft anderer Grundrechte verstärkt611 oder nur proklamatischen Charakter hat612, kommt der Menschenwürde nicht die Stellung als „Totschlagsargument“ zu613. Dass die Menschenwürde anderen Belangen nicht gegenübergestellt und nicht abgewogen werden kann, steht diesem Ergebnis entgegen gängiger Argumentation nicht entgegen614. Vielmehr ist es so, dass das Verdikt der Menschenwürdeverletzung auf einer Gesamtabwägung beruht, mit der Folge, dass erst nach einer verfassungsrechtlichen Gesamtbewertung die Aussage getroffen werden kann, ob eine bestimmte Maßnahme die Menschenwürde verletzt615. Nicht bei der Frage der Rechtswidrigkeit einer bestimmten Handlung, welche die Menschenwürde verletzt, bedarf es eines hohen Argumentationsaufwandes, sondern bei der vorgelagerten Frage, ob tatsächlich eine Menschenwürdeverletzung vorliegt616. 607

Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3436). Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3436). 609 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3436). 610 BVerfGE 30, 1 (27) = NJW 1971, 275 zum Missbrauch einer gesetzlichen Regelung. 611 Ipsen in: JZ 2001, 989 (990): Herdegen in: JZ 2001, 773 (774); Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1, Rn. 3; Taupitz in: JZ 1992, 1089 (1089). 612 Geddert-Steinacher, S. 164. 613 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 30. 614 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1 I, Rn. 12; Herdegen in: JZ 2001, 773 (773) m. w. N. 615 Höfling in: Sachs GG, Art. 1 I, Rn. 16. 616 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 29. 608

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Festzuhalten bleibt, dass das Leben abwägungsfähig ist, die Menschenwürde hingegen nicht. Allerdings beruht die Feststellung einer Verletzung der in Art. 1 I S. 1 GG garantierten Menschenwürde auf einer Gesamtabwägung. Da die Würde selbst keinerlei Abwägung zugänglich ist, kommt der Frage, welche Wesen dem Schutz des Art. 1 I S. 1 GG unterstehen – sei es als Grundrechtsträger oder auch als Bezugspunkt des objektiven Schutzgehaltes  –, eine besonders hohe Bedeutung zu. (4) Würdeschutz humaner Embryonen in vivo (Art. 1 I S. 1 GG) Im Folgenden soll ein Blick auf den Meinungsstand zum Würdeschutz von Lebewesen frühester Entwicklungsstufen geworfen werden. Die Frage nach dem pränatalen Würdeschutz muss schon deshalb scharf von Beginn und Ausmaß des grundrechtlichen Lebensschutzes getrennt werden, weil Art.  1 I  GG nicht von „Jeder“ spricht wie Art. 2 II S. 1 GG und auch nicht von der Würde „menschlichen Lebens“, sondern von der Würde „des Menschen“617. Es handelt sich hier nicht um einen biologischen Begriff, sondern um einen normativen. Hinzu kommt, dass die Zuerkennung von Würde aufgrund deren Unantastbarkeit weiterreichende Konsequenzen hat als „bloßer“ Lebensschutz aus dem einfach-gesetzlich beschränk­ baren Art. 2 II GG. Fraglich ist, ob ein Embryo als „Mensch“ im Sinne des Art. 1 I S. 1 GG zu qualifizieren ist. Bereits der Würdeschutz natürlich gezeugter menschlicher Embryonen in vivo ist heftig umstritten. (a) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch wurde bereits ausführlich dargelegt618, sodass sich die Erörterung hier auf eine Zusammenfassung der Passagen beschränken kann, die sich explizit mit dem Aspekt der Menschenwürde befassen. In beiden Entscheidungen zur Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch619 wurde auch der Würdeschutz des Embryos offengelassen, aber für das vorgeburtliche Leben bereits ab Beginn der Schwangerschaft mit der Feststellung „Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu“620 ein weit angelegtes Schutzkonzept entwickelt621. Das Vorhandensein menschlichen Lebens ist demnach für den Schutz des Art. 1 I S. 1 GG

617

Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 61. Vgl. Teil 4: A. I. 3. a) aa) (1) (b). 619 BVerfGE 39, 1 f.; BVerfGE 88, 203 f. 620 BVerfGE 88, 203 (251 f.). 621 Vgl. zum Folgenden Middel, S. 220. 618

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

299

ausreichend. Zudem führt das Gericht aus: „Das sich entwickelnde Leben nimmt auch an dem Schutz teil, den Art. 1 I S. 1 GG der Menschenwürde gewährt.“ Und „diese Würde des Menschseins liegt auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen.“622 Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die potenziellen Fähigkeiten, die von Anfang an im menschlichen Sein angelegt sind, zur Begründung der Menschenwürde genügten623. Da die Würde des Menschseins auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen liegt, verböten sich jegliche Differenzierungen der Schutzverpflichtungen im Hinblick auf Alter und Entwicklungsstand dieses Lebens oder die Bereitschaft der Frau, es weiter in sich leben zu lassen624. Wann genau der Zeitpunkt des Lebensbeginns anzusiedeln ist, beantwortet das Gericht allerdings nicht, sondern statuiert nur, dass es „jedenfalls vom 14. Tag nach der Empfängnis (Nidation, Individuation) an“ besteht625. Von der Nidation an sei das Ungeborene ein individuelles, in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit festgelegtes, nicht mehr teilbares Leben, das sich im Prozess des Wachsens und Entfaltens nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch entwickle626. Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um ein obiter dictum 627. Ob der Embryo Grundrechtsträger ist, wird auch im Hinblick auf Art. 1 I S. 1 GG ausdrücklich offengelassen628. (b) Die Aussagen der Literatur In der Literatur reicht das Meinungsbild von der strengen Negierung eigener Würdehaftigkeit von Embryonen über einen gestuften, entwicklungsabhängigen Würdeschutz bis hin zu einem vollen und abwägungsfreien Würdeanspruch629.

622

BVerfGE 88, 203 (252). BVerfGE 39, 1 (40). 624 BVerfGE 88, 203 (267); anders die abweichende Meinung der Richter Rupp-von Brünnneck und Sommer. 625 BVerfGE 39, 1 (37) mit Hinweis auf Hinrichsen, Sonderausschuss für die Strafrechts­ reform, 6. WP, 74. Sitzung, Sten. Ber. S. 2142 f. 626 BVerfGE 1, 39 (41). 627 Vgl. Middel, S.  220. Ein „Obiter dictum“, lateinisch für „nebenbei Gesagtes“, ist eine in einer Gerichtsentscheidung geäußerte Rechtsansicht, die nicht entscheidungserheblich ist, sondern nur geäußert wurde, weil sich die Gelegenheit hierzu bot. 628 So auch Kopernock, S. 109; Ipsen in: JZ 2001, 989 (992); Fink in: Jura 2000, 210 (213); Kunig in: Jura 1991, 415 (417); demgegenüber behaupten Geiger/von Lampe in: Jura 1994, 20 (21), das BVerfG bejahe die Grundrechtsträgerschaft; in Bezug auf Art. 1 I S. 1 GG auch Dreier in: DÖV 1995, 1036 (1037). 629 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 60. 623

300

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(aa) Voller, nicht abstufbarer Würdeschutz spätestens ab Fertilisation Im Verfassungsrecht wird eine Differenzierung bzw. Abstufung des Schutzes von großen Teilen der Literatur mit der Begründung abgelehnt, dass die Menschen­ würde unteilbar sei und deshalb jedem ihrer Subjekte gleichermaßen zukommen müsse, unbesehen irgendwelcher individueller Eigenschaften, weil das Merkmal „unantastbar“ jedwede Relativierung des Schutzgutes verbiete630. Einige betrachten die Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung als alleinige Voraussetzung für die unmittelbare Zuordnung zum Schutzbereich des Art. 1 I S. 1 GG631. Nach der SKIP-Theorie stellt das Menschsein, also die Existenz eines leibhaften Individuums, das einzige Zuschreibungskriterium dar; Subjektqualität und Substanzialität bildeten eine untrennbare Einheit632. Demzufolge sei auch der ungeborene Mensch als – werdende – Person zu qualifizieren, sodass ihm die gleiche uneingeschränkte Menschenwürde zustehe wie dem geborenen Menschen633. Andere Stimmen sehen den Grund für die Würde des Menschen nicht in der bloßen Zugehörigkeit zu einer bestimmten biologischen Spezies, sondern in der Tatsache, dass es zum Wesen eines Mitglieds dieser Spezies gehöre, „sittliches Subjekt“, also Subjekt selbst gesetzter und zu verantwortender Zwecke, oder, anders gesagt, Person zu sein634. Kirchof meint, dass für den Fall, dass der Gedanke der Menschenzüchtung, der Klonierung und der manipulativen Erzeugung einer neuen Spezies rechtliche Bedeutung gewinnen sollte, sich der Menschenwürdeschutz um der Menschen willen bereits vor der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle als kategorisches Verbot bewähren müsste635. (bb) Voller Würdeschutz ab einem späteren Zeitpunkt Demgegenüber billigen andere dem Embryo erst ab einem bestimmten Zeitpunkt nach der Befruchtung den Würdeschutz des Art. 1 I S. 1 GG zu. Vor diesem 630

Kersten, S. 488, 542, 606, 608; Zunke, S. 107; Böckenförde in: JZ 2003, 809 (811); Böckenförde-Wunderlich in: ZME 2003, 397 (402, 405); Böckenförde-Wunderlich, S. 162, 206; Fraling in: ZME 2003, 137 (142, 146); Koenig et al., GA ERZ, Kom.-Drs. 15/48. S. XXIV, 157, 178, 188; Beckmann in: ZRP 2003, 97 (101); Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 52; Nationaler Ethikrat PID, Minderheitsvotum 2.4.; Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.2.1; Deutscher Ethikrat 2011, S. 37; Hillgruber in: FS Link, 637; Taboada in: Schweidler, S. 129 (147); Graf, S. 253; Starck in: JZ 2002, 1065; Dietlein in: NWVBl. 2002, 453 ff.; Sackowsky, S. 48; Isensee in: H/H/I/K, 37 (62, 67); Isensee in: FS Hollerbach, 243 (253); BT-Drs. 14/7546, 2.1.4; Laufs, BMG, S. 204; Althaus in: Beckmann/Löhr, 273 (274). 631 Iliadou, S. 125. 632 Baumgartner et. al., S. 215, 167, 240; Zunke, S. 127. 633 Böckenförde in: JZ 2003, 809 (810); Beckmann in: ZRP 2003, 97 (191); Nationaler Ethikrat PID, Minderheitsvotum 2.4.; Rager in: Körtner/Kopetzki, 133 (144); Eibach in: Oduncu, 170 (179); Isensee in: H/H/I/K, S. 37 (62, 72). 634 Baumgartner et. al., S. 161, (215); Honnefelder in: Damschen/Schönecker, S. 61 (64). 635 Kirchhof in: H/H/I/K, 9 (23).

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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Zeitpunkt sei dieser nicht oder nur in sehr geringem Maße schutzwürdig, wobei Schutz meistens nur aus ethisch-moralischen Gründen gewährt oder ganz allgemein von der „Würde der Gattung“ gesprochen wird636. Über den genauen Zeitpunkt des Beginns verfassungsrechtlichen Würdeschutzes besteht keine Einigkeit. (α) Nidation Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Nidation bilde den maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn des Menschseins und des Würdeschutzes637. Zuvor stehe dem Embryo nur ein relativer Schutz zu638. Denn die Implantation in eine Gebärmutter begründe einen wesentlichen Einschnitt in der Entwicklung des Embryos639, an den das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Abtreibungsproblematik zu Recht Menschenwürde- und Lebensschutz geknüpft habe640. Dederer begründet die Nidation als entscheidenden Zeitpunkt damit, dass sich der Embryo ab diesem Moment nicht „zum Menschen“, sondern „als Mensch“ entwickle641. Die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 I S. 1 GG beziehe sich auf den geborenen Menschen als „Normalfall“ und knüpfe an das Menschsein des geborenen Menschen als emergenten (auf der Grundlage des organischen erst noch zum Vorschein kommenden), personalen Tatbestand an642. Dabei argumentiert Dederer mit einer „Brückenkonstruktion“: Zunächst erstrecke sich der Schutz des Art. 1 I S. 1 GG nur auf den geborenen Menschen, was Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Norm zeigten, jedoch könne über die „Brücke“ der Nidation nach dem natürlichen Verlauf der „Entwicklung als Mensch“ eine Rückerstreckung auf den menschlichen Embryo ab der Nidation vorgenommen werden. Denn ab der Nidation stelle die Leibesfrucht nicht ein Aliud zum geborenen Menschen dar, sondern ein und dasselbe identische Individuum643. Argumentiert wird dabei mit dem Kriterium des „nicht mehr teilbaren Lebens“. Ab der Nidation ist der Embryo nach Auffassung Dederers wegen der Identität zum später geborenen Menschen Grundrechtsträger der (vollen) Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG644.

636

Vgl. Middel, S. 223. Klopfer, S. 73 f., 103; Dederer in: JZ 2003, 986 (988); Dederer in: AöR 2002, 1 (6 f.); Dressler, S. 86, 180, welche aber nicht deutlich zwischen Nidation und Individuation trennt; Schmidt-Jortzig, S. 33. 638 Knoepffler in: Schweidler et al., 243 (250, 253). 639 Vgl. Teil 2: A. IV., Teil 4: A. I. 3. a) c) bb) γ). 640 Benda in: NJW 2001, 2147 (2148), der davon ausgeht, dass der vom Grundgesetz geforderte Schutz menschlichen Lebens nicht losgelöst von den Erkenntnissen der Fachwissenschaften geschehen kann. 641 Dederer in: AöR 2002, 1 f. 642 Dederer in: AöR 2002, 1 (13 f., 25). 643 Dederer in: AöR 2002, 1 (10). 644 Dederer in: AöR 2002, 1 (10). 637

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(β) Individuation Andere stellen auf die Individuation als Startpunkt des Menschenwürdeschutzes aus Art. 1 I S. 1 GG ab und begründen dies insbesondere damit, dass ab diesem Zeitpunkt die Bildung eineiiger Zwillinge ausgeschlossen ist645 und damit genetische Individualität und „Einzigartigkeit“ des Menschen vorliege646. (γ) Ausdifferenzierung des Gehirns Vereinzelt werden auch spätere Entwicklungsstadien des eingenisteten Embryos bzw. Foetus für den Beginn des Würdeschutzes angeführt647. So sehen einige Autoren in der Ausdifferenzierung des Gehirns den entscheidenden Anknüpfungspunkt für das Zuschreiben von Menschenwürde, weil dieses die physiologische Grundlage der psychologischen Kontinuität sei und diese Tatsache dafür spreche, den Beginn der Konstitution individueller personaler Identität zu diesem Zeitpunkt anzusetzen648. Die Zuerkennung menschlicher Würde sei – anders als beim Lebensrecht – vor diesem Zeitpunkt nicht plausibel zu begründen, weil IchBewusstsein, Selbstbestimmungsfähigkeit und Vernunft die gedankliche Grundlage der Menschenwürdekonzeption bildeten649. Nach einer anderen, ähnlichen Ansicht steht dem Embryo erst vom 57. Tag nach der Befruchtung ab Messbarkeit der Hirnströme rechtlicher Schutz sowie volle ethische Solidarität und Achtung zu, wobei im Wesentlichen auf eine Parallele zur Hirntodkonzeption rekurriert wird: Sowohl dem Hirntoten als auch dem Embryo vor der Nidation gebühre Respekt und ein verantwortlicher Umgang, beiden könne jedoch nicht die Menschenwürde des Art. 1 I S. 1 GG zugesprochen werden650.

645

Vgl. Middel, S. 237. Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 647 Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 36. 648 Vgl. Middel, S. 224. 649 Heun in: JZ 2002, 517 (522). 650 Sass in: Sass, S. 160 (171 f.); Schmidt, S. 89; ähnlich Hoyer in: FS Rolinski, 81 (89); der sich an § 3 II TPG anlehnt und daraus folgert, menschliches Leben komme erst mit Entstehen jedenfalls eines der dort genannten Hirnteile zustande, also nach der vierten Schwangerschaftswoche; demgegenüber sei das frühembryonale Dasein nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern (nur) deshalb, weil es auf menschliches Leben gerichtet sei; anders jedoch Sass in: Schweidler et al., 93 (105), wo er zwar den Beginn der Hirntätigkeit noch als maßgeblichen Zeitpunkt betrachtet, sich jedoch für eine Gewissenslösung ausspricht, in Form einer ordnungspolitischen Regelung, die es den Bürgern erlaubt, aus der Uniformität einer generell geltenden heteronomen Formel auszubrechen, wenn sie es wollen. 646

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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(cc) Vollständige Negierung eines pränatalen Würdeschutzes Zudem existieren Argumentationen, nach denen der Menschenwürdeschutz aus Art. 1 I S. 1 GG pränatalem Leben vollständig abgesprochen wird. (α) Geburt Einige Literaten beziehen die Menschenwürdegarantie aus Art.  1 I S.  1 GG nur auf den geborenen Menschen und lehnen jede Vorwirkung auf die vorgeburtliche Phase ab651. So werden bloße Potenzialitäten, wie sie schon Ei- und Samenzellen vor Verschmelzung und möglicherweise zur Totipotenz reprogrammierbaren Stammzellen eigen sind, nicht als ausreichende Bedingungen würdehaften Menschseins erachtet. Totipotenz sei nicht schlicht mit Würdehaftigkeit gleichzusetzen652. Bezüglich des ungeborenen Lebens wird somit für eine Verlagerung des Schutzes von Art. 1 I S. 1 GG auf Art. 2 II S. 1 GG plädiert653, sodass Embryonen nur dem Lebensschutz aus Art. 2 II S. 1 GG unterfallen654. (β) Qualifikation als Person (Nichtäquivalenz-Theorie)  Andere Stimmen stellen bei der Beurteilung der Frage, ob einem Wesen der Schutz der Menschenwürdegarantie zukommt, auf eine Trennung von Mensch und Person ab (Nicht-Äquivalenztheorie)655 und sprechen Menschenwürde nur Per­sonen zu. Da nicht jeder Mensch auch zugleich als Person zu qualifizieren sei, stehe die Menschenwürde auch nicht allen Menschen zu. Wer Person ist, hänge wiederum von bestimmten Interessen und Eigenschaften ab. Das Kriterium der Menschenwürde lasse sich nicht auf Embryonen ausweiten, weil die Selbstachtung eines menschlichen Embryos nicht beschädigt werden könne. Einige fordern für Embryonen in der frühen Phase ihrer Entwicklung einen im Verhältnis zu dem Respekt vor der menschlichen (geborenen) Person stark reduzierten Schutzan-

651 Hoerster, S. 128 f., insbesondere S. 139 f.; Dreier in: Dreier/Huber, 9 (41 f.); Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 64, 66, 82; Gerhardt, S. 117, 122, 132, 140, 142, 145, 160; Birnbacher in: Leist, 266 (270): Maßgeblich für den Beginn der individuellen Menschenwürde sei die Durchtrennung der Nabelschnur; vgl. auch Braun, S. 59 f., die ausführt, dass zumindest in der klassischen Konzeption der Menschenrechte das Geborensein nicht nur eine hinreichende, sondern auch eine notwendige Bedingung für die Zuerkennung unveräußerlicher Menschenrechte bedeute. 652 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 62. 653 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 66 f., 81 f.; Dreier in: Dreier/Huber, 9 (48 f.); ähnlich Zippelius in: Bonner Kommentar, Art. 1 I, II, Rn. 51, 76 f. 654 Schmidt-Jortzig in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 1 I, Rn. 67. 655 Nida-Rümelin, Der Tagesspiegel vom 03.01.2001; Neidert in: Kreß/Racké, 33 (38); im Ergebnis auch Wetz in: Körtner/Kopetzki, 7, (28 f.).

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

spruch, bei dem es um Achtungsgefühle der Öffentlichkeit gegenüber dem Leben vorpersonaler Wesen geht656. Dabei seien Eingriffe in das Leben solcher Wesen bereits dann legitim, wenn ein „vernünftiger, allgemein nachvollziehbarer Grund von einigem Gewicht“657 bestehe. Die Frage der Angemessenheit eines derartigen Schutzes sei allerdings keine Frage der Verfassung658. (dd) Zusammenwirken von Art. 1 I S. 1 und 2 II S. 1 GG (Kongruenzthese) Wieder andere vertreten die Auffassung, aus der Verletzung des Lebensgrundrechts folge automatisch auch eine Verletzung der Menschenwürde, weil das Leben unabdingbare Voraussetzung für die Wahrnehmung der Menschenwürde sei (Kongruenzthese)659. Verwiesen wird dazu auf die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, das Leben sei „die vitale Basis der Menschenwürde“660. Nach dieser Ansicht stellt die Lebensbeendigung nur in Notwehrsituationen, wo Leben gegen Leben steht, keine Würdeverletzung dar. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass damit der Einschränkungsregelung des Art. 2 II S. 3 GG weitgehend der Boden entzogen würde, weil Art. 1 I S. 1 GG jede Abwägungsmöglichkeit ausschließt und deshalb von Art. 2 II S. 1 GG „entkoppelt“ werden muss661. (ee) Rein objektiv-rechtlicher Schutz pränatalen Lebens Einige Stimmen in der Literatur vertreten die Meinung, Art. 1 I S. 1 GG stelle gar kein Grundrecht im eigentlichen Sinne dar662. Dagegen wird eingewendet, dass im Zentrum der vom Bundesverfassungsgericht postulierten Objektformel das Individuum und die Subjektqualität des Einzelnen stehen663. Daraus folge, dass eine Menschenwürdeverletzung jedenfalls dort ausscheide, wo ein solches Subjekt gar nicht vorhanden ist, denn wo kein Subjekt gegeben ist, könne es auch nicht zum

656

Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 66 f., 81 f.; Dreier in: Dreier/Huber, 9 (48 f.). Hoerster, S. 108. 658 Hoerster in: JuS 2003, 529 (530, 532), der hervorhebt, dass Embryonen kein Individualrecht auf Leben zustünde, was jedoch nicht bedeute, dass sie völlig schutzlos blieben und nicht durch gewissen Normen des einfachen Rechts in einem gewissen Umfang, abgestuft nach Alter, geschützt werden dürften und auch sollten. 659 Vgl. Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 37. 660 BVerfGE 39, 42 (42). 661 Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 37; Müller-Terpitz, S. 359. 662 Lorenz in: ZfL 2001, 38 (39, 44). 663 Enders in: Jura 2003, 666 (667); Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 67, 117; Dreier in: DÖV 1995, 1036 (1039); Schmidt-Jortzig in: DÖV 2001, 925 (930); Schwarz in: KritV 2001, 182 (207); Starck in: Mangold/Kein/Strack, Art. 1 I, Rn. 30; Zippelius in: Bonner Kommentar, Art. 1 I, II, Rn. 55; Haßmann, S. 103; Hofmann in: JZ 1986, 253 (259). 657

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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Objekt gemacht werden664. Sachlicher und persönlicher Schutzbereich würden bei Art. 1 I S. 1 GG untrennbar zusammengehören665. Andere Autoren qualifizieren Art. 1 I S. 1 GG zwar als Grundrecht im klassischen Sinne, sprechen Embryonen jedoch den subjektiv-rechtlichen Schutz ab und gewähren lediglich einen objektiv-rechtlichen. Auch wenn der Embryo nicht als Träger von Menschenwürde qualifiziert werden könne, müsse er bereits in seinem Frühstadium geschützt werden. Gesprochen wird diesbezüglich von „Pietät“666, „Gattungssolidarität“667 oder einem „vormoralischen Status“, der aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 1 I S. 1 GG resultiere668. Menschliche Embryonen stellten ein starkes Symbol für das menschliche Leben dar, sodass die Art, sie zu behandeln, eine stillschweigende Aussage über die Struktur unserer normativen Ordnung trifft. Deshalb dürfen sie nicht als bloße Objekte oder Sachen behandelt werden, sondern ihnen müsse angemessener Schutz im ordentlichen Recht zukommen669. Auf der anderen Seite solle man nicht so tun, als behandle man sie rechtlich als Personen670. Als moralisches Prinzip wird diese Gattungssolidarität als etwas betrachtet, das in Verbindung mit der Menschenwürde steht, jedoch nicht als fundamentales Grundrecht der Person – als Würde des Einzelnen –, sondern der Menschheit als Gattung671. Die speziesbezogene Menschenwürde sei dabei im Gegensatz zum subjektiven Grundrecht in der Kollision mit anderen gewichtigen individuellen Interessen zu vielerlei Einschränkungen fähig und bedürftig und könne und müsse gegen andere Interessen abgewogen werden: Nicht der fundamentale Status des Individuums sei geschützt, sondern ein normatives Bild der Menschheit von sich selbst672. Neben dem Anspruch des Einzelnen auf Wahrung der eigenen Würde stehe die Würde der Menschheit, sodass nicht nur der individuelle Träger geschützt werde, sondern zugleich auch die Gemeinschaft673. 664

Middel, S. 242. Middel, S. 243. 666 Birnbacher in: EthikMed 2004, 155 (158); Kopernock, S. 122 f.; Seelmann in: Maio/Just, 156 (163), der hervorhebt, rechtstechnisch spreche nichts dagegen, dem Erfordernis des Pietätsschutzes mit Hilfe eines individuellen Rechts des Embryos auf Wahrung der Menschenwürde Rechnung zu tragen, so wie man auch den Schutz der Pietät gegenüber Verstorbenen „postmortales Persönlichkeitsrecht“ nennen kann; umfassend Seelmann in: FS Wolff, 481 f., insbesondere 493. 667 Merkel in: Geyer, 51, (62 f.); Merkel in: DRiZ 2002, 185 (191); siehe auch Höffe, S. 78, der ausführt, die Solidarität beinhalte einen deutlich schwächeren Verpflichtungsgrund als die Menschenwürde. 668 Gerhardt, S. 145; Frommel in: KJ 2000, 351; Frommel, S. 105. 669 Merkel The legal status of the human embryo, S. 59. 670 Merkel The legal status of the human embryo, S. 59. 671 Merkel in: Geyer, 51, (62 f.); Merkel in: DRiZ 2002, 185 (191); aus naturphilosophischer Sicht Meyer-Abich in: ZRP 2002, 219 f.; Birnbacher in: Leist, 266 (276 f.); kritisch Höffe, S. 78. 672 Merkel in: Geyer, 51, (63); Merkel in: Hillenkamp, S. 35 (83 f.) in Anknüpfung an die „nur objektiv-rechtliche Schutzpflicht des Staates aus Art. 1 I S. 1 GG“; Kopernock, S. 122 f. 673 Frankenberg in: KJ 2000, 325 (331); Schneider, S. 216; Neumann in: ARSP 1998, 155 (157); Neumann in: ARSP 1988, 139 (144); Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262); Di ­Fabio 665

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(ff) Abstufbarer Menschenwürdeschutz Oftmals wird die Meinung vertreten, Würde könne bei einem als „Mensch“ anzusehenden Subjekt auch abgestuft vorhanden sein. Anders als beim Lebensschutz aus Art. 2 II GG lässt sich eine Abstufung der Menschenwürde nicht auf einen Gesetzesvorbehalt stützen. Im Hinblick auf Begründung und Konsequenzen unterscheiden sich die einzelnen Konzepte abgestufter Schutzwürdigkeit erheblich674. (α) Embryo als Menschenwürdeträger mit geringerem Schutzumfang Einige Autoren sehen den Embryo vom Zeitpunkt der Befruchtung als Träger von Menschenwürde an, gewähren ihm aber einen geringeren Schutz als geborenen Menschen675. Die Erstreckung der Menschenwürde auf früheste Erscheinungsformen lasse sich nur mit einer entwicklungsabhängigen Intensität des zu gewährleistenden Schutzes durchhalten. Dies bedeute allerdings nicht, dass die pränatale Menschenwürde zum Gegenstand der Abwägung kollidierender Werte gemacht werden dürfe. Vielmehr wird ein Zusammenwirken von Menschenwürde und Lebensschutz in der Weise gefordert, dass ein „realitätsgerecht“ gestufter Schutz angesetzt wird, der dem geborenen Menschen in anderer Weise zukommt als dem Embryo im Mutterleib und dem Embryo vor der Nidation anders als danach676. Ein solches Verständnis zwinge zwar zu Umbrüchen des herrschenden Begriffsverständnisses von Menschenwürde, das durch eine statische Anknüpfung an das Menschsein und einen absoluten Schutzmaßstab geprägt werde677. Der gestufte Schutz erlaube aber eine Unterscheidung der Erscheinungsformen frühen menschlichen Lebens: Allein die Totipotenz einer Zelle könne nicht dazu führen, dieser das gleiche Maß an Schutzwürdigkeit zuzuerkennen wie dem Nasciturus oder dem geborenen Menschen678. Die Garantien des Rechts auf Leben und Würde des Menschen seien individual- und personenbezogen, sodass sie sich primär auf geborene Personen erstreckten. Mit Blick auf die jüngste Vergangenheit wollte der

in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 28 ff., 32; Lege in: Stellungnahme, ERK, Kom-Drs. 15/108, S. 4; Kunig in: Münch/Kunig, Art. 1, Rn. 17; Höfling in: Sachs, Art. 1, Rn. 22 f., 42, 47; Sackowsky, Gutachten, S. 58; Lege in: HdbTR, 669 (752 f.); Isensee in: H/H/I/K, 37 (69 f.); Isensee in: FS Hollerbach, 243 (253, 261) Graf Vitzthum in: JZ 1985, 201 f.; Enders, S. 196 f.; Hofmann in: AöR 1993, 353 (364); BVerwGE 115, 189 (199). 674 Vgl. Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 37. 675 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 61; Herdegen in: JZ 2001, 773 (774); Herdegen, Leitsätze. 676 Kirchhof in: H/H/I/K, 9 (27); Herdegen in: JZ 2001, 773 (774); Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 61; Herdegen in: Hillenkamp, S. 1 (7); Hufen in: JZ 2004, 313 (314); Zaar, S. 119; Djie, S. 112, die jedoch noch weiter geht und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Art. 1 I S. 1 GG befürwortet. 677 Herdegen in: JZ 2001, 773 (774). 678 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 64.

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historische Gesetzgeber des deutschen Grundgesetzes verhindern, dass unter uns lebende Menschen wie Tiere oder „Untermenschen“ behandelt werden679. Im Sinne der gebotenen Gesamtbetrachtung seien Art und Maß des Würdeanspruchs für Differenzierungen durchaus offen, welche den konkreten Umständen  – wie besonderer Schutzbedürftigkeit  – Rechnung tragen680. Dabei gehe es nicht um Stufungen der menschlichen Würde als solcher, sondern um eine situationsgebundene Konkretisierung des aus der Würde folgenden Achtungsanspruches. In diesem Sinne erweise sich die allen Menschen gleichermaßen zustehende Würde – ähnlich wie die verfassungsrechtlich gebotene Gleichheit aller Menschen aus Art. 3 I GG – als Relationsbegriff, der zur situationsgebundenen Konkretisierung zwinge. Würde man menschliches Leben vor der Nidation schon unter Würdeschutz stellen, hätte die befruchtete Eizelle den gleichen Achtungsanspruch wie ein geborener Mensch. Bei einer solchen Gleichstellung aber dürfte die Diskussion um bestimmte Formen von Forschung und Therapie an und mit Embryonen als verfassungsrechtlich ernstzunehmender Diskurs überhaupt nicht geführt werden; eine solche Gleichsetzung widerspreche vielmehr dem allgemeinen Rechts­ bewusstsein und der Praxis von Gesetzgebung und Rechtsprechung681. Das Ausmaß des Schutzes habe sich am Leitbild natürlicher Entwicklungsprozesse und den Abweichungen von der natürlichen Entwicklung zu orientieren682. Zudem müsse die Entwicklungsperspektive mit einbezogen werden683. Ferner wird betont, dass Lebens- und Würdeschutz nicht immer dasselbe bedeuteten: Anders als bei Art. 2 II S. 1 GG gelte dies nicht wegen eines Gesetzesvorbehalts, sondern aufgrund dessen, was die Würde als Mensch ausmache684. In den unterschiedlichen Lebensphasen und -situationen bedeute es etwas anderes, um seiner selbst willen, als Zweck und nicht als Mittel, als Subjekt und nicht als Objekt behandelt, jedenfalls nicht in der eigenen Subjektqualität prinzipiell in Frage gestellt und zum bloßen Objekt des Staates gemacht zu werden685. Zwar sei der Embryo sowohl „Jeder“ im Sinne des Art. 2 II S. 1 GG als auch „Mensch“ im Sinne des Art. 1 I S. 1 GG; Lebens- und Würdeschutz seien aber nicht absolut, sondern würden Unterschiede und Abstufungen kennen, was sich mit einer Parallele zu den Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch begründen lasse686. Dabei steige das Maß des Schutzes im Laufe der Schwangerschaft immer weiter an; vor der Nidation handle es sich um menschliches Leben in seiner Potenzialität, nicht in seiner Aktualität687.

679

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (65). Zum Folgenden: Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 54. 681 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 54. 682 Herdegen in: JZ 2001, 773 (774). 683 Herdegen in: GS Heinze, 357 (364). 684 Schlink, S. 10. 685 Schlink, S. 10; ähnlich Losch in: NJW 1992, 2926 (2930). 686 Schreiber in: MedR 2003, 367 (370). 687 Schlink, S. 15. 680

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Kritiker bemängeln, dass es keine „Grundrechtsträger zweiter Klasse“ geben könne und eine objektiv-rechtliche Konstruktion deshalb vorzugswürdig sei688. (β) Vorwirkungen der Menschenwürde ohne Grundrechtsträgerschaft Nach anderer Auffassung kann nur der geborene Mensch Träger des Grundrechts aus Art. 1 I S. 1 GG sein. Schon vor der Geburt solle ihm jedoch eine gewisse Schutzwürdigkeit aufgrund seines besonderen Status zukommen, was als „Vorwirkung“ der Menschenwürde bezeichnet wird, die bereits aus dem Wesen der Schutzpflichten folgt, welchen die präventive Aufgabe zukommt, Schutzmaßnahmen in der Gegenwart für Gefährdungstatbestände der Zukunft zu treffen, und eine Analogie zur Fortentwicklung der Menschenwürde am Lebensende beim Umgang mit menschlichen Leichen darstellt689. Auch hier wird damit argumentiert, dass die Würde des geborenen Menschen nicht mit der eines Nasciturus gleichgestellt werden könne, sondern der Schutz der Menschenwürde vielmehr Differenzierungen und Abwägungen zugänglich sei, wie die §§ 218 StGB verdeutlichten: Aus dem vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform bewerteten Fristen- und Beratungsmodell sowie dem zeitlich nicht begrenzten Indikationenmodell folge zwingend, dass der Embryo nicht Träger des Grundrechts auf Menschenwürde sein könne, zumal eine Rechtssubjektivität, die während einer bestimmten Frist – oder zeitlich unbegrenzt – nach bestimmten Indikationen allein durch den Willensakt der Mutter beseitigt werden kann, diesen Namen nicht verdiene690. Solange sich der Embryo noch teilen könne, solle man ihm keine Menschenwürde zuschreiben, weil er sich noch nicht als Mensch, sondern zu einem individuellen Menschen entwickle691. Auch der Inhalt der Menschenwürde zeige, dass der Embryo nicht Grundrechtsträger sein könne: Von ihrer ideengeschichtlichen Herkunft und ihrer verfassungsgeschichtlichen Genese her sei die Menschenwürde ausschließlich auf geborene Personen bezogen692. Das vorgeburtliche, vorpersonale Leben solle im Hinblick auf den möglicherweise entstehenden Menschen und dessen Würde allerdings nicht schutzlos gestellt werden693. Denn Art. 1 I S. 1 GG gebiete nicht nur einen würdevollen Umgang mit verstorbenen Personen, 688

Weschka, S. 401. Ipsen in: NJW 2004, 268 f.; Ipsen in: JZ 2001, 989 (990); Denninger in: KritV 2003, 191 (205 f.); Denninger in AK GG, Art. 1 I, Rn. 57; vgl. Fumagalli, S. 114; Häberle in: HStR I, § 20, Rn. 85; einschränkend Kloepfer in: JZ 2002, 417 (429): „jedenfalls mit Vollendung der Geburt“ seien Menschenwürde und Lebensgrundrecht in vollem Umfang gegeben. 690 Häberle in: HdbStR I, § 20, Rn. 85; Ipsen in: NJW 2004, 268 (268); Ipsen in: JZ 2001, 989 (990); vgl. auch Frommel in: KJ 2002, 411 (421), die im Ergebnis den Embryo ab Kern­ verschmelzung in den Schutzbereich von Art. 1 I (und 2 II) GG fallen lässt, gleichzeitig aber die Grundrechtssubjektivität verneint und den Schutz von der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte herleitet (425). 691 Schroth in: JZ 2002, 170 (177). 692 Dederer in: AöR 2002, 1 (10 f.). 693 Denninger in: KritV 2003, 191 (208). 689

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sondern auch mit frühesten Formen sich neu bildenden Lebens694. Die Menschenwürde entfalte Vorwirkungen, strukturell den Nachwirkungen vergleichbar, welche den Gesetzgeber verpflichteten, gesetzliche Vorschriften zum Schutz von Embryonen zu erlassen695. Aus den Vorwirkungen der Menschenwürde resultiere eine Schutzwürdigkeit unter Abwägung der unterschiedlichen Interessen696. Weil allein der geborene Mensch Rechtssubjekt der Menschenwürde sei, müsse der Schutz des Embryos mit fortschreitender Entwicklung und damit wachsender Menschenähnlichkeit an Intensität zunehmen697. Ob man von „Vorwirkungen“ und „Vorstufen“ des Menschenwürdeschutzes oder von „potenzieller Menschenwürde“ spreche, sei nur von rhetorischer Bedeutung. Bedeutsamer sei die Entscheidung, welche Verhaltensweisen in diesen Stadien als Würdeverletzung zu bewerten sind. Jedenfalls müssten – wie bei Personen – herabwürdigende, verächtliche, die Subjektqualität prinzipiell in Frage stellende Behandlungsweisen darunter fallen698. (γ) Abstufbarer objektiv-rechtlicher Schutz Anstatt auf Vorwirkungen der Menschenwürde aufgrund späterer Grundrechtsträgerschaft abzustellen, rekurrieren einige Autoren auf einen rein objektiv-rechtlichen Schutz des Embryos aus Art. 1 I S. 1 GG. Für eine Abstufung des Schutzes wird angeführt, dass die Entwicklung des Embryos ein kontinuierlicher Prozess sei, der sich nicht durch relevante Einschnitte in verschiedene Phasen einteilen lasse, sodass nach der Befruchtung kein Zeitpunkt oder Entwicklungsstadium willkürfrei zur Grundlage einer rechtlichen Differenzierung gemacht werden könne699. Aus diesem Grunde sei eine Abstufung gegenüber einem späteren Beginn vollen Schutzes vorzugswürdig. Eine solche sei nicht nur möglich, sondern, im Vergleich zur Organentnahme zum Zwecke der Transplantation beim Hirn­ toten, der in seinen Zellen natürlich noch lebt, sogar naheliegend700.

694

Denninger in: KritV 2003, 191 (208). Dederer in: AöR 2002, 1 (10 f.). 696 Schroth in: JZ 2002, 170 (178). 697 Ipsen in: JZ 2001, 989 (993); ähnlich Kloepfer in: JZ 2002, 417 (420), der von einem „Anwartschaftsschutz“ spricht; die Intensität dieses Schutzes steige mit dem Heranwachsen des menschlichen Lebens; Hoyer in: FS Rolinski, 81 (91), der sich für einen „Entstehensschutz“ ausspricht. 698 Denninger in: KritV 2003, 191 (207); ähnlich Kloepfer in: JZ 2002, 417 (426, 428), der im Ergebnis sowohl ein Verbot als auch die Aufhebung des bestehenden Verbots der verbrauchenden Stammzellforschung an überzähligen Embryonen für vereinbar mit dem Grundgesetz hält; ebenso sei das Verbot des therapeutischen Klonens verfassungsgemäß, die Verfassung gebe jedoch weit weniger her, als gemeinhin angenommen wird, sodass es im Wesentlichen ein politischer Konflikt sei. 699 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438); anders Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I, Rn. 18. 700 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 695

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Gegen die Anerkennung eines objektiv-rechtlichen Würdeschutzes für Embryonen spricht sich Middel aus und argumentiert, dass eine Trennung von persönlichem und sachlichem Schutzbereich bei Art. 1 I S. 1 GG im Unterschied zu Art. 2 II S. 1 GG nicht möglich sei701. Dies liege daran, dass es sich bei dem Begriff „Leben“ um einen naturwissenschaftlich feststellbaren Sachverhalt handle, während der Ausdruck „Würde“ einen normativ geprägten Zuschreibungsbegriff darstelle. Die Frage nach dem Beginn des Würdeschutzes sei eine wertende Entscheidung, die wesentlich davon abhängt, was man inhaltlich unter der Menschenwürde verstehe. Unter Zugrundelegung der Objektformel stünden das Individuum und die Subjektqualität des Einzelnen im Mittelpunkt des Menschenwürde­ gedankens, sodass eine Menschenwürdeverletzung jedenfalls dort ausscheide, wo ein Subjekt noch gar nicht vorhanden ist702. Das Subjekt bedinge den sachlichen Schutzbereich, anders als „menschliches Leben“ lasse sich die Menschenwürde nicht losgelöst von ihrem Träger denken703. Gegen diese Argumentation spricht jedoch wiederum, dass auch das Bundesverfassungsgericht, auf das sich Middel beruft, in seinen Urteilen zum Schwangerschaftsabbruch die Frage nach einem subjektiv- oder objektiv-rechtlichen Schutz offengelassen hat704. Teilweise werden die Urteile sogar dahingehend interpretiert, dass sie dem Embryo explizit einen objektiv-rechtlichen Schutz zuteilwerden lassen705. Eine solche Auslegung geht zu weit, denn in besagten Urteilen wurde die Frage, „ob der Nasciturus selbst Grundrechtsträger ist oder aber wegen mangelnder Rechts- und Grundrechtsfähigkeit ‚nur‘ von den objektiven Normen der Verfassung in seinem Recht auf Leben geschützt wird“, ausdrücklich offengelassen, weil die Frage des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des ungeborenen Lebens vielmehr „schon aus dem objektivrechtlichen Gehalt der grundrechtlichen Normen erschlossen werden (kann)“706. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, dass es im ersten Leitsatz des Urteils lediglich heißt: „Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbstständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung“707. Zutreffend sagt das Bundes 701

Middel, S. 240. Middel, S. 242 „Wo kein Subjekt gegeben ist, kann es auch nicht zum Objekt gemacht werden“, m. w. N. 703 Middel, S. 243. 704 BVerfGE 39, 1 f.; BVerfGE 88, 203 f. 705 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437 f): Schließlich ist auch deutlich darauf hinzuweisen, dass das BVerfG dem Embryo zwar tatsächlich (objektiv-rechtlichen) Menschenwürdeund Lebensschutz zugesprochen hat, dass das Gericht aber keineswegs gesagt hat, dass dieser Schutz von Beginn an den gleichen Umfang und das gleiche Ausmaß wie bezogen auf den geborenen Menschen haben müsse; FN 38: „Das BVerfG hat im ersten Abtreibungsurteil die Frage, ob der Nasciturus selbst Grundrechtsträger ist oder aber wegen mangelnder Rechts- und Grundrechtsfähigkeit ‚nur‘ von den objektiven Normen der Verfassung geschützt wird, ausdrücklich offengelassen (BVerGE 39, 1 (41 f.) = NJW 1975, 573); im zweiten Abtreibungsurteil hat das Gericht an die verfassungsrechtlichen Grundaussagen dieses Urteils angeknüpft, S. BVerfGE 88, 203 (251 f., 255 f.) = NJW 1993, 1751; S. dazu auch Faßbender in: NJW 2001, 2745 (2750)“. 706 Faßbender in: NJW 2001, 2745 (2750), Hervorhebung von Faßbender. 707 BVerfGE 39, 1 f. 702

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verfassungsgericht, dass nicht zwingend entschieden werden muss, ob der Embryo unter subjektiv- oder objektiv-rechtlichem Schutz steht: „Hingegen braucht die im vorliegenden Verfahren wie auch in der Rechtsprechung und im wissenschaftlichen Schrifttum umstrittene Frage nicht entschieden zu werden, ob der Nasciturus selbst Grundrechtsträger ist oder aber wegen mangelnder Rechts- und Grundrechtsfähigkeit „nur“ von den objektiven Normen der Verfassung in seinem Recht auf Leben geschützt wird“708. Deutlich wird somit, dass das Bundesverfassungsgericht von der Trennbarkeit von persönlichem und sachlichem Schutzbereich des Art. 1 I S. 1 GG ausgeht. (gg) Stellungnahme Die Argumente zur vollständigen Negierung des verfassungsrechtlichen Würdeschutzes von Embryonen in vivo, sei dieser objektiv- oder subjektiv-rechtlicher Natur, können nicht überzeugen. Es widerspricht der umfassenden Schutzintention des Art. 1 I S. 1 GG, ungeborenem Leben jeglichen Schutz zu versagen. Gegen eine Anknüpfung an die Personwerdung und damit an bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, zumal es der ganz herrschenden Auffassung entspricht, wenn das Bundesverfassungsgericht formuliert, der Mensch besitze Würde „ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status“ und diese sei auch dem eigen, der aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht sinnhaft handeln kann709. Irrelevant ist, ob der Träger sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst zu wahren weiß710. Darüber hinaus sind bestimmte Eigenschaften als Anknüpfungspunkte unter dem Aspekt gefährlich, dass Neugeborene oder schwer behinderte Menschen aus dem Schutz des Art.  1 I S.  1 GG herauszufallen drohen711. Auch ein Schutz nur aus ethischen Aspekten wie der Pietät oder Gattungssolidarität genügt nicht. Bei einem Embryo handelt es sich um ein menschliches Lebewesen, dem verfassungsrechtlicher Schutz aus Art. 1 I S. 1 GG zukommen muss. (α) Beginn des Menschenwürdeschutzes Erst dem geborenen Menschen Würdeschutz zuzugestehen, widerspräche dem von Art. 1 I S. 1 GG intendierten umfassenden Würdeschutz, der ins Leere liefe, wenn nicht auch die Entstehungsbedingungen abgesichert werden712. Der genetische „Bauplan“ wird bereits mit der Befruchtung angelegt, sodass der Embryo dem Schutz des Art. 1 I S. 1 GG schon ab diesem Zeitpunkt unterfallen muss. 708

BVerfGE 39, 1 f. BVerfGE 87, 209 (228). 710 BVerfGE 39, 1 (41). 711 Middel, S. 228. 712 BVerfGE 39, 1 f.; BVerfGE 88, 203 f. 709

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(β) Subjektiv- oder objektiv-rechtlicher Schutz Fraglich bleibt, ob es sich hierbei um einen subjektiv- oder (lediglich) um einen objektiv-rechtlichen Schutz handelt. Die Frage nach der Grundrechtsträgerschaft muss auch im Rahmen des Art. 1 I S. 1 GG zwingend entschieden werden, weil sie Auswirkungen auf das Maß des Schutzes hat713. Mit der Nidation und der kurz danach abgeschlossenen Individuation kann von einer einigermaßen gesicherten Entwicklungsperspektive gerade dieses konkreten Menschen  – ab diesem Zeitpunkt ist keine Mehrlingsbildung mehr möglich – ausgegangen werden714, sodass er als Grundrechtsträger fungieren kann. Eine Grundrechtsträgerschaft des Embryos in Bezug auf Art. 1 I S. 1 GG beginnt – ebenso wie bei Art. 2 II S. 1 GG – mit der Individuation. Zuvor besteht ein objektiv-rechtlicher Menschenwürdeschutz. (γ) Intensität des Würdeschutzes Entscheidende Bedeutung kommt der Frage nach der Intensität des Schutzes zu. Aus denselben Argumenten, wie sie bereits zum Lebensschutz menschlicher Embryonen ausgeführt wurden715, zwingen Kontinuitäts-, Identitäts- und Potenzialitätsargument nicht dazu, den Embryo dem vollen Grundrechtsschutz unterfallen zu lassen und ihn somit auf die gleiche Stufe mit einem geborenen Menschen zu stellen716. Der Vorzug einer prozesshaften Betrachtung des Würdeschutzes mit entwicklungsabhängiger Intensität eines bestehenden Achtungs- und Schutzanspruchs liegt in der Vermeidung künstlicher Trennungslinien beim „Ob“ des Schutzes717. Eine entwicklungsorientierte Sichtweise beim „Wie“ des Schutzes erleichtert eine Rück­ erstreckung der Menschenwürde auf früheste Stadien menschlichen Lebens wesentlich718. Hinzu kommt, dass die schematische Gleichsetzung frühen menschlichen Lebens mit dem geborenen Menschen die Bestrebung alimentiert, den Würdeanspruch zeitlich durch bestimmte Zäsuren (Nidation oder gar Geburt) dramatisch zu verkürzen719. Dem Argument, ein abgestuftes Würdeschutzkonzept setze sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts, kann man entgegenhalten, dass das Gericht entgegen den eigenen Prämissen letztlich einen abgestuften Schutz akzeptiert, welcher sich an der fortschreitenden Entwicklung des Embryos 713 Schneider, S. 95; Alexy, S. 414; vgl. Böcher, S. 141; Giwer, S. 79 f.; Klein in: NJW 1989, 1633 (1637); vgl. Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.1., 5.1.1.; vgl. BVerfGE 30, 173 (194 f.); a. A. wohl BVerfGE 39, 1 (41); Dietlein, S. 155; Hillgruber in: JZ 1997, 975 (976); zweifelnd Geddert-Steinacher, S. 69; vgl. Kunig in: Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 48. 714 Middel, S. 228. 715 Vgl. Teil 4: A. I. 3. a) aa) (1) (c) (aa) δ). 716 So auch Nationaler Ethikrat, 2004, Klonen, Position B, S. 63 (65). 717 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 60. 718 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 60. 719 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 60.

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orientiert720. Hinsichtlich des geborenen Menschen besteht gleicher Schutz für jedes menschliche Leben721. Die Würde eines jeden, auch eines Embryos, ist unantastbar und damit unabwägbar, der Schutz hingegen Abstufungen durchaus zugänglich. Ebenso wie der Menschenwürdeschutz eines Verstorbenen geringer ausgeprägt ist als bei einem lebenden Menschen, sollte auch dem Embryo ein geringerer Schutz zukommen als dem geborenen Menschen. Das Maß des Schutzes steigt im Verlauf der Schwangerschaft stetig an, wobei sein Umfang anhand der SKIP- Kriterien zu bestimmen ist: Je näher der Embryo dem Leitbild des geborenen Menschen kommt, desto größer wird sein Schutzanspruch. (c) Ergebnis Nach alledem beginnt der objektiv-rechtliche Menschenwürdeschutz mit der Befruchtung. Zum Grundrechtsträger wird der Embryo mit der Individuation, denn erst ab diesem Zeitpunkt ist keine Mehrlingsbildung mehr möglich, sodass von einem konkreten Individuum gesprochen werden kann. Die Intensität des objektiv-rechtlichen Schutzes betreffend, sollte ein abgestuftes Schutzkonzept angewendet werden, dessen Leitbild der geborene Mensch bildet. Diesem steht der volle Schutz aus Art. 1 I S. 1 GG zu, während dem Embryo wegen seiner Unselbstständigkeit aufgrund der leiblichen Verbundenheit und seinem Angewiesensein auf die Mutter ein geringerer Schutz zukommt. Eine Verletzung der Menschenwürde ist anhand der Kantschen Kriterien und der von Dürig entwickelten und dem Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung angewendeten Objektsformel auch beim Embryo in vivo zu bestimmen. (5) Würdeschutz humaner IVF-Embryonen in vitro (Art. 1 I S. 1 GG) Es bleibt nach einem etwaigen Menschenwürdeschutz von mittels In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryonen im Reagenzglas zu fragen. (a) Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts in den Urteilen zum Schwangerschaftsabbruch lassen sich auch im Hinblick auf den Würdeschutz aus Art. 1 I S. 1 GG nicht auf einen etwaigen Würdeschutz von Embryonen in vitro übertragen722. 720

Vgl. Teil 4: A I. 3 a) aa) (1) (b) (cc) sowie Middel, S. 91, 122. Für viele Schulte-Fielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 15. 722 Vgl. Teil 4: A. I. 3. a) aa) (2) (a). 721

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(b) Die Aussage des Bundesgerichtshofes Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik aus strafrechtlichem Blickwinkel den Schutz des Embryos in vitro der Verantwortung für die Vermeidung schwerer Krankheiten gegenübergestellt723. Einige Autoren leiten daraus ab, der BGH spreche dem Embryo in vitro zwar einen abgestuften Lebensschutz, nicht aber Würdeschutz aus Art. 1 I S. 1 GG zu724. Denn die Lebenserhaltung dürfte in begründeten Fällen in eine Güterabwägung eingestellt werden, nicht aber die unantastbare Menschenwürde725. Ob sich aus den strafrechtlichen Erörterungen zur Auslegung des ESchG eine solche verfassungsrechtliche Wertung herleiten lässt, bleibt fraglich. Hinzu kommt, dass eine fehlende Menschenwürdeverletzung nicht zwingend mangelnden Menschenwürdeschutz bedeutet. Demzufolge lässt sich die Rechtsprechung des BGH nicht als Argument anführen, Embryonen in vitro Menschenwürdeschutz ab­zusprechen. (c) Die Aussagen in der Literatur Die Ansichten in der Literatur zu einem etwaigen Würdeschutz von Embryonen in vitro divergieren stark. (aa) Kein Würdeschutz Einige Autoren sind der Auffassung, dass sich die Menschenwürdegarantie nicht auf den Embryo in vitro zurückerstrecke726, und begründen dies vor allem unter Hinweis darauf, dass der Embryo außerhalb des Mutterleibes keine „natürliche Entwicklungschance“ habe, weil der Prozess zur Entwicklung als Mensch den aktiven Eingriff eines Dritten – die Implantation in die Gebärmutter – voraussetze727. (bb) Voller Würdeschutz Andere Autoren, die dem Embryo in vivo den ganzen Schutz der Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG zusprechen, sind der Ansicht, dass auch in vitro fertilisierte Embryonen im Reagenzglas unter vollem Menschenwürdeschutz stehen728. 723

Vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2010, Az. 5 StR 386/09 = NJW 2010, 2672–2676 sowie die Ausführungen unter Teil 4: A. I. 1. b) bb). 724 So wohl Kreß in: ZRP 2010, 201 (201). 725 Papier in: FS Starck, 2007, S. 381. 726 Dederer in: AöR 2002, 1 (18, 21, 25). 727 Wolfrum, S. 4. 728 Vgl. Stern in: Staatrecht IV/1, S. 35 f; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu GG, Art. 1, Rn. 28, 30; Robbers in: Umbach/Clemens, Art. 1 Rn. 21.

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(cc) Abgeschwächter Würdeschutz Einige vertreten die Auffassung, dass dem vorgeburtlichen Leben ein graduell ansteigender Würdeschutz zuzusprechen sei, der seinem jeweiligen Entwicklungsstand entspricht729. Demzufolge müsse der frühe, außerhalb des Mutterleibes befindliche Embryo, der noch unentwickelt ist und bei dem noch die Möglichkeit zur Teilung in mehr als ein Individuum besteht, zwar als menschliches Leben geachtet werden, er stelle aber noch keinen Menschen im eigentlichen Sinn dar, dem voller Würdeschutz zukommt. Differenzierend könne man davon sprechen, dass er einen „Status specialis“ als einen abgeschwächten Schutzstatus besitzt730. Lorenz geht davon aus, das menschliche Leben werde von Art. 1 I S. 1 GG nicht grundrechtlich erfasst, sondern lediglich im Sinne einer objektiven Garantie, welche die Wahrung der Würde des Menschen als Gattungswesen verlange731. Daraus folgert er, dass Embryonen in vitro nicht in ihrer Individualität geschützt seien, sondern von der Garantie der Menschenwürde in der Weise erfasst würden, dass Eingriffe in ihr Lebensrecht nicht gleichzeitig die Achtung des fundamentalen menschlichen Eigenwertes prinzipiell in Frage stellten732. Dabei könnten die Wahrung existenzieller Integrität, Identität und Egalität als Kerngehalte der Menschenwürde je nachdem, auf welche Formen pränatalen Lebens sie sich beziehen, unterschiedliche Bedeutungen entfalten. Der Embryo in vitro sei zwar noch nicht in der Entwicklung zum Menschen begriffen, als Frühform menschlichen Lebens aber in den potenziellen Zusammenhang der Entwicklung eines Menschen einbezogen733. (dd) Stellungnahme Der Embryo in vitro ist ohne Implantation in eine Gebärmutter mangels Individuation kein Träger der Menschenwürde. Ein objektiv-rechtlicher Schutz muss ab der artifiziellen Befruchtung bestehen. Denn für den Würdeschutz kann es keinen Unterschied machen, ob die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle auf natürliche Weise oder künstlich bewirkt wurde, weil in beiden Konstellationen der „genetische Bauplan“ für das erzeugte Leben entsteht. Da auch Embryonen in vivo nach hier vertretener Auffassung nur ein abgestufter Würdeschutz zukommt, kann auch der in vitro erzeugte Embryo keinen vollen Schutz aus Art. 1 I S.  1 GG für sich beanspruchen. Zur Beantwortung der Frage, ob diesem derselbe oder ein geringerer Schutz zugestanden werden sollte als Embryonen in vivo, muss geklärt werden, wie sich die Tatsache der Extrakorporalität und des Transfererfordernisses auf die Garantie der Menschenwürde auswirkt. Der ver 729

Vgl. Kreß in: ZRP 2010, 201 (201). Vgl. Kreß, S. 159–174 m. w. N. 731 Lorenz in: ZfL 2001, 38 (39, 44). 732 Lorenz in: ZfL 2001, 38 (45); Lorenz in: FS Brohm, 441 (427). 733 Lorenz in: ZfL 2001, 38 (39, 44). 730

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

fassungsrechtliche Schutz kann nicht allein vom Transfer(erfordernis) abhängig gemacht werden. Denn mit der Fertilisation wird ein „spezifisch humaner Startpunkt“734 gesetzt, sodass die Befruchtung als Anknüpfungspunkt der Menschenwürde im Sinne einer Minimalvoraussetzung für den Beginn neuen menschlichen Lebens anzusehen ist735. Innerhalb der bereits begonnenen Menschenwürdegarantie kommt dem Transfer als faktischer Zäsur jedoch dahingehend Bedeutung zu, dass erst durch ihn der Weg zur Reproduktion eingeschlagen wird. Mit der Implantation in eine Gebärmutter entscheidet sich, ob der Embryo eine Mutter bekommt, was unerlässliche Voraussetzung für ein späteres Geborenwerden ist736. Die leibliche Koexistenz mit der Mutter fehlt dem extrakorporalen Embryo, es besteht lediglich die Aussicht auf eine solche737. Wird bereits das Faktum der körperlichen Verbundenheit dahingehend gewertet, dass dem Embryo in vivo vor der Individuation mangels Selbstständigkeit kein voller Menschenwürdeschutz zusteht, kann der extrakorporale Embryo wegen der noch nicht einmal vorhandenen Koexistenz nur eine im Maß geringere Menschenwürdegarantie erhalten738. Im Vergleich zum In-vivo-Embryo ist dieser weiter vom Leitbild des geborenen Menschen entfernt, weshalb der Würdeanspruch vor dem Transfer eine andere Qualität hat, nämlich geringer ausgeprägt ist, als nach dem Transfer739. Dem entspricht es, den Status des Nasciturus nicht von der Annahme der Mutter abhängig zu machen. Die tatsächliche Nichtannahme würde allerdings eine Zäsur begründen740. Dem sich von Anfang an im Körper der Frau befindenden Embryo kommt eine reale Entwicklungschance zu, wenn die Frau nichts gegen ihn unternimmt, also durch reines „Nichts-Tun“ der Frau741. Demgegenüber muss beim extrakorporalen Embryo erst eine Beziehung zum mütterlichen Körper hergestellt werden, sodass der­ Akzeptanz der Frau im Sinne einer bewussten und nach außen in Erscheinung tretenden Entscheidung, einem aktiven Tun, ein höheres Gewicht beizumessen ist742. Der schlichten Duldung steht ein aktives Tun gegenüber743. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Transfererfordernis nicht zu einer Versagung des (objektiv-rechtlichen) Menschenwürdeschutzes führt, wohl aber dazu, dass aufgrund der geringeren Entwicklungschance ein noch geringerer Schutzmaßstab angewendet wird als bei dem sich im Mutterleib befindenden­ Embryo.

734

Eser, S. 39 f. Eser, S. 39 f.; Hetz, S. 172. 736 Sackowsky, S. 13. 737 Hetz, S. 173. 738 Hetz, S. 173. 739 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 62 f.; sich dem anschließend Hetz, S. 173. 740 Hetz, S. 173. 741 Hetz, S. 173. 742 Hetz, S. 173. 743 Hetz, S. 173. 735

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(d) Ergebnis Mit der künstlichen Befruchtung beginnt ein stetig steigender objektiv-rechtlicher Menschenwürdeschutz aus Art. 1 I S. 1 GG für den IVF-Embryo in vitro. Zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung ist das Maß des Schutzes allerdings deutlich geringer ausgeprägt als bei einem Embryo in vivo, weil er ohne das aktive Tun der Mutter, den Embryo in ihren Körper aufzunehmen, nicht überlebensfähig, sondern vielmehr todgeweiht ist. (6) Würdeschutz humaner SCNT-Embryonen in vitro (Art. 1 I S. 1 GG) Fraglich ist, ob bzw. welcher Würdeschutz aus Art.  1 I S.  1 GG dem durch Zellkerntransfer erzeugten menschlichen Embryo zukommt. Beim Klonen durch­ Nukleustransfer entsteht menschliches Leben, ohne dass dieses auf einer Befruchtung beruht. Damit fragt sich, ob die Zuerkennung der Würde von der Entstehung durch Gametenfusion abhängt oder ob auch eine mit Hilfe des Zellkerntransfers erzeugte Entität dem Schutzgehalt des Art. 1 I S. 1 GG unterfallen kann. (a) Fertilisation als zwingende Voraussetzung für Würdeschutz Einige betrachten die Entstehung mittels Gametenfusion – sei sie natürlich oder artifiziell bewirkt  – als unabdingbare Voraussetzung für die Zuschreibung von Würde und eine Qualifikation als „Mensch“ im Sinne des Art. 1 I S. 1 GG744. Weil diese bei Nukleustransfer-Klonen fehlt, wird ihnen Würdeschutz verweigert745. 744 Reich in: ZME 2004, 115 (122, 128); ähnlich Herdegen in: Maunz/Dürig, Art.  1 I, Rn. 99; vgl. auch Paul, S. 49, 52, 69, 71, 78, welche zwischen dem therapeutischen Klon und dem Embryo, der durch Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entstanden ist, unterscheidet: Während Ersterer nicht dem Schutz des Art. 1 I S. 1 GG unterfalle, weil ihm die dazu erforderliche Einbettung in ein Beziehungsgeflecht fehle, wird Letzterer zwar vom Schutz­bereich des Art. 1 I S. 1 GG erfasst, der Gehalt der Menschenwürde müsse jedoch immer mit Blick darauf ausgelegt werden, was Würde, realistisch betrachtet, in einem bestimmten Stadium der Entwicklung bedeuten könne; vgl. auch Hetz, S. 166, 168, 180, 188, nach der nur die durch Zellkerntransfer, nicht jedoch die durch Embryonensplitting oder die Abspaltung einer totipotenten Zelle entstandenen Embryonen in ihrer extrakorporalen Daseinsform keine Menschenwürde aufweisen. 745 Vgl. Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I Rn. 56, 62, 65, 99, der den Würdeschutz zwar auch Frühformen menschlichen Lebens grundsätzlich zuspricht, ihn aber nach Entwicklungsstand abstufen sowie dem im Wege therapeutischen Klonens ohne Perspektive zur Heranreifung geschaffenen Embryo ganz verweigern will; a. A. Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 71; Podlech in: AK-GG, Art. 1, Rn. 52b, 57; Enders in: Friauf/Höfling, Art. 1 I, Rn. 133 f; kritisch auch Zippelius in: BK GG Art 1 I, II, Rn. 51, (für zu Diagnosezwecken abgespaltene) toti­ potente Zellen und zur Totipotenz reprogrammierte Körperzellen eines Menschen; a. A. Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1, Rn 64; Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 71; Podlech in: AK-GG, Art 1, Rn. 52b, 57; Zippelius in: BK, Art. 1 II, II, Rn. 51.

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Die Befruchtung sei als Minimalvoraussetzung für den Beginn neuen menschlichen Lebens anzusehen746. Ausgehend vom historischen Grundrecht der Menschenwürde und unter Berücksichtigung der Objektformel komme auch die Untersuchung verschiedener Menschenwürdetheorien zu dem Ergebnis, keinen Schutz aus Art. 1 I S. 1 GG für humane Nukleustransfer-Klone anzunehmen747. Da der Klon im Gegensatz zum Embryo, der in ein soziales Beziehungsgeflecht eingebettet ist, zu keinem Zeitpunkt „Teil des menschlichen Reproduktionsprozesses“ sei, könne er nicht dem Schutz der Menschenwürde unterfallen748. Einige sprechen deshalb von einem „Artefakt“, das nahezu beliebig manipulierbar sei: Bei dem Gebilde aus Keim- und Körperzellen handle es sich um ein „zelluläres Objekt“, nicht aber um einen Menschen749. (b) Normative Äquivalenz von Nukleustransfer und Fertilisation Andere Autoren vertreten die Meinung, ab der Fusionierung sei auch der Zellkerntransfer-Embryo Träger der Menschenwürde750 bzw. komme ihm objektivrechtlicher Schutz durch Art. 1 I S. 1 GG zu751. Insoweit wird der Zellkerntransfer als „normativ äquivalenter Initialisierungsprozess“ betrachtet, mit dem das Leben des Klons und gleichzeitig dessen Würdeschutz beginne752. So wird statuiert, Potenzialität allein vermöge eine Gleichstellung mit dem Menschen nicht zu rechtfertigen753. Indessen indiziere das Gleichheitsgebot, die gravierenden Unterschiede zwischen dem durch Befruchtung und dem mit Hilfe des somatischen Zellkerntransfers erzeugten Embryo im Hinblick auf die Voraussetzungen zu differenzieren, die an eine Würdeverletzung zu stellen seien. Zumindest dem Grade nach bestimme sich der Schutz der Menschenwürde nach dem Leitbild natürlicher Entwicklungsprozesse und der Divergenz von der natürlichen Entwicklung754. Die Annahme einer Menschenwürdeverletzung könne wegen der fundamentalen Abweichung vom natürlichen Befruchtungsprozess bei gleichzeitigem Verzicht auf jede menschliche Entwicklungsperspektive nur mit allergrößter Zurückhaltung angenommen werden755. Weschka argumentiert, dem SCNT-Embryo in vitro stehe der Schutz der Menschenwürde als Gattungswürde zu756. Dabei handle es sich um eine rein objektive Dimension der Menschenwürde, die nicht mit den sich aus 746

Eser, S. 39 f.; Hetz, S. 172. Weschka, S. 401. 748 Paul, S. 148. 749 Reich in: ZME 2004, 115 (122, 128). 750 Z. B. Chen, S. 76 f. 751 Z. B. Berger, S. 147. 752 Chen, S. 76 f. 753 Berger, S. 197. 754 Herdegen in: JZ 2001, 773 (775). 755 Herdegen in: JZ 2001, 773 (774, 776); Herdegen in: GS Heinze, 357 (364). 756 Weschka, S. 401. 747

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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den subjektiven Grundrechten ergebenden objektiven Schutzpflichten verwechselt werden dürfe, da sie mangels Grundrechtsträgerschaft hinter diesen zurückbleibe. (c) Stellungnahme Klärungsbedürftig ist damit, ob die Befruchtung substituierbar ist und Menschenwürdeschutz auch Nukleustransfer-Klonen zukommen kann. Eine Grundrechtsträgerschaft scheidet mangels Individuation aus. Das Maß eines etwaigen objektiv-rechtlichen Schutzes würde sich nach den SKIP-Argumenten bemessen. Allerdings ist fraglich, ob diese Theorie im Rahmen des Art. 1 I S. 1 GG auf solche Entitäten Anwendung finden kann, die nicht aus einer Befruchtung hervorgegangen sind. Anders als Art. 2 II S. 1 GG, der an den biologischen Begriff des Lebens – unabhängig von dessen Entstehungsbedingungen – anknüpft, nimmt Art. 1 I S. 1 GG mit der Würde des Menschen auf einen normativen Begriff Bezug. Auf die SKIP-Kriterien kann deshalb nicht losgelöst von ihrem Kontext abgestellt werden. Diese wurden vor dem Hintergrund der Befruchtung entwickelt, sodass die natürliche Entstehungsart stets mitgedachte Voraussetzung bildet757. Zu hinterfragen ist daher, warum bestimmten Kriterien normatives Gewicht beigemessen wird, was hinter dem Kriterium steht und sein Schutzgut ist. Damit hängt die Frage zusammen, welchen Einfluss die Entstehungsbedingungen auf das Selbstverständnis des Menschen und die Zuerkennung von Menschenwürde haben und wie die „menschliche Fortpflanzung“ normativ zu verstehen ist758. (aa) Normative Bedeutung der Fertilisation Auch bei der In-vitro-Fertilisation handelt es sich um einen Fall der assistierten Fortpflanzung. Jedoch entstehen dabei „natürliche“ Embryonen, weil auch sie durch Befruchtung erzeugt wurden. Bei der Technik des Zellkerntransfers hingegen bestehen deutliche Unterschiede, denn hierdurch wird eine Embryonalentwicklung hervorgerufen, die von einer Befruchtung völlig unabhängig ist759. Im Gegensatz zur IVF können durch Nukleustransfer Wesen erzeugt werden, die von der Natur nicht vorgesehen sind, „Wesen, die es nicht gibt“ 760. Es können neue „Typen“ mit menschlichem Genmaterial kreiert werden761. Damit wird ein Bereich des „Menschseins“ berührt, der bisher nicht zur Disposition stand762. Wem 757

Hetz, S. 174. Koch in: Maio/Just, S. 113. 759 Hetz, S. 174. 760 Der Begriff stammt von Anders, S. 21 f.; dazu auch Szaif in: JWE 2000, 53 (54). 761 Hetz, S. 174. 762 Vgl. hierzu die Diskussion im Rahmen der Humangenetik, insbesondere der Genom- und Genanalyse: Cramer; für das Klonen: Vitzthum in: JZ 1985, 201 (208 m. w. N.); Jonas, Technik, Medizin, Ethik, S. 179. 758

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Menschenwürde zusteht, hängt im Wesentlichen davon ab, was man unter einem „Menschen“ versteht, also vom Menschenbild der Verfassung763. (bb) Vereinbarkeit des Nukleustransfers mit dem Menschenbild Zumindest mittelbar tragen die Prinzipien einer Rechtsordnung zu einer bestimmten Vorstellung des Menschen bei: was der Mensch ist, worin er zu schützen ist und welcher Schutz ihm zukommt764. Das Menschenbild ist nichts Abgeschlossenes, sondern wird durch die gegenwärtig überwiegende Auffassung der Gesellschaft reflektiert und ist dadurch Wandlungen unterworfen765. Auch der Begriff der Menschenwürde ist kein statischer766, sondern wird vielmehr durch das zugrunde liegende Menschenbild konkretisiert767. Für neue Fallkonstellationen, die sich mit Hilfe der herkömmlichen Interpretationsansätze nicht handhaben lassen, bedarf es eines Rückgriffs auf das abstrakte Menschenbild. Dieses ist damit der Interpretation der Menschenwürde vorgelagert, was nicht mit dem Rückbezug auf die Gattung Mensch als möglichen Menschenwürdeträger zu verwechseln ist768. Klonen stellt keine Fortpflanzungsmethode der Säugetiere dar. Fortpflanzungsart des Menschen ist die sexuelle Reproduktion, die keiner menschlichen Entscheidung unterliegt, sondern den Regeln der Natur, nämlich der zufälligen Neukombination von mütterlichen und väterlichen Genen769. Biologisch betrachtet ist für das Klonen charakteristisch, dass keine Befruchtung stattfindet770, welche durch die Neukombination zweier haploider Chromosomensätze unterschiedlicher geschlechtlicher Herkunft nach der Meiose und einer Durchmischung des Erbmaterials beim „Crossing-over“ gekennzeichnet ist771. Insofern macht die gemischt-geschlechtliche Herkunft sowie die Entstehung durch Befruchtung und zufallsbedingte Neukombination von väterlichem und mütterlichem Erbgut das spezifische Wesen des Menschen aus772. Sowohl die menschliche Artnatur als auch die jeweilige individuelle Natur eines jeden Menschen beruhen auf einer Kette von Zufällen773. Menschsein ist gekennzeichnet durch Einmaligkeit und

763

Böckenförde, S. 34. Dazu umfassend aus rechtshistorischer Perspektive: Böckenförde, S. 5. 765 Hetz, S. 175. 766 Benda in: NJW 2001, 2147 (2148). 767 Zum Einfluss des Menschenbildes auf den Wesensgehalt der Grundrechte GeddertSteinacher, S. 186. 768 Hetz, S. 175; kritisch dazu Iliadou, S. 126. 769 Ausführlich Kass, S. 313. 770 Hetz, S. 175. 771 Vgl. Teil 2: A. II. 772 Koch in: Maio/Just, S. 113; Sackowsky, S. 58; Szaif in: JWE 2000, 53 (54); vgl. Spaemann in: ZEIT Dokument Stammzellen 1/2002, S. 71. 773 Hetz, S. 176. 764

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Unwiederholbarkeit774. Das durch Zellkerntransfer erzeugte Wesen hat nicht an der evolutionär bedingten Fortpflanzung teilgenommen775. Beim Klonen ist Menschsein im Sinne einer auf zufälliger genetischer Prägung basierenden Individualität mit einer einzigartigen Geschichtlichkeit nicht mehr gegeben776. Die Problematik reicht über die individuelle Dimension weit hinaus: Zwar geht das neuzeitliche Menschenbild vom Ansatz der Individualität aus, erschöpft sich darin aber nicht. So bringt das Bundesverfassungsgericht „individuelles Sein“ in engen Bezug zum „sozialen Sein“ und formuliert, dass das Menschenbild „nicht das eines isolierten souveränen Individuums ist; das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten“777. Für die Beurteilung des Klonens wird das Menschenbild sowohl in horizontalem als auch in vertikalem Sinne relevant778. Die horizontale Dimension bezieht sich auf den Bezug zum anderen Zeitgenossen. Damit berührt das Klonen die gesellschaftliche Basis des Zusammenlebens, nämlich die „verbindliche Letztbegründung menschlicher Gleichheit und Freiheit“779. Es wird in die Symmetriebedingungen zwischen Eltern und Kind eingegriffen und der neu entstehende Mensch in seiner natürlichen Veranlagung – und nicht erst durch die Erziehung – vom planenden Willen eines anderen geprägt780. Die Abhängigkeit von den Genen ist mit Einflüssen von außen nicht vergleichbar, denn während man sich von Letzteren distanzieren kann, steht die eigene genetische Grundausstattung dem Menschen nicht gegenüber, sondern bildet seinen ureigenen Kern und ist mit ihm ein Leben lang verbunden. Insofern wird in einen Bereich eingegriffen, der beim nicht geklonten Mensch „Zone der Unverfügbarkeit“ ist781. Die vertikale Perspektive wird in einem zeitlichen Sinne dahingehend verstanden, dass der Mensch Glied einer Genera­ tionskette ist782. Aus dieser Sicht wird auf der einen Seite die Geschichtlichkeit des Menschen berührt, auf der anderen Seite die Generationskette unterbrochen, weil die Spenderzelle auch beispielsweise foetaler Herkunft sein kann. Zudem kann vom Grundsatz der gemischt-geschlechtlichen Elternschaft abgewichen werden, sodass die Vorstellungen von Elternschaft verändert werden783. Während die Zuweisung eines Genoms sich in vertikaler Perspektive auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind bezieht, strahlt das der gemischt-geschlecht 774

Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 46. Hetz, S. 176. 776 Hetz, S. 176; Gröner, S. 300 m. w. N. 777 BVerfGE 4, 7 (15). 778 Hetz, S. 177. 779 Geddert-Steinacher, S. 39. 780 Siep in: APZ 1999, 22 (25). 781 Habermas in: DIE ZEIT v. 19.02.1998; Zypries, Rede vom 29.10.2003. 782 Eser, S. 198 f. der den Begriff der „Kohiminität“ für die transindividuelle Dimension des Menschseins einführt. 783 Zum Folgenden: Hetz, S. 177 f. 775

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lichen Herkunft auf die horizontale Dimension aus. Durch die Berücksichtigung dieser Dimensionen wird deutlich, dass Meiose und Befruchtung allein nicht entscheidend sein können: Ein Abstellen auf das verfassungsrechtliche Menschenbild erfordert eine Differenzierung nach der Klonmethode. Auch bei der Abspaltung einer totipotenten Zelle und dem Embryonensplitting kommt es zur Zuweisung eines Genoms, jedoch ist in dieser neuen Generation bereits eine Befruchtung erfolgt, sodass die auf diese Weise entstehenden Klone der natürlichen Mehrlingsbildung ähneln784. Ebenso ist die Befruchtung mittels zweier künstlicher Keimzellen unter Beachtung des Gesamtkontextes mit dem Menschenbild des GG zu vereinbaren785. Bei der Parthenogenese reifer Eizellen liegt zwar keine Zuweisung eines Genoms vor und es besteht keine Genomidentität, sodass dem Zufallsprinzip entsprochen wird. Die Bedingung der gemischt-geschlechtlichen Herkunft wird aber nicht erfüllt. Folglich ist in vertikaler Dimension die Generationskette unterbrochen, auch wenn in horizontaler Sicht die Voraussetzungen der Gleichheit und der menschlichen Freiheit nicht berührt werden786. Denn es wird dem entstehenden Individuum erschwert, sich als „Gattungswesen Mensch“ zu verstehen787. Noch weniger entspricht das Klonen durch Zellkerntransfer mangels zufälliger Neukombination der Gene und möglicherweise nicht gemischt-geschlechtlicher Herkunft dem Menschenbild des Grundgesetzes788. (cc) Zweifelhafte Entwicklungsfähigkeit und -bestimmung bis zur Geburt Die Problematik vertieft sich beim therapeutischen Klonen. Befürworter einer Vorwirkung von Grundrechten führen aus, dass der Menschenwürdeschutz erst mit der Nidation einsetze und gar nicht dem Embryo selbst gelte; vielmehr werde die Menschenwürde auf das künftig zu gebärende Leben bezogen und dem potenziellen Träger vorgeordnet, gleichsam auf dessen zukünftiges Leben projiziert789. Soll sich die Entität bestimmungsgemäß gar nicht bis zur Geburt entwickeln, sondern zur Stammzellengewinnung verwendet werden, mache eine derartige Rückprojizierung keinen Sinn. Nur der Embryo in utero könne als „potenzieller“ Mensch betrachtet werden, nicht aber der SCNT-Embryo in vitro, weil sich dieser 784

Hetz, S. 179, 187 f. Hetz, S. 178. 786 Hetz, S. 178 mit dem Hinweis darauf, dass sich das Imprinting in unterschiedlicher Weise auswirken kann (FN. 291). 787 Hofmann in: JZ 1986, 253 (260). Diese Argumentation bezieht sich in erster Linie auf den reproduktiven Klon. 788 Hetz, S. 179. 789 Rosenau in: FS Schreiber, 761 (776); Rosenau in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, 135 (146); ähnlich Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 145 a, 223 a; ähnlich auch Wendlandt, S. 130 f., 144 f., der allerdings als konstitutives Merkmal für die subjektive Würdefähigkeit das Einsetzen der Hirnfunktionen auf einem gewissen, nicht unverhältnismäßig hohen Niveau vorschlägt. 785

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ohne Implantation gerade nicht (mehr) zu einem menschlichen Organismus entwickeln könne. Damit entfalle das Argument der Potenzialität: Die Entitäten würden jedenfalls kein aktuelles, sondern allenfalls virtuelles Potenzial aufweisen. Andere argumentieren, die Menschenwürde könne diesen Embryonen nicht mit dem Argument abgesprochen werden, sie seien überhaupt nie dazu bestimmt gewesen, zum geborenen Menschen heranzureifen. Das willkürliche Eröffnen oder Verschließen von Entwicklungs- und Lebensperspektiven durch andere, die über die „Bestimmung“ oder „Nichtbestimmung“ zur Heranreifung entscheiden, könne nicht entscheidendes Kriterium für Art. 1 I S. 1 GG sein. Ansonsten könnten andere Menschen über die Würdefähigkeit menschlicher Wesen befinden790. Da es sich auch bei dem durch Zellkerntransfer erzeugten Embryo um menschliches Leben handelt, müsse diesem auch Menschenwürde zukommen791. Dass eine Entwicklung bis zur Geburt von vornherein nicht beabsichtigt ist, führe nur dazu, dass die Vorwirkung der Menschenwürde geringer ausgeprägt sei792. Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Die Situation des Klonens unterscheidet sich von Konstellationen, in denen ein Mensch dem anderen die Menschenwürde absprechen will. Beim therapeutischen Klonen geht es nicht um das Vorenthalten einer Entwicklungsperspektive, sondern um die Erzeugung eines Lebewesens zum Zwecke der Gewinnung bestimmter Zellen und Gewebe. Die solchermaßen künstlich hergestellte Totipotenz kann nicht zur Zuerkennung von Würde führen. Auch durch Reprogrammierung von Körperzellen können totipotente Entwicklungsstadien erzeugt werden, sodass es neben der natürlichen Totipotenz frühembryonaler Zellen gleichfalls künstlich herstellbare Totipotenz gibt. Für künstlich reprogrammierte Zellen Würdeschutz behaupten zu wollen, ist jedoch sinnwidrig, zumal es bereits immer schwieriger wird, diesen für „natürliche“ Totipotenz aufrechtzuerhalten, weil die Grenzen zwischen „natürlich“ und „künstlich“ immer unschärfer werden793. Modallogisch kann man sagen, dass ein aufgrund von Totipotenz „potenzieller“ Mensch noch kein „wirklicher“ Mensch sei; relationale Modi (unmöglich, möglich usw.) können lediglich Grade von Wahrscheinlichkeit zum Ausdruck bringen794. Ferner liefe es auf einen genetischen Reduktionismus hinaus, „Mensch“-Sein und Würdeschutz einseitig auf eine im embryonalen Genom verankerte Identität und Potenz abzustützen. Zu bedenken ist auch, dass der Rekurs auf die Totipotenz in  § 8 I  ESchG  zustande gekommen ist, bevor die heutigen 790 Vgl. Hillgruber in: Seubold, S. 87, 102 f; Braun in: Kettner, S. 81, 86; Epping/Hillgruber in: Beck’scher OK, Art. 1 I, Rn. 62. 791 Berger, S. 196 f., insbesondere 209. 792 Ipsen in: NJW 2004, 268 (269); Ipsen in: JZ 2001, 989 (996); vgl. auch Zypries, Rede vom 29.10.2003, ERK, Kom.-Drs. 15/80, S. 4: Solange sich der Embryo in vitro befinde, fehle ihm eine wesentliche Voraussetzung dafür, sich aus sich heraus zum Menschen oder – mit den Worten des BVerfG – „als“ Mensch weiterzuentwickeln; die nur abstrakt bestehende Möglichkeit, sich in diesem Sinne weiterzuentwickeln, reiche für die Zuerkennung von Menschenwürde nicht aus. Sehr kritisch dazu Beckmann in: ZfL 2003, 128 f. 793 Vgl. Beier et al. in JRE 2010, 68 (75 f.). 794 Vgl. Beier et al. in JRE 2010, 68 (75 f.).

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Kenntnisse zur Epigenetik und die neuartigen Optionen der De- oder Reprogrammierung von Zellen bekannt waren795. Künstlich und asexuell erzeugte Totipotenz stellt keine hinreichende Bedingung für die Menschenwürdegarantie dar796. Auch wenn man davon ausgeht, dass es sich hierbei um menschliches Leben handelt, bedeutet dies nicht, dass allein an die Fähigkeit der Zelle zur Totipotenz den verfassungsrechtlichen Menschenwürdeschutz auslöst. Mit der Totipotenz wird die Potenzialität beschrieben, die zwar einen Anknüpfungspunkt bildet und ein Kriterium rechtlicher Schutzwürdigkeit darstellt, jedoch nur notwendige und nicht hinreichende Bedingung für die Zuerkennung von Menschenwürde ist797. Seinem Sinn nach gehört die Menschenwürde zum Kontext der Reproduktion und dieses Menschenbild bildet den Orientierungsmaßstab; atypisch erzeugte Totipotenz allein ist nicht Würde begründend798. (dd) Fertilisation als Grundrechtsvoraussetzung des Art. 1 I S. 1 GG Nach alledem kann die Befruchtung als eine Art Grundrechtsvoraussetzung des Art. 1 I S. 1 GG gesehen werden799. Mit einer solchen meint man rechtliche oder reale Faktoren, von denen die effektive Geltung der Norm oder die Möglichkeit ihrer praktischen Wahrnehmung abhängt, die jedoch nicht Bestandteil der Grundrechtsnorm selbst ist und nicht zu ihren Schranken zählt800. Damit wird auf die rechtliche und reale „Umwelt“, in der die Normen existieren, verwiesen und der grundrechtliche mit dem außergrundrechtlichen Bereich verknüpft801. Von daher lässt sich die Grundrechtsvoraussetzung mit der Geschäftsgrundlage eines privatrechtlichen Vertrages vergleichen802. Die Geltungsvoraussetzung wirkt sich einerseits auf Reichweite und Inhalt und Intensität der Norm aus, auf der anderen Seite strahlt die Norm selbst auf ihre Voraussetzungen aus und vermittelt ihnen „akzessorischen Verfassungsrang und Bestandsschutz“803. Die Entstehung durch zufällige gemischt-geschlechtliche Neukombination ist Geltungsvoraussetzung dafür, dass die Menschenwürdevoraussetzung an diesen Zeitpunkt anknüpfen kann804. 795

Papier, in: FS Starck, 2007, S.  381; vgl. auch Knoepffler,  in: Reproduktionsmedizin, S. 177; Günther in: Günter/Taupitz/Kaiser, S. 281 f.; Rehmann-Sutter, S 835; Kreß, Medizi­ nische Ethik 2002, S. 165 f., 168 f. 796 Fisahn in: ZRP 2001, 49 (51). 797 Hetz, S. 180 f. 798 Hetz, S. 181. 799 Hetz, S. 178. 800 Isensee in: Isensee/Kirchhof, HbStR, Bd. V, § 115, Rn. 7. 801 Isensee in: Isensee/Kirchhof, HbStR, Bd. V, § 115, Rn. 8. 802 Isensee in: Isensee/Kirchhof, HbStR, Bd. V, § 115, Rn. 8. 803 Isensee in: Isensee/Kirchhof, HbStR, Bd. V, § 115, Rn. 19, wobei fraglich sei, wer die Voraussetzungen zu garantieren habe, denn auf der einen Seite liege hier eine Aufgabe des Staates vor, auf der anderen lebe der Staat von Voraussetzungen, die er selbst – um der Freiheit willen – nicht garantieren könne; vgl. zu diesem Ansatz auch Vitzthum in: JZ 1985, 201 (201). 804 Ähnlich Iliadou, S. 132.

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Auffassen lässt sich dies als eine Art Rückbesinnung auf das von Dürig formulierte Selbstverständnis805: „Wer von Menschen gezeugt wurde (…), nimmt an der Würde des Menschen teil“806, wobei zu betonen ist, dass von gezeugt gesprochen wird und nicht etwa von erzeugt. (d) Ergebnis Die Ausführungen zum Menschenbild des Grundgesetzes zeigen, dass sich die rechtliche Diskussion nicht allein in den ethischen SKIP-Argumenten erschöpft. Im Rahmen der Artspezifität ist insbesondere die Potenzialität notwendige Voraussetzung, um den verfassungsrechtlichen Schutz zu eröffnen, ohne aber schon hinreichende Bedingung zu sein, an der Menschenwürdegarantie teilzuhaben807. Weitere spezifische Kriterien für die Bewertung von durch Zellkerntransfer erzeugten Entitäten sind die Geschichtlichkeit, Einmaligkeit und Nichtwiederholbarkeit des Menschen sowie die Entstehung mittels zufallsbedingter Neukombination von Chromosomensätzen gemischt-geschlechtlicher Herkunft808. Zudem muss, was bei allen Entitäten in vitro gilt, die fehlende leibliche Koexistenz mit der Mutter berücksichtigt werden, welche das ungeborene Leben wesentlich charakterisiert809 und ohne die und deren epigenetische Faktoren eine weitere Entwicklung des Embryos zum Menschen gar nicht möglich ist. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Menschenwürdeargument seinem Sinn nach zum Kontext der Reproduktion gehört. Deshalb kommt Menschenwürde „fortpflanzungsgeeigneten“810 Embryonen zu, zu denen neben den mittels In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryonen auch solche gehören, die durch Embryonensplitting oder Abspaltung einer totipotenten Zelle entstanden sind811. Aufgrund der Relevanz der Entstehungsbedingungen müssen die SKIP-Kriterien für die Bewertung des Status ungeborenen Lebens – vor allem im extrakorporalen Stadium – unterschiedlich gewichtet werden. Denn in einem Fall knüpfen sie an die Befruchtung an, im anderen an die Entstehung durch Zellkerntransfer. Die Befruchtung bildet im Frühstadium die Bedingung für die Begründung der Menschenwürdegarantie812. Bei Zellkerntransferklonen ist die atypische Entstehungsart so prägend, dass die daraus entstandenen Entitäten nicht dem Schutzbereich der Menschenwürde unterfallen und ihnen allenfalls nach dem (zu verbietenden) Transfer Menschenwürde zukommen kann813. 805

Hetz, S. 179. Dürig in: AöR 1956, 117 (126). 807 Hetz, S. 205. 808 Hetz, S. 205. 809 Hetz, S. 205. 810 Koch in: Maio/Just, S. 115. 811 Hetz, S. 205. 812 Hetz, S. 180. 813 Hetz, S. 180, 188. 806

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(7) Würdeschutz von Mensch-Tier-Zybriden in vitro (Art. 1 I S. 1 GG) Schließlich ist zu entscheiden, ob Mensch-Tier-Zybriden unter den Würdeschutz des Art. 1 I S. 1 GG fallen. Die Überlegungen, die zur Bewertung des Zellkerntransfer-Klons angeführt wurden, lassen sich dahingehend abstrahieren, dass künstlich erzeugte Totipotenz keine ausreichende Bedingung für die Menschenwürdegarantie darstellt814. Die fehlende Befruchtung führt dazu, dass diese Entitäten in vitro nicht als Embryonen qualifiziert werden können, die dem Schutzbereich des Art. 1 I S. 1 GG unterfallen, unabhängig davon, ob man eine menschliche oder eine tierische Eizelle verwendet. Losgelöst davon, wie man das Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit bewertet, kommt dem Mensch-Tier-Zybriden vor dem – zu verbietenden – Transfer kein Menschenwürdeschutz zu. (8) Würdeschutz humaner IVF-Embryonen in utero (Art. 1 I S. 1 GG) Nach dem Transfer wandelt sich das Entwicklungspotenzial des IVF-Embryos von (nur) passiver in eine aktive Potenzialität. Ab der Implantation in die Gebärmutter unterscheidet sich der künstlich erzeugte Embryo nicht mehr von dem natürlich entstandenen. Mit der Individuation wird auch der IVF-Embryo zum Träger der Menschenwürde aus Art.  1 I S.  1 GG. Sein Würdeanspruch steigt mit fortschreitender Entwicklung im Laufe der Schwangerschaft in seiner Intensität an815. (9) Würdeschutz humaner SCNT-Embryonen in utero (Art. 1 I S. 1 GG) Die Entstehungsart bildet den Ausgangspunkt für den Beginn neuen Lebens; für die Zuerkennung der Menschenwürde müssen allerdings weitere Voraussetzungen hinzukommen. Es stellt sich die Frage, wie der Status des humanen SCNTEmbryos zu beurteilen ist, wenn er – verbotenerweise – auf eine Frau übertragen wird oder es sogar zur Geburt eines Klons kommt816. Den abweichenden Entstehungsbedingungen kommt zu einem späteren Zeitpunkt nicht das gleiche Gewicht bei der Zuerkennung der Menschenwürde zu wie im Anfangsstadium vor der Übertragung auf eine Frau817. In der extrakorporalen Daseinsform ist der Befruchtung das entscheidende Gewicht beizumessen, weil diese im Frühstadium die Bedingung für die Begründung der Menschenwürdegarantie bildet818, deren 814

Fisahn in: ZRP 2001, 49 (51). Vgl. Zu steigenden Intensität des Würdeschutzes Teil 4: I. 3. a) aa) (1) (c) (dd). 816 Hetz, S. 179. 817 Hetz, S. 179. 818 Vgl. Hetz, S. 180. 815

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Leitbild der geborene Mensch ist. Im frühen extrakorporalen Stadium stellt die Entstehungsart den einzigen tatsächlichen Anhaltspunkt dar, aus dem sich die möglichen normativen Kriterien wie das der Kontinuität und der passiven Potenzialität ergeben819. Beim SCNT-Embryo in vitro weicht durch die Entstehungsart als dominierendes Kriterium das menschliche Leben massiv von den Vorstellungen der Natur ab, sodass die Entstehung durch Zellkerntransfer kein vollständiges Äquivalent zur Befruchtung bildet820. Die atypische Entstehungsart ist so prägend, dass die daraus entstandenen Entitäten in ihrer extrakorporalen Daseinsform nicht dem Schutz der Menschenwürde unterstehen821. Nach dem Transfer werden die atypischen Entstehungsbedingungen derart überlagert, dass dieser schutzbegründend wirkt822. Denn nach dem Transfer in die Gebärmutter einer Frau treten der Bezug zum mütterlichen Organismus und damit andere normative Kriterien hinzu, sodass insbesondere statt passiver Potenzialität nunmehr aktive Potenzialität besteht. Der transferierte Klon hat nun dieselben Voraussetzungen wie der IVFEmbryo, sodass die abweichende Entstehungsart dahingehend „relativiert“ wird, dass ihr nicht mehr entscheidendes Gewicht beigemessen werden kann823. Der fortpflanzungsfremde Beginn mündet in typisch menschliche Fortpflanzungswege ein und richtet sich ab diesem Zeitpunkt nach deren Vorgaben824. Das atypisch erzeugte Leben wird durch die spezifisch menschlichen Entwicklungsbedingungen geprägt, sodass der Transfer für den Zellkerntransfer-Embryo statusbegründend ist825: Bei diesen Wesen lehnt sich die Menschenwürdegarantie zeitlich an den Transfer in den mütterlichen Organismus an826. Der SCNT-Embryo wird mit der Individuation nach der Implantation in die Gebärmutter zum Grundrechts­träger des Art. 1 I S. 1 GG. (10) Würdeschutz von Mensch-Tier-Zybriden in utero (Art. 1 I S. 1 GG) Möglicherweise kommt auch dem Mensch-Tier-Zybriden durch die Implantation in eine Gebärmutter mit der Individuation Würdeschutz zu, indem er Träger der Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG wird oder zumindest vom objektiv-rechtlichen Gehalt dieser Norm geschützt wird. Im Unterschied zum humanen SCNTEmbryo ist der Mensch-Tier-Zybride durch den Transfer einer menschlichen Körperzelle in eine tierische Eizelle entstanden. Damit verbunden sind zwei Probleme: zum einen das der unklaren Spezieszugehörigkeit, zum anderen, dass aus 819

Hetz, S. 179. Hetz, S. 179 f. 821 Hetz, S. 180, 188. 822 Hetz, S. 188; 205. 823 Vgl. Hetz, S. 180. 824 Hetz, S. 180. 825 So im Ergebnis Hetz, S. 188; Herdegen in: JZ 2001, 773 (775); Koch in: Maio/Just, S. 114. 826 Herdegen in: JZ 2001, 773 (775; Hetz, S. 180). 820

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biomedizinischer Sicht höchst zweifelhaft ist, ob sich der Mensch-Tier-Zybrid tatsächlich zu einem vollständigen Individuum entwickeln kann. (a) Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit Nicht abschließend klären lässt sich momentan, ob ein Mensch-Tier-Zybrid der Spezies Homo Sapiens zugeordnet werden kann. (aa) Argumente gegen eine Qualifikation als menschlich Für eine Einordnung des Mensch-Tier-Zybriden als Tier kann nur die Tatsache sprechen, dass die Ausgangsmaterialien, aus denen es erzeugt wurde, wegen der Eizellhülle zu 95 Prozent tierisch sind. Durch eine Xenotransplantation, bei der tierische Organe oder Gewebe auf einen Menschen übertragen werden, würde aber auch niemand auf die Idee kommen, die Qualität als Mensch in Frage zu stellen, selbst wenn der Anteil tierischer Substanz mehr als 50 Prozent ausmachen würde. Denn dadurch ändert sich qualitativ nichts am Menschsein, weil die genetische Zusammensetzung und alle Befähigungen und Eigenschaften erhalten bleiben. (bb) Argumente für eine Qualifikation als menschlich Vorzugswürdig scheint es deshalb, auf die Gene abzustellen. Das Spezieskriterium verlangt, dass die Entität ein spezifisch menschliches Genom aufweist. Das Erbgut des Mensch-Tier-Zybriden ist allerdings nur zu 99,9 Prozent menschlich. Daher muss gefragt werden, ob die Verfassung eine einhundertprozentig menschliche Genausstattung für den Schutz aus Art. 1 I S. 1 GG verlangt. Vergleichen lässt sich die Situation allenfalls mit embryonalen Mensch-Tier-Chimären, weil auch bei diesen Gene sowohl der einen als auch der anderen Art vorhanden sind. Allerdings sind die prozentualen Anteile dort weit weniger deutlich verteilt als bei einem Mischwesen mit 99,9 Prozent menschlichen Genen. Es stellt sich die Frage, worin der Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht. Der Auffassung, der Mensch müsse allein wegen seiner biologischen Verfasstheit anders eingestuft werden als das Tier („Speziesismus“)827, wird entgegengehalten, dass es genetisch kaum Differenzen gibt zwischen Mensch und Affe oder Maus, sondern dass es um den Unterschied geht, den der „Geistcharakter“ des Menschen mit seiner Fähigkeit zur Selbstverantwortung und Selbstbestimmung ausmacht. Dabei müssen diese Eigenschaften noch nicht voll ausgeprägt, sondern lediglich angelegt sein wie in einem Embryo828. Dies spricht dafür, der 0,1-prozentigen Abweichung 827

Merkel in: Damschen/Schönecker, S. 39. Beck, S. 31.

828

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in der genetischen Ausstattung kein allzu großes Gewicht beizumessen. Mangels empirischer Informationen über die Auswirkungen des tierischen Anteils an der DNA lässt sich zurzeit kein fundiertes Urteil darüber fällen, ob es sich bei MenschTier-Zybriden um würdefähige Entitäten handelt. Das Problem der Spezies­ zugehörigkeit bleibt ungeklärt. Die 0,1-prozentige Abweichung in der DNA des Zybrides sollte deshalb jedenfalls nicht zum alleinigen Ausschlusskriterium für die Zuerkennung von Würdeschutz sein. (b) Problem der zweifelhaften Entwicklungsfähigkeit Hinzu kommt noch das Problem der zweifelhaften Entwicklungsfähigkeit eines Mensch-Tier-Zybriden. Für Positionen, die den verfassungsrechtlichen Status von Embryonen von ihrem Potenzial zur Entwicklung in einen Menschen oder ein Wesen, das moralisch relevante Charakteristika aufweist, abhängig machen, hängt ihr Status von der Frage ab, ob die Embryonen fähig sind, sich in einen Menschen oder ein Wesen mit moralisch relevanten Charakteristika zu entwickeln oder eben nicht829. Bei Mensch-Tier-Zybriden gibt es noch keine klare Meinung darüber, wie lange diese lebensfähig sind und ob sie somit dieses Vermögen aufweisen830. Naturwissenschaftler halten es für nahezu ausgeschlossen, dass ein MenschTier-Zybride bis zur Geburt heranreifen kann. Die nur theoretische und unwahrscheinliche Möglichkeit, dass ein Mensch-Tier-Zybride zu einem Wesen werden kann, das als „Mensch“ im Sinne des Art. 1 I S. 1 GG zu qualifizieren ist, reicht in seiner extrakorporalen Daseinsform lediglich aus, einen stark reduzierten objektiv-rechtlichen Menschenwürdeschutz auszulösen. Wissenschaftler bezweifeln bereits die Fähigkeit des Mensch-Tier-Zybriden zur Nidation. Gelingt es dem Zybriden tatsächlich, sich in einen weiblichen Uterus zu implantieren, so muss man – gewissermaßen vorsorglich – zumindest bis zu dem Beweis des Gegenteils, der kaum zu führen sein wird, davon ausgehen, dass die Entität geboren werden kann und somit aktive Potenzialität im Sinne einer von der Befruchtung abstrahierten SKIP-Theorie aufweist. Aufgrund der unsicheren Entwicklungsperspektive und der somit geringer einzustufenden Potenzialität sowie der unklaren Spezieszugehörigkeit ist der Mensch-Tier-Zybride allerdings noch weiter vom Leitbild des geborenen Menschen entfernt als der rein menschliche Nukleustransfer-Embryo in utero. Er kann daher nicht Grundrechtsträger des Art. 1 I S. 1 GG sein. Jedoch wächst mit der Implantation in die Gebärmutter der objektiv-rechtliche Schutzgehalt, wobei er schwächer ausgeprägt bleibt als beim humanen SCNT-Embryo. Im Rahmen der Abwägung zur Feststellung einer Menschenwürdeverletzung tritt er also noch eher hinter anderen verfassungsrechtlichen Werten zurück.

829

Fiester/Düwell in: Taupitz/Weschka, S. 70. Beck, S. 28.

830

330

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(c) Ergebnis Durch die Implantation in die weibliche Gebärmutter wird ein Mensch-Tier-­ Zybrid nicht zum Grundrechtsträger des Art.  1 I S.  1 GG. Jedoch beginnt durch den Transfer der objektiv-rechtliche Schutz der Menschenwürde, weil dem Mensch-Tier-Zybriden nunmehr aktive Potenzialität zukommt. Da diese schwächer ist als beim humanen SCNT-Embryo, bleibt die objektiv-rechtliche Schutzinten­ sität hinter dem (subjektiv-rechtlichen) Schutz des SCNT-Embryos zurück. Durch die objektiv-rechtliche Menschenwürdegarantie wird der Zybride vor Tabuverletzungen geschützt831, denn er darf aufgrund der theoretischen Möglichkeit, dass er sich bis zur Geburt entwickelt, nicht völlig schutzlos gestellt werden. Dabei orientiert sich die Menschenwürdegarantie am Entwicklungsstand des Zybrid-Embryos und wächst parallel mit seiner fortschreitenden Entwicklung832. (11) Würdeschutz des geborenen Menschen (Art. 1 I S. 1 GG) Grundrechtsträger ist jeder Mensch (jedenfalls) von der Geburt bis zum Tod833. Den Würdeanspruch eines Menschen berühren die Modalitäten seiner Entstehung nicht. Die Würde des Menschen ist unantastbar und sie steht jedem Menschen zu, unabhängig davon, ob er natürlich oder künstlich mittels In-vitro-Fertilisation erzeugt worden ist. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts stellt jeder Eingriff in den Schutzbereich eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Menschenwürdeverletzung dar834. Als Höchstwert der Verfassung (vgl. Art. 79 III GG) unterliegt die Menschenwürde keinen Beschränkungsmöglichkeiten. Der kategorische Würdeschutz kommt allen Menschen in gleicher Weise zu. (12) Würdeschutz des geborenen Klons (Art. 1 I S. 1 GG) Weil die Entstehungsart für die Zuschreibung von Würde irrelevant ist, würde auch ein geborener menschlicher Zellkerntransfer-Klon als „Mensch“ zu qualifizieren sein und unterfiele der Garantie der Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG, was beinahe einhelliger Auffassung entspricht835. Er wäre Grundrechtsträger und in vollem Maße schutzwürdig. 831

Hetz, S. 205; Tabuverletzung im Sinne einer (evidenten) Menschenwürdeverletzung. Hetz, S. 205. 833 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 52. 834 BVerfGE 75, 369 (380). 835 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 53; Frankenberg, in: KJ 2000,325 (329); Isensee in: FS Hollerbach, 2001, 253 (254); Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 41: Sollte es jedoch entgegen dem Verbot des Fortpflanzungsklonens zur Geburt eines Klons kommen, so würde die Art seiner Entstehung es dennoch nicht rechtfertigen, ihm die Menschenwürde abzusprechen. 832

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(13) Würdeschutz des geborenen Mensch-Tier-Mischwesens (Art. 1 I S. 1 GG) Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Frage nach der Eröffnung des personalen Schutzbereichs des Art. 1 I S. 1 GG bei einem geborenen Mensch-TierMischwesen. Da ein voller Lebens- und Menschenwürdeschutz des geborenen menschlichen Klons einhellige Auffassung836 ist, kann die Erzeugungsart durch Zellkerntransfer der Qualifikation des Mischwesens als „Mensch“ im Sinne von Art. 1 I S. 1 GG nicht entgegenstehen. Darüber hinaus würde mit der Geburt klar, dass der Mensch-Tier-Zybrid sich zu einem vollständigen Organismus entwickeln kann, was sich aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht vorhersagen lässt und für sehr unwahrscheinlich gehalten wird. Das Problem des unsicheren Entwicklungspotenzials wäre mit der Geburt aber gewissermaßen „aus der Welt geschafft“. (a) Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit Als schwer lösbar erweist sich allerdings auch nach der Geburt das Problem der unklaren Spezieszugehörigkeit. Träger der Menschenwürde ist jede geborene Person kraft Zugehörigkeit zur Spezies Mensch837. Dabei gelten andere Anforderungen als bei der Diskussion um die Problematik der unklaren Spezieszugehörigkeit im Rahmen der Frage nach dem Lebensschutz von Mensch-Tier-Zybriden. Die biologische Klassifikation allein ist für die Beurteilung, ob ein Mischwesen dem Würdeschutz unterfällt, wenig hilfreich838. Gesetzesbegriffe sind normative Begriffe839, sodass eine biologische Einordnung zur Gattung Homo Sapiens nicht zwingend zu einer rechtlichen Einstufung als Mensch und damit als Träger subjektiver Rechte führt. Die Bedeutung rechtlicher Begriffe wird weder von den Naturwissenschaften noch vom Alltagssprachgebrauch bestimmt840. Die Verfassung kennt nur die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier, Zwischenformen sind ihr fremd. Insofern muss eine Zuordnung notfalls „erzwungen“ werden, solange das Grundgesetz zu der speziellen Mischwesen-Problematik schweigt. Jede Definition des spezifisch Menschlichen beinhaltet von vornherein eine Negation des Tierischen841. Demzufolge benötigt der Mensch das Tier, um sich selbst zu definieren842. Die Mensch-Tier-Grenze ist konstitutiv für unsere Gesellschaft und entscheidet darüber, wer zum Kreis der privilegierten Rechtssubjekte zählt, wobei neue technische Verfahren die aktuelle Grenzziehung in Frage stellen843. Das 836

Vgl. hierzu Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 54. Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 52. 838 Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 195. 839 Merkel, S. 26. 840 Merkel, S. 26. 841 Kollek in: Deutscher Ethikrat 2011, S. 126 f. 842 Kollek in: Deutscher Ethikrat 2011, S. 126. 843 Kollek in: Deutscher Ethikrat 2011, S. 127. 837

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Speziesargument basiert auf der Feststellung, dass aus menschlichem Samen und menschlicher Eizelle immer ein Mensch entsteht und dem Menschen als Menschen Würde zukommt. Mensch zu sein ist danach die maßgeblich Würde stiftende Eigenschaft, und zwar ganz unabhängig davon, welche tatsächlichen aktuellen Eigenschaften ein Wesen hat844. Nicht nur Art. 3 GG, sondern auch Art. 1 I GG wäre verletzt, wenn die deutsche Rechtsordnung die grundlegende Rechtsgleichheit aller menschlichen Personen prinzipiell und in schwerwiegender Weise negieren würde, etwa indem Menschen bestimmter Rasse, Hautfarbe, Religion oder bestimmten Geschlechts als „minderwertig“ oder als nicht rechtsfähig angesehen würden845. Auch Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen fallen zweifellos unter den Würdeschutz des Art. 1 I S. 1 GG. Dies gilt auch für alle Arten von Gendefekten wie „Trisomie 21“ („Down-Syndrom“)846. Unbestreitbar ist allen gemeinsam die Zugehörigkeit zur Spezies Mensch. Entscheidendes Unterscheidungskriterium zwischen kranken und geschädigten Menschen und Mensch-Tier-Zybriden ist die Qualifikation als Homo Sapiens. Besonders heikel gestaltet sich die Grenzziehung zwischen Mensch und Tier bei nichthumanen Primaten, denn Studien belegen eine bis zu 99,4-prozentige genetische Gleichheit. Das Erbgut von Mensch und Schimpanse ist – je nach Analysemethode – zu 93,5 bis 99,4 Prozent identisch. Anders ausgedrückt: Im Durchschnitt bleibt ein Unterschied zwischen Schimpanse und Mensch von 1,5 Prozent847. Mensch-TierZybriden weichen in ihrer DNA nur zu 0,1 Prozent von der genetischen Ausstattung eines Menschen ab. Rein quantitativ betrachtet sind die Zybriden also deutlich „näher“ am Menschen als am Tier. Hinzu kommt, dass die Differenz im Erbgut von menschlichen Frauen und Männern zwei bis vier Prozent betragen kann. So gebe es „Paare, bei denen der Mann einem Schimpansenmann ähnlicher ist als seiner Frau“848. Wichtiger als Zahlenverhältnisse sind für das Zuschreiben von Würde jedoch qualitative Eigenschaften und Fähigkeiten. Bei Mensch-Tier-Mischwesen würde sich die Frage nach der genetischen Identität zusammen mit der personalen und sozialen Identität stellen, sollten diese Wesen jemals zur Ausreifung gelangen849. Hier könnten Fähigkeiten wie etwa die Sprachbegabung, das Hineindenken in die Zukunft und das Äußern von Wünschen herangezogen werden. Für eine über die „genetische Verwandtschaft“ hinausgehende Ähnlichkeit zwischen Menschen und Affen haben bereits vor 50 Jahren drei Forscherinnen erste Belege gesammelt: Jane Goodall bei den Schimpansen, Dian Fossey bei den Gorillas und 844

Vgl. Damschen/Schönecker, S. 1. Vgl. BVerfG NJW 2006, 751 (757); ferner Podlech in: AK-GG, Art. 1, Rn. 29 ff; Enders, S. 430 f; Stern in: Staatsrecht IV/1, S. 54. 846 „Trisomie 21“ bezeichnet ein Syndrom beim Menschen, bei dem durch eine Genommutation das gesamte 21. Chromosom oder Teile davon dreifach vorliegen, Pschyrembel, S. 342. 847 Vgl. URL: http://www.rp-online.de/wissen/forschung/maenner-aehneln-affen-mehr-alsfrauen-1.2883383. 848 Vgl. URL: http://www.rp-online.de/wissen/forschung/maenner-aehneln-affen-mehr-alsfrauen-1.2883383. 849 Beck, S. 33 f. 845

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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Biruté Galdikas bei den Orang-Utans. Menschenaffen nutzen Gestensprache und Wortsymbole, um Fragen zu beantworten oder Wünsche auszudrücken850. Zudem sind mittlerweile 30 Arten von Werkzeugen bei Schimpansen bekannt, die sie wie der Mensch nutzen, für den zukünftigen Gebrauch aufbewahren und zur Lösung komplexer Aufgaben einsetzen. Darüber hinaus wurde in zahlreichen Tests bewiesen, dass sie sich ihrer selbst als individuelle Persönlichkeit bewusst sind. Geborene Mensch-Tier-Zybride würden vermutlich nicht oder nur sehr schwer von „normalen“ Menschen zu unterscheiden sein. Gravierender Unterschied zwischen der Ähnlichkeit von Mensch und Primat und Mensch und Zybrid ist, dass Menschen und Affe demselben Evolutionsprozess entstammen, während der Mensch-TierZybrid ein von Menschenhand geschaffenes Wesen darstellt. Die bloße „Unnatürlichkeit“ der Entstehungsweise kann allerdings kein Kriterium sein, zumal auch die In-vitro-Fertilisation eine künstliche Erzeugungsart darstellt. Zum Teil wird an das „In-dubio-pro-vita“-Prinzip angelehnt argumentiert, dass bei Unklarheiten über die „Menscheigenschaft“ stets Menschenwürdeschutz zugesprochen werden müsse851. Gehen aus den durch Zellkerntransfer erzeugten Entitäten ganzheitliche Organismen hervor, müssten diese sinnvollerweise der Gattung Mensch zugerechnet werden852. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nahezu vollständig menschliche DNA zu einer Qualifikation als „Mensch“ führen. (b) Ergebnis Die Geburt eines Mensch-Tier-Mischwesens ist aus naturwissenschaftlicher Sicht höchst unwahrscheinlich und wird bislang von keinem Wissenschaftler angestrebt. Ganz ausschließen lässt sich die Möglichkeit allerdings nicht. Diese Wesen müssten, wenn sie geboren würden, im Zweifelsfall als Menschen qualifiziert werden, sodass ihnen Würde zukäme sowie der Schutz vor Tötung und Verzweckung853, sie wären Grundrechtsträger des Art. 1 I S. 1 GG. Solange kein Mischwesen geboren werden soll, bleibt die Debatte allerdings theoretisch und, um es mit den Worten Reichs zu sagen, „ähnlich zielführend wie die Diskussion über ein Einwanderungsverbot für Marsmenschen“854.

850 Vgl. Zum Folgenden: URL: http://www.rp-online.de/wissen/forschung/maenner-aehnelnaffen-mehr-als-frauen-1.2883383. 851 Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 144. 852 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (95). 853 Beck, S. 316. 854 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 360 nimmt Bezug auf Reich: „Die Regierungen mögen das Menschenklonen verbieten, es bringt nichts und ist vergleichbar zielorientiert wie ein Verbot der Einwanderung von Marsmenschen“.

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cc) Gesamtergebnis zu Status und Schutz von Mensch-Tier-Zybriden (1) Lebensschutz (Art. 2 II S. 1 GG) Festhalten lässt sich, dass Mensch-Tier-Zybriden in vitro ab der Fusionierung vom objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 2 II S. 1 GG geschützt werden, wobei die Intensität des Schutzes geringer anzusetzen ist als bei humanen SCNT- und erst recht bei IVF-Embryonen in vitro. Grundrechtsträgerschaft kommt Mensch-TierZybriden in vitro nicht zu. Mangels Nidation und Individuation handelt es sich (noch) nicht um konkrete Individuen, die als Grundrechtsträger fungieren könnten. Auch durch den Transfer in einen weiblichen Uterus werden sie aufgrund ihrer unsicheren Entwicklungsperspektive und unklaren Spezieszugehörigkeit nicht zu Grundrechtsträgern. Allerdings steigt die Intensität des objektiv-rechtlichen Schutzes an. Gelangt ein Mensch-Tier-Zybride zur Geburt, manifestiert sich damit sein Entwicklungspotenzial, sodass er ungeachtet des geringen tierischen Anteils seiner DNA von 0,1 Prozent zum Grundrechtsträger des Art. 2 II S. 1 GG wird.

(2) Würdeschutz (Art. 1 I S. 1 GG) Ebenso wenig sind Mensch-Tier-Zybriden in vitro Träger des Grundrechts aus Art. 1 I S. 1 GG. Solange sie in der Petrischale verbleiben, wird ihnen aufgrund ihrer atypischen Erzeugungsart durch Transfer eines menschlichen Zellkerns in eine entkernte tierische Eizelle kein Menschenwürdeschutz zuteil. Würde ein Mensch-Tier-Zybride in eine Gebärmutter implantiert, käme ihm objektiv-rechtlicher Schutz aus Art. 1 I S. 1 GG zu, wenn sich seine Nidationsfähigkeit manifestiert. Wegen seiner unklaren Spezieszugehörigkeit sowie der zweifelhaften weiterführenden Entwicklungsfähigkeit bis zur Geburt handelt es sich allerdings nur um einen abgeschwächten Schutz; im Rahmen der Feststellung einer Menschenwürdeverletzung kann dieser mit anderen verfassungsrechtlichen Werten in Abwägung gebracht werden und hinter diesen zurücktreten. Zum Grundrechtsträger des Art. 1 I S. 1 GG wird ein Mischwesen nur durch die – höchst unwahrscheinliche und nicht angestrebte – Geburt.

b) Problem des fehlenden Rechtsgutsträgers zum Zeitpunkt der Erzeugung Die Zybridenforschung zielt zunächst darauf ab, Mensch-Tier-Zybriden herzustellen, um sie anschließend zum Zwecke der Stammzellengewinnung zu nutzen, wodurch die hergestellten Entitäten wieder zerstört werden. Problematisch im Hinblick auf eine staatliche Schutzpflicht für die zu erzeugenden Entitäten ist,

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dass zum Zeitpunkt des Zellkerntransfers noch gar kein konkreter Embryo existiert, der geschützt werden und als Anknüpfungspunkt für individuellen Grundrechtsschutz dienen könnte. So bereitet die verfassungsrechtliche Bewertung der Zybridenforschung unter dem Aspekt Schwierigkeiten, dass die Herstellung des Schutz­gutes selbst in Frage steht855. Für den Mensch-Tier-Zybriden besteht nur die Alternative zwischen geklonter Existenz und keiner Existenz856. Deshalb ist es schwierig, auf eine mögliche Gefährdung des Mensch-Tier-Zybriden abzustellen857. Überall dort, wo die Erzeugung des potenziellen Grundrechtsträgers oder Schutzgutes in Frage steht, ergeben sich neue Schwierigkeiten und möglicherweise Schutzlücken858. „Klassische“ Anwendungsfälle solcher Konstellation sind das Klonen – sowohl zu therapeutischen als auch zu reproduktiven Zwecken859 – sowie die Herstellung extrakorporaler Entitäten für Forschungszwecke durch künstliche Befruchtung860. Einen neuen Anwendungsfall bildet die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden. Allen Konstellationen ist gemeinsam, dass die Entität, die geschützt werden könnte, erst hergestellt wird und dadurch in ihren Rechten verletzt werden könnte861. Zur Lösung der Problematik werden verschiedene Modelle vorgeschlagen. aa) Subjektiv-rechtliche Lösungsansätze: Grundrechtsträgermodelle Das Problem der im Herstellungsakt noch nicht vorhandenen grundrechtsberechtigten Entitäten wurde schon früh von Vertretern des Grundrechtsträgerkonzepts erkannt862. Allerdings erweisen sich alle subjektiv-rechtlichen Lösungsansätze auf Basis des Grundrechtsträgermodells als wenig überzeugend863.

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Gröner in: Günther/Keller, S. 308. Höfling in: Sachs GG, Art. 1 I, Rn. 22. 857 Schütze in: JWE 2000, 302 (310). 858 Hartleb, S. 224. 859 Zum Problem des nicht existenten Subjekts: Hetz, S. 183; Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1157): Rosenau in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, S. 135, 141; Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (261). Anders stellt sich die Situation hingegen beim diagnostischen Klonen, also der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik und der sich anschließenden Stammzell­ entnahme dar, weil hier bereits ein konkreter Embryo existiert und nicht erst erzeugt wird, vgl. Kersten, Klonen, S. 25 f. 860 Berger, S. 196. 861 Weschka, S. 227. 862 Hartleb, S. 224 m. w. N. 863 Hetz, S. 183; Kersten, Klonen, S. 311. 856

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(1) Ausdehnung des Würdeschutzes auf menschliche Keimzellen Eine Möglichkeit besteht darin, bereits die (unbefruchtete und entkernte)  Eizelle unter grundrechtlichen Würdeschutz zu stellen. Die Ausdehnung des Schutzes auf menschliche Keimzellen864 ist mit dem Potenzialitätsargument jedoch unvereinbar – allein ist die Eizelle nicht entwicklungsfähig – und führt zudem zu unlösbaren Abgrenzungsproblemen865. Würde man schon menschlichen Ei- und Samenzellen den Schutz des Art. 1 I S. 1 GG zusprechen, um den Herstellungsakt extrakorporal erzeugter Entitäten zu erfassen, müsste man konsequenterweise auch jede menschliche Körperzelle schützen, weil sie zur Herstellung eines Zellkerntransfer-Klons und damit eines Grundrechtsträgers verwendet werden könnte866. Im Ergebnis würde dies zu einer Überdehnung des verfassungsrechtlichen Würdeschutzes auf humanbiologische Zellstrukturen hinauslaufen, was der individualschützenden Intention des Grundrechtsträgermodells diametral zuwiderliefe und den Grundrechtsschutz ad absurdum führen würde867. Bei der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden hilft diese Argumentation zudem bereits deshalb nicht weiter, weil eine tierische Eizelle verwendet wird. Diese unter Würdeschutz zu stellen, ist vollkommen abwegig, zumal Tiere nicht dem Schutz des Art. 1 I S. 1 GG unterfallen. (2) Recht auf Nichtentstehung aus Grundrechtsvorwirkung Ein zweiter subjektiv-rechtlicher Lösungsansatz postuliert ein „Recht auf Nichtentstehung“ und leitet aus Art. 1 I S. 1 GG ein Verbot „würdewidriger“ Herstellung extrakorporaler Entitäten ab868. Begründen ließe sich dies allenfalls über eine Vorwirkung der Menschenwürde des zu erzeugenden Lebewesens, denn die Figur der Vorwirkung von Grundrechten wertet einen später existierenden Grundrechtsträger als Zuordnungssubjekt, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung ein Rechtsträger fehlt869. Die Anwendung dieses Modells führt dazu, dass die Entstehung des Rechtsträgers selbst verhindert wird870. Viele bezeichnen dieses Ergebnis als geradezu paradox und als logisch widersinnig, von einem noch gar nicht existieren 864

Gröner in: Günther/Keller, S. 293, 315. Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 64. 866 Hartleb, S. 225, Beck, S. 229. 867 Hartleb, S. 225, Beck, S. 229. 868 Neumann, S. 42, 52; speziell für das Klonen Gröner in: Günther/Keller, S. 293, 308. 869 Schneider, S. 217. 870 Eine solche Vorwirkung bejaht Rosenau in: FS Schreiber, 761 (767); kritisch hierzu Frankenberg in: KJ 2000, 325 (330): „Wer die ‚Vorwirkung‘ eines aus der Würde abgeleiteten Rechts auf Individualität betont, impliziert damit den „prophylaktischen Verzicht“ auf die Existenz als Kopie“. Prinzipiell gegen eine Vorwirkung spricht sich aus Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1159): „Auf eine ‚Vorwirkung‘ des Persönlichkeitsrechts der durch Klonierung entstandenen Person lässt sich ebenfalls kaum abstellen; die Annahme derartiger ‚Vorwirkungen‘ würde jegliche rechtliche Grenzziehung gefährden und u. U. sogar ad absurdum führen“. 865

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den Grundrechtsträger ein Recht abzuleiten, das seine Entstehung gerade verhindert871. Das Recht würde sich damit gegen seinen Träger und somit seine ureigene Existenzvoraussetzung richten872. Deshalb halten viele die Individualgrundrechte beim Klonen für nicht einschlägig: Diese könnten keine Schutzpflicht des Staates auf Verhinderung der Entstehung neuen Lebens auslösen873. Andere kommen zu dem entgegengesetzten Ergebnis und bezeichnen es als „keinesfalls paradox“, bejahend auf die Frage zu antworten, ob die Würde eines Menschen durch seine Erzeugung beeinträchtigt werden kann oder, schärfer formuliert, ob man einem potenziellen menschlichen Individuum die Existenz unter Berufung darauf vorenthalten darf, dass man seine Würde achten und schützen müsse874. Begründet wird dies so, dass zwischen Nichterzeugung und Erzeugung sowie zwischen Lebensrecht und Menschenwürde strikt zu trennen sei: Die Nichtzeugung oder Nichterzeugung eines potenziellen Menschen könne niemals dessen Lebensrecht beeinträchtigen, wohingegen seine Zeugung bzw. Erzeugung sehr wohl Rechte, Interessen und die Würde des künftigen Individuums verletzen könne875. Aus Vorwirkungen der Menschenwürde resultiere eine Schutzwürdigkeit unter Abwägung der unterschiedlichen Interessen, sodass kein Embryo zu dem ausschließlichen Zweck erzeugt werden dürfe, der Forschung zur Verfügung zu stehen876. Dem halten Kritiker wiederum entgegen, dass die Trennung von Art. 2 II S. 1 und Art. 1 I S. 1 GG zwar richtig sei, jedoch nicht über die Problematik der Entscheidung zwischen Nichtexistenz und dem durch die Existenz verursachten Schaden hinweghelfe, weshalb der Ansatz nicht überzeugen könne877. Es sei kaum vorstellbar, dass eine Handlung als Menschenwürdeverletzung angesehen wird, wenn Folge ihrer Unterlassung die Nichtexistenz des Trägers der Menschenwürde gewesen wäre878. Ein „Recht auf Nichtentstehen“ ist ebenso abzulehnen wie die parallele Argumentation, dass „gar kein Leben“, also die Nichtexistenz, gegenüber einem Leben als Kranker oder Behinderter vorzuziehen sei. So formuliert 871

So auch Beck, S. 229. Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 111; Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 98; Kersten, Klonen, S. 309; Weschka, S. 227. 873 Höfling, Bitburger Gespräche, S. 11; Kirchhof in: H/H/I/K, S. 26, der die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 2 II S. 1 GG ablehnt, soweit es um die Herstellung von Embryonen in vitro zur Stammzellengewinnung geht; allerdings verstoße jeder Befruchtungsprozess, in dem die individuelle Entwicklung des Embryos als Mensch ausgeschlossen werde, gegen die Menschenwürde. 874 Neumann in: ARSP 1998, 155 (160). 875 Neumann in: ARSP 1998, 155 (161). 876 Schroth in: JZ 2002, 170 (178). 877 Weschka, S. 227. 878 Bezug nehmend auf das Problem der „Nicht-Identität“: Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 368: „Wir können nicht sinnvoll davon sprechen, dass ein Kind durch eine Handlung – hier: geklont zu werden – geschädigt wird, die es zugleich erst in Existenz bringt“.; ebenso Witteck/ Erich in: MedR 2003, 258 (261); Seelmann in: FS Wolff, S. 485: „Kann eine Handlung die Menschenwürde eines Individuums tangieren, das dieser Herkunft überhaupt erst sein Leben verdankt?“; Joerden in: JWE 2002, 113 (121). 872

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Gutmann zutreffend879: „Ein Schaden verlangt zudem begrifflich einen Vergleich zwischen einem Zustand vor und nach einem schädigenden Eingriff; ein solcher Vergleich lässt sich aber – jedenfalls innerhalb des westlichen Denkens – zwischen (geklonter) Existenz und Nichtexistenz (einem Nichtzustand)  nicht ziehen. Dieses Argument (…) macht es aber in der Tat schwierig, wenn nicht unmöglich, das Klonen von Menschen, die sonst eben nicht existieren würden, mit dem einfachen Verweis auf mögliche Schäden für ebendiese Individuen zu begründen“880. Zwar bleibt es dabei, „dass (…) keine Individualrechte der missgebildet zur Welt Kommenden verletzt werden, aber die Gesellschaft wird mit den Folgen dieser „Experimente“ im weitesten Sinne zurechtkommen müssen (…)“881. Auch wenn zumindest der geborene Mensch-Tier-Zybride als Grundrechtsträger angesehen werden müsste, lässt sich mit Hilfe grundrechtlicher Vorwirkungen kein Verbot seiner Herstellung begründen. Denn ein vorwirkender Würdeschutz müsste zumindest auf der Perspektive der Geburt aufbauen können, die dann aber nicht gleichzeitig als Würdeverletzung qualifiziert werden kann882. Anders als beim nachwirkenden Grundrechtsschutz stellt sich zusätzlich das Problem, dass keine Garantie gegeben ist, dass ein Grundrechtsträger tatsächlich entsteht, denn oftmals steht seine Nichtentstehung sogar von vornherein fest883: Aufgrund der therapeutischen Zielsetzung soll per definitionem gar kein Wesen zur Geburt gebracht werden. Darüber ­hinaus ist zum Zeitpunkt der die Entität zerstörenden Stammzellentnahme diese mangels Individuation noch kein Grundrechtsträger. Damit können Vorwirkungen der Menschenwürde kein Verbot der Herstellung von Embryonen zu fremdnützigen Zwecken wie dem therapeutischen Klonen rechtfertigen884. (3) Herstellung und Vernichtung als einheitlicher Lebenssachverhalt Weiterhin wird die Ansicht vorgetragen, die Problematik des Nukleustransfers zu therapeutischen Zwecken lasse sich nur lösen, indem Klonvorgang und Stammzellentnahme als einheitlicher Lebenssachverhalt betrachtet und bewertet werden. Ein Ansatz vom individuellen Standpunkt aus sei schon deshalb nicht möglich, weil zum Zeitpunkt des Klonens noch kein neues menschliches Leben als Rechts-

879

Gutmann in: Roxin/Schroth, S.  368; Wolf, S.  77; vgl. auch Joerden in: JRE 1999, 79 (86 f.): ebenso Joerden, S. 20. 880 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 368; Wolf, S. 77. 881 Joerden in: JRE 1999, 79 (86 f.): ebenso Joerden, S. 20. 882 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 40, 47; Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 98. 883 Vgl. Middel, S. 239. 884 Ipsen in: NJW 2004, 268 (269); Ipsen in: JZ 2001, 989 (996); vgl. auch Zypries, Rede vom 29.10.2003, ERK, Kom.-Drs. 15/80, S. 4: Solange sich der Embryo in vitro befinde, fehle ihm eine wesentliche Voraussetzung dafür, sich aus sich heraus zum Menschen oder – mit den Worten des BVerfG – „als“ Mensch weiterzuentwickeln; die nur abstrakt bestehende Möglichkeit, sich in diesem Sinne weiterzuentwickeln, reiche für die Zuerkennung von Menschenwürde nicht aus. Sehr kritisch dazu Beckmann in: ZfL 2003, 128 f.

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gut vorhanden sei885. Selbst wenn ein Anknüpfen an eine Präexistenz verfassungsrechtlich möglich sei, würde dies auf eine Abwägung zwischen einer abstrakten Idee der Menschenwürde und der eigenen Nichtexistenz des möglichen Klons hinauslaufen, weil es für den Klon nur die Alternative zwischen Geklont- und Nichtexistent-Sein886 gebe, weshalb nicht auf eine mögliche Menschenwürdeverletzung des Klons abgestellt werden könne887. Zwar sei beim Klonen mittels Embryonensplittings oder Abspaltung einer totipotenten Zelle bereits Leben als geeigneter Anknüpfungspunkt vorhanden, dieses sei jedoch ein anderes als das neu entstehende, sodass sich das individuelle Menschenwürdeargument nur auf die bereits vorhandenen Embryonen beziehen könne888. Beim Zellkerntransfer werde jegliches Leben erst hergestellt. Unter dem Aspekt, dass – wie auch immer zu qualifizierendes – Leben erzeugt wird, müsse man die Schutzbereichseröffnung des Art. 2 II S. 1 GG oder Art. 1 I S. 1 GG bereits aus diesem Grund verneinen. Denn wenn es lediglich um die Herstellung geklonter Embryonen – und nicht um die Entnahme von Stammzellen  – gehe, würden diese allein durch ihre Erzeugung keine Schmerzen oder Leiden erfahren889. Eine staatliche Schutzpflicht für das Leben der Embryonen könne denklogisch nicht die Erzeugung von Zellkerntransfer-Embryonen verbieten890. Erst durch die Stammzellengewinnung werde der extrakorporalen Entität das (möglicherweise bestehende) Lebensrecht abgesprochen und vielleicht sogar seine Würde verletzt, sodass man den Zellkerntransfer ausschließlich unter dem Aspekt der Zerstörung der erzeugten Entität zum Zwecke der Stammzellentnahme diskutieren und dabei die Unterschiede zur allgemeinen Diskussion zur Forschung an Stammzellen aus „überzähligen“ Embryonen er­ örtern würde891. Eine derartige Betrachtungsweise würde der spezifischen Problematik des therapeutischen Klonens jedoch nicht gerecht, zumal die geklonten Embryonen von Anfang an ausschließlich zu dem Ziel der Stammzell­entnahme und damit ihrer sofortigen Vernichtung hergestellt werden. Das Geschehen müsse deshalb als einheitlicher Lebenssachverhalt beurteilt werden892. Dieser Lösungsvorschlag leuchtet auf den ersten Blick ein. Letztlich führt er aber dazu, dass die Tatsache der Schaffung neuen Lebens bei der Bewertung außer Acht gelassen wird und der Fokus doch im Wesentlichen auf der Zerstörung der Klone

885 Hetz, S. 183; aus zivilrechtlicher Perspektive Gröner in: Günther/Keller, S. 308 in Bezug auf die Menschenwürde. 886 Schütze in: JWE 2000, 203 (310). 887 Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 22 der betont, dass zwar noch kein konkretes Grundrechtssubjekt vorhanden sei, aber das Humanum an sich berührt werde, was zu einem direkten „Durchgriff auf die Subjektivität“ führen würde. 888 Hetz, S. 183. 889 Badura-Lotter in: Taupitz/Weschka, S. 207. 890 Chen, S. 51. 891 Vgl. hierzu Rosenau in: FS Schreiber, 761 (777); Schroth in: Oduncu, 249 (269); Kloepfer in: JZ 2002, 417 (421); Hoyer in: FS Rolinski, 81 (91); Trute in: GS Krüger, 385 (399); Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen. 892 Vgl. Middel, S. 217.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

liegt893. Die Theorie kann allerdings den Blick darauf schärfen zu überlegen, wie die Herstellung zum Zwecke der Zerstörung zu beurteilen ist. Wie dieses Problem zu lösen ist, beantwortet der pauschale Hinweis auf den „einheitlichen Lebenssachverhalt“ jedoch nicht. Letztlich führt die Betrachtung als zusammenhängender Vorgang zur Bejahung eines Eingriffs in Grundrechtepositionen des Klons aufgrund seiner Zerstörung, weil die Herstellungsprozedur den Klon selbst nicht beeinträchtigen kann. bb) Objektiv-rechtliche Lösungsansätze Daneben gibt es eine verfassungsrechtliche Diskussion auf der Ebene des objektiv-rechtlichen Grundrechtsschutzes894. (1) Schutz künftiger Grundrechtsträger Bei einem objektiv-rechtlichen Lösungsansatz geht es um eine Denkrichtung, welche den verfassungsrechtlichen Schutz künftiger Grundrechtsträger beinhaltet und hierfür das rechtliche Vorsorgeprinzip fruchtbar zu machen versucht895. Dieses Prinzip geht auf Ernst Forsthoff zurück896. Populär wurde es vor allem im öffentlichen Recht, namentlich im Umwelt- und Immissionsschutzrecht. In jüngerer Zeit wurde es von Kersten für die Lösung der Klonthematik aufgegriffen und als objektiv-rechtliche Schutzkonzeption vor allem von Art. 1 I S. 1 GG normativ rekonstruiert897. Zudem stellt Kersten auf die GG-Präambel sowie Art. 74 I Nr. 26 Alt. 1 und 2 GG ab und entwickelt aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt dieser Normen ein Vorsorgeprinzip, welches die Folgen der Klonierung für die erzeugten künftigen Grundrechtsträger betrachtet. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie diese vor Gefährdungen ihrer Subjektqualität geschützt werden können. Im Hinblick auf das von Art. 1 I S. 1 GG statuierte Instrumentalisierungsverbot müsse das jeweilige Ziel der Klontechnikanwendung analysiert und geprüft werden, ob sich darin noch das Selbstverständnis des künftigen Menschen als Subjekt widerspiegeln könne898. Die „Totalvernutzung“ der entstehenden extrakorporalen Entität für fremde Ziele wie Forschung oder Therapie stelle stets einen Menschenwürdeverstoß dar899. Die Ansicht stößt auf beachtliche Kritik, weil sie sich stark am Grundrechtsträgerkonzept orientiert und sogar als dessen konsequente Fortschreibung 893 Middel, S. 217: „Die Tatsache, dass es zunächst um die Schaffung neuen Lebens geht, ist unerheblich“. 894 Hartleb, S. 225. 895 Hartleb, S. 233. 896 Forsthoff, S. 6 f. 897 Vgl. hierzu Hartleb, S. 233. 898 Kersten, Klonen, S. 311, 327, 484. 899 Kersten, Klonen, S. 488.

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verstanden werden kann900. Denn sie setzt voraus, dass alle durch Klonierung entstandenen Entitäten Grundrechtsträger sind. Bemängelt wird, dass es so zu einem „überschießenden“ objektiven Gehalt der verfassungsrechtlichen Menschenwürdegarantie komme, der „letztlich zur Hülse für populär-pädagogische Verhaltenserwartungen mit stark subjektivem Einschlag“ zu werden drohe901. Es komme zu einer willkürlichen Füllung oder Aufladung der Verfassungsnorm902. Nicht bei jeder Schreckensvision, die der technische Fortschritt in Realitätsnähe rückt, entlaste die Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Art. 1 I GG den Gesetzgeber von entschiedenem Handeln903. Während dieser Ansatz durchaus zur Bewältigung der spezifischen Problematik des reproduktiven Klonens beitragen kann, ist er zur Bewertung therapeutischer Klonmethoden, sei es unter Verwendung menschlicher oder tierischer Eizellen, ungeeignet. Denn ein Schutz künftiger Grundrechtsträger setzt voraus, dass solche auch geboren werden, was beim therapeutischen Klonen gerade nicht bezweckt wird, oder das geborene Wesen ist möglicherweise gar kein Grundrechtsträger, was bei einem geborenen Mensch-Tier-Mischwesen entgegen der hier vertretenen Ansicht plausibel angenommen werden könnte. (2) Gattungs- und Menschenbildschutz Ein weiterer objektiv-rechtlicher Lösungsvorschlag besteht darin, der Menschenwürdegarantie neben der individualschützenden Komponente eine Gattungsbzw. Menschenbildschutzdimension zu entnehmen904, um ein umfassendes Klonverbot zu begründen. Argumentiert wird mit dem Wortlaut des Art. 1 I S. 1 GG: Die „Würde des Menschen“ decke beides ab, auch den Bezug auf die Menschheit als Gattung905. Die Embryonenerzeugung zu Forschungs- und Therapiezwecken verstoße zwar nicht gegen die Würde des erzeugten Embryos, aber gegen die der Menschheit bzw. der Gattung906. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass sich unter dem gemeinsamen Dach der Gattungsschutzdimension vier divergierende Untervarianten verbergen: die Unantastbarkeit des menschlichen Genoms907, die Verbürgung des gattungsethischen Selbstverständnisses, der Schutz des grundgesetzlichen Menschenbildes sowie der Schutz der Gattung Homo­ Sapiens908. 900

Hartleb, S. 233. Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn. 29, 31. 902 Beck, S. 231. 903 Vgl. Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art.  1 I  GG, Rn.  26; ablehnend Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I GG, Rn. 122. 904 Zum Gattungsschutz Böckenförde in: JZ 2003, 809 (811). 905 Böckenförde in: JZ 2003, 809 (811). 906 Vgl. Middel, S. 228. 907 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262): „Aus dieser Überlegung folgt zwangsläufig, dass die Unantastbarkeit des menschlichen Genoms integraler Bestandteil der Menschenwürde ist“. 908 Hartleb, S. 226. 901

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(a) Unantastbarkeit des menschlichen Genoms Teilweise wird postuliert, die Gattungsschutzdimension des Art.  1 I S.  1 GG umfasse auch den Schutz der genetischen Grundlagen der menschlichen Gattung, mithin die Unantastbarkeit des gesamten menschlichen Genoms909. Kritiker bemängeln, dies erscheine wenig plausibel und stelle vielmehr eine willkürliche Überinterpretation dar. Die verfassungsrechtliche Menschenwürdegarantie avanciere bei dieser Sichtweise in „quasi biologistischer Manier“910 zu einer normativen Festschreibung des „Variantenreichtums der genetischen Kombinationen“911 der Species humana. Von dieser „biologistischen“ Variante der Gattungsschutz­dimen­ sion aus Art. 1 I S. 1 GG lasse sich kein umfassendes Klonverbot legitimieren912. (b) Unantastbarkeit des gattungsethischen Selbstverständnisses Nach einer soziologisch-diskursethischen913 Ansicht wird im Gattungsaspekt eine Verbürgung des gattungsethischen Selbstverständnisses des Menschen gesehen914. Im Anschluss an Jürgen Habermas915 wird Menschenwürde als Rela­ tions- und Kommunikationsbegriff verstanden, der neben einer synchronen Relation, die sich auf alle heute existenten Menschen bezieht, auch eine diachrone Relation aufweist, die auf die Garantie wechselseitiger Achtung zwischen heutigen und künftigen Generationen gerichtet ist. Alles, was es künftigen Individuen unmöglich mache, sich als offene, „kontingente“, also zufällig entstandene Wesen zu verstehen, müsse verhindert werden916. Im Hinblick auf die Klonproblematik resultieren aus diesem stark am Personenbegriff ausgerichteten diskursethischen Konzept sehr differenzierte Lösungen: Während das reproduktive Klonen die hieraus entstehende Person der „unverstellten eigenen Zukunft beraubt“ 917 und deshalb ausnahmslos unzulässig ist, lässt sich für das therapeutische Klonen kein solches apodiktisches Verbot begründen. Denn mangels Entwicklungsperspektive bis zur Geburt kann eine auf diesem Wege hergestellte Entität niemals der gegenwärtigen Generation in diachroner Relation als „künftige zweite Person“ gegenübertreten und insoweit auch nicht „ihrer eigenen unverstellten Zukunft beraubt“

909

Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262). Beck, S. 230. 911 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262). 912 Hartleb, S. 232. 913 Als „Diskursethik“ werden solche ethischen Theorien bezeichnet, deren zentrales Kriterium daran geknüpft ist, dass die Richtigkeit ethischer Aussagen (präskriptiver Sätze) mit Hilfe eines nach Regeln mit vernünftigen Argumenten gestalteten Diskurses gewonnen wird, vgl. Habermas, S. 107.  914 Höfling in: Sachs GG, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 42. 915 Habermas, S. 114 f. 916 Höfling in: Sachs GG, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 42. 917 Habermas, S. 108. 910

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werden918. Geschützt werden solle die „Erbmasse der Menschheit insgesamt“919, mithin die Diversität des Genpools. Da das Klonen nur in zahlenmäßig zu vernachlässigenden Ausnahmefällen eingesetzt würde, müsste man sich um die Diversität des Genpools jedoch keine Sorgen machen920. Auch diese Auffassung wird scharf kritisiert. Abgesehen von den grundsätzlichen Schwierigkeiten des Imports einer Partialethik in den Rechtsrahmen der Verfassung zeichne sich das Habermassche Konzept in seinen übrigen Bezugnahmen auf das GG nämlich gerade dadurch aus, dass Grundrechtsträgerschaft für vorgeburtliches menschliches Leben strikt abgelehnt wird. Vielmehr sei nach Habermas das genetisch individualisierte Wesen, auch die entwicklungsfähige extrakorporale Entität, nicht schon mit seiner Entstehung Person und Grundrechtsträger, sondern nur „vorpersonales menschliches Leben“, welchem erst mit Geburt und Eintritt in den öffentlichen Interaktionszusammenhang eine rechtliche Stellung zuwächst921. (c) Unantastbarkeit des grundgesetzlichen Menschenbildes Andere sehen in der objektiv-rechtlichen Dimension der Menschenwürde ein normativ-symbolisches Bild der Menschheit von sich selbst verbürgt922, in aller Unschärfe und Wandelbarkeit, die einem solchen Bild im Wechsel der Zeiten und Kulturen notwendig anhafte923. Nach diesem müsse der Mensch zufällig entstehen, weshalb ein Abstellen auf das Menschenbild des Grundgesetzes eine Differenzierung nach der Klonmethode erfordere. Bei der Abspaltung einer totipotenten Zelle komme es zwar zur Zuweisung eines Genoms, in dieser neuen Generation habe aber bereits eine Befruchtung stattgefunden, sodass die auf diese Weise entstehenden Klone der natürlichen Zwillingsbildung ähnelten924. Zudem könne auf die Würde des einzelnen Klons abgestellt werden, weil menschliches Leben bereits existiert und den Klonen, die durch Embryonensplitting oder Abspaltung einer totipotenten Zelle erzeugt worden sind, in ihrem Frühstadium bereits Menschenwürde zustehe925. Beim Klonen durch Zellkerntransfer hingegen fehle der 918

Habermas, S. 161 sieht das Problem der Stammzellengewinnung aus menschlichen Embryonen deshalb primär als ein Abwägungsproblem mit den konkurrierenden Rechtsgütern der Forschungsfreiheit und des Gesundheitsschutzes. 919 Neumann in: ARSP 1998, 155 (157). 920 Weschka, S. 231; Wolf, S. 82. 921 Hartleb, S. 232 mit Verweis auf Habermas, S. 59, 114, 130. 922 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262); Benda in: APZ 1985, 18 (31); Merkel in: Hillen­ kamp, S. 46 f.; vgl. Isensee in: FS Hollerbach, S. 253, 261 f.; zum Schutz des Menschenbildes äußerst kritisch: Geddert-Steinacher, S. 71, 79; Enders, S. 497 f., der befürchtet, dass die Menschenwürde als „Schutz nicht mehr nur des einzelnen Menschen, sondern eines Menschenbildes (…) letztlich zum Sammelbecken interpretativer Werthaltungen“ wird. 923 Merkel, S. 40. 924 Hetz, S. 187 f. 925 Hetz, S. 180.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Befruchtungsvorgang vollständig und damit die zufallsbedingte Neukombination der Gene, was im Widerspruch zum Menschenbild des Grundgesetzes stehe, welches von zufallsbedingter genetischer Ausstattung ausgehe926. Die „Manipulation des genetischen Zufallsprinzips“ und die Nichtanerkennung menschlicher Unvollkommenheit927 verletzten die in einen überindividuellen Kontext einzuordnende Menschheitswürde928. Auch dieser objektiv-rechtliche Lösungsansatz wird kritisiert. Der Schutz des Menschenbildes in seiner philosophischen Ausprägung stoße aus juristischer Perspektive auf dogmatische Bedenken929. Die willkürliche Füllung oder Aufladung des Art. 1 I S. 1 GG zwecks Lösung einer besonderen Problematik müsse abgelehnt werden930. Zudem bleibe unklar, was hinter dem zu schützenden Menschenbild steht. Beide genannten Argumente entfalteten keinen moralischen Eigenwert, wenn Planung und Verbesserung für die einzelnen Individuen vorteilhaft sind931. Hinzu komme die grundsätzliche Gefahr der Beliebigkeit und Ideologieanfälligkeit bei einer normativen Festschreibung verfassungsrechtlicher Menschenbilder932. (d) Schutz der Gattung Homo Sapiens Einige argumentieren, der subjektiv-rechtlichen Schutzrichtung des Art.  1 I S. 1 GG korrespondiere ein objektiv-rechtlicher Gehalt auf Achtung der menschlichen Würde933, sodass neben einer individuellen Würde der jeweiligen Person, die auf das einzelne menschliche Subjekt bezogen ist, auch eine überindividuelle, auf die Menschheit als Gesamtheit bezogene Komponente934 existiere, deren Bezugspunkt die „Gattung Mensch“ als solche bilde935. So habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Menschenwürde (…) ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungs­ 926

Hetz, S. 188; Sackowsky, S. 55, 59. Weschka, S. 231; Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262). 928 Sehr früh sich schon für einen Einbezug des Menschenbildes in den Schutz der Menschenwürde aussprechend Benda in: APZ 1985, 18 (22, 31): „Aus dem Beispiel des Klonens ergibt sich die Bedeutung der Frage, ob die Würde nur des einzelnen Menschen durch Art. 1 I S. 1 GG geschützt wird oder ob es auch um das Menschenbild im Ganzen geht. Wie schon erörtert, umfasst der verfassungsrechtliche Schutz beides“. 929 Kritisch hierzu insbesondere Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 377; Neumann in: ARSP 1998, 155 (157); Hilgendorf in: JRE 1999, 137 (140 f.); Frankenberg in: KJ 2000, 325 (331 f.); Iliadou, S. 132, welche sich nicht mit der Problematik der Menschenwürde als Gattungswürde beschäftigt, weil „eine Bezugnahme auf die Menschheit als Grundrechtssubjekt nicht relevant“ sei, „soweit es um den Schutz konkreter menschlicher Embryonen geht“; Battis/Kersten in: Völkerrecht, S. 58. 930 Hartleb, S. 231. 931 Weschka, S. 222. 932 Frankenberg in: KJ 2000, 325 (331). 933 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 27. 934 Deutscher Ethikrat 2011, S. 61; Braun, S. 2886; Benda in: Flöhl, S. 210. 935 Häberle in: Isensee/Kirchhof, HbStR Bd. I, § 20, Rn. 54, 92; kritisch Hetz, S. 184. 927

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wesen“936. Die Würde der „Gattung Mensch“ als selbstständiges Rechtsgut wird insbesondere im Rahmen der Gentechnologie sowie der Diskussion um den Umweltschutz erörtert und der Schutzbereich auf nachfolgende Generationen erweitert937. Wesentlicher objektiv-rechtlicher Gehalt des Art. 1 I S. 1 GG sei die verfassungsnormative Anerkennung der Unverwechselbarkeit des Menschen als Gattungswesen938. Anerkannt werde der Mensch (nur) als „unvollkommener Entwurf der Natur“939. (aa) Argumente gegen eine Einbeziehung in Art. 1 I S. 1 GG Auch diese Ansicht wird in Zweifel gezogen und argumentiert, die Ausweitung der Menschenwürde auf einen Gattungsschutz führe dazu, dass diese ihren konkret-individuellen Träger verliert, sodass die individualrechtliche Struktur der Menschenwürde gesprengt werde940. Grundgesetzlich könne eine befürchtete Würdeverletzung der menschlichen Spezies keine Beachtung finden941 und die Menschheit an sich nicht als Schutzobjekt oder -subjekt der Menschenwürde gesehen werden942. Die Würde der „Gattung Mensch“ eigenständig neben die Würde des einzelnen Menschen treten zu lassen und als selbstständiges Rechtsobjekt zu behandeln, also losgelöst von individuellen Rechtsträgern den Schutz eines gattungsbezogenen Würdestandards zu proklamieren943, würde im Hinblick auf die Einbeziehung der nachfolgenden Generationen zwar einem diskursethischen Verantwortungskonzept entsprechen944. Mit einem solchen Verständnis werde aber eine übersteigerte Verantwortung gegenüber künftigen Generationen durchgesetzt945. Der für einen Würdeschutz künftiger Generationen beschworene „DuBezug“946 sei gerade in der überindividuellen Verantwortungsperspektive ein brü 936

BVerfGE 87, 209 (228); vgl. auch BVerfGE 109, 133 (150). Geddert-Steinacher, S. 73. 938 BVerfGE 7, 198 (205); 35, 79 (114); Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 42 mit dem Hinweis auf Birnbacher in: Leist, S. 266 f. 939 Vitzthum in: JZ 1985, 201 (208). 940 So z. B. Frankenberg in: KJ 2000, 325 (331); Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 377 f.; van den Daele, S.  243; vgl. Bayertz in: ARSP 1995, 465 (478); Neumann in: ARSP 1998, 155 (157); vgl. auch Enders, S. 131; Benda, Bitburger Gespräche, S. 27; Nettesheim in: AöR 2005, 71 (109). 941 Frankenberg in: KJ 2000, 325 (331); Gröner, S. 310; Schütze in: JWE 2000, 203 (314 f.). 942 Hetz, S. 184 f.; Berger, S. 199 mit Verweis auf Braun in: KJ 2000, 332 (334), 2. Kapitel B III 1 zu einer möglichen Verletzung des Menschenbildes nach moralphilosophischen Gesichtspunkten; Berger, S. 201 mit Hinweis darauf, eine Verletzung der Menschenwürde durch die Bedrohung der Gattung lasse sich selbst beim reproduktiven Klonen nur schwerlich begründen. 943 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 29; Hofmann in: JZ 1986, 253 (260). 944 Hetz, S. 184 mit Verweis auf Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 42; Herdegen in: Maunz/ Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 29. 945 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 31. 946 Häberle, in: HbStR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 20, Rn. 54. 937

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chiges Konstrukt. Zudem stelle sich die Frage, worin die Würde der „Gattung Mensch“ als solche liegen solle947. Es wird befürchtet, dass an Stelle von Menschen allgemeine Prinzipien und damit möglicherweise Ideologien geschützt werden948. Auf den ersten Blick erscheine die menschliche Gattungswürde zwar als Verstärkung des Prinzips der Menschenwürde, sie könnte aber zur Folge haben, dass sich der Schutz letztlich gegen die Rechte und Interessen von Individuen wendet und nicht der Sicherung dient, sondern die moralische und rechtliche Autonomie der Person einschränkt949. Somit könnte sich die abstrakte Menschenwürde gegen den Würdeträger selbst richten950, indem sie der Würde des einzelnen Menschen gegenübergestellt wird, wenn dieser nicht den „Vorstellungen“ der „Gattung Mensch“ entspricht951. Der Schutz eines gattungsbezogenen Imperativs kulminiere in dem Versuch, bestimmte „unwürdige“ Verhaltensweisen, bezogen auf das handelnde Subjekt, als Verletzung der Menschenwürde qualifizieren952. Äußerst problematisch sei, dass eine abstrakte Idee konkrete Grundrechte von Menschen wie die Forschungsfreiheit einschränken solle, sodass im Extremfall einem „bloßen Topos“ eine Bedeutung verliehen werden könne, die den Grundrechtsschutz in sein Gegenteil verkehre953. Die Menschenwürde würde zu einem Instrument in der 947

Hetz, S. 185. Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 120; Körner, S. 35; Zaar, S. 109; Aubel in: Verw. 2004, 229 (248, 253); Nettesheim in: AöR 2005, 71 (109); Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1, Rn.  29; Wolf, S.  162; Schmidt-Jortzig in: DÖV 2001, 925 (927, 930); Zippelius in: Bonner Kommentar, Art. 1 I, II, Rn. 55. 949 Neumann in: ARSP 1998, 155 (157): „Eine solche Ausdehnung des Subjekts der Menschenwürde mag auf den ersten Blick als willkommene Verstärkung des Prinzips der Menschenwürde erscheinen. Sie ist dort problematisch, wo sich die Würde der Menschheit gegen die Rechte und Interessen der Individuen zu wenden droht. Eine solche Kollision ist im Bereich der Gentechnik naheliegend. Hier kann das Recht des Einzelnen auf Leben und Gesundheit mit dem auf die Würde der Menschheit gestützten Verbot bestimmter gentherapeu­ tischer Maßnahmen in Konflikt geraten. Allgemein gilt: Wo die ‚Würde der Menschheit‘ nicht nur als unverlierbarer Kern der Würde aller einzelnen Menschen, sondern als Eigenschaft eines selbstständigen Kollektivsubjekts verstanden wird, wo die Verletzung dieser kollektiven Menschenwürde unabhängig von der Verletzung der Würde der unmittelbar betroffenen Individuen sein soll, dient dieses Prinzip nicht mehr der Sicherung, sondern der Einschränkung der moralischen und rechtlichen Autonomie der Person“; Aubel in: Verw. 2004, 229 (248); Wolf, S. 161, 184 f.; Schneider, S. 216; vgl. auch Enders, S. 131; Geddert-Steinacher, S. 75, 79; Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 41; Nettesheim in: AöR 2005, 71 (108), der allerdings eine weitere Schutzdimension von Art. 1 I S. 1 GG entwickelt, mit der einer Selbstverfügung des Menschen insoweit Grenzen gesetzt werden, als es um die Abwehr von Eingriffen geht, welche die Voraussetzungen der Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstbestimmung des Menschen in Frage stellen. 950 Höfling in: Sachs GG, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 42. 951 Höfling in: Sachs GG, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 42. 952 Vgl. Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art.  1 I  GG, Rn.  26; ablehnend Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I GG, Rn. 122. 953 Gutmann in: Roxin/Schroth, S.  377 f.: „Die Gefahr eines solchen Ansatzes (…) liegt nicht nur darin, dass mit ihm anstelle von Menschen Ideologien geschützt werden, sondern dass damit der bislang absolut geschützten (…) individuellen Menschenwürde ein ebenfalls an der Dignität des Art. 1 I S. 1 GG teilhabendes Kollektivgut gegenübergestellt würde, das 948

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Hand des Staates, welches massive Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechte von Individuen rechtfertigen könnte. Dazu gesellten sich Unsicherheiten bei der Argumentation mit der Gattungswürde als Bestandteil der Menschenwürde, weil sich das Menschenbild im Laufe der Zeit in der Anschauung der Gesellschaft verändern könnte: „Die Berufung auf die Integrität oder Identität der Gattung appelliert an ein Menschenbild, das es zu bewahren gilt. Aber Menschenbilder sind historisch und kulturell variabel. Für Immanuel Kant verletzen auch Selbsttötung, Homosexualität und sogar Masturbation die Pflichten des Menschen gegenüber seiner eigenen Natur (…) Keine dieser Bewertungen ist heute noch nachvollziehbar. Wenn wir nicht mehr als unser Menschenbild anzubieten haben, dann ist es gut denkbar, dass in 200 Jahren die dann lebenden Menschen über unser Klonverbot so denken, wie wir heute über Kants Verdikt der Homosexualität“ 954. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht955 die „Gattung Mensch“ angesprochen hat, habe es diese jedoch in Bezug zum einzelnen Menschen gesetzt und damit das Kriterium der Artspezifität betont: „(…) die Würde des Menschen als Gattungswesen“. Schon der Wortlaut „die Würde des Menschen“ in Art. 1 I S. 1 GG spreche für eine restriktive Handhabung, da weder die „Würde der Menschheit“ noch die „menschliche Würde“ dem Wortlaut nach gewährleistet wird956. Die Menschenwürdegarantie sei für den einzelnen Menschen geschaffen und nicht für ein begriffliches Abstraktum Menschheit957. Demzufolge solle der objektiv-rechtliche Garantiegehalt in „seiner dienenden Funktion“ für subjektiv-rechtliche Positionen des Einzelnen und Art. 1 I S. 1 GG als Schutzgarantie für konkrete Objekte verstanden werden958, die nicht die Menschheit insgesamt schütze959. (bb) Argumente für eine Einbeziehung in Art. 1 I S. 1 GG Für eine Einbeziehung der Gattungswürde in Art.  1 I S.  1 GG wird angeführt, dass neben der Garantie der individuellen Menschenwürde der Menschenwürdeschutz ein „Verfassungsrechtssatz von umfassender Allgemeinheit“960 sei, nach seiner Konstruktion dazu geeignet wäre, sich selbst gegen den fundamentalen Achtungsanspruch einzelner durchzusetzen“; ebenso Gutmann in: van den Daele, S. 243; vgl. Bayertz in: ARSP 1995, 465 (478) mit dem Hinweis auf die „Spannung zwischen der individuellen Bedeutung von ‚Menschenwürde‘ und ihrer gattungsmäßigen Dimension“; vgl. auch Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 42, der Menschenwürde als Gattungswürde prinzipiell anerkennt, jedoch auf die Probleme hinweist; Schmitt-Glaeser in: FS Maurer, S. 1214; ablehnend auch­ Middel, S. 229. 954 van den Daele in: WZB-Mitt. 2003, 7 (9). 955 BVerfGE 87, 209 (228); vgl. Hetz, S. 184. 956 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 29, 31. 957 Stern, Staatsrecht III/1, § 58 I 3 m. w. N. 958 Hetz, S. 185. 959 Schwarz in: KritV 2001, 182 (208); Geddert-Steinacher, S. 75: Die Anerkennung einer „Rechtssubjektivität“ der Menschheit an sich stelle einen „systematischen Bruch“ dar. 960 Höfling in: Sachs, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 9.

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eine „objektive Werteordnung“961 verkörpere und die „fundamentale richtungsweisende Wertentscheidung“962 des Grundgesetzes darstelle. Die objektiv-rechtliche Dimension der Menschenwürde schütze mit der Gattungswürde auch ein bestimmtes Menschenbild963: „Das Bild des Menschen, wie es dem Grundgesetz zugrunde liegt, ist der wesentliche Bezugspunkt unserer verfassungsrechtlichen Ordnung. Wird es verändert, helfen die einzelnen Grundrechte nichts mehr. (…) Wenn die bisherige Auslegung des Prinzips des Schutzes der Menschenwürde nicht ausreicht, um solche Gefährdungen abzuwehren, dann halte ich es nicht für eine Überschreitung der Befugnisse des Verfassungsinterpreten, dem grund­ gesetzlichen Auftrag des Art. 1 I S. 1 GG so zu entsprechen, dass das Bild des Menschen so bewahrt bleibt, wie es erkennbar, ja selbstverständlich der Verfassung zugrunde liegt“964. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass je nach Kulturkreis965 sowie je nach individueller Einstellung innerhalb der Gesellschaft eines Kulturkreises unterschiedliche Menschenbilder existierten. Zudem wandelten sich Menschenbilder im Laufe der Zeit966. Deshalb müsse der grundrechtliche Schutz der Menschenwürde als Gattungswürde auf solche Fälle beschränkt werden, bei denen ein weitestgehender Konsens besteht: „Zum Zweiten stößt es grundsätzlich auf Bedenken, ein bestimmtes Menschenbild mithilfe rechtlicher Verbote konservieren zu wollen. Grundrechte dienen dem Schutz von Menschen, nicht von Menschenbildern. Der rechtliche Schutz von Menschenbildern artet leicht in Bevormundung, schlimmstenfalls in Meinungsterrorismus aus.  Man sollte deshalb nur dort auf das Prinzip der Menschenwürde zurückgreifen, wo es um un­ verträgliche, nach einhelliger Auffassung nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen 961 BVerfG in ständiger Rechtsprechung seit dem Lüth-Urteil, BVerfGE 7, 198 205; vgl. auch Pieroth/Schlink, Art. 1, Rn. 76; zum Verhältnis individueller zur allgemeinen Menschenwürde Meyer-Abich in: ZRP 2002, 219 (221 f.). 962 Dreier in: Dreier, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 42. 963 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262); Benda in: APZ 1985, 18 (31); Merkel in: Hillen­ kamp, S. 46 f.; vgl. Isensee in: FS Hollerbach, S. 253, 261 f.; zum Schutz des Menschenbildes äußerst kritisch: Geddert-Steinacher, S. 71, 79; Enders, S. 497 f., der befürchtet, dass die Menschenwürde als „Schutz nicht mehr nur des einzelnen Menschen, sondern eines Menschenbildes (…) letztlich zum Sammelbecken interpretativer Werthaltungen“ wird. 964 Benda, Bitburger Gespräche, S. 27. 965 Birnbacher in: Neumann/Lorenz, S. 168, der auf diesen Relativismus der Menschenwürde als Gattungswürde zwar hinweist, hierin jedoch mit Blick auf die verschiedenen Kulturkreise eher einen Vorteil erblickt. Die Argumentation beruht allerdings auf philosophischen Aspekten und erachtet auch die Embryonenforschung unter Verweis auf das Gattungswürdeargument für moralisch unzulässig. Eine strafrechtliche Sanktionierung der Embryonenforschung wird dennoch abgelehnt (S. 171) und eine unangemessene Argumentation mit der Menschenwürde als Gattungswürde im Recht kritisiert: „Bedenklich stimmen müssen vor allem die Tendenzen innerhalb der Rechtsprechung, das Prinzip eines individuellen Abwehr- und Anspruchsrechts inflationär als objektives Wertprinzip aufzufassen und in dessen Namen straf- und andere rechtliche Beschränkungen der Freiheit der Lebensgestaltung zuzulassen oder sogar zu fordern“. 966 Seelmann in: FS Wolff, S.  493; Nettesheim in: AöR 2005, 71 (110): „Wo die Grenzziehung verläuft, ist vor dem Hintergrund sich ändernder gesellschaftlicher Anschauungen schwierig zu bestimmen“; Merkel in: Hillenkamp, S. 47.

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des Menschenbildes geht“967. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde als Gattungswürde könne wegen deren Unbestimmtheit und der Befürchtungen, dass damit jede beliebige Gattungsethik in den Verfassungsrang der Menschenwürde erhoben würde, nur dann angenommen werden, wenn er unstreitig und offensichtlich sei968. Der Kreis der schutzbereichsrelevanten Handlungen, die als Eingriff in die Menschenwürde angesehen werden, müsse so eng wie möglich gezogen werden: „Inhaltlich kann sich ein möglicher Gattungsschutz nach Art. 1 Abs. 1 GG allerdings nicht auf ein beliebiges, von den je subjektiven ethischen oder gesellschaftlichen Wertungen des Betrachters (…) abhängiges Menschenbild beziehen. (…) In die Verfassung lässt sich nicht eine bestimmte Gattungsethik hineinlesen und normativ verbindlich machen. (…) Verteidigt werden kann über Art. 1 Abs. 1 GG nur ein Menschenbild, das auf der einen Seite den für richtig gehaltenen Einsichten der Naturwissenschaften (…) entspricht, darüber hinaus aber an das normative Selbstverständnis des Menschen als autonomes, sprach- und handlungsfähiges Subjekt mit moralischer Verantwortung (Person) anknüpft“969. Ein unstreitiger und offensichtlicher Menschenwürdeverstoß treffe auf das reproduktive, keinesfalls jedoch auf das therapeutische Klonen zu970. Die Fundamentalnorm des Art. 1 I S. 1 GG solle allerdings nicht durch eine extensive Auslegung in eine Vielzahl gesellschaftlich umstrittener Fragen hineingezogen werden, damit nicht die Gefahr heraufbeschworen wird, dass sie – in derartigen Auseinandersetzungen aufgerieben – letztlich ihre einzigartige Substanz einbüßt und, gesamtgesellschaftlich gesehen, zur abwägbaren Größe, einem „Grundrecht unter vielen“, wird971. Bei der Zybridenforschung zeige sich diese „Überstrapazierungsgefahr“972 in besonderem Maße. Soweit es sich nicht bloß um die bei In-vitro-Fertilisation übliche Testung der Penetrationsfähigkeit menschlichen Samens an tierischen Eizellen handelt973, werden Hybridisierungen und Chimärenbildungen974 ganz allgemein für unvertretbar gehalten975. Zur Begründung des Chimären- und Hybrid-Bildungsverbotes des § 7 ESchG wird die „Würde der Menschheit“ herangezogen976. Hierzu konstatiert Eser: „Doch so richtig das auch sein mag, bleibt zu fragen, ob ein diesbezügliches Verbot eines Rückgriffs auf die Menschenwürde – wie auch ich bislang etwas voreilig meinte977 – bedarf oder dies nicht vielleicht sogar „kontraproduktiv“ wirken könnte. Denn wessen Menschenwürde wird dabei eigentlich 967

Neumann in: ARSP 1998, 155 (162). Merkel in: Hillenkamp, S. 47; Weschka, S. 217. 969 Nettesheim in: AöR 2005, 71 (109). 970 Weschka, S. 237. 971 Lerche in: Lukes/Scholz, S. 110 f. 972 Eser, S. 37. 973 Vgl. hierzu Eser in: Braun/Mieth/Steigleder, S. 145. 974 Vgl. Eser, S. 38, Anmerkung 117. 975 Eser in: Günther/Keller, S. 283. 976 Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 7, Rn. 4. 977 So Starck 1986, S. 17. 968

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verletzt? Etwa schon die der unbefruchteten Eizelle?978 Aber würde nicht damit der Schutzbereich der Menschenwürde über das artspezifisch menschliche Leben hinaus auf rein vegetatives oder jedenfalls noch nicht auf eine neue Person hin abschließend angelegtes Leben vorverlagert – mit kaum überschaubaren Konsequenzen bis in den Sexualverkehr hinein? Oder könnte es stattdessen bei der Abwehr von Hybridisierung um die Würde der Menschheit als solcher gehen? Aber müsste dies nicht letztlich eine Abwertung der für die Menschenwürde wesentlichen Individualität zur Folge haben, ganz zu schweigen davon, dass universelle Menschheitskonzepte die Tendenz zur Ideologisierung in sich tragen? Mit solchen Bedenken soll die Menschenwürde selbstverständlich nicht gleichsam „aus der Diskussion genommen“ werden, sondern lediglich dem Anschein begegnet sein, als ob man nur den „Joker“ der Menschenwürde zu ziehen brauche, um alles Weitere ab­blocken zu können“979. (cc) Stellungnahme Für die Lösung der spezifischen Problematik der Erzeugung von Mensch-TierZybriden zum Zwecke der Gewinnung embryonaler Stammzellen erweisen sich die meisten Lösungsansätze als ungeeignet. Die subjektiv-rechtlich geprägten Vorschläge auf Basis des Grundrechtsträgermodells sind, wie dargelegt, schon für sich genommen wenig überzeugend oder führen nicht weiter, insbesondere ist ein „Recht auf Nichtentstehen“ aus Grundrechtsvorwirkungen abzulehnen. Die objektiv-rechtlichen Lösungsansätze müssen differenziert betrachtet werden. Die „Unantastbarkeit des menschlichen Genoms“ kann allenfalls bei reproduktiver Zielsetzung relevant werden. Gleiches gilt für die „Unantastbarkeit des gattungsethischen Selbstverständnisses“. Auch die „Unantastbarkeit des grundgesetzlichen Menschenbildes“, welche durch eine Manipulation des Zufallsprinzips bei der Anwendung des Nukleustransfers gefährdet werden soll, kann denklogisch nur in der reproduktiven Variante der Klonierungstechnik beeinträchtigt werden. Abzustellen bleibt bei der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung und damit zu therapeutischen Zwecken auf den Schutz der Gattung Homo Sapiens.  Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich eine menschliche Gattungswürde anerkannt und formuliert, dass „nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen“ von Art. 1 I S. 1 GG geschützt werde980. Den unstreitig existierenden objektiv-rechtlichen Schutzgehalt des Art. 1 I S. 1 GG nur auf konkrete Menschen zu beziehen, würde keinen Sinn machen. Gerade in Biomedizin und Gentechnologie existieren Konstellationen, die sich allein unter Rückgriff auf die subjektivrechtliche Dimension der Grundrechte nicht lösen lassen. Damit ist der Ansicht 978

Eser in: Braun/Mieth/Steigleder, S. 145. Eser, S. 7, 37 f. 980 BVerfGE 87, 209 (228). 979

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zu folgen, dass der Menschenwürdeschutz auch einen Gattungsschutz beinhaltet, wenngleich ein Verstoß gegen diese überindividuelle Schutzverbürgung nur mit Zurückhaltung angenommen werden darf. cc) Ergebnis zur Problematik des fehlenden Rechtsgutsträgers Festzuhalten ist, dass der Prozess der Herstellung der Mensch-Tier-Zybriden deren Rechte nicht verletzen kann, weil diese zum Herstellungszeitpunkt noch gar nicht existieren. Die Diskussion von Herstellungs- und Verwertunghandlung als „einheitlichem Lebenssachverhalt“ sollte zwar geführt werden, allerdings nicht bei der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Erzeugung der Mensch-Tier-Zybriden. Vielmehr muss im Rahmen der Untersuchung, ob ihre Verwendung zur Stammzellentnahme, bei der sie zerstört werden, staatliche Schutzpflichten zugunsten dieser Embryonen auslöst, auf die Problematik eingegangen werden, dass diese nicht nur vernichtet, sondern eigens zu dem Zwecke der Vernichtung her­ gestellt wurden. Denn diese Tatsache könnte möglicherweise den Unwert der Handlung erhöhen. Aus einer etwaigen Verfassungswidrigkeit ihrer Zerstörung könnte folgen, dass auch ihre Herstellung zu diesem Zweck gegen das Grund­ gesetz verstößt. Insofern lässt sich an dieser Stelle noch kein endgültiges Urteil fällen; es muss ein Schritt nach dem anderen geprüft werden. c) Gesamtergebnis zur Gefährdung individueller Rechte Es werden keine individuellen Rechte durch die Herstellung von Mensch-TierZybriden verletzt: Weder werden Rechte der menschlichen Körperzellspender noch der tierischen Eizellspender gefährdet noch wird der Mensch-Tier-Zybrid selbst durch seine eigene Erzeugung in subjektiven Rechten beeinträchtigt. Mangels Vorhandenseins eines Grundrechtsträgers kann keine Verletzung des subjektiv-rechtlichen Gehalts von Art. 2 II S. 1 oder Art. 1 I S. 1 GG vorliegen981. Bezüglich des Mensch-Tier-Zybriden handelt es sich dabei allerdings nur um ein vorläufiges Ergebnis, weil noch ein Verstoß gegen Art. 2 II S. 1 GG und Art. 1 I S.  1 GG durch die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden im festen Bewusstsein ihrer baldigen Zerstörung geprüft werden muss. Da nicht gegen die subjektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte verstoßen wird, bleibt zur Begründung der Verfassungswidrigkeit der Erzeugung nur ein Rückgriff auf objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte. Das Klonen zeigt sich in allen Spielarten – zumindest zum derzeitigen Stand der Wissenschaft – als unkontrollierbares Experiment mit unkalkulierbaren Risiken. Auch aus diesem Blickwinkel lässt sich auf Basis subjektiver Rechte kein befriedigendes Ergebnis erzielen, weil dieses Argument in dem Moment nicht mehr durchgreifen würde, wenn die Technik ausgereift und 981

So auch Middel, S. 242 f.

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hin­reichend sicher wäre982. Auch für diesen Fall soll jedoch eine Bewertung vorgenommen werden. Der Sache nach muss es um eine verfassungsrechtliche Würdigung der Risiken der Klontechniken durch Beachtung der Folgen gehen, indem eine etwaige Verletzung der in Art. 1 I S. 1 GG verbürgten Menschenwürde im überindividuellen Sinn geprüft wird, also ein Verstoß gegen die menschliche Gattungswürde. 4. Staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gattungswürde (Art. 1 I GG) Es ist darauf einzugehen, ob die Zybridforschung einen Verstoß gegen Art. 1 I GG als Norm des objektiven Verfassungsrechts begründet, wobei die Beeinträchtigung der Gattungswürde ein schwächeres Argument darstellt als eine Verletzung individueller Würde983. Der Rückgriff auf die Menschenwürde liefert keine „wohlfeilen Antworten“984, sondern fordert vielmehr dazu auf, die Folgen einer Maßnahme oder Handlung, eines Tuns oder Unterlassens, zu bedenken985. Es geht um die „Frage, ob das Klonen für uns unerwünschte Folgen hat“986 oder ob abstrakte Werte durch das Klonen verletzt werden987. Die menschliche Gattungswürde wird berührt, wenn Identität und Eindeutigkeit der menschlichen Spezies bedroht werden, was durch umfassende Abwägung aller gegenläufigen Interessen zu ermitteln ist. a) Argumente für eine Gefährdung aa) Schutz der Gattung Homo Sapiens Oftmals wird pauschal davon gesprochen, Klonen verstoße gegen die menschliche Gattungswürde, ohne dass näher dargelegt würde, worin dieser Verstoß begründet liegt988. Ein undifferenzierter Rekurs auf die Menschenwürde als Argument gegen das reproduktive Klonen ist in jedem Fall als unredlich zu bezeichnen und abzulehnen989. Einige Autoren schließen vom gewünschten Ergebnis auf die Begründung. Weil ein Rückgriff auf subjektive Rechte die Verfassungswidrigkeit des Nukleustransfers nicht zu begründen vermag, müsse auf die objektiv 982

Vgl. Weschka, S. 229; Wolf, S. 82. Höfling in: Sachs, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 27. 984 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 59; Herdegen in: JZ 2001, 773 (774). 985 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 986 Wolf, S. 81. 987 Weschka, S. 230. 988 Vgl. z. B. Höfling in: Sachs, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 27; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu GG, Art 1, Rn. 36; Starck in: Münch/Kunig, Art. 1, Rn. 100, 105. 989 Weschka, S. 238; ähnlich Hilgendorf in: JRE 1999, 137 (141). 983

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rechtliche Dimension des Art. 1 I GG rekurriert werden: „Es ist vielfach herausgestellt worden, dass das herrschende Verständnis von Art. 1 I S. 1 GG in vielen Fällen keine Antwort auf die biowissenschaftlichen Herausforderungen gibt“ 990. Andere führen als Begründung an, dass durch die Anwendung von Klonierungstechniken „wesentliche Werte unserer menschlichen und christlich-traditionell geprägten Kultur angegriffen“ würden991. Herdegen betrachtet die Chimärenund Hybrid-­Bildung als einen „Missbrauch partikularen humanen Lebenspotentials“992. Es handle sich um einen „fundamentalen Tabubruch“, der unterbunden werden müsse993. bb) Zweifelhafte therapeutische Perspektiven und medizinische Risiken Weiterhin werden die zweifelhaften therapeutischen Perspektiven und die medizinischen Risiken der Stammzellengewinnung aus geklonten Entitäten ins Feld geführt. Bei der Diskussion über die Zulässigkeit von Grundlagenforschung dürfe nicht mit Therapiemöglichkeiten argumentiert werden, deren Aussichten völlig unsicher seien. Zudem würden zum gegenwärtigen Stand gewichtige medizinische Bedenken gegen den therapeutischen Einsatz von Stammzellen bestehen, die aus Klon-Embryonen gewonnen wurden. Hierzu zählten insbesondere die mangelnde Effizienz bei Tierversuchen sowie die möglichen genetischen und epigenetischen Schäden der Zellen, die auf diese Weise hergestellt werden994. Schließlich sei die Immunverträglichkeit zweifelhaft995. (1) Forschungsverantwortung Die Endlichkeit des Menschen sowie seine Verletzlichkeit und Anfälligkeit seien es, die ihn antrieben, Krankheiten, Altern und Sterben zu überwinden. Der menschliche Wissensdrang stelle einen wichtigen Impetus humanmedizinischer Forschung dar996. So bedeutsam jedoch die Suche nach neuen Erkenntnissen sei, so sehr komme es bei allen Überlegungen zur Forschung darauf an, die Legitimität ihrer Ressourcen und Folgen zu bedenken. Grundsätzlich müssten Untersuchung und Veränderung des Entwicklungsstatus von Zellen zwar möglich sein. Der bloße Hinweis auf die Forschungsfreiheit genüge aber nicht als Rechtfertigung derartiger Forschungsprojekte. Vielmehr müsse die Zulässigkeit an der Verhältnismäßig 990

Nettesheim in: AöR 2005, 71 (107). Berger, S. 200 f. 992 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 26. 993 Vgl. Middel, S. 244. 994 Vgl. Teil 2: A. VII. IX; B. IV. 4.; V. 995 Teil 2: A. VII. 2. c); Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (84). 996 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (85). 991

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keit, Alternativlosigkeit und Hochrangigkeit des Forschungsvorhabens gemessen werden. Diese Kriterien seien im Fall des therapeutischen Klonens nicht erfüllt997: Erstens könne die allgemeine Hoffnung auf die Entwicklung von Therapiemöglichkeiten nicht die Herstellung und den Verbrauch menschlicher Embryonen legitimieren998. Zweitens seien bislang die beim Menschen ethisch vertretbaren Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns z. B. mit adulten Stammzellen nicht ausgeschöpft999. Drittens könne die Hochrangigkeit der Forschung nicht nachgewiesen werden, solange keine unmittelbare therapeutische Zweckdienlichkeit für konkrete Patientengruppen plausibel gemacht worden sei1000. Aus wissenschaftlicher Sicht sei unsicher, ob Zellen aus geklonten Blastozysten jemals therapeutisch einsetzbar sein werden, sodass der therapeutische Nutzen des Klonens zweifelt sei1001. (2) Ineffizienz des Verfahrens Diese Zweifel lägen insbesondere in der Ineffizienz des Verfahrens: Im Tier­ experiment entstehen nur aus etwa 25 bis 50 Prozent der entkernten Eizellen, in die somatische Zellkerne übertragen werden, Blastozysten1002. Doch selbst wenn sich die Effizienz des Klonens noch verbessere, könne man es kaum in einem relevanten Umfang zur Gewinnung individueller embryonaler Stammzell-Linien für die Behandlung einzelner Patienten einsetzen. Hinzu komme, dass eine solche Therapie sich vom öffentlichen Gesundheitswesen für eine größere Zahl von Patienten kaum finanzieren ließe. Daher sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich so genannte Volkskrankheiten nicht auf diesem Wege heilen lassen, sodass ein immer wieder für das Klonen angeführtes Argument entkräftet werde1003. (3) Fehlerhaftigkeit des Verfahrens Darüber hinaus begründeten die mangelnde Kontrollierbarkeit der Reprogrammierung somatischer Zellkerne und die schwierige Überprüfbarkeit der Ergebnisse Zweifel an der Nutzbarkeit geklonter Stammzellen1004. Ob die Annahme zutrifft, dass sich Stammzellen von Klon-Embryonen funktionell nicht von denen unterscheiden, die aus mittels In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryonen stammen, lasse sich nur durch Versuche am Menschen zeigen1005. Solche seien jedoch 997

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (85 f.). Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (86). 999 Teil 2: A. VI. 6., 7.; Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (86 f.). 1000 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (87). 1001 Teil 2: B. V.; Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (89). 1002 Vgl. Teil 2: B. IV., V. 1003 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (90). 1004 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (90). 1005 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (90 f.). 998

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als unzulässige Humanexperimente abzulehnen. In Zellkultur sei kaum sicherzustellen, dass Stammzellen aus Klonen tatsächlich keine Fehler aufweisen, die nach Transplantation in den Körper des Patienten zu Störungen der Funktion oder des Wachstums führen. Schließlich sei noch nicht einmal der gefahrlose Einsatz von Stammzellen aus in vitro erzeugten Embryonen möglich1006. Weil diese jedoch durch Verschmelzung zweier Keimzellen und nicht durch Reprogrammierung eines somatischen Zellkerns hervorgegangen sind, könne man eher davon aus­gehen, dass die aus ihnen gewonnenen Stammzellen keine Programmierungsfehler aufweisen. Deshalb sei die Gewinnung von Klon-Embryonen für therapeutische Zwecke frühestens dann in Erwägung zu ziehen, wenn der therapeutische Nutzen embryonaler Stammzellen grundsätzlich belegt ist, was noch nicht der Fall sei1007. (4) Ungeklärte Immunkompatibilität Gegen die vermutete Immunverträglichkeit von Zellen aus Klon-Embryonen mit dem Organismus des Menschen, aus dem der zum Klonen verwendete Zellkern stammt, wird angeführt, dass sich nicht nur in der Zellkern-DNA, sondern auch in den Mitochondrien der Eizelle Gene befinden, die an alle Tochterzellen weitergegeben werden. Niemand wisse, ob die Produkte dieser Gene im Organismus des Empfängers nicht als fremd erkannt werden und Abwehrreaktionen auslösen1008. Das Anführen der Immunverträglichkeit für die Notwendigkeit der Gewinnung geklonter Stammzellen sei damit verfrüht1009. Es handle sich nicht um konkrete Behandlungsoptionen, sondern lediglich um Absichten und Hoffnungen einer Leidensverminderung und Heilungserwartungen für zukünftige Patienten1010. Die Verfahren müssten nicht nur im Kontext der Forschung, sondern auch für eine spätere therapeutische Anwendung auf ihre ethische Vertretbarkeit hin überprüft werden. Bloße Hoffnungen stellten kein hinreichendes Argument dar, um das Klonen gegenüber den Rechten und Ansprüchen der Embryonen zu priorisieren1011. cc) Fehlende Alternativlosigkeit Gegen das Klonen zu Forschungszwecken wird eingewandt, dass dem Erwerb von medizinischem Grundlagenwissen durch „hochrangige“ und „alternativlose“ Forschung zwar wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung zukomme, eine For 1006

Vgl. Teil 2: IV. 4. Kersten Klonen, S. 387. 1008 Vgl. Teil 2: IV. 4 sowie Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (91). 1009 Berger, S. 201. 1010 Berger, S. 201. 1011 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (92). 1007

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schung, die nicht unmittelbar therapeutisch notwendig ist und nicht konkreten Patientengruppen dient, aber nicht als „hochrangig“ bewertet werden könne1012. Denn es sei außerordentlich umstritten, ob die Heilungschancen für unheilbar Kranke durch an Klon-Embryonen erzielte Forschungsergebnisse erhöht würden und ob nicht Erfolg versprechende alternative Forschungsmöglichkeiten existieren1013. Es liege keine „Alternativlosigkeit“ vor, denn solange es um vorklinische Grundlagenforschung geht, sei es vergleichsweise unerheblich, ob menschliche Klone oder solche von Primaten oder anderen Säugetieren zur Forschung verwendet werden1014. Es gebe neben dem Verfahren des Klonens durch Zellkerntransfer noch weitere Techniken in der Entwicklung, mit deren Hilfe Zellen oder Zellkerne in einen Zustand versetzt werden könnten, der dem einer embryonalen Zelle ähnelt1015. Demzufolge blieben als Gründe für die Forschung im Wesentlichen der menschliche Wissensdrang und Gestaltungswille1016. Der Ausübung dieses Freiheitsrechts stünden jedoch gewichtige Argumente aus dem Bereich einer menschenrechtsbasierten Individual- und Sozialethik gegenüber, welche sich auf die Legitimität der Ressourcen, die für das Klonen benötigt werden, und auf den verfassungsrechtlichen (Schutz-)Status des geklonten Embryos beziehen1017. dd) Fehlende Vergleichbarkeit mit dem Schwangerschaftsabbruch Gegen den Einwand, ein Verbot des Forschungsklonens widerspreche den Wertungen anderer Sachverhalte, wird geäußert, die Situation des Schwangerschaftsabbruchs sei nicht vergleichbar. Während beim Klonen die Entscheidung in der Hand eines Forschers liege, werde bei einer Schwangerschaft der Tatsache Rechnung getragen, dass zwischen der Mutter und dem in ihr heranwachsenden Leben eine einzigartige Verbindung besteht, welche die körperliche und seelische Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Frau in besonderer Weise berührt1018. ee) Diskriminierungswirkungen Dritte könnten sich durch die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden und ihre Zerstörung bei der Stammzellentnahme beeinträchtigt fühlen, weil sie dies aus 1012

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (92). Vgl. Teil 2: B. IV., V.; Kersten, Klonen, S. 389. 1014 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (92 f.). 1015 Wie z. B. Parthenogenese, Kerntransfer in künstliche Eizellen, die aus embryonalen Stammzellen gewonnen wurden, Rückprogrammierung somatischer Zellen; vgl. Teil  2: A. VI., insbesondere 7., 11. sowie B. III. 2. h); Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (59). 1016 Vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (93). 1017 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (93). 1018 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (59). 1013

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religiöser, ethischer oder moralischer Sicht ablehnen. Bloße psychische, mentale, Selbstbewusstseins- oder atmosphärische Diskriminierungswirkungen bei Dritten aufgrund der Stammzellengewinnung aus Mensch-Tier-Zybriden genügen jedoch nicht, das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot auszulösen1019. ff) Missbrauchs- und „Dammbruch“-Argumente Gegner des therapeutischen Klonens rechtfertigen ihre Skepsis mit dem so genannten „Dammbruchs-Argument“1020. Dabei wird dieses zum Postulat „Wehret den Anfängen“1021 und lautet etwa so: Würde die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken auf dem Wege des Klonens zugelassen, ließe sich auch das de lege lata bestehende Verbot der Erzeugung von Forschungsembryonen mittels In-vitro-Fertilisation nicht mehr aufrechterhalten. Weil es sich in beiden Fällen um schutzwürdige Embryonen handelt, würde die Unterschiedlichkeit der Genom-Ausstattung die Beibehaltung des Verbots nicht rechtfertigen, zumal es in der Künstlichkeit der Erzeugung zwischen In-vitro-Verfahren und dem Klonverfahren ohnehin keinen relevanten Unterschied gebe1022. Eine scharfe Grenzziehung zum Fortpflanzungsklonen sei deshalb nicht möglich. Da die Techniken des Fortpflanzungs- und des Forschungsklonens identisch seien, könne nicht vermieden werden, dass Fortschritte in der Technik des Nukleustransfers auch für das Fortpflanzungsklonen genutzt werden. Zudem könne es trotz gesetzlichen Verbots zur Implantation eines Klons in die Gebärmutter einer Frau und zur Austragung durch diese kommen und damit ein allseits abgelehnter Vorgang stattfinden1023. Selbst wenn die Entwicklung neuer Therapiekonzepte eine akzeptable Motivation der Handlung darstelle, müsse es strafbewehrt verboten werden: Da keine klare Trennlinie zu ziehen sei, könne von keiner erheblichen Minderung des Handlungsunwertes des therapeutischen gegenüber dem reproduktiven Klonen ausgegangen werden, sodass auch Ersteres als Menschenwürdeverletzung verboten werden müsse1024.

1019 Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 38 zur behinderungsbedingten Selektion bei der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik. 1020 So z. B. DFG 2001, Ziff. 2.6.3; S. 45. 1021 Losch in: NJW 1992, 2926 (2927). 1022 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (61 f). 1023 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (81); vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 153, der dem Argument jedoch ablehnend gegenübersteht. 1024 Berger, S. 202 zur Chimären- und Hybrid-Bildung.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

b) Argumente gegen eine Gefährdung aa) Keine Gefährdung der Gattung Homo Sapiens Gegen eine Gefährdung der in Art. 1 I S. 1 GG verbürgten Gattungswürde wird angeführt, dass diese Rechtsfigur im Bereich des therapeutischen Klonens nicht angewendet1025 werden könne, weil der erforderliche gesellschaftliche Konsens gerade nicht existiere, was die Diskussion im In- und Ausland verdeutliche1026. Da das deutsche Grundgesetz kein spezifisch deutsches Menschenbild statuieren wollte,1027, müsse es schon zu einer nachhaltigen Erschütterung der Evidenz einer Menschenwürdeverletzung führen, wenn Staaten mit „hoch entwickelter Sensibilität für personale Würde“ das therapeutische Klonen zulassen, auch wenn die ausländische Rechtslage nicht für die Auslegung des  GG herangezogen werden kann. Es müsse bei dem Begriff der Menschenwürde jedoch bedacht werden, dass es sich nicht nur um einen Verfassungsbegriff handle, sondern auch um ein grenzüberschreitendes ethisches Prinzip1028. Jedenfalls spreche die Rechtsvergleichung und die Tatsache, dass in zahlreichen europäischen Staaten und den USA das therapeutische Klonen erlaubt ist, gegen eine Würdeverletzung1029. Die pure „Unnatürlichkeit“ könne, für sich genommen, keinen Einwand darstellen, da es ebenso unnatürlich sei, eine Schweineherzklappe zur Rettung eines Menschenlebens zu transplantieren1030. bb) Keine Verletzung des objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalts Selbst wenn man die Rechtsfigur der „Würde der Menschheit als Gattung“ anerkenne, ergebe sich beim therapeutischen Klonen kein Verstoß, weil dieses keinen „Bruch eines fundamentalen Tabus“ darstelle und nicht die Zukunft der Menschheit gefährde1031. Bei der Züchtung von Menschen nach bestimmten Merkmalen möge das anders beurteilt werden, beim therapeutischen Klonen gehe es jedoch lediglich um die Gewinnung embryonaler Stammzellen, wobei das Stadium der 1025

Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 89; Herdegen in: JZ 2001, 773 (775); Frankenberg in: KJ 2000, 325 (329); Schmidt, S. 145. 1026 Vgl. Middel, S. 258 f.; bezüglich Embryonenforschung und PID Solter et al., S. 165 f. 1027 Zum Folgenden: Herdegen in: JZ 2001, 773 (775). 1028 Vgl. Charta der Vereinten Nationen, Präambel; Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Präambel, Art.  1; BVerfG, NJW 1999, 3399 (3401): Bei einer Regelung im Grenz­ bereich medizinischer Möglichkeiten, ethischer Anforderungen und gesellschaftlicher Vorstellungen müssten auch internationale Entwicklungen in zunehmendem Maße berücksichtigt werden; Schulze-Fielitz, S.  355 (377), der die Rezeption außerdeutscher Menschenwürde-­ Verständnisse für geboten erachtet. 1029 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 106: Menschenwürde keine Grundlage für Verbot therapeutischen Klonens. 1030 Deutscher Ethikrat 2011, S. 70 f. 1031 Middel, S. 244.

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Totipotenz nur eine notwendige, aber eher unerwünschte Entwicklung für kurze Zeit sei1032. Einzig das reproduktive Klonen widerspreche Art. 1 I S. 1 GG, während die Erzeugung von Zellkerntransferklonen zur Stammzellengewinnung und Verfolgung hochrangiger Forschungszwecke nicht im Widerspruch zur objektiv-rechtlichen Wertung der Grundrechte stehe1033. Dieses Ergebnis widerspreche auch nicht dem Zusatzprotokoll zum MRB, weil man bei diesem „human being“ nicht mit „menschlichem Leben“, sondern mit „Mensch“ zu übersetzen habe; vielmehr korrespondiere es mit den Ergebnissen des Internationalen Ausschusses für Bioethik (IBC)1034 und werde den zukünftigen internationalen Entwicklungen gerecht1035. Gegen ein generelles Verbot des Klonens mit therapeutischer Zielsetzung müsse angeführt werden, dass es in langfristiger Perspektive für die Entwicklung medizinischer Therapien von großer Bedeutung sein könne1036. Somit ergebe sich vielmehr die Frage, ob es nicht gerade der Menschenwürde entspreche, wenn Forschung für schwerwiegende, bisher nicht heilbare Krankheiten betrieben wird1037. cc) Fortpflanzungsunabhängiger Kontext Taupitz zieht vor allem folgende Überlegungen mit ein: Während es eindeutig die Menschenwürde verletze, einen geklonten Menschen über die Geburt heranwachsen zu lassen, um ihn dann als „Ersatzteillager“ für andere Menschen zu verwenden1038, geschehe das therapeutische Klonen in einem völlig anderen Kontext als der Erzeugung von Nachkommen1039. Dem stimmt die Zentrale Kommission für Stammzellforschung zu und stellt den Vergleich dazu an, dass auch Sexualität und Fortpflanzung heute weithin voneinander getrennte Dinge seien1040. Zudem sei das Verfahren des Zellkerntransfers ein gänzlich anderes als das der (künstlichen oder natürlichen) Befruchtung und finde einzig in der Absicht statt, Zellen und Gewebe zu erhalten, deren Zellkern-DNA mit der DNA des Patienten identisch ist1041. 1032

Middel, S. 244. Berger, S. 198. 1034 Die UNESCO hat den Internationalen Ausschuss für Bioethik (IBC) sowie den Zwischenstaatlichen Ausschuss für Bioethik (IGBC) eingesetzt. Mit ihrer Hilfe hat die UNESCO 1997, 2003 und 2005 drei Erklärungen zur Bioethik verabschiedet, zuletzt die „Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte“, vgl. URL http://www.unesco.de/bioethik.html. 1035 Berger, S. 198. 1036 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (81). 1037 Vgl. Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3436); Taupitz in: Kreß/Racké, 17 (21); ferner Ipsen in: JZ 2001, 989 (996), der von einem „verfassungsethischen Prinzip“ spricht; weitergehend Scholz in: FS Baur, 673 (677); Solter et al., S. 31 f., der davon ausgeht, dass Embryonenforschung sogar moralisch geboten sein kann; Hufen in: JZ 2004, 313 (316) postuliert eine „Ethik des Heilens“, die in der Menschenwürde begründet sei. 1038 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (81). 1039 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 1040 ZES 2002, S. 45 f. 1041 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 1033

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Sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht komme diesen hochrangigen therapeutischen Zielen erhebliche Bedeutung zu, zumal der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz des Lebens und der Gesundheit von Kranken einen Abwägungsfaktor darstelle, den der Gesetzgeber bei der gebotenen Konkretisierung des Schutzes der Menschenwürde nicht außer Acht lassen dürfe1042. Bei der Variante, dass entkernte tierische Eizellen verwendet werden, sei zu beachten, dass damit die Entfernung zur normalen Reproduktion als Leitbild und Maßstab immer größer wird1043. Aus dieser Tatsache können unterschiedliche Schlüsse gezogen werden. Einerseits kann man folgern, dass diese Entfernung von der normalen Vorstellung von Fortpflanzung wegen dieser „Unnatürlichkeit“ strikt unterbunden werden muss.  Andererseits kann es auch als Differenzierungsgrund verstanden werden mit der Konsequenz, diese Methode nicht unter dem Stichwort „Fortpflanzung“ zu erörtern1044. Je weiter die Methode von der natürlichen Reproduktion abweicht, desto vorzugswürdiger könnte sie für die Forschung sein1045, weil die künstlich erzeugte Totipotenz ein geringeres Schutzniveau eröffnet1046. Aus diesen Gründen müsse das therapeutische Klonen anders beurteilt werden als die Herstellung von Embryonen durch künstliche Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft und aus dem Kontext des Embryonenschutzes gelöst sowie eigenen Zulässigkeitskriterien unterworfen werden1047. dd) Bestehende Alternativlosigkeit Weiterhin sei zweifelhaft, ob die Vergleichbarkeit des Entwicklungspotenzials der verschiedenen Arten von Stammzellen überhaupt hinreichend ermittelt werden könne, wenn nicht auch vergleichende Forschung durchgeführt wird1048. Probleme der Reprogrammierung von Zellen könnten nur dann hinreichend gelöst werden, wenn auch die Vorgänge der natürlichen Programmierung verstanden würden. Allerdings bestünde die Hoffnung, dass der Weg über die Gewinnung embryonaler Stammzellen nur eine Zwischenetappe zur Reprogrammierung körpereigener Zellen Kranker sei, welche das Stadium der Totipotenz vermeidet. Einer Therapie mit adulten induzierten Stammzellen sei der Vorzug zu geben, sofern sich diese als medizinisch gleichwertig erweisen. Noch sei dieser Nachweis nicht gelungen, sodass von der Alternativlosigkeit der Verwendung von Stammzellen aus Klon-Blastozysten auszugehen und deren Herstellung daher ethisch vertretbar sei. 1042

Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 469. Hetz, S. 202. 1044 Hetz, S. 202. 1045 Siep in: JWE 2002, 179 (183). 1046 Hetz, S. 202. 1047 Taupitz in: Wobus et al., S. 182; Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3440). 1048 Zum Folgenden: ZES 2002, S. 40. 1043

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ee) Vermeidung der Tötung (rein) menschlicher Embryonen Nicht außer Acht zu lassen sei schließlich die Tatsache, dass durch die Gewinnung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden die Nutzung menschlicher Embryonen zurückgefahren oder sogar überflüssig werden könnte. Es stelle sich die Frage, ob es nicht tendenziell weniger problematisch sei, gewissermaßen als Zwischenschritt vom Tier- zum Menschenversuch, statt menschlicher Embryonen „nur“ hybride Embryonen zu hochrangigen Forschungszwecken zu verbrauchen; allerdings muss man diese vor ihrem Verbrauch erst erzeugen1049. Ein Argument für die Zulassung der Zybrid-Herstellung bildet dies natürlich nur, wenn man – wie hier vertreten  – (nur) menschlichen Embryonen in vitro Menschenwürdeschutz­ zuspricht und diesen Mensch-Tier-Zybriden im Reagenzglas versagt. ff) Vermeidung der Verwendung menschlicher Eizellen Die Idee, tierische Eizellen zur Reprogrammierung menschlicher somatischer Zellen zu verwenden, rührt daher, dass man die Schwierigkeiten bei der Spende von Eizellen von Frauen umgehen wollte. (1) Medizinische Risiken der Eizellspende Die Gewinnung von Eizellen erfordert bei den spendenden Frauen mit der ovariellen Hyperstimulation einschneidende medizinische Manipulationen und birgt für diese, insbesondere bei der Eierstockspunktion, hohe gesundheitliche Risiken1050. (2) Kommerzialisierungsgefahr Eizellen stellen nicht nur wegen der körperlichen Risiken, die mit der Eizellengewinnung einhergehen, ein ethisch höchst problematisches Ausgangsmaterial für Forschung und Therapie dar, sondern sind schon jetzt eine weltweit knappe Ressource1051. Klonversuche, die im Tierexperiment erfolgreich waren, erforderten einen hohen Verbrauch an Eizellen1052. Bei lebhafter Forschungstätigkeit und erst recht bei einer eventuellen späteren Arzneimittelforschung wird ein weiterer

1049

Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7 Rn. 7. Vgl. Teil 2: B. III. 2 c) cc) (1); vgl. auch Jaenisch/Wilmut in: FAZ v. 29.03.2001; zu den ethischen Bedenken Knoepffler in: Universitas 2001, 398 (404 f.); Heinemann in: JWE 2000, 259 (265); Birnbacher in: Hello Dolly?, S. 46. 1051 Storck in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 297. 1052 Vgl. Teil 2: B. III. 2 c) cc) (1); Nationaler Ethikrat, 2004, Klonen, S. 47; Müller-Jung in: FAZ v. 16.05.2013. 1050

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Anstieg des Eizellenbedarfs vorausgesagt. Aus diesem Grunde befürchten viele eine Kommerzialisierung der Eizellspende, was mit der Würde der Frauen nicht zu vereinbaren sei1053. Es könne sich ein nachfrageorientierter Markt entwickeln, dessen Anreize Frauen in ihrer Selbstbestimmung gefährden und zu Lieferantinnen werden lassen könnten1054. Im Zusammenhang mit Unfruchtbarkeitsbehandlungen habe sich international bereits ein „grauer Markt“ entwickelt, auf dem Frauen sich gegen finanzielle Entschädigung behandeln lassen und ihre Eizellen an ihren Auftraggeber abgeben1055. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sich dieser Trend zur Kommerzialisierung verschärfen, wenn für Klonexperimente weibliche Ei­zellen in noch höherem Maße benötigt würden und der weibliche Körper damit zur Ressource transformierte. Die Situation eines knappen und sehr gefragten Gutes ist zu dessen Kommerzialisierung zweifellos geeignet1056. In Großbritannien wurde 2007 angekündigt, dass Frauen einen Zuschuss von umgerechnet 2.190 Euro für eine künstliche Befruchtung erhalten, wenn sie die Hälfte der Eizellen für Klonexperimente spenden, was als „unethischer finanzieller Anreiz“ verurteilt wird1057. Bei Studien von Hwang an der Seoul National University in Südkorea erhielten wenigstens 75 Spenderinnen etwa 1.500 US-Dollar als finanzielle Entschädigung1058. Eine Ausnutzung wirtschaftlicher Notsituationen von Frauen lässt sich nach Auffassung vieler nicht ausschließen und die Spende von Eizellen sei bereits deshalb anders zu bewerten als das Zur-Verfügung-Stellen sonstiger Körpermaterialien, weil die Eizelle keine Krankheiten kuriert und allenfalls in einem sehr vagen Zukunftsprospekt zur therapeutischen Gewebeproduktion verwendet werden könne1059. Selbst ohne Kommerzialisierung beinhalte die Rekrutierung von Eizellspenderinnen ethische Probleme, die über die unmittelbaren und mittelbaren Risiken der erforderlichen medizinischen Interventionen für die einzelnen Frauen hinausgehen. Diese würden unter anderem im Nachweis der Freiwilligkeit der Spende und der Überprüfbarkeit der informierten Einwilligung liegen, aber auch in der Ausnutzung von Notsituationen von Frauen ins­ besondere in armen Ländern, welche geeignet sein könnten, die gesundheitlichen Risiken einer Eizellspende in Kauf zu nehmen, wenn ihnen im Gegenzug Vorteile zur Minderung ihrer Notlage in Aussicht gestellt würden1060. Teilweise wird sogar ein Verstoß gegen Art. 1 I S. 1 GG durch eine Ausbeutung der Frauen für einschlägig erachtet. So verfügten viele Länder nicht über die Kapazitäten, die Eizellengewinnung angemessen zu kontrollieren. Dadurch würden Nachweise der Freiwilligkeit der Spende sowie die Überprüfung einer informierten Zustimmung kaum möglich sein, weshalb ein Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen 1053

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 40 f. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (62). 1055 Gehring in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 66. 1056 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 47. 1057 Vgl. URL: http://www.Huberthueppe.de/bio07/070913.shtml. 1058 Stork in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 299. 1059 Vgl. Gehring in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 67. 1060 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (94). 1054

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nicht ausreiche, um die Gewinnung und Verwendung von Eizellen zum Zwecke des Klonens zu rechtfertigen1061. Es müsse vermieden werden, dass eine Erwartungshaltung entsteht, in der Frauen ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit gegen die Ansprüche von Wissenschaft und Medizin auf Eizellen verteidigen müssten1062. Die allgemeine Hoffnung auf die Entwicklung von Therapiemöglichkeiten könne weder die Herstellung und den Verbrauch menschlicher Embryonen noch die Instrumentalisierung und Gefährdung von Frauen bei der Eizellspende legitimieren1063. Sofern es technisch realisierbar ist, aus der Eierstockgewebespende einer einzelnen Frau die darin in großer Zahl vorhandenen Eizellen zur Reife zu bringen, begründete dies eine schonendere Alternative1064. Die grundsätzliche Gefahr, dass sich ein nachfrageorientierter Markt für den Handel mit Eizellen oder Eierstockgeweben entwickelt, von dem entsprechende finanzielle Anreize mit einer möglichen Gefährdung der Selbstbestimmung ausgehen, besteht jedoch in beiden Fällen1065. (3) Symbolische Bedeutung weiblicher Eizellen Zudem müsse bedacht werden, dass Eizellen als reproduktive Körpersubstanzen nicht nur biologische Besonderheiten aufwiesen, sondern auch eine spezifisch symbolische1066. Anders als normale Körperzellen seien sie nicht nur das materielle Substrat individueller Fortpflanzung, sondern auch die Basis der Art­ erhaltung, repräsentierten Fruchtbarkeit und stünden für die notwendige Komplementarität des männlichen und weiblichen Prinzips bei der geschlechtlichen Fortpflanzung. Darüber hinaus stellten sie eine genealogische Brücke zwischen vergangenen und zukünftigen Generationen dar1067. Auch wenn Eizellen kein eigenes Entwicklungspotenzial aufwiesen und totipotenten Zellen deshalb in normativer Hinsicht nicht gleichgestellt werden könnten, hätten sie als biologische und symbolische Körpersubstanzen Eigenschaften, die sie von anderen Körperzellen unterscheiden1068. Zwar sei die ethische und rechtliche Relevanz dieses besonderen Status bislang nicht umfassend geklärt, es existierten aber gute Gründe, diesen Zellen bei der Beurteilung von Klonexperimenten eine besondere Bedeutung beizumessen und ihre Verwendung in Klonexperimenten zu untersagen1069, zumal das therapeutische Klonen negative Auswirkungen auf das Menschenbild und das menschliche Selbstverständnis entfalten könne. Seine Zulassung würde 1061

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (85). Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (94 f.). 1063 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (86). 1064 Nationaler Ethikrat, 2004, Klonen, S. 47. 1065 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 47. 1066 Gehring in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 66. 1067 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (100). 1068 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (100 f.). 1069 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (101). 1062

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die Grenze zwischen menschlichen Lebewesen einerseits und Gegenständen und Instrumenten andererseits, die zu außerhalb ihrer selbst liegenden Zwecken her­ gestellt, verwendet und verbraucht werden, weiter verwischen1070. (4) Möglichkeiten der Rechtfertigung der Eizellgewinnung Die Gegenposition ist der Auffassung, dass eine aufgeklärte Einwilligung die beschriebenen Probleme einer Eizell- oder Eierstockgewebespende vermeidet1071. Zwar liege ein Eingriff in Art. 2 II S. 1 GG der Eizellspenderin aufgrund ihrer gesundheitlichen Gefährdung vor1072, könnte wie andere Eingriffe zu Forschungszwecken unter der Voraussetzung freiwilliger und aufgeklärter Zustimmung aber gerechtfertigt sein1073. Die Ausnutzung von materiellen Notlagen sowie eine Kommerzialisierung der Eizellspende könne wirksam ausgeschlossen werden, sodass keinesfalls eine menschenwürdewidrige Instrumentalisierung der Spenderinnen anzunehmen sei1074. Davon könne insbesondere dann keine Rede sein, wenn die Eizellen nicht speziell zu Forschungszwecken entnommen werden, sondern bei assistierter Reproduktion übrig bleiben oder nach einer medizinisch-indizierten Entfernung der Eierstöcke aus diesen gewonnen werden1075. Beim therapeutischen Klonen gehe es um die Heilung schwerer Krankheiten und keinesfalls um die Herstellung neuer Lebewesen oder die Erzeugung biologischer „Ersatzteillager“1076. Nur wenn Embryonen oder Zellen wie Waren hergestellt und verbraucht würden, liege eine Menschenwürdeverletzung vor1077. Zudem erscheine es denkbar, zukünftig menschliche Zellen aus Stammzellkulturen zu gewinnen. Bei einem solchen Verfahren entfiele das Argument der Instrumentalisierung oder Schädigung von Frauen1078. Ob solche Eizellen zu Fortpflanzungszwecken jedoch geeignet sind, bleibt zweifelhaft1079. Solange Eizellspenden von Frauen, die mit einer nicht unerheblichen gesundheitlichen Belastung der Spenderinnen einhergehen, alternativlos seien, müssten sie zu hochrangigen Zwecken zulässig sein1080.

1070

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (94). Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 47. 1072 Middel, S. 246. 1073 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (82). 1074 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (82). 1075 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (82, 83). Damit kommen die Vertreter des Nationalen Ethikrates der Position „B“ zu dem Ergebnis, dass das grundsätzlich vertretbar und eine Regelung der Voraussetzungen, unter denen das Forschungsklonen zulässig ist, erforderlich ist. 1076 Denninger in: KritV 2003, 191 (208). 1077 Denninger in: KritV 2003, 191 (208). 1078 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 47. 1079 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 47. 1080 Denninger in: KritV 2003, 191 (208). 1071

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(5) Vor- und Nachteile der Verwendung tierischer Eizellen Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es weniger problematisch ist, tierische Eizellen zu verwenden, es sich also um ein milderes Mittel handelt. Allerdings tauchen bei der Verwendung tierischer Eizellen andere Probleme auf, insbesondere im Zusammenhang mit der Vermischung menschlicher und tierischer Körpermaterialien und Gene. Es bleibt also zweifelhaft, ob menschliche oder tierische Eizellen problematischer sind. Zudem scheinen tierische Eizellen die Reprogrammierung der Körperzellen weniger gut zu unterstützen als menschliche. Darüber hinaus ist unsicher, ob die Immunkompatibilität von aus Mensch-Tier-­ Zybrid-Stammzellen gezüchtetem Gewebe genauso vielversprechend ist wie bei solchem aus therapeutischem Klonen unter Verwendung menschlicher Eizellen. Insofern ist auch aus medizinischer Sicht fraglich, ob beide gleichwertig sind. gg) Entkräftung des Missbrauchs- und „Dammbruch“-Arguments Dem „Dammbruch“-Argument wird entgegengehalten, dass dieses verfassungsrechtlich ohne Bedeutung sei1081. Inhaltlich lasse es sich ebenfalls entkräften. Es enthält den Tenor, dass nach dem therapeutischen Klonen im nächsten Schritt auch das Klonen mit reproduktiver Zielsetzung zugelassen werde, weil beiden dieselbe Technik des Nukleustransfers zugrunde liegt. Hierauf folge als weiterer Schritt die Zulassung der Erzeugung von Forschungsembryonen mittels In-vitro-Fertilisation, sodass sich eine „schiefe Ebene“ in Richtung völliger Auflösung des Embryonenschutzes ergebe. Bemängelt wird, dass die Argumentation viel zu undifferenziert sei im Hinblick auf die Menschen, bei denen solche negativen Wirkungen befürchtet werden: Bezieht es sich auf angeblich Moral korrumpierende Forscher, auf politische Entscheidungsträger oder den außerwissenschaftlichen „Normalbürger“?1082 Zudem bestehen Bedenken die Undifferenziertheit der Bezeichnung für das an­ geblich bedrohte Gut betreffend: Die Prognose, der Respekt vor dem menschlichen Leben werde verringert, wenn man seine Instrumentalisierung zulasse, sei zu grob formuliert, um sie sinnvoll diskutieren zu können1083. Des Weiteren bezieht sich ein dritter Einwand gegen die große Pauschalität der Prognose selbst. Zu dieser gebe es nicht den geringsten empirischen Anlass1084. Schließlich erscheine es keinesfalls gerechtfertigt, die medizinische Versorgung aus Missbrauchserwägungen zu verbieten. Denn ein Missbrauch berühre, solange er gesellschaftlich als solcher identifizierbar bleibt, nicht die Geltung der Norm, die ihn als tadelnswert ausweist1085. Daran könne auch sein massenhaftes Auftre 1081

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (84). Merkel, S. 205. 1083 Merkel, S. 205. 1084 Merkel, S. 206. 1085 Merkel, S. 196. 1082

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

ten grundsätzlich nichts ändern. Missbräuche einer neuen Handlungserlaubnis seien sowohl im wissenschaftlichen als auch im allgemeinen gesellschaftlichen Bereich niemals gänzlich auszuschließen. Das Verbot des korrekten Gebrauchs könne mit der Befürchtung des Missbrauchs nicht legitimiert werden, ganz abgesehen davon, dass ein konkreter Missbrauch nicht ersichtlich ist1086. Vielmehr würde ein solches Verbot selbst einen Missbrauch darstellen, nämlich einen Missbrauch der Macht1087. Ein Missbrauch dürfe nicht von vornherein unterstellt werden, sondern müsse durch den Rahmen des Erforderlichen und Angemessenen ausgegrenzt werden1088. Anders als der Missbrauch verschiebt ein „Dammbruch“ Inhalt und Reichweite der Norm selbst1089. Die Gefahr des „Dammbruchs“ hin zum reproduktiven Klonen lasse sich nicht leugnen, ihr könne mit einem Verbot des therapeutischen Klonens jedoch nicht angemessen begegnet werden. Grundsätzlich müsse bei Techniken, die sowohl Schaden als auch Nutzen bringen können, zwar gezielt der Missbrauch verboten, nicht aber vorsorglich ihr legitimer Gebrauch untersagt werden1090. Das probate und in allen Bereichen der Gesellschaft seit jeher genutzte Mittel zum Ausschluss der jeweils nicht gewollten (verbrecherischen, zu risikobehafteten oder aus anderen Gründen nicht erwünschten) Handlungsalternativen sei die Sanktion. Das Verbot des Klonens zu Fortpflanzungszwecken stelle demgemäß eine geeignete und hinreichende Maßnahme gegen den Missbrauch des therapeutischen Klonens dar. Die Stabilität eines Verbots des reproduktiven Klonens beruhe darauf, dass die Herstellung von Menschen durch Klonen in der Gesellschaft einhellig abgelehnt wird. Nichts spreche dafür, dass diese Werte sukzessive in Frage gestellt werden, wenn man die Herstellung von geklonten Blastozysten für die Forschung, also einen völlig anderen Zweck, erlaube1091. c) Stellungnahme und Ergebnis Nach alledem überzeugen die letztgenannten Argumente gegen eine Gefährdung der menschlichen Gattungswürde aus Art. 1 I GG durch die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zu therapeutischen Zwecken. Ein Verstoß lässt sich nicht begründen: Beim Klonen zu nichtreproduktiven Zwecken werden das menschliche Genom und das gattungsethische Selbstverständnis sowie die Unantastbarkeit des grundgesetzlichen Menschenbildes nicht gefährdet. Dass der Schutz der Gattung Homo Sapiens verletzt würde, kann nicht plausibel dargelegt werden, wenn kein Mischwesen geboren wird, dessen Erbgut sich weiter vererben könnte. Vielmehr 1086 Merkel, S. 197, der nur solche unerlaubten Handlungen sieht, die nicht die Stammzellforschung selbst betreffen, sondern nur bei ihrer „Gelegenheit“ auftreten. 1087 Merkel, S. 197. 1088 Losch in: NJW 1992, 2926 (2928). 1089 Merkel, S. 196. 1090 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (81). 1091 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (81).

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bleibt der Mensch-Tier-Zybride in der Petrischale und soll der Gewinnung von patientenkompatiblem Ersatzgewebe dienen, worin keine Verletzung oder Gefährdung der Menschenwürde in einem überindividuellen Sinn erblickt werden kann. Auch die unsicheren therapeutischen Perspektiven vermögen keinen Menschenwürdeverstoß zu begründen, zumal ein ungewisser Erfolg jeder Forschung immanent ist, und zwar sowohl in Bezug auf das „Ob“ als auch auf das „Wann“ des Erfolges.  Gleiches gilt für die derzeit noch bestehenden medizinischen Risiken. Natürlich müssten diese erst beseitigt werden, damit es zu keinem unverantwortlichen Humanexperiment kommt, das gegen die Menschenwürde der Patienten verstoßen würde. Aus diesem Argument lässt sich jedoch kein verfassungsrechtliches Verbot der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden aufgrund eines Verstoßes gegen die menschliche Gattungswürde ableiten. Im Hinblick auf die Alternativen zur Stammzellengewinnung aus MenschTier-Zybriden ist zu sagen, dass es aus biomedizinscher und ethischer Sicht sehr zweifelhaft ist, dass es sich um gleichwertige Alternativen handelt, die auch noch „mildere Mittel“ darstellen. Hinzu kommt, dass diese Argumentation in den Bereich der Verhältnismäßigkeitsprüfung gehört und für sich genommen keine Verletzung der menschlichen Gattungswürde belegen kann. Gleiches gilt für das aus dem ethischen Bereich stammende „Dammbruch“-Argument, das sich zudem entschieden entkräften lässt. Schließlich vermögen auch die behaupteten Diskriminierungswirkungen als zweifelhafte und nur mittelbare Folgen der Zybridenforschung keine Verfassungswidrigkeit aufzuzeigen. Auch die fehlende Vergleichbarkeit mit dem Schwangerschaftsabbruch bildet hierfür keine Grundlage. Vielmehr erscheint es absurd, einem „Zellhaufen“ einen höheren Schutz zuzubilligen als einem Embryo in vivo, der aus medizinisch-therapeutischen Gründen abgetrieben werden darf1092. Der fortpflanzungsunabhängige Kontext stellt ein schlagkräftiges Argument gegen einen Menschenwürdeverstoß dar. Die Herstellung von Mensch-Tier-­Zybri­ den begründet keinen „fundamentalen Tabubruch“, zumal weder innerhalb der Bundesrepublik Deutschland noch auf internationaler Ebene ein universeller Konsens im Hinblick auf die Bewertung von Klonierungsverfahren mit therapeutischer Zielsetzung herrscht. Eine persönliche und ethisch, religiös oder weltanschaulich begründete Ablehnung des Klonens zu therapeutischen Zwecken, insbesondere unter Verwendung tierischer Eizellen, darf nicht dazu führen, dieses gewünschte Ergebnis „in die Verfassung hineinzuinterpretieren“. Demzufolge wird die in Art. 1 I S. 1 verbürgte Gattungswürde durch die Prozedur der Erzeugung totipotenter Zellen mit menschlichen und tierischen Bestandteilen zum Zwecke der Stammzellengewinnung zu hochrangigen Therapiezwecken nicht verletzt. Das Verfahren löst keine staatliche Schutzpflicht für die „Gattung Mensch“ aus. 1092 Sentker in: DIE ZEIT v. 16.05.2013: „Dagegen monieren die Forschungsbefürworter, ein Zellhaufen im Labor werde höher geachtet und strenger geschützt als das heranwachsende Kind im Mutterleib.“

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

5. Staatliche Schutzpflicht für die Umwelt (Art. 20a GG) Art. 20a GG gibt dem Staat die Aufgabe, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung Vorsorge gegen Umweltrisiken zu schaffen und für den Schutz der Umweltressourcen zu sorgen1093. Grundsätzlich wird somit durch Art. 20a GG eine staatliche Schutzpflicht begründet, welche die Aufgabe beinhaltet, dafür zu sorgen, dass bestimmte Eingriffe in die Natur vermieden oder Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Umwelt ergriffen werden, ohne dass das Schutzziel inhaltlich und zeitlich präzise bestimmbar ist1094. Im Umweltrecht setzt die Schutzpflicht nicht erst bei einer unmittelbaren Gefährdung menschlicher Rechtsgüter an, sondern umfasst auch die Risikovorsorge unterhalb der Gefahrenschwelle1095. An welchem Grad der Gefährdung der Staat tätig werden muss, ist abhängig von Art, Nähe und Ausmaß möglicher Gefahren, Art und Rang des geschützten Rechtsgutes sowie bereits vorhandener Regelungen1096. Der Staat muss die möglichen Umweltschäden prüfen, wobei die Eigen­ interessen der Menschen und ihre Verantwortung für die zukünftigen Generationen als Maßstab herangezogen werden1097. Dabei ist zu bedenken, dass jede Umweltbelastung nur die Kehrseite einer Umweltnutzung ist1098 und daher durch Beseitigung der Umweltbelastung oftmals auch die Nutzung unmöglich gemacht wird. Ein langfristig ausgelöster Strukturwandel ist mit der Gefahr verbunden, die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen zu beeinträchtigen1099. Eine Schutzpflicht des Gesetzgebers im Sinne der Gefahrenabwehr besteht im Hinblick auf die Zybridforschung zum jetzigen Zeitpunkt nicht, weil das Verfahren in Deutschland noch nicht angewendet wird1100. In Betracht kommt nur eine Schutzpflicht zur Risikovorsorge. Art.  20a  GG enthält zur Schutzintensität von Vorsorgeentscheidungen keine Angaben. Zur gebotenen Schadensvorsorge im Atomrecht hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass alle denkbaren Risiken zu prüfen sind und Gefahren, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik bestehen, vermieden werden müssen1101. Das vorsorgende Recht muss vor allem Komplexität und Dynamik der Technik ausreichend erfassen: „Der Gesetzgeber muss Kriterien, Verfahren und Institutionen entwickeln, um eine Auswahl zwischen technischen Alternativen und Gestaltung technischer Systeme zu ermöglichen“1102. Eine Forderung nach absoluter Sicherheit im Bereich der Tech 1093

Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 20a, Rn. 2 f.; Mauss, S. 20. Bernsdorff in: NuR 1997, 328 (330). 1095 Hennek in: NuR 1995, 329 (329); Murswiek in: NVwZ, 222 (225). 1096 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 155. 1097 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 157. 1098 Rauschning in: DÖV 1986, 489 (492). 1099 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 157. 1100 Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 154; Mauss, S. 39. 1101 BVerfGE 49, 80 (90). 1102 Bernsdorff in: NuR 1997, 328 (330). 1094

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nik würde die Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens verkennen und „weithin jede staatliche Zulassung der Nutzung der Technik verbannen“1103. Rest­ risiken – Gefahren, die jenseits der Schwelle praktischer Vernunft stehen – müssen vom Bürger als sozial-adäquate Lasten getragen werden1104. Um Grundrechtskollisionen zu vermeiden, muss der Sozialstaat mit Hilfe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine praktische Konkordanz herstellen1105. Die Verfassung muss also in sich widerspruchsfrei und harmonisch ausgelegt werden, sodass es im Einzelfall mit dem Staatsziel vereinbar sein kann, Gefahren oder sogar Schäden an einzelnen Rechtsgütern in Kauf zu nehmen1106. Die Risiken, die mit der Zybridforschung verbunden sind, erscheinen im Vergleich zu deren Zielen nicht so gewichtig, dass eine Pflicht des Gesetzgebers zum Handeln in Form des Erlasses eines Verbots besteht. Der Forscher, der sich entschließt, Tieren in seinem eigenen Interesse Eizellen zu entnehmen und mit einem menschlichen Zellkern zu verbinden, nimmt die mögliche Umweltbelastung ebenso als sozial-adäquat in Kauf wie der Patient, der sich entsprechende Zellen und Gewebe übertragen lassen möchte1107. Für den Staat resultiert aus der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Schutzpflicht für die Umwelt aus Art. 20a GG. 6. Gesamtergebnis zur Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden Es besteht keine staatliche Schutzpflicht für die menschlichen Körperzellspender aus Art. 2 II S. 1 GG, weil diese wirksam in die Zellspende einwilligen können. Gleiches gilt bei der Verwendung „verworfener“ Operationsmaterialien: Der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG wird durch eine wirksam erteilte Einwilligung nach entsprechender Aufklärung gerechtfertigt. Auch wird keine staatliche Schutzpflicht aktiviert, die Nutzung von Tieren für die Gewinnung von Eizellen zu verbieten. Weiterhin verstößt die Herstellung von Zybrid-Embryonen nicht gegen Individualrechtsgüter der Mensch-Tier-Zybride: In vitro kommt diesen zwar objektiv-rechtlicher Schutz aus Art. 2 II S. 1 GG zu, eine Vorwirkung von Grundrechten muss aber abgelehnt werden, weil ein „Recht auf Nichtentstehen“ paradox erscheint, da es sich gegen seinen eigenen Träger richten würde und zudem aufgrund der therapeutischen Zielsetzung gar kein Grundrechtsträger geboren werden soll. Schließlich wird die in Art. 1 I S. 1 verbürgte Gattungswürde nicht verletzt. Die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden löst für sich allein betrachtet somit keine staatlichen Schutzpflichten aus. 1103

BVerfGE, NJW 1979, 353 (363). BVerfGE 49, 80 (143). 1105 BVerfGE 39, 1 (43). 1106 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 155. 1107 Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 157. 1104

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

II. Verwendung zur Stammzellengewinnung hergestellter Mensch-Tier-Zybriden Möglich erscheint jedoch, dass die Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung, bei der diese zerstört werden, gegen das Grundgesetz verstößt. Sofern sich die Verwendung als verfassungswidrig erweist, könnte dies auch – also doch noch – die Verfassungswidrigkeit der Herstellung von MenschTier-Zybriden – eigens zum Zwecke der Zerstörung – nach sich ziehen. Der Schutzpflicht, die auf die Verhinderung der Verwendung zur Stammzellen­gewinnung hinausläuft, müsste oder könnte der Staat möglicherweise nur dadurch nachkommen, dass er bereits die Herstellung der Entitäten verbietet. Insofern müssen Erzeugung und Verwendung als einheitlicher Lebenssachverhalt betrachtet und bewertet werden. Staatliche Schutzpflichten könnten sich zum einen zugunsten der Mensch-Tier-Zybriden in vitro ergeben, zum anderen zugunsten der Patienten, auf die deren Stammzellen bzw. daraus gezüchtete Gewebe übertragen werden sollen. 1. Staatliche Schutzpflicht für die Mensch-Tier-Zybriden Bezogen auf die Stammzellentnahme und Forschungsmaßnahmen an MenschTier-Zybriden, die in der Petrischale stattfinden, wird der verfassungsrechtliche Status des Mensch-Tier-Zybrides in vitro relevant, wobei es um das Recht auf Leben (Art. 2 II S. 1 GG) und den Würdeschutz (Art. 1 I S. 1 GG) geht. Nach hier vertretener Auffassung unterfallen Mensch-Tier-Zybriden in vitro nur einem ab­geschwächten objektiv-rechtlichen Lebensschutz aus Art.  2 II S.  1 GG, der mit gegenläufigen Interessen abwägbar ist1108, sodass man Mischwesen-Experimenten aufgrund einer Interessenabwägung möglicherweise dann zustimmen kann, wenn diese hochrangigen Forschungszwecken – oder in Zukunft gar Therapieanwendungen – dienen1109. Dies gilt jedenfalls für Konstellationen, in denen aus­geschlossen ist, dass die betreffenden Wesen sich bis zur Geburt und darüber hinaus weiterentwickeln1110. Sofern die zur Zerstörung führende Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden einen Eingriff in einen grundrechtlichen Schutzbereich begründet, wird die Schutzpflicht dem Grunde nach aktiviert. Die Abwägung mit widerstreitenden Interessen stellt erst eine Frage der Ausfüllung der Schutzpflicht dar. a) Lebensschutz (Art. 2 II S. 1 GG) Es könnte ein Verstoß gegen das Lebensschutzgebot der Mensch-Tier-Zybriden aus Art. 2 II S. 1 GG vorliegen, der eine staatliche Schutzpflicht auslöst. 1108

Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7 Rn. 7. Deutscher Ethikrat 2011, S. 60. 1110 Deutscher Ethikrat 2011, S. 60. 1109

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

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aa) Schutzbereich Zunächst müsste der Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG eröffnet sein. Der persönliche Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG wird erst ab dem Zeitpunkt der Individuation eröffnet. Die Zerstörung der Zybride bei der Stammzellentnahme findet vor der Individuation statt, sodass nur ein Eingriff in den sachlichen, nicht aber den persönlichen Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG in Betracht kommt1111. Im Rahmen des Art. 2 II S. 1 GG ist – anders als bei Art. 1 I S. 1 GG unumstritten – eine Trennung von sachlichem und persönlichem Schutzbereich möglich1112. Auch der durch Zellkerntransfer erzeugte Mensch-Tier-Embryo in vitro unterfällt dem sachlichen Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG. Die Norm schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Mit Leben ist die biologisch-physiologische Existenz des Menschen gemeint, das Recht des Einzelnen auf körperliches Dasein1113. bb) Eingriff Die Entnahme von embryonalen Stammzellen stellt einen Eingriff in das Recht auf Leben dieser totipotenten Zelle dar1114. Durch die Stammzellentnahme werden die Mensch-Tier-Zybride getötet, sodass ein Eingriff in den sachlichen Schutz­ bereich des Art. 2 II S. 1 GG vorliegt1115. b) Ergebnis Dem Grunde nach wird eine Schutzpflicht für Mensch-Tier-Zybriden aktiviert1116. 2. Staatliche Schutzpflicht für die Patienten als Empfänger der Zellen a) Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) Zu hinterfragen ist, ob die Zybridforschung die körperliche Unversehrtheit etwa­ iger Patienten beeinträchtigen kann. Möglicherweise resultiert aus der Unkalkulierbarkeit der Risiken des Zellkerntransfer-Verfahrens eine staatliche Schutzpflicht 1111

Vgl. Middel, S. 215 zur Problematik des therapeutischen Klonens. So auch Middel, S. 240. 1113 Starck in: v. Mangold/Klein/Starck, Art. 2 II, Rn. 176. 1114 Chen, S. 45. 1115 Vgl. Middel, S. 217 f. 1116 Middel, S. 246. 1112

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für die Patienten, die Therapien mit Stammzellen aus Mensch-Tier-­Zybriden erhalten. In Betracht kommt eine Gefährdung von Rechten aus Art. 2 II S. 1 GG. aa) Schutzbereich Die Übertragung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden wird aufgrund der Intervention in die körperliche Substanz oder die Körperfunktionen des Patienten vom Schutzbereich der Norm erfasst. bb) Eingriff Es stellt sich die Frage, ob in den Schutzbereich eingegriffen wird, und damit, ob die Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden geeignet ist, die Gesundheit der Patienten so zu beeinträchtigen, dass staatliche Schutzpflichten ausgelöst werden. Noch existieren keine therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten. In Betracht kommt aber eine Schutzpflicht im Hinblick auf die Risikovorsorge. Ob die Annahme zutrifft, dass sich Stammzellen von Klon-Embryonen funktionell nicht von denen unterscheiden, die aus mittels In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryonen stammen, ließe sich nur durch Versuche am Menschen zeigen1117. In Zellkultur ist es kaum sicherzustellen, dass die Stammzellen aus Klonen tatsächlich keine Fehler aufweisen, welche nach Transplantation in den Körper des Patienten zu Störungen der Funktion oder des Wachstums führen1118. Schließlich ist nicht einmal der gefahrlose Einsatz von Stammzellen aus in vitro erzeugten Embryonen sicher. Weil IVF-Embryonen jedoch aus der Verschmelzung zweier Keimzellen hervorgegangen sind und nicht durch Reprogrammierung eines somatischen Zellkerns erzeugt wurden, kann man eher davon ausgehen, dass die aus ihnen gewonnenen Stammzellen keine Programmierungsfehler aufweisen. Zudem bergen Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden die Gefahr in sich, von Tieren stammende neue Seuchen wie BSE zu verbreiten1119. Laut Aussage von Wissenschaftlern sei die Anwendung von Stammzellen aus Klon-Embryonen am Menschen frühestens dann in Erwägung zu ziehen, wenn der therapeutische Nutzen embryonaler Stammzellen grundsätzlich belegt ist, was noch nicht der Fall sei1120. Gesundheitsgefahren für Patienten, die Stammzellen bzw. daraus gezüchtete Gewebe erhalten, sind aufgrund der Risiken von Immunabstoßungen und der fehlerhaften Reprogrammierung der Zellkerne jedenfalls wahrscheinlich. Würden Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden bereits heute am Menschen angewendet, 1117

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (90 f.). Vgl. Teil 2: B. IV., V. 1119 Wodarg, online abrufbar unter: http://www.wodarg.de/presse/veroeffentlichungen/1507 833.html. 1120 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (91). 1118

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beispielsweise im Rahmen eines Heilversuchs, wäre die Gesundheit der Patienten massiv gefährdet, sodass ein Eingriff in den Schutzbereich vorläge.

cc) Eingriffsrechtfertigung durch Einwilligung Der Eingriff könnte allerdings durch eine wirksame Einwilligung gerechtfertigt sein. Bei der Übertragung von Stammzellen zu Heilungszwecken handelt es sich keinesfalls um ein menschenwürdewidriges Vorgehen, welches die Disponibilität des Rechtsgutes in Frage stellte. Demzufolge könnten die betroffenen Patienten wirksam in die Behandlung einwilligen, sodass der Eingriff gerechtfertigt wäre.

b) Ergebnis Mit der Übertragung von Stammzellen oder gezüchteten Geweben aus MenschTier-Zybriden würde aufgrund der erheblichen gesundheitlichen Risiken in die körperliche Unversehrtheit der Patienten eingegriffen. Diese könnten jedoch nach entsprechender Aufklärung wirksam einwilligen. Damit entfällt die Rechtswidrigkeit, sodass keine staatliche Schutzpflicht ausgelöst wird. 3. Gesamtergebnis zur Verwendung hergestellter Mensch-Tier-Zybriden Es besteht im Grundsatz eine objektive Schutzpflicht für Mensch-Tier-Zybriden aus Art. 2 II S. 1 GG, allerdings nur für diejenigen, die im Inland erzeugt werden. Zugunsten der Patienten, welche Zellen aus Mensch-Tier-Zybriden empfangen sollen, wird hingegen keine Schutzpflicht aktiviert, weil diese wirksam in die Behandlung einwilligen könnten, sodass die Rechtswidrigkeit entfiele. Wie der Staat seinen bestehenden Schutzpflichten nachkommen muss, ist gesondert zu klären, insbesondere, ob ein kategorisches Verbot der Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung und  – gleichsam vorgeordnet – ihrer Herstellung ausgesprochen werden muss.

III. Import von Mensch-Tier-Zybriden und aus ihnen gewonnenen Stammzellen Zu fragen ist, wie die Verwendung bereits existierender Mensch-Tier-Zybriden verfassungsrechtlich zu bewerten ist. Im Ausland, etwa in Großbritannien, in den USA und China, wurden bereits Experimente mit Mensch-Tier-Zybriden durch-

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

geführt und Stammzellen aus diesen Entitäten gewonnen. Es stellt sich somit die Frage, ob es von Verfassungs wegen geboten ist, Einfuhr und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden oder aus ihnen gewonnener Stammzellen zu verbieten. 1. Staatliche Schutzpflicht für ausländische Mensch-Tier-Zybriden Als Erstes stellt sich das Problem, ob die deutsche Verfassung ausländische Rechtsgüter und damit möglicherweise auch Mensch-Tier-Zybriden schützt. a) Verfassungsrechtlicher Schutz ausländischer Rechtsgüter Eine Verabsolutierung deutscher Verfassungsentscheidungen ist dem Grundgesetz fremd1121. Eine staatliche Rechtsordnung ist nicht in gleicher Weise für den Schutz im Ausland belegener Rechtsgüter verantwortlich wie für die inländischen1122. Diese Tatsache begründet einen wesentlichen Unterschied zwischen Recht und Moral: Während Moral und Ethik universal orientiert sind, ist das Recht – abgesehen vom Völkerrecht – auf den Gedanken staatlicher Souveränität bezogen. Grundsätzlich schließt dies einen Schutz universaler Rechtsgüter nicht aus. Nach dem so genannten Weltrechtsprinzip sind Staaten gehalten, die Verletzung von Rechtsgütern, die in allen Kulturstaaten anerkannt sind, unabhängig vom Territorium und der Nationalität des Täters zu verfolgen1123. Über den angemessenen Schutz von Embryonen in vitro existiert in der Weltrechtsgemeinschaft jedoch (noch) kein „common sense“. Dies gilt ebenso für geklonte Embryonen. Noch viel weniger besteht Einigkeit über den verfassungsrechtlichen Status und Schutz von Mensch-Tier-Zybriden. Ein Einfuhrverbot würde also nicht der Sicherung eines international geschützten Rechtsgutes dienen1124. b) Ergebnis Ausländische Mensch-Tier-Zybriden vermögen keine staatlichen Schutzpflichten in Deutschland auszulösen. Ihr Schutz vor verbrauchender Forschung und Stammzellentnahme im Inland ist also nicht von Verfassungs wegen geboten.

1121

Vgl. BVerfGE 18, 112 (117) zur Todesstrafe. Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3. 1123 Müller-Terpitz in: WissR 2001, 271 (280). 1124 Vgl. Kloepfer, JZ 2002, 417 (427). 1122

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2. Staatliche Schutzpflicht für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden In Betracht kommt eine Aktivierung der Schutzpflicht zugunsten der Stamm­ zellen aus Mensch-Tier-Zybriden. Vergleichbar ist diese Problematik mit der Diskussion um den Import humaner embryonaler Stammzellen aus dem Ausland, wie ihn das Stammzellgesetz nur unter engen Voraussetzungen gestattet. Der Gesetzgeber beruft sich darauf, dass ihn neben der Gewährleistung der Forschungsfreiheit die Pflicht treffe, „die Menschenwürde und das Recht auf Leben als Fundament unserer Rechts- und Werteordnung zu achten und zu schützen“1125. a) Verfassungsrechtlicher Schutz von Stammzellen Bezogen auf die Vorschriften, die bei der Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen ansetzen, richtet sich der vom Stammzellgesetz bezweckte Schutz auf lebende Embryonen. Bei den Bestimmungen, die den Import und die Verwendung in Deutschland betreffen, nachdem sie den gesetzlichen Kriterien entsprechend im Ausland gewonnen wurden, könnte es sich nur um einen Schutz der embryonalen Stammzellen als solcher handeln1126. Ob ein derartiger Schutz von Verfassungs wegen vorgegeben ist, soll im Folgenden zu geprüft werden. aa) Grundrechtsträgerschaft Die Stammzell-Linien, die für einen zulässigen Import in Frage kommen, genießen unstreitig keinen Lebens- und Menschenwürdeschutz1127. Als allenfalls pluripotente Zellen stellen sie nicht einmal nach der strengen Definition des Embryonenschutzgesetzes schützenswertes menschliches Lebewesen dar1128. Aus rechtlicher Sicht sind sie deshalb nicht anders zu behandeln als menschliche Körperzellen1129. Dementsprechend wird auch in der Begründung zum Stammzell­ gesetz explizit hervorgehoben, dass dem Grundrecht der Forschungsfreiheit bei der Stammzellforschung im Gegensatz zur Forschung an Embryonen keine unmittelbar kollidierenden Grundrechte (von Embryonen) gegenüberstünden, die eine Einschränkung der Ausübung von Wissenschaft und Forschung erlaub 1125

BT-Drs. 14/8394, S. 7. § 1 StZG bestimmt die Geschützten nicht weiter, sodass durchaus auch die Kranken gemeint sein können, die von den aufgrund der Forschung entwickelten Therapiemöglichkeiten profitieren, vgl. Taupitz in: JWE 2003, 335 (342). 1126 Vgl. Taupitz in: JWE 2003, 335 (337). 1127 Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113); Taupitz in: JWE 2003, 335 (342); Dederer, JWE 2003, 305 (307) m. w. N. 1128 Taupitz in: GenTechnik&Recht 2003, 11 (13), Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113); Taupitz in: Die Zeit, 03.07.2001; Bioethik-Kommission RP 2002, S. 19. 1129 Taupitz in: JWE 2003, 335 (342).

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ten1130. So heißt es: „Der Erwerb nicht in Deutschland hergestellter embryonaler Stammzellen sowie die Forschung mit ihnen einschließlich ihrer Vermehrung und Kultivierung steht nicht im Konflikt mit anderen Verfassungsgütern, sofern er auf bereits existierende Stammzellen beschränkt wird“1131. bb) Verfassungsrechtlicher Schutz durch Art. 74 I Nr. 26 GG Diskutiert wird, ob die Kompetenznorm des Art. 74 GG herangezogen werden kann, um den Verfassungsrang eines Schutzinteresses abzuleiten1132. Grundrechtliche Belange der Verwendung bereits existierender embryonaler Stammzellen könnten sich mit Art. 74 I Nr. 26 GG begründen lassen, der dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für die künstliche Befruchtung beim Menschen, die Untersuchung und künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen und Geweben zuweist1133. Die bloße Aufnahme eines Regelungsbereichs in den Katalog der Gesetzgebungskompetenzen genügt allerdings nicht, dem jeweiligen Thema Verfassungsrang zu geben1134. Dies zeigt nur, dass die Durchführung fortpflanzungsmedizinischer oder gentechnischer Maßnahmen nicht per se verfassungswidrig ist, sagt aber nichts über die Wertigkeit des regelbaren Bereichs aus1135. Somit existiert keine verfassungsrechtliche Schutzpflicht zugunsten embryonaler Stammzellen1136. Zu prüfen ist, ob die Verwendung existierender Stammzellen andere Werte von Verfassungsrang berührt. cc) Sittengesetz Man könnte den Schutz embryonaler Stammzellen damit zu rechtfertigen versuchen, dass embryonale Stammzellen „in ethischer Hinsicht“ nicht wie jedes andere menschliche Material angesehen werden können, weil zu ihrer Gewinnung Embryonen verbraucht werden mussten1137. Letztlich geht es also darum, dass die „Früchte des verbotenen Baumes“ nicht beliebig verwendet werden1138, sondern ihre Nutzung vielmehr „auf ein Mindestmaß beschränkt“ werden soll, wie es in der Begründung zum Stammzellgesetz heißt1139. Der Gesetzgeber bezieht sich also auf eine gesellschaftliche Grundüberzeugung in Bezug auf den Umgang mit em 1130

BT-Drs. 14/8394, S. 7. BT-Drs. 14/8394, S. 8. 1132 Vgl. OVG Hamburg, NVwZ 1994, 592 (594) für den Verfassungsrang des Tierschutzes. 1133 Brewe, S. 109. 1134 Vgl. Brewe, S. 110. 1135 Degenhart in: Sachs GG, Art. 74, Rn. 98. 1136 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 2. 1137 BT-Drs. 14/8394, S. 7 f. 1138 Taupitz in: JZ 2007, 113 (115). 1139 BT-Drs. 14/8394, S. 9. 1131

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bryonalen Stammzellen und verweist somit letztlich auf das Sittengesetz1140. Das in Art. 2 I GG genannte Sittengesetz begründet als Inbegriff der von der Rechts­ gemeinschaft generell anerkannten und mit der Erwartung allgemeiner Einhaltung verknüpften ethischen Normen eine Schranke für die menschliche Entfaltungsfreiheit1141. Abgesehen davon, dass eine Übertragung auf andere Grundrechte als Art. 2 I HS. 2 GG unzulässig ist1142, wird nicht klargestellt, wie und weshalb die ethische Beurteilung embryonaler Stammzellen zu einem verfassungsrechtlichen Kriterium wird1143. Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen Ethik und (Verfassungs-)Recht: Während die Ethik stets nach der Legitimation des Handelns fragt, also eine Begründung für ein Tun verlangt, stellt sich verfassungsrechtlich nicht die Frage, was der Mensch tun, sondern was der Staat verbieten darf1144. Das Sittengesetz kann nicht zur Begründung des Verfassungsranges von Stammzellen herangezogen werden; diesen steht kein verfassungsrechtlicher Schutz zu. b) Verfassungsrechtlicher Schutz embryonaler Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft In Betracht zu ziehen bleibt ein verfassungsrechtlicher Schutz von Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft aus Embryonen, die durch die Entnahme getötet werden. aa) Schutz ausländischer Embryonen Einschränkungen der Verwendung embryonaler Stammzellen rechtfertigt die Gesetzesbegründung des Stammzellgesetzes unter Berufung darauf, dass deren Gewinnung die Vernichtung von Embryonen vorausgegangen ist1145. Intention des Gesetzgebers ist es somit, die Tötung von Embryonen im Ausland zu verhindern, weil er ihnen im Inland grundrechtlichen Schutz zukommen lässt1146. Eine Verabsolutierung deutscher Verfassungsentscheidungen ist dem Grundgesetz allerdings fremd1147. Nach dem bereits erwähnten Weltrechtsprinzip sind nur universale Rechtsgüter zu schützen1148. In zahlreichen Staaten ist die Gewinnung von

1140

Brewe, S. 110. Brandhuber in: NJW 1991, 725 (728). 1142 Huster in: ZRP 1993, 326 (327); Dreier, DVBl. 1980, 471 (472). 1143 Taupitz in: GenTechnik&Recht 2003, 11 (14). 1144 Taupitz in: JWE 2003, 335 (338). 1145 BT-Drs. 14/8394, S. 8. 1146 Vgl. Benda in: NJW 2001, 2147; Dederer in: AöR 2002, 1; Herdegen in: JZ 2001, 773; Ipsen in: JZ 2001, 989; Kloepfer in: JZ 2002, 417; Schwarz in: KritV 2001, 182; Taupitz in: NJW 2001, 3433; Taupitz in: ZRP 2002,111. 1147 Vgl. Teil 4: A. III. 1. a); Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3.; vgl. BVerfGE 18, 112 (117) zur Todesstrafe. 1148 Müller-Terpitz in: WissR 2001, 271 (280). 1141

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Stammzellen aus Embryonen jedoch erlaubt, und auch im Völkerrecht, nicht einmal innerhalb der Europäischen Union1149, hat sich diesbezüglich eine Rechtsüberzeugung durchgesetzt1150 – erst recht keine, die den restriktiven Regelungen des deutschen Rechts entspricht1151. Bezüglich des verfassungsrechtlichen Schutzstatus von Mensch-Tier-Zybriden besteht kein universeller Konsens, sodass ein Importverbot für Stammzellen aus diesen nicht der Sicherung eines international geschützten Rechtsgutes dienen würde1152. Es muss akzeptiert werden, dass Rechtsunterschiede im nationalen Vergleich nicht per se anstößig und Handlungen im Ausland an den jeweils dort geltenden Rechtsvorstellungen zu messen sind1153. Ein ohne Bezug zum Inland erfolgter Verbrauch von Embryonen im Ausland zwingt den Gesetzgeber demnach nicht, die nachfolgende Verwendung der gewonnenen Stammzellen einschränkenden Voraussetzungen zu unterwerfen1154. Das Grundgesetz enthält keine Verpflichtung im Hinblick darauf, deutsche Grundrechtsstandards im Ausland zu erzielen1155, ein solcher Schutz ist also nicht von Verfassungs wegen geboten. Ebenso wenig existiert ein Schutzrecht, da die Geltungskraft des Grundgesetzes und der durch sie errichteten Werteordnung territorial auf das Bundesgebiet und die Ausübung deutscher Staatsgewalt beschränkt ist1156. bb) Nachwirkender Grundrechtsschutz getöteter Embryonen In Betracht kommt weiterhin ein nachwirkender Grundrechtsschutz der im Ausland getöteten Embryonen. (1) Postmortaler Lebens- oder Körperschutz humaner Embryonen Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit vermag keinerlei Schutzwirkungen zugunsten getöteten Lebens zu entfalten. Die Annahme eines „postmortalen Lebensschutzes“ wäre paradox1157. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit kommt auch einem Verstorbenen unstreitig nicht zu  – schon deshalb nicht, weil dieser kein Rechtsträger sein kann. Erst recht liegt in der Verwendung 1149

Art. 3 II der EU-Grundrechtecharta ist rechtlich nicht verbindlich. Zu den verschiedenen nationalen Schutzkonzepten: Classen in: DVBl. 2002, 141 (145); Herdegen in: JZ 2001, 773 (775); Kloepfer in: JZ 2002, 417 (427). 1151 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3. 1152 Vgl. Kloepfer, JZ 2002, 417 (427). 1153 DFG, 2001, S. 17. 1154 Vgl. Klopfer, S. 83. 1155 Vgl. Höfling in: Sachs GG, Art. 5, Rn. 79; Kunig in: Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 52. 1156 Löwer, A-Drs. 14–574 l, S. 4. 1157 Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art.  2 II, Rn.  176; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art.  2, Rn. 61; Kunig in: Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 46, 49; Dederer in: JZ 2003, 986 (992). 1150

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vom Körper bereits getrennten Materials keine Verletzung eines Rechts auf körperliche Unversehrtheit: Wer den herausoperierten Blinddarm für Forschungs­ zwecke verwendet, verletzt nicht den „Körper“ desjenigen, dem der Blinddarm einmal zugehörte1158. (2) Postmortaler Würdeschutz humaner Embryonen Manche Autoren erklären die Verfassungskonformität der Verwendungsbeschränkungen des Stammzellgesetzes mit einer Verwirklichung des „postmortalen Menschenwürdeschutzes pränatalen Lebens“1159. Aufgrund von Nachwirkungen des Embryonenschutzes ergebe sich ein Verbot der Nutzung ihrer Stammzellen1160. Röger vertritt sogar die Ansicht, dass (erst) durch die Regelungen im StZG „die in den Grundrechten enthaltene objektive Werteordnung ins Werk“ gesetzt werde. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht einen postmortalen Menschenwürdeschutz als solchen in mehreren Entscheidungen zugestanden1161 und somit an­ erkannt, dass der Schutz des Menschen aus Art. 1 GG nicht mit dem Tod endet1162. Bei geborenen Menschen wird dieser Grundsatz in Bezug auf die postmortale Verwendung von Zellen, Geweben und Organen allgemein akzeptiert1163. Vom Körper getrenntes menschliches Material bleibt dem ursprünglichen Träger in gewissem Umfang rechtlich zugeordnet, denn der Schutzanspruch erstreckt sich auch auf den Umgang mit dem menschlichen Leichnam und Leichenteilen1164. Der Tote darf in seinem allgemeinen Achtungsanspruch, der ihm kraft seiner Menschenwürde auch nach dem Tode zukommt, nicht herabgewürdigt und erniedrigt werden1165. Unter welchen Voraussetzungen Zellen und Gewebe für wissenschaftliche oder sonstige Zwecke aus einem menschlichen Leichnam entnommen werden dürfen, ist gesetzlich nur spärlich geregelt1166. Jedenfalls darf der Leichnam nicht achtlos wie beliebige tote Materie behandelt oder als bloße Organressource betrachtet werden1167. Im Hinblick auf die Verwendung zu wissenschaftlichen Zwecken bestehen hingegen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, sofern eine ent­sprechende Einwilligung vorliegt; gleiches gilt für die Herstellung von Zell­kulturen aus Leichengewebe1168. Gegen eine Übertragung dieser Grundsätze auf Embryonen in vitro spricht jedoch, dass der nach der Rechtsprechung des Bun 1158

Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 2. Ausdruck von Löwer, A-Drs. 14/574 l, S. 10, der jedoch von „verfassungsrechtlich gänzlich ungesichertem Terrain“ spricht; vgl. auch Röger in: JWE 2003, 313 (322). 1160 So Brewe, S. 112. 1161 BVerfGE 88, 203 (251 f.).; vgl. auch Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 2. 1162 BVerfGE 30, 173 (194). 1163 Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 53 f.; Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 52 f. 1164 Klinge, S. 228 f. 1165 Vgl. zur Leicheneröffnung: BVerfG NJW 1994, 783 (784). 1166 Vgl. Brewe, S. 114 m. w. N. 1167 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 53. 1168 Brewe, S. 114. 1159

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desverfassungsgerichts eng mit der Menschenwürde verbundene und demgemäß auch in Art. 1 GG verankerte postmortale Schutz – auch der Leichenteile – einen nachwirkenden Persönlichkeitsschutz darstellt1169. Er gründet sich auf den sozialen Achtungsanspruch der früher unter uns Lebenden über ihren Tod hinaus1170. So führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass sich die Gewährleistung auf den „sittliche(n), personale(n) und soziale(n) Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat“, bezieht1171. Es geht im Kern somit um das Andenken an jemanden, der Teil einer sozialen Gemeinschaft war, also „unter uns“ gelebt und gewirkt hat1172. Von „Persönlichkeit“ kann beim frühen Embryo vernünftigerweise nicht gesprochen werden1173. Embryonen in vitro kann ein postmortales Persönlichkeitsrecht demzufolge nicht zukommen1174, und zwar unabhängig von der umstrittenen Frage, ob man Embryonen in vitro überhaupt Menschenwürdeschutz aus Art. 1 I S. 1 GG zusprechen kann1175. Dagegen wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass neben bzw. losgelöst von der Fortsetzung des Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechts auch die allgemeine postmortale Würde verfassungsrechtlich geschützt werde und diese auch ungeborenem Leben zukommen müsse1176. Dies sei mit § 168 I StGB gesetzlich umgesetzt worden. Die tote Leibesfrucht und Teile einer solchen sind nach dieser Vorschrift in den Tatbestand der „Störung der Totenruhe“ einbezogen. Als Leibesfrucht wird dabei die befruchtete Eizelle ab dem Zeitpunkt der Einnistung in die Gebärmutter angesehen1177. Der aufgrund des Art. 1 GG erforderliche Schutz vor einer missbräuchlichen Verwendung, der Embryonen und Föten über den Tod hinaus einen allgemeinen Achtungsanspruch zugesteht, habe nach Ansicht des Gesetzgebers nur mit den Mitteln des Strafrechts durchgesetzt werden können1178. Neben dem Schutz des allgemeinen Pietätsempfindens schütze die StGB-Norm auch die postmortale Würde von Foeten und Embryonen1179. Zudem werde dieser Schutzanspruch nicht auf die erkennbaren Überreste eines­ Fötus beschränkt. Allerdings kann zum einen aus einem umfassenden Schutz des­ Fötus kein grundsätzliches Verbot jeglicher instrumenteller Verfügung folgen1180. Eine solche müsste durch gute Gründe gerechtfertigt sein1181, sodass die Verwendung zu medizinischen (Forschung-)zwecken nicht von vornherein ausgeschlos 1169

Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 2. Birnbacher in: JWE 2003, 353 (358). 1171 BVerfGE 88, 203 (251 f.). 1172 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 2. 1173 Birnbacher in: JWE 2003, 253 (258). 1174 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 2. 1175 Vgl. hierzu Enquete-Kommission 2002, S. 19 f.; Nationaler Ethikrat 2002, S. 12 f. 1176 Brewe, S. 116. 1177 Vgl. Eser in: Schönke/Schröder, § 218, Rn. 5 f. 1178 BT-Drs. 10/3758, S. 4. 1179 Lenckner in: Schönke/Schröder, Vorb. § 166 f., Rn. 2, § 168, Rn. 1. 1180 So auch Brewe, S. 116. 1181 Reiter in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – § 168 StGB, Prot. Nr. 70, S. 70/13. 1170

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sen ist1182. Zum anderen ist ein Embryo jedenfalls in seiner extrakorporalen Daseinsform strafrechtlich ungeschützt, da § 168  StGB auf die Nidation abstellt. Selbst das strenge ESchG untersagt nur die missbräuchliche Verwendung lebender Embryonen und verbietet nicht das Vernichten von Embryonen an sich: Sofern diese, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu Fortpflanzungszwecken auf eine Frau übertragen werden können, dürfen sie verworfen werden1183. Zudem erlaubt § 3a ESchG die Vornahme eine Präimplantationsdiagnostik und damit auch das Absterbenlassen von Embryonen mit genetischen Defekten1184. Das StZG gestattet Import und Verwendung von Stammzellen aus überzäh­ligen IVF-Embryonen, die ohnehin keine reale Lebenschance hatten, weil sie endgültig nicht auf eine Frau übertragen werden konnten (§ 5 II Nr. 1 lit. b ESchG). Werden diese Embryonen nicht „nur“ verworfen, sondern zusätzlich zur Gewinnung von Stammzellen verwendet, kann darin kein „verächtliches Herabwürdigen“ gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesehen werden1185. Da folglich schon die Rechtswidrigkeit der Ursprungshandlung – der Stammzellengewinnung – nicht offensichtlich ist, muss erst recht bezweifelt werden, ob die Verwertungshandlung rechtlich missbilligt werden kann1186. Diese Argumentation lässt sich auf Mensch-Tier-Zybriden übertragen: Sie wurden nicht zu einem herabwürdigenden Zweck erzeugt, sondern zur Stammzellengewinnung und unterstehen einem geringeren verfassungsrechtlichen Schutz als Befruchtungsembryonen, nämlich in ihrer extrakorporalen Daseinsform nur dem objektiv-rechtlichen Schutz des Art. 2 II S. 1 GG und nicht der Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG. Selbst wenn man den Herstellungsvorgang missbilligt, bleibt es bei der Trennung von Ursprungs- und Verwertungshandlung. Hinzu kommt, dass es den nächsten Angehörigen eines Verstorbenen unstreitig möglich ist, Eingriffe in den Leichnam zu erlauben. Selbst wenn man für Embryonen in vitro dieselben Rechtsgrundsätze zur Anwendung bringen wollte, wie sie für geborene Menschen gelten, stellt sich unter diesem Blickwinkel (lediglich) die Frage nach einer Zustimmung des Körperzellspenders zur Verwendung „seiner“ Embryonen für die Herstellung von Stammzellen. Liegt eine solche Einwilligung vor, kann die Verwendung der aus dem Embryo entnommenen Stammzellen in keinem Fall eine Verletzung von „Rechten“ des Embryos darstellen1187. Andernfalls würde man den Embryonen ein höheres (postmortales) Schutzniveau zusprechen als verstorbenen Menschen. Selbst das Bundesverfassungsgericht ist beim postmortalen Würdeschutz für eine Güterabwägung offen1188. Hinsichtlich der Forschung an Zellen eines Verstorbenen gibt es kein staatliches Genehmigungserfordernis, wie es das StZG postuliert. Gleiches gilt für 1182 Schreiber in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – § 168 StGB, Prot. Nr. 70, S. 70/19. 1183 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3. 1184 BGH, NJW 2010, 2672 (2675). Vgl. zur Präimplantationsdiagnostik Teil 2: A. VI. 1. d. 1185 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3. 1186 Vgl. Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3. 1187 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3. 1188 BVerfGE 30, 173 (196); vgl. auch Dederer in: JWE 2003, 305 (308).

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die Forschung an foetalen Zellen, die ebenfalls die vorherige Tötung menschlichen Lebens – in Form der Abtreibung – voraussetzen1189. Die hoch umstrittene Frage, ob, ab wann und in welchem Maße lebenden Embryonen grundrechtlicher Lebensund Menschenwürdeschutz zukommt, kann hier also dahinstehen. Ein postmortales Verwertungsverbot von Stammzellen, die aus Embryonen – unabhängig von ihrer Erzeugungsart – gewonnen wurden, besteht jedenfalls nicht. (3) Verhinderung der Veranlassung einer Embryonentötung im Ausland Ziel des StZG bildet es, ausländische Rechtsgüter vor Gefahren deutschen Ursprungs zu schützen, also solchen, die einen unmittelbaren Bezug zum deutschen Hoheitsbereich haben. Ein legitimes Schutzziel kann nur durch einen innerstaatlichen Anknüpfungspunkt entstehen. In Betracht zu ziehen ist die Vermeidung einer Tötungsveranlassung von Embryonen. So soll das StZG einen erhöhten Embryonenverbrauch verhindern, der durch eine Nachfrage aus Deutschland veranlasst wird (vgl. § 1 Nr. 2 StZG). Im Zusammenhang mit den Erfordernissen der Hochrangigkeit und Alternativlosigkeit wird vom Gesetzgeber die Begründung angeführt, dass „die Nachfrage in Deutschland tätiger Forscher nach embryonalen Stammzellen auf ein Mindestmaß beschränkt werden“ soll, um der „künftigen Forderung“ nach einer „Öffnung der gesetzlichen Bestimmungen“ von vornherein zu begegnen1190. Andere argumentieren, die Restriktionen des StZG griffen nicht in die Forschungsfreiheit aus Art. 5 III S. 1 GG ein, da diese schon tatbestandlich nicht den Zugriff auf fremde Rechtsgüter schütze und Import und Verwendung embryonaler Stammzellen sowohl das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der zur Stammzellengewinnung vernichteten Embryonen (Art. 2 II S 1 GG) als auch deren Würde (Art. 1 I S. 1 und 2 GG) berührten1191. Entgegen § 4 II StZG sei wegen Art. 1 I S. 1 GG jede Einfuhr embryonaler Stammzellen verboten1192. Der Gesetzgeber werde nicht durch die Verfassung verpflichtet, Forschern den Import und die Verwendung embryonaler Stammzellen zu gestatten, vielmehr könne er nur durch ein striktes Import- und Verwendungsverbot seiner Achtungspflicht für die Würde der bei der Stammzellengewinnung vernichteten Embryonen nach­ kommen1193. Dem ist aber zu entgegnen, dass Art. 5 III S. 1 GG keinen derartigen tatbestandlichen Einschränkungen unterliegt1194. Der Schutz ausländischer Embryonen ist somit nicht verfassungserzwungen1195, eine Schutzpflicht besteht nicht. 1189

Taupitz in: JWE 2003, 335 (342). BT-Drs. 14/8394, S. 9, Begründung zu § 5. 1191 Epping/Hillgruber in: Beck’scher OK, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 20. 1192 Stern in: Staatsrecht IV/1, S. 39 f.; Hillgruber in: FS Link, S. 645 ff.;. a. A. Herdegen in: Maunz/Dürig, Art 1, Rn. 108 f. 1193 Epping/Hillgruber in: Beck’scher OK, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 20. 1194 Für viele: Wendt in: Münch/Kunig GG, Art. 5 Rn, 101a. 1195 So auch Klopfer, S. 82. 1190

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cc) Einheit der Rechtsordnung Der Gesetzgeber des StZG argumentiert zudem mit der Notwendigkeit, einer mittelbaren Gefährdung anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtsgüter vorzubeugen und die Einheit der Verfassung und der von ihr geschützten Rechtsgüter zu wahren1196. Es erscheint jedoch bereits zweifelhaft, ob bzw. wie die Verwendung der Stammzellen einen Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung darstellen kann. Eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung im Rahmen der Stammzellengewinnung begründet, isoliert betrachtet, nicht zwangsläufig ein abstraktes verfassungsrechtliches Verwertungsverbot im Hinblick auf die so erzeugten Stammzellen im Sinne einer „Fruit-of-the-poisonous-tree“-Doktrin1197. Denn eine etwaige Beeinträchtigung des Lebensrechts oder der Menschenwürde ist abgeschlossen und irreversibel. Entscheidend kann daher nur die Frage sein, ob der Akt der Verwertung einen eigenständigen, erneuten oder fortwirkenden Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter beinhaltet. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers des  StZG setzt sich eine Menschenwürdeverletzung von im Ausland zur Stammzellentnahme getöteten Embryonen fort, wenn die Stammzellen als „Früchte des verbotenen Baumes“ nach Deutschland eingeführt und hier verwendet werden, also Nutzen bzw. Vorteil aus der ersten Menschenwürdeverletzung gezogen wird1198. Im Hinblick auf dieses Schutzkonzept ist zu prüfen, ob und wie weit die Verfassung Stammzellen aus bereits getöteten Embryonen vor der Verwertung schützt. Dabei begründet ein Verstoß gegen inländische Verbote zur Stammzellengewinnung nicht ohne Weiteres ein Verwertungsverbot. Auf der anderen Seite können auch aus einer zulässigen Stammzellengewinnung durch die anschließende Verwendung verfassungsrechtlich schützenswerte Interessen betroffen sein1199. Zwar scheint aus Sicht der deutschen Rechtsordnung der Stammzellenimport nicht konsequent1200. Wenn man jedoch anerkennt, dass im internationalen Rechtsvergleich Unterschiede bestehen, stellt deren „Ausnutzung“ nicht ohne Weiteres eine Gefährdung der durch nationales Recht geschützten Güter dar. Von einer Untergrabung des Geltungsanspruchs des ESchG und der diesem zugrunde liegenden Wertauffassung kann somit nicht gesprochen werden1201. Demzufolge ist ein Verwendungsverbot, das auf die Konsistenz der (Verfassungs-)Rechtsordnung gestützt wird, wenig überzeugend1202.

1196

BT-Drs. 14/8394, S. 7. Brewe, S. 113. 1198 Klopfer, S. 83. 1199 Brewe, S. 113. 1200 Brewe, S. 112. 1201 Brewe, S. 112. 1202 Müller-Terpitz in: WissR 2001, 271 (280). 1197

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3. Ergebnis Den Gesetzgeber trifft folglich keine verfassungsrechtliche Pflicht, die Verwendung importierter embryonaler Stammzellen zu beschränken. In Bezug auf humane Zellen bedeutet dies, dass eine Erweiterung der §§ 4, 5 StZG grundsätzlich möglich wäre1203. Im Hinblick auf Mensch-Tier-Zybriden heißt es, dass den Staat keine Pflicht trifft, ihre Tötung durch eine Stammzellentnahme im Ausland zu verhindern, zumal diesen ein noch geringerer verfassungsrechtlicher Schutzanspruch zukommt als IVF-Embryonen und auch bezüglich der Stammzellen­gewinnung aus Mensch-Tier-Zybriden kein internationaler Konsens herrscht. Demzufolge besteht keine staatliche Schutzpflicht, die auf ein Importverbot solcher Entitäten oder aus ihnen gewonnener Stammzellen aus dem Ausland hinausläuft.

IV. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in einen Uterus Schließlich gilt es zu prüfen, ob eine verfassungsrechtliche Pflicht für den Gesetzgeber besteht, die Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in den Uterus einer Frau, eines Tieres oder eine künstliche Gebärmutter zu verbieten. Vergleichbar ist die Problematik mit dem reproduktiven Klonen von Menschen. Einziger Unterschied ist, dass bei diesem eine menschliche Eizelle verwendet wird und bei der Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden eine tierische. Die Diskussion, die sich auf die Problematik des Klonens von Menschen konzentriert, lässt sich somit weit­gehend auf die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden übertragen, denn ebenso wie dort ist zu fragen, ob die rechtliche Bewertung zwischen therapeutischer und reproduktiver Zielsetzung differenzieren muss1204. Mit der Geburt eines Misch­wesens könnten ähnliche Ziele verfolgt werden wie beim reproduktiven Klonen unter Verwendung menschlicher Eizellen. Reproduktives Klonen er­öffnet die Möglichkeit, dass bisher unfruchtbare, gemischt- oder gleichgeschlechtliche Paare sowie Einzelpersonen genetisch entsprechenden Nachwuchs bekommen können1205. Zwar wurde bisher von keinem seriösen Forscher der ernsthafte Vorschlag unterbreitet, ein Mensch-Tier-Mischwesen von einer Frau oder einem Tier austragen zu lassen1206. Es existieren aber Äußerungen verschiedener Wissenschaftler und der Sekte „Realianer“, Menschen klonen zu wollen1207, wenngleich diese Behauptungen mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen und nicht realisiert wur-

1203

Vgl. Röger in: JWE 2003, 313 (326). Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7 Rn. 6. 1205 Berger, S. 70; Maio in: ZME 2001, 33 (33); Wetzstein in: ZME 2001, 47, 313 (313). 1206 Patalong, in: Spiegel Online vom 27.09.2011, URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/bioethik-wie-viel-mensch-darf-im-tier-sein-a-788386.html. 1207 Vgl. Maak/Jordan in: FAZ v. 27.07.2001, Nr.  172, S.  44 f.; Müller-Jung in: FAZ v. 10. März 2001, Nr. 59, S. 9. 1204

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den. Nur höchst selten wurde in Deutschland die ethische Zulässigkeit des reproduktiven Klonens ernsthaft behauptet1208. Abgesehen vom Einsatz von Klonierungstechniken zur Überwindung von Sterilität, sind alle anderen Zielsetzungen äußerst zweifelhaft, sodass das reproduktive Klonen in Deutschland ebenso wie weltweit als verwerflich praktisch einhellig abgelehnt wird. Als von vornherein illegitim wird allgemein die Erzeugung von „Ersatzkopien“ von Kindern für den Fall betrachtet, dass das „Original-Kind“ verstirbt1209, oder die Herstellung körperlicher „Duplikate“, die bei Organverlusten oder -ausfällen als „Ersatzteillager“ fungieren sollen1210. Das Klonen unter selektiven oder eugenischen Gesichtspunkten, um Menschen mit besonderem genetischen Material zu vervielfältigen, stellt nach wohl einhelliger Auffassung stets eine Menschenwürdeverletzung dar1211. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Technik der Herstellung von „Mannschaften“ oder Armeen dienen soll1212. Bei Verwendung tierischer Eizellen liegt eine solche Zielsetzung besonders nahe, weil „tierisch starke Menschen“ „produziert“ werden könnten. Die beschriebene grundsätzliche Ablehnung des reproduktiven Klonens wird fast einmütig auf einen Verstoß gegen die Menschenwürde gestützt, ohne dies näher zu spezifizieren. Die Verletzung erscheine so offensichtlich, dass jegliche Begründung entbehrlich sei1213. Ein Verstoß gegen Art. 1 I S. 1 GG darf jedoch nicht einfach pauschal behauptet und als „Totschlagsargument“1214 herangezogen werden. Entscheidende Bedeutung erhält die Klärung der Frage, wessen Menschenwürde durch das reproduktive Klonen verletzt werden soll1215. Als potenzielle Opfer kom 1208 Einen ersten Aufruf zur Aufhebung des Klonverbots im Rahmen der Sterilitätsüberwindung machte der Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie und Sozialmedizin Ulrich Müller in: FAZ v. 09.03.2001, Nr. 58, S. 41. 1209 Gordijn in: MedR 1999, 12 (32). 1210 Rendtorff et al., Ziff. 4.1, 4.2. Zwar werden diese Möglichkeiten unter dem Oberbegriff des therapeutischen Klonens gebracht, diese Praktiken setzen jedoch die Erzeugung eines vollständigen Organismus voraus, sodass sie eher dem Bereich des reproduktiven Klonens zuzuordnen sind, so auch Berger, S. 70. 1211 Braun in: KJ 2000, 332 (335). 1212 Berger, S. 199. 1213 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 105: „Das Urteil einer Würdeverletzung hat – bei allen Unterschieden in der Begründung – mittlerweile Evidenzanspruch, mit Verweis auf Brohm in: JuS 1998, 197 (204); Kersten, Klonen, S. 482 ff.; Kunig in: Münch/­ Kunig, Art. 1, Rn. 36  – Stichwort „Gentechnik“;  Rosenau in: FS Schreiber, 761 (765); gegen eine Missachtung individueller Würde oder der Würde der menschlichen Gattung durch das reproduktive Klonen, stattdessen für eine Verletzung der „konkreten Sozietät“ von Menschen und des „in ihr beständig zu erneuernden Interaktionszusammenhanges“: Dreier in: Dreier GG, Art. 1, Rn. 111. 1214 Taupitz. Biomedizinische Forschung, S.  27; Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin, 409 (469); Taupitz in: ZRP 2002, 111 (113); Taupitz in: Kreß/Racké, 17 (24 f.); Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3436). 1215 Vgl. Joerden in: JRE 1999, 79 (83); Joerden, S. 15.

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men der Klon selbst – also das erzeugte Wesen, die „Kopie“1216 – und die geklonte Person – also der Zellkernspender, das „Original“ – sowie die Frau, die den Klon austragen soll, das eizellspendende Tier und die Menschheit als Ganzes in Betracht1217. 1. Staatliche Schutzpflicht für die Mensch-Tier-Mischwesen (Klone) Zunächst gilt es zu prüfen, ob Grundrechte des erzeugten Mensch-Tier-Mischwesens, also des Klons, verletzt bzw. gefährdet werden. a) Menschenwürde (Art. 1 I S. 1 GG) In Betracht kommt zunächst eine Verletzung der Menschenwürde des Klons. In der Debatte zum reproduktiven Klonen werden im Wesentlichen folgende Argumente angeführt: das „Recht auf eine zufallsabhängige natürliche Erzeugung und das „Recht auf Nichtwissen der eigenen Biographie1218, eine Menschenwürdeverletzung durch gesellschaftliche Diskriminierung sowie ein Verstoß gegen das Instrumentalisierungsverbot durch die Art und Weise der Erzeugung. Angesiedelt sind die Argumente der Würdeverletzung des Klons somit in der Sphäre der Erzeuger des Klons, der Sphäre der Gesellschaft sowie der Sphäre des Klons selbst1219.

1216 Dieser vereinfachenden, wenn auch nicht wertungsfreien Terminologie bedienen sich z. B. Rosenau in: FS Schreiber, 761 (765) („Original“) und Siep in: APZ 1999, 22 (26) („Kopie“). 1217 Müller in: Kawaguchi/Seelmann, S. 155, der den Grund für die Würdeverletzung darin sieht, dass beiden Frauen die Möglichkeit der Herstellung eines genetischen Kontakts zu ihrem Nachwuchs genommen werde, worin eine Instrumentalisierung liege. Kritisch dazu Weschka, S. 217, die dies als weit hergeholt bezeichnet, weil im Regelfall sowohl die Eizellspenderin als auch die Leihmutter der Eizellspende bzw. dem Austragen zugestimmt haben; Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1152 f.) spricht zudem die „Würde der klonierten Zelle“ und die „Würde beliebiger Betrachter, die durch den Vorgang des Klonens (…) verletzt“ werden, an; kritisch dazu wiederum Weschka, S. 217, mit dem Argument, dass ausdifferenzierte Körperzellen unstreitig keine Träger der Menschenwürde seien und außenstehende Dritte außerhalb der relevanten Grundrechtsbeziehungen stünden, zumal ohnehin fraglich sei, wodurch genau diese beim Anblick eines Klons oder durch das Wissen um den Vorgang des Klonens in ihrer Würde verletzt sein sollen. 1218 Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 77, die diesen Ansichten jedoch nicht zustimmt; Kock in: DriZ 2002, 199 (202), der die Meinung vertritt, dass die Freiheit des Menschen auch darauf beruhe, dass er ein genetisches Zufallsprodukt sei. 1219 Weschka, S. 222.

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aa) Recht auf zufallsabhängige natürliche Zeugung Ungeklärt ist die Frage, ob bereits die Konstruktion durch andere Menschen die vollständige Instrumentalisierung eines Wesens bedeutet. Eine ähnliche Diskussion wird im Bereich der Reproduktionsmedizin und Humangenetik geführt und gefragt, ob die Erzeugung von Menschen, die ihre biologische Zusammen­ setzung und damit ihre Eigenschaften und Merkmale irreversibel der Verfügung und Planung eines anderen verdanken, gerechtfertigt werden kann1220. Einige befürchten, dass der Klon auf eine „bloße Kopie“, auf ein zumindest körperlich und zeitlich versetztes „Double“, reduziert wird und in der stetigen Erwartung leben muss, einen Menschen duplizieren und ein vorgelebtes Leben wiederholen zu müssen1221, oder dass er als Ersatz für eine verstorbene Person fungieren soll, aus deren Zelle er erzeugt wurde1222. Dem Klon werde das „Recht jedes Menschenlebens, seinen Weg zu finden und eine Überraschung für sich selbst zu sein“, genommen1223. Er müsse psychisch darunter leiden, dass ihm „die genetische Einzigartigkeit fehle“, weshalb er sich als defizitär im Hinblick auf seine Autonomie und Individualität fühlen müsse1224. Schließlich sei die Autonomie im Sinne der Unabhängigkeit von der Willkür eines anderen „zentraler Bestandteil der Rechte und der Würde eines Menschen“1225. Selbstverständnis und Selbstbestimmung des Klons würden durch die „unverantwortliche Selbstverliebtheit“ seines Erzeugers stark eingeschränkt1226. Auch wenn die Herstellung einer vollständigen menschlichen Kopie nicht möglich sei, würde der Klon doch in eine Rolle gedrängt, die seinem eigenen „Ich“ nicht entspräche, sodass die Klonierung nicht zur „Selbstdienlichkeit“ des Klons führe. Vielmehr läge eine Missachtung der Subjektqualität des Klons vor. Er werde nicht als Selbstzweck erzeugt, sondern zum „Objekt der Pläne Dritter“ herabgewürdigt und instrumentalisiert, weil seine genetische Identität ihm „von fremder Seite zugewiesen“ wurde1227. Darin wird eine „unangemessene Machtausübung von Eltern auf ihre Kinder“ gesehen1228, denn ein 1220

Deutscher Ethikrat 2011, S. 59. DFG-Stellungnahme in: „Hello Dolly?“, S. 223 (235); Jonas, S. 190; Habermas, S. 108; Braun, S. 162. 1222 Berger, S. 200. 1223 Jonas, S. 194. 1224 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 366 unter Bezugnahme auf National Bioethics Advisory Commission, S. 64; v. Bülow in: DÄBl. 1997, A-718 (718). 1225 Siep in: APZ 1999, 22 (26). 1226 Zülicke, S. 23. 1227 Brohm in: JuS 1998, 197 (204) abstellend auf die Fremdbestimmung und die daraus folgende Verletzung des Rechts auf Individualität des Klons; Hollenbach in: Lorenz, S. 93; Kienle in: ZRP 1998, 186 (188); Haniel in: Korff/Beck/Mikat, S. 405 stellt darauf ab, dass der Klon immer seinen „verfrühten Zwilling“ vor Augen haben „und damit in seiner eigenen Entwicklung nicht völlig frei sein“ werde. Das „Recht auf Selbstbestimmung und Individualität“ des Klons könne „durch die vermeintliche Vorbestimmung und eine spezifische Erwartungshaltung der Umwelt empfindlich gestört“ werden; anders: Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (261), die sich gegen diese Sichtweise aussprechen. 1228 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 375. 1221

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Lebenswert werde dem zukünftigen menschlichen Lebewesen nur im Hinblick auf diese bestimmte genetische Ausstattung zugestanden, weil diese im Interesse seiner Erzeuger liege1229. Zu den Menschenrechten gehöre auch das Recht eines jeden auf „Naturwüchsigkeit seiner Abstammung“1230. Es verletze die Menschenwürde des Klons, dass er – anders als Menschen, deren Genom bei der Zeugung durch einen natürlichen Prozess bestimmt wird  – in einem wesentlichen Teil seines Ichs und damit nicht nur bezüglich der Frage des „Ob“ seines Seins, sondern auch seines „So-Seins“ fremdem Willen unterworfen und dadurch zum Objekt gemacht werde1231. Zwar werde auch bei der Partnerwahl eine gewisse genetische Auswahl getroffen, beim Klonen aber werde die Zufälligkeit der gene­ tischen Rekombination gänzlich ausgeschlossen1232, was gegen das Selbstverständnis und die grundlegenden Werte einer Gesellschaft verstoße, die sich auf die Achtung vor der „Unverfügbarkeit“ jedes Menschen gründe1233. Es bedeute eine mit der Menschenwürde unvereinbare Instrumentalisierung, wenn Menschen so hergestellt werden, dass sie den Vorstellungen und Erwartungen ihrer „Produzenten“ entsprechen1234. Gegen diese Argumentation ist einzuwenden, dass auch im Rahmen der natürlichen Fortpflanzung viele Kinder bewusst geplant1235 und dabei auch moderne Techniken in Anspruch genommen werden und Kinder mit Hilfe von In-vitroFertilisation auf die Welt kommen, ohne dass eingewendet wird, ihr angebliches Recht auf Ungeplantheit oder Zufälligkeit könnte verletzt sein1236. Geklonte Wesen verfügen jedoch nicht über einen „geplanten“, aber doch genetisch-gemischten Chromosomensatz, sondern stellen eine vollständige genetische Kopie des Zellkernspenders dar. Vertreter dieses „Rechts auf Nichtfestgelegtheit“1237 meinen, die genetische Identität lege die künftige personale Entwicklung zwar nicht vollständig fest, räume ihr jedoch nur einen begrenzten „biologischen Spielraum“ ein, von dessen Vorgaben sich die betreffende Person nicht zu lösen vermöge1238. Der erzeugte Klon stelle sich als „Produkt fremder Steuerung“ dar1239. Sein Subjektcharakter werde in den Hintergrund gedrängt1240 und der Unterschied zwischen Person und Sache sowie zwischen Mensch und Ware vorsätzlich aufgehoben, was umso gra 1229 Neumann in: ARSP 1998, 153 (160); Müller in: Müller/Klein/Chiariello, S. 155 spricht von einem genetisch bis ins Detail bestimmten Produkt eines menschlichen Designs“. 1230 Siep in: JWE 2000, 5 (13); Jonas, 2. Kapitel B III 2 d. 1231 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 43 f. 1232 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 44. 1233 Vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 39. 1234 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 39 f. 1235 Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 77. 1236 Taupitz in: ZaeFQ 2002, 449 (452). 1237 Habermas in: DIE ZEIT v. 19.02.1998. 1238 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 44. 1239 Schröder/Taupitz, S. 10. 1240 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 43.

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vierender sei, weil zur Realisierung des Klonens zahlreiche Institutionen und Personen beteiligt seien, deren Absichten sich auf Zwecke richteten, die den Klon so festlegen, dass dessen Selbstbestimmung schon vorab gefährdet werde1241. Weil das Klonen zu Fortpflanzungszwecken mit dem Bestreben verbunden sei, das Kopieren vorhandener Genome zu nutzen, um Menschen mit bestimmten gewünschten genetischen Eigenschaften auszustatten, werde der Versuch einer positiven Eugenik gefördert und verwirklicht1242. Eine fremdbestimmte Genomzuweisung könne niemals ohne Folgen für das Selbstverständnis des geklonten Subjekts bleiben, sondern beraube diesen eines erheblichen Teils der Möglichkeit eigener Personwerdung1243. Ein Erwartungsdruck könne sich auch aus eigener Motivation des Klons ergeben, weil er sich (fehlerhaft) mehr mit dem Erbgutspender als mit der eigenen Personalität identifiziert1244. Es würde einen erheblichen Leistungsdruck auslösen, dem Leben des Vorbildes, des Originals, in der eigenen Entwicklung möglichst nahezukommen1245, was auch als „the-life-in-the-shadow-argument“ bezeichnet wird1246. Mit der Würde des Klons sei es nicht in Einklang zu bringen, dass dieser sich subjektiv einem „genetischen Determinismus“ unterlegen und somit einem psycho-sozialen Druckfaktor unterworfen fühlen könnte, der ihn in seiner Selbstfindung behindert1247 und seine Lebensqualität beeinträchtigt1248. Aus Furcht vor seiner genetischen Vorherbestimmung könnte sich der Klon in seiner freien Entfaltung eingeschränkt sehen, auch wenn das objektiv gar nicht der Fall wäre1249. An dieser Ansicht ist zu bemängeln, dass sie einen probleminadäquaten und abzulehnenden „genetischen Determinismus“ beinhaltet. Die Zufälligkeit der genetischen Ausstattung ist keine maßgebliche Voraussetzung für die Ausbildung der menschlichen Subjektqualität, was bereits daran erkennbar ist, dass sich die individuelle Ausprägung des Subjekts nie vorhersagen lässt, selbst wenn man die genetische Ausstattung vorher detailgenau kennt1250. Zudem kann die Absichtlichkeit bei der Festlegung der genetischen Ausstattung deshalb keine ausschlag­gebende Rolle spielen, weil auch der Verfolgung von Absichten bei Partnerwahl und Nachwuchszeugung nichts Unmoralisches anhaftet1251. Allenfalls bei vollständigem genetischen Determinismus wäre ein Individualitäts- und Autonomieverlust mög 1241

Vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 44. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 40. 1243 Kersten, Klonen, S. 503 und 508 sowie zur Zurückweisung des Vorwurfs des genetischen Determinismus S. 491 f. 1244 Rehmann-Sutter in: Schweizerische Ärztezeitung 2001, 1530 (1531). 1245 Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 80; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (766). 1246 Fuchs in: JWE 2000, 63 (69). 1247 Berger, S. 200. 1248 Birnbacher in: Hello Dolly?, S. 56. 1249 Vgl. Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (261); Jonas, S. 190, der dies als „verderbliches Wissen“ bezeichnet. 1250 So Nationaler Ethikrat, S. 44. 1251 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 44. 1242

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liche Folge. Dies trifft auf den Klon, der lediglich „genetisch nicht einzigartig“ ist, jedoch nicht zu1252, weil genetische Übereinstimmung nur eine 99-prozentige ist. Im genetischen Zufall ist nicht per se etwas Wertvolles zu er­blicken1253. Die kategoriale Differenz zwischen Mensch und Ware wird nicht schon durch die Entstehung eines zeitlich versetzten genetischen Zwillings aufgehoben1254. Weiterhin wird „Individualität“ häufig im Sinne „genetischer Einzigartigkeit“ verstanden. Dieser Einwand greift beim Zellkerntransfer-Embryo nicht durch, weil die mitochondrialen DNA nicht der Erbinformation des Zellkernspenders entsprechen1255. Wichtiger als die quantitative Bestimmung der „genetischen Einzigartigkeit“ ist die Frage, ob das Kriterium der Individualität auf die genetische Komponente reduziert werden kann1256. Schließlich geben die Gene nur eine Bandbreite vor und wird der Mensch weit mehr durch seine Umwelt beeinflusst und geprägt, sodass Individualität in der besonderen Kombination genotypischer, somatischer und psychischer Identität besteht1257. Ein „Recht auf ein einzigartiges Genom“ existiert nicht; auch Klone weisen eine eigene Individualität auf1258. Unter diesem Aspekt erscheint es bereits zweifelhaft, welcher Würdegehalt der Forderung nach einem Recht auf Ungeplantheit bzw. Zufälligkeit der genetischen Merkmale zukommen soll1259. Ferner kann eine geplante vorteilhafte genetische Ausstattung für den Klon unter Umständen angenehmer sein als eine zufällige, aber negative genetische Disposition, sodass Zufall oder Ungeplantheit an sich keine besonders schutzwürdigen Werte darstellen1260. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass mit der Betonung des genetischen Zufalls eine nicht unproblematische Perspektive eingenommen wird, nämlich die des genetisch Gesunden: Derjenige, der durch einen humangenetischen Eingriff von einem Erbleiden befreit werden kann, wird wohl gern eine Einschränkung des Zufälligkeitsprinzips hinnehmen1261. So wird formuliert: „Ebenso wird ein Mensch, der seine genetische Ausstattung als minderwertig (…) empfindet und sich entsprechend verbessern will, sich fragen, wieso es denn verboten sei, sich physisch umzukonstruieren, wenn es gleichzeitig erlaubt sei, eine problematische Psyche auf dem riesigen Markt der Therapieformen und Psychopharmaka unterschiedlichsten Methoden der Verbesserung zu unterziehen“1262. 1252 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (261): „Die genetische Vordisposition wird vielfach überschätzt, der Mensch erschöpft sich nicht in der Summe seiner Gene“; vgl. auch Rosenau in: FS Schreiber, S. 766: „Die berechtigte Kritik an den Abstammungstheorien im Lichte der Milieutheorien sollte heute angesichts der humangenetisch-gentechnologischen Bedrohung nicht ohne Weiteres geopfert werden“; vgl. auch Frankenberg in: KJ 2000, 325 (330). 1253 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 44. 1254 Berger, S. 200. 1255 Hetz, S. 117, vgl. auch Teil 2: B. III. 2. c) dd). 1256 Gethmann, S. 2. 1257 Gordijn, S. 86. 1258 Hetz, S. 117. 1259 Weschka, S. 222. 1260 Weschka, S. 222 f. 1261 Frankenberg in: KJ 2000, 325 (330). 1262 Blankenagel in: KJ 1987, 379 (392).

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Eltern, die ihre eigenen ererbten körperlichen Eigenschaften als erheblich benachteiligend empfinden, „könnten ein besseres genetisches ‚Startkapital‘ für ihren Nachwuchs zu erreichen suchen“1263. Hinter den Forderungen nach Ungeplantheit und Zufall steht vermutlich das Erschrecken vor den massiven Eingriffen in natürliche Fortpflanzungsprozesse, die „Anmaßung göttlicher Macht,“ welche „die Schaffung eines Menschen nach seinem Bilde“ impliziert1264: „Im Rahmen eines theologischen Modells, das die Würde des Menschen auf seine Gottesebenbildlichkeit stützt, ergibt sich die Generalisierung der Menschenwürde auf alle Menschen hin aus der Geschöpflichkeit des Menschen als Gottes Ebenbild“1265. Der Mensch müsse Gottes Ebenbild und nicht das Ebenbild eines Menschen sein, der den Klon nach seinem Bilde erschafft. Die Erzeugung eines Menschen durch den Menschen selbst stellt hiernach einen blasphemischen Akt dar1266. Argumentationen, die auf religiösen Argumentationsmustern basieren, sind für die Verfassungsinterpretation jedoch ungeeignet1267. Nach der Gesetzesbegründung des Klonverbots für Embryonen (§ 6 I ESchG) verstoße es „in besonders krasser Weise“ gegen die Menschenwürde, einem zukünftigen Menschen seine Erbanlagen gezielt zuzuweisen1268. Dagegen spricht jedoch bereits der Umstand, dass der Rechtsbegriff der Menschenwürde nicht statisch konzipiert ist. Demzufolge muss der verfassungsrechtliche Blick auf das Klonen die denkbaren Ziele und Motive sowie – vor dem Hintergrund der Willkür – die Vergleichbarkeit mit anderen Sachverhalten mit einbeziehen1269. Nicht die genetische Identität als solche ist es, die verfassungsrechtliche Bedenken hervorruft, denn auch die Menschenwürde eines Zwillings wird nicht deshalb angezweifelt, weil er genetisch nicht einzigartig ist; vielmehr ist es der Umstand, dass ein Mensch gezielt wiederholt werden soll, wodurch das „Produkt“ des Klonvorgangs als Subjekt und in seiner Einmaligkeit prinzipiell in Frage gestellt wird1270. Solange dem Klon die tatsächliche Möglichkeit eröffnet bleibt, sich als eigenes Individuum zu entwickeln, ist eine Menschenwürdeverletzung des Klons aufgrund fehlender Individualität nicht feststellbar1271. Argumentationen, nach denen die Würde des Klons dadurch beeinträchtigt wird, dass er eine Kopie des Zellspenders verkörpert und dadurch in seiner Individualität gefährdet wird, sind somit verfehlt1272. 1263

Siep in: APZ 1999, 22 (26). Siep, S. 26. 1265 Neumann in: ARSP 1998, 153 (164). 1266 Vgl. Weschka, S. 223, FN 294. 1267 Vgl. Neumann in: ARSP 1998, 153 (164): „Theologische Ansätze sind in einer nicht auf theologische Prämissen verpflichteten rechts- und moralphilosophischen Diskussion nicht konsensfähig“. 1268 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drs.  11/5460, S.  11; ebenso Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 6, Rn. 3. 1269 Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 469. 1270 Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 469. 1271 Berger, S. 200. 1272 Berger, S. 200. 1264

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bb) Recht auf Nichtwissen der eigenen Biographie Viele betonen, die Selbstentfaltung sei elementarer Bestandteil der Menschenwürde und unabdingbare Voraussetzung hierfür bilde das „Recht auf Nichtwissen der eigenen Biographie“1273. Der natürlich gezeugte Mensch sei für sich selbst und für seine Mitmenschen ein „Novum“ und seine Entwicklung offen und unbestimmt1274. Es sei kaum absehbar, welche Auswirkungen es auf die Psyche eines Kindes, z. B. für die Identitätsfindung, habe, wenn es als Klon geboren wird1275. Gegen eine Verletzung eines Rechts auf Nichtwissen der eigenen Biographie ist anzuführen, dass diese Befürchtungen auf einer Fehlvorstellung bezüglich des Ausmaßes der genetischen Determination beruhen1276. Auch bei natürlichen eineiigen Zwillingen fehlt die genetische Einzigartigkeit, ohne dass sie deswegen in ihrer Entwicklung und ihrem Handeln weniger autonom und individuell wären als andere Menschen1277. Zudem sind nicht nur die Gene, sondern auch Sozialisation und weitere Umwelteinflüsse für die Entwicklung des Menschen relevant1278. Einem Klon fehlt nicht die Fähigkeit zur selbstbestimmten Lebensgestaltung1279, weil er ebenso wenig wie jeder andere Mensch wissen kann, wie seine Zukunft aussieht1280. Es bleibt ihm selbst überlassen, ob er einem etwaigen Erwartungsdruck nachgibt, bewusst einen völlig anderen Lebensweg einschlägt oder ihn die Erwartungen, die seine Erzeuger und die Gesellschaft in ihn setzen, gar nicht interessieren1281. Aus objektiver Perspektive ist der Klon in seiner Autonomie nicht eingeschränkt1282. Auch wenn sich psychische Belastungen des Klons durch den Erwartungsdruck und das Vorleben seines Originals nicht ausschließen lassen, folgt daraus keine Verletzung der Menschenwürde, zumal auch Kinder berühmter Persönlichkeiten, hervorragender Sportler oder renommierter Wissenschaft 1273

Jonas, S. 189. Jonas, S. 188. 1275 Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 469. 1276 Fuchs in: JWE 2000, 63 (67); National Bioethics Advisory Commission, S. 36 f.; Weschka, S. 223. 1277 Frankenberg in: KJ 2000, 325 (330); Rosenau in: FS Schreiber, S. 766; Siep in: APZ 1999, 22 (26) mit dem Hinweis, dass auch bei Zwillingen selbstverständlich „von einer Verletzung der Menschenwürde nicht die Rede sein“ könne; ähnlich Taupitz in: ZaeFQ 2000, 449 (452). 1278 Gutmann in: Roxin/Schroth, S.  366; Wolf in: Brugger/Haverkate, S.  77; Oduncu in: EthikMed 2001, 111 (117). 1279 Weschka, S. 224. 1280 Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 78. 1281 Vgl. Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 80 mit der Bemerkung, dass es „gerade bei gene­ tischer Gleichheit eine besonders reizvolle Aufgabe“ sei, „sich zu einem einzigartigen Indi­ viduum herauszubilden“. 1282 Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 80: „Der Klon ist (…) nicht wirklich an der Entwicklung einer eigenständigen Lebensweise gehindert, daher in diesem Punkt nicht in seinen grund­ legenden moralischen Rechten verletzt“. 1274

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ler einem vergleichbaren Druck ausgesetzt sind1283. So wird gefragt: „Unterscheidet sich diese Situation im Übrigen wirklich in qualitativer Hinsicht davon, wie heute manche Eltern ihre natürlich gezeugten Kinder nach ihrem Ebenbild oder nach bestimmten Rollenmodellen zu formen versuchen?“1284. „Aber solche erschwerten Bedingungen eines hohen Erwartungsdrucks haben beispielsweise auch herkömmlich gezeugte Kinder berühmter Menschen, ohne dass wir deshalb ex­ ponierten Menschen zumuten würden, auf Kinder zu verzichten“1285. In der Kenntnis des Klons über seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten könnte man sogar einen Vorteil für diesen erblicken1286. Nach alledem lassen sich Menschenwürdeverletzungen, die in der Sphäre des Klons selbst angelegt sind, nicht feststellen1287. cc) Verletzung der Menschenwürde aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierung Des Weiteren wird in Erwägung gezogen, dass die gesellschaftlichen Reaktionen den Klon derartig herabwürdigen, dass er als „Mensch zweiter Klasse“ diskriminiert wird1288. Aufgrund ihrer widernatürlichen Entstehung könnten Klone von der Gesellschaft als „Merkwürdigkeit, als einfache Blaupause“1289, eben als „Kopie des Originals“ betrachtet und deshalb aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden1290. Im Normalfall sieht man einem Klon seinen Herstellungsprozess jedoch nicht an und allein aufgrund der zeitlichen Differenz der Geburt von Zellkernspender und Kopie ist eine vollständige phänotypische Identität mit dem Original höchst unwahrscheinlich. Demzufolge dürfte nur das unmittelbare familiäre und soziale Umfeld wissen, dass es sich um einen Klon handelt. Von dieser Seite sind Diskriminierungen jedoch am wenigsten zu erwarten, weil die Familie sich ja gerade für das Verfahren des Klonens entschieden hat1291. Selbst wenn man von 1283

Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 366; Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 80; zu einem anderen Ergebnis gelangt Siep in: APZ 1999, 22 (26 f): „Mag etwa die Liebe zwischen Sportlern durch die Hoffnung auf den späteren Weltrekord des eigenen Sprösslings beflügelt werden – von der Auswahl und durch Klontechnik gesicherten Weitergabe der Gene eines Modell­ athleten ist sie weit entfernt“; ähnlich Rosenau in: FS Schreiber, S. 766. 1284 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 366. 1285 Wolf in: Brugger/Haverkate, S. 80. 1286 Leist, S. 209. 1287 Weschka, S. 225. 1288 Vgl. Weschka, S. 225. 1289 Rosenau in: FS Schreiber, 761 (766). 1290 Witteck/Erich in. MedR 2003, 258 (261); vgl. auch v. Bülow in: DÄBl. 1997, A-718 (718), welcher die Verwerflichkeit des Klonens darin sieht, „auf unnatürlichem Wege einen Menschen mit einem einzigen Elternteil entstehen zu lassen und schon dadurch den so entstandenen Menschen der naheliegenden Gefahr auszusetzen, in eine Außenseiterrolle zu geraten und unter Umständen die Art seiner Herkunft ein Leben lang psychisch nicht zu verkraften“; zurückhaltend hingegen Wolf in: Brugger/Haverkate, S.  80, die der Meinung ist, dass „die­ herangewachsenen Klone vielleicht etwas schief angesehen“ werden. 1291 Weschka, S. 225.

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einer gesellschaftlichen Diskriminierung ausgeht, erscheint es höchst zweifelhaft, ob die Verhinderung der Existenz des Klons die richtige Reaktion hierauf darstellt; vielmehr fragt sich, ob es nicht besser wäre, auf eine Unterbindung der Diskriminierung selbst hinzuarbeiten1292. Denn ansonsten entsteht ein Paradoxon: Dadurch, dass die Gesellschaft den Klon diskriminiert, verletzt sie ihn in seiner Würde, und um diese Würde zu schützen, wird die Existenz des Klons verhindert1293. Weiterhin hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass sich Befürchtungen bei neuen, unbekannten Techniken als unbegründet herausstellen: So genannte „Retorten­ babys“, also Kinder, die mittels In-vitro-Fertilisation erzeugt wurden, werden auch nicht als Menschen zweiter Klasse behandelt: „Auch bei der IvF-Technik wurden die Kinder zuerst fast wie Monstrositäten bestaunt, heute handelt es sich um eine allgemein anerkannte Therapie gegen Kinderlosigkeit“1294. Das Beispiel verdeutlicht, dass „strikte Abwehrhaltungen durch Gewöhnung nach und nach ab­gebaut“ werden können1295. Zudem dürfen nicht zwei Sachverhalte miteinander vermengt werden. Die befürchtete Menschenwürdeverletzung stammt aus der Sphäre der Gesellschaft und die Erzeugung des Klons aus derjenigen der Ärzte und beteiligten Zellspender: „Vor allem aber lässt sich mit dem Diskriminierungsargument kein Straftatbestand begründen. Zöge man die Gefahr, dass geklonte Menschen durch ihre Umwelt diskriminiert werden könnten, als Rechtfertigung eines pönalisierten Verbots des Klonens heran, hieße dies nichts anderes, als Ärzte und andere am Klonieren beteiligte Personen nicht für eigenes kriminelles Fehlverhalten, sondern für das vermutete – nicht einmal strafrechtlich relevante, sondern soziale – Fehlverhalten Dritter zu bestrafen“1296. Demzufolge können auch negative Reaktionen der Gesellschaft nicht begründen, dass der Vorgang des Klonens gegen die Menschenwürde des später geborenen Klons verstößt1297. dd) Instrumentalisierung durch die Art und Weise der Erzeugung Schließlich wird die Auffassung vertreten, eine Handlung, die auf die Herstellung eines Menschen abzielt, sei unzulässig, wenn Art und Folgen gegen die Würde des erzeugten Menschen verstoßen1298. In der bewussten Herstellung einer „gene-

1292 Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1159 f.) plädiert dafür, Diskriminierungen durch Aufklärung in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken; ebenso Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 365. 1293 Vgl. Weschka, S. 225 mit dem Vergleich der Diskriminierung von Behinderten: „Es ließe sich formulieren: Wenn die Gesellschaft Behinderte diskriminiert, muss das Entstehen von Behinderten verhindert werden. Da die Diskriminierung die Behinderten in ihrer Würde verletzt, verwirken sie um ihrer Würde willen ihr Recht auf Leben. Die Folgen der (…) Argumentationslinie, die sicherlich niemand beabsichtigt hat, wären fatal“. 1294 Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1160). 1295 Hilgendorf in: JRE 1999, 137 ( 141). 1296 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 365. 1297 Weschka, S. 226. 1298 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 42.

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tischen Kopie“ des Körperzellspenders und der absichtlichen Festlegung der genetischen Ausstattung durch Dritte, welche mit einer bestimmten Zwecksetzung verbunden ist – also der Art der Erzeugung –, sei eine Menschenwürdeverletzung zu sehen1299. Ebenso wird diese in den Folgen der Erzeugung erblickt, nämlich der Tatsache, dass der Klon sich später nicht mehr gegen diese Festlegung entscheiden kann1300 und mit einem „Original“ vor Augen leben muss1301. Nicht die Tatsache der fehlenden „Identität“ widerspreche der Achtung der Menschenwürde, zumal auch monozygote Zwillinge eine identische Genausstattung aufwiesen. Vielmehr sei es die „Funktionalisierung“ des geklonten Menschen, der nicht um seiner selbst willen, sondern nur aufgrund einer spezifischen Erwartung oder Anforderung mit einem bestimmten Erbgut versehen wird1302. Selbst wenn der Klon tatsächlich kein Abbild des Zellkernspenders ist, sei er doch zur Befriedigung der Bedürfnisse anderer Menschen hergestellt worden1303, sodass aus diesem Grund ein Verstoß gegen das Objektivierungsverbot des Art. 1 I S. 1 GG angenommen wird. Der auf diese Weise entstandene Mensch werde seiner Chance beraubt, sich in der Entdeckung seiner eigenen Natur als Subjekt wahrzunehmen, und müsse sich als bloßes Objekt eines fremden Gestaltungswillens begreifen1304. Wer klont, mache sich „zum Herren über die Gene des anderen“. Der Klon ähnele einem Sklaven, weil er ein Urteil ausleben müsse, das andere „vor seiner Geburt über ihn verhängt“ haben1305. Der Geklonte werde zum „narzisstischen Menschen“, der in seinem Leben dem Leben des Klons vermutlich gar keine positiven Aspekte abgewinnen könnte1306. Zudem werde die bewusste Herstellung einer genetischen Kopie mit bestimmten verwerflichen Zwecksetzungen bis hin zur Verwirklichung von Unsterblichkeitsfantasien verbunden1307. Gegen diese Argumente werden grundsätzliche Zweifel an der Tauglichkeit des Instrumentalisierungsbegriffs geäußert, da dieser zu unbestimmt und mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen ist oder gar „leerformelartig“ verwendet wird1308. Zudem lassen sie sich mit Hilfe der Tatsache relativieren, dass Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder und unausweichlich Instrumentalisierungen und Instrumentalisierungsversuchen ausgesetzt werden und diese nur verboten sind, wenn durch die Art des Umgangs ein Mensch nicht primär um seiner selbst

1299

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 42. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 42. 1301 Vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 42–45; vgl. auch Gordijn in: Ethik in der Medizin 1999, S. 12–34 mit einem Überblick über Argumente gegen und für das reproduktive Klonen von Menschen. 1302 Haniel in: Korff/Beck/Mikat, S. 405. 1303 Berger, S. 74. 1304 Kersten, Klonen, S. 508; ähnlich Nationaler Ethikrat, S. 43. 1305 Schmidt ESchG, S. 14. 1306 Schmidt ESchG, S. 14. 1307 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 42 f. 1308 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 43. 1300

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willen geachtet, sondern vorrangig und in wesentlicher Hinsicht als Zweck zur Verwirklichung von Zielen anderer verwendet wird1309. Beim reproduktiven Klonen zur Erfüllung eines Kinderwunsches ergeben sich noch größere Schwierigkeiten zur Feststellung einer Menschenwürdeverletzung, weil die auf diese Technik zurückgreifenden Eltern das entstehende Kind wie ein auf natürlichem Wege entstandenes zweckfrei und um seiner selbst willen lieben können, sodass keine fremdnützige Instrumentalisierung erkennbar ist1310. Die Geburt eines Kindes kann der einzige Zweck des Klonverfahrens sein. Rehmann-Sutter spricht von der „parentalen Motivation“ gegenüber der „duplikativen Motivation“1311. Als Beispiel illustriert er den Fall, dass ein Ehepaar, das keine Kinder mehr bekommen kann, bei einem Unfall sein einziges Kind verliert und beschließt, dieses Kind klonen zu lassen1312. So fragwürdig ein solches Vorgehen auch sein möge, zweifellos sei das Kind hier der ausschließliche Zweck des Reproduktionsverfahrens1313. Umgekehrt ist es auch bei natürlicher Fortpflanzung nicht ausgeschlossen, dass die Geburt des Kindes zur Verfolgung weiterer Zwecke erfolgt, etwa um eine brüchige Beziehung zu retten, einen Stammhalter zu bekommen, zu wissen, dass jemand den Familienbetrieb weiterführt, oder um eine persönliche Lebenskrise zu überwinden1314. In allen Fällen der natürlichen und artifiziellen Fortpflanzung kann es vorkommen, dass ein Kind nur deshalb geboren wird, um einen genetischen Abkömmling zu erhalten1315, ohne dass der Selbstzweck des Daseins des Kindes dadurch in Frage gestellt würde1316. Wird im Bereich der Fortpflanzungsmedizin ein Kind mittels Klonierung erzeugt, weil die Eltern steril sind, liegt eine Interessenlage vor, welche die Befürchtung einer Instrumentalisierung des Klons nicht notwendig eintreten lässt1317. Steht allein das Element der Fortpflanzung und der Wunsch nach genetischen Abkömmlingen im Vordergrund, erfolgt die Erzeugung unter kaum einer anderen Prämisse als bei anderen Arten der artifiziellen extrakorporalen Zeugung1318. Schließlich soll das so erzeugte Leben gerade zu dem Zweck auf eine Frau übertragen werden, um als später geborener Mensch ein eigenes Leben zu führen1319. Insofern wäre der Klon gerade nicht dem Druck ausgesetzt, ein vorgelebtes Leben wiederholen oder die Kopie eines anderen Menschen abbilden zu 1309

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 43. Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1153); Kersten, Klonen, S. 485, 489; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 43. 1311 Rehmann-Sutter in: Schweizerische Ärztezeitung 2001, 2145 (2145). 1312 Hilgendorf in: FS Maurer, 1147 (1153); Hilgendorf in: JRE, 1999, 137 (147). 1313 Weschka, S. 227. 1314 Taupitz in: ZaeFQ 2002, 449 (452). 1315 Leist, S. 209. 1316 Berger, S. 75. 1317 Vgl. Berger, S. 76. 1318 Berger, S. 200. 1319 Berger, S. 200, der damit der Argumentation von Benda in: NJW 1985. 1730 (1733) und Laufs in: NJW 2000, 2716 (2717) entgegentritt. Im Sinne von Benda und Laufs auch Mersson, S. 96, der auf eine maßlose Selbstüberschätzung der Kloneltern abstellt; wohl auch Häberle in: Isensee/Kirchhoff, HbStR II, § 22, Rn. 92. 1310

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müssen. Auch die Bezugnahme auf die Erzeuger des Kindes führt damit nicht zur Feststellung einer Menschenwürdeverletzung des Klons aus Art. 1 I S. 1 GG1320. b) Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG) Was zur Menschenwürdeverletzung des Klons unter dem Stichwort des Rechts auf zufallsabhängige natürliche Zeugung und Nichtfestgelegtheit der genetischen Merkmale ausgeführt wurde, kann auch bezogen werden auf das Recht, dass die Bedingungen der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Selbstbestimmung des Klons aus Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG gesichert werden müssen. Auch dieses Recht besteht bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ausübung der Selbstbestimmung noch gar nicht möglich ist1321. Eine Rechtsverletzung könnte dementsprechend darin liegen, dass die Selbstbestimmung des menschlichen Mischwesens dadurch verletzt wird, dass Anteile seiner genetischen Zusammensetzung und damit seines Soseins auf der Manipulation Dritter beruhen1322. Dadurch werde der Respekt vor der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Selbstbestimmung des Einzelnen schon vor der Geburt verletzt1323. Auch hierin lässt sich ein latenter „genetischer Determinismus“ erblicken, weil es bei der Entfaltung individueller Persönlichkeit nicht nur auf die genetische Ausstattung, sondern auch und vor allem auf andere, insbesondere soziale, Umstände ankommt und die spätere Selbstbestimmung eines Dritten nicht davon abhängt, ob er seine Entstehung der­ Planung Dritter verdankt1324. Zudem kann die Selbstbestimmung als Ausdruck der Menschenwürde nicht auf Vorgänge erstreckt werden, welche die genetische Konstitution des Menschen festlegen, zumal auch auf natürliche Weise gezeugte Menschen keinen Einfluss auf ihre Erbanlagen nehmen können und niemandem ein Recht auf eine bestimmte Genausstattung zusteht, ebensoso wie es kein Recht darauf gibt, nicht oder nicht so geboren worden zu sein1325. Es lässt sich keine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klons aus Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG feststellen. c) Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) Überzeugenderer Grund für die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit des reproduktiven Klonens ist die Unsicherheit der Technik, die das reproduktive Klonen mit Hilfe des Zellkerntransfers zu einem „unkontrollierbaren Experiment“1326 macht, weil zum einen zahlreiche Fehlgeburten zu befürchten sind, zum anderen 1320

Weschka, S. 227. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 45. 1322 Szaif in: JWE 2000, 53 (61); Oduncu in: EthikMed 2001, 111 (117). 1323 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 40. 1324 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 45. 1325 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 42. 1326 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 364.

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eine nicht unerhebliche Zahl von Missbildungen und in schwerstem Ausmaße behinderter Kinder1327. Es muss bedacht werden, „…dass bis zum perfekten Funktionieren der Technik des Klonens (…) von Menschen eine ganze Reihe von mehr oder weniger misslingenden Versuchen zu erwarten ist. (…) Man denke etwa an die Möglichkeit des Entstehens siamesischer Zwillinge oder missgebildeter Kinder etc.“1328. Oftmals wird das reproduktive Klonen ausschließlich vor diesem Hintergrund als verwerflich erachtet1329. Jedenfalls rechtfertigen die unkalkulierbaren Risiken für den Klon und die austragende Mutter1330 sowie der experimentelle Charakter des Nukleustransfers ein Verbot des reproduktiven Klonens, das sich auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der geborenen und eventuell behinderten Klone stützen lässt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt1331. Momentan besteht damit eine Gefährdung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit des Klons aus Art. 2 II S. 1 GG. Zu beachten ist jedoch, dass ein Verbot des Klonens, das auf einen Gesundheitsschutz im Hinblick auf die unkalkulierbaren Risiken gestützt wird, nicht mehr durchgreifen würde, sobald die Technik ausgereift und sicher wäre1332. d) Schutz vor Diskriminierung (Art. 3 III S. 1 GG) Möglicherweise könnte sich ein Verstoß gegen das absolute Diskriminierungsverbot des Art. 3 III S. 1 GG ergeben. Der Verfassungstext „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung (…) benachteiligt oder bevorzugt werden“ wird überwiegend so verstanden, dass „Niemand“ nur der schon geborene Mensch sein kann, weil die von dieser Vorschrift bezweckte Integration von Menschen mit unterschiedlicher Abstammung beim ungeborenen Leben nicht zum Tragen komme1333. Andere hingegen betrachten „Niemand“ normspezifisch auf jedes menschliche Wesen bezogen, sodass auch ein Embryo – in vivo oder in vitro – darunter zu fassen sei1334. Schließlich wird die Auffassung vertreten, das Grundrecht beziehe sich zwar nominell nur auf den geborenen Menschen, entfalte aber so genannte „Vorwirkungen“, die auch den Embryo erfassten1335.

1327 Weschka, S. 228; Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 469, vgl. Teil 2: B. IV., V. 1328 Joerden in: JRE 1999, 79 (86 f.): ebenso Joerden, S. 20. 1329 Wolf, S. 82: „Unter Voraussetzung der Sicherheit der Technik gibt es keine gewichtigen moralischen Gründe gegen das Klonen, da ein geklontes Individuum weder in Grundrechten verletzt noch an der Ausbildung eines einzigartigen Lebenslaufs gehindert wird“. 1330 Humphreys et al., S. 96. 1331 Berger, S. 200; Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 364. 1332 Weschka, S. 229. 1333 Vgl. Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 38 zum Diskriminierungsverbot wegen Behinderung, Art. 3 III S. 2 GG. 1334 Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 38. 1335 Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 38.

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Mit dem reproduktiven Klonen sind auch Einflüsse auf die sozialen Strukturen des menschlichen Zusammenlebens verbunden. Das Mensch-Tier-Mischwesen könnte von der Gesellschaft nicht eindeutig der Kategorie Mensch oder Tier zugeordnet und deshalb diskriminiert werden. Weil die Gesellschaft dem Mischwesen keine klare Identität zuschreiben kann, erschwert dieser Umstand den Umgang mit ihm1336. Für das Selbstverständnis, die Identität und die soziale Identifikation des geborenen Menschen ist das Wissen um seine Herkunft und Geschichte von zentraler Bedeutung1337. Beide sind für das Mischwesen, das mit Hilfe einer tierischen Eizelle geklont wurde, sowohl mit der des beteiligten Menschen als auch mit der des beteiligten Tieres verwoben1338. Dieser Umstand könnte die Ausbildung seiner Identität und seine soziale Identifikation erschweren. Womöglich würde sich das Individuum weder der Gruppe der Menschen noch der Gruppe der Tiere als vollständig zugehörig begreifen. Zudem wirkt sich die bewusste Schaffung eines Mischwesens auf die Wert­ schätzung und gesellschaftliche Bedeutung von Herkunft und Geschichte aus. Wird ein Wesen geschaffen, bei dem zu befürchten steht, dass es sich keiner seiner Herkunftsfamilien – weder der tierischen noch der menschlichen – zugehörig fühlen wird, setzt das seinen Wert bewusst herab1339. Die Zybridenforschung könnte auch „symbolische“ Auswirkungen bekommen, wenn Menschen unter der bloßen Existenz eines Mensch-Tier-Mischwesens leiden1340. Wenn bestimmte Personengruppen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden  – wie Mensch-Tier-Mischwesen aufgrund ihrer unklaren Artzuordnung  –, sehen viele die Gefahr einer Aufkündigung der Solidarität mit kranken und behinderten Menschen1341. Darüber hinaus könnte die Umgehung der natürlichen sexuellen Reproduktion zu Verwirrungen der familiären und sonstigen „intergenerationellen“ Beziehungen führen. Diese Folgen bestünden nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch bezüglich der Verhältnisse zwischen den Geschlechtern1342. Die Möglichkeit der Erzeugung „vollständiger“ Menschen wird dabei einerseits als Mittel zur Stärkung der reproduktiven Unabhängigkeit und Bedeu 1336

Deutscher Ethikrat 2011, S. 62. Deutscher Ethikrat 2011, S. 61. 1338 Deutscher Ethikrat 2011, S. 62. 1339 Deutscher Ethikrat 2011, S. 62. 1340 Badura-Lotter in: Taupitz/Weschka, S. 207. 1341 Hillebrand/Lanzerath, S.  30; Merkel, S.  191 zur PID: „Menschen mit einer genetisch verursachten Behinderung könnten sich gekränkt fühlen, wenn im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik genau der genetische Fehler, mit dem und dessen Folgen sie selbst ein erfülltes Leben führen, als Kriterium einer negativen Ausleseentscheidung gegenüber Embryonen akzeptiert wird; Perry, S. 1423 mit einer Liste besonders betroffener Gruppen von Kranken und Behinderten: Anders hingegen verspricht die Forschung an embryonalen Stammzellen für viele Menschen mit schweren Behinderungen nicht Kränkung, sondern große therapeutische Hilfe, weshalb gerade Behindertenverbände zu Befürwortern der Forschung zählen. 1342 Hillebrand/Lanzerath, S. 30. 1337

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tung der Frau begrüßt, andererseits jedoch die Sorge formuliert, auf diesem Wege könne einer Kommerzialisierung des weiblichen Körpers durch das Austragen von Klonen als Leihmutter Vorschub geleistet werden1343. Bloße psychische, mentale, Selbstbewusstseins- oder atmosphärische Diskriminierungswirkungen bei Dritten aufgrund der Austragung und Geburt von Mensch-Tier-Zybriden genügen allerdings nicht, das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot auszulösen1344. e) Ergebnis zur Grundrechtsverletzung des Mischwesens (Klon) Im reproduktiven Klonen ist weder eine Verletzung der Menschenwürde des Klons (Art. 1 I S. 1 GG) noch seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu sehen (Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG) zu sehen. Ebenso wenig resultiert daraus ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 III S. 1 GG. Solange die Technik des Nukleustransfers noch nicht ausgereift ist, würde das klonierte Mischwesen jedoch in seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II S. 1 GG gefährdet. Allerdings besteht auch hier das Problem des fehlenden Rechtsgutsträgers zum Zeitpunkt der Herstellung1345. Aus subjektiven Rechten des Klons resultiert somit keine staatliche Schutzpflichtaktivierung zu seinen Gunsten. 2. Staatliche Schutzpflicht für die geklonten Menschen (Zellkernspender) Weiterhin kommt eine Verletzung von Grundrechten des Zellkernspenders, also des geklonten Menschen, in Betracht. a) Menschenwürde (Art. 1 I S. 1 GG) Für den geborenen Menschen, der seine Körperzelle zum Zwecke der Klonierung zur Verfügung stellt, ist der Schutzbereich eröffnet. Einige Autoren meinen, die Würde des Spenders des genetischen Datensatzes werde dadurch verletzt, dass er gezielt genetisch kopiert und bewusst seiner „genetischen Identität durch die Hervorbringung eines genetisch gleich ausgestatten Menschen beraubt“ werde1346. Bei Unfreiwilligkeit der Körperzellspende oder Nichtwissen müsste man in der Tat eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts annehmen, weil das „Original“ durch die Herstellung eines Klons ohne seine Zustimmung oder sogar gegen seinen Wil 1343

Hillebrand/Lanzerath, S. 30. Deutscher Ethikrat PID, 2011, S. 38 zur behinderungsbedingten Selektion bei der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik. 1345 Vgl. Teil 4: A. I. 3. b). 1346 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 98; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 40. 1344

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len genetisch reproduziert und damit seine genetische Einzigartigkeit in Frage gestellt wird. Auch das Klonen von Verstorbenen verstößt, wenn ihre Zustimmung nicht vorliegt, gegen ihr postmortales Persönlichkeitsrecht1347. Umstritten ist hingegen, ob in der freiwilligen Reproduktion eines lebenden Zellspenders ein Verstoß gegen dessen individuelle Menschenwürde zu sehen ist. aa) Argumente für einen Verstoß Einige vertreten die Auffassung, das reproduktive Klonen von Menschen begründe einen Verstoß gegen die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Körperzellspenders aus Art. 1 I i. V. m. Art. 2 II S. 1 GG1348. Dieser liege in der Verletzung der Individualität und Einzigartigkeit der Person1349. Die Würde des Spenders des genetischen Datensatzes werde dadurch verletzt, dass er gezielt genetisch dupliziert und durch die Erzeugung eines genetisch gleich aus­ gestatteten Menschen seiner genetischen Identität beraubt werde1350. Diese allein sei zwar nicht ausschlaggebend1351, weil genetische Identität auch bei eineiigen Zwillingen bestehe1352. Beim Klonen aber stehe die gezielte künstliche Verdoppelung im Gegensatz zur natürlichen Zwillingsbildung im Vordergrund sowie das vom normalen Fortpflanzungsvorgang erheblich abweichende Herstellungsverfahren und die zeitliche Verschiebung1353. In Bezug auf Klonexperimente mit tierischen Eizellen heißt es, die Menschenwürde desjenigen Menschen, dessen Erbgut sich in einem Mensch-Tier-Zybriden fortpflanzt, werde in Mitleidenschaft gezogen1354. Die Menschenwürde stelle eine objektive Größe dar und sei insoweit der Dispositionsbefugnis des Trägers entzogen: Die Mitwirkung an einer derart gra 1347

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 45. Weschka, S.  218 mit Verweis auf Frankenberg in: KJ 2000, 325 (329), der zweifellos eine entwürdigende Missachtung des kopierten Menschen annimmt, wenn er „hinterrücks als unfreiwilliges Objekt eines Klonprojekts missbraucht wird“. 1349 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262). 1350 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art.  1 I, Rn.  98; Isensee, S.  84; Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (263); anders Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 111; Kersten, Klonen, S. 509. 1351 Weschka, S. 219; anders Witteck/Erich, die ausschließlich auf die Verletzung der genetischen Einzigartigkeit abstellen, ohne aber außer Acht zu lassen, dass sich die Individualität des Menschen nicht nur nach dem genetischen Code richtet. 1352 Gutmann, S. 370 kritisiert die undifferenzierte Anwendung des Art. 1 I S. 1 GG als ein „Grundrecht des Menschen auf eine eigene, individuelle genetische Identität“, weil ein derartiges Argumentationsmuster den Personalitäts- und Würdeanspruch von Menschen in Frage stellen könne, die als eineiige Zwillinge einen natürlichen genetischen Doppelgänger haben“. Zulässig sei diese Argumentation nur dann, wenn „menschliche Subjekte in einem wesentlichen Sinn als unmittelbares Produkt der Gene verstanden“ werden, wovon jedoch nicht ausgegangen werden kann. 1353 Weschka, S. 219 aus der Perspektive des Betrachters; aus Sicht des Klons Siep in: APZ 1999, 22 (26). 1354 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7 Rn. 6; Gröner in: Günther/Keller, S. 312 f. für Chimären und Hybride aus Mensch und Tier. 1348

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vierenden Verletzung der Menschenwürde, wie sie im reproduktiven Klonen liege, verstoße auch gegen die Menschenwürde derjenigen Person, die sich freiwillig klonen lässt1355. Denn die Würde des Menschen sei immer auch Schutz der Gattung vor den Selbstgefährdungen einer sittlich richtungslosen Freiheit1356. Die Dispositionsbefugnis über den Körper ende ort, wo der objektive Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde in Frage steht1357. Eine Einverständniserklärung der geklonten Person zu einem Reproduktionsprozess, der sich von natürlichen Zeugungs­ bedingungen völlig entfernt, übersteige die Dispositionsbefugnis1358. Eine Zustimmung sei somit irrelevant und gehe rechtlich ins Leere, weil die Menschenwürde unverzichtbar sei und nicht der freien Verfügung seines Inhabers unterliege1359. bb) Argumente gegen einen Verstoß Diese Auffassung wird jedoch in Zweifel gezogen. (1) Unzulässige Verkürzung auf die genetische Substanz Ihr wird entgegengehalten, eine solche Sichtweise führe zu einer Verkürzung der Identität des Zellkernspenders auf die genetische Substanz, obwohl sich eine Identität ebenso wenig herleiten lasse wie bei eineiigen Zwillingen: Auch diese seien trotz identischen Erbgutes keine identischen Lebewesen1360. Die Vorstellung, man begegne plötzlich seiner völlig gleich aussehenden, nur jüngeren Kopie, die sich auch noch so verhalte wie man selbst, sei erschreckend, aber reine Fiktion1361. Aufgrund der mitochondrialen DNA der zum Klonen verwendeten Eizelle bestehe ohnehin keine hundertprozentige genetische Identität. Darüber hinaus führe selbst eine vollständige Identität des Genotyps nicht automatisch auch zu einer Identität des Phänotyps, weil sowohl das Aussehen als auch der Charakter und das Verhalten des Menschen stark durch eine Reihe von Umweltfaktoren geprägt würden1362. Das beschriebene Szenario sei deshalb ein rein hypothetisches, dessen Distanz zur Realität dadurch noch größer werde, dass das reproduktive Klonen menschlicher Individuen bisher noch nicht versucht wurde, schon gar nicht gelungen ist und fraglich bleibt, ob es überhaupt theoretisch gelingen könnte1363. 1355

Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 98. Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 II GG, Rn. 62. 1357 Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 II GG, Rn. 62. 1358 Brohm in: JuS 1998, 258 (263); Kersten, Klonen, S. 482; Kunig in: Münch/Kunig, Art. 1 I, Rn.  36 „Gentechnik“; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (763); Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 98; zustimmend Traub in: ZfL 2003, 130 (133); Weschka, S. 219. 1359 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (261); Müller in: Müller/Klein/Chiariello, S. 154. 1360 Rosenau in: FS Schreiber, 761 (779). 1361 Weschka, S. 218. 1362 Weschka, S. 218. 1363 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 360. 1356

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(2) Dispositionsbefugnis Des Weiteren werde das Klonen nicht ohne Wissen und ohne Zustimmung des geklonten Menschen erfolgen, sondern normalerweise sogar gerade auf Veranlassung des Zellkernspenders durchgeführt, beispielsweise weil die Eltern keine Kinder bekommen können und sich deshalb wünschen, dass ihr geklontes Kind zumindest mit einem der Elternteile genetisch verwandt ist1364. Das Absprechen der Dispositionsbefugnis stelle keine widerspruchsfreie Konstruktion dar, weil sich die Menschenwürde damit gegen ihren personalen Träger kehre und diesen seiner individuellen Autonomie beraube, welche die Verfassung gerade sichern wolle1365. Gegner einer die Dispositionsbefugnis verneinenden paternalistischen Sichtweise argumentieren, dass die Menschenwürde, die dem Schutz der Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat zu dienen bestimmt ist, als Instrument missbraucht wird, diese freie Selbstbestimmung einzuschränken, welche für die Würde des Einzelnen konstitutiv ist1366. Dies stelle eine Instrumentalisierung der Menschenwürde gegen die freie Selbstbestimmung dar und sei beim reproduktiven Klonen ebenso abzulehnen wie in den prominenten Fällen des „Zwergenweitwurfs“1367, des Auftretens von Frauen in „Peep-Shows“1368 oder der Kasernierung im „BigBrother“-Haus1369. Dies bedeute nicht, den fraglichen Umgang mit Menschen in diesen Fällen gutzuheißen, wohl aber, dass die Menschenwürde nicht die richtige Grundlage sei, ein Verbot zu begründen. Dies solle eher durch den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ im Polizeirecht oder den der „guten Sitten“ geschehen1370. Der pauschale Hinweis auf die Würde des Menschen, dessen Identität kopiert werde1371, könne somit nicht ausreichen. Hinzu komme, dass der klonwillige Zellkernspender sich auf ein „Recht auf Fortpflanzungsfreiheit“ berufen könne1372. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung scheidet bei vorliegender Einwilligung nach umfassender Aufklärung eine Grundrechtsverletzung des Körperzellspenders, also des geklonten Original-Menschen, somit aus1373.

1364

Weschka, S. 219. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 45. 1366 Weschka, S. 219. 1367 VG Neustadt, Beschl. v. 21.05.1992, Az. 7L1271/92, NVwZ 1993, S. 98–100. 1368 BVerwGE 64, 274. 1369 Vgl. Frankenberg, S. 329. 1370 Weschka, S. 220, FN 279; Hilgendorf in: JRE 1999, 137 (151 f.): „Übertragen auf gentechnische Eingriffe heißt dies, dass bei konsentierten Maßnahmen ein Menschenwürdeverstoß ausscheidet, die Frage nach einem Verstoß gegen die guten Sitten jedoch einer eigenen Prüfung bedarf“. 1371 Keller/Günther in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 11. 1372 Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 361. 1373 Vgl. Frankenberg, S. 330 f.; im Ergebnis ebenso, wenn auch sehr zurückhaltend Rosenau in: FS Schreiber, 761 (765); Höfling, Bitburger Gespräche, S. 113; Siep in: APZ 1999, 22 (26) mit dem Hinweis auf den Grundsatz „volenti non fit iniuria“; Joerden, S. 19; Kienle in: ZRP 1998, 186 (188); Weschka, S. 220. 1365

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cc) Stellungnahme und Ergebnis Problematisch ist die Beantwortung der Frage, ob das Rechtsgut der körperlichen Integrität auch dann durch den Grundrechtsträger in vollem Umfang disponibel bleibt, wenn die Einwilligung in einem menschenverachtenden Kontext steht1374, oder ob den Staat die Pflicht trifft, Menschen vor ihrer eigenen Entscheidung über ihr Leben und ihren Körper, also vor sich selbst, zu schützen1375. Weil der Schutz der Menschenwürde im Wesentlichen durch die Achtung der individuellen Selbstbestimmung geprägt ist, bietet Art. 1 I GG nur eine sehr schmale Basis für einen Würdeschutz des Einzelnen vor sich selbst im Sinne eines fürsorglichen Eingriffs in die individuelle Autonomie1376. Ausnahmen ergeben sich nur, wenn die freie und eigenverantwortliche Selbstbestimmung in Frage steht1377. Die Privatautonomie als Ausfluss der Menschenwürde darf nicht beschränkt werden, weshalb eine Einschränkung der Disponibilität über den eigenen Körper unter Hinweis auf Art. 1 I GG abgelehnt werden muss, wenn eine informierte Einwilligung in die Spende der Körperzelle und deren Verwendung zum reproduktiven Klonen vorliegt. Die Spende ist vielmehr als einwilligungsfähige Handlung zu betrachten1378. Zwar kommt eine Verletzung des Art. 1 I S. 1 GG in überindividuellem Sinne in Betracht, was gegen die Dispositionsbefugnis spräche. Ein „Recht auf Fortpflanzungsfreiheit“ des Zellkernspenders aus Art. 6 I GG i. V. m. Art. 2 I GG und Art. 1 I S. 1 GG ist allerdings auch nicht abwegig. Bei bestehendem „informed consent“ scheidet eine Verletzung der Menschenwürde des Körperzellspenders demzufolge aus.  b) Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG) Gleiches gilt für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Körperzellspender: Dieses wird nicht gefährdet, wenn wirksam eingewilligt wurde. Die Ausführungen im Rahmen des Art. 1 I S. 1 G zur Disponibilität des Rechtsguts gelten hier entsprechend. Für die Körperzellspender wird keine staatliche Schutzpflicht aktiviert. 3. Staatliche Schutzpflicht für die austragenden Frauen Es werden Befürchtungen laut, mittelfristig laufe die (internationale) Entwicklung nicht nur auf einen „Eizellmarkt“ zu, sondern auch auf die Zumutung an Frauen, 1374

Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art. 2 II GG, Rn. 62. Für Art. II S. 2 GG: BGHZ 79, 131 (141 f.); BVerwGE 82, 45 (49). 1376 Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 151 f. 1377 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 79. 1378 Zur Einwilligung in die Körperzellspende beim therapeutischen Klonen: Teil 4: A. I. a) cc). 1375

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sich klonierte Embryonen einpflanzen zu lassen1379. Deshalb ist an eine staatliche Schutzpflicht für Frauen zu denken, die Mensch-Tier-Zybriden austragen könnten. a) Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) Frauen, denen ein Klon in den Uterus implantiert wird, fallen in den persönlichen Schutzbereich des Art.  2 II S.  1 GG. Sachlich wird das Leben im Sinne der biologisch-physischen Existenz geschützt sowie die körperliche Unversehrtheit, die vorliegt, wenn der Körper keinerlei äußeren und inneren Fremdeinflüssen auf seine Funktionen oder Substanz ausgesetzt ist1380. Es geht sowohl um die physische als auch die psychische Integrität des Rechtssubjekts1381. Der Transfer eines Mensch-Tier-Zybriden in die Gebärmutter einer Frau fällt in den sachlichen Schutzbereich. aa) Eingriff (1) Gesundheitsgefahren Der Zellkerntransfer führt (noch) zu Fehlern bei der Reprogrammierung, welche das Entwicklungspotenzial von Klon-Embryonen beeinträchtigen1382. Tierversuche haben gezeigt, dass das Fortpflanzungsklonen mit einem hohen Risiko schwerster Gesundheitsschäden und Fehlbildungen verbunden und deshalb bei einer Schwangerschaft mit einer hohen Rate an Fehlgeburten zu rechnen ist, was schwere physische und psychische Belastungen für die betroffenen Frauen nach sich zieht1383. Diskutiert wird dieses Problem im Zusammenhang mit der Frage, ob das ärztliche Berufsrecht die Implantation in den Uterus einer Frau zuließe. Gegner des reproduktiven Klonens bringen vor, dass die Erzeugung menschlicher Klone gegen das professionelle „Gebot der Nichtschädigung“ verstoße, weil das Verfahren mit erheblichen gesundheitlichen Risiken für den Klon verbunden ist1384. Die ärztliche Ethik gebiete es zudem, eine Frau, die mit einem Klon schwanger werden möchte, vor der erwartbaren Schädigung ihrer selbst zu bewahren1385. Auch zur Behandlung von Unfruchtbarkeit widerspreche der Einsatz des Fortpflanzungs 1379

Gehring in: Taupitz, Kommerzialisierung, S. 66. Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 2 II, Rn. 29. 1381 Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 147 f. 1382 Vgl. Teil 2: B. IV., V.; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 47. 1383 Vgl. Teil 2: B. IV. 4., V.; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 41. 1384 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 48. 1385 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 48. 1380

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klonens dem ärztlichen Behandlungsauftrag von vornherein, weil der natürliche Befruchtungsvorgang der Vereinigung von Ei- und Samenzelle grundsätzlich abgewandelt und ersetzt werde, anstatt ihn wie bei üblichen Verfahren der Fortpflanzungsmedizin wie der In-vitro-Fertilisation zu unterstützen1386. Dem wiederum wird entgegengesetzt, dass das Klonen zu Fortpflanzungszwecken sehr wohl in Kontinuität zu anderen Formen der Unfruchtbarkeitsbehandlung gesehen werden könne1387. Mensch-Tier-Zybriden wurden im Ausland bereits erzeugt und gesundheitliche Gefahren für austragende Frauen sind sehr wahrscheinlich, zumal eine  – missbräuchliche – Einpflanzung in eine Gebärmutter zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. In diesem Fall würde das Austragen eines vermutlich kranken und stark vergrößerten Zybrid-Embryos die Frau aufs schwerste gesundheitlich belasten, möglicherweise sogar ihren Tod hervorrufen1388. Solange die medizinischen Risiken so hoch sind, begründet die Implantation eines Mensch-Tier-Zybrides in eine Gebärmutter einen Eingriff in das Recht der Frau auf körperliche Unversehrtheit, eventuell sogar ihr Leben, aus Art. 2 II S. 1 GG. (2) Eingriffsrechtfertigung durch Einwilligung Möglicherweise ließe eine wirksame Einwilligung der Frau nach entsprechender Aufklärung die Rechtswidrigkeit entfallen. So wird argumentier, dass es für Frauen möglich sein sollte, sich den gesundheitlichen Belastungen und Gesundheitsrisiken nach Aufklärung und autonomer Einwilligung auszusetzen1389. Zwar wird ein Klonverbot bejaht, eine Schwangerschaft mit einem Klon-Embryo jedoch für keine so schwere Belastung der Frau gehalten, dass der Arzt nach entsprechender Einwilligung die Implantation in die Gebärmutter schon deshalb nicht ausführen dürfte1390. Im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren für die Frauen, die einen solchen Embryo austragen, bleibt ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit disponibel, auch wenn die Geburt eines Mensch-Tier-Zybriden gegen die Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG in ihrer überindividuellen Dimension verstoßen könnte. Eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis über den eigenen Körper unter Hinweis auf Art. 1 I S. 1 GG ist abzulehnen1391. Eine austragungswillige Frau könnte nach entsprechender Aufklärung wirksam in den Transfer eines Klons in ihre Gebärmutter einwilligen. Liegt eine solche vor, widerspricht die Implantation auch nicht dem ärztlichen Heilauftrag, weder aufgrund der Gesundheits­gefahr für die Frau noch aufgrund der Tatsache, dass der Klon ohne Befruchtung erzeugt wurde. 1386

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 40, 48. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 48. 1388 Vgl. Teil 2: B. IV. 4. b). 1389 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 47. 1390 Kersten, Klonen, S. 523; kritisch Hillebrand/Lanzerath, S. 24. 1391 Vgl. Teil 4 A. IV. 2. a) cc). 1387

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

407

b) Ergebnis Aufgrund wirksamer Einwilligung entfällt die Rechtswidrigkeit, sodass keine Grundrechtsverletzung droht und demzufolge keine staatliche Schutzpflicht im Hinblick auf Mensch-Tier-Zybriden austragende Frauen aktiviert wird. 4. Staatliche Schutzpflicht für die austragenden Tiere Weiterhin ist an eine staatliche Schutzpflicht zugunsten der weiblichen Tiere zu denken, in deren Uterus ein Mensch-Tier-Zybride verpflanzt werden könnte. Eine Verletzung des anthropozentrisch ausgestalteten Tierschutzes durch eine solche Implantation kommt jedoch bereits aus dem Grund nicht in Betracht, dass Art. 20a GG nicht das einzelne, individuelle Tier schützt1392. Festzuhalten bleibt, dass das Klonen zu reproduktiven Zwecken (auch) in der Spielart der Verwendung tierischer Eizellen keine individuellen Grundrechte gefährdet und diesbezüglich keine staatliche Schutzpflichten auslöst. 5. Staatliche Schutzpflicht für die Menschheit als Ganzes Unter Rückgriff auf Individualgrundrechte lässt sich keine Verfassungswidrigkeit des reproduktiven Klonens begründen1393. Der auf den ersten Blick so einleuchtend scheinende Verstoß gegen die Menschenwürde kann im Hinblick auf Art. 1 I S. 1 GG als Individualgrundrecht einer genaueren Analyse nicht standhalten, auch wenn das reproduktive Klonen intuitiv Unbehagen bereitet und von der Gesellschaft nahezu einmütig abgelehnt wird1394. Zur Begründung einer Menschenwürdewidrigkeit bleibt einzig ein möglicher Verstoß gegen die überindividuelle Komponente dieses Grundrechts. 

1392

Vgl. Teil 4: A. I. 5. So auch Weschka, S. 229; aus philosophischer Perspektive Birnbacher, S. 26 f.: „Auch bei dem Menschenwürdebegriff, der in der Debatte über das reproduktive Klonen (…) verwendet wird (…), scheint es sich um den Gattungsbegriff zu handeln. Es ist jedenfalls nicht zu sehen, wie die individuelle Menschenwürde des geklonten Individuums  – vorgeburtlich oder nachgeburtlich – allein aufgrund der besonderen Weise seiner Entstehung kompromittiert sein kann“. 1394 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (261), für die der fehlende Grundrechtsträger das entscheidende Argument gegen eine Menschenwürdeverletzung durch das reproduktive Klonen bildet; Joerden in: JRE 1999, 79 (85); Joerden, S. 18; Schuhr in: JRE 2002, 125 (129); Weschka, S. 228. 1393

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a) Menschliche Gattungswürde (Art. 1 I GG) Bei der Forderung nach einem Verbot reproduktiven Klonens steht meist die Gattung Mensch als potenzielles Opfer im Vordergrund, weil sich die Folgen nicht abschätzen ließen und wesentliche Werte der christlich-traditionell geprägten Kultur angegriffen würden1395. Erst recht könnte die Herstellung von MenschTier-Mischwesen die Menschenwürde im Sinne der menschlichen Gattungswürde verletzen1396. Das herkömmliche individual-rechtliche Verständnis der Menschenwürde in Art. 1 I S. 1 GG ist ungeeignet, die Menschenwürderelevanz des Klonens zu reproduktiven Zwecken zu erfassen und angemessen zu beantworten1397: „So hat die bisherige Diskussion gezeigt, dass es schwer, wenn nicht unmöglich ist, ein generelles Verbot der reproduktiven Humanklonierung mit einer angeblichen Entwürdigung des durch Klonierung in Existenz gebrachten Menschen zu begründen. (…) Dieses perzipierte Ungenügen des traditionellen Menschenwürdediskurses (…) hat nun gerade unter Verfassungsjuristen dazu geführt, (…) zugeschriebene Kollektivinteressen der menschlichen Spezies ab der Unverfügbarkeit humaner Erbanlagen unter den kategorischen und abwägungsresistenten Schutz des verfassungsrechtlichen Würdesatzes zu stellen“1398. Zur Begründung der Menschen­ würdewidrigkeit des reproduktiven Klonens und des Austragens von Mensch-TierZybriden lassen sich verschiedene Argumente anführen. aa) Universeller Konsens zur Ablehnung reproduktiver Klonierung Einige Stimmen bringen vor, reproduktives Klonen von Menschen sei einer der wenigen Fälle, in denen wegen des universell bestehenden Konsenses ein Verbot unter Bezugnahme auf die Menschenwürde als Gattungswürde trotz der Bedenken gegen dieses Konzept gerechtfertigt sei1399: „Es ist vielfach herausgestellt worden, dass das herrschende Verständnis von Art. 1 I S. 1 GG in vielen Fällen keine Antwort auf die biowissenschaftlichen Herausforderungen gibt“1400. „All dies legt die Annahme nahe, dass mit Menschenwürde im Zusammenhang mit den genannten Praktiken der Fortpflanzungsmedizin weniger ein Individualrecht gemeint sein 1395

Berger, S. 200 f. Höfling in: Sachs, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 27. 1397 Nettesheim in: AöR 2005, 71 (107) schlägt mit dem Gattungsschutz eine weitere, vierte Schutzdimension vor; vgl. auch Gutmann in: van den Daele, S. 241 f.; Seelmann in: FS Wolff, S. 487; Höfling, Bitburger Gespräche, S. 114: „Das auf den Schutz individualisierter Rechts­ güter vor konkreten Übergriffen fokussierte Instrumentarium klassischer Menschenrechtsdogmatik stößt hier ebenso an seine Grenzen wie bei intergenerationellen Interventionen“. Das Klonverbot aus § 6 ESchG lasse sich nur „unter Rückgriff auf die Menschenwürdegarantie in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension“ halten; vgl. auch Benda, Bitburger Gespräche, S. 27. 1398 Gutmann in: van den Daele, S. 241 f. 1399 Vgl. Merkel in: Hillenkamp, S. 47; Weschka, S. 237. 1400 Vgl. Nettesheim in: AöR 2005, 71 (107). 1396

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kann als vielmehr ein gemeinschaftliches Interesse am Umgang mit einem menschlichen Organismus an den äußeren Rändern seines Lebens. Menschenwürde wird in dieser Diskussion wohl eher im gattungsbezogenen als im individuellen Sinn verstanden“1401. Ungeachtet der unterschiedlichen Begründungen hat eine Würdeverletzung durch das reproduktive Klonen mittlerweile Evidenzanspruch. Auch das „Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens menschlicher Individuen zum Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin“1402 verbietet ausdrücklich jede Intervention, die auf die Erzeugung eines menschlichen Lebewesens abzielt, das mit einem anderen lebenden oder toten Menschen genetisch identisch ist1403. Vor diesem Hintergrund scheint der Rekurs auf die Menschenwürde als Gattungswürde gerade im Bereich reproduktiver Klonierungstechniken geboten; der universelle Konsens erhält insoweit also rechtliche Bedeutung, als dass diese Rechtsfigur aufgrund eines evidenten Verstoßes anwendbar wird. bb) Angriff auf die Unverfügbarkeit des menschlichen Genoms Ein Verstoß gegen die Gattungswürde wird oftmals mit der Unverfügbarkeit menschlicher Erbanlagen begründet: „Es bleibt der Rekurs auf die Würde des Menschen als Abstraktum ohne Bezug auf eine individuelle Person. (…) Die Würde zeigt sich hier nicht unter dem Aspekt der Freiheit, sondern als Pflicht des Menschen, die Würde seines Geschlechts nicht zu missachten, als Verbot der Selbstentwürdigung des Menschen. Die Würde aber wird verletzt, wenn die Zeugung des Menschen, von der Person seiner Erzeuger abgelöst, zur mechanischen Reproduktion gerät, wie sie in Bereichen der Tierzucht praktiziert wird, wenn das Humangenom nach züchterischen Leitvorstellungen ausgewählt, verändert und vervielfältigt („geklont“) wird. Das gesetzliche Gebot, das menschliche Erbgut nicht anzutasten und die Kontingenz genetischer Kombinationen hinzunehmen, ist Ausdruck der Achtung, welche die Menschen einander und sich selbst schulden: als unverfügbare, einmalige, zu gegenseitiger rechtlicher Anerkennung verpflichtete Geschöpfe. Die Würde des Menschen gebietet prinzipiell die Unantastbarkeit des menschlichen Erbguts“1404. Die Chimären- und Hybrid-Bildung, bei der menschliche Gameten verwendet werden, wird in Deutschland nahezu einhellig abgelehnt1405. Laut Gesetzesmaterialien 1401

Seelmann in: FS Wolff, S. 487. Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen vom 12. 1. 1998, European Treaty Series No. 168; hierzu Herdegen/Spranger in: Herdegen. 1403 Herdegen/Spranger in: Herdegen, Rn. 57. 1404 Isensee in: FS Hollerbach, S. 253, 261 f. 1405 Bereits Benda-Kommission 1985, S. 33 f.; Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines ESchG des Arbeitskreises „Ethische und rechtliche Fragen der Humangenetik“ der Max-PlanckGesellschaft vom 04.02.1987 und der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 09.03.1987; Gröner in: Günther/Keller, S. 293 f. 1402

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zum ESchG soll durch das Verbot die Menschenwürde des Art. 1 I S. 1 GG geschützt werden, die durch die Anwendung derartiger Techniken in besonders schwerer Weise verletzt würde1406. Diese Auffassung wird von weiten Teilen des Schrifttums geteilt1407. Das Europäische Parlament hatte sich in seiner „Entschließung zu den ethischen und rechtlichen Problemen der Genmanipulation“ schon 1989 für ein strafbewehrtes Verbot der Chimären- und Hybrid-Bildung unter Beteiligung menschlicher Embryonen oder Gameten ausgesprochen1408. Bei der Vermischung von menschlichem und tierischem Erbgut werde die Würde der Menschheit ins­ gesamt als Gattung verletzt1409. Ähnliche Bedenken ergeben sich bei der Erzeugung von Mensch-Tier-Mischwesen mittels Transfers eines menschlichen Zellkerns in eine entkernte tierische Eizelle zu reproduktiven Zwecken. Die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden greift die Identität und Unverfälschtheit der Menschheit elementar an. Denn dabei wird nicht nur über den einzelnen Menschen, sondern zugleich über die Evolution verfügt1410. cc) Gefährdung von Eindeutigkeit, Identität und Unverfälschtheit der Gattung Nach fast einhelliger Auffassung verpflichtet das gattungsbezogene Würdekonzept den Staat zur Abwehr von Entwicklungen, welche die Unverwechselbarkeit, Identität und Eindeutigkeit der Spezies Homo Sapiens bedrohen und damit die Möglichkeit jedes Menschen zur Identifikation mit der Gattung, der er an­ gehört1411. Das ist der Fall, wenn geborene Mischwesen eine unklare Artzuweisung aufweisen und deshalb in der Gesellschaft die Frage provozieren, ob sie als gleichberechtigte Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft zu betrachten sind1412. Bei Mensch-Tier-Zybriden ist keine klare Zuordnung zur Spezies Homo Sapiens möglich, sodass sich genau dieses Problem der Auswirkung auf die gesamte Gesellschaft stellt. Kann die Gesellschaft dem Mischwesen keine klare Identität zuschreiben, erschwert dieser Umstand den Umgang mit dem Mischwesen.

1406 Begründung zu § 7 RegEntwESchG, BT-Drs. 11/5460, 12; Begründung zu § 8 DE ESchG, abgedruckt bei Günther/Keller, S. 362; Benda-Kommission 1985, S. 35. 1407 Bernat, S. 265; Deutsch in: MDR 1985, 182 (182); Eser in: Braun/Mieth/Steigleder 1987, S.  145 f.; einschränkend jedoch 1989, S.  265; Gröner in: Günther/Keller, S.  312 f.; Jung in: ZStW 100, 3 (34); Kaufmann in: FS Oehler, S. 667; Starck, 1986, A 46; Zierl in: DRiZ 1986, 161 (166); Zierl in: DRiZ 1986, 310 (310). 1408 Entschließung vom 16.03.1989, abgedruckt in: Europäisches Parlament, S. 17. 1409 Betont wird dieser Aspekt von Laufs, S. 75; Kabinettbericht, BT-Drs. 13/11263, S. 21 („Respekt vor der Schöpfungsordnung“); Gröner in: Günther/Keller, S. 312 f. 1410 Schröder/Taupitz, S. 10 m. w. N. 1411 Vgl. Deutscher Ethikrat 2011, S. 35, 57 f. 1412 Deutscher Ethikrat 2011, S. 61.

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dd) Unvereinbarkeit mit dem Menschenbild des Grundgesetzes Mit der Zybridenforschung wird ein Bereich des „Menschseins“ berührt, der bisher nicht zur Disposition stand1413, und es stellt sich die Frage, ob die Erzeugung eines reproduktiven Klons unter Verwendung tierischer Eizellen mit dem Menschenbild des Grundgesetzes vereinbar ist. Auch wenn kein konkretes In­ dividuum bedroht wird, sind substanzielle Eingriffe in das Menschheitsbild unzulässig1414. Andere Autoren fordern, die Grundlage für das Verbot des Klonens verfassungsrechtlich eindeutig niederzulegen, anstatt mit der Ausweitung des Menschenwürdeschutzes auf den Schutz eines bestimmten Menschenbildes zu arbeiten: „Statt den Klon als Träger der Würde (anzusehen) oder eine freiwillige Mitarbeit des Originals beim Klonieren paternalistisch zu negieren, statt die Menschheit in die aus gutem Grund auf konkrete Individuen oder Gruppen zugeschnittene rechtliche Würde-Garantie hinein zu projizieren, lässt sich das ethisch Gebotene zwangloser in einen Verfassungsauftrag übersetzen“1415. Klärungsbedürftig ist, was genau hinter dem zu schützenden Menschenbild steht. Dreier spricht von einer Verletzung der „konkreten Sozietät“ von Menschen und des „in ihr beständig zu erneuernden Interaktionszusammmenhanges“1416. Im Hinblick auf den Zellkerntransfer geht es um ein Gefährdungsargument, nämlich den Schutz der Menschheit vor der Entstehung geklonten Lebens und der „Manipulation des genetischen Zufallsprinzips“1417 sowie um die Erhaltung des normativen Bildes der Menschheit von sich selbst1418. Durch das reproduktive Klonen werde die „Pflicht zur Achtung der Menschenwürde“ verletzt, weil darin ein „Ausdruck der Nichtanerkennung oder der Missachtung der menschlichen Unvollkommenheit“ erblickt werden könne1419. Beiden Argumenten kommt jedoch kein moralischer Eigenwert zu, wenn Planung und Verbesserung für die einzelnen Individuen vorteilhaft sind1420. 1413

Vgl. hierzu die Diskussion im Rahmen der Humangenetik, insbesondere der Genom- und Genanalyse: Cramer; für das Klonen: Vitzthum in: JZ 1985, 201 (208 m. w. N.); Jonas Technik, Medizin, Ethik, S. 179. 1414 Merkel, S. 40. 1415 Frankenberg in: KJ 2000, 325 (332); Weschka, S.  237: „Angesichts der Wandelbarkeit  des Menschenbildes und des Konzepts der Menschenwürde als Gattungswürde wäre eine solche Vorgehensweise im Sinne von mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu begrüßen“. 1416 Dreier, in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 111.  1417 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262). 1418 Hetz, S. 183; Benda in: APZ 1985, 18 (22, 31). 1419 Witteck/Erich in: MedR 2003, 258 (262); auch Benda in: APZ 1985, 18 (35) rückt das Kriterium der Unvollkommenheit in den Mittelpunkt. 1420 Weschka, S. 222.

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Neben dem Menschenbild in ideeller Bedeutung solle auch die „Erbmasse der Menschheit insgesamt“1421, mithin die Diversität des Genpools, geschützt werden. Weil das reproduktive Klonen nur in zahlenmäßig zu vernachlässigenden Ausnahmefällen eingesetzt würde, verneinen viele eine Gefährdung der Vielfalt des Genpools1422. Des Weiteren wird die Natürlichkeit der Fortpflanzung ins Feld geführt, die unser Menschenbild präge, weil in der Gesellschaft „die Überzeugung vom Wert des Natürlichen“ und „eine emotionale Abwehr gegen tiefere Eingriffe in die Natur oder (in) ihre natürlichen Abläufe“ fest verankert sei1423. „Alte Gefühle der Angst vor der übermächtigen Natur, die zurückschlägt, wenn wir in sie eingreifen“1424, erschienen im Hinblick auf Spätfolgen des reproduktiven Klonens als nicht un­ begründet. Hinzu komme, dass im Bereich der menschlichen Fortpflanzung unmittelbar die Existenzgrundlage des Menschen selbst angegriffen werde1425. Dennoch wurden im Tier- und Pflanzenbereich seit jeher Züchtungen betrieben und die Natürlichkeit nicht zu einem absoluten Eigenwert erhoben1426. In allen Kulturen gibt es Tabus im Hinblick auf die Grundvoraussetzungen der Entstehung menschlichen Lebens, denen der „Status des Unverfügbaren“ zukommt1427. Im Fall der In-vitro-Fertilisation gab es nach der erfolgreichen Etablierung des Verfahrens einen gesellschaftlichen Meinungsumschwung zu verzeichnen1428. Bei gefahrloser und erfolgreicher Anwendung des Verfahrens erscheint es einigen auch beim reproduktiven Klonen nicht ausgeschlossen, dass sich ein ähnlicher Sinneswandel vollzieht1429. Allerdings bestehe ein wesentlicher Unterscheid zwischen In-vitro-Fertilisation und reproduktivem Klonen, da die IvF die natürliche Fortpflanzung nachahmt, während reproduktives Klonen nichts mehr mit dem Vorgang natürlicher Fortpflanzung gemein habe, zumal der geborene Klon nicht von 1421

Neumann in: ARSP 1998, 155 (157). Weschka, S. 231; Wolf, S. 82: „Prudentielle Argumente gegen das Klonen aus der Sicht des Wir oder der Gesellschaft sind schwach, wenn man davon ausgeht, dass das Klonen eine Fortpflanzungsmethode für Ausnahmefälle bleiben wird“. 1423 Wolf, S. 78. 1424 Wolf, S. 78. 1425 Wolf, S. 79. 1426 Weschka, S. 231. 1427 Vgl. Wolf, S. 79: „Aber die Frage bleibt, ob wir diese Scheu hinnehmen müssen, solange sich kein rationaler Kern in ihr entdecken lässt, der argumentativ artikuliert werden kann“; vgl. zur Tabuverletzung auch Hilgendorf in: FS Maurer, S. 1159. 1428 Vgl. auch Teil 4: A. IV. 1 a) aa) (4) zur Behandlung von „IFV-Kindern“ durch die Gesellschaft; Benda in: APZ 1985, 18 (23), der auf die Position der katholischen Kirche verweist: „In zwei päpstlichen Verlautbarungen von 1949 und 1961 wurde die künstliche Befruchtung auch unter Eheleuten abgelehnt, weil sie ihre personale Würde verletze“. Nur zwanzig Jahre später wurde auf einer Tagung der Katholischen Akademie Bayern folgende Stellungnahme ab­gegeben: „Die Qualifikation der homologen Insemination als eines keine Ausnahme zulassenden konkreten Verstoßes gegen das ethische Prinzip der Menschenwürde entbehrt einer stringenten Logik“. 1429 Weschka, S. 232. 1422

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beiden, sondern nur von einem einzelnen Elternteil abstammt1430. Abgesehen von Aspekten des Gesundheitsschutzes, die sich durch eine Perfektionierung des Verfahrens möglicherweise ausschließen ließen, verblieben nur wenige rational begründbare Argumente gegen das Klonen zu Fortpflanzungszwecken1431. So könne das „Natürlichkeitsargument“ nicht absolut gesetzt werden und auch die Andersartigkeit des Klonens, verbunden mit allen daraus folgenden Besonderheiten und Bedenken, könnte für sich allein genommen keine Menschenwürdeverletzung begründen; aufgrund einer Gesamtbetrachtung sei die Ablehnung des reproduktiven Klonens zum Schutz des Menschenbildes aber doch zu rechtfertigen1432. ee) Gesellschaftliche Auswirkungen auf die Anerkennung als Gleiche In einem freiheitlichen Staat ist der Freiheit und Gleichheit der Bürger sowie der wechselseitigen Wahrung der Menschenwürde als Ausdruck des „Vertragsgedankens“ fundamentale Bedeutung beizumessen1433. Einige vertreten die Meinung, die Zulassung des Klonens zu Fortpflanzungszwecken stelle eine zentrale Voraussetzung für den Umgang miteinander als Freie und Gleiche in Frage1434. Dem Menschen, der aus einem Zellkerntransfer hervorgeht, werde nicht nur die Befruchtung mit all ihren Chancen und Risiken vorenthalten, sondern ihm werde auch ein Genom zugewiesen1435, er werde nicht „gezeugt“, sondern „erzeugt“, „gemacht“1436. Eine Genomzuweisung widerspreche dem Grundsatz wechselseitiger Anerkennung als Gleiche1437. Demzufolge würden die „Symmetrie-Bedingungen“, die Grundvoraussetzung der Demokratie sind, in Frage gestellt1438. Der Klon würde seine genetische Ausstattung, die demjenigen eines anderen lebenden oder verstorbenen Menschen entspricht, denjenigen, die sie festgelegt haben, gleichsam „verdanken“, sie ihnen gleichzeitig aber auch zum Vorwurf machen können, sodass eine wesentliche Voraussetzung für die Gleichheit der Menschen unter­einander entfalle1439. Das Klonen zu Fortpflanzungszwecken stelle eine gezielte „Fabrikation“ von Menschen durch künstliche Reproduktion genetischer Individualität dar, was die Orientierungssicherheit über allgemein geteilte und der Verfassung zu 1430

Weschka, S. 232. Weschka, S. 231. 1432 Weschka, S. 232. 1433 Hetz, S. 186; ähnlich Sackowsky, S. 56. 1434 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 48. 1435 Hetz, S. 186. 1436 Hetz, S. 186. 1437 Braun, S.  377; Jonas, Technik, Medizin, Ethik, S.  162 f.; Hilgendorf in: FS Maurer, S. 1151; Sackowsky, S. 56. Braun und Sackowsky begründen dies mit dem Selbstzweck nach Kant, durch das „Herstellen“ verändere sich die Erwartungshaltung, die man dem „Produkt“ gegenüber habe, welches nie Selbstzweck sei. 1438 Sackowsky, S. 58; Habermas, S. VI; Habermas in: DIE ZEIT v. 19.02.1998. 1439 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 49. 1431

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grunde liegende Werte und Überzeugungen und damit die tragenden normativen Grundlagen des politischen Gemeinwesens gefährde1440. Klonen stelle eine „Manipulation des menschlichen Lebens“ dar1441. Der breite Konsens zur Forderung eines Verbots reproduktiven Klonens habe seine Wurzeln auch in Gefühlen der Scham und der Empörung oder dem Schauder vor einem Tun, das als „monströs“ empfunden wird1442. Individualität und Einzigartigkeit der Menschen würden verfallen und Achtlosigkeit und Ignoranz zunehmen, weil man das „einzigartige Phänomen Leben“ nicht mehr zu achten und zu schätzen wüsste1443. Andere behaupten, es gebe keinen Grund, der die Annahme rechtfertige, ein Klon werde von seinen Mitmenschen nicht als frei und gleich akzeptiert. In einer modernen Kultur hänge die Anerkennung als Gleicher nicht von der Biologie des Menschen ab, abgesehen davon, dass die Art der Erzeugung der Mitwelt entweder verborgen bleibt oder erst nach vielen Jahren bekannt wird, wie es auch bei der Offenlegung von Adoptionen häufig zu beobachten sei1444. Es könne darauf vertraut werden, dass eine Gesellschaft mit genetischer Gleichheit gleichermaßen angemessen umzugehen in der Lage ist, wie dies bisher im Bezug auf genetische Vielfalt der Fall war; die soziale Achtung und Wertschätzung werde dem Klon durch Reaktionen der Gesellschaft ebenso wenig entzogen wie seine eigene, in jahrelangen Sozialisationsprozessen aufgebaute Identität nicht durch die Erkenntnis zerstört würde, dass er ein Klon ist1445. ff) „Vertragsgedanke“ und Gattungssolidarität Neben der „grundrechtsähnlichen“ Bedeutung betrifft die Menschenwürdegarantie nach Argumentation vieler auch das Staatsverständnis, sodass Klonen als eine Frage nach der Legitimation von Herrschaft über Menschen zu verstehen sei1446. Menschenwürde in einem staatsrechtlichen Verständnis stehe in der Nähe des „Vertragsgedankens“1447 und sei zugleich „Staatsfundamentierungsnorm“1448 und Staatskonstitutionsprinzip1449. Als solches könne sie auch dahingehend verstanden werden, dass die Voraussetzungen garantiert werden müssen, unter denen überhaupt nur von menschlicher Freiheit im Sinne von Autonomie, der Wurzel aller Menschenrechte, ausgegangen werden kann1450. Da Menschenwürde nur un 1440

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 49. Schmidt ESchG, S. 14. 1442 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 49. 1443 Schmidt ESchG, S. 14. 1444 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 49. 1445 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 49. 1446 Hetz, S. 186. 1447 Hetz, S. 186. 1448 Hofmann in: AöR 1993, 353 (369); Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 43. 1449 BVerfGE 102, 370 (389); Spiekerkötter, S. 94; Geddert-Steinacher, S. 68; Sackowsky, S. 55. 1450 Sackowsky, S. 55. 1441

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ter bestimmten Bedingungen denkbar sei, müssten auch diese Bedingungen unter den Schutz des Art. 1 I S. 1 GG fallen1451. Bezugspunkt dieser „Vorbedingungen“ sei das verfassungsrechtliche Menschenbild als eine Art Grundrechtsvoraussetzung, auf welche die Menschenwürdegarantie ausstrahle, und stelle somit in einem staatsrechtlichen Verständnis einen eigenen Wert dar1452. Die gezielte Erzeugung von Menschen unter Vorenthaltung der Befruchtung könne aufgrund der innewohnenden Machtanmaßung ein grundsätzliches Klonverbot begründen1453. gg) Auflösung von Verwandtschafts- und Generationenverhältnissen Bislang selbstverständliche Verwandtschafts- und Generationsverhältnisse könnten, so befürchten Kritiker, durch das reproduktive Klonen aufgelöst werden, weil das nach dem Vater geklonte Kind gleichzeitig dessen genetischer Zwilling und ein Halbgeschwister und Onkel früherer Kinder wäre1454. Eine Frau, die den Klon ihrer eigenen Mutter austrägt, wird physiologisch betrachtet Mutter des Zwillings ihrer Mutter, also ihrer Tante1455. Das Kind hat nur einen genetischen Elternteil, der noch nicht einmal mit der biologischen Mutter und den sozialen Eltern genetisch verwandt sein muss.  Demzufolge würden Beziehungen mit zentraler Bedeutung für die soziale Identifikation unklar1456. Die Zulassung des reproduktiven Klonens als therapeutischer Maßnahme im Bereich der Fortpflanzungsmedizin bei Sterilität der Eltern eröffne den Weg zu einer neuen Form menschlicher Reproduktion1457. Die Auswirkungen auf eine Fortpflanzung ohne Sexualität und Zärtlichkeit ließen eine zukünftige Welt, in der die Bedeutung von Familie und Ehe in Frage gestellt wird, befremdlich erscheinen1458. Das „Recht auf Elternschaft“ sei weder ein ab­ solutes Recht noch ein Recht auf jedes Kind, vor allem stelle es kein Recht auf jedes Opfer der Allgemeinheit dar1459. Die Würde der gesamten menschlichen Gattung und der ihr eigenen Art der natürlichen Reproduktion müsse unbedingt respektiert werden1460. Vor diesem Hintergrund sei aufgrund der nicht absehbaren Folgen der Technik für die menschliche Gesellschaft die Einführung des reproduk­ tiven Klonens als verantwortungslos und unvertretbar einzustufen1461. Ein Verstoß gegen den überindividuellen Sinn des Art. 1 I S. 1 GG liege darin, dass das Fortpflanzungsklonen die im menschlichen Selbstverständnis verankerte Vorstellung davon, wie Menschen entstehen sollen, verletze und damit zur Auflösung bislang 1451

Sackowsky, S. 56. Hetz, S. 187. 1453 Hetz, S. 187. 1454 Haniel in: Korff/Beck/Mikat, S. 405; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 50. 1455 Haniel in: Korff/Beck/Mikat, S. 405; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 50. 1456 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 223, 234; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 50. 1457 Vgl. Berger, S. 76. 1458 Mieth in: Hello Dolly?, S. 161 f. 1459 Mieth in: Tinneberg, S. 18. 1460 DFG-Stellungnahme in: Hello Dolly?, S. 236; Braun, S. 70; Braun in: KJ 2000, 332 (337). 1461 Berger, S. 76. 1452

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selbstverständlicher Verwandtschafts- und Generationsverhältnisse führe, was soziale Beziehungen mit fundamentaler Bedeutung für die eigene Identifikation gefährde1462. Auf dieses Argument wird von Kritikern erwidert, dass die Bedeutung genetischer Faktoren für das Familienverständnis überbewertet und Verwandtschaftsbeziehungen auch in anderen Fällen wie der Adoption oder Samenspende unabhängig von biologischer Abstammung definiert würden1463. Wird bei der reproduktiven Klonierung eine tierische Eizelle verwendet, hätte das erzeugte Kind ein genetisches Elternteil, das Mensch ist, und ein tierisches „Elternteil“. Somit wäre die Auflösung traditioneller Familienvorstellungen offensichtlich. hh) Wegebnung für Eugenik und Menschenzüchtung Große Befürchtung ist, dass das Klonen zu reproduktiven Zwecken Menschenzüchtungen und Eugenik Tür und Tor öffne. Eugenik oder Eugenetik1464 bezeichnet die Anwendung wissenschaftlicher Konzepte auf die Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik mit dem Ziel, den Anteil positiv bewerteter Erbanlagen zu vergrößern (positive Eugenik) und den Anteil negativ bewerteter zu verringern (negative Eugenik)1465. Reproduktives Klonen kann in weit höherem Maße als die natürliche Zeugung oder Techniken der assistierten Fortpflanzung wie Präimplantationsdiagnostik oder die Auswahl von Samenspendern eine Auswahl oder jedenfalls den Versuch einer Auswahl künftiger Menschen nach Kriterien ermöglichen, die sich aus seinen Genom ergeben1466. Es könnte dazu eingesetzt werden, Menschen mit gewünschten genetischen Eigenschaften durch Kopie eines vorhandenen Genoms mit diesen Eigenschaften „herzustellen“1467. Das Klonen wäre eine „Züchtung des leidensfreien Menschen“1468 und damit ein Mittel eugenischer Menschenzüchtung. Zudem wird die Gefahr von Überbevölkerung befürchtet, welche automatisch das natürliche Gleichgewicht ändern und möglicherweise sogar zerstören würde1469. Denkbar ist, dass neben der Entscheidung einzelner Spender zur Reproduktion der eigenen Erbinformation eines Tages Klontechniken mit einer gezielten gentechnischen Optimierung der individuellen genetischen Ausstattung verbunden werden, zumal die Möglichkeit der Anhäufung erwünschter Eigenschaften durch genetische Veränderung in Verbindung mit Klonen durch Zellkerntransfer in Tier­versuchen bereits gezeigt wurde1470. So gibt es Befürchtungen, dass die zur Behandlung von Unfruchtbarkeit zugelassenen Klontechniken später auch zur 1462

Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 50. Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 50. 1464 Von griechisch eu = „gut“ oder genos = „Geschlecht“. 1465 Vgl. hierzu Currel/Cogdell, S. 517. 1466 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 50. 1467 National Bioethics Advisory, S. 78; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 50. 1468 Schmidt ESchG, S. 14. 1469 Schmidt ESchG, S. 14. 1470 Vgl. Teil 2: B. IV.; Nationaler Ethikrat, Klonen 2004, S. 51. 1463

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

417

Vermeidung von Nachwuchs mit erblich bedingten Krankheiten eingesetzt würden. Eine solche Praxis bedeute nicht nur eine mit der Menschenwürde unvereinbare Instrumentalisierung des Klons selbst1471, sondern ein bewusstes Züchten von Menschen, bei dem zwischen minderwertigem und höherwertigem Leben unterschieden würde, nämlich dem des Züchters und dem des Gezüchteten1472. Einige Stimmen meinen, die technische Entwicklung zur gezielten Menschenzüchtung habe bereits begonnen: Künstliche Befruchtung, Samen- und Eizellspende, aber auch historisch noch ältere eugenische Maßnahmen wie Heiratspolitik, Zwangssterilisation etc. seien bereits der Anfang des Dammbruchs1473. Durch die Anwendung der künstlichen Befruchtung würden sich die moralischen Wertungen verschieben, denn regelmäßig implizierten sie die bewusste und gezielte Selektion von Embryonen, was bei einer natürlichen Befruchtung nicht der Fall sei1474. Anders als das Klonen sei die IVF jedoch nicht „historisch neu“, sondern basiere auf traditionellen eugenischen Ideen bzw. Steigerungsversuchen der Fruchtbarkeit, welche bereits biblisch bezeugt sind1475. Gegner wenden ein, dass das Klonen sich erst zu einer standardisierten Fortpflanzungsmethode etablieren müsste, bevor ein Missbrauch im Sinne positiver Eugenik überhaupt möglich sei. Da die Erzeugung von Klonen lediglich in begründeten Ausnahmefällen durchgeführt werden solle, wäre Missbrauch nicht zu befürchten1476. Nach zutreffender Auffassung des Deutschen Ethikrates relativiert der Hinweis, dass diese Ausnahmeerscheinung bleiben, die Argumente gegen reproduktives Klonen aber nicht1477. Zu berücksichtigen ist zwar, dass bereits andere und besser geeignete Möglich­ keiten existieren, besondere genetische Eigenschaften zu isolieren, weshalb der Zellkerntransfer in der weiteren Evolution nicht unbedingt als das geeignetste Verfahren zur Verfolgung dieses Ziels angesehen werden kann. Die Methode stellt aber zumindest einen möglichen Einstieg dar1478. Werden tierische Eizellen verwendet, besteht die Gefahr, dass tierische Eigenschaften bewusst in die Menschheit „hineingezüchtet“ werden. 6. Unkalkulierbarkeit der Risiken Ob es möglich ist, eine aus Art. 1 I GG herzuleitende „Menschheitswürde“ zu verletzen, erscheint vielen fraglich1479. Deshalb ist es weniger angreifbar, zur Rechtfertigung eines Verbots reproduktiver Klonierung auf die fehlende Beherrschbar 1471

Hillebrand/Lanzerath, S. 30. Schmidt ESchG, S. 14. 1473 Ohly in: Dabrock/Ried,, S. 244. 1474 Ohly in: Dabrock/Ried,, S. 244. 1475 Ohly, S. 247. 1476 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 51. 1477 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 51. 1478 National Bioethics Advisory, S. 78. 1479 Allg. hierzu Müller-Terpitz, Schutz des pränatalen Lebens, S. 328 ff. 1472

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

keit solcher Techniken und die hieraus erwachsenden Risiken für die betroffenen Individuen zu rekurrieren1480. Schließlich lassen sich weder die gesellschaftlichen noch die den Klon selbst betreffenden spezifischen Folgen vom gegenwärtigen Zeitpunkt vorhersagen, sodass sich das reproduktive Klonen aufgrund der nicht absehbaren Sozialschädlichkeit verbietet1481. In einer Mensch-Tier-Zybrid-Bildung zu reproduktiven Zwecken liegt strafwürdiges Unrecht, weil es sich mangels beherrschbarer Technik um ein „jeder Chancen-Risiken-Abwägung widerstreitendes Humanexperiment“ handelt1482. Bis zur Perfektionierung der Technik müsste eine Vielzahl solcher Versuche durchgeführt werden, die sowohl den Klon in seiner gesamten Entwicklung als auch die austragende Mutter betreffen1483. Die Risiken dieser Experimente sind kaum einschätzbar und die „billigende Inkaufnahme der Zerstörung menschlichen Lebens“ begründet eine Missachtung des Lebens1484. Auch nicht vorhersehbare Spätfolgen für den Klon fallen an dieser Stelle ins Gewicht. Hinzu kommt, dass bei dem klinischen Versuch der Erzeugung eines klonierten Mischwesens auch wissenschaftlicher Ehrgeiz und die „ungebremste Sucht nach Forschungsruhm“ im Vordergrund stehen können1485. Das durch die Menschenwürde als Gattungswürde geschützte Verständnis vom Menschen als selbstbestimmte, frei und eigenverantwortlich handelnde Person wird durch die Geburt von Klonen beeinträchtigt, die aufgrund der nicht ausgereiften Technik mit erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und körperlichen sowie geistigen Behinderungen rechnen müssen und ihre Autonomie daher nicht voll ausüben­ können1486. Selbst wenn eines Tages Klontechniken zur Verfügung stehen sollten, die keine unzumutbaren Risiken beinhalten, lässt sich eine Forschungsphase mit nicht zu verantwortenden Menschenversuchen nicht umgehen1487. Demzufolge stellt reproduktives Klonen eine inakzeptable und ungerechtfertigte Instrumentalisierung menschlichen Lebens dar und widerspricht Art.  1 I S.  1 GG1488. Ein ausnahmsloses Verbot des Fortpflanzungsklonens ist staatliche Schutzverpflichtung1489.

1480

Vgl. Günther in: Günther/Taupitz/Kaiser, Rn. 6 f. So auch Berger, S. 201. 1482 Taupitz in: Günther/Taupitz/Kaiser, § 7 Rn. 7; Berger, S. 201. 1483 Berger, S. 30, 42. 1484 Berger, S. 201. 1485 Berger, S. 201. 1486 Weschka, S. 404. 1487 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 41. 1488 Berger, S. 201; im Ergebnis auch Kunig in: Münch/Kunig, Art. 1 I, Rn. 105; Podlech in: AK GG, Art. 1 I, Rn. 53 a; Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I, Rn. 105; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu-Klein, Art. 1 I, Rn. 36; Häberle in: Isensee/Kirchhof, HbStR II, § 22, Rn. 92; Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 22; Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, En. 98; wohl auch Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 110; Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 1 I, Rn. 15 a; Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 39 f. 1489 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 41. 1481

A. Begründung staatlicher Schutzpflichten 

419

a) Ergebnis Die Geburt eines Mensch-Tier-Zybriden würde die Identität und Unverfälschtheit der Gattung Homo Sapiens gefährden und aufgrund seiner nicht möglichen Art­zuordnung die Eindeutigkeit der Gattung bedrohen. Das Mischwesen wäre von unklarer Herkunft und Identität, zudem würde, gewissermaßen nachträglich, in die Evolution eingegriffen. All dies widerspricht dem grundgesetzlich festgeschriebenen Menschenbild. Weiterhin würden das Verwandtschafts- und Generationenverhältnis und damit auch die Anerkennung als Gleiche in Frage gestellt, sodass auch die gesellschaftlichen Auswirkungen immens wären. Hinzu kommt, dass die Anwendung der Klonierungstechnik zu reproduktiven Zwecken möglicherweise den Weg in Richtung Menschenzüchtung und positiver Eugenik ebnen würde. Werden tierische Eizellen verwendet, ändert dies womöglich Eigenschaften und Fähigkeiten der geborenen Menschen. Zu befürchten wäre etwa die „Züchtung“ besonders schlagkräftiger Armeen zu kriegerischen Zwecken. Schließlich sind die Risiken, einen Mensch-Tier-Zybriden austragen zu lassen, weder für das Wesen selbst noch für die austragende Frau noch für die Menschheit insgesamt und zukünftige Generationen abschätzbar. Festzuhalten ist, dass die Übertragung eines Mensch-Tier-Zybriden in die Gebärmutter einer Frau, eines Tieres oder in einen künstlichen Uterus zum Zwecke der Austragung bzw. Ausreifung die Menschenwürde in überindividuellem Sinn, die menschliche Gattungswürde, verletzen würde, sodass es dem Grunde nach zu einer Aktivierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 1 I S. 1 GG kommt. 7. Gesamtergebnis zur Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Individuelle Grundrechte der geborenen Mischwesen oder der austragenden Frauen oder Tiere werden nicht gefährdet. Das Klonen zu reproduktiven Zwecken unter Verwendung tierischer Eizellen begründet jedoch einen Verstoß gegen Art. 1 I S. 1 GG in überindividuellem Sinne. Somit besteht dem Grunde nach eine staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gattungswürde aus Art. 1 I S. 1 GG.

V. Ergebnis zum Bestehen staatlicher Schutzpflichten Damit lässt sich insgesamt Folgendes feststellen: 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zu Forschungs- und Therapiezwecken Die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden löst, für sich allein betrachtet, keine staatlichen Schutzpflichten aus, weder für die menschlichen Körperzellspender aus Art. 2 II S. 1 GG, weil diese wirksam in die Verwendung ihrer Zellen einwil­

420

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

ligen können, noch zugunsten der für die Eizellengewinnung heran­gezogenen Tiere, weil Art. 20a GG aufgrund der anthropozentrischen Ausrichtung des Grundgesetzes nicht das einzelne, individuelle Tier schützt. Weiterhin wird nicht gegen Individualrechtsgüter der Mensch-Tier-Zybride aus Art. 2 II S. 1 GG durch ihre Herstellung verstoßen: Eine Vorwirkung von Grundrechten muss abgelehnt werden, weil erstens gar kein Grundrechtsträger geboren werden soll und zweitens ein „Recht auf Nichtentstehen“ paradox erscheint, da es sich gegen seinen eigenen Träger richten würde. Schließlich wird die in Art. 1 I S. 1 verbürgte Gattungswürde nicht verletzt. Bezieht man allerdings den von vornherein beabsichtigten Verwendungszweck im Wege einer Gesamtbetrachtung als einheitlichen Geschehensablauf mit ein, so führt die Zerstörung der Mensch-Tier-Zybriden zu einer grundsätzlichen Aktivierung der staatlichen Schutzpflicht zugunsten dieser Entitäten aus Art. 2 II S. 1 GG: Durch die Tötung bei der Stammzellentnahme werden sie in ihrem Lebensrecht verletzt. Die Anwendung stammzellbasierter Therapien aus Mensch-Tier-Zybriden birgt zum derzeitigen Stand der Wissenschaft (noch) erhebliche medizinische Risiken, sodass in das Grundrecht der Patienten als Empfänger der Zellen und Gewebe auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II S. 1 GG eingegriffen würde. Diese können in die Behandlung jedoch entsprechend den allgemeinen medizinrechtlichen Grundsätzen einwilligen, da es sich bei der körperlichen Unversehrtheit um ein disponibles Rechtsgut handelt. Somit wird unter diesem Aspekt keine staatliche Schutzpflicht ausgelöst. 2. Import von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden Es bestehen keinerlei staatliche Schutzpflichten, die auf ein Importverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden aus dem Ausland hinauslaufen. Den Staat trifft keine Schutzpflicht zugunsten ausländischer Mensch-Tier-Zybriden oder für die Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft aus Zybrid-Embryonen. 3. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Die Implantation eines Mensch-Tier-Zybriden in einen weiblichen Uterus gefährdet keine Grundrechte des Klons selbst, weil dieser zum Zeitpunkt seiner Herstellung noch gar nicht existiert. Auch der Zellkernspender wird nicht in seinen Grundrechten beeinträchtigt, weil er wirksam in die Verwendung seiner Zellen und die Herstellung einer „genetischen Kopie“ seiner selbst einwilligen kann. Die entsprechende Dispositionsbefugnis steht ihm zu. Für die austragenden Frauen besteht zwar ein hohes gesundheitliches Risiko durch die Schwangerschaft mit einem geklonten Mensch-Tier-Zybriden, sie können jedoch ebenfalls wirksam in eine Gefährdung ihres Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art.  2 II S.  1 GG einwilligen. Damit wird eine Grundrechtsverletzung ausgeschlossen, sodass keine staatliche Schutzpflicht zu ihren Gunsten aktiviert wird.

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

421

Allerdings ist eine staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gattungswürde (Art. 1 I GG) aufgrund der Gefährdung der Eindeutigkeit und Unverfälschtheit der Gattung Homo Sapiens und des grundgesetzlichen Menschenbildes sowie­ wegen der unkalkulierbaren Risiken der Technik grundsätzlich begründbar.

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten Es stellt sich die Frage, wie der Staat seinen verfassungsrechtlichen Schutzpflichten nachkommen muss. Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gründet die Schutzpflicht gegenüber ungeborenem Leben auf Art. 1 I GG und schwenkt beim Umfang des gebotenen Schutzes – wenig konsequent – auf Art. 2 II S. 1 GG als Maßstabsnorm um1490. So hat das Gericht bei seiner Urteilsfindung zu Fragen des Schwangerschaftsabbruchs dargelegt, dass ein schonender Ausgleich zwischen dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter erfolgen müsse1491. Insbesondere stellt sich das Problem des weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers: Der Staat schuldet keinen Maximalschutz, sondern nur einen hinreichenden Schutz, wobei das Untermaßverbot die Grenze bildet1492. Im Umwelt- und Technikrecht, wie etwa auch der Gentechnik, genüge oftmals Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren1493. Insbesondere zwischen Verbot und Duldung privaten Handelns, das sich „im Umfeld von Menschenrechtsverletzungen“ bewegt, besteht Raum für politische Dezision1494. Ein Zwang zu gesetzlicher Ächtung würde die Abwägungsoffenheit der (Vor-)Wirkungen des Menschenrechtsschutzes verkennen. Je weiter privates Handeln von der direkten Menschenrechtsverletzung durch Dritte entfernt ist, desto mehr weitet sich das Feld der Abwägung unter Einschluss politischer Opportunität1495. So ist der Gesetzgeber beispielsweise beim Import von Zellmaterial, das im Ausland durch einen die Menschenwürde verletzenden Embryonenverbrauch gewonnen worden ist, im Lichte von Art. 1 I S. 2 GG – vorbehaltlich der Abwägung mit kollidierenden Grundrechten  – im Hinblick auf den Erlass eines Verbotsgesetzes oder den Verzicht darauf frei1496. Dieser Gestaltungsspielraum gilt besonders für den Schutz von „Randzonen der Menschenwürde“ wie dem pränatalen und dem postmortalen Persönlichkeitsschutz1497. Aus einer Schutzpflicht des Staates lässt sich keine konkrete Pflicht des Gesetzgebers zum Erlass entsprechender Normen herleiten1498. Nur im äußersten Fall, 1490

BVerfGE 88, 203 (252); Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 78, 95. BVerfGE 39, 1; 88, 203. 1492 BVerfGE 88, 203 (254). 1493 Vgl. BVerfGE 53, 30 (65). 1494 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 80. 1495 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 80. 1496 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 80. 1497 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 80. 1498 Murswiek in: WiVerw 1986, 179 (193). 1491

422

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

wenn der von der Verfassung gebotene Schutz auf keine andere Weise erreicht werden kann, ist der Gesetzgeber verpflichtet, zur Sicherung des Schutzgutes Mittel des Strafrechts einzusetzen1499. Die Bestimmung der staatlichen Schutzpflicht erfolgt fallbezogen mittels Abwägung nach Art und Schwere der Grundrechtsverletzung oder -gefährdung, dem Grad der Wahrscheinlichkeit der Grundrechts­ beeinträchtigung1500, Existenz, Art und Wirkung bereits bestehender Regelungen sowie entgegenstehender Grundrechte Dritter1501.

I. Art und Schwere der Grundrechtsgefährdungen 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Im Zusammenhang mit Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden trifft den Staat eine Schutzverpflichtung aufgrund einer Gefährdung des Lebensrechts des Mensch-Tier-Zybriden aus Art. 2 II S. 1 GG. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit weist eine enge Verbindung zur Menschenwürde des Art. 1 I S. 1 GG auf. Dies kommt in Art. 104 I S. 2 GG zum Ausdruck, der besagt, dass festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden dürfen1502. Leben und körperliche Unversehrtheit genießen hohen Verfassungsrang, zumal eine extreme und irreversible Beeinträchtigung droht. 2. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Im Hinblick auf die Implantation von Mensch-Tier-Zybriden besteht eine Gefährdung der menschlichen Gattungswürde aus Art. 1 I GG, welcher den fundamentalen Höchstwert der Verfassung bildet.

II. Grad der Wahrscheinlichkeit der Grundrechtsgefährdungen 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Des Weiteren ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Grundrechtsgefährdungen abzuschätzen. Werden Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung verwendet, ist ihre Tötung sicher.

1499

BVerfGE 39, 1 (1). BVerfGE 48, 89 (142). 1501 BVerfGE 88, 203 (254). 1502 Pieroth in: Pieroth/Schlink, Rn. 361, 366, 391. 1500

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

423

2. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Mit der Implantation eines Mensch-Tier-Zybriden in einen weiblichen Uterus und erst recht mit der Geburt eines solchen Mischwesens würde sich die Verletzung der menschlichen Gattungswürde manifestieren. Allerdings ist aus biomedizinischer Sicht schon die Nidationsfähigkeit eines Mensch-Tier-Zybriden höchst zweifelhaft. Die Geburt eines solchen Wesens wird für nahezu unmöglich gehalten.

III. Existenz, Art und Wirkung bestehender rechtlicher Regelungen Zu berücksichtigen sind zudem Existenz, Art und Wirkung bestehender einfachgesetzlicher Regelungen. 1. Vorschriften zum Schutz von Mensch-Tier-Zybriden Das ESchG erweist sich im Hinblick auf Mensch-Tier-Zybriden als lückenhaft und verbietet weder die Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybiden zur Stammzellengewinnung noch deren Implantation in einen menschlichen, tierischen oder künstlichen Uterus1503. Auch in anderen einfachen Gesetzen lassen sich keine entsprechenden Verbote finden. Der Gesetzgeber ist mit dem Embryonenschutzgesetz auf dem Gebiet der Biomedizin und des Zellkerntransfers zwar prinzipiell tätig geworden, jedoch hat er keine Bestimmungen erlassen, die ausdrücklich die Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden reglementieren. Aufgrund des strafrechtlichen Analogieverbots lassen sich diese Lücken nicht im Wege der Rechtsanwendung schließen. Zugunsten der Mensch-Tier-Zybriden hat der Gesetzgeber keinen Schutzbeitrag geleistet und keine Abwägungsentscheidungen getroffen. Allerdings wird im Ausland die Technik des Transfers menschlicher Körperzellkerne in entkernte tierische Eizellen bereits durchgeführt. Damit besteht eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zum Tätigwerden des Gesetzgebers. 2. Implantationsverbote als Vorschriften zum Schutz der Menschheit Die Transfer- und Implantationsverbote des ESchG sind nicht einschlägig für Mensch-Tier-Zybriden1504. Deren Transfer in eine Gebärmutter wäre nach geltender Rechtslage erlaubt. Auch im Hinblick darauf hat der Staat folglich keinerlei 1503

Vgl. Teil 3: IV., VI., VIII. Vgl. Teil 3: VII., VIII.

1504

424

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Schutzvorkehrungen getroffen. Der Staat müsste jedoch seiner Schutzpflicht für die Menschheit als Ganzes  – die menschliche Gattung  – nachkommen, sodass auch diesbezüglich gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

IV. Entgegenstehende Grundrechte Dritter Bei der Abwägungsentscheidung muss der Gesetzgeber die kollidierenden Rechtsgüter und widerstreitenden Interessen zu einem schonenden Ausgleich bringen. Zu berücksichtigen sind Grundrechte Dritter, die dem staatlichen Handeln Grenzen setzen und ein ausnahmsloses gesetzliches Verbot der Herstellung, Verwendung oder der Implantation von Mensch-Tier-Zybriden möglicherweise verfassungsrechtlich unzulässig machen. 1. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Gesetzliche Beschränkungen der Herstellung und Verwendung von MenschTier-Zybriden zur Stammzellengewinnung greifen möglicherweise in die grundgesetzlich geschützten Rechte von Wissenschaftlern und Forschern sowie zukünftig von Ärzten ein. Daneben könnten die Rechte derjenigen beeinträchtigt werden, die sich an der Zybridenforschung als Körperzellspender beteiligen möchten. Darüber hinaus könnte eine gesetzliche Regelung heutige und zukünftige Patienten tangieren, die ihre Hoffnungen auf die Stammzellforschung und Stammzell­ therapien setzen. a) Rechte von Wissenschaftlern, Forschern und Ärzten Startpunkt der verfassungsrechtlichen Bewertung einer Regelung, welche die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden, die Forschung an ihnen und ihre Verwendung zur Stammzellengewinnung reglementiert, ist die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III S. 1 GG. Schließlich sind Adressaten einer solchen Reglementierung die Forscher, weil ihre Tätigkeit beschränkend geregelt wird1505. aa) Wissenschafts- und Forschungsfreiheit (Art. 5 III S. 1 GG) Diese Prüfungsabfolge korreliert mit der allgemeinen Freiheitsvermutung der deutschen Rechtsordnung, in der alles erlaubt ist, was nicht hinreichend deutlich durch einen legitimierten Gesetzgeber verboten wurde1506. Dies ist deshalb von 1505

Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 23. Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 23.

1506

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

425

so großer Bedeutung, weil damit die Begründungslast verteilt wird: Nicht die Freiheit gilt es argumentativ zu legitimieren, sondern das Verbot oder die Einschränkung von Wissenschaft und Forschung. Oder anders ausgedrückt: Nicht die Wege und Ziele der Forschung müssen begründet werden, sondern die Unerlaubtheit; nicht die Wissenschaft muss ihr Tun oder Unterlassen rechtfertigen, sondern die Rechtsordnung hat darzulegen, wieso das, was die Wissenschaft tut oder tun will, oder das, was sie gerade nicht tut oder tun will, im konkreten Fall nicht legitim ist1507. Die Verfassung spricht der Wissenschaftsfreiheit einen sehr hohen Stellenwert zu: Anders als andere Grundrechte wie sogar das Recht auf Leben untersteht Art. 5 III S. 1 GG keinem Gesetzesvorbehalt und ist damit nicht nur nach Maßgabe der einfachen Gesetze gewährleistet. Dem Wortlaut nach wird sie vielmehr schrankenlos und uneinschränkbar garantiert. Dies beinhaltet einen großen Vertrauensvorschuss, den der Verfassungsrechtsgeber der Wissenschaft damit zugesteht1508. Bemerkenswerterweise hat sich der Gesetzgeber zu diesem Schritt zu einem Zeitpunkt entschlossen, an dem die Periode des Nationalsozialismus erst kurz zurücklag, in welcher ungeheure Schandtaten im Namen der Wissenschaft begangen und diese als Alibi für menschenverachtende Verbrechen missbraucht worden waren. Und dennoch hat der Gesetzgeber aus dem ihm bekannten Missbrauch nicht die Konsequenz gezogen, die Wissenschaft per se einzuschränken oder jedenfalls misstrauisch zu kontrollieren. Sie muss ihren Nutzen für die Gesellschaft nicht im Rahmen einer „argumentativen Bringschuld“1509 beweisen, sondern stattdessen wird die Wissenschaft um ihrer selbst willen unter das Primat der Freiheit gestellt1510. Das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht, dass die Wissenschaftsfreiheit auf dem Grundgedanken beruht, dass es für Staat und Gesellschaft am besten ist, wenn die Wissenschaft gesellschaftlich und politisch unbeeinflusst ist1511. Denn sie kann nur in Unabhängigkeit von äußerer Lenkung und Beschränkung der Erkenntnissuche existieren1512, sofern man sie richtigerweise als Erkenntnis gewinnendes, autonom Fehler korrigierendes System versteht, dem die Gesamtheit des kritisch geprüften anerkannten Wissens der Menschheit zugehörig ist1513. Die Unabhängigkeit der Wissenschaft bildet die Garantie dafür, dass Wissenschaft als System überhaupt funktioniert. Erkenntnis wächst nämlich nicht nur durch neue Entdeckungen, sondern auch durch die Korrektur unrichtiger Ansichten1514. Sie lebt demzufolge vom begründungspflichtigen Widerspruch1515, was unabdingbar die Freiheit der Kommunikation der Wissenschaftler und Forscher 1507

Ipsen in: JZ 2001, 989 (995). Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 24. 1509 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 24. 1510 BVerfGE 90, 1 8119. 1511 BVerfGE 47, 327 (369). 1512 Markel in: Wissenschaftsgeschichte, S. 105. 1513 Vgl hierzu auch BVerfGE 35, 79 (113) sowie Pernice in: Dreier, Art. 5 III, Rn. 20. 1514 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 25. 1515 Markel in: Wissenschaftsgeschichte, S. 108. 1508

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

untereinander sowie mit der kritischen Öffentlichkeit voraussetzt1516. Die Wissenschaftsfreiheit garantiert damit ein Freiheitsrecht von fundamentaler Bedeutung für die Gesellschaft1517. (1) Schutzbereich Ein gesetzliches Verbot der Herstellung, Verwendung und Implantation von Mensch-Tier-Zybriden würde möglicherweise in den Schutzbereich des Art. 5 III S. 1 GG eingreifen. (a) Persönlicher Schutzbereich Träger der Forschungsfreiheit ist jeder, der eigenverantwortlich im Bereich der Forschung tätig ist oder werden will1518. Art. 5 III S. 1 GG beinhaltet sowohl ein individuelles Freiheitsrecht für Personen, die im Wissenschaftsbereich tätig sind, als auch eine institutionelle Garantie1519. Gemäß Art. 19 III GG sind neben natürlichen Personen auch inländische juristische Personen des Privatrechts Träger von Grundrechten sowie ausnahmsweise juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie dem durch das jeweilige Grundrecht geschützten Lebensbereich zuzuordnen sind. Das Bundesverfassungsgericht statuiert, dass die Forschungsfreiheit jedem und damit nicht nur Hochschulen und Fakultäten zusteht1520, sondern auch öffentlich-rechtlichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen1521. Zum Teil wird einschränkend gefordert, dass juristische Personen nur dann erfasst seien, wenn durch sie die wissenschaftliche Tätigkeit der sie konstituierenden Personen ermöglicht oder effektiviert werde und die organisatorische Form korporativ für den einzelnen Forscher oder im Außenverhältnis einen wissenschaftlichen Mehrwert biete1522. Für die Bestimmung des Schutzumfanges kann es jedoch keine Rolle spielen, von wem die Forschung durchgeführt wird. Zu unterscheiden ist dies von der Frage, ob gewisse Forschungseinrichtungen aus dem Schutz herausfallen, weil möglicherweise so hohe Anforderungen an die Ausübung der Forschung gestellt werden müssen, dass daraus eine gewisse Auslese an Forschungseinrichtungen resultiert1523. Dies stellt jedoch keine Einschränkung der Forschungsfreiheit in personeller Hinsicht dar, sondern dient der Sicherstellung eines hohen Forschungs 1516

Pernice in: Dreier GG, Art. 5 III, Rn. 16. Bethge in: Sachs GG, Art. 5, Rn. 200. 1518 BVerfGE 35, 79 (125, 127); 90, 1 (11); BVerwGE 102, 304 (307). 1519 Bethge in: Sachs GG, Art. 5, Rn. 200. 1520 BVerfGE 15, 256 (263); 35, 79 (112); vgl. auch Pernice in: Dreier GG, Art. 5 III S. 1 GG, Rn. 17. 1521 Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 5 GG, Rn. 408. 1522 Pernice in: Dreier, Art. 5 III, Rn. 35. 1523 Paul, S. 34. 1517

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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standards1524. Demzufolge wirft die Eröffnung des personellen Schutz­bereiches keine grundlegenden Probleme auf. Sowohl einzelne Forscher, die sich der Zybridforschung widmen möchten, als auch entsprechende Institutionen fallen in den persönlichen Schutzbereich der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit. Aufgrund des hohen Zeit- und Sachmittelaufwands wird bei juristischen Personen in der Regel auch das zum Teil  geforderte einschränkende Kriterium des „wissenschaftlichen Mehrwertes durch die Organisationsform“ zu bejahen sein. (b) Sachlicher Schutzbereich Schwieriger gestaltet sich die Bestimmung des sachlichen Schutzbereiches. Die Wissenschaftsfreiheit beinhaltet zwei Aspekte: Einerseits werden die Rechte des einzelnen Wissenschaftlers, andererseits die institutionelle Garantie der Wissenschaft geschützt1525. (aa) Definitionsverbot des Staates? Die Definition von Wissenschaft und Forschung bereitet ähnliche Schwierigkeiten wie die des Begriffs der Kunst. Im Streit um die Definition des Wissenschaftsbegriffs wird die Frage aufgeworfen, ob dem Staat überhaupt die Kompetenz zur Interpretation dieses Begriffs zusteht1526. Teilweise wird diese staatliche Befugnis angezweifelt, ein Definitionsverbot für den Staat angenommen und stattdessen eine Selbstdefinition1527 durch die Wissenschaftler oder eine Drittanerkennung durch bereits etablierte Wissenschaftler1528 gefordert. Diesen Ansätzen stehen jedoch Bedenken entgegen, dass sie den Umfang der Freiheit letztlich diejenigen bestimmen lassen, die die Freiheit ausüben wollen1529. Will der Staat eine Tätigkeit als frei garantieren und schützen, muss er auch selbst definieren, worin genau diese Tätigkeit besteht1530, weshalb objektive Kriterien unverzichtbar sind. (bb) Definition des Bundesverfassungsgerichts Die Forschungsfreiheit schützt in ihrer abwehrrechtlichen Dimension die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe und gewährt dem einzelnen Forscher einen vorbehaltlos geschützten Freiraum1531. Der Schutzbereich des 1524

BVerfGE 35, 79 (122). Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 162. 1526 Paul, S. 35. 1527 Knemeyer, S. 25; Leibfried in: RdJB 1970, 180 (182). 1528 Denninger in: AK GG, Art. 5 III, Rn. 18. 1529 Pernice in: Dreier GG, Art. 5 III S. 1 GG, Rn. 21. 1530 Arndt in: NJW 1966, 25 (28) für den Begriff „Kunst“; vgl. Iliadou, S. 72. 1531 BVerfGE 88, 129 (136) unter Verweis auf BVerfGE 35, 79 (112 f.); 47, 327 (367). 1525

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Grundrechts aus Art. 5 III S. 1 GG wird durch die Begriffe der Wissenschaft, Forschung und Lehre bestimmt, wobei es sich nicht um selbstständig nebeneinanderstehende Gewährleistungen handelt, sondern die Wissenschaft den Oberbegriff für Forschung und Lehre bildet1532. Wissenschaft meint alles, was „nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“1533. Diese offene Formulierung führt zu einem weiten Wissenschaftsverständnis, das durch den Begriff der Forschung präzisiert werden kann1534. Nach dem Bundesverfassungsgericht existiert aber auch keine eindeutige und all­ gemeine Definition für den Begriff der Forschung, die als Maßstab gelten könnte, um eine Tätigkeit exakt einordnen und qualifizieren zu können1535. Unter Forschung müsse man jede „geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodischer, systematischer, nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen“1536, verstehen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um kommerzielle oder nicht-kommerzielle Forschung handelt, sowie unabhängig von der Richtigkeit der Methoden und Ergebnisse, der Stichhaltigkeit der Argumentation und der Beweisführung1537. Als Unterfall der Wissenschaftsfreiheit1538 bezweckt Forschung als „Arbeitsmethode der Wissenschaft“1539 konsequenterweise, gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, wobei „gesichert“ so zu verstehen ist, dass sich die Ergebnisse bei erneuter Überprüfung mit geeigneten Methoden bestätigen und jedenfalls vorläufig auch mit noch so kritischer, methodisch einwandfreier Prüfung nicht widerlegen lassen1540. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand und ein methodisch geordnetes Vorgehen voraus1541. Die Ermittlung der „Wahrheit“ lebt wesentlich davon, dass die schon gewonnenen Erkenntnisse ständig wieder kritisch in Frage gestellt werden1542. Auch Mindermeinungen fallen in den Schutzbereich sowie Forschungsansätze, die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen1543. Insbesondere umfasst die Forschungsfreiheit die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung der Forschungsergebnisse und ihre Verbreitung. Geschützt werden darüber hinaus alle wissenschaftlichen Tätigkeiten, die eigenverantwortlich durchgeführt werden, vor allem die Wahl von Fragestellung und Methode, Vorarbeiten und Materialsammlung, Ermittlungen über den Stand der Forschung sowie Experimentieren, Bewerten und Publizieren der Ergebnisse1544. Forschung ist nicht bereits dann abgeschlossen, wenn Erkenntnisse errungen wurden, sondern liegt auch noch vor bei 1532

BVerfGE 35, 79 (113). BVerfGE 35, 79 (112). 1534 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 163. 1535 BVerfGE 61, 210 (246). 1536 BVerfGE 35, 79 (79). 1537 BVerfGE 90, 1 (13). 1538 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 5, Rn. 122. 1539 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 24. 1540 Markel in: Wissenschaftsgeschichte, S. 100. 1541 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 91. 1542 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 621. 1543 BVerfGE 90, 1 (12). 1544 Pernice in: Dreier GG, Art. 5 III, Rn. 30. 1533

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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der Beobachtung der Anwendung ihrer Erkenntnisse1545 . Andernfalls könnte sie ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, Erkenntnisse immer wieder kritisch zu hinterfragen, um so die Wahrheit zu ermitteln1546. Der Bereich der Forschung wird hingegen verlassen, wenn eine Erkenntnis oder Methode weder optimiert noch revidiert werden muss, sodass „Noch-Forschung“ von „validen Standardmaßnahmen“ abgegrenzt werden muss1547: Die bloße Anwendung bereits bekannter Ergebnisse fällt nicht unter den Forschungsbegriff1548. (cc) Schutzbereichsbegrenzung Auch wenn die Wissenschaftsdefinition des Bundesverfassungsgerichts von der Literatur weitgehend anerkannt wird, nehmen einige Autoren aus verschiedenen Gründen eine Schutzbereichsbegrenzung vor. Damit wird bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten versucht, die „Schrankenproblematik“ bereits durch eine Schutzbereichsbestimmung zu „entschärfen“ und einen „wildwüchsigen Freiheitsgebrauch“ durch eine Präzisierung des Schutzbereichs einzugrenzen1549, sodass bei manchen Betätigungen bereits der sachspezifisch geschützte Schutzbereich der Grundrechte nicht berührt und eine Auseinandersetzung mit den „Schranken“ obsolet wird1550. Der Schutzbereich bildet nach dieser engen Auffassung die „konstitutive Anerkennung eines eigengeprägten, im Rahmen der Rechtsordnung zu schützenden und frei zu belassenden Komplexes sachlicher Gegebenheit und menschlichen Tuns kraft Rechts“1551. Aus einer Strukturanalyse des Normbereichs ergebe sich der jeweilige Inhalt des sachgeprägten Geltungsbereichs1552. (α) Kein Schutz der Forschungsmittelbeschaffung Eine Möglichkeit, den Schutzbereich zu beschränken, besteht in der Ausgrenzung der Beschaffung der zur Forschung erforderlichen Mittel1553. Art. 5 III S.  1 GG schütze demnach primär die Freiheit der Auswahl der Fragestellung eines Forschungsprojektes. Die Mittel zur Versuchsdurchführung hingegen müssten im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung beschafft werden, weil Art. 5 III S. 1 GG in dieser Hinsicht keine Privilegierung der Wissenschaftler enthalte1554. 1545

Wendt in: Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 100. Middel, S. 76. 1547 Schmidt, S. 168. 1548 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 5, Rn. 122. 1549 Pieroth/Schlink, Rn. 365. 1550 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 162. 1551 Müller, S. 41. 1552 Müller, S. 71 f. 1553 Wahl in: Breuer, S. 7–36. 1554 Wahl in: Breuer, S. 34. 1546

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Dies sei nur dann anders zu beurteilen, wenn die Rechtsordnung ein Rechtsgut, das unmittelbarer Gegenstand der Forschung sein soll, für unverfügbar erkläre, weil dies sich letztlich auf die Freiheit der Fragestellung auswirke. So verhalte es sich beispielsweise im Fall der Embryonenforschung und des therapeutischen Klonens: Ein Verbot der Verwendung von Embryonen und des therapeutischen Klonens wirke auf die grundrechtlich geschützte Freiheit der Fragestellung zurück1555. Mangels Durchführbarkeit könnten Problemstellungen, die ausschließlich unter Verwendung von Embryonen zu klären sind, nicht gewählt werden. (β) Kein Schutz angewandter Forschung Zudem existiert der Ansatz, die Forschungsfreiheit auf die Grundlagenforschung zu begrenzen, sodass der Bereich angewandter Forschung vom Schutz­bereich auszuklammern sei, um „eine uferlose Ausdehnung des Bereichs der eigentlichen Forschung“ zu verhindern1556. (γ) Kein Schutz irreversibler Forschung Andere nehmen zur Reduzierung des Schutzumfangs irreversible Forschung aus dem Schutzbereich aus1557. Darunter fallen ganze Bereiche wie Biomedizin und Embryonenforschung, weil die Folgen nicht absehbar seien und Risiken, die sich verwirklichen, nicht mehr korrigiert werden könnten. (δ) Kein Schutz von Eingriffen in Rechte Dritter In Anlehnung an die „Sprayerentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts1558 zur Kunstfreiheit vertreten einige Autoren die Ansicht, Forschung, die andere Rechtsgüter beeinträchtigt oder beansprucht, werde nicht mehr vom Normbereich des Art. 5 III S. 1 GG erfasst1559. So sei eine Forschung am Menschen nur zulässig, wenn und soweit sie der Rechtsordnung entspreche. Wann das der Fall ist, entscheide sich nicht danach, ob kollidierende Verfassungsgüter Eingrenzungen der Forschung erzwingen, sondern danach, ob die allgemeine Rechtsordnung im Rahmen der Verfassung derartige Forschungsbetätigungen zulässt oder verbietet1560. Die Beanspruchung anderer Rechtsgüter zu Forschungszwecken könne nicht in den Tatbestand des Art. 5 III S. 1 GG fallen. Damit sei Forschung am Menschen 1555

Wahl in: Breuer, S. 35. Köttgen, S. 296. 1557 Spiekerkötter, S. 31. 1558 BVerfG, NJW 1984, 1293 f. 1559 Lorenz in: FS Lerche, S. 267 f.; vgl. Middel, S. 77. 1560 Lerche in: Lukes/Scholz, 88 (91). 1556

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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und Embryonenforschung nicht vom Schutzbereich des Art.  5 III S.  1 GG umfasst1561, ebenso müsse auch das therapeutische Klonen ausgeklammert werden1562. (ε) Kein Schutz illegitimer Forschung Einer ähnlichen Auffassung zufolge soll unter Wissenschaftsfreiheit nur die „spezifisch wissenschaftliche Betätigung erlaubten Verhaltens“ fallen und kein Verhalten, das eigenmächtig fremde Rechte beeinträchtige, vom Schutzbereich des Art. 5 III S. 1 GG erfasst werden1563. Weil zumindest die Embryonenforschung durch das  ESchG verboten und die Stammzellverwendung durch das  StZG beschränkt werden, fielen sie demzufolge nicht in den Schutzbereich des Art. 5 III S. 1 GG. (ζ) Kein Schutz unethischer Forschung Schließlich schlagen einige Autoren vor, zwischen Fragestellung und Methodenwahl einerseits und der Durchführung von Versuchen andererseits zu differenzieren: Es bestehe kein Grund, die Durchführung von Versuchen durch Art. 5 III S. 1 GG zu privilegieren, weil diese nur unter Inanspruchnahme von Gegenständen und Rechtsgütern vor sich gehe1564. Wieder andere wollen den Schutzbereich nicht gegenständlich, sondern unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit bzw. Sozialfolgenabschätzung „ethisch limitieren“ mit der Konsequenz, alle „menschenverachtenden Handlungen“ vom Schutzbereich auszuschließen1565. Unverantwortliche Forschung, die der Wertordnung des Grundgesetzes und dem ethisch-rechtlichen Minimalkonsens diametral zuwiderläuft, solle vom Schutzbereich ausgenommen werden1566. Werden Menschenwürde, Leben, Gesundheit oder Freiheit bei der Forschung nicht beachtet, solle Art. 5 III S. 1 GG schon a priori unanwendbar und eine „Relativierung“ der Menschenwürde und des menschlichen Lebens durch eine Abwägung mit der Wissenschaftsfreiheit ausgeschlossen sein1567. Diese Argumentation werde im Bereich der Biomedizin noch durch die Gleichsetzung von menschlichem Leben und Menschenwürde verstärkt: Handlungen, die gegen die zuvor als rocher de bronce1568 1561

Lorenz in: FS Lerche, S. 274. Paul, S. 37. 1563 Wendt in: Münch/Kunig GG, Art. 5 Rn, 101a; Schlink in: Pieroth/Schlink, Art. 5, Rn. 624. 1564 Wahl in: UTR Band 14, 1991, S. 7 (34 f.). 1565 Dickert, S. 400. 1566 Dickert, S. 408: dagegen ausdrücklich Vitzthum, S. 261, 275 mit der berechtigten Frage, wie und durch wen „das Ethische“ als Schranke zu definieren sei; vgl. ferner Wendt in: Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 101a. 1567 Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 5, Rn. 378. 1568 Französisch, „eherner Fels“, Sinnbild unerschütterlicher Festigkeit. 1562

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

postulierte Menschenwürde verstoßen, sollten mit der Begründung der Unantastbarkeit der Menschenwürde als nicht mehr vom Verfassungsrecht gedeckt angesehen werden1569. Dadurch solle die Vernichtung menschlichen Lebens im Namen oder unter dem „Deckmantel“ der Wissenschaftsfreiheit verhindert werden, zumal die deutsche Vergangenheit hier Warnung genug sei1570. (η) Argumente gegen eine Schutzbereichsbegrenzung Eine tatbestandliche Beschränkung der Forschungsfreiheit mittels des Kriteriums der Rechtskonformität ist als normfremde Einschränkung der Gewährleistung abzulehnen1571. Zunächst sind die Kriterien für die Strukturanalyse ziemlich unkonkret1572. Die Anwendung des Begriffs der „verantwortlichen Forschung“ gestaltet sich schwierig, weil es an Kriterien fehlt, die zur Auslegung herangezogen werden könnten1573. Neben praktischen Handhabungs- und Abgrenzungsproblemen sprechen auch grundrechtsdogmatische Einwände gegen eine Schutzbereichsbegrenzung1574. Schon der Wortlaut lässt keine Rückschlüsse auf eine derartige Beschränkung zu. Zudem ist Wissenschaft auf die Einbeziehung unterschiedlichster Forschungsmaterialien angewiesen und eine Schutzbereichsbegrenzung könnte erhebliche potenzielle Forschungsgebiete der freien Untersuchung entziehen1575. Gegen die Ausklammerung des Schutzes angewandter Forschung spricht, dass die Grenzen zwischen Zweck- und Grundlagenforschung fließend sind1576, sodass sich eine Trennung häufig als sehr schwierig erweist. Daher müssen sowohl Grundlagen- als auch angewandte Forschung dem Schutz­ bereich des Art. 5 III S. 1 GG unterworfen werden1577. Andernfalls läge die Verletzung des Kernbereichs der Wissenschaft nahe, wenn ganze Forschungsbereiche ausgeklammert würden1578. Auch die Verneinung des Schutzes irreversibler Forschung ist zurückzuweisen. Abgesehen von der Frage, wie und von wem irreversible Forschung zu definieren ist, würde es den Forscher überfordern, schon vor Beginn seines Forschungsvorhabens dessen Ungefährlichkeit nachzuweisen. Zudem würde fälschlicherweise nicht dem Staat, sondern dem Forscher, der von seinem Grundrecht Gebrauch machen möchte, der Nachweis über die Legitimität seines Handelns auferlegt1579. Dem grundgesetzlichen System individueller Frei 1569 Schwarz in: KritV 2001, 182 (191) mit Verweis auf Enders, S. 157, 196 f. zu den Konsequenzen. 1570 Vgl. Klee, S. 27; Koch 1996, S. 124; Mitscherlich/Mielke, S. 79. 1571 Wendt in: Münch/Kunig GG, Art. 5 Rn, 101a. 1572 Caspar, S. 299. 1573 Caspar, S. 307. 1574 Middel, S. 78. 1575 Spiekerkötter, S. 28. 1576 Caspar, S. 310. 1577 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 163. 1578 Paul, S. 37. 1579 Spiekerkötter, S. 32.

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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heitsrechte sind Risiken für Freiheitsrechte immanent1580. Auftretende Konflikte gilt es nach dem Prinzip praktischer Konkordanz zu lösen, sodass die betroffenen Rechtsgüter von Verfassungsrang beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen1581. Verengungen des Schutzbereichs führen dagegen tendenziell zu einer Verminderung des Grundrechtsschutzes, denn wenn kein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt, bedarf es auch keiner Rechtfertigung1582. Demzufolge sind sämtliche Versuche einer Schutzbereichsbegrenzung abzulehnen. Nicht die Forschung bedarf einer Legitimation, sondern ihre Beschränkung1583. Es ist der Definition des Bundesverfassungsgerichts zu folgen, wobei eine permanente Offenheit gegenüber neuen Definitionsmerkmalen erforderlich ist, die sich im und aus dem Bereich der Wissenschaft entwickeln1584. Die Wissenschaft muss stets neutral, wertfrei und pluralistisch sein1585. Die Offenheit des Wissenschaftsbereichs verbietet eine Differenzierung der Schutzwürdigkeit unterschiedlicher Arten von Forschung, sodass auch eine Dreiteilung in Grundlagenforschung, angewandte Forschung und ex­ perimentelle Entwicklung nicht verfassungsrechtlich geboten ist1586. Eine Forschungsmaßnahme fällt nicht allein deshalb aus dem Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit heraus, weil Rechte Dritter berührt werden1587. Diese bilden vielmehr die Grenze der Wissenschaftsfreiheit aufgrund konfligierender Verfassungswerte1588. Zumindest auf der Ebene des grundrechtlichen Schutzbereichs muss die Trennung von Wahrheitssuche und Moral als Konstituens der Wissenschaft noch gewahrt bleiben. Dadurch wird nicht losgelöst von der gesellschaftlichen Verantwortung der Vorrang einer wissenschaftlichen Reflexion behauptet, sondern es lassen sich – ethisch durchaus ambivalente – Folgeprobleme eben nicht auf Ebene des Schutzbereichs lösen1589. Die Abwägung unterschiedlicher Verfassungsgüter muss vielmehr in einem zweiten Schritt im Wege der praktischen Konkordanz erfolgen. Auch wissenschaftliche Forschung am menschlichen Leben unterfällt grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 5 III S. 1 GG1590. Das Grundgesetz kennt keine ethisch-immanente Einschränkung1591. Auf Schutz­ bereichsebene ist eine Differenzierung zwischen Heileingriffen, die dem einzelnen Embryo zugutekommen, und verbrauchender Embryonenforschung, bei der die Vernichtung des Embryos in Kauf genommen wird, nicht statthaft1592. 1580

Wagner in: NVwZ 1998, 1235 (1238). Hofmann, S. 20. 1582 Middel, S. 79. 1583 Middel, S. 79 m .w. Nachw. 1584 Pernice in: Dreier GG, Art. 5 III, Rn. 21, 22. 1585 Scholz in: Maunz/Dürig, Art. 5 III, Rn. 95. 1586 Schulze-Fielitz in: HbdVerfR § 27, Rn. 3. 1587 Pernice, in: Dreier, Art. 5 III, Rn. 25. 1588 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 23. 1589 Schwarz in: KritV 2001, 182 (191), FN. 59. 1590 Hofmann in: JZ 1986, 253 (255); Arbeitsgruppe-In-vitro-Fertilisation, S. 3 (1.3.). 1591 Scholz, Bitburger Gespräche 1986/1, S. 59 (68). 1592 Iliadou, S. 79; Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin, S. 449. 1581

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Ebenso werden das therapeutische Klonen und sogar das reproduktive Klonen vom Schutzbereich umfasst1593. Bei der Entwicklung der Klonierungstechnik geht es darum, in verschiedenen Versuchen die Möglichkeit des Menschen zur genetischen Reproduzierbarkeit von Lebewesen zu beweisen, gegebenenfalls daraus resultierende Vorteile zu nutzen und dadurch neue Erkenntnisse zu erhalten, sodass sie sich als Forschung darstellt1594. Die Grenze des Schutzbereichs der Forschungsfreiheit ist erst erreicht, wenn andere Ziele als die Ermittlung der Wahrheit angestrebt werden, zum Beispiel wenn die Befriedigung von Sensationslust oder Gewinnstreben im Vordergrund steht1595. (dd) Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Wendet man diese Kriterien auf die Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden an, muss für die Frage, ob es sich um eine Forschungsmaßnahme handelt, auf den­ internationalen Entwicklungsstand abgestellt werden1596. Die Erzeugung dieser Entitäten erfolgt noch nicht mit Hilfe eines standardisierten Verfahrens und die Anwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden am Menschen wird noch nicht erprobt. Deshalb handelt es sich bei der Fusion menschlicher Zellkerne mit entkernten tierischen Eizellen um Forschungsarbeiten. Gleiches gilt für die Verwendung der Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellenentnahme und die Implantation in einen menschlichen, tierischen oder künstlichen Uterus.  Zu betonen ist schließlich, dass auch die Methoden der Erkenntnissuche vom Schutzbereich erfasst werden. Der Hinweis auf alternative Möglichkeiten der Stammzellengewinnung für Forschung und Therapie kann deshalb nicht dazu führen, die Zybridenforschung aus dem Schutzbereich des Art. 5 III S. 1 GG fallen zu lassen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hingegen müssen Alternativen unbedingt berücksichtigt werden1597. Der Schutzbereich des Art. 5 III S. 1 GG ist folglich eröffnet. Dies bleibt selbst dann der Fall, wenn sich herausstellen sollte, dass die hohen Erwartungen an den therapeutischen Einsatz von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden nicht erfüllt werden. (2) Eingriff Jede Regelung, welche die Forschung mit Mischwesen beschränkt, würde in die grundgesetzlich garantierte Forschungsfreiheit der Wissenschaftler, Forscher und Institutionen, die sich mit Mensch-Tier-Zybriden beschäftigen, eingreifen. 1593

Paul, S. 40. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 163. 1595 Paul, S. 39. 1596 Middel, S. 77 für die PID. 1597 Middel, S. 212. 1594

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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(3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung Als klassisches Abwehrrecht enthält Art. 5 III S. 1 GG einen vorbehaltlos geschützten Freiraum, in dem „absolute Freiheit von jeder Ingerenz öffentlicher Gewalt“ herrscht1598. Abgesehen vom Treuevorbehalt aus Art. 5 III S. 2 GG unterliegt die Wissenschaftsfreiheit keiner ausdrücklichen Beschränkung1599. Demgegenüber kann der Gesetzgeber Grundrechte, die explizit einen Gesetzesvorbehalt vorsehen, durch Gesetz einschränken, wenn dieses den allgemeinen Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, entspricht1600. Entgegen dem Wortlaut des Art. 5 III S. 1 GG, der eine vollständige Uneinschränkbarkeit der Wissenschaftsfreiheit suggeriert, hat die Verfassungsdogmatik seit langem herausgearbeitet, dass auch solche Grundrechte, die keinem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt unterliegen, nicht schrankenlos garantiert werden. Es ist nur so, dass der einfache Gesetzgeber nicht unmittelbar zu einer Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit ermächtigt ist; ihm steht lediglich zu, die verfassungsrechtlich begründeten Regelungsgrenzen offenzulegen1601. Die Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit ist an die Bedingungen ihrer Einräumung gebunden und unterliegt damit der gleichzeitigen Geltung der übrigen Verfassungsgrundsätze1602. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind daher mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Werteordnung ausnahmsweise imstande“, auch das uneinschränkbare Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit „in einzelnen Beziehungen zu begrenzen“1603. Die Limitationen der Wissenschaftsfreiheit lassen sich damit nicht generell, sondern nur im Einzelfall bestimmen, indem eine Abwägung der konkret zu benennenden kollidierenden Verfassungsgüter vorgenommen wird. Es besteht ein aus dem Gesamtgefüge der verfassungsrechtlichen Normen ableitbarer Ge-

1598 BVerfGE 35, 79 (112 f.). In den neuen Bundesländern deutete sich in den Verfassungsdiskussionen eine „Enttabuisierung“ der vorbehaltlos gewährleisteten Forschungsfreiheit an, die teilweise zu einer positivrechtlichen Beschränkung der Forschungsfreiheit durch die Landesverfassungen geführt hat. Beispielsweise besagt die Verfassung des Landes Sachsen-­Anhalt vom 16.07.1992 in Art. 10 III S. 2, dass die Freiheit der Forschung nicht von der Achtung der Menschenwürde und der Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen entbinden kann. Aller­ dings ist die Vereinbarkeit solcher Beschränkungen mit dem Grundgesetz umstritten, vgl. dazu Iliadou, S. 82. 1599 BVerfGE 47, 327 (369). 1600 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 164, FN 877. 1601 Losch, S. 65. 1602 Losch, S. 65. 1603 BVerfGE 28, 243 (261) zum Konflikt zwischen der Wehrpflicht und der ebenfalls nicht unter einem Gesetzesvorbehalt stehenden Gewissensfreiheit, vgl. auch BVerfGE 47, 327 (368); 68, 130 (139). Zur Kritik der Schrankenformel Kriele in: JA 1984, 629 (637), der stattdessen einen Vorbehalt der allgemeinen Gesetze vertritt. Nach Caspar in: ZUR 1998, 177 (179) führt diese Auffassung zur Nivellierung der grundrechtlichen Schrankensystematik und zum Bedeutungsverlust der vorbehaltlosen Grundrechte.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

meinschaftsvorbehalt1604. Berührt die Forschung Rechte Dritter oder Belange des Tierschutzes, ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Im Wege praktischer Konkordanz muss abgewogen werden, welches Verfassungsgut in dem entsprechenden Kollisionsfall mehr Gewicht besitzt1605. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die schwächere Norm nur soweit zurückgedrängt werden darf, wie es logisch und systematisch zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muss in jedem Fall respektiert werden1606. bb) Berufsfreiheit (Art. 12 I S. 1 GG) Weiterhin könnte die Berufsfreiheit aus Art. 12 I S. 1 GG von einer beschränkenden Regelung der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden betroffen sein. (1) Schutzbereich Dazu müsste zunächst der Schutzbereich des Art. 12 I S. 1 GG eröffnet sein. (a) Persönlicher Schutzbereich Art. 12 I S. 1  GG stellt ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit dar und gewährt jedem Deutschen freie Ausübung und Wahl des Berufs, des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte. Deutsche Ärzte, die Mensch-Tier-Zybride-basierte Stammzelltherapien anwenden möchten, fallen in den persönlichen Schutzbereich. (b) Sachlicher Schutzbereich Der Berufsbegriff umfasst sachlich jede auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient1607. Der Terminus des Berufes ist weit auszulegen und beinhaltet nicht nur die traditionellen oder rechtlich fixierten Berufsbilder, sondern auch untypische, frei gewählte Tätigkeiten, aus denen sich neue Berufsbilder entwickeln können1608. Der Schutz­bereich umfasst zudem die Unternehmerfreiheit, worunter die Freiheit zu verstehen ist, eine Tätigkeit in selbstständiger oder unselbstständiger Form auszuüben1609.

1604

Grundlegend: BVerfGE 28, 243 (261); zur Wissenschaftsfreiheit: BVerfGE 47, 327 (368). BVerfGE 33, 23 (32); BVerfGE 52, 223 (253); BVerfGE 69, 1 (54). 1606 BVerfGE 28, 243 (261). 1607 BVerfGE 54, 313 (316); Tettinger in: Sachs GG, Art. 12, Rn. 36. 1608 BVerfGE 7, 377 (397); 78, 179 (214); 97, 228 (252); 102, 197 (212). 1609 Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 12, Rn. 266. 1605

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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(aa) Problem der Schutzbereichsbegrenzung Auch im Rahmen des Art. 12 I S. 1 GG stellt sich die Frage nach einer Schutzbereichsbegrenzung. So werden zum Teil Einschränkungen dahingehend vorgenommen, dass die Tätigkeit als solche nicht verboten sein1610 oder dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht evident entgegenstehen dürfe1611. Andere verneinen einen Beruf bei sozial- und gemeinschaftsschädlichem Verhalten1612. Derartige Einschränkungen sind jedoch aufgrund der bereits erörterten grundsätzlichen Einwände abzulehnen1613, zumal der Schutzbereich nicht vom einfachen Gesetz­geber bestimmt werden kann. Die Tätigkeit als Arzt ist deshalb auch dann als Beruf zu qualifizieren, wenn dieser im Rahmen des § 218 a I StGB bei der Abtreibung straffrei, aber rechtswidrig handelt1614. Forschung kann einen Beruf darstellen, soweit sie als selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit zur Existenzsicherung geeignet ist und nicht nur rein privat, sondern professionell betrieben wird1615. Bei einer derartigen Vorgehensweise fällt auch die Tätigkeit von Wissenschaftlern, die Heilversuche o. ä. durchführen möchten, in den Schutzbereich der Berufsfreiheit. (bb) Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Grundsätzlich kann die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden in Form einer beruflichen Tätigkeit erfolgen. Insoweit wird sie vom Schutzbereich des Art. 12 I S. 1 GG erfasst. (2) Eingriff Für die behandelnde Ärzteschaft sowie Wissenschaftler und Forscher, die z. B. Heilversuche durchführen möchten, stellt jedes Ge- oder Verbot im Bereich medizinischer Anwendung eine Regelung ihrer Berufsausübung dar1616. Mittelbare Regelungen oder solche Vorschriften, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit beeinträchtigen, werden ebenfalls an Art. 12 I S. 1 GG geprüft, wenn sie in einem „engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz1617 deutlich erkennen lassen“1618. Dies trifft immer dann zu, wenn sich die eigentlich berufsneutrale Regelung objek 1610

Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 810. Tettinger in: Sachs, Art. 12, Rn. 38. 1612 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 810. 1613 BVerwGE 22, 286 (289); Gubelt in: Münch/Kunig, Art. 12, Rn. 9. 1614 BVerfGE 98, 265 (297). 1615 Brewe, S. 67. 1616 So auch Taupitz in: JWE 2003, 335 (341); Kloepfer in: JZ 2002, 417 (424). 1617 Vgl. zur Anwendung bei einer Strafnorm BVerfGE 9, 83. 1618 BVerfGE 70, 191 (214); 55, 25; 13, 181; 16, 145; 52, 42. 1611

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tiv in erheblichem Ausmaß auf die berufliche Tätigkeit auswirkt1619. Entfalten entsprechende Verbotsvorschriften eine solche objektiv berufsregelnde Tendenz, begründen sie auch einen Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit. Ein solcher läge vor, sobald Therapiemöglichkeiten unter Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden bestehen und Ärzte aufgrund gesetzlicher Regelungen an der Verwendung dieser Zellen gehindert werden. Dies gilt auch, wenn solche Embryonen gar nicht hergestellt werden dürfen und demzufolge auch nicht verwendet werden können. Eine Regelung zur Beschränkung der Herstellung und Verwendung embryonaler Stammzellen aus Zybriden würde zwar nicht ausdrücklich medizinische Anwendungen und damit die berufliche Tätigkeit der Ärzte oder Wissenschaftler verbieten, wohl aber sich mittelbar auf deren Arbeit niederschlagen, sodass die objektiv berufsregelnde Tendenz zu bejahen wäre. Eingriffe in Art. 12 I S. 1 GG wären ab dem Zeitpunkt, in dem Theapieoptionen mit Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden existieren, folglich zu bejahen. (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung (a) Gesetzesvorbehalt Die Berufsfreiheit unterliegt einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Nach Maßgabe der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Drei-Stufen-Theorie, die zwischen Berufsausübungsregeln, subjektiven Zulässigkeitsvoraussetzungen und objektiven Zulassungsschranken unterscheidet1620, sind Regelungen der Berufswahl und Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erlaubt1621. Aus zunehmender Eingriffsintensität folgt eine Abnahme der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Objektive Zulassungsvoraussetzungen knüpfen an objektive, vom Betroffenen unabhängige und unbeeinflussbare Bedingungen an (z. B. Bedürfnisklauseln), während subjektive Zulassungsvoraussetzungen die Berufswahl von den individuellen Eigenschaften und den erworbenen Qualifikationen abhängig machen und Berufsausübungsregelungen das „Wie“ der beruflichen Aktivitäten, also die objektiven und subjektiven Modalitäten der Tätigkeit, bestimmen1622. Die Drei-Stufen-Theorie ist letztlich nichts anderes als eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips1623. Sie beruht auf der Unterscheidung der verschiedenen Eingriffsarten und besagt, dass sich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs mit zunehmender Intensität der Grundrechts­beeinträchtigung 1619 Gubelt in: v. Münch/Kunig, Art. 12, Rn. 49; Manssen, Rn. 642; vgl. hierzu auch BVerfG NJW 2003, 1232 ff.; Ipsen, S. 166 f. 1620 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 846. 1621 BVerGE 7, 377; Pieroth/Schlink, Rn. 846. 1622 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 832 m. w. N. 1623 BVerfGE 7, 377 (3779; 13, 97 (104); Manssen in: Mangold/Klein/Starck, Art.  12 I, Rn. 112; Taupitz, Standesordnungen, S. 804, 827.

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an ent­sprechend höherrangigen Allgemeininteressen zu orientieren hat1624. Generell muss der Eingriff aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips einen legitimen Zweck verfolgen und grundsätzlich geeignet und erforderlich sein, um diesen zu erreichen1625. Darüber hinaus muss die Maßnahme von der Mittel-Zweck-Relation her angemessen sein1626. Zur Rechtfertigung von Berufsausübungsregelungen genügen bereits vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls, während eine subjektive Berufszulassungsvoraussetzung dem Schutz besonders wichtiger Gemeinwohlinteressen dienen muss1627. Objektive Berufszulassungsregelungen schließlich sind nur zum Schutz nachweisbarer oder mit hoher Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts behafteter Gefahren für überragende Gemeinschaftsgüter zulässig1628. (b) Anwendung der Drei-Stufen-Theorie (aa) Beruf des „Zybrid-Erzeugers“ Ein absolutes Verbot der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden würde nur dann die Berufswahlfreiheit einschränken, wenn es unmöglich würde, den Beruf des „Zybrid-Erzeugers“ zu ergreifen. Ein vollständiges Herstellungs- und Verwendungsverbot würde den Betrieb eines Unternehmens, das sich auf die Zybrid-Erzeugung beschränkt, de facto unmöglich machen, weshalb diese Art der Regulierung nicht nur eine deutliche Einschränkung der Berufswahl, sondern sogar ein Berufsverbot bedeuten könnte1629. Der Beruf des „Zybrid-Erzeugers“ hat sich aber (noch) nicht herausgebildet und eine Entwicklung zu einem eigenständigen Berufsbild dürfte eher unwahrscheinlich sein. Voraussichtlich wird deren Erzeugung Bestandteil der Berufe werden, die sich bereits mit der Gewinnung von Stammzellen beschäftigen1630. Eine gesetzliche Reglementierung würde auch die Forschung nur in einem Teilbereich einschränken, sodass der Forscher bei der Entwicklung der Zellkerntransfertechnik unter Verwendung tierischer Eizellen nur in seiner Berufsausübung betroffen ist, soweit er die wissenschaftliche Betätigung als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Ein Herstellungs- und Verwendungsverbot von Zybriden würde somit lediglich auf der ersten Stufe in die Berufsfreiheit eingreifen, ließe dem Gesetzgeber also einen weiten Spielraum, denn Berufsausübungsregeln können bereits durch „Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit“1631 1624

Tettinger in: Sachs GG, Art. 12, Rn. 100. Manssen in: Mangold/Klein/Starck, Art. 12 I. Rn. 121; Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 847. 1626 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 30. 1627 Manssen in: Mangold/Klein/Starck, Art.  12 I. Rn.  135, 141; Tettinger in: Sachs  GG, Art. 12, Rn. 104. 1628 Manssen in: Mangold/Klein/Starck, Art.  12 I. Rn.  135, 142; Tettinger in: Sachs  GG, Art. 12, Rn. 106. 1629 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 168. 1630 Vgl. Vesting/Simon in: ZRP 1998, 261 (264). 1631 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 856. 1625

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oder „vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls“1632 gerechtfertigt sein. Sobald der Einsatz von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden menschliches Leben retten oder Leiden lindern helfen kann, läge ein vernünftiger Grund des Allgemeinwohls vor. Eine gesetzliche Regelung könnte zudem vor der Geburt von MenschTier-Mischwesen schützen. Durch die Zybridforschung wird aber eine raschere Entwicklung von Behandlungsmethoden und Medikamenten vorangetrieben, sodass ein absolutes Erzeugungsverbot mit dem Allgemeinwohl nicht zu vereinbaren wäre und folglich nicht vom Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I S. 1 GG erfasst wird. (bb) Unternehmerfreiheit Selbst wenn sich ein Unternehmen darauf spezialisierte, Mensch-Tier-Zybriden herzustellen, liegt keine Beschränkung der Berufswahl vor. Ein solches Unternehmen müsste den Zulieferbetrieben der Wissenschaft zuzuordnen sein, sodass durch ein Verbot der Zybrid-Erzeugung lediglich eine bestimmte Berufsmodalität ausgeschlossen wäre1633. Die Erweiterung der Berufstätigkeit ist nicht als Berufswahl anzusehen1634. Daher würde eine Reglementierung nur zur Einschränkung der Art und Weise der Berufsausübung führen, also eine Berufsausübungsregel darstellen, sodass ein Eingriff in die Unternehmerfreiheit zu bejahen wäre. (4) Verhältnis zu Art. 5 III S. 1 GG Abschließend ist zu klären, wie die beiden Grundrechtsgewährleistungen des Art. 12 I S. 1 GG und Art. 5 III S. 1 GG zueinander stehen. Damit das Konkurrenzverhältnis nicht zu einer Umgehung der Gewährleistungen führt, ist von einer Idealkonkurrenz beider Grundrechte auszugehen1635. Das bedeutet, wenn in die Berufsfreiheit des Wissenschaftlers eingegriffen wird, muss die Regelung sowohl den Voraussetzungen des Art. 5 III S. 1 GG als auch des Art. 12 I S. 1 GG entsprechen1636. Geht es lediglich um Berufsausübungsregelungen, unterliegen diese wesentlich geringeren Anforderungen, sodass der Prüfungsmaßstab des Art. 12 I S. 1 GG in demjenigen des Art. 5 III S. 1 GG gewissermaßen „aufgeht“. Bei der hier erörterten Problemstellung muss die Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Abwägung somit im Hinblick auf die strengeren Voraussetzungen des Art. 5 III S. 1 GG erfolgen, wobei Art. 12 I S. 1 GG als Schutzbereichsverstärkung wirken kann1637. 1632

BVerfGE 7, 377 (405); 78, 155 (162). Brewe, S. 67; Taupitz in: GenTechnik&Recht 2003, 11 (15). 1633 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 168. 1634 Klein in: Schmidt-Bleibtreu GG, Art. 12, Rn. 7. 1635 Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 5, Rn. 85. 1636 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 171. 1637 Richter, S. 173: „Soweit die Betätigung als Forscher und nicht schon die Entscheidung für den Beruf des Forschers, mit der Problematik der Zugangsregelung, betroffen ist, muss Art. 5 III S. 1 GG als spezielleres Grundrecht vorgehen“.

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cc) Therapiefreiheit (Art. 2 I GG) Das Grundrecht des Art. 2 I GG setzt sich aus zwei unterschiedlichen Schutz­ bereichen zusammen: der allgemeinen Handlungsfreiheit und  – in Zusammenschau mit Art.  1 I S.  1 GG  – dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht1638. Regelungen zur Zybridforschung haben praktisch keine Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht der Forscher. Betrachtete man Beschränkungen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit und ihrer Berufsfreiheit als Einschränkungen ihrer „personalen“ Entfaltungsfreiheit, würde dies das allgemeine Persönlichkeitsrecht uferlos werden lassen1639. Zu prüfen bleibt also ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Forscher durch eine gesetzliche Beschränkung der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden. (1) Schutzbereich Als Erstes muss der Schutzbereich eröffnet sein. Der persönliche Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit wirft keinerlei Probleme auf: Es wird „jeder“, also jeder Forscher, Wissenschaftler oder Arzt, erfasst und damit auch jeder aus dem Bereich der Zybridenforschung. Sachlich schützt die allgemeine Handlungsfreiheit jedes menschliche Verhalten ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht ihm für die Persönlichkeitsentfaltung beizumessen ist1640. Aufgrund des weit ausgedehnten Schutzbereiches fungiert Art. 2 I GG als Generalklausel oder Auffangtatbestand für alle Lücken, die von den speziellen Freiheitsgrundrechten gelassen werden1641. Diese allgemeine Gewährleistung bezweckt den Schutz der Betätigungs- und Entschließungsfreiheit des Bürgers, der nur mit solchen Nachteilen belastet werden soll, die sowohl formell als auch materiell verfassungsgemäß sind1642. Somit wird jedes menschliche Verhalten vor Beeinträchtigungen geschützt1643. Dazu zählt auch die Therapie­freiheit1644, die den Arzt dazu ermächtigt, jede Erfolg versprechende Therapie durchzuführen1645. Besteht für eine (lebensbedrohliche) Krankheit kein allgemein anerkanntes Therapieverfahren, kann der Arzt auf Heilmethoden zurückgreifen, deren Wirksamkeit noch nicht nachgewiesen ist, sofern eine gewisse Erfolgschance besteht1646. Aus dem weiten und unbestimmten Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfrei-

1638

BVerfGE 6, 32 („Elfes-Urteil“); Murswiek in: Sachs, Art. 2, Rn. 42. Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 32. 1640 BVerfGE 80, 137 (152); Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 52. 1641 BVerfGE 6, 32 (37); 10, 55 (58). 1642 BVerfGE 29, 402 (408); Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 368. 1643 Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 168. 1644 Vgl. Laufs, Rn. 40 f. 1645 Vollmer, S. 153. 1646 BVerfG, 1 BvR 347/98 vom 6. 12.2005. 1639

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heit sowie seiner umfassenden sachlichen Auffangfunktion1647 resultiert seine Subsidiarität gegenüber spezielleren Grundrechten1648. Für einen Rückgriff auf Art. 2 I GG bleibt somit kein Raum, wenn der Schutzbereich eines spezielleren Grundrechts beeinträchtigt ist1649. Deshalb ist die Eröffnung des Schutzbereichs nur bei einer solchen Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden und der Verwendung von aus ihnen gewonnenen Stammzellen möglich, die sich nicht zugleich als Forschung oder berufliche Tätigkeit darstellt1650. (2) Eingriff Vorschriften, welche Erzeugung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden und ihrer Stammzellen beschränken, würden zumindest subsidiär unter der Prämisse, dass kein Eingriff in ein spezielleres Grundrecht vorliegt, in die allgemeine Handlungsfreiheit der Wissenschaftler und Ärzte aus Art. 2 I GG eingreifen1651. (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung Die allgemeine Handlungsfreiheit untersteht der Schrankentrias des Art. 2 I GG und kann durch die Rechte anderer, das Sittengesetz und die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt werden. Von zentraler Bedeutung ist der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung, in dem die Rechte anderer und das Sittengesetz vollständig aufgehen1652. Der Hervorhebung der Rechte Dritter kommt eigentlich nur eine Klarstellungsfunktion zu, weil diese bereits einen Teil der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen1653. Auch der Erwähnung des Sittengesetzes ist keine herausragende Bedeutung beizumessen, weil die Kriterien, die unter das Sittengesetz fallen, teilweise bereits ausdrücklich von der Rechtsordnung aufgenommen worden sind, wie etwa in den §§ 138, 242, 826 BGB, und insoweit schon einen integralen Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung bilden1654. Die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung, welche die Gesamtheit der Normen meint, die formell und materiell verfassungsmäßig sind1655, meint im Endeffekt einen einfachen Gesetzesvorbehalt1656. Das Bundesverfassungsgericht statuiert, dass mit zuneh 1647

Dreier in: Dreier GG, Art. 2 I, Rn. 22. BVerfGE std. Rspr., z. B. 6, 32 (37); 21, 227 (234); 67, 157 (171); Klein in: Schmidt-Bleibtreu, Art. 2, Rn. 11. 1649 Kunig in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 12. 1650 Brewe, S. 68. 1651 Taupitz, JWE 2003, 335 (341). 1652 Kunig in: v. Münch/Kunig, Rn. 19 f., 26 f. 1653 Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 93; Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 385. 1654 Dürig in: Maunz/Dürig, Art. 2 I, Rn. 93; Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 95; Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 386. 1655 BVerfGE 6, 32 (37); 63, 88 (108); 80, 137 (153). 1656 Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 90. 1648

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mender Schwere der Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit bzw. des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen durch einen gesetzlichen Eingriff auch Bedeutung und Gewicht der in Konflikt stehenden Güter und Interessen sowie die Sorgfalt bei der Abwägung zunehmen muss1657. Zu prüfen ist daher, ob das ein­ greifende Gesetz formell und materiell rechtmäßig ist. Es muss der Verhältnis­ mäßigkeitsgrundsatz – das Übermaßverbot – gewahrt sein. Im Ergebnis beinhaltet Art. 2 I GG deshalb keine bedeutsame Schranke für einschränkende Regelungen der Zybridforschung, führt jedoch ebenso wie die Berufsfreiheit dazu, dass solche Regelungen von einer hinreichenden Rechtfertigung getragen werden müssen. Auch hier gilt, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht des Art.  5 III S.  1 GG erfolgen muss. Art. 2 I GG tritt aufgrund der wesentlich geringeren Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dahinter zurück und entfaltetet lediglich flankierende Wirkung. b) Rechte der Körperzellspender Weiterhin muss geprüft werden, ob Rechte derjenigen, die ihre Körperzellen für die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden spenden möchten, beeinträchtigt werden. Das Interesse an einer Körperzellspende muss nicht nur in der allgemeinen Absicht liegen, die Forschung zu fördern, sondern kann vielmehr im eigenen Interesse bestehen: Der Spender könnte auf diese Weise immunkompatible Zellen und Gewebe erhalten, die ihn von bislang unheilbaren Krankheiten kurieren. Insoweit werden seine Rechte als Patient relevant. Im Folgenden sollen zunächst Grundrechtsbeeinträchtigungen solcher Spender geprüft werden, die zu rein fremdnützigen Zwecken wie etwa der Forschung ihre Zellen zur Verfügung stellen möchten. aa) Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG) In Betracht kommt eine Gefährdung des Selbstbestimmungsrechts, das sich als eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herleitet. (1) Schutzbereich (a) Persönlicher Schutzbereich Das Selbstbestimmungsrecht steht jedem Menschen zu. Demzufolge fällt jeder freiwillige Körperzellspender in den Schutzbereich. 1657 Vgl. BVerfGE 17, 306 (314); BVerfG, NJW 2001, 879; VGH Mannheim, NJW 2001, 1082 (1085); Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 386.

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(b) Sachlicher Schutzbereich Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wurde vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG entwickelt1658. Zum einem garantiert es die Möglichkeit der autonomen Selbstentfaltung im Bereich privater Lebensgestaltung1659, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann, zum anderen die nach außen gerichtete Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit1660. Es schützt also nicht nur das Verhalten des Einzelnen („Aktivitätsschutz“), sondern die personelle Integrität und damit die Freiheit vor körperlicher Beeinträchtigung („Integritätsschutz“)1661. Sein Zweck besteht darin, das Individuum als Subjekt und nicht hinsichtlich eines bestimmten Verhaltens zu schützen, weil ein „enges Band“ zur Menschenwürde aus Art.  1 I S.  1 GG besteht1662. Aufgabe des all­gemeinen Persönlichkeitsrechts ist der Schutz der „engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsrechte nicht abschließend erfassen lassen“1663. Nach der „Sphärentheorie“ des Bundesverfassungsgerichts ist zwischen Sozial-, Privat- und Intimsphäre zu unterscheiden1664. Der Bereich des Kontakts zwischen dem Individuum und seiner gesellschaftlichen Umwelt bildet die Sozialsphäre, welche der Öffentlichkeit grundsätzlich zugänglich ist, wobei jedoch ein Minimalschutz des Einzelnen beachtet werden muss1665. Demgegenüber fällt in die Privat- oder Individualsphäre alles, was der Einzelne dem Zugang der Öffentlichkeit vorenthalten will1666. Nur im Interesse der Allgemeinheit ist ein Eingriff in diesen Bereich möglich1667. Dabei beschränkt sich der Schutz der Privatsphäre nicht nur auf den häuslichen Bereich, sondern umfasst auch abgeschiedene Örtlichkeiten1668. Der Intimbereich bildet den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit eines jeden Rechtssubjektes1669 und umfasst solche Sachverhalte, die das Individuum niemandem oder nur einer geringen Zahl Auserwählter mitteilen oder zugänglich machen möchte1670. In diesen absolut geschützten Bereich ist grundsätzlich kein Eingriff möglich, er ist einer Güter- und Interessenabwägung 1658

Std. Rspr., z. B. BVerfGE 32, 373; 103, 21; 89, 69. Dürig in: Dürig GG, Vorauflage, Rn. 1; BVerfGE 79, 256 (268). 1660 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 374. 1661 Dreier in: Dreier GG, Art. 2 I, Rn. 16, 50. 1662 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 373 f. 1663 BVerfGE 54, 148 (153); 72, 155 (170). 1664 Geis in: JZ 1991, 112 (115); anders Schmidt in: JZ 1974, 241 (243), der von einem ZweiStufen-Modell ausgeht. 1665 Hager in: Staudinger, § 823 Rn. C 190. 1666 Hager in: Staudinger, § 823 Rn. C 189. 1667 Murswiek in: Sachs  GG, Art.  2, Rn.  104; Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art.  2 I, Rn. 16. 1668 BVerfGE 101, 361 (Caroline v. Monaco); s. auch BVerfG, NJW 2001, 1921 (1925); BVerfG, NJW 2001, 2193; BGHZ 131, 332 (Caroline v. Monaco); Kupfer in: Jura 2001, 169 (170). 1669 Hager in: Staudinger, § 823 Rn. C 188. 1670 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 36. 1659

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entzogen1671. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht tritt in unterschiedlichen Ausformungen in Erscheinung1672. Wichtige Bestandteile sind das Selbstbewahrungsund das Selbstbestimmungsrecht sowie das Recht auf Selbstdarstellung1673. Im medizinischen Bereich erfährt es besondere Relevanz, Musterbeispiel hierfür ist die stets erforderliche Einwilligung in ärztliche Eingriffe1674, vgl. §§ 630d, e BGB. Auch auf dem Gebiet der Biomedizin spielt das Selbstbestimmungsrecht  – ins­ besondere bei Spendern und Probanden – eine wichtige Rolle; in neuerer Zeit gewinnt das „Recht auf bioethische Selbstbestimmung“ an Prominenz1675. Die Körperzellspende fällt in den sachlichen Schutzbereich des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG) des Spenders, namentlich geht es um den Schutz seines Selbstbestimmungsrechtes. (2) Eingriff Wird dem potenziellen Spender gesetzlich untersagt, Körperzellen zum Zweck der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zur Verfügung zu stellen, wird in sein Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG eingegriffen. (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung Das Selbstbestimmungsrecht als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterliegt der Schrankentrias des Art.  2 I  GG und kann somit durch die Rechte anderer, das Sittengesetz und die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt werden, unterliegt im Ergebnis also einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Entsprechend der Argumentation in Bezug auf die Körperzellspende zum reproduktiven Klonen ist die wirksame Einwilligung in Spende und Verwendung 1671 BVerfGE 27, 1 (6); 33, 367 (377); 34, 238 (245); 75, 369 (380); 80, 367 (373); BGH, NJW 1981, 1366; OLG Hamburg, NJW-RR 1991, 98; BayObLG, NJW 1992, 2370; Geis in: JZ 1991, 112 (115); Scholz in: AöR 100 (1975), 81, 266; Wolter in: StV 1990, 175 (177). In der Rechtsprechungspraxis werden Intim- und Kernbereich zunehmend vermischt, vgl. Baston-Vogt, S. 195 mit Verweis auf die „Tagebuchentscheidung“ des BverfG, in dem die Verwertung von (an sich als intim zu bewertenden) Tagebuchaufzeichnungen möglich sei, wenn dadurch Erkenntnisse von elementarer Bedeutung für Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit bestimmten Straftaten gewonnen werden können; BVerfGE 80, 367 (379). Dieses Ergebnis musste darauf gestützt werden, dass die persönlichen Schriftstücke erst gar nicht in den unantastbaren Intimbereich, sondern in den Privatbereich gehörten, der seinerseits einer­ Güterabwägung zugänglich ist, Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 37. 1672 Schlink in: Pieroth/Schlink, Rn. 373 f. 1673 Zur Selbstbestimmung BVerfGE 88, 203 (254); 90, 263 (270); 96, 56 (63); zur Selbst­ bewahrung BVerfGE 32, 373 (379); BVerfG, NJW 1999, 1777; DVBl. 2001, 454; BVerfGE 80, 367 (373); zur Selbstdarstellung BVerfGE 54, 208 (217); 35, 202 (220); 101, 361 (380). 1674 Vgl. Windeler in: Lippert, S. 70. 1675 Kopernock, S. 97.

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der Zellen zur Erzeugung von Zybriden1676 auch und erst recht zu therapeutischen oder Forschungszwecken möglich; es handelt sich insoweit um ein disponibles Rechtsgut. bb) Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) (1) Schutzbereich Subsidiär wäre auch der persönliche und sachliche Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG eröffnet. (2) Eingriff Ein gesetzliches Verbot der Spende von Zellen zum Zwecke der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zur Forschung oder zur Gewinnung von Stammzellen würde in die allgemeine Handlungsfreiheit der Körperzellspender eingreifen. (3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung Die allgemeine Handlungsfreiheit unterliegt den gleichen Beschränkungsmöglichkeiten wie das Selbstbestimmungsrecht. c) Rechte der Patienten Medizinische Forschung wird in jüngerer Zeit auch aus dem Blickwinkel derjenigen bewertet, denen die Forschung zugutekommen soll. Es geht um die Menschen, deren Krankheiten und Leiden durch die Forschung geheilt, gelindert oder verhindert werden sollen. Den Interessen der Kranken und Patienten wird ein bedeutender Stellenwert beigemessen und als Argument für die Zulassung der Stammzellengewinnung auf deren therapeutisches Potenzial verwiesen1677. In zahlreichen Stellungnahmen wird der gesundheitsorientierten Zielsetzung eine (verfassungs-) rechtliche Dimension beigelegt1678. Bereits in ihrer ersten Stellungnahme vom 10.03.1999 stellte die Deutsche Forschungsgemeinschaft fest, dass die therapeutischen Ziele der Forschung mit embryonalen Stammzellen nicht nur ethisch und verfassungsrechtlich vertretbar, sondern geboten seien. Die Verbesserung der medizinischen Versorgung des Menschen sei eine Aufgabe, der die me 1676

Vgl. Teil 4: A. IV. 2. a) bb) (2). Brewe S. 69 m. w. N. Zu Stammzellengewinnung aus menschlichen Embryonen. 1678 Vgl. Brewe, S. 69. 1677

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dizinische Forschung verpflichtet ist1679. Die Zentrale Ethik-Kommission bei der Bundesärztekammer beruft sich auf eine „Ethik des Heilens“: Der Staat habe aufgrund seiner objektiven Schutzpflicht für Leben und Menschenwürde Vorsorge dafür zu treffen, dass Forschung Krankheiten bekämpfe, welche die Selbstbestimmung des Menschen beeinträchtigen1680. Zur Begründung des Stammzellgesetzes wird schließlich vorgetragen, dass dieses „dem Interesse kranker Menschen an der Entwicklung neuer Heilungschancen Rechnung“ trägt1681. Welcher verfassungsrechtliche Stellenwert dieser medizinischen Zielsetzung zukommt, wird nicht erwähnt; rein ethische Erwägungen haben allerdings keine verfassungsrechtliche Relevanz. Zu prüfen ist vielmehr, ob Rechte der Kranken und Patienten bei einer gesetzlichen Regelung zur Herstellung und Nutzung von Zybriden und ihrer Stammzellen von Verfassungs wegen zu berücksichtigen sind. Es könnte das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) sowie auf Therapiefreiheit (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 2 II S. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) tangiert werden. Die Rechte der Patienten würden Grenzen oder zumindest Begründungslast für etwaige gesetzliche Verbote und Beschränkungen errichten. aa) Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) (1) Schutzbereich Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht jedem zu und damit zweifellos allen heutigen Patienten. Zudem sind therapeutische Ziele selbst dann über Art. 2 II S. 1 GG verfassungsrechtlich verankert1682, wenn (noch) gar kein konkreter Anspruchsteller vorhanden ist1683, sodass auch künftige Patienten in den persönlichen Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG fallen. Art. 2 II S. 1 GG schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Für alle Patienten, die sich einer Therapie mit Zellen und Geweben aus Mensch-Tier-Zybriden unter­ ziehen möchten, ist der sachliche Schutzbereich eröffnet; es geht um den Schutz ihrer Gesundheit und biologisch-physiologischen Existenz. Gleiches gilt im Hinblick auf zukünftige Patienten, die ihre Hoffnungen in Stammzelltherapien o. ä. setzen werden.

1679

Deutsche Forschungsgemeinschaft, Mitteilung 2, Seite 3, 9. ZEK (1. Bericht) 2002, S. 233 f., 263. 1681 BT-Drucks, 14/8394, S. 8. 1682 Empfehlungen der DFG zur Forschung mit menschlichen Stammzellen, Juristischer Hintergrund, unter 1.; s. auch Ipsen in: JZ 2001, 989 (996); Taupitz in: Taupitz, Zivilrechtliche Regelungen, S. 273, 389 f. 1683 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 37. 1680

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(2) Eingriff Das staatliche Verbot bestimmter Heilmaßnahmen stellt sich als besonderes Problem im Rahmen der Garantie des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit dar. Der Gewährleistungsgehalt des Art. 2 II S. 1 GG wird auf mehreren Ebenen relevant: Zum einen stellt die Norm ein subjektives Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat1684 dar. Zum anderen enthält sie eine objektive Dimension, die sich entweder als Schutzpflicht zur Förderung subjektiver Freiheitsräume oder als Leistungsrecht äußert, das den Staat dazu verpflichtet, positive Maßnahmen zur Förderung individueller Gesundheit zu treffen. Schließlich wurde versucht, aus der Förderpflicht des Staates ein Teilhaberecht auf Gesundheit ab­ zuleiten1685. (a) Subjektives Abwehrrecht Aus der abwehrrechtlichen Dimension des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Kranken und Patienten aus Art. 2 II S. 1 GG könnten sich Grenzen für eine gesetzliche Regelung zur Herstellung und Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden ergeben. Zwar sind ESchG und StZG mit ihren Verbotstatbeständen nicht an die Kranken und Patienten gerichtet1686. Für eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber bereits eine mittelbare Beeinträchtigung. Der Eingriff müsse allerdings das Maß einer sozialadäquaten Beeinträchtigung übersteigen und bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Schutzgutes dem Staat als adäquate Folge seiner Tätigkeit kausal zurechenbar sein. Von einer Beeinträchtigung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit könne im Einzelfall schon bei unerträglichen Schmerzen ausgegangen werden1687. Im Bereich der Transplantationsmedizin hat die abwehrrechtliche Funktion eine erweiterte Struktur erhalten: So urteilte das Bundesverfassungs­ gericht in einer Kammerentscheidung vom 11.08.1999 zur Organspende unter Lebenden gem. § 8 TPG, dass der Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG bereits dann berührt sei, „wenn staatliche Regelungen dazu führen, dass einem kranken Menschen eine nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine Verlängerung des Lebens, mindestens aber eine nicht unwesentlich Minderung des Leidens verbunden ist, versagt bleibt“1688. Aufgrund der engen Verbindung des Art. 2 II S. 1 GG zur Menschenwürdegarantie umfasst das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowohl die physische als auch die psy 1684

Vgl. Manssen, Rn. 45. Vgl. Vollmer. S. 152. 1686 Vgl. Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 159 a. 1687 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 37. 1688 BverfG, NJW 1999, 3399 (3400). 1685

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

449

chische Integrität des Rechtssubjekts1689. Dazu zählt auch der Schutz der Gesundheit im Sinne der „Normalität der körperlichen Gestalt und Funktion“1690. Zwar wird dies nicht explizit in Art. 2 II S. 1 GG genannt, sondern stellt eine strukturelle Erweiterung dar1691. Diese rechtfertigt sich aber durch die herausragende Bedeutung dieses Rechts, seinen Bezug zur Menschenwürde (Art. 1 I S. 1 GG) und seine teleologische Funktion. Ein Heilverbot lässt sich nicht ohne Weiteres als Eingriff in die Integrität der Persönlichkeit begreifen1692. Es ist selbstverständlich, dass nicht der Staat für diese Krankheiten verantwortlich ist. Das Individuum, das Heilung begehrt, verlangt auch keine aktiven Fördermaßnahmen des Staates1693. Es existiert kein Grundrecht auf Heilung oder Schmerzfreiheit im Sinne eines subjektiven Grundrechtsanspruchs auf staatlich unterstützte Heilung und Therapie1694, ebenso wenig gibt es ein Recht auf soziales Wohlbefinden1695 oder die Abwesenheit von Unlust­ gefühlen1696. Wohl aber besteht ein Anspruch darauf, dass der Staat nicht ungerechtfertigt eine konkrete Therapie oder eine Erfolg versprechende Forschung, die zu einer Linderung oder gar Heilung führen soll, verbietet1697. Denn von Art. 2 II S. 1 GG wird nicht nur Schutz gegen eine Verschlechterung der Gesundheit bewirkt, sondern auch vor belastenden staatlichen Maßnahmen, welche die Wiederherstellung oder Verbesserung der Gesundheit betreffen1698. Durch eine Beschränkung bestimmter Heilmaßnahmen wird ein Patient schließlich ebenso stark beeinträchtigt wie durch eine aktive Verschlechterung seiner Integrität1699. Die Norm garantiert zudem die freie Selbstbestimmung des Patienten über ärztliche Heileingriffe, sodass die Letztentscheidung über die anzuwendende Therapie ihm selbst überlassen bleibt1700. Die Bewältigung von Krankheiten durch medizinischen Fortschritt wird damit auch zum Aspekt des Rechts auf körperliche Unversehrtheit1701. Das Gleiche gilt für die Verhinderung einer möglichen Medikamenten- und Wirkstoffprüfung mit Hilfe embryonaler Stammzellen, denn insoweit geht es um einen vorbeugenden Gesundheitsschutz1702. Art. 2 II S. 1 GG beinhaltet den freien, nicht durch staatlichen Eingriff behinderten Zugang zu vorhandenen

1689

Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 147 f. Seewald, S. 59. 1691 Vollmer, S. 153. 1692 Vollmer, S. 152. 1693 Vollmer, S. 152; Röger in: JWE 2001, 313 (316). 1694 Röger in: JWE 2001, 313 (316). 1695 Schmidt-Aßmann in: AöR 106 (1981), 205 (2010). 1696 Pieroth in: Pieroth/Schlink, Rn. 393; a. A. im Zusammenhang mit der Freiheit von Unlustgefühlen: BVerwG, NJW 1995, 2648 (2649). 1697 Jung, S. 103; Deutsch in: NJW 1995, 3019 (3024). 1698 BVerfG NJW 1999, 3399 f. 1699 Vollmer, S. 155. 1700 BVerfG MedR 1997, 318 (319); BVerfGE 89, 120 (130). 1701 BVerfGE 56, 54 (74); Münch in: Münch/Kunig GG, Art. 2, Rn. 62. 1702 Jung, S. 105. 1690

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

therapeutischen Möglichkeiten1703. Die Vorenthaltung einer möglichen medizinischen Maßnahme, welche zu einer erheblichen Schmerzlinderung oder möglicherweise sogar zu einer Lebensverlängerung führen kann, führt zur Aktivierung der abwehrrechtlichen Dimension1704. Auch bei der Stammzelltherapie mit Zellen aus Mensch-Tier-Zybriden handelt es sich um die Vorenthaltung einer medizinischen Maßnahme. Problematisch ist jedoch, dass sich das Recht aus Art. 2 II GG auf den Zugang zu derzeit verfügbaren medizinischen Maßnahmen beschränkt, denn eine konkrete Beeinträchtigung dieses Rechts erfordert eine tatsächliche Heilungschance1705. Die Stammzelltherapie, erst recht die mit Zybrid-Stammzellen, ist noch nicht weit genug entwickelt, um als Therapiemethode am Menschen angewendet zu werden. Man könnte erwägen, auch theoretisch mögliche Therapieverfahren in den Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG einzubeziehen. Dagegen lässt sich jedoch anführen, dass dies eine ganz erhebliche Ausweitung des Grundrechts zur Folge hätte, wogegen zwei Aspekte sprechen: Erstens stellt bereits der Einbezug einer „nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugänglichen Therapie“ eine erhebliche Erweiterung der abwehrrechtlichen Funktion des Art. 2 II S. 1 GG dar1706. Zweitens würden sich dramatische Abgrenzungsprobleme zu Art. 5 III S. 1 GG ergeben: Bei Heilverfahren der Zukunft, die einen großen Forschungsbedarf auslösen, ist es sachgerecht, nicht auf Art. 2 II S. 1 GG als subjektives Abwehrrecht zu rekurrieren, sondern diese Fälle dem Anwendungsbereich des Art. 5 III S. 1 GG zuzuordnen1707. Andere verneinen eine Schutzpflicht, wenn und solange lediglich Grundlagenforschung betrieben wird, weil die zukünftigen, auf embryonaler Stammzellforschung basierenden, Heilungs- und Überlebenschancen als bislang nur vage Aussichten nicht geeignet seien, eine staatliche Schutzpflicht zu begründen1708. Im Rahmen der Abwägung von Forschungsfreiheit und Embryonenschutz müssten die Interessen von Kranken allerdings berücksichtigt werden1709. Momentan würde ein Verbot der Zybrid-Erzeugung somit nicht in Art.  2 II S. 1 GG eingreifen. Sobald Therapien mit Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden oder die Möglichkeit der Medikamenten- und Wirkstoffprüfung tatsächlich zur Verfügung stehen, läge allerdings ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit in seiner abwehrrechtlichen Funktion vor. Droht eine Lebensverkürzung, geht es sogar um das Recht auf Leben1710.

1703

Papier, S. 32. Middel, S. 213. 1705 Vollmer, S. 153 ff.; Jung, S. 93 f. 1706 Schmidt-Aßmann, S. 17. 1707 Middel, S. 214. 1708 Beckmann, Stellungnahme, S. 11; Haker, Stellungnahme, S. 6 f. 1709 Wendtland, S. 151. 1710 Brewe, S. 71. 1704

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

451

(b) Objektiv-rechtliche Dimension Es ist allgemein anerkannt, dass aus Art.  2 II S.  1 GG auch eine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit folgt. Der Staat muss sich schützend und fördernd vor die grundrechtlichen Schutzgüter stellen, wenn sie durch rechtswidrige Eingriffe bedroht werden1711. Risiken und Gefährdungen können grundsätzlich bereits einen Eingriff in Art. 2 II S. 1 GG darstellen1712. Normalerweise knüpft die staatliche Schutzpflicht an eine grundrechtliche Beeinträchtigung von Seiten privater Dritter an1713. Es zeichnet sich jedoch eine Tendenz des Bundesverfassungsgerichts ab, Erweiterungen über die Fälle der Drittbeeinträchtigung hinaus zuzulassen. So heißt es in der zweiten Abtreibungsentscheidung, dass sich die Schutzpflicht „zumal auf Gefahren, die von anderen Menschen ausgehen“, bezieht1714. Auch Bedrohungen durch Naturereignisse und -katastrophen wie Unwetter oder Epidemien können vom staatlichen Schutz­ auftrag umfasst sein1715. So resultiert aus Art. 2 II S. 1 GG z. B. die Pflicht des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit gegenüber den Gefahren der AidsKrankheit1716 und allgemein zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung1717. (aa) Leistungsrecht Art. 2 II S. 1 GG beinhaltet ein Leistungsrecht, das sich als Individualanspruch auf staatliche Gesundheitsfürsorge äußert1718, und manifestiert sich in gewissen Grenzen auch darin, dass der Staat Gefahren, die dem Leben unabhängig von einem rechtswidrigen Eingriff eines Dritten drohen, entgegenwirken muss1719. Gleiches gilt in abgeschwächter Intensität auch für die staatlichen Schutzpflichten im Zusammenhang mit der körperlichen Unversehrtheit1720. Ausgehend von der Annahme, dass die Zybrid-Technik dazu beitragen kann, das Problem des Organ-, Zellen- und Gewebemangels zu beseitigen, um vielen Menschen das Leben zu retten oder zumindest zu erleichtern, müsste erwogen werden, ob die Förderung der Klonierungstechnik nach dem Schutzauftrag des Gesetzgebers geboten ist1721.

1711

BVerfGE 39, 1 (41); 46, 160 (164); 88, 203 (251); Hermes, S. 43. Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 160 f. 1713 BVerfGE 46, 160 (164). 1714 BVerfGE 88, 203 (252). 1715 Brewe, S. 73; ablehnend dem gegenüber: Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 213. 1716 BVerfG NJW 1987, 2287. 1717 BVerfGE 103, 172 (172). 1718 Vgl. BVerfGE 39, 1 (4); 1, 97 (104); Pieroth in: Pieroth/Schlink, Rn. 391, 406; Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 2 II, Rn. 192 f., 211 f. 1719 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 34. 1720 Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 189; Starck in: v. Mangold/Klein/Starck, Art. 2 II, Rn. 192, 211. 1721 Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 152. 1712

452

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Selbst wenn ein Leistungsrecht im Sinne eines Zugangs zu Therapien mit Stammzellen zu bejahen ist, kann ein derartiges Recht nur für technisch bereits zur Verfügung stehende Maßnahmen befürwortet werden1722. Das trifft auf Zellersatz­ therapien mit Mensch-Tier-Zybriden jedoch nicht zu. Dies ändert sich, sobald solche Zellen am Menschen angewendet werden können, zumal sich die staatliche Schutz- und Förderungspflicht zugunsten solcher Patienten, die an schweren, bisher unheilbaren Krankheiten leiden, mit besonderer Dringlichkeit geltend macht1723. (bb) Recht auf Entwicklung von Therapien Es ist zu überlegen, ob Art. 2 II S. 1 GG den Staat dazu verpflichtet, die Entwicklung von Verfahren zu fördern, um durch menschliches Wirken unmittelbar oder mittelbar bereits verursachte Gefahren für das Leben zu reduzieren. Das Problem beim Umgang mit Schutzpflichten ist die Frage, in welchem Ausmaß der Staat diese erfüllen muss. Ihm kommt dabei ein weitgehendes Ermessen zu, sodass er nur ein gewisses Minimum an Schutz garantieren muss: Es gilt das so genannte Untermaßverbot1724. Ein Therapieverbot kann bei manchen Krankheiten zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Gesundheit oder sogar zu einer Lebensverkürzung der Betroffenen führen. Neue Behandlungsmethoden geben dem Patienten womöglich die einzige Möglichkeit zur Linderung seines Leidens oder Verlängerung seines Lebens, die ihm durch das Verbot versagt bleibt. Diese Pflicht des Staates ist allerdings darauf beschränkt, dass er Vorkehrungen zum Schutz der Gesundheit trifft, die nicht evident ungeeignet oder völlig unzulänglich sind1725. Solange keine Therapien mit embryonalen Stammzellen zur Verfügung stehen, stellt sich ein Verbot der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden als alternative Quelle zur Stammzellengewinnung nicht so dar. Ein Recht auf Förderung der medizinischen Forschung oder auf Zukunftsinvestitionen in die medizinische Infrastruktur muss abgelehnt werden; mangels hinreichender Bestimmtheit ihres Inhalts lassen sich derartige Ansprüche nicht aus der Verfassung herleiten1726.

1722

Vgl. Koenig et al., GA, ERK, Kom.-Drs. 15/48, S. 4, 188; vgl. Schwarz in: KritV 2001, 182 (205); Bioethik-Kommission RP, S. 47; vgl. Hermes, S. 113, 118; Murswiek in: Sachs GG, Art. 2, Rn. 225; weitergehend wohl Seewald, S. 84 f.; Zusammenfassung der Positionen und Herleitungsversuche bei Schmidt-Aßmann, S. 23 f. 1723 Dederer in: JZ 2003, 986, (989). 1724 Manssen, Rn. 53. 1725 Brewe, S. 73 m. Verweis auf BVerfG NJW 1987, 2287. 1726 van den Daele in: KritV 1991, 257 (267), vgl. auch ERK, BT-Drs. 14/75465, 2.2 unter Hinweis auf Höfling; vgl. Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 2 II S. 1 GG, Rn. 190.

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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(3) Ergebnis Ein Verbot der Zybriden-Erzeugung fällt zum jetzigen Zeitpunkt, in dem noch keine anwendungsbezogenen Therapien zur Verfügung stehen, nicht in den Schutzbereich des Art. 2 II S. 1 GG. Das wäre erst ab dem Moment der Fall, an dem entsprechende Anwendungen am Menschen möglich sind. Ein Verbot der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden zum Zwecke der Stammzellengewinnung zu medizinischen Zwecken bedürfte deshalb erst ab diesem Zeitpunkt der verfassungsrechtlichen Legitimation. Sobald konkrete Therapiemöglichkeiten entwickelt sind, welche die einzige Heilungschance für Patienten darstellen, würde der Staat mit einem gesetzlichen Verbot gegen seine Schutzpflicht aus Art. 2 II S. 1 GG verstoßen. Ein zum heutigen Zeitpunkt erlassenes Gesetz bzw. eine Änderung des ESchG würde bei entsprechendem wissenschaftlichen Fortschritt verfassungswidrig werden. Schon jetzt kommt Art. 2 II S. 1 GG insofern eine bedeutsame Rolle zu, als der objektiv-rechtliche Gehalt der Norm im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 5 III S. 1 GG berücksichtigt werden muss. bb) Freiheit der Therapiewahl (Art. 2 I GG) (1) Schutzbereich Die eigenverantwortliche Wahl der eigenen Therapie unterfällt der allgemei­ nen Handlungsfreiheit aus Art.  2 I  GG. Teilweise wird auch auf das Selbstbestimmungsrecht als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rekurriert (Art. 2 I G i. V. m. Art. 1 I GG), welches allerdings denselben Schranken unterliegt, sodass die Herleitungsfrage rein dogmatischer Natur ist. (2) Eingriff Ein Verbot oder eine Beschränkung der Herstellung von Zybriden für die Stammzellengewinnung stellt eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Patienten dar, die ihnen die „Therapie der eigenen Wahl“, also die Freiheit und Verantwortung für die  – ggf. nach ärztlicher Beratung  – zu treffende Entscheidung über Behandlungsmittel und Heilmittel garantiert1727. Bei einem Durchbruch in der Stammzellforschung, durch den therapeutische Anwendungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, würde das Verbot der Stammzellengewinnung für therapeutische Anwendungen aus zu diesem Zwecke erzeugten Mensch-Tier-Zybriden deshalb auch zu einer Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 2 I GG führen. 1727

Brewe, S. 75; in Bezug auf arzneimittelrechtliche Verkehrsverbote: Papier, S. 33.

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(3) Einschränkbarkeit und Anforderungen an eine Rechtfertigung Derartige Einschränkungen sind, entsprechend der Schrankentrias, nur mit hinreichender Begründung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig. 2. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Einem gesetzlichen Totalverbot der Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in die Gebärmutter einer Frau, eines Tieres oder einen künstlichen Uterus könnten ebenfalls Rechte Dritter entgegenstehen. a) Rechte des Mensch-Tier-Zybriden Der Mensch-Tier-Zybrid in vitro könnte in seinem Lebensrecht aus Art.  2 II S. 1 GG dadurch beeinträchtigt werden, dass ihm per Gesetz die Chance auf den Transfer in einen Uterus und somit jegliche Entwicklungschance genommen wird. aa) Recht auf Leben als „Recht auf Transfer“ (Art. 2 II S. 1 GG) Infolge eines strafbewehrten Implantationsverbots wird der Mensch-Tier-Zybrid „jeder Entwicklungschance beraubt“1728. Es handelte sich um eine „strafbewehrte Tötungspflicht“1729 oder zumindest eine „strafbewehrte Pflicht zur Vorenthaltung der wichtigsten Entwicklungsvoraussetzungen“1730, wie sie von § 7 II ESchG für Mensch-Tier-Hybrid-Embryonen aus Gametenfusion sowie von § 6 II ESchG für menschliche Zellkerntransfer-Klone bereits statuiert und in der Literatur vielmals als verfassungswidrig kritisiert wird1731. Des Öfteren taucht die Erwägung auf, extrakorporalen Entitäten stehe aus dem Lebensschutzgebot des Art. 2 II S. 1 GG ein „Recht auf Transfer“1732 in einen Uterus zu. Anknüpfungspunkt der Begründung bildet die Ansicht, dass der geborene Klon als Mensch anzusehen und deshalb –­ ungeachtet einer eventuell verfassungs- und verbotswidrigen Klonierung – voll­ wertiger Träger des Lebensgrundrechts sei, sodass ihm die Chance auf Verwirklichung seines inhärenten Potenzials zustehe1733. Durch die Vorenthaltung des 1728

Vgl. zu menschlichen Klonen Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3. Zum Transferverbot aus § 6 II ESchG: vgl. Keller in: Keller/Günther/Kaiser, § 6, Rn. 11; diesem folgend Hilgendorf in: FS Maurer, S. 1147, 1161; Höfling, Bitburger Gespräche 2002/ II, S. 99, 114; Neidert in: ZRP 2002, 467 (470). 1730 Vgl. zum Transferverbot aus § 6 II ESchG: Kersten, Klonen, S. 43. 1731 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Teil 4: A. II. 1. c). 1732 Hetz, S. 198; Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 27. 1733 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3. 1729

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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Transfers in eine Gebärmutter werde verhindert, dass die Embryonen durch Nidation und Individuation Grundrechtsträgerschaft erlangen, und damit ihr Anspruch auf einen Transfer verletzt1734. Das Transferverbot für menschliche Klone stelle einen Systembruch dar, wenn man davon ausgeht, dass extrakorporalen Embryonen unabhängig von ihrer Entstehungsart als subjektiv Berechtigten aus Art. 2 II S. 1 GG ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf staatlichen Schutz zusteht, und sei somit verfassungswidrig1735. Denn dieser Anspruch sei mit einem ausnahms­ losen Weiterentwicklungsverbot nicht in Einklang zu bringen1736. Die Argumentation, ein Implantationsverbot diene der Menschenwürde aus Art. 1 I S. 1 GG, sei angreifbar, da die Handlung, an welche der Vorwurf eines Würdeverstoßes anknüpft, dem Würdeträger erst zur Existenz verhelfe1737. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung bereits 1997 in einem Bericht zum Klonen vorgeschlagen, das Transferverbot für menschliche Klone aus § 6 II ESchG ersatzlos zu streichen1738. Einige betonen, dass das Lebensrecht des Embryos allein schon durch den Willensakt der Frau wieder beseitigt werden kann1739, woraus der Schluss gezogen wird, dem Klon stehe ein nur grundsätzliches „Recht auf Transfer“ zu, das in Ausnahmefällen mit Rücksicht auf die Frau aufgehoben werden könne1740. Dieses Recht finde seine Grenze auch nicht in Art. 1 I S. 1 GG, da der Klon als menschliches Individuum selbst über Würde verfüge und dieses seinem Schutz und nicht seiner Vernichtung zu dienen bestimmt sei1741. Wird die Implantation in eine Gebärmutter verboten, begründe dies einen Eingriff in das Lebensrecht des Embryos in vitro aus Art. 2 II S. 1 GG1742. Da man einen geborenen Mensch-Tier-Zybriden ebenfalls als Grundrechtsträger der Art. 2 II S. 1 GG und Art. 1 I S. 1 GG qualifizieren müsste, lassen sich die für menschliche Klone unter dem Schlagwort „Recht auf Transfer“ angestellten Überlegungen übertragen. Gegen die Ansicht, die ein solches Recht extrakorporaler Entitäten befürwortet, ist allerdings einzuwenden, dass in der Verhinderung eines zukünftigen Status nicht automatisch die Verletzung einer aktuellen Position liegt1743. Das Vorenthalten der Individuation stelle keinen Menschenwürdeverstoß dar, weil nicht ersichtlich sei, wogegen verstoßen werden soll: Art. 1 I S. 1 GG als subjektives Recht scheidet aus, weil bis zur Geburt gar kein Grundrechtsträger vorhanden 1734

Hetz, S. 180. Höfling, Bitburger Gespräche 2002/II, S.  99, 113; Hilgendorf in: FS Maurer, S.  1161; Kersten, Klonen, S. 580; Nettesheim in: AöR 2005, 71 (107); Deutscher Bundestag, Unterrichtung Klonen, BT-Drs. 13/11263, S. 26. 1736 Hartleb, S. 222. 1737 Allg. hierzu Müller-Terpitz, Schutz des pränatalen Lebens, S. 328 ff. 1738 BT-Drs. 11/11 263 S. 20, 26. 1739 Ipsen in: JZ 2001, 989 (992). 1740 Hetz, S. 198. 1741 Hillgruber in: BOK GG, Art. 1, Rn. 22; Prütting/Höfling, Rn. 9; Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3; Kersten, Klonen, S. 42; kritisch Günther in: Günther/­Taupitz/­ Kaiser, Rn. 22. 1742 Vgl. zu menschlichen Klonen Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, § 6 ESchG, Rn. 3. 1743 Vgl. Merkel, Früheuthanasie, S. 482 f.; Heun in: JZ 2002, 517 (521). 1735

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

ist. Da eine Grundrechtsvorwirkung im Sinne eines „Rechts auf Nichtentstehen“ abzulehnen ist, hängt ein Verstoß im „luftleeren Raum“1744. Demnach muss ein „Recht auf Transfer“ für menschliche Klone abgelehnt werden. Dies gilt erst recht für Mensch-Tier-Zybriden, weil deren Entwicklungsperspektive völlig unsicher ist und zudem die Möglichkeit besteht, dass durch den Transfer in eine Gebärmutter die menschliche Gattungswürde verletzt wird. bb) Ergebnis Nach alledem besteht kein Recht des Mensch-Tier-Zybriden in vitro auf Transfer in einen Uterus, das durch ein Implantationsverbot verletzt werden könnte. Eine Gefährdung seines Lebensrechtes aus Art. 2 II S. 1 GG durch ein Implantationsverbot besteht nicht. b) Rechte der fortpflanzungswilligen Eltern Weiterhin sind die Rechte fortpflanzungswilliger Eltern in den Blick zu nehmen. aa) Fortpflanzungsfreiheit (Art. 6 GG, Art. 2 I GG, Art. 1 I GG) Kontrovers wird diskutiert, ob sich der klonwillige Zellspender auf ein „Recht auf Fortpflanzungsfreiheit“1745 berufen kann. Im medizinischen Bereich ist der grundrechtliche Familienschutz unter dem Aspekt eines „Rechts auf Fortpflanzung“ von zentraler Bedeutung, das auch als „Recht auf reproduktive Autonomie“ oder „Recht auf Nachkommenschaft“ bezeichnet wird1746. Ein solches Recht wird im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt und bislang fehlt es an verfassungsgerichtlicher Judikatur. Dennoch besteht Einigkeit, dass die Fortpflanzungsfreiheit grundrechtlichen Schutz genießt. Darüber hinaus stellt sie ein ethisch hochrangiges Gut dar1747. Umstritten ist die Herleitung dieses Rechts.  In der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich drei Ansätze: Entweder wird auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art.  2 I  GG i. V. m. Art.  1 I S.  1 GG abgestellt oder auf das Grundrecht zum Schutz der Familie aus Art. 6 I GG oder allgemeines Persönlichkeitsrecht und Schutz der Familie werden kombiniert bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Art. 6 I GG verstärkt1748. Dafür, das Recht auf Fort­ 1744

Middel, S. 244. Gutmann in: Roxin/Schroth, S. 361. 1746 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, Art. 6 GG, Rn. 1. 1747 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 46. 1748 Reinke, S. 135, 190 m. w. N. 1745

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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pflanzung auf Art. 6 I GG zu stützen, spricht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber solchen Rechten subsidiär ist, die – wie das Recht auf Schutz der Familie – Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung beinhalten1749. Von Art. 6 I GG wird die Verwirklichung der personellen Identität in familiärer Gemeinschaft geschützt. Weil dieser Schutz nicht auf bereits existente Familien beschränkt werden kann, umfasst er auch die Gründung einer Familie, mithin das Recht, sich fortzupflanzen1750. Damit wird zugleich die in Art.  6 I  GG enthaltene objektive Wertentscheidung zugunsten des außerstaatlichen Instituts „Familie“ gestärkt1751. Der subsidiäre Schutz durch Art. 2 I GG (ggf. i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG) lebt nur dort auf, wo es in reproduktiven Kontexten nicht um die Gründung einer Familie geht wie bei der rein kommerziellen Samenspende1752. Im Übrigen schützen beide Garantien (Art. 6 I GG bzw. Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I S. 1 GG) höchstpersönliche Entscheidungen und Zustände, welche den Kern der Persönlichkeit berühren. Damit ist ihre Schutzintensität vergleichbar, sodass eine exakte dogmatische Zuordnung des Rechts auf Fortpflanzung kaum praktische Relevanz entfaltet1753. Bei der Fortpflanzungsfreiheit handelt es sich nicht um ein absolutes, einschränkungslos gewährleistetes Recht. Vielmehr sind wie bei allen anderen Freiheitsrechten auch Beschränkungen zulässig, welche allerdings einem über­geordneten Zweck dienen und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen müssen1754. Der Aspekt des Kindeswohls, welcher eine verfassungsrechtliche Fundierung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kinder (Art. 2 I i. V. m. 1 I GG) sowie der Elternverantwortung (Art. 6 II GG) darstellt, kann herangezogen werden, um Einschränkungen des Rechts auf Fortpflanzung zu legitimieren, was von besonderer Relevanz für das Verbot der heterologen Eizellspende aus § 1 I Nr. 1, 2 ESchG ist, sowie bei generationsübergreifenden Reproduktionsmaßnahmen1755. Zur Begründung einer Beschränkung der Fortpflanzungsfreiheit werden im Kontext des reproduktiven Klonens die gesundheitlichen Schädigungen der Klone sowie Gefährdungen des sozialen Zusammenlebens, Missbrauchspotenzial und die Aushöhlung fundamentaler Rechtsüberzeugungen in der Gesellschaft ins Feld geführt. Darüber hinaus komme eine mit dem Klonen einhergehende Verletzung der überindividuellen Menschenwürde in Betracht1756. Die mit dem reproduktiven Klonen verfolgten Zwecke, unfruchtbaren Paaren einen lang ersehnten Kinderwunsch zu erfüllen, würden die Handlung in ihrem Unwertgehalt nicht spürbar beeinflussen, da finanzielle Interessen, das Schaffen einer neuen Fortpflanzungs 1749

Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, Art. 6 GG, Rn. 2. Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, Art. 6 GG, Rn. 2. 1751 Lehmann, S. 65 f.; Reinke, S. 135. 1752 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, Art. 6 GG, Rn. 2. 1753 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, Art. 6 GG, Rn. 2. 1754 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 46. 1755 Müller-Terpitz in: Spickhoff 2011, Art. 6 GG, Rn. 12. 1756 Nationaler Ethikrat, Klonen, S. 46. 1750

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

industrie sowie die Erlangung von Forscherruhm bei dem Vorhaben des reproduktiven Klonens unzweifelhaft im Vordergrund stünden1757. Art. 6 I GG schützt die konventionelle menschliche Familie mit zwei Eltern und den entsprechenden sozialen Beziehungen und Verwandtschaftsverhältnissen. Im Fall eines Mensch-Tier-Zybrides hätte dieser mit dem menschlichen Körperzellspender nur einen Elternteil und die verwendete Eizelle wäre tierischen Ursprungs, was die ursprüngliche Vorstellung von Familienleben zerstören würde. Dem ließe sich natürlich entgegenhalten, dass Art.  6 I  GG keine feststehende Vorstellung enthält, wie eine Familie auszusehen hat, sondern für verschiedene Konstellationen offen ist1758. Eine so fundamentale Abweichung vom traditionellen grundgesetzlichen Familienbild wird von Art. 6 I GG jedoch nicht mehr abgedeckt. bb) Ergebnis Demzufolge gefährdet ein Implantationsverbot für Mensch-Tier-Zybriden keine Rechte potenzieller fortpflanzungswilliger Eltern. Weder wird derjenige in seinen Rechten verletzt, der sein Erbgut mit Hilfe einer tierischen Eizelle und der Technik des Nukleustransfers „duplizieren“ will, noch die Frau, die einen geklonten Mensch-Tier-Zybriden austragen möchte. Es existiert kein Anspruch darauf, genetischer oder biologischer Elternteil zu werden. 3. Zusammenfassung der Grundrechtsgefährdungen Zusammenfassend ergeben sich damit folgende hypothetische Grundrechtseingriffe, sofern ein beschränkendes Gesetz zur Zybridenforschung erlassen würde: a) Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Ein gesetzliches Verbot zur Herstellung von Zybriden würde einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit der Wissenschaftler und Forscher aus Art. 5 III S. 1 GG begründen. Sobald eine gesundheitsorientierte Verwendung embryonaler Stammzellen tatsächlich möglich ist, würde ein Verwendungsverbot für Stammzellen aus Zybrid-Embryonen zudem in die Berufsfreiheit (Art.  12 I  GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit in Form der Therapiefreiheit (Art. 2 I GG) der Ärzte und Wissenschaftler eingreifen. Weiterhin würde das Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 I GG) der potenziellen Körperzellspender gefährdet. Daneben liegen ab dem Zeitpunkt, an dem medizinische Anwendungsmöglichkeiten mit embryo 1757 1758

Berger, S. 202. Weschka in: Taupitz/Weschka, S. 144 (Chimärenbildung, Embryonenverschmelzung).

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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nalen Stammzellen zur Verfügung stehen, Eingriffe in die Rechte der Patienten aus Art. 2 II S. 1 GG (Recht auf Leben bzw. körperliche Unversehrtheit) sowie Art. 2 I GG (allgemeine Handlungsfreiheit) – Wahlfreiheit der eigenen Behandlung – vor. b) Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Demgegenüber würde ein Implantationsverbot für Mensch-Tier-Zybriden keine Grundrechte des Mensch-Tier-Zybrides selbst und auch nicht der fortpflanzungswilligen Eltern bzw. der Frau, die sich den Embryo einpflanzen lassen möchte, tangieren. Den Staat trifft allerdings die verfassungsrechtliche Pflicht, die menschliche Gattungswürde aus Art. 1 I S. 1 GG zu schützen. Es handelt sich um eine schwere Grundrechtsgefährdung, die sich mit der Implantation in die Gebärmutter manifestieren würde. Auch wenn die Nidationsfähigkeit der Zybriden aus naturwissenschaftlicher Sicht höchst zweifelhaft ist, besteht das Risiko, dass ein Mensch-Tier-Mischwesen geboren wird. Das einfache Recht verbietet oder reglementiert den Transfer eines Mensch-Tier-Zybriden in eine Gebärmutter nicht, sodass der Staat seinen Schutzpflichten bislang nicht nachgekommen ist. Es stehen auch keinerlei Rechte Dritter entgegen, die mit der Schutzverpflichtung abgewogen werden müssten. Demzufolge verletzt der Staat seine Schutzverpflichtung, sodass ein verfassungsrechtlicher Handlungsauftrag besteht.

V. Abwägung der widerstreitenden Interessen Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art.  2 II S.  1 GG, welches staatliche Schutzpflichten zugunsten der Mensch-Tier-Zybriden auslöst, unter­steht einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Gleichwohl herrscht Einigkeit darüber, dass dieser durch das Erfordernis eines formellen Gesetzes beschränkt ist und materiell den allgemeinen Schranken gesetzgeberischer Tätigkeit unterliegt: der Wesensgehaltssperre des Art. 19 II GG, der Menschenwürde (Art. 1 I S. 1 GG) und der Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit1759. Auch Art. 104 I S. 2 GG sowie Art. 102 GG sind zu beachten, spielen für die vorliegende Fragestellung allerdings keine entscheidende Rolle1760. Besondere Relevanz erlangt die Schranken-Schranke des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Nach diesem dürfen die in Art. 2 II S. 1 GG verankerten Rechte nur zum Schutz der Allgemeinheit oder gleichwertiger privater Rechte eingeschränkt werden1761. Die staatliche Schutzpflicht zugunsten der Mensch-Tier-Zybriden in vitro aus Art. 2 II S. 1 GG wird begrenzt durch die vorbehaltlos gewährleistete Wissenschafts- und Forschungs 1759

Vollmer, S. 156. Vgl. hierzu Pieroth in: Pieroth/Schlink, Rn. 399. 1761 Starck in: v. Mangold/Klein/Starck, Art. 2 II, Rn. 186. 1760

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freiheit aus Art. 5 III S. 1 GG, die Grundrechte der Ärzte (Art. 12 I, 2 I GG), Körperzellspender (Art. 2 I GG) und Patienten (Art. 2 II S. 1 GG). Grenzen der Forschungsfreiheit aus Art. 5 III S. 1 GG lassen sich nur der Verfassung entnehmen, während die anderen Grundrechte per Gesetz eingeschränkt werden können. 1. Verhältnismäßigkeit des Verbots der Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Die Grundrechtsbeeinträchtigungen sind nur dann materiell verfassungsgemäß, wenn sie nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen, also einen legitimen Zweck verfolgen, geeignet und erforderlich sind sowie insbesondere dem Verhältnis­ mäßigkeitsgrundsatz (im engeren Sinne) genügen1762. a) Legitimes Ziel Die Legitimitätsprüfung verlangt im Allgemeinen, dass der Zweck von der Verfassung nicht verboten sein darf1763. Wird ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht wie die Forschungsfreiheit beschränkt, bedeutet das speziell, dass der geschützte Zweck auf einem verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgut basieren, also von der Verfassung vorgeschrieben sein muss1764. Das verfassungsrechtlich gebotene Ziel einer Reglementierung liegt hier in der Erfüllung staatlicher Schutzpflichten aus Art. 2 II S. 1 GG für die Mensch-Tier-Zybriden in vitro. b) Geeignetheit Von der Geeignetheit eines Herstellungsverbots von Mensch-Tier-Zybriden und einer Verwendungsbeschränkung ihrer Stammzellen für die Erreichung der gesetzgeberischen Ziele ist bereits dann auszugehen, wenn die Maßnahme aus der Perspektive des Gesetzgebers diese zu fördern vermag, wobei ihm ein Prognosespielraum zukommt1765. Sinn und Zweck eines Verbots wäre der Schutz embryonalen Lebens. Da Art. 1 I S. 1 GG in Bezug auf die Erzeugung von Mensch-TierZybriden zu therapeutischen Zwecken in keiner Weise berührt wird, könnte ein Verbot nicht den Menschenwürdeschutz fördern. Anders verhält es sich mit Blick auf Art. 2 II S. 1 GG: Durch ein Verbot würde die Erzeugung von Leben mit dem einzigen Ziel der baldigen Zerstörung verhindert, sodass Geeignetheit vorliegt1766. 1762

Manssen, Rn. 182; Sachs in: Sachs GG, Art. 20, Rn. 97. Klopfer, S. 80. 1764 Klopfer, S. 80. 1765 Ipsen, S. 675. 1766 Vgl. zum therapeutischen Klonen Middel, S. 246. 1763

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c) Erforderlichkeit Erforderlich wäre eine Beschränkung der Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden nur, wenn keine milderen, gleich geeigneten Mittel zur Zweckerreichung zur Verfügung stehen1767. Zu beachten ist, dass dem Gesetzgeber auch dabei ein Prognosespielraum zusteht1768 . Verneint er die Frage nach gleichwertigen Alternativen, welche die Wissenschaft weniger stark beeinträchtigen, und erweist sich diese Beurteilung später als falsch, korrespondiert mit seinem Prognosespielraum eine Berichtigungspflicht1769. Mildere, gleich geeignete Mittel, die Art. 5 III S. 1 GG nicht oder weniger fühlbar einschränken als ein Her­ stellungs- und Verwendungsverbot zum Schutz von Mensch-Tier-Zybriden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere wären Beschränkungen und Kontrollen für einen kategorialen Schutz von Mensch-Tier-Zybriden weniger gut geeignet als ein generelles Verbot. Somit muss das Kriterium der Erforderlichkeit bejaht werden. d) Angemessenheit Schwerpunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung bildet die Angemessenheit. Dabei handelt es sich um eine Abwägungsfrage, bei der die kollidierenden Rechtsgüter aller Personen berücksichtigt und gewichtet werden müssen und dem Rang der unterschiedlichen Rechte Rechnung zu tragen ist, um allen Interessen zu größtmöglicher Wirksamkeit zu verhelfen1770. Berufs- und allgemeine Handlungsfreiheit der Ärzte und Wissenschaftler sind in ihrer abstrakten Wertigkeit der schrankenlos gewährleisteten Forschungsfreiheit nicht gleichzustellen. Gleichwohl verstärken sie das Gewicht der Forschungsfreiheit bei der Abwägung. In der einen „Waagschale“ liegt die staatliche Schutzpflicht für die Mensch-Tier-Zybriden in vitro, in der anderen die Forschungs- und Berufsfreiheit, die Hoffnung der Patienten auf Gesundung durch neuartige stammzellbasierte Therapien sowie die Rechte der Körperzellspender, die gleichzeitig die betroffenen Patienten sein können1771. Mensch-Tier-Zybriden in vitro unterfallen nur dem objektiv-rechtlichen Schutz des Art. 2 II S. 1 GG, der mit gegenläufigen Interessen abwägbar ist1772. Die entscheidende Fragestellung aus verfassungsrechtlicher Sicht lautet, ob und unter wel 1767

Merkel, S. 256. Bioethik-Kommission RP 2002, S. 43. 1769 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 43. 1770 Manssen, Rn. 190. 1771 Röger in: JWE 2001, 313 (316). 1772 Vor dem Hintergrund der Abwägungsentscheidung sind Forschungsmaßnahmen mit menschlichen Embryonen in vitro nach dem  ESchG verboten (vgl. § 2 I  ESchG); vgl. auch Deutscher Ethikrat 2011, S. 37. Vertritt man den Standpunkt, dem Embryo komme erst nach der Nidation oder noch später Menschenwürde- und/oder Lebensschutz zu, muss das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht der Forschungsfreiheit alle Forschungsmaßnahmen in vitro legitimieren, ohne dass dem insoweit ein Verfassungsgut von gleichem Range entgegenstünde. 1768

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chen Voraussetzungen ein Mensch-Tier-Zybride für Forschungszwecke zugunsten des medizinischen Fortschritts verfügbar ist1773. Zur Beantwortung ist eine Ab­ wägung zwischen dem abgeschwächten Lebensschutzanspruch des Mensch-TierZybriden in vitro und den Forschungs- und Therapiechancen vorzunehmen. aa) Argumente gegen die Verfassungsmäßigkeit Eine Reihe von Argumenten spricht gegen die Verfassungsmäßigkeit der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zum Zwecke der Stammzellentnahme. (1) Bedeutung des Lebensschutzgebotes So stellt das Leben als vitale Grundlage aller sonstigen Freiheitsbetätigungen einen verfassungsrechtlichen Höchstwert dar1774. Aufgrund der Unumkehrbarkeit von Schädigungen und seiner zentralen Bedeutung ist das Leben in besonderer Weise auf staatlichen Schutz angewiesen1775. Berücksichtigt werden muss, dass im Gegensatz zur Forschung mit „überzähligen“ Embryonen, die ohnehin keine Lebenschance haben, embryonales Leben ausschließlich zu dem Zweck erzeugt wird, es nach wenigen Tagen wieder zu vernichten. (a) Keine Nothilfesituation Der Tatsache, dass Art.  2 II S.  3 GG unter bestimmten Voraussetzungen die Tötung von Menschen zulässt, wird entgegengehalten, dass dies nur zur Rettung eines anderen akut bedrohten Lebens gegen den Angreifer hingenommen wird, wie in den Fällen von Notwehr und Nothilfe1776. Zulässig sei dies nur, wenn die Gefahr von demjenigen ausgeht, der getötet wird. Von den Embryonen jedoch gehe keinerlei Gefahr aus, schon gar nicht, wenn sie eigens zum Verbrauch erzeugt werden1777. Diese seien vielmehr selbst in höchstem Maße gefährdet. Eine Parallele zum „finalen Rettungsschutz“ tauge nichts: Zwar solle im Fall des therapeutischen Klonens auch einer Quasi-Schutzpflicht für den Kranken nachgekommen werden, nur gehe von dem Embryo keine Gefahr für dieses Leben aus.  Die Herstellung menschlicher Embryonen zu wissenschaftlichen Zwecken, die sich allein durch Erkenntnisinteresse und Gestaltungswillen begründen und im Ergebnis zur Vernichtung dieser Embryonen führen, sei deshalb nicht legitimierbar. Ein Lebens 1773

Wuermeling, S. 45 (Die „Versachlichung“ des Embryos). Vgl. BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164), 88, 203 (263). 1775 BVerfGE 88, 203 (255). 1776 Hermann Barth, Gebhard Fürst, Peter Radtke, Eberhard Schockenhoff, Hans-Jochen Vogel in: Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (58). 1777 Epping/Hillgruber in: Beck’scher OK, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 20. 1774

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interesse müsse jedem Embryo unterstellt werden und eine Abwägung seiner Lebensinteressen gegen die Rechte und Interessen anderer könne, wenn überhaupt, nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Rechte eines anderen Menschen konkret und unmittelbar betroffen wären, was im Forschungszusammenhang aber gerade nicht der Fall sei1778. (b) Keine Rechtfertigung des Eingriffs durch Hoffnungen auf Therapie Außerdem wird angeführt, dass das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zuvorderst ein Abwehrrecht gegen fremde Einwirkungen sei, welches nicht zur Rechtfertigung eines Zugriffs auf fremdes Leben herangezogen werden könne1779. Ausgehend von dieser primären Konzeption vermittle Art. 2 II S. 1 GG keinen originären Leistungsanspruch auf Bereitstellung bestimmter medizinischer Therapien1780. Auch die verständliche Hoffnung Kranker, eines Tages könne ihr Leben oder ihre Gesundheit mit Hilfe neuer Heilmethoden, die aus solchen Forschungen hervorgehen, gelindert werden, legitimiere nicht, dass zu diesem Zweck Embryonen verbraucht werden. Die Forschungsfreiheit stoße in dem Moment an ihre Grenze, wenn ihre Ausübung andere von der Verfassung geschützte Werte, insbesondere Rechtsgüter Dritter, verletzt1781. Der Staat könne seine Pflicht zum Lebens- und Gesundheitsschutz selbst zum Wohl Schwerstkranker nur „unter angemessener Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter“ erfüllen1782. (c) Unzulässige Abwägung „Leben gegen Leben“ Selbst wenn das Klonen zu therapeutischen Zwecken ausdrücklich zur Abwehr schwerster gesundheitlicher Schädigungen für den Zellkernspender und nicht zu fremdnützigen Zwecken erfolgen sollte, liege eine Fallgestaltung vor, in der menschliches Leben  – das des behandlungsbedürftigen Spenders  – gegen menschliches Leben – das des Embryos – abgewogen wird1783. Aufgrund des unvergleichbaren personalen Wertes eines Menschenlebens sei eine solche Abwägung stets unzulässig, weil es weder einer quantitativen noch einer qualitativen Abwägung zugänglich sei1784. Mit diesem Grundsatz sei es nicht in Einklang 1778

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (96 f.). Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (60). 1780 Schwarz in: KritV 2001, 182 (205) mit Hinweis darauf, dass Merkel dies anzunehmen scheint, S. 37 f., wenn dieser von einer Hilfspflicht des Staates zur bestmöglichen Kompensation der natürlichen Ungleichverteilung von Krankheit und Gesundheit, Handlungs-, Erfüllungs- und Lebenschancen schwer kranker Menschen spricht. 1781 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (60). 1782 BVerfGE 88, 203 (254); vgl. dazu auch Dederer in: JZ 2003, 986, (989). 1783 Schwarz in: KritV 2001, 182 (205). 1784 Jeschek/Weigend, S. 509 f.; Roxin StrafR AT I, S. 622 f. 1779

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zu bringen, menschliches Leben zu dem Zweck zu erzeugen, es alsbald wieder zu vernichten1785. (d) Instrumentalisierung der Mensch-Tier-Zybriden für fremde Zwecke Die Problematik spitzt sich zu auf die Frage nach der Instrumentalisierung von Zybrid-Embryonen, nämlich der Inanspruchnahme für Zwecke anderer, sowie auf die Frage der Grenzüberschreitung. Die Tatsache, dass totipotente Zellen und damit Embryonen gezielt geschaffen werden, um ihre Entwicklung anschließend in Richtung bestimmter (pluripotenter) Zellen steuern zu können, stelle eine Instrumentalisierung von Menschen und eine Überschreitung der Grenze dar1786. Ähnlich spricht sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft in ihren Empfehlungen vom 03.05.2001 gegen das therapeutische Klonen aus, obwohl sie der embryonalen Stammzellforschung sonst sehr aufgeschlossen gegenübersteht und sich insoweit ein stärkeres Engagement der deutschen Wissenschaftler wünscht1787. Die Stammzellentnahme aus eigens zu diesem Zwecke erzeugten Embryonen verstößt nach Auffassung vieler gegen das grundgesetzliche Instrumentalisierungsverbot. Thera­peutisches Klonen weise ein solches Maß an „Verzweckung“ auf, dass eine Tabuverletzung naheliege, die in der „funktionalistisch reduzierten Erzeugung von menschlichen Embryonen“ zu sehen sei, „um sie sogleich als Forschungsmaterial zu „verbrauchen“ und zu töten“1788. Die Klonierung von Embryonen liege außerhalb ihrer Bestimmung1789. Angesichts der intendierten Totalvernutzung der entstehenden extrakorporalen Entität für fremde Ziele – die Therapie1790 – würden Würde, Integritätsrechte und Gleichheitsanspruch des Individuums verletzt1791. Menschliche Lebewesen würden nicht nur im Frühstadium ihrer Entwicklung zu fremden Zwecken genutzt und ihrer Entwicklungschance1792 beraubt, sondern sogar ausschließlich zum Zwecke ihrer Instrumentalisierung geschaffen, sodass die Verdinglichung menschlichen Lebens einen besonders hohen Grad erreiche1793 1785

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen, BT-Drs. 11/5460, S. 8. Taupitz fragt in Bezug auf das therapeutische Klonen suggestiv, ob es nicht auch eine Instrumentalisierung von Menschen und eine Überschreitung der Grenze darstelle, menschliche Embryonen gezielt zum Nutzen anderer Menschen zu schaffen: Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 1787 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 1788 Höfling, Bitburger Gespräche, S. 110; Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 21; in diese Richtung auch Iliadou, S. 133 f. 1789 Lorenz in: ZfL 2001, 38 (48); Lorenz in: FS Brohm, 441 (450 f.). 1790 Kersten, Klonen, S. 488; auch Hartleb, S. 234 f. 1791 Kersten, S. 574. 1792 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (95). 1793 Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 1 I, Rn. 100; Bormann in: ZME 2004, 131 (135, 139, 146); Iliadou, S. 133; Böckenförde in: JZ 2003, 809 (810, 815); Taboada in: Schweidler et al., S. 129 (146); Dietlein in: NWVBl. 2002, 453 (458); Höfling in: Stern/Tettinger, 151 (161); Höfling, Bitburger Gespräche, 99 (110); Sackowsky, Gutachten, S.  86; Nationaler Ethikrat 2001, Stammzellen, 5.2.3.; Laufs in: NJW 2000, 2716; Nationaler Ethikrat, Klonen, Position 1786

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und noch schwerer wiege als bei der Forschung an überzähligen Embryonen1794. Selbst wenn die Herstellung der Embryonen von ihrer Zielsetzung – der Hilfe für Schwerstkranke – durchaus als löblich erachtet werden möge, dürften zweifellos ebenfalls bestehende kommerzielle Motivationen in diesem Zusammenhang nicht ausgeblendet werden1795. Die Tatsache, dass die erzeugten Embryonen nach ihrer Zwecksetzung keine Entwicklungschance haben, unterfalle zweifelsfrei dem Tatbestand der Instrumentalisierung1796, denn ihre Erzeugung und Vernichtung diene einzig den Interessen anderer1797. Auch wenn diese Interessen nachvollziehbar und legitim seien, könnten sie es nicht rechtfertigen, Embryonen zur bloßen materiellen Ressource zu degradieren, dies suspendiere die Anerkennung und den Respekt vor den Embryonen. Sie würden von vornherein unter der Bedingung geklont, sich nie über die Zell-, Gewebe- bzw. Organspende hinaus zu entwickeln, sondern ihre Existenz werde aus therapeutischen Gründen für Dritte abgebrochen, sie seien­ bloßes Mittel zu Zwecken Dritter, ohne zugleich zumindest auch Zweck an sich zu sein1798. Es könne kein Motiv geben, das diese bloße Objektstellung des Klons zugunsten seines Verständnisses als Subjekt kompensieren könnte1799. Er werde als ungeborenes „Ersatzteillager“ benutzt1800 und somit der Entstehung menschlichen Lebens jeglicher Wert abgesprochen1801. Für die „Produktion“ von Embryonen für Forschungszwecke flankierten völker­ rechtliche Standards diese Bewertung. So verbiete die Konvention des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin1802 die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken ausdrücklich (Art. 18 II MRB). (e) Irrelevanz fehlenden Entwicklungspotenzials Weiterhin wird vorgetragen, dass die (möglicherweise) fehlende Nidations- und Entwicklungsfähigkeit von Mensch-Tier-Zybriden die Instrumentalisierung durch die Stammzellentnahme ebenso wenig legitimiere, wie es die mangelnde EntwickA, S. 52 (57); Müller/Klein/Chiariello in: ARSP 2003, 147 (157), die gerade die Herstellung von Embryonen mit dem Ziel der Verwertung in Forschung und Therapie als Menschenwürdeverstoß ansehen, wobei die Frage, ob der Embryo Menschenwürdeträger ist, ausdrücklich offengelassen wird; vgl. Graf, S. 360; vgl. ERK, BT-Drs. 14/7546, 2.1.6. 1794 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (57). 1795 Berger, S. 202. 1796 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (95 f.). 1797 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (96); Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 103. 1798 Kersten, S. 488. 1799 Kersten, S. 574. 1800 Chen, S. 45. 1801 Zur Erzeugung mittels IVF: Herdegen in: JZ 2001, 773 (775); Böckenförde 2003. 1802 Übereinkommen des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin – Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. 4. 1997.

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lungschance bei „überzähligen“ Embryonen tue. Gegner der verbrauchenden Embryonenforschung begründen dies mit einem Verstoß gegen das Lebensschutzgebot aus Art. 2 II S. 1 GG, welches auch „hoffnungslos verlorenem Leben“ zukomme, und argumentieren mit der kategorischen Erwägung, der Schutz menschlichen Lebens komme auch dem „zum Tode geweihten“ Embryo zu1803. Embryonen stehe ein „Recht auf einen ‚nutzlosen‘ Tod“ zu, wenn ein Weiterleben mangels Vorhandenseins einer zur Übertragung bereiten Frau unmöglich ist. Sie im Tod zum Nutzen anderer zu „verzwecken“ und zu „versachlichen“, widerspreche ihrer Subjektqualität1804. Denn menschliche Lebewesen seien keine dem freien Zugriff der Forschung unterliegende „Objekte“1805. Embryonen müssten sich auch nicht in falsch verstandener Solidarität „opfern“ lassen1806. Eine Einwilligung der Eltern analog § 1626 I  BGB sei mangels Gestattungs­ fähigkeit bedeutungslos, denn die Einwilligung in Forschungseingriffe bei NichtEinwilligungsfähigen und damit auch bei Embryonen müsse in deren Interesse liegen. Für die Zustimmung zu Experimenten mit nachhaltigen Beeinträchtigungen des Probanden oder gar tödlichem Ausgang sei hingegen kein Raum1807. (f) Embryonen als Rohstoff Weiterhin wird mit dem Unterschied zwischen anwendungsorientierter Forschung an Embryonen und der diagnostischen, präventiven und therapeutischen Verwendung von embryonalen Stammzellen argumentiert. Während Erstere diese zwecks Einblicks in die Mechanismen früher Zelldifferenzierung nutzt, um mit Hilfe dieser Erkenntnisse adulte Stammzellen durch Reprogrammierung zur Bildung von Geweben zu veranlassen, die anschließend im autologen System verwendbar sind, geht Letztere darüber hinaus, indem sie Embryonen verbraucht und die embryonalen Stammzellen materialiter1808 für klinische Versuche und Therapien nutzbar macht1809. Anders ausgedrückt, sieht die Forschung die Embryonen als Modell, während sie bei der Verwendung zu diagnostischen, präventiven und therapeutischen Zwecken als Material benutzt werden sollen. Riedel unterscheidet zwischen dem „Embryo als Wissensquelle, als biologischem Modell“

1803

Keller in: Günther/Keller, § 1 I Nr. 5, Rn. 6. Hopfauf/Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu GG, Art. 1, Rn 28, 30, 35; Starck in: Münch/ Kunig, Art. I, Rn 20, 103 f.; Stern Staatsrecht IV/1, S. 36 f.; Hillgruber in: FS Link, S. 643; a. A. Robbers in: Umbach/Clemens, Art 1, Rn 69 f.; Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 99; Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I, Rn 107. 1805 Epping/Hillgruber in: Beck’scher OK, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 20. 1806 So Dreier in: Dreier GG, Art. 1 I, Rn. 99; Höffe in: H/H/I/K, S. 9, 27 f.; Schlink, S. 20. 1807 Lorenz in: FS Brohm, 441 (451 f.). 1808 „Materialiter“, lat. „dem Stoff nach, auf ihn bezüglich“ – Gegensatz zu formaliter: „der Form nach“. 1809 Beckman in: JWE 2007, 191 (208). 1804

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und dem „Embryo als Rohstoff“1810. So führt er gegen die therapeutische Stammzellengewinnung an, dass das StZG von der Verwendung des Embryos „als Wissensquelle“ und von der unbegrenzten Vermehrungs- und Verwendungsfähigkeit einmal gewonnener embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken ausgehe, während die Einbeziehung der therapeutischen Verwendung eine fortlaufende „Embryonen-Produktion“ erfordere1811. Eine solche Anwendung setze, wie auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft vorgeschlagen1812, das Anlegen von Stammzellbanken mit frühen Zellpassagen voraus.  Dies wiederum bedinge die kontinuierliche Tötung weiterer Embryonen, also ihre Nutzung als kontinuierlich zu erneuerndem Rohstoff1813. Es komme zu einer „Institutionalisierung des Embryonenverbrauchs“1814. Embryonen bzw. Mensch-Tier-Zybride würden als „Mittel zum Zweck“, nämlich der Stammzellproduktion, missbraucht. Insofern sei die Verwendung zu therapeutischen Zwecken noch weniger zu rechtfertigen als zu Forschungszwecken1815. (2) Erhebung des Menschen zum „Schöpfer“ Auch wenn der erzeugte Mensch-Tier-Zybride nicht die 100-prozentige Kopie eines anderen Lebewesens darstellt, sei er doch das „Produkt seines Erzeugers“ und nicht der zufälligen Vermischung väterlichen und mütterlichen Erbgutes, welche die Einmaligkeit seiner Erbinformation und die Freiheit von Manipulation garantiert1816. Vielmehr werde eine genetische Konstitution gezielt zugewiesen und dadurch die Identität der menschlichen Persönlichkeit missachtet1817. Der Mensch erhebe sich zum „Schöpfer“, maße sich also göttliche Gewalt über Natur und Evolution an. Zudem bestehe bei der Methode der Klonierung ebenso wie bei der künstlichen Veränderung von Keimbahnzellen die Gefahr, dass sich Fehlschläge, die nach dem Stand der Wissenschaft unvermeidbar sind, nicht nur auf den betreffenden Embryo auswirken, sondern auch auf dessen Nachkommen1818.

1810

Riedel in: JWE 2007, 351 (377). Riedel in: JWE 2007, 351 (377). 1812 DFG 2006, S. 33. 1813 Riedel in: JWE 2007, 351 (378). Vgl. zum therapeutischem Klonen: Schwägerl, Der Embryo als Rohstoff, FAZ vom 28.20.2004. 1814 Vgl. Beckmann, JWE 2007, 199 (208) für humane embryonale Stammzellen. 1815 Dederer in: JZ 2003, 986 (987); BVerfGE 47, 327 (369 f.). Selbst wenn man Mensch-TierZybride nicht als menschliche Lebewesen qualifiziert, handle es sich nicht um „jede beliebige Biomasse“, sodass ihnen ein gewisses Maß an Respekt zukommen und bei der Güterabwägung im Rahmen der Gebotenheitsprüfung berücksichtigt werden müsse. 1816 Regierungsbericht zur Frage eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs beim Embryonenschutzgesetz, BT-Drs. 13/11263, S. 17. 1817 Vgl. die Begründung zum Verbot des Klonens in BT-Drs. 11/5460, S. 11. 1818 Taupitz/Brewe/Schelling in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 473. 1811

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(3) Verstoß gegen das Sittengesetz In der Debatte um die Nutzung von Stammzellen wird vielfach angeführt, dass diese einen Verstoß gegen das Sittengesetz darstelle1819. Neben der Tatsache, dass eine Übertragung auf andere Grundrechte als Art. 2 I GG unzulässig ist1820, bleibt unklar, inwiefern ein verfassungsrechtlicher Verstoß gegen das Sittengesetz vorliegt und nicht nur rein ethische Erwägungen erfolgen1821. (4) Instrumentalisierung der tierischen Eizellspender Die Zybridforschung zur Stammzellproduktion beinhalte eine Instrumentalisierung der tierischen Eizellspender. Zwar verstoße die Entnahme von Eizellen aus Tieren nicht gegen Verfassungsrecht, weil ein Individualtierschutz oder Würdeschutz weder aus Art. 20a GG noch aus Art. 1 I GG abgeleitet werden kann1822. Dennoch stelle die Tatsache ein Argument im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dar1823, denn der Forschungsfreiheit werden unter dem Aspekt des Tierschutzes Grenzen gezogen1824. Im besonderen Spannungsfeld von Forschungsbzw. Wissenschaftsfreiheit einerseits und Tierschutz andererseits – also auf dem Feld der besonders umstrittenen Tierversuche1825 – sei zu beachten, dass der Tierschutz durch seine Ausgestaltung als Staatszielbestimmung ein Rechtsgut mit Verfassungsrang darstellt, das im Hinblick auf die Schrankenformel des Bundesverfassungsgerichts vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte wie die Forschungsfreiheit des Art. 5 III S. 1 GG grundsätzlich einschränken kann1826. Vor diesem Hintergrund rechtfertige die Tatsache, dass Tiere zum Zwecke der Eizellengewinnung „benutzt“ werden, kein ausnahmsloses Verbot des Klonens, wohl aber müsse es im Interesse der Tiere beschränkend geregelt werden1827. (5) Therapiekosten Ob individuelle und vermutlich sehr kostenintensive Behandlungen mit Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden von der Allgemeinheit bzw. der jeweiligen Versichertengemeinschaft bezahlt werden können, sodass sie allen betroffenen Patien 1819

Vgl. Brewe, S. 110. Huster in: ZRP 1993, 326 (327); Dreier in: DVBl. 1980, 471 (472). 1821 Taupitz in: GenTechnik&Recht 2003, 11 (14). 1822 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Teil 4: A. I. 2. 1823 Vgl. Braun, S. 154. 1824 Vgl. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. (54). 1825 Kloepfer in: JZ 86, 205 (205); Lorenz in: FS Lerche S. 267 (277); Scholz in: Maunz/­Dürig, Art. 20a GG, Rn. 49, 53 f. 1826 Hillmer, S. 207; zu diesem verfassungsrechtlichen Kriterium vgl. BVerfGE 32, 98 (108); 35, 202 (225); 39, 1(43); 93, (121); BVerfG, NVwZ 2000, 909 f.; BVerwGE 105, 73 (78). 1827 Vgl. Braun, S. 166. 1820

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ten zur Verfügung stehen, sei sehr zweifelhaft1828. Stammzellbasierte Therapien müssten daher immer im Vergleich zu Biomaterialien mit niedrigeren Kosten bestehen, also kommerziell, wissenschaftlich und ökonomisch realisierbar und therapeutisch vorzugswürdig sein1829. Gerade vor dem Hintergrund des mit der demographischen Entwicklung in Zukunft zu erwartenden Kostenanstiegs, der dem Gesundheitssystem entsteht, sei dies relevant und Therapien mit Zellen aus Mensch-Tier-Zybriden für die Mehrzahl der Patienten nicht bezahlbar. (6) Alternativen zu Stammzellen aus Zybriden Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer gesetzlichen Regelung zur Zybridforschung wird die Frage nach Alternativen relevant. Verbreitet wird gefordert, die Wissenschaft solle sich, zumindest zunächst, auf die ethisch unproblematische(re) Forschung mit anderen Arten von Stammzellen beschränken1830. (7) Missbrauchs- und „Dammbruch“-Argumente In die Abwägung müssen zudem gesellschaftliche Belange, Missbrauchsgefahren, das Argument der „schiefen Ebene“ und „Utilitarismusvorwürfe“ mit ein­ gestellt werden. Sie haben zwar keinen eigenen verfassungsrechtlichen Stellenwert, spielen aber bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine Rolle1831. Das Argument der Missbrauchsgefahr wird oftmals zum Postulat „Wehret den Anfängen“ und auch das Argument der „Schiefen Ebene“ zeigt den Tenor: „Wer jetzt die Herstellung und Nutzung von Zybriden für den medizinischen Einsatz erlaubt, wird bald auch die rein kommerzielle Verwendung gutheißen, sodass schon der erste Schritt verhindert werden muss“1832. Auch durch ein gesetzliches Verbot lasse sich nicht vollständig ausschließen, dass ein Mensch-Tier-Zybride in eine menschliche oder tierische Gebärmutter implantiert und womöglich sogar geboren wird. An der Bewertung ändere sich auch dadurch nichts, dass die Geburt eines solchen Mischwesens aus wissenschaftlicher Sicht sehr unwahrscheinlich ist. Das theoretische Missbrauchsrisiko bestehe jedenfalls.  Zudem relativiere die zunehmende Vernutzung menschlicher Zellen die gesellschaftlichen Wertsysteme1833.

1828

Riedel in: JWE 2007, 351 (378). Sattler de Sousa e Brito, GRUR int. 2007, 712 (712) – Vortrag von Prof. Ralf Huss. 1830 Riedel in: JWE 2007, 351 (378). 1831 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 39. 1832 Losch in: NJW 1992, 2926 (2927). 1833 Wodarg, vgl. URL: http://www.wodarg.de/presse/veroeffentlichungen/1507833.html.

1829

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

bb) Argumente für die Verfassungsmäßigkeit Demgegenüber sprechen gewichtige Argumente für die Verfassungsmäßigkeit der Herstellung und therapeutischen Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden. (1) Bedeutung der Forschungsfreiheit Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass Art. 5 III S. 1 GG nicht nur ein subjektives Abwehrrecht des Wissenschaftlers und Forschers, sondern auch eine objektive Wertentscheidung der Verfassung zugunsten einer freien Wissenschaftsund Forschungstätigkeit beinhaltet1834. Dies hat eine staatliche Verpflichtung zu wissenschafts- und forschungspolitischer Neutralität zur Folge1835. Aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist der Staat verpflichtet, Forschung zu fördern und zumindest nicht ohne guten Grund durch Regulierung zu vereiteln1836. Gleich­zeitig obliegt dem Gesetzgeber eine Schutzpflicht für das embryonale Leben, sodass es nicht um eine klassische bipolare Beziehung Bürger – Staat, sondern um eine Dreiecksstruktur Bürger – Staat – Embryo geht1837. Mit dem Eingriff in die Rechte der Wissenschaftler greift der Staat nicht nur in deren Rechte ein, sondern kommt zugleich seiner Schutzpflicht nach. Ein Verbot der therapeutischen Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden müsste eine angemessene Regelung innerhalb der Grenzen von Unter- und Übermaßverbot darstellen. Der Wissenschaft und Forschung kommt, wie bereits erläutert, eine Schlüsselfunktion sowohl für die Selbstverwirklichung des Einzelnen als auch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zu1838. Die Norm steht zudem in engem Zusammenhang mit dem Menschenwürdegrundsatz, der in den einzelnen Grundrechten eine wesentliche Ausprägung erfährt. In der Wissenschaftsfreiheit wahrt er einerseits ein Freiheitsbedürfnis, das wie kein anderes zum Wesenszug des Menschen gehört, „der als Homo Sapiens zur globalen Entwicklung angetreten ist“1839: Im menschlichen Wissens- und Erkenntnisdrang findet die menschliche Selbstverwirklichung und Würde einen besonders charakteristischen Ausdruck1840. Auf der anderen Seite schützt die Wissenschaftsfreiheit mit der fundamentalen menschlichen Qualität der Wissens- und Wahrheitssuche auch die wichtigste Grundlage der menschlichen Kultur und Zivilisation. Zu Recht wird sie daher als sozialbezogen, als „Grundlage des Fortschritts der Zivilisation, der technologischen Entwicklung und sozialökonomischen Wohl-

1834

BVerfGE 35, 79 f. Papier in: NuR 1991, 161 (162, 168). 1836 Nationaler Ethikrat 2007, S. 39. 1837 Middel, S. 247. 1838 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (78). 1839 Losch, S. 130. 1840 Perniece in: Dreier GG, Art. 5 III S. 1 GG, Rn. 16. 1835

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471

fahrt im Gemeinwesen“ bezeichnet1841. Es existiert ein enger konstitutiver Zusammenhang zwischen Wissenschaftsfreiheit und Menschenwürdeschutz. Ohne die Freiheit der Erkenntnis kann eine menschenwürdige Lebensordnung nicht bestehen, weil die Forschungsfreiheit auch die Erarbeitung der Wissensgrundlagen für die Richtigkeit der menschlichen Entscheidungsprozesse schützt1842. Freie Wissenschaft und Forschung sind Grundvoraussetzung geistiger Freiheit und objektiver Wahrheitsfindung, sichern das Fortleben moderner Hochtechnologiegesellschaften1843 und sind für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung eines modernen Gemeinwesens von grundlegender Bedeutung. (a) Verstärkung durch Berufs- und allgemeine Handlungsfreiheit Verstärkt wird die Wissenschaftsfreiheit durch die allgemeine Handlungs­ freiheit und die Berufsfreiheit. Die Tatsache, dass embryonale Stammzellen etwas Besonderes sind und (derzeit) nur durch die Tötung von Embryonen gewonnen werden können, vermag die Berufsfreiheit einzuschränken1844. Ein Gesetz, das die Ärzteschaft ohne gewichtigen Grund zu einer Behandlung unterhalb medizinischer Standards zwingt, ist jedoch unzumutbar und unverhältnismäßig1845. Allerdings zählen Therapien mit Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden (noch) nicht zum medizinischen Standard. (b) Verstärkung durch die Heilungsinteressen der Patienten Mit der Stammzellengewinnung aus Mensch-Tier-Zybriden werden hochrangige therapeutische Zwecke verfolgt1846. Neben den Rechten der Ärzte und Wissenschaftler ist zu berücksichtigen, dass Art.  5 III S.  1 GG durch das Interesse Kranker an Heilung und Genesung ergänzt und verstärkt wird1847, soweit durch die Zybridforschung neue Therapiemöglichkeiten entwickelt oder bereits vorhandene verbessert werden sollen. Allerdings betont das Bundesverfassungsgericht, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft am besten dient1848. Die Entscheidung sollte jedoch so verstanden werden, dass auch eine Wissenschaft ohne gesellschaftlichen Nutzen oder Zweck den hohen Schutzstandard des Art. 5

1841

Perniece in: Dreier GG, Art. 5 III S. 1 GG, Rn. 16. Losch, S. 320, 355. 1843 Middel, S. 248. 1844 Taupitz in: GenTechnik&Recht 2003, 11 (15). 1845 Bioethik-Kommission RP 2005, S. 12. 1846 Vgl. Teil 2: A. VII. 2., VIII., IX. 1847 Wendtland, S. 151. 1848 BVerfGE 47, 327 (370). 1842

472

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

III S.  1 GG genießt1849. Das Heilungsinteresse der Patienten fungiert als Stütze freier medizinischer Forschung und wirkt sich bei Abwägungsentscheidungen forschungsfördernd aus1850. Dabei ist es unverhältnismäßig, Herstellung und Nutzung von Mensch-Tier-Zybriden nur dann zuzulassen, wenn dies das Leben anderer Menschen tatsächlich retten könnte1851. Ob sich die mit der Forschung verfolgten Hoffnungen erfüllen, kann nie vorab, sondern nur durch die Forschung selbst beantwortet werden1852. Die Wissenschaftsfreiheit wird nicht nur wegen konkreter Erfolge geschützt, die von der Wissenschaft vorab als „erreichbar“ bewiesen werden müssten1853, sondern vielmehr um der „wissenschaftlichen Neugier“ und des „Strebens nach Neuem“ an sich, also um der Wissenschaft selbst willen1854. (c) Verstärkung durch das Selbstbestimmungsrecht der Körperzellspender Zwar fallen das beeinträchtigte Selbstbestimmungsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit der Körperzellspender, die ihre Zellen zur Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zur Verfügung stellen wollen, im Vergleich zu den hochrangigen Rechtsgütern der Forschungsfreiheit und der Hoffnungen auf neue Therapien kaum ins Gewicht. Zudem gehen sie meist in den Rechten der Patienten auf, weil es gerade diese sein werden, die Körperzellen spenden möchten, um für sich immunkompatible Ersatzzellen oder Ersatzgewebe zu erhalten. Die Tatsache, dass auch die Rechte rein altruistisch handelnder Spender beeinträchtigt werden können, ist dennoch ein Votum zugunsten der Zulässigkeit der Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung. (2) Staatliche Schutzpflicht für die Patienten aus Art. 2 II GG Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit stellt innerhalb der grundgesetzlichen Werteordnung einen „Höchstwert“1855 dar, auch wenn es keinen ausnahmslosen Vorrang genießt1856 und der Gesetzgeber ermächtigt wird, verfassungsrechtlich vorgegebene Interessen zu konkretisieren1857. Zwar kann Art. 2 II 1849

Middel, S. 252. Schmidt-Aßmann, S. 55; Wolf, S. 188; Schulze-Fielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 68. 1851 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 51. 1852 Wolfgang van den Daele, Horst Dreier, Detlev Ganten, Volker Gerhardt, Christiane Nüsslein-Volhard, Peter Propping, Heinz Putzhammer, Jens Reich, Bettina Schöne-Seifert, Richard Schröder, Jochen Taupitz, Kristiane Weber-Hassemer in: Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (64). 1853 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 1854 BVerfGE 90, 1 (11). 1855 BVerfGE 49, 24 (53). 1856 BVerfGE 88, 203 (254). 1857 Vollmer, S. 157. 1850

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S. 1 GG weder in seiner Funktion als Abwehr- noch als Leistungsrecht dem Verbot des therapeutischen Klonens entgegengehalten werden, weil die Technik noch nicht für den Therapieeinsatz beim Menschen ausgereift ist1858. Dennoch bildet die Norm eine objektive Werteordnung, in der ein gesundes menschliches Leben dergestalt als Verfassungswert etabliert wird, dass es dem Staat verwehrt sein muss, medizinische Forschungen mit dem Ziel der Entwicklung therapeutischer medizinischer Verfahren ohne Not zu begrenzen1859. Dies schließt jede Regulierung aus, die schwer kranken Patienten den Zugang zu einer möglichen Therapie versperrt, welche die einzige Aussicht auf Hilfe eröffnet1860. Aus dem Lebensschutzgebot hat das Bundesverfassungsgericht die Pflicht des Staates abgeleitet, sich nicht nur schützend, sondern auch fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 II S. 1 GG zu stellen1861. Zwar verfügt der Staat über einen weiten Handlungs- und Gestaltungsspielraum, es zeigt sich aber, dass Art. 2 II S. 1 GG nicht nur ein Hindernis für bio­medizinische Forschungen darstellt, sondern vielmehr diese in ihm gegenläufig eine Stütze findet: Die Norm begründet nicht nur einen verfassungsrechtlichen Wert auf Seiten des Embryos, sondern auch auf Seiten jedes Patienten1862. Implizit wird auf die „Ethik des Heilens“ angespielt, die in der verfassungsrechtlichen Literatur auf die Menschenwürde gestützt wird und als moralische Solidaritätspflicht ohnehin außer Zweifel steht1863. (3) Richtlinienwirkung aus Art. 2 II S. 1 GG Neben den Aspekten eines Rechtes der Patienten auf Zugang zu medizinischen Therapien und einer staatlichen Schutzpflicht entfaltet Art. 2 II S. 1 GG Richt­ linienwirkung für die Gesetzgebung im medizinischen Bereich1864. Die objektivrechtliche Schutzfunktion ist umso größer, je schwerer die zu heilende Krankheit und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität und Lebenserwartung des Patienten sind1865. Auch die Erfolgsaussichten, wie sie sich nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft darstellen, müssen in die Bewertung ebenso wie alternative Therapiemöglichkeiten mit einfließen1866. Für viele Krankheiten, die durch klassische Therapiemaßnahmen nicht geheilt werden können, stellen medizinische Anwen-

1858

Vgl. Teil 4: B. IV. 1. c) aa) (2). Röger in: JRE 2003, 313 (316). 1860 Nationaler Ethikrat 2007, S. 13. 1861 BVerfGE MedR 1997, 318 (319); vgl. BVerfGE 46, 160 (164); 56, 54 (73); 90, 145 (195). Vgl. auch Starck in: Mangold/Klein/Starck, Art. 2 II, Rn. 190 mit dem Hinweis darauf, dass der vom BVerfG verwendete Ausdruck „fördern“ mehr auf eine „weiche“ Staatszielbestimmung hinweist. 1862 Middel, S. 253. 1863 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (78 f.). 1864 Vgl. BVerfGE 39, 1 (1); Brewe, S. 74. 1865 Vgl. hierzu Röger in: JWE 2001, 313 (316). 1866 Vgl. Brewe, S. 74. 1859

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

dungen mit embryonalen Stammzellen die einzige Heilungschance dar1867. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gibt dem Gesetzgeber den Auftrag, divergierende Rechtsgüter einander so zuzuordnen, dass jedem optimale Wirkung garantiert wird. Je weiter sich die Forschung entwickelt, desto konkreter zeichnen sich Therapiemöglichkeiten ab, geraten die Lebens- und Heilungsinteressen ins Blickfeld und entfalten bei der Abwägung stärkeres Gewicht1868. Die Frage der Zulässigkeit der Forschung beantwortet sich damit im Laufe der Zeit anders, nicht weil sich das Menschenbild ändert oder im Laufe der Zeit immer weniger „wert“ ist, sondern weil die Forschung neue Abwägungsfaktoren liefert oder sogar aufdrängt. Beim derzeitigen Stand der Wissenschaft mag ein Forschungsmoratorium zwar noch hinnehmbar sein, bei fortschreitender Entwicklung wird es aber revisionsbedürftig werden. Mit einem Verbot würde man anderen Staaten die Aufklärungslast aufbürden und selbst (nur) von den Resultaten profitieren, denn es ist ausgeschlossen, im Ausland mit Hilfe der Zybridforschung entwickelte Therapien für bislang unheilbare Krankheiten Patienten in Deutschland zu verweigern1869. Die Richt­ linienwirkung des Art. 2 II S. 1 GG ergibt somit zusätzliches Gewicht für die Zulassung der Forschung mit embryonalen Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden und deren Verwendung zu gesundheitsorientierten Zwecken1870. (4) Staatlicher Heilauftrag aus Art. 1 I S. 2 GG Neben der Funktion der Menschenwürde als Schutzrecht, um insbesondere staatlichem Handeln Grenzen zu setzen, wird der Menschenwürde eine weitere gegenläufige Komponente zugeschrieben: eine herausfordernde Dimension, sodass auch ein Unterlassen der Hilfe und der Verhinderung gegenwärtigen und zukünftigen Leids gegen die Menschenwürde verstoßen kann1871. Den Staat trifft die Pflicht zur Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen1872, sodass Art. 1 I S. 2 GG „jedenfalls die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein“1873 im Sinne eines Existenzminimums garantieren soll1874. Die Heilung von Patienten und der Gesundheitsschutz1875 werden in diesem Sinne von der Menschenwürde umfasst1876. Krankheiten, welche die Selbstbestimmung beeinträchtigen oder den Menschen dauerhaft von fremder Hilfe und technischen Hilfsmitteln abhängig ma 1867

Vollmer, S. 157. Zum Folgenden: Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438). 1869 Im Hinblick auf das therapeutische Klonen bzw. Forschungsklonen mit menschlichen­ Eizellen: Beckmann, Stellungnahme, S. 11; Haker, Stellungnahme, S. 6 f. 1870 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 37; Ipsen in: JZ 2001, 989 (996); Brewe, S. 74. 1871 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3435). 1872 Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 19. 1873 BVerfGE 40, 121 (133); 48, 346 (361); 89, 346 (353). 1874 Höfling in: Sachs GG, Art. 1, Rn. 24 f. 1875 Kreß in: ZRP 2006, 219 (220); Bioethik-Kommission RP 2005, 2. Teil, These 6. 1876 Faßbender in: NJW 2001, 2749; Fechner in: JZ 1986, 653; Anselm et al., Pluralismus als Markenzeichen, FAZ v. 23.01.2001; vgl. zum Ganzen: Schütze, S. 265. 1868

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chen, könnten neben dem Grundrecht auf Leben und Gesundheit auch die Menschenwürde tangieren, wobei von einer solchen Beeinträchtigung im Einzelfall schon bei unerträglichen Schmerzen ausgegangen werden könne1877. Auf der anderen Seite ist nicht zu erwarten, dass mit der Zybridentechnik die Humanität des Umgangs der Menschen untereinander oder das Selbstverständnis der auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Gesellschaft gefährdet wird1878, zumal Diagnose und Therapie von Krankheiten ein Musterbeispiel des hochrangigen Zwecks darstellen1879. (5) Wesensgehaltsgarantie Möglicherweise kommt bei der Einführung eines vollständigen gesetzlichen Verbots sogar ein Verstoß gegen die Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 II GG in Betracht1880. Verbietet der Staat Heilmaßnahmen, ohne dass gleichwertige Therapien zur Verfügung stehen, kann sein aktives Tun ursächlich für den früheren Tod eines Individuums werden, sodass das Verbot einen Eingriff in den Wesensgehalt des Rechts auf Leben darstelle und die Art. 19 II, 2 II S. 1 GG verletzt werden1881. (6) Nachweltschutz (Art. 2 II GG, Art. 1 I S. 2 GG) In Betracht zu ziehen ist des Weiteren eine objektive Schutzpflicht des Staates gegenüber Leben und Gesundheit künftiger Patienten1882. Dabei geht es um Nachweltschutz und gesellschaftliche Interessen. Medizinische Forschung und Versorgung zählen auch zu der Verpflichtung zur Wahrnehmung der Verantwortung für zukünftige Generationen aus Art. 2 II S. 1 i. V. m. Art. 1 I S. 2 GG1883, sodass Handeln und Unterlassen im Lichte dieser Verantwortung zu bewerten und Risiken und Chancen verantwortungsvoll gegeneinander abzuwägen sind1884. Dem Staat kommt somit eine Verpflichtung zur Lösung einer Konkurrenz mit der Wahrung der Würde anderer zu1885. Das Bestehen von Schutzpflichten des heutigen Staates für kommende Generationen erscheint unter dem Aspekt zweifelhaft, dass diese womöglich in einem vollkommen anderen Staat und Staatssystem leben werden1886. Das Bemühen um Fortschritte bei der Heilung und Linderung von Krankheiten stellt im Hinblick 1877

Bioethik-Kommission RP 2002, S. 37. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (63). 1879 So auch der Nationale Ethikrat 2007, S. 39. 1880 Vgl. hierzu Pieroth/Schlink, Rn. 298 f. 1881 Vollmer, S. 169. 1882 Mertin in: ZRP 2006, 59 (60). 1883 Vgl. BVerfGE 39, 1 (42). 1884 Taupitz in: NJW 2001, 3434 (3436). 1885 So Vollmer, S. 220. 1886 Vollmer, S. 52. 1878

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auf zukünftige Generationen jedoch zweifellos ein hohes ethisches und soziales Gut dar. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht wird eine entsprechende Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit zukünftiger Patienten anerkannt: Aus Art. 1 und 2 GG ergibt sich ein objektiver Schutzauftrag zugunsten von Leben und Menschenwürde potenzieller Patienten. Der Staat hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die Medizin Krankheiten bekämpfen kann, welche die Selbstbestimmung des Menschen beeinträchtigen. Die Grenzen zwischen dem Schutz zukünftiger und heutiger Patienten sind fließend und gehen beide im objektiven Gehalt des Grundrechts aus Art. 2 II S. 1 GG auf. Schließlich kommt die Verpflichtung des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit jetzt existierender automatisch auch künftigen Generationen zugute1887. Insofern bildet der Aspekt des Nachweltschutzes eine Verstärkung der objektiv-rechtlichen Schutzwirkung zugunsten heutiger Patienten. (7) Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG, Art. 28 I S. 1 GG) Das in Art. 20 I GG und Art. 28 I S. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip umfasst auch die Bereiche der Gesundheitsvorsorge und -fürsorge und hat seiner Offenheit entsprechend programmatischen Charakter. Aus dieser Staatsstrukturnorm folgt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die objektiv-rechtliche Pflicht, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen1888. Die Gewährleistung von Leben und körperlicher Unversehrtheit gebietet als Wert setzendes Programm für staatliches Handeln allein in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip den Aufbau und die Unterhaltung einer leistungsfähigen medizinischen Versorgungsstruktur1889. Allerdings handelt es sich insoweit lediglich um eine leistungsrechtliche Minimalgarantie1890. Aus dem Sozialstaatsprinzip lassen sich kaum konkrete Einzelkonsequenzen ableiten1891. Diese können allenfalls aus den Grundrechten in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgen, denn dieses stellt allein keine Grundlage subjektiver Rechte oder unmittelbar eintretender Rechtsfolgen dar1892. In Kombination mit Art. 2 II S. 1 GG wird vorrangig die Frage nach der leistungsrechtlichen Funktion des Grundrechts im Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung und Daseinsvorsorge berührt1893. Geht es nicht um Bereitstellung oder Inanspruchnahme staatlicher Mittel, ist das Sozialstaatsprinzip für die verfassungsrechtliche Beurteilung des grundsätzlichen Zugangs zu bestimmten therapeutischen Anwendungen ohne Bedeutung. 1887

Vollmer, S. 53. BVerfGE 103, 172 (172). 1889 Kunig in: Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 60; Murswiek in: Sachs, Art. 2, Rn. 225; SchulzeFielitz in: Dreier GG, Art. 2 II, Rn. 58. 1890 Vitzthum, S. 273. 1891 Sachs in: Sachs GG, Art. 20, Rn. 47. 1892 Sachs in: Sachs GG, Art. 20, Rn. 50. 1893 Brewe, S. 75. 1888

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(8) Fehlende Bedeutung des Missbrauchs-Arguments Gegen die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden wird angeführt, sie begründe die Gefahr, dass die erzeugten Embryonen verbotenerweise in den Uterus einer Frau oder eines Tieres transferiert werden. Es ist jedoch keinesfalls gerechtfertigt, die medizinische Versorgung aus Missbrauchserwägungen zu verbieten. Das Missbrauchsargument ist prinzipiell ungeeignet, ein solches Verbot zu rechtfertigen1894. (9) Vorwirkender Grundrechtsschutz versus Forschungsfreiheit Noch der Klärung harrt das Verhältnis eines vorwirkenden Grundrechtsschutzes ungeborenen Lebens zu kollidierenden Grundrechten. Von besonderer Brisanz ist die Einschränkbarkeit vorbehaltlos garantierter Grundrechte wie der Freiheit der Wissenschaft aus Art. 5 III S. 1 GG1895. Auch vorwirkender Grundrechtsschutz vermag als verfassungsimmanente Begrenzung grundrechtlich geschützter Freiheitsräume zu wirken, wobei die Konkretisierung dieser Schranken dem parlamentarischen Gesetzgeber – wiederum im Rahmen eines beachtlichen Einschätzungsspielraums – obliegt1896. Die Güterabwägung zwischen vorwirkendem (objektiven) Lebensschutz und Forschungsfreiheit trägt  – wie jedes Austarieren widerstreitender Grundrechtsbelange – das Risiko verfassungsgerichtlicher Verwerfung in sich1897. Im Kontext der Embryonenforschung ist entscheidend, dass bis zum Zeitpunkt der Nidation noch kein Grundrechtsträger vorhanden ist, sodass schon aus diesem Grund der Schutzumfang nicht derselbe sein kann wie bei einem bereits existierenden Individuum1898. Der objektive Lebensschutz durch Nukleustransfer erzeugter Embryonen ist offen für eine Abwägung widerstreitender Interessen, was auch der Gesetzgeber mit der Schaffung des Implantationsverbots in § 6 II ESchG eindrücklich unter Beweis gestellt hat1899. Denn in der Norm wird eine Abstufung zwischen dem Klon und dem durch Befruchtung erzeugten Embryo vorgenommen, die sonst verfassungsrechtlich unhaltbar wäre1900. Dieser Argumentation lässt sich allerdings mit dem allgemein gültigen Einwand begegnen, dass einfachgesetzliche Vorschriften nicht zur Interpretation der Verfassung herangezogen werden dürfen. Unter dem Aspekt, dass das einfache Recht die Verfassung konkretisiert, lässt sich zumindest aber eine hinweisende Bedeutung nicht bestreiten. Der 1894

Vgl. zur grundsätzlichen Kritik am Missbrauchs-Argument Teil 4: A. I. 4. b) gg). Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 81. 1896 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 81 mit dem Hinweis darauf, dass bei der Zulassung oder dem Verbot der Verwertung von unter Würde verletzendem Embryonenverbrauch gewonnenen Stammzellenlinien etwa von deutschen Forschungseinrichtungen gesetzte Anreize, die Schwere der Würdeverletzung und die zeitliche Distanz zu berücksich­tigen seien. 1897 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I GG, Rn. 82. 1898 Vgl. auch Middel, S. 151 f. 1899 Herdegen in: Maunz/Dürig, Art. 1 I S. 1 GG, Rn. 99 f.; Herdegen in: JZ 2001, 773 (775 f.). 1900 Berger, S. 198. 1895

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

vorwirkende Lebensschutz ist abstufbar und tritt in seiner Wertigkeit hinter der vorbehaltlos gewährleisteten Forschungsfreiheit zurück: Die Abwägung zwischen Lebensrecht des Embryos und Art. 5 III S. 1 GG ergibt einen Vorrang für die Forschung, zumal das Lebensrecht nicht absolut ist, sondern, wie der ausdrückliche Gesetzesvorbehalt des Art. 2 II S. 3 GG zeigt, ein Eingriff auf gesetzlicher Grundlage gerechtfertigt sein kann1901. Darüber hinaus zeigt die nicht ernsthaft kritisierte Zulässigkeit von Nidationshemmern, dass in der ­Tötung menschlichen Lebens nicht per se eine Verfassungswidrigkeit erblickt werden kann, obwohl diese alltäglich und vieltausendmal zur Tötung von befruchteten Eizellen im Mutterleib, also zur Tötung von Embryonen, führen1902. Weiterhin sei zu berücksichtige, dass die Menschenwürde auf das künftig zu gebärende Leben bezogen und dem künftigen potenziellen Träger vorgeordnet, gleichsam auf dessen zukünftiges Leben projiziert werde1903. Per definitionem solle beim Klonen zu therapeutischen Zwecken gerade kein Leben entstehen, sodass es anders als beim reproduktiven Klonen keine Rückprojizierung des Grundrechtsschutzes geben könne; es müsse kein Mensch um seiner selbst willen geschützt werden, was gegen einen Grundrechtsverstoß spreche1904. Beim Mensch-Tier-Zybriden kommt hinzu, dass die Zugehörigkeit zur Gattung „Mensch“ zweifelhaft ist und ihm – bislang – nur nach dem Auslegungsgrundsatz „In dubio pro vita“ Lebensschutz zugestanden werden kann. (10) Fehlende Instrumentalisierungshandlung Ein Menschenwürdeverstoß ist bereits aus dem Grund abzulehnen, dass MenschTier-Zybriden in vitro nicht dem Schutz des Art. 1 I S. 1 GG unterfallen. Unabhängig davon sprechen zahlreiche Argumente gegen eine Instrumentalisierungshandlung durch die Erzeugung therapeutischer Klone zu hochrangiger Forschung. (a) „Akt der Selbsthilfe“ Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Lebensschutz stellt Schwarz fest, dass dieser „nicht umfassend und absolut gilt, sondern durchaus partiellen Relativierungen zugänglich ist, die es im Einzelfall nicht ausschließen, dass das Leben in toto vernichtet wird.“1905. Dem Instrumentalisierungsvorwurf hält Schwarz entgegen, dass es beim therapeutischen Klonen nicht um die Instrumentalisierung fremden, sondern eigenen Lebens gehe und es sich aufgrund der gewollten gene­ 1901

Taupitz in: Wobus et al., S. 180. Taupitz in: Wobus et al., S. 181. 1903 Rosenau in. FS Schreiber, 761 (780); Rosenau in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, 135 (151). 1904 Rosenau in: FS Schreiber, 761 (780); Rosenau in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, 135 (151); Höfling, S. 43; Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3438) m. w. N. 1905 Schwarz in: KritV 2001, 182 (205). 1902

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tischen Identität von Kernspender und Embryo vielmehr um einen zulässigen „Akt der Selbsthilfe“ und nicht um eine Abwägung „Leben gegen Leben“ handle: „Gerade im Hinblick auf das Menschenwürdeargument besteht hinsichtlich der Anwendung der Objektformel aber ein kardinaler Fehler: Wenn darauf abgestellt wird, bei der Verwendung von Embryonen zu therapeutischen Zwecken würden diese menschlichen Wesen ausschließlich für die Zwecke anderer instrumentalisiert, um so wahrscheinlich schwerstes menschliches Leid zu verhindern, so dienen sie gerade nicht fremdem Leben. Gerade die genetische Identität zwischen dem Kernspender und dem Embryo, die, um körpereigene Immunreaktionen zu unterdrücken, Voraussetzung des therapeutischen Klonens ist, zeigt sehr deutlich, dass es im Kern um einen Akt der Selbsthilfe geht“1906. Damit sei keine heteronome Verfügung über menschliches Leben und menschliche Würde ersichtlich und die Aufopferung für lebenswichtige Forschungszwecke stelle keine inhumane Objektivierung des Embryos dar1907. Diese Lösung entspricht einem im Schrifttum schon frühzeitig verfolgten Ansatz, das Verhältnis von subjektiver und objektiver Dimension für einen Konfliktfall fruchtbar zu machen, indem als legitimes Forschungsziel die auf andere Weise nicht verfolgbare Wahrung elementarer Belange konkreter bzw. konkretisierbarer Individuen herangezogen wird1908. Dem Vorhalt, der Kernspender erhielte so die Möglichkeit, über eine andere Person zu verfügen und deren Handlungsmöglichkeiten zu kontrollieren1909, hält Schwarz entgegen, dass auch die Zeugung, jedenfalls aus Perspektive des Nasciturus, immer einen „Akt der Fremddeterminierung“1910 darstelle, sodass dies allein nichts über eine eventuelle Würdeverletzung aussagen könne1911. Indes dürfe nicht übersehen werden, dass die aufgeworfenen Fragen als von Grund auf neue Probleme, die bei Erlass des Grundgesetzes nicht zu Diskussion standen, nicht im Wege der herkömmlichen Verfassungsauslegung beantwortet werden können1912. Ob die Argumentation einer Selbsthilfe in einem frühen Stadium, in dem zunächst die Forschung und noch nicht die Therapie im Vordergrund steht, haltbar ist, wird allerdings bezweifelt1913. Zudem sei aus dem Blickwinkel des geklonten Embryos der Zellspender doch fremdes Leben1914. Zu kritisieren ist zudem, dass die Lösung zu sehr vom Ergebnis her gedacht und dogmatisch nicht haltbar ist. 1906

Schwarz in: KritV 2001, 182 (208). Schwarz in: KritV 2001, 182 (208) mit Verweis auf Vitzthum, in: Braun/Mieth/Steigleder, S. 281. 1908 Schwarz in: KritV 2001, 182 (208), FN. 175 mit Verweis auf Vitzthum in: ZRP 1987, 33 (36); Jonas, S. 38, 1909 Schwarz in: KritV 2001, 182 (208) mit Verweis auf Habermas in: SZ. 17./18.01.1998 und Wuermeling, S. 51 f., der auf die Gefahr hinweist, dass der Embryo nicht in dem Maß akzeptiert wird, in dem es den Erwartungen entspricht. 1910 Schwarz in: KritV 2001, 182 (208) mit Verweis auf Birnbacher in: Braun/Mieth/Steigleder, S. 77, 78. 1911 Schwarz in: KritV 2001, 182 (208). 1912 Schwarz in: KritV 2001, 182 (210) mit Verweis auf Braun in: KJ 2000, 332 (333). 1913 Berger, S. 198. 1914 Berger, S. 198; a. A. Höfling in: ZME 2001, 277 (282 f.); Röger, S. 214. 1907

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(b) Solidarisches Potenzial von Embryonen Andere argumentieren mit einem „solidarischen Potenzial“ und „würdehafter Aufopferung“. Das Vermögen eines Embryos erstrecke sich heute nicht mehr nur auf Schwangerschaft, Geburt oder Abtötung, sondern auch auf den diagnostischen Beitrag zur erfolgreichen Schwangerschaft nicht behinderter Geschwisterembryonen, die medizinische Forschung und künftig sogar auf die Heilung vormals unheilbar Kranker, bilde mithin das „Potenzial zum Helfen, Verzichten, Sich­aufopfern und Aufgeopfertwerden, solidarischen Einsatz bis zum Äußersten und Letzten“1915. Die Verwendung zu Forschungszwecken stelle die Erfüllung eines humanen Zweckes und damit keine Degradierung des Embryos dar, sondern vielmehr einen letzten Erweis der Würde1916 und entspreche dem Menschenbild des Grundgesetzes, das den Menschen als gemeinschaftsbezogenes und -gebundenes Wesen sieht1917. Auch wenn die Ausweitung der Menschenwürdegarantie zu einer „Menschenwürdepflicht“ zu weit geht, zeigt diese Argumentation, dass jedenfalls keine Menschenwürdeverletzung in der Stammzellengewinnung aus Klon-Embryonen zu erblicken ist. (c) Vermeidung der Zerstörung bereits existenten Lebens Es ließe sich argumentieren, die Erschaffung von Embryonen zum Zwecke der Zerstörung stelle, insgesamt betrachtet, eine „neutrale Handlung“ dar1918: Nicht Bestehendes wird vernichtet, sondern „nur“ etwas, das eigens zu diesem Zwecke produziert wurde. In der Gesamtbilanz gehe also kein Leben „verloren“. Kritisch anzumerken ist, dass eine solche Bilanzierung auf eine unzulässige Abwägung „Leben gegen Leben“ hinauszulaufen droht. Sie zeigt aber, dass die Embryonen­ erzeugung zur Stammzellengewinnung im Vergleich zur Gewinnung aus bereits existierenden Embryonen verfassungsrechtlich nicht anders bewertet werden muss.  (d) Keine „Verobjektivierung“ des Mensch-Tier-Zybriden Nach der Objektformel darf kein Mensch „zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur unvertretbaren Größe herabgewürdigt“ werden. Für die Frage nach einer Instrumentalisierung ist somit die Finalität des Handelns entscheidend: Soweit 1915

Schlink, S. 17. Fechner in: JZ 1986, 653 (659), der von einem Verständnis ausgeht, dass Opfer und Dienst etwas mit Würde zu tun haben, was insofern bedenklich ist, als nach heutigem Verfassungsverständnis gerade die Asymmetrie von Pflichten und Rechten zwischen Bürger und Staat als Errungenschaft zu begreifen ist, vgl. Schütze, S. 262. 1917 BVerfGE 4, 7 (15 f.); BVerfGE 12, 45 (51). 1918 Middel, S. 244. 1916

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das Motiv in der Erlangung wissenschaftlicher Kenntnisse über zellbiologische Vorgänge mit der langfristigen Perspektive der Heilung schwerer Krankheiten besteht, kann man hierin keine Demütigung oder Erniedrigung erblicken, die dem „Herabwürdigen“ vergleichbar wäre, wie es bei geborenen Menschen bei Folter, Brandmarkung oder Ächtung der Fall ist1919. Die Produktion von ZellkerntransferEmbryonen widerspricht nur dann der Menschenwürde, wenn sie allein zu solchen Zielen erfolgt, die keinen tieferen Sinn für das Wohl der Allgemeinheit schaffen können1920. Das therapeutische Klonen zur Heilung schwerer Krankheiten muss anders beurteilt werden als das zur Herstellung kosmetischer Produkte1921. Erfolgt es zu hochrangigen medizinischen Zwecken, ist die Abwägung der widerstreitenden Positionen nicht nur zulässig, sondern sogar geboten1922. Der Menschenwürdeschutz muss sich nicht auf abenteuerliche Vorstellungen von Mensch-Tier-Mischwesen als Fabelgestalten einstellen, sondern auf die besondere Existenzform am Lebensbeginn1923. Soweit es um den Einsatz für die medizinische Forschung geht, lässt sich die Verurteilung als „menschenwürdewidrige, verächtliche und perverse Behandlung“ nicht daraus ableiten, dass man sich eine tatsächlich gar nicht entwicklungsfähige Missgestalt vorstellt. Auch in diesem Bereich muss man sich der Unterschiedlichkeit der Existenzformen im molekularen und zur Gestalt gewordenen Erscheinungsbild bewusst sein. (e) Vermeidung der Tötung menschlicher Embryonen Nicht außer Acht zu lassen ist die Tatsache, dass durch die Gewinnung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden die Nutzung menschlicher Embryonen zurückgefahren oder sogar überflüssig werden könnte. Es müssen auch keine menschlichen Gameten zur Embryonenerzeugung verwendet werden; vielmehr wird für die Zybrid-Herstellung nur eine menschliche Körperzelle benötigt. (f) Vermeidung der Verwendung menschlicher Eizellen Zudem stellt die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden ein milderes Mittel zur Gewinnung immunkompatibler Stammzellen dar als das therapeutische Klonen, weil es die Verwendung menschlicher Eizellen, die nur unter hohen medizinischen Risiken für die spendenden Frauen gewonnen werden können, vermeidet. 1919

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (73 f.). Herdegen in: JZ 2001, 773 (776). 1921 Schlink, S. 19. 1922 Merkel in: Geyer, 51, (64), für den es unerheblich ist, ob die Embryonen erst durch das therapeutische Klonen entstehen, weshalb die strafbewehrten Verbote des ESchG nicht nur grundlos seien, sondern auch im Widerspruch zur Verfassung stünden. 1923 Zum Folgenden: Losch in: NJW 1992, 2926 (2928). 1920

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

(g) Fehlende Entwicklungsmöglichkeit der Mensch-Tier-Zybriden Gegen eine Menschenwürdeverletzung durch die Stammzellengewinnung aus Mensch-Tier-Zybriden spricht schließlich deren fehlende Entwicklungsfähigkeit bis zur Nidation oder gar bis zur Geburt. Sie werden durch die Tötung im Zuge der Stammzellentnahme also nicht spürbar beeinträchtigt. Es darf kein widersprüchlicher Lebensschutz erzwungen werden1924. Das Instrumentalisierungsverbot endet, wenn entstehendes menschliches Leben keine Chance hat, sich zu einem vollständigen Menschen zu entwickeln, und noch nicht individualisiert und auch nicht leidensfähig ist. Denn in diesem Fall wird kein Erfolgsunwert verwirklicht und ein möglicher Handlungsunwert durch die Chance, wertvolle Heilungsmöglichkeiten für lebende Menschen zu gewinnen, kompensiert1925. Als objektive Grundrechtsnorm vermittelt Art. 2 II S. 1 GG einen in der Intensität gestuften Lebensschutz, wobei der Embryo auf der niedrigsten Stufe steht, wenn er sich gar nicht in der Entwicklung zum Menschen befindet, weil keine Herbeiführung einer Schwangerschaft bezweckt wird1926. Mangels Entwicklungsmöglichkeiten für den konkreten Embryo ist eine Nutzung zu Forschung und Stammzellengewinnung legitim1927. (11) Alternativlosigkeit Weiterhin lässt sich anführen, dass zumindest aktuell von der Alternativlosigkeit der Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden auszugehen ist. Das Argument, andere Arten von Stammzellen seien vorzugswürdig, überzeugt nicht. Die Vergleichbarkeit des therapeutischen Potenzials verschiedener Stammzellen kann nur dann valid festgestellt werden, wenn auch vergleichende Forschung an verschiedenen Zelltypen durchgeführt wird1928. Der Einsatz anderer Arten von Stammzellen ist zum derzeitigen Stand der Wissenschaft zur Erreichung der hochgesteckten Forschungs- und Therapiezwecke nicht gleich geeignet1929. Ein weitreichender internationaler Konsens unter den zuständigen Fachwissenschaftlern besagt, dass embryonale Stammzellen für die erhofften therapeutischen Fernziele derzeit das mit Abstand am meisten versprechende Potenzial bieten1930, weil sie über wesentliche Fähigkeiten verfügen, die für die mögliche Verwirklichung jener Ziele erforderlich sind und die andere Stammzellen jedenfalls bisher nicht oder nicht in gleicher Stärke oder experimenteller Nutzbarkeit aufweisen1931. Demnach sind embryonale Stammzellen der schnellste und beste Weg, sie therapiebezogen einzusetzen 1924

Losch in: NJW 1992, 2926 (2930). Schroth in: JZ 2002, 170 (178) für „überzählige“ IVF-Embryonen. 1926 Dederer in: AöR 2002, 1 (19) für „überzählige“ IVF-Embryonen. 1927 Hofmann in: JZ 1986, 253 (258); Starck 1986, S. A 7, A 35. 1928 Merkel, S. 259 m. w. N. 1929 Vgl. Teil 2: A. VI. 1930 Merkel, S. 258 m. w. N. 1931 Vgl. den Überblick bei Vogel, S. 1418. 1925

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

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sowie grundlegende Einsichten über die zellulären Differenzierungsvorgänge zu erlangen1932. Werden beim Nukleustransfer tierische Eizellen verwendet, verfügen nach derzeitigen Erkenntnissen die erzeugten Entitäten über die gleichen Eigenschaften und Fähigkeiten wie unter Verwendung menschlicher Eizellen geklonte Embryonen. Die einzige gleichwertige Alternative zur Stammzellengewinnung aus Mensch-Tier-Zybriden bildet daher das therapeutische Klonen. Dieses ist wegen der problematischen Verwendung menschlicher Eizellen aber als weniger mildes Mittel einzustufen als die Verwendung tierischer Eizellen, und der Einsatz rein menschlicher Embryonen ist aus rechtlicher wie ethischer Sicht keinesfalls milder. Aus medizinischer Sicht ist er bezüglich der Wirksamkeit und Effektivität gegenüber Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden möglicherweise vorzugswürdig. Gleiches gilt in noch stärkerem Maße für Stammzellen aus Befruchtungsembryonen, wie z. B. „überzähligen“ aus IVF oder „verworfenen“ aus PID. Aufgrund deren höherer (verfassungsrechtlichen) Schutzwürdigkeit handelt es sich jedoch nicht um ein milderes Mittel zur Gewinnung von Stammzellen. (12) Vermeidung von Wertungswidersprüchen Außerdem ist es kaum widerspruchsfrei zu begründen, die Verwendung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken zu verbieten, das künstliche Erzeugen eines Embryos zum Zwecke der Erfüllung eines Kinderwunsches und das Übertragen von drei Embryonen auf eine Frau mit dem Ziel, ein Kind zu erzeugen, sowie das Absterbenlassen „überzähliger“ Embryonen rechtlich zu gestatten1933. Weiterhin ist an die Hinnahme der Verwendung von Spiralen und anderen Nida­ tionshemmern zu denken, welche zur „alltäglichen routinemäßigen Tötung von befruchteten Eizellen“ und damit von Embryonen führen1934. Selbst wenn man die Stammzellengewinnung aus Mensch-Tier-Zybriden nicht als das mildeste Mittel betrachtet, ist zu bedenken, dass auch Nidationshemmer nicht das mildeste und ethisch unproblematischste Mittel zur Empfängnisverhütung darstellen, von der Rechtsordnung aber gestattet werden1935. Zudem zeigt die Zulässigkeit der postmortalen Organentnahme zum Zwecke der Transplantation, dass selbst Menschenwürdeschutz, wie er anerkanntermaßen auch Verstorbenen zukommt1936, die persönlich nicht konsentierte fremdnützige Inanspruchnahme eines menschlichen 1932

Vgl. Middel, S. 250. Vgl. zu alternativen Quellen bzw. Ersatz für embryonale Stammzellen Teil 2: A. VI.: Adulte Stammzellen, embryonale Keimzellen, neonatale oder foetale Stammzellen, adulte Keimzellen sowie künstliche Keim- und Stammzellen stellen keinen gleichwertigen Ersatz dar, was zurzeit auch (noch) für induzierte pluripotente (adulte) Stammzellen gilt. 1933 ZEK 2002, S. 35. 1934 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3437). 1935 Taupitz in: NJW 2001, 3433, FN. 34. 1936 BVerfGE 30, 173 (193).

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Organismus, dessen Zellen außerhalb des Gehirns (noch) leben, der aber keine Lebenschance mehr hat, keineswegs ausschließt1937. cc) Ergebnis Bei der Abwägung sprechen die besseren Argumente dafür, der Forschungsfreiheit aus Art. 5 III S. 1 GG gegenüber dem Lebensrecht von Mensch-Tier-Zybriden in vitro den Vorrang einzuräumen, sodass ein generelles Verbot der Zybridenerzeugung unverhältnismäßig wäre. Rein religiös oder ethisch-weltanschaulich motivierte Gründe stellen keine verfassungsrechtlichen Argumente dar und können demzufolge nicht überzeugen. Die Bedeutung von Forschung und Wissenschaft sowie des Gesundheitsschutzes ist hingegen in der Werteordnung des Grundgesetzes von überragender Wichtigkeit. Die Zulassung der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zu therapeutischen Zwecken, also zum Erhalt oder der Verbesserung von Leben und Gesundheit kranker Menschen, ist verfassungsrechtlich aus dem Blickwinkel des Lebensschutzes aus Art. 2 II S. 1 GG zulässig. Dem steht auch das Instrumentalisierungsverbot als Ausfluss der Menschenwürdegarantie nicht entgegen, weil die Verwendung zur Stammzellengewinnung nicht nur mangels Menschenwürdeschutzes für diese Entitäten keine Verletzung des Art. 1 I S. 1 GG darstellt, sondern vielmehr bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung auch die Ziele der fraglichen Maßnahme berücksichtigt werden müssen und keine unzulässige Instrumentalisierungshandlung vorliegt: Die Herstellung der Mensch-Tier-Zybriden erfolgt keinesfalls zu einem herabwürdigenden Zweck, sondern zu zweifellos hochwertigen und ethisch sinnvollen therapeutischen Anwendungszielen. Ein Totalverbot der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zu hochrangigen Forschungs- oder Therapiezwecken wie der Gewinnung von Stammzellen würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit darstellen, welche in ihrem Gewicht durch die Interessen der Patienten an Genesung und die staatliche Verpflichtung zum Gesundheitsschutz noch verstärkt wird. Mensch-Tier-Zybriden in vitro kommt per se nur ein geringerer objektiv-rechtlicher Grundrechtsschutz zu als Befruchtungsembryonen. Dies spricht dafür, dass deren Verwendung zur Stammzellengewinnung im Vergleich zu derjenigen aus IVF-Embryonen erst recht verfassungsrechtlich zulässig sein müsste. Die Situation stellt sich bei Zybriden nur insofern anders dar als bei „überzähligen“ IVFEmbryonen, als diese extra und ausschließlich zum Zwecke der Stammzellengewinnung hergestellt werden. Die Herbeiführung einer Schwangerschaft wurde bei ihrer Erzeugung zu keinem Zeitpunkt geplant. Somit stellt sich die Frage, ob sich diese Intention und diese Verfahrensweise mit dem Grundgesetz vereinbaren lassen. Herstellungsprozess und intendierter Verwendungszweck bilden Grund 1937

ZEK 2002, S. 35.

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und Ursache für die geringere Schutzwürdigkeit. Es handelt sich um reine Forschungsentitäten beziehungsweise um (totipotente) Zellkulturen, die in einem völlig anderen Kontext erzeugt werden als menschliche Embryonen. Von vornherein zielt ihre Entwicklung nicht auf die Ganzheitsbildung ab, sondern auf die Verwendung zu Therapiezwecken. Insofern ist es sachgerecht, diese zwar wie lebende Zellen und daher mit dem gebührenden Respekt zu behandeln, nicht jedoch gleich einem menschlichen Embryo zu schützen. Zudem handelt es sich bei dem von vornherein intendierten Verwendungszweck keinesfalls um eine verächtliche, herabwürdigende Handlung, sondern vielmehr um die Verfolgung eines hochrangigen und wertvollen Therapieziels. Zu diesen Zwecken verstoßen Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden nicht gegen das Grundgesetz. 2. Verhältnismäßigkeit eines Verbots des Imports von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden Erst recht besteht keine staatliche Schutzverpflichtung, den Import von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden zu untersagen1938. Zu klären bleibt, ob es von Verfassungs wegen möglich wäre, ein entsprechendes Verbotsgesetz zu erlassen bzw. das StZG insoweit zu ändern. Das wäre nicht möglich, wenn ein entsprechendes Gesetz in unverhältnismäßiger Weise in entgegenstehende Grundrechte eingreifen würde. Beim Import zu Forschungszwecken bildet Art. 5 S. 1 III GG ein entgegenstehendes Verfassungsgut. Ab dem Zeitpunkt, an dem Therapiemöglichkeiten mit Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden existieren, würde der Gesetzgeber zudem in die Rechte der Patienten auf Therapie und Genesung aus Art. 2 II S. 1 GG eingreifen sowie Rechte der Ärzte aus Art. 12 I S. GG und subsidiär aus Art. 2 I GG, die bereits im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Art. 5 III S. 1 GG ausführlich erörtert wurden. Während bei staatlichen Schutzpflichten gefragt wird, ob das Untermaßverbot verletzt wird, geht es bei der Prüfung, ob ein einschränkendes Gesetz unverhältnismäßig in Grundrechte eingreift, um die Einhaltung des Übermaßverbots. Mittelbar geht es auch darum, ob die bestehende Regelung des StZG, die sich auf rein humane Stammzellen bezieht, verfassungskonform ist. a) Legitimes Ziel Ein verfassungsrechtlich vorgeschriebener Zweck, der zur Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Forschungsfreiheit erforderlich wäre, ist entsprechend obigen Ausführungen bei der Einfuhr von Stammzellen nicht ersichtlich1939. 1938

Vgl. Teil 2: A. III. Dederer in: JZ 2003, 986; Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (84); Müller-Terpitz, Bio­ medi­zin, S. 52. Diese Autoren vertreten deshalb die Ansicht, die über die Stichtagsregelung hinausgehenden Beschränkungen des StZG schützten keine Verfassungsgüter, sondern lediglich moralische Überzeugungen. 1939

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

Im Hinblick auf Art. 5 III GG würde sich das StZG mangels Verfolgung eines legitimen Zwecks somit als verfassungswidrig darstellen1940. In der „Waagschale“ liegt bei der Betrachtung der Zulässigkeit des Imports von Stammzellen zum Zweck der therapeutischen Verwendung im Inland jedoch nicht die Forschungsfreiheit, sondern (nur) Grundrechte der Ärzte und Patienten, die per Gesetz eingeschränkt werden können. Bezüglich der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieser Grundrechtsbeeinträchtigungen genügt es deshalb, wenn ein Ziel verfolgt wird, das nicht von Verfassungs wegen verboten ist. aa) Schutz ausländischer Embryonen Eine grundgesetzliche Schutzpflicht für ausländische Embryonen besteht nicht1941. Ebenso wenig existiert ein Schutzrecht, da die Geltungskraft des Grundgesetzes und der durch sie errichteten Werteordnung territorial auf das Bundes­ gebiet und die Ausübung deutscher Staatsgewalt beschränkt ist1942. bb) Verhinderung der Veranlassung einer Embryonentötung im Ausland Ein solches Schutzrecht kann nur durch einen innerstaatlichen Anknüpfungspunkt entstehen. In Betracht zu ziehen ist die Vermeidung einer Tötungsveranlassung durch eine Nachfragesteigerung an Embryonen. Im Zusammenhang mit den Erfordernissen der Hochrangigkeit und Alternativlosigkeit wird vom Gesetzgeber die Begründung angeführt, dass „die Nachfrage in Deutschland tätiger Forscher nach embryonalen Stammzellen auf ein Mindestmaß beschränkt werden“ soll, um der „künftigen Forderung“ nach einer „Öffnung der gesetzlichen Bestimmungen“ von vornherein zu begegnen1943. Einer derartigen Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten steht das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip nicht entgegen1944. Schließlich bleibt die Ausübung der Hoheitsgewalt auf das eigene Gebiet beschränkt. Es geht um die extraterritoriale Wirkung einer Norm, nicht um eine derartige Anwendung. Zudem handelt es sich um eine Begünstigung ausländischer Rechtsträger1945. Dem Gesetzgeber steht es demnach frei, auch Gefährdungslagen, welche die Schwelle einer gezielten Anstiftung noch nicht er­reichen, zu verhindern1946. Diesbezüglich würde der Gesetzgeber also ein legitimes Ziel verfolgen.

1940

So auch Klopfer, S. 81. Vgl. Teil 3: A. III. 1. 1942 Vgl. Teil 3: A. III. 1., siehe auch Löwer, A-Drs. 14–574 l, S. 4. 1943 BT-Drs. 14/8394, S. 9, Begründung zu § 5. 1944 Brewe, S. 102. 1945 Brewe, S. 103. 1946 So auch Löwer, A-Drs. 14–574 l, S. 5. 1941

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cc) Schutz embryonaler Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft Gleiches gilt für den Schutz embryonaler Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft. Ein solcher ist nicht verfassungserzwungen1947. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Frage nach dem grundrechtlichen Status des Embryos erst für den Zeitpunkt nach der Nidation rechtsverbindlich entschieden1948. Die Zuschreibung postmortaler Menschenwürde – wie es dem Verständnis des Gesetzgebers des StZG zu entsprechen scheint1949 – bewegt sich innerhalb der Wortlautgrenze von Art. 1 I und 2 II GG und im Rahmen zulässiger Verfassungskonkretisierung1950. Ein grundrechtliches Verbot der dargestellten Ziele des Stammzellgesetzes existiert demzufolge nicht. b) Geeignetheit Von der Geeignetheit der Verwendungsbeschränkung des StZG für die Erreichung der gesetzgeberischen (legitimen) Ziele ist bereits dann auszugehen, wenn die Maßnahme aus der Perspektive des Gesetzgebers diese auch nur zu fördern vermag, wobei ihm bei der Beurteilung ein Prognosespielraum zukommt1951. Bedenken bestehen deshalb lediglich im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention, die Tötung von Embryonen im Ausland zu verhindern, weil der Gesetz­geber des StZG ihnen im Inland grundrechtlichen Schutz zuschreibt1952. Damit wird versucht, im Ausland begangene Grundrechtsverletzungen, welche aber mit dem dortigen Recht in Einklang stehen, dadurch zu verhindern, dass im Inland Rechte der Wissenschaftler und Patienten beschränkt werden1953. Embryonen – menschliche und hybride –, aus denen im Ausland Stammzellen gewonnen wurden, können durch ein Verwendungsverbot in Deutschland jedoch nicht mehr geschützt werden1954. Der bezweckte Schutz des Lebens geht somit im Hinblick auf die getöteten Embryonen im Ausland ins Leere1955, die Bestimmung ist ungeeignet, die Veranlassung einer Embryonentötung im Ausland zu verhindern. Zum Schutz embryonaler Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft aus lebenden Embryonen, denen man postmortale Menschenwürde zuspricht, wäre ein gesetzliches Verbot hingegen geeignet. 1947

Vgl. Teil 3: A. III. 2 b). BVerfGE 1 (37); 88, 203 (251 f.). 1949 Um die vorbehaltlos gewährleistete Forschungsfreiheit aus Art.  5 III  GG zu begrenzen, muss der Zweck der Beschränkung schließlich auf einem verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgut basieren und es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber „sehenden Auges“ gegen die Verfassung verstoßen wollte; vgl. Klopfer, S. 56. 1950 Löwer, A-Drs. 14–574 l, S. 3. 1951 Ipsen, S. 675. 1952 Vgl. Benda in: NJW 2001, 2147; Dederer in: AöR 2002, 1; Herdegen in: JZ 2001, 773;­ Ipsen in: JZ 2001, 989; Kloepfer in: JZ 2002, 417; Schwarz in: KritV 2001, 182; Taupitz in: NJW 2001, 3433; Taupitz in: ZRP 2002,111. 1953 Müller-Terpitz in: WissR 2001, 271 (280). 1954 Bioethik-Kommission RP 2002, S. 19. 1955 Dederer in: JZ 2003, 986 (992). 1948

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Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

c) Erforderlichkeit Das StZG bezieht sich nicht nur auf den zurückliegenden Verbrauch von Embryonen im Ausland, sondern soll ausländische Embryonen auch zukünftig davor schützen, dass ihr Verbrauch von Deutschland aus „veranlasst“ wird (§ 1 Nr. 2 StZG). Der Forderung nach einer Lockerung des Gesetzes soll von vornherein begegnet werden1956. Dem Schutz ausländischer Embryonen vor einem Verbrauch für inländische Forschungszwecke dient aber bereits das Embryonenschutzgesetz, und zwar unmittelbar, denn in Verbindung mit den allgemeinen strafrechtlichen Normen verbietet es jeden von Deutschland aus erfolgenden kausalen Beitrag zur Embryonentötung im Ausland1957. Über diesen Schutz reicht das StZG mit seiner Stichtagsregelung nur sehr geringfügig hinaus. Es verhindert nicht den Embryonenverbrauch im Ausland und auch nicht, dass für die weltweit bestehende Nachfrage nach embryonalen Stammzellen ausländische Embryonen zerstört werden. Vielmehr beseitigt es lediglich den Anreiz ausländischer Forscher, embryonale Stammzellen in der Erwartung herzustellen, sie später gerade nach Deutschland exportieren zu können1958. Ob ein solcher Anreiz, realistisch betrachtet, überhaupt anzunehmen ist, erscheint allerdings sehr zweifelhaft, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Nachfrage nach diesen Zellen weltweit besteht und aus einer vorhandenen Stammzell-Linie beliebig viele embryonale Stammzellen gewonnen werden können1959. Damit ist ein kausaler Beitrag zum Embryonenverbrauch im Ausland gerade durch eine Nachfrage aus Deutschland äußerst unwahrscheinlich1960. Vor diesem Hintergrund erscheint jedenfalls eine über die Stichtagsregelung hinausgehende Beschränkung der Verwendung auf Forschungszwecke nicht erforderlich. Erforderlich wäre diese nur, wenn der Embryonenverbrauch für den Einsatz embryonaler Stammzellen zu therapeutischen gegenüber Forschungszwecken erheblich erhöht würde. Einige meinen, dass die Verwendung embryonaler Stammzellen als klinischen Materials eine ungleich größere Bedarfsquantität erfordere als die Nutzung derselben zu Forschungszwecken, also als Erkenntnismodell1961, sodass es zu einer „Institutionalisierung des Embryonenverbrauchs“ komme1962. Ob eine solche Gefahr, z. B. durch das Anlegen embryonaler Stammzellbanken, tatsächlich besteht, kann letztlich nur von Sachverständigen, also Medizinern bzw. Biologen, geklärt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass sich aus einer Stammzell-Linie beliebig viele Stammzellen gewinnen lassen, ist die Überzeugungskraft des Arguments der Verbrauchssteigerung im Hinblick auf die Forschung begrenzt, sodass das Kriterieum der Erforderlichkeit jedenfalls

1956

BT-Drs. 14/8394, S. 9, Begründung zu § 5. Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 3. 1958 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 4. 1959 Hillgruber in: HFR 2008, 111 (115). 1960 Taupitz, A-Drs. 16(18)335-DE, S. 4. 1961 Beckmann in: JWE 2007, 199 (209). 1962 Beckmann in: JWE 2007, 199 (208). 1957

B. Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten

489

diesbezüglich verneint werden muss.  Für therapeutische Zwecke werden allerdings individuelle Stammzell-Linien benötigt, sodass sich der Verbrauch gegenüber der Forschung erhöht. Weiterhin ist nicht ersichtlich, wie eine restriktive Genehmigungsmöglichkeit die Forderung nach einer Lockerung verhindern soll. Vielmehr ist die Begründung bereits in sich widersprüchlich: Sollte  – wie bereits vor der Verschiebung des Stichtages im Jahr 2008 – die naturwissenschaftliche Notwendigkeit entstehen, weitere (nach dem 01.05.2007 gewonnene) embryonale Stammzellen in die Forschung einzubeziehen, werden die engen Bestimmungen des StZG erst recht zu der Forderung nach einer Lockerung des Gesetzes führen1963. Übrig bleibt somit der gesetzgeberische Zweck, embryonale Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft vor bestimmten Verwendungen zu schützen. Die Tatsache, dass es sich nicht um beliebiges biologisches Material handelt, sondern embryonalen Stammzellen ein gewisses Maß an Respekt zukommen muss, ist bei der Güterabwägung im Rahmen der Gebotenheitsprüfung zu bedenken1964. d) Angemessenheit Ein Importverbot zu Forschungszwecken ist unangemessen, da der vorbehaltlos gewährleisteten Freiheit der Forschung nach Art. 5 III S. 1 GG keine Güter von Verfassungsrang gegenüberstehen. Abzuwägen ist bei der Prüfung der Ange­ messenheit eines Importverbotes zu Therapiezwecken zwischen dem Achtungsanspruch embryonaler Stammzellen und den Rechten der Ärzte und Patienten auf Therapien bzw. Gesundheit1965. Der Schutz embryonaler Stammzellen als eines besonderen Gutes stellt einen vernünftigen Grund des Allgemeinwohls dar und vermag daher die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit einzuschränken1966, solange keine konkreten Therapiemöglichkeiten mit Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden existieren. Unverhältnismäßig würde das Gesetz, wenn Ärzte bereits entwickelte, Erfolg versprechende Verfahren nicht anwenden dürften. Daneben sind die (zukünftigen) Beeinträchtigungen der Kranken und Patienten zu beachten. Während die Embryonen, aus denen die importierten Stammzellen gewonnen wurden, ohnehin keine Entwicklungs- und Lebenschance hatten und die Verwendung zu einem humanen Zweck nicht als missbräuchlich angesehen werden kann1967, können stammzellbasierte Therapien für schwer kranken Patienten die einzige Aussicht auf Hilfe eröffnen1968. In der Abwägung müs 1963

Taupitz in: GenTechnik&Recht 2003, 11 (14). Dederer in: JZ 2003, 986 (987); BVerfGE 47, 327 (369 f.). 1965 Röger in: JWE 2001, 313 (316): „Respekt vor embryonalen Stammzellen“ versus „Gesund­ heit der Patienten“. 1966 Taupitz in: GenTechnik&Recht 2003, 11 (15). 1967 BVerfGE 4, 7 (15 f.); BVerfGE 12, 45 (51). 1968 Nationaler Ethikrat 2007, S. 13. 1964

490

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

sen zudem gesellschaftliche Belange wie „Dammbruch“-Gefahren berücksichtigt werden. So wird angeführt, die Erlaubnis des medizinischen Einsatzes embryonaler Stammzellen führe dazu, bald auch die rein kommerzielle Verwendung gutzuheißen, sodass schon der erste Schritt verhindert werden müsse1969. Die medizinische Versorgung ausschließlich aus derartigen Erwägungen zu verbieten, ist aufgrund der Untauglichkeit des „Dammbruch“-Arguments jedoch keinesfalls­ gerechtfertigt1970. e) Ergebnis Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt, dass ein Importverbot für Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden zu reinen Therapiezwecken verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre. Rechte von Ärzten und Patienten werden erst ab dem Zeitpunkt beeinträchtigt, an dem konkrete therapeutische Einsatzmöglichkeiten mit solchen Stammzellen bestehen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht wäre ein Importverbot zum heutigen Zeitpunkt möglich und läge innerhalb der zulässigen Verfassungskonkretisierung. Wenn entsprechende Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, würde ein Importverbot jedoch verfassungswidrig, weil es die Ärzteschaft zu einer Behandlung unterhalb des medizinisch möglichen Standards zwänge. Eine solche Beeinträchtigung der Rechte der Ärzte und vor allem der Patienten wäre nicht mehr zu rechtfertigen. Dies gilt jetzt schon für den Import zu Forschungszwecken.

C. Verfassungsrechtliche Gesamtaussage I. Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden Das Grundgesetz trifft keine eindeutige Aussage darüber, ob die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung zulässig ist. Es spricht sich weder klar für ein Verbot aus noch zwingt es zu einer Zulassung. Den Staat trifft einerseits die verfassungsrechtliche Pflicht, Mensch-Tier-Zybriden vor einem Zugriff durch Dritte zu schützen. Auf der anderen Seite muss er der vorbehaltlos durch Art.  5 III S.  1 GG gewährleisteten Freiheit von Forschung und Wissenschaft Rechnung tragen sowie die Rechte der Patienten berücksichtigen, die ihre Körperzellen zur Verfügung stellen möchten, damit daraus unter Verwendung tierischer Eizellen als Reprogrammierungsmedium therapeutisch wirksame und immunkompatible Zellen und Gewebe für die Heilung ihrer schweren Krankheiten

1969

Losch in: NJW 1992, 2926 (2927). Vgl. zur Ungeeignetheit des „Dammbruch“-Arguments Teil 4: A. I. 4. b) gg).

1970

C. Verfassungsrechtliche Gesamtaussage

491

hergestellt werden können. Der Staat muss somit eine angemessene Abwägungsentscheidung zwischen dem Lebensrecht der Zybrid-Embryonen in vitro und den Forschungs- und Heilungsinteressen der Wissenschaftler und Patienten fällen. Ein gesetzliches Totalverbot der therapeutischen Erzeugung würde in unverhältnismäßiger Weise in Art. 5 III S. 1 GG eingreifen. Es würde keine angemessene Regelung innerhalb der Grenzen von Über- und Untermaßverbot darstellen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Herstellung und therapeutische Verwendung uneingeschränkt „zugelassen“ werden müsste bzw., verfassungsrechtlich korrekt formuliert, gar nicht reglementiert werden dürfte. Vielmehr muss der Gesetz­ geber ebenso seiner Schutzpflicht für das embryonale Leben nachkommen, zumal die erzeugten Entitäten bei der Stammzellentnahme getötet werden. Zwar unterfällt der Mensch-Tier-Zybride in vitro dem objektiv-rechtlichen Schutzgehalt des Art. 2 II S. 1 GG. Das Recht auf Leben wird aber auch bei Betrachtung von Herstellung und Vernichtung als einheitlichem Lebenssachverhalt nicht verletzt, weil es Abwägungen zugänglich ist, die ergeben, dass das therapeutische Klonen unter Verwendung tierischer Eizellen zu hochrangigen Forschungs- und Therapiezwecken zur Heilung oder Linderung bisher unheilbarer Krankheiten gerechtfertigt ist. Ein kategorisches Verbot ist nicht verfassungsrechtlich vorgegeben. Die grundsätzliche Schutzpflicht des Staates für die zu erzeugenden Mensch-TierZybriden aus Art. 2 II S. 1 GG bedeutet aber, dass der Staat zu ihrem Schutz tätig werden und einen gewissen Mindestschutz gewährleisten muss.  Wie er dies tut, bleibt der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen, dem ein weiter Gestaltungsspielraum, die gesetzgeberische Prärogative, zukommt: Er bleibt bei der Abwägung zwischen den kollidierenden Verfassungswerten sowie der Auswahl der Regelungsmöglichkeiten frei1971.

II. Import und Verwendung von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden Ein Verbot des Imports von Stammzellen aus Mensch-Tier-Zybriden aus dem Ausland und einer Verwendung dieser Zellen im Inland ist aus verfassungsrechtlicher Sicht möglich. Dies ändert sich allerdings, wenn konkrete Therapiemöglichkeiten etabliert worden sind. Ab dem Moment würde ein solches Verbot unverhältnismäßig in die Rechte der Patienten aus Art. 2 II S. 1 GG sowie der Ärzte aus Art. 12 I S. 1 GG eingreifen und somit verfassungswidrig werden.

1971

Classen in: WissR 1989, 235 (237).

492

Teil 4: Verfassungsrechtliche Würdigung von Mensch-Tier-Zybriden

III. Implantation von Mensch-Tier-Zybriden Den Staat trifft eine Schutzpflicht für die menschliche Gattungswürde aus Art. 1 I S. 1 GG. Die Geburt eines Mensch-Tier-Mischwesens würde diese verletzen. Demzufolge ist der Staat gehalten, Transfer und Implantation von MenschTier-Zybriden in die Gebärmutter einer Frau, eines Tieres oder in einen künstlichen Uterus zu verbieten. Dieser Schutzverpflichtung stehen keinerlei Rechte Dritter entgegen, die den Handlungsspielraum des Gesetzgebers einschränkten. Vielmehr existiert eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates aus Art. 1 I GG, ein gesetzliches Transferverbot für Mensch-Tier-Zybriden zu erlassen. Ein strafbewehrtes Verbot stellt die einzige Methode dar, effektiv der Schutzpflicht nachzukommen, sodass eine konkrete Handlungspflicht des Staates besteht.

Teil 5

Rechtspolitische Bewertung – die Rechtslage de lege ferenda A. Voraussetzungen einer strafgesetzlichen Regelung Vor dem Hintergrund der dargestellten verfassungsrechtlichen Erörterung sollen konkrete Vorschläge für eine gesetzliche Regelung zur Forschung mit MenschTier-Zybriden entwickelt werden. Zwar ist die Erzeugung dieser Entitäten zu therapeutischen Zwecken verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, aufgrund der bestehenden Risiken bedarf es allerdings gewisser Beschränkungen im Hinblick auf Zielsetzung und Durchführung solcher Experimente. Zudem muss die Implantation der erzeugten Wesen in einen Uterus zwingend verboten werden, weil diese mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen ist. Zunächst fragt sich, ob eine strafrechtliche Regelung, etwa in ESchG und StZG, angezeigt ist.

I. Strafwürdigkeit Die Strafwürdigkeit eines Verhaltens bestimmt sich neben dem Erfolgsunrecht nach dem Handlungsunrecht. Es ist nicht nur bedeutsam, ob ein rechtlich missbilligter Zustand herbeigeführt wird, sondern es muss ebenso die Täterhandlung mit ihrer Zielrichtung und allen beim Täter vorliegenden subjektiven Merkmalen in die Bewertung eingehen1 sowie bei der Beurteilung des Handlungsunrechts auch der Zweck der Handlung einbezogen werden2. Die Zybridenforschung kann unter dem Aspekt als löblich erachtet werden, dass sie Hoffnung auf Heilung Schwerstkranker macht, jedoch können auch kommerzielle und rein forschungsgeleitete Motivationen wie die Erlangung von Forscherruhm und die Befriedigung der Neugier, ob es „tatsächlich klappt“3, nicht außer Betracht bleiben. Wegen der unmöglichen Grenzziehung wird der Handlungsunwert nicht erheblich vermindert, sodass die Strafwürdigkeit demzufolge zu bejahen ist.

1

Roxin, Strafrecht AT I, § 10 G, Rn. 88. Sternberg-Lieben in: JuS 1986, 673 (678); Gröner, S. 315. 3 Vgl. Berger, S. 202. 2

494

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

II. Strafbedürfnis Die Kriminalisierung eines Verhaltens kommt nur dann in Frage, wenn ein Strafbedürfnis besteht. Dieses setzt voraus, dass die Kriminalstrafe das einzige Mittel darstellt, um das als sozialschädlich erkannte Verhalten, also die Rechtsgutsverletzung, zu unterbinden. Zudem dürfen keine weniger einschneidenden, aber gleich effektiven Maßnahmen existieren4. Folglich muss die Anwendung des Strafrechts ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Schutz des Rechtsgutes darstellen5, weshalb von der Subsidiarität des Strafrechts gesprochen wird6. Schließlich handelt es sich bei diesem um die schärfste Waffe des Gesetzgebers, sodass das Verhältnismäßigkeitsprinzip den Einsatz dieses Mittels nur als die letzte oder alleinig wirkungsvolle Maßnahme gesetzgeberischen Handelns zulässt7. Im Instrumentarium des Gesetzgebers bildet das Strafrecht die ultima ratio8. Deshalb begründet es einen Verstoß gegen das Übermaßverbot, wenn der Staat einen Sachverhalt einer strafrechtlichen Sanktion unterwirft, obwohl das zu schützende Rechtsgut auch durch andere, mildere sozialpolitische Maßnahmen erreicht werden kann9. Der Gesetzgeber muss stets nach Alternativmodellen zu einer Kriminalisierung suchen, um auf andere Art das missbilligte sozialschädliche Verhalten zu unterbinden10. Rechtsgüterschutz kann nicht nur durch Strafrecht, sondern das gesamte Instrumentarium der Rechtsordnung erfüllt werden11. Für die in Rede stehenden Fälle könnten Alternativmodelle in einer Selbstkontrolle der Forschung gesehen werden  – möglicherweise unter Beobachtung einer Ethik-Kommission  – sowie standesrechtliche Regelungen durch Ärztekammern12. Weiterhin könnte der Staat von seiner Möglichkeit Gebrauch machen, Richtlinien zur staatlichen Subventionierung bestimmter Vorhaben zu erlassen bzw. bürgerlich-rechtliche oder öffentlich-rechtliche Regelungen zu schaffen13. Im Hinblick auf die therapeutische Anwendung von Stammzellen aus MenschTier-Zybriden ist das ärztliche Standesrecht allein nur in der Lage, den Arzt als Forscher zu binden, und kann daher nur unzureichenden Schutz bieten. Die Überlegungen zu Alternativen erledigen sich, wenn den Gesetzgeber eine Pflicht zur strafrechtlichen Regelung eines Sachverhalts trifft14. Eine solche ist im 4

Günther in: JuS 1978, 8 (11). Günther in: Günther/Keller, S. 144. 6 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 K, Rn. 97 f.; Sternberg-Lieben in: JuS 1986, 673 (678); Günther in: JuS 1978, 8 (11); Gröner, S. 316. 7 BVerfGE 6, 389 (433 f.); 39, 1 (47); 57, 250 (270); 73, 206 (253); 88, 203 (258). 8 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 K, Rn. 97 f.; Sternberg-Lieben in: JuS 1986, 673 (678); Günther in: JuS 1978, 8 (11); Gröner, S. 316. 9 Berger, S. 203. 10 Günther in: JuS 1978, 8 (12). 11 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 K, Rn. 97. 12 Gröner, S. 316; Günther in: Günther/Keller, S. 144. 13 Berger, S. 203. 14 Berger, S. 203. 5

A. Voraussetzungen einer strafgesetzlichen Regelung

495

mer dann erforderlich, wenn es um den Schutz fundamentaler Rechtsgüter geht und „der von der Verfassung gebotene Schutz auf keine andere Weise zu erreichen ist“15. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zählt die grundsätzliche Unverletzlichkeit des Lebens zu den Grundlagen eines geordneten Gemeinschaftslebens, die allein mit Mitteln des Strafrechts geschützt werden muss16. Das kriminalpolitische Grundprinzip besagt, dass der Rückgriff auf das Strafrecht umso eher zu gewähren ist, je hilfsbedürftiger das Rechtsgut ist17. Die Geburt eines Mensch-Tier-Misch­ wesens muss zur Wahrung der menschlichen Gattungswürde aus Art. 1 I GG unterbunden werden, sodass diesbezüglich zweifellos ein Strafbedürfnis besteht. Weniger offensichtlich ist dies im Hinblick auf die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung. Das Lebensrecht eines solchen Embryos als fundamentales Schutzgut eines sehr hilfsbedürftigen Rechtsgutes wird durch die Stammzellen­ gewinnung zerstört. Allerdings handelt es sich dabei um ein abwägungsfähiges Recht. In Bereichen, die einer Abwägung zugänglich sind, kann die Erforderlichkeit strafrechtlicher Regelungen fraglich sein, weil sowohl Erfolgs- als auch der Handlungsunwert gemildert sind18. Wegen des potenziellen Nutzens bestimmter Forschungen für die Allgemeinheit und der verringerten Sozialschädlichkeit reduziert sich die Strafwürdigkeit19, bleibt grundsätzlich aber bestehen. Nach alledem werden die Voraussetzungen einer strafrechtlichen Regelung – im ESchG und StZG – für die Einschränkung der Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden zur Stammzellengewinnung sowie für ein Implantationsverbot erfüllt.

III. Straftauglichkeit Schließlich muss eine strafgesetzliche Regelung der Materie faktisch wirksam sein und ihre Wirkung im generalpräventiven Bereich entfalten, um die Anzahl der Verstöße gegen die Norm möglichst gering zu halten20. Das Unwerturteil des Ge 15

BVerfGE 39, 1 (45). BVerfGE 88, 203 (257); Andere halten ein strafrechtliches Verbot für nicht erforderlich und auch nicht geeignet, denn dieses sei dem Kernbereich von Verstößen gegen absolute Verbote vorbehalten: Paul, S. 148; Schwarz in: KritV 2001, 182 (209), FN. 184 m. w. N.: „Wir müssen konstatieren, dass neue Technologien zwar eine Herausforderung unserer ethisch gegründeten verfassungsrechtlichen Perspektive darstellen, sie aber gleichwohl einen fundamentalen Wechsel in der verfassungsrechtlichen Bewertung nicht zwingend erfordern. (…) Auf der anderen Seite hat sich gerade die Medizin als Motor der Rechtswissenschaften erwiesen, wenn beispielsweise als Reaktion auf die erste Herztransplantation der kardiopulmunale Todesbegriff durch die Hirntodkonzeption abgelöst wurde (…) Ob aber das archaische Mittel des strafbewehrten Verbots im Embryonenschutzgesetz zur bereichsspezifischen Kontrolle der Biomedizin tatsächlich tauglich ist, muss allerdings füglich bezweifelt werden, begibt man sich hier doch auf eine Ebene, auf der moderne Technik als Überlistung der Natur verboten werden soll“. 17 Mersson, S. 185; Günther in: Günther/Keller, S. 146. 18 Berger, S. 205. 19 Rössner in: Günther/Keller, S. 261. 20 Gröner in: Günther/Keller, S. 318. 16

496

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

setzes muss mit der allgemeinen Wertüberzeugung der Bürger übereinstimmen, weil die Norm nur so gesellschaftspolitische Anerkennung und Identifikation des Einzelnen mit dem Unwert der Tat erlangt21. Straftauglichkeit liegt vor, wenn der Einsatz des Strafrechts geeignet ist, Verletzungen des betroffenen Rechtsguts zu verhindern22. Um der verfassungsrechtlichen Abwägungsfähigkeit der in Rede stehenden Rechtsgüter Genüge zu tun und gleichzeitig entgegenstehende Rechte zu berücksichtigen, sollten Regelungen auf diesen Gebieten einem Erlaubnis­ vorbehalt – vergleichbar dem englischen Modell zur Erzeugung von Mensch-TierZybriden zu Forschungszwecken  – unterstellt werden23. Ein effektives Regulierungssystem erfordert zudem eine Art der Überwachung, Beaufsichtigung und Sanktionen, welche verhängt werden, wenn die festgelegten Voraussetzungen und Erfordernisse nicht eingehalten oder Verbote verletzt werden.

B. Regelungsgegenstände Im Hinblick auf Erzeugung, Verwendung, Import und Implantation von MenschTier-Zybriden ergeben sich unterschiedliche Regelungsgegenstände.

I. Erfordernis und Problematik einer terminologischen Definition Als Erstes stellt sich das Problem der terminologischen Definition. Durch neue naturwissenschaftliche Entwicklungen wird das herkömmliche Verständnis von „Menschen“ und „menschlichen Embryonen“ auf den Prüfstand gestellt. Einerseits wird der Ausdruck „Mensch“ als biologischer Begriff verwendet, etwa wenn von „menschlichem Körpermaterial“ die Rede ist. Andererseits wird ein normativer Begriff gebraucht, wenn von „menschlicher Würde“ gesprochen wird, der dem Menschen als einem Wesen mit besonderen Fähigkeiten einen besonderen Status verleiht24. Bei Mensch-Tier-Zybriden besteht das Problem der begrifflichen Zuordnung zu Mensch oder Tier in einem biologischen Sinne: Unterscheidungskriterium bildet entweder das biologische Ausgangsmaterial oder die biologischen und genetischen Verhältnisse in dem entstandenen Wesen oder die speziellen qualifizierenden Fähigkeiten und Merkmale, die bei dem erzeugten Zybriden beobachtet werden können. Der evaluative Begriff „Mensch“ – mit allen dazugehöri 21

Berger, S. 206; Gröner in: Günther/Keller, S. 318. Günther in: JuS 1978, 8 (11). 23 Berger, S. 205. Gegen einen Erlaubnisvorbehalt Eberbach in: ZRP 1990, 217 (220). Dabei stellt er das slippery-slope-Argument in den Vordergrund, wobei insbesondere die Verfolgung hochrangiger Ziele nicht definierbar sei und der Genehmigungsvorbehalt alsbald einen „Sesam-öffne-dich“ beliebiger Embryonenforschung darstellen könne (S. 221). 24 Zum Folgenden: Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 212. 22

B. Regelungsgegenstände

497

gen rechtlichen Implikationen  – wird solchen Entitäten zugeschrieben, die mit Hilfe biologischer Charakteristika identifiziert werden. Zu klären ist, welche Kriterien herangezogen werden können, um den rechtlichen Status von Entitäten als „menschlich“ oder „tierisch“ zu bestimmen. Die bestehenden Gesetze gehen von der Gegensätzlichkeit von Tier und Mensch aus: Es gibt andere Gesetze für Menschen als für Tiere. Die Integration von Regelungen zur Zybridenforschung in bestehende Gesetze birgt die Gefahr der Inkohärenz des Rechts, insbesondere wenn der biologische und der evaluative Begriff „menschlich“ synonym gebraucht werden. Dem kann begegnet werden, indem Kriterien für die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Tier“ und „Mensch“ festgelegt werden25.

II. Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Recht Es gilt, Wertungswidersprüche im Recht zu vermeiden. Eine neue rechtliche Regelung sollte mit den etablierten grundlegenden rechtlichen Prinzipien in Einklang stehen26. Obwohl Wertungswidersprüche im einfachen Recht nicht zu einer Verfassungswidrigkeit der betreffenden Regelungen führen27, bedrohen diese die Akzeptanz des Rechts. Insbesondere im Strafrecht verursachen Widersprüche Willkür und Ineffizienz28. Ein Wertungswiderspruch liegt vor, wenn vergleichbare Situationen unterschiedlich bewertet werden, ohne dass dafür ein sachlicher Grund ersichtlich ist29. Das ESchG wird oftmals als widersprüchlich kritisiert. Insbesondere die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in den §§ 218 f. StGB stünden in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu § 2 I ESchG30. Wenn der bloße Kinderwunsch und der Versuch, eine Schwangerschaft herbeizuführen, als kollidierendes Schutzinteresse anerkannt wird, dem sogar eine unbestimmte Vielzahl von Embryonen geopfert werden darf, werde der absolute Schutz aufgegeben. Systemgerecht wäre folglich nur, auch die Abwägung mit anderen kollidierenden Interessen wie medizinischer Forschung zuzulassen31. Eine ähnliche Problematik und Widersprüche fänden sich innerhalb der Herstellungsverbote von Embryonen im Hinblick auf die Strafbarkeit der Klonierung und die Transferverbote32, die Verbote der Chimären- und Hybrid-Bildung sowie die gentechnische Veränderung, soweit medizinisch erforderlich scheinende Verfahren der verbrauchenden Embryonenforschung betroffen seien. Widersprüchlichkeiten werden auch mit Blick auf das Diskriminierungsverbot relevant: Wird der Einsatz von Leben im einen Fall – wie etwa dem Schwangerschaftsabbruch – als zulässig erachtet, darf er im anderen, in 25

Welche Kriterien angemessen sind, vgl. Teil 5: C. I. 4.  Rynning in: Taupitz/Weschka, S. 79. 27 Vgl. Beck, S. 303. 28 Günther in: Günther/Keller, S. 146. 29 Beck, S. 303. 30 Beck, S. 320. 31 Losch in: NJW 1992, 2926 (2928). 32 Beck, S. 320. 26

498

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

dem z. B. die Verbesserung der Einsatzbedingungen von Medikamenten erforscht werden soll, nicht als missbräuchlich beurteilt werden33.

III. Internationalisierung der Forschung Die biomedizinische Forschung ist in starkem Ausmaß internationalisiert, weshalb es bereits zu einem „Wissenschafts-Tourismus“ kommt, bei dem Forscher allzu strenge rechtliche Regelungen dadurch umgehen, dass sie ihre Forschungstätigkeit in andere Länder mit liberaleren rechtlichen Regelungen verlagern; dieses Problem gilt es zu beobachten34. Eine in allen Staaten akzeptierte international einheitliche Regelung der Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden zu treffen, wird angesichts der stark divergierenden Auffassungen über die ethische und moralische Bewertung dieser Technik kaum möglich sein. Darauf deuten die unterschiedlichen rechtlichen Lösungsansätze hin, welche durch den Pluralismus rechtlicher Traditionen beeinflusst werden (Rechtspluralismus)35. Der kulturelle und religiöse Pluralismus und die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Wert- und Moralvorstellungen verhindern es, in absehbarer Zukunft einen umfassenden Konsens zu allen Fragen der Zybridforschung herzustellen. Selbst die Begriffe „Embryo“, „Präembryo“, „Zybrid“ oder „Chimbrid“ werden, global betrachtet, nicht in gleicher Weise gebraucht und interpretiert. Auch ohne normativen Konsens zwischen den verschiedenen Beurteilungen sollte es möglich sein, die relevanten Definitionen klarzustellen, um Missverständnisse zu vermeiden und die Identifizierung der relevanten rechtlichen Belange zu erleichtern36.

IV. Problem des fehlenden gesellschaftlichen Konsenses Die besondere ethische Problematik der Stammzellforschung mit Mensch-TierZybriden hat ihren Grund darin, dass sich bislang kein Konsens über den moralischen Status des Embryos in vitro und das daraus resultierende Maß an Schutzwürdigkeit hat herstellen lassen. Die Entscheidung kann nicht, wie in anderen Fällen, der Entscheidung des Einzelnen überlassen bleiben, weil Ansprüche Dritter und die Kernzone des Rechts berührt werden. Damit wird die Frage heraufbeschworen, welchen Kriterien eine Rechtsregelung bei fehlendem ethischen Konsens folgen muss.  Die in den Verfassungsnormen festgehaltenen ethischen Überzeugungen spielen eine tragende Rolle. Kann die Rechtsordnung in der pluralistischen Gesellschaft nicht die Moral abbilden, aber auch nicht ohne Bezug auf die moralischen Überzeugungen erfolgen, stellt sich die Frage, wo das rechtsethi 33

Losch in: NJW 1992, 2926 (2928). Zum Folgenden: Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 214. 35 Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 214. 36 Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 214. 34

B. Regelungsgegenstände

499

sche Minimum liegt. Dabei ist der Korridor eng, den die ethischen Überzeugungen lassen, welche dem Grundgesetz, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie den internationalen Menschenrechtsdokumenten zugrunde liegen37. Die Forschung nötigt uns die Frage auf, was es mit der lange Zeit selbstverständlichen Grenzziehung zwischen Mensch und Tier auf sich hat. Angesichts der erkennbaren Forschungsdynamik  – in Großbritannien sind bereits seit mehreren Jahren Versuche erlaubt, bei denen menschliche Zellkerne in entkernte Rinder­ eizellen eingebracht werden, – muss bereits heute geklärt werden, ob und ggf. wo verbindliche Grenzen gezogen werden müssen38. Zu betonen ist, dass die gesellschaftlichen Bedenken hinsichtlich der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden sowie mögliche daraus zukünftig resultierende Entwicklungen sicherlich schon zu einer Rufschädigung der entsprechenden Forschungen geführt haben39. Und selbst wenn man bezweifelt, dass die Gründe der Gesellschaft für ihre Ablehnung vernünftig sind, sollte die gesellschaftliche Haltung dennoch Anlass genug sein, eine überzeugende Regelung einzuführen, bevor entsprechende Experimente durch­ geführt werden.

V. Interessenkonflikte Es besteht ein Bedürfnis nach rechtlicher Regelung, da die Zybridenforschung ein weites Spektrum an Interessen und Werten berührt: die Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit, den naturwissenschaftlich-medizinischen Fortschritt, den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, den Schutz der Person (Autonomie, Privatsphäre, körperliche Integrität), der Menschenwürde, der genetischen Identität und des biologischen Erbes für zukünftige Generationen von Menschen sowie den Tierschutz, die Beachtung der Speziesgrenzen, die ökologische Nachhaltigkeit und Biodiversität40. Ein weiteres – wenn auch allgemeineres – Problem bildet die Tatsache, dass es um die rechtliche Regulierung eines sich rasch entwickelnden naturwissenschaftlichen Gebietes geht, auf dem die Kenntnisse sowohl über potenzielle Vorund Nachteile als auch über dazugehörige Risiken begrenzt sind41. Damit wird eine Interessenabwägung erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, weil beide Parameter mit Unsicherheiten behaftet sind42. Erforderlich ist eine Anpassung an den technischen Erkenntnisfortschritt, was große Flexibilität erfordert. Das Recht muss regelmäßig, wenn nicht ständig, an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst werden, welcher auf dem sukzessiven Konsens der wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie der öffentlichen Debatte der hinreichend infor 37

Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 194. Deutscher Ethikrat 2011, S. 118. 39 Badura-Lotter/Düwell in: Hug/Hermerén, S. 202 zum Folgenden. 40 Artenvielfalt. Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 213. 41 Rynning in: Taupitz/Weschka, S. 85. 42 Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 214. 38

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Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

mierten Gesellschaft basieren sollte43. Herstellung und Verwendung von Zybriden sollten nicht ausnahmslos unter Strafe gestellt werden. Vielmehr muss der Rahmen des Klonieren festgelegt, also eine Regelung mit Genehmigungsvorbehalt und administrativem Kontrollelement verabschiedet werden, der Missbrauch so weit wie möglich verhindert.

VI. Rechtliche Regelungsoptionen und im Ausland angewandte Strategien 1. Regelungsebene und Kompetenz Wird der Bedarf an rechtlicher Regelung erörtert, stellt sich als Erstes die Frage nach der Kompetenz. Es empfiehlt sich nicht, ein biotechnologisches Verfahren anders als die übrigen Methoden – vor allem die Erzeugung von Embryonen – zu behandeln44. Eine Regelung ließe sich sinnvollerweise in das Embryonenschutz­ gesetz integrieren, welches sich auf die Gesetzgebungskompetenz des Art.  74 I Nr. 1, 26 GG gründet. Wegen der geringen Erfolgsrate ist der „Verbrauch“ an Eizellen im jetzigen Stadium sehr groß. Die bestehenden Risiken begründen die Notwendigkeit, dass sich der Staat in die Forschung „einschaltet“, um Entwicklungen steuern zu können. Dazu muss er die zur Einschätzung erforderlichen Erkenntnisse gewinnen, wozu er sich verschiedener Kommissionen bedienen kann, welche die technisch-wissenschaftliche Ungewissheit verringern und die Bewertung ethischer und sozialer Folgen mit einbeziehen45. Bei der Gestaltung der gesetzlichen Regelung müssen die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Bestimmtheit und des parlamentarischen Gesetzesvorbehaltes beachtet werden46. 2. Bestehende Regelungsvorschläge zum therapeutischen Klonen Kontrovers wird die Frage beantwortet, ob die Erzeugung therapeutischer Klone durch Transfer eines menschlichen Zellkerns in eine entkernte menschliche Eizelle zugelassen werden sollte. Im Folgenden sollen die Ansichten und gesetzlichen Regelungsvorschläge skizziert werden. Die Extrempositionen bilden das vollständige 43

Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 214. Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 158. 45 Vgl. Braun, Das Klonieren von Tieren, S. 159. 46 BVerfGE 8, 274 (325); BVerfGE 49, 89 (126); BVerfGE 58, 257 (269); BVerfGE 57, 294 (321). 44

B. Regelungsgegenstände

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Erlauben des Klonens zu therapeutischen Zwecken (präziser formuliert: der vollständige Verzicht auf eine gesetzliche Regelung, da grundsätzlich alles erlaubt ist, was nicht explizit gesetzlich verboten wird) sowie ein absolutes und ausnahmsloses Verbot der Anwendung dieser Technik. Einen Mittelweg stellt die begrenzte Zulassung dar, die sich legislativ mit Hilfe eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt umsetzen lässt47. Einige Vertreter dieses Mittelweges sehen einen Unterschied in der zeitlichen Dimension und meinen, therapeutisches Klonen stehe zwar im Einklang mit dem Grundgesetz, müsse wegen der bestehenden Risiken zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber verboten werden48, wobei ein Verbot so lange gerechtfertigt sei, wie die Methode des Zellkerntransfers technisch noch nicht ausgereift ist und deshalb als gefährlich bewertet werden muss. a) Ausnahmsloses gesetzliches Verbot Mit unterschiedlichen Begründungsmustern erachten viele das therapeutische Klonen für verfassungsrechtlich unzulässig und meinen, es müsse ausnahmslos verboten werden49. Selbst wenn sich konkrete Heilungsoptionen für Menschen ergeben, wären die mit der Instrumentalisierung von Embryonen und der Eizellspende verbundenen Probleme nicht behoben; vielmehr müssten in diesem Fall die Grundrechtskonflikte neu bewertet werden50. b) Gesetzliches Verbot, solange die Technik nicht ausgereift ist In seinen gemeinsamen Empfehlungen spricht sich der Deutsche Ethikrat unbeschadet der divergierenden Voten dafür aus, das therapeutische in Deutschland aufgrund der bestehenden Risiken der Technik gegenwärtig nicht zuzulassen51. c) Kein gesetzliches Verbot Andere sind der Auffassung, therapeutisches Klonen sei verfassungsgemäß und verstoße auch nicht gegen internationales Recht, weshalb es vom bestehenden tatbestandlichen Verbot des Klonens ausgegrenzt werden sollte52. Ein Verbot sei 47

Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (85). 49 Z. B. Kersten, S. 490; Chen, S. 76 f.; Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. (84). 50 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position A, S. 52 f. 51 Nationaler Ethikrat, Klonen, Gemeinsame Empfehlungen zum Forschungsklonen, S. 103; vgl. auch NER Position C: keine Zulassung zum gegenwärtigen Zeitpunkt: Eve-Marie Engels, Regine Kollek, Christiane Lohkamp, Therese Neuer-Miebach, Spiros Simitis in: Nationaler Ethikrat, Klonen, Position C, S. 84 f. 52 Berger, S. 209, 211; Weschka, S. 406; Rosenau in: FS Schreiber, 761 (780); Rosenau in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, 135 (151). 48

502

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

zwar möglich, werde von der Verfassung jedoch nicht gefordert, sodass die Freiheitsvermutung eingreifen müsse53. Einige gehen noch weiter und halten die bestehenden Regelungen für verfassungswidrig54: Auf Seiten der Embryonen sei kein entsprechendes Verfassungsgut vorhanden, das eine einschränkende Regelung rechtfertigen könne, sodass die auf der anderen Seite bestehenden Grundrechte der Patienten, Ärzte und Forscher ungerechtfertigt eingeschränkt würden. Die Zulässigkeit therapeutischen Klonens solle ausdrücklich klargestellt werden. d) Grundsätzliche, wenn auch begrenzte Zulassung Schließlich wird die vermittelnde Ansicht vorgetragen, ein einfachgesetzliches Verbot des therapeutischen Klonens sei verfassungsrechtlich nicht geboten, vielmehr stehe dem Gesetzgeber ein Spielraum zur Verfügung, der differenzierende Regelungen zulasse einschließlich der Möglichkeit, das therapeutische Klonen zu genehmigen55. Dieses bedürfe staatlicher Regulierung56 in Form von Genehmigung und Kontrolle jedes einschlägigen Vorhabens.  Aufgrund der Heilungs­ chancen für die betroffenen Patienten sei jedoch für eine grundsätzliche, wenn auch beschränkte Zulassung des therapeutischen Klonens zu plädieren57. Die Implantation geklonter Blastozysten in die Gebärmutter einer Frau müsse ausnahmslos verboten werden58. Neben den Missbrauchsgefahren fordere auch die intuitive Scheu vor Manipulationen im Anfangsbereich menschlichen Lebens einen restriktiven Umgang mit geklonten Blastozysten59. Es sei nicht zu erwarten, dass therapeutisches Klonen zu einer Verrohung der Gesellschaft führe, zumal das menschliche Ethos an lebensweltlichen Erfahrungen orientiert sei und mühelos die Unterscheidung zwischen einem mikroskopischen Gebilde im Labor, der Leibesfrucht im Mutterleib und einem Menschen vollziehe, der durch Geburt „zur Welt gekommen ist“. Jeder Versuch, diese Unterschiede „wegzudefinieren“, werde deshalb auf emotionalen Widerstand stoßen. So ist auch nicht bekannt, dass in Ländern, in denen es die anerkannte medizinische Praxis der In-vitro-Fertilisation seit Jahrzehnten mit sich bringt, dass nach einem Behandlungserfolg Blastozysten in nicht geringem Umfang vernichtet werden, die Anzahl an Schwangerschaftsabbrüchen oder gar Tötungsdelikten angestiegen wäre. Eine begrenzte Zulassung des therapeutischen Klonens lässt sich unterschiedlich verwirklichen:

53 Rosenau in: FS Schreiber, 761 (780); Rosenau in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim, 135 (151). 54 Weschka, S. 407. 55 Paul, S. 161. 56 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3439). 57 Schwarz in: KritV 2001, 182 (209). 58 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (64). 59 Zum Folgenden: Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (79).

B. Regelungsgegenstände

503

aa) Begrenzung (nur) durch Verfahrensrecht Für eine Restriktion im Sinne eines „Grundrechtsschutzes durch Verfahrensrecht“ böten sich Genehmigungspflichten für das jeweilige Projekt an. Der Gesetzgeber solle u. a. einen Katalog von Krankheiten festlegen, bei dem Klonen zulässig sei. Dieser müsse stets daraufhin überprüft werden, ob er erweiterungsbedürftig ist oder ob andere Therapiemöglichkeiten entwickelt worden sind, die einen Rückgriff auf das therapeutische Klonen entbehrlich erscheinen ließen60. bb) Verbot mit persönlichem Strafausschließungsgrund Andere meinen, die Tatsache, dass vorgeburtliches Leben Abstufungen und Abwägung mit widerstreitenden Interessen zugänglich ist, wirke wie ein persönlicher Strafausschließungsgrund, was im Ergebnis bedeute, dass das therapeutische Klonen zwar nicht gerechtfertigt, aber entschuldigt sei61. Dadurch könne – einfachgesetzlich in Form eines Verbots mit persönlichem Strafausschließungsgrund ausgestaltet – sowohl die verfassungsrechtlich gewährleistete Forschungsfreiheit als auch das prinzipielle Lebensrecht des Embryos in ein Modell integriert werden, welches den Gedanken praktischer Konkordanz verwirkliche62. cc) Präventives strafrechtliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Andere meinen, die uneingeschränkte Zulassung des therapeutischen Klonens sei ebenso verfassungswidrig wie ein Totalverbot. Ein striktes Verbot greife in unverhältnismäßiger Weise in Art. 5 III S. 1 GG ein und stelle keine angemessene Regelung innerhalb der Grenzen von Über- und Untermaßverbot dar. Daraus folge allerdings nicht, dass dieses uneingeschränkt zugelassen werden müsse, weil der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht für das embryonale Leben sowie die Eizellspenderin im Rahmen des Untermaßverbots nachzukommen habe, sodass ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sachgerecht sei63. Therapeutisches Klonen berühre Bereiche, die unabhängig von Aspekten des Embryonenschutzes unter dem Blickwinkel des Respekts vor menschlichem Leben zu erörtern seien64. Man könne diese Differenzierung zum Ausdruck bringen, indem man Regelungen zur Fortpflanzung von denen zur Forschung trennt65. Aufgrund der Entwicklungs­

60

Schwarz in: KritV 2001, 182 (209). Schwarz in: KritV 2001, 182 (206) mit Verweis auf Roxin, StrafR AT I, S. 893, Höffe, S. 11. 62 Schwarz in: KritV 2001, 182 (206). 63 Middel, S. 269; Paul, S. 151, wenn auch kein strafrechtliches Verbot, s. o. 64 Hetz, S. 209. 65 Taupitz in: NJW 2001, 3434 (3440) mit dem Hinweis darauf, dass auch Sexualität und Fortpflanzung weithin voneinander getrennt geregelte Bereiche darstellen. 61

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Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

fähigkeit bestehe auch bei fortpflanzungsfremden Entitäten die Gefahr, dass diese trotz Verbots den Weg in das Fortpflanzungsgeschehen nehmen, sodass straf­ bewehrte Sanktionen erforderlich seien. Nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen dürfe eine Genehmigung zu Versuchsdurchführungen erteilt werden66. (1) Hochrangige Forschungs- und Therapieziele Eine Genehmigung dürfe nur zu hochrangigen Forschungszielen erteilt werden67, wobei es sich um bedeutende Forschungsziele handeln müsse, die aufgrund von Wesentlichkeitstheorie und Bestimmtheitsgrundsatz in dem einschränkenden Gesetz genannt werden sollten68. Bei den Krankheiten, die mit Hilfe des therapeutischen Klonens behandelt werden sollen, sind solch hochrangige Ziele gegeben. (2) Alternativlosigkeit Erforderlich sei des Weiteren das Fehlen gleichwertiger Alternativen. Therapeutisches Klonen beim Menschen müsse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik alternativlos im naturwissenschaftlichen Sinn sein: Der angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn bzw. der konkrete Einsatz zu Therapiezwecken dürfe voraussichtlich nur mit Hilfe des Klonens realisierbar sein69. (3) Vorherige Klärung im Tierversuch Vor allem solle das therapeutische Klonen nur zulässig sein, wenn die Forschung zuvor auf tierexperimenteller Basis abgesichert wurde70 und die wissenschaftlichen Fragestellungen nicht an Tiermodellen geklärt werden können71. Da beim Umgang mit geklonten menschlichen Blastozysten Rücksicht geboten sei, verböten sich Forschungen, wenn die erstrebten Erkenntnisse auch am tierischen Modellsystem oder anderen menschlichen Zellen gewonnen werden könnten. Allerdings sei es unsachgemäß, in jedem Fall eine direkte therapeutische Ziel­setzung zu fordern, weil Grundlagenforschung naturgemäß ergebnisoffen sei und daher nicht auf konkrete Ergebnisse verpflichtet werden könne72.

66

Koch in: Maio/Just, S. 114. Hetz, S. 209. 68 Paul, S. 152. 69 Paul, S. 151. 70 Paul, S. 151. 71 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (64). 72 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (80). 67

B. Regelungsgegenstände

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(4) Schutz freiwilliger Eizellspenderinnen Darüber hinaus gebiete Art. 2 II S. 1 GG einen angemessenen Schutz der Eizellspenderinnen73. Soweit und solange menschliche Eizellen für das Forschungsklonen benötigt werden, müssten wirksame Vorkehrungen zum Schutz der Spenderinnen getroffen werden74. Eine Eizellspende dürfe nur im Rahmen einer aus Fortpflanzungsgründen erforderlichen künstlichen Befruchtung durchgeführt werden. Da der Staat das Recht auf Teilnahme an medizinischer Forschung nicht unverhältnismäßig beschränken dürfe, sei es unangemessen, die Erzeugung zusätzlicher Eizellen gänzlich zu verbieten, weil die Mehrproduktion nur eine un­ wesentliche Erhöhung des Gesundheitsrisikos mit sich bringe. Eine nähere Regelung zur Minimierung der Risiken für die Spenderinnen solle dabei durch Richtlinien der BÄK erfolgen. Bedingung sei zudem stets die umfassende Auf­ klärung der Frau darüber, wofür ihre Eizellen verwendet werden, sowie über die möglicherweise vorliegende, wenn auch geringe Erhöhung ihres Gesundheits­ risikos75. Ein Import von Eizellen dürfe nur zugelassen werden, wenn diese im Ausland im Rahmen einer aus Fortpflanzungsgründen erforderlichen künstlichen Befruchtung gewonnen und die dortigen Vorschriften eingehalten wurden sowie die Gewinnung nicht in eklatanter Weise dem Menschenwürdegrundsatz widerspreche. Ferner müsse die Zahlung einer Aufwandsentschädigung nicht verboten werden, weil der Gefahr, dass Frauen ihren Körper verkauften, durch die beschriebenen in Gesetz und Richtlinien statuierten Spende-Voraussetzungen begegnet werden könne76. (5) Befristung der Lebenszeit der Embryonen Weiterhin müsse festgelegt werden, dass sich der Embryo nicht über einen bestimmten Zeitraum hinaus weiterentwickeln darf 77. Um Rechtssicherheit zu schaffen, müsse sich der Gesetzgeber für eine klare zeitliche Grenze entscheiden. Gut vertretbar sei eine Festlegung auf den 14. Tag nach dem Zellkerntransfer, wie es beispielsweise in Belgien oder Großbritannien geregelt ist. Dieser Tag biete sich auch deshalb als Zäsur an, weil ab diesem Zeitpunkt keine Zwillingsbildung mehr möglich und zuvor ein Schmerzempfinden ausgeschlossen sei78.

73

Weschka, S. 272. Zum Folgenden: Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 63 f. (64). 75 Weschka, S. 273. 76 Weschka, S. 273. 77 Weschka, S. 271. 78 Paul, S. 150. 74

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Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

(6) Begutachtung durch unabhängige Ethik-Kommission Erwägenswert sei weiterhin der Einsatz einer Ethik-Kommission. Einige halten deren Einsetzung nicht für zwingend, weil therapeutisches Klonen ohnehin nur zu hochrangigen Forschungszielen zulässig sein dürfe. Andere fordern für jeden Fall, dass eine zuständige Behörde  – wie eine öffentlich-rechtliche Ethik-Kommission – im Einzelfall prüfen solle, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden79. (7) Einwilligung der Körperzellspender Ferner müsse die Einwilligung der genetischen „Eltern“ – der Körperzellspender – nach umfassender Aufklärung vorliegen und nachgewiesen werden80. (8) Transfer- und Implantationsverbot sowie weitere (Verfahrens-)Voraussetzungen und Kriterien Der Transfer eines Klons in den Uterus einer Frau liefe auf ein reproduktives Klonen hinaus, das nach fast einhelliger Auffassung abgelehnt wird. Die menschliche Fortpflanzung dürfe nicht mit dem therapeutischen Klonen in Zusammenhang gebracht werden und jede dahingehende Bemühung müsse bestraft werden. Schließlich müsse auch jeglicher Transfer auf ein Tier ausgeschlossen werden81. Geeignete Mittel, Missbrauch vorzubeugen, stellten die Registrierung der Herstellung solcher Blastozysten und die Beschränkung der Forschung auf lizenzierte Zentren dar. In jedem Fall bedürfe es einer nachvollziehbaren Dokumentation über Erzeugung, Weitergabe und Verwendung82. Um das Missbrauchsrisiko so gering wie möglich zu halten, müsse das Gesetz Kontrollmechanismen regeln83. Ein Gesetz, das therapeutisches Klonen innerhalb gewisser Grenzen zulässt, müsse ein Genehmigungsverfahren festlegen, an dem Sachverständige mitwirken84. Die zuständige Landesbehörde müsse verpflichtet werden, die Einhaltung der Vorgaben des Gesetzes und der entsprechenden Einzelgenehmigungen zu überwachen, wozu sie mit umfassenden Kontrollrechten ausgestattet werden müsse. Sollte die Forschung so weit fortschreiten, dass ein therapeutischer Einsatz der Zellen möglich wird, müssten konkrete Indikationen wie das Fehlen einer Erfolg versprechenden Therapie und ein Katalog besonders schwerer Krankheiten erarbeitet werden, 79

Paul, S. 151. Paul, S. 154. 81 Paul, S. 151. 82 Nationaler Ethikrat, Klonen, Position B, S. 52 f. (62). 83 Paul, S. 158. 84 Paul, S. 155 f. 80

B. Regelungsgegenstände

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die den Einsatz der Verfahren rechtfertigen85. Weiterhin sei die in fachlicher und persönlicher Hinsicht erforderliche Qualifikation aller beteiligten Personen nachzuweisen sowie der Bedarf an therapeutischen Klonen und ihr Verwendungszweck darzulegen86. Dabei könne ein sparsamer Umgang mit den Embryonen gefördert werden, indem eine Art Gebühr als „finanzielle Hürde“ erhoben würde. Das Geld könne der Finanzierung des Kontrollsystems durch die Behörde zugeführt werden. Alle Daten über die Verwendung von therapeutischen Klonen sollten zentral gesammelt werden, um einzuschätzen, ob ein Forschungsvorhaben bereits in vergleichbarer Weise durchgeführt wurde. Zudem sollten die Daten regelmäßig veröffentlicht werden, um die nötige Transparenz für die Öffentlichkeit herzustellen. Der Gesetzgeber solle sich darüber hinaus selbst verpflichten, nach einer Frist von drei bis fünf Jahren zu überprüfen, welche Auswirkungen des Gesetzes festzustellen sind, und aus naturwissenschaftlicher Sicht beurteilen, ob im Hinblick auf adulte Stammzellen auf den Einsatz von Embryonen und therapeutischen Klonen verzichtet werden könnte. Außerdem sollten die gesamtgesellschaftlichen Folgen überprüft werden, also ob negative Auswirkungen festzustellen sind und ob sich die Forschung den erhofften Erfolgen nähert oder das Gegenteil passiert ist87. 3. Bestehende Regelungsvorschläge zur Zybridenforschung Auch zu Herstellung und Nutzung von Mensch-Tier-Zybriden existieren bereits vereinzelte Stellungnahmen. a) Deutscher Ethikrat Der Deutsche Ethikrat vertritt einhellig die Auffassung, dass keine Misch­wesen in eine Gebärmutter übertragen werden dürfen, bei denen im Vorfeld ab­zusehen ist, dass ihre Zuordnung zu Mensch oder Tier nicht hinreichend sicher ist, es sich also um „echte Mischwesen“ handelt88. Da dies auf Mensch-Tier-Zybriden zutrifft, dürften diese weder in eine menschliche noch in eine tierische Gebärmutter transferiert werden. Das ESchG solle deshalb durch ein entsprechendes präventives Verbot ergänzt werden89. Kontrovers wird hingegen die Frage nach der Zulässigkeit der Herstellung von Zybriden zur Stammzellengewinnung beantwortet. Die Mitglieder, nach deren Auffassung dies ethisch zulässig ist, halten ein gesetz 85

Paul, S. 159. Paul, S. 153. 87 Paul, S. 159. 88 Deutscher Ethikrat 2011, S.  119. Mit Mensch-Tier-Mischwesen sind alle lebenden Organismen, auch in sehr frühen Entwicklungsphasen, gemeint, die menschliche und tierische Bestandteile wie Gene, Chromosomen, Zellkerne, Zellen, Gewebe oder Organe enthalten. 89 Deutscher Ethikrat 2011, S. 121 f. 86

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Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

liches Verbot für nicht angebracht90. Demgegenüber befürworten diejenigen, deren Ansicht nach die Herstellung und Nutzung von Zybriden ethisch unzulässig ist, die Rezeption eines gesetzlichen Herstellungsverbots in das ESchG91. Ferner wird allseits mehr Transparenz auf dem Forschungsfeld der Erzeugung von MenschTier-Mischwesen gefordert, etwa auch durch Aufnahme detaillierter Berichte zu „Mensch-Tier-Mischwesen“ in die Tierschutzberichte der Bundesregierung92. b) Chimbrids-Projekt Der Vorschlag des Chimbrids-Projektes lautet auszugsweise wie folgt93: –– Die Forschung an Mensch-Tier-Mischwesen („Chimbrids“) soll nur nach folgenden sorgfältigen Überlegungen über wissenschaftlichen Nutzen, Ethik der Forschung am Menschen, Tierethik sowie rechtliche Aspekte und Auswirkungen auf die Umwelt durchgeführt werden. –– Alle Staaten sollen öffentliche Diskussionen anregen und Volksbefragungen bezüglich der komplexen ethischen Fragen durchführen, welche durch die Forschung mit Chimbrids und die darauf aufbauenden Therapieanwendungen aufgeworfen werden. Sie sollen auch die bestehenden Gesetze und Richtlinien überprüfen und deren Eignung zur Regelung der Chimbrids-Forschung abschätzen. Sofern ein Bedürfnis nach weitergehender rechtlicher Regelung besteht, kann an die bestehenden Regelungen angeknüpft werden. –– Auch die Wissenschaftler sollten sich aktiv im öffentlichen Diskurs zu ihrer Arbeit engagieren und sich auch auf internationaler Ebene über ihre Forschung und deren Ziele und Motivationen sowie die Auswirkungen ihrer Arbeit, einschließlich ethischer und sozialer Folgen, austauschen. –– Aufgrund der internationalen Dimension der Forschung sollte das Erfordernis und die Möglichkeiten einer Handlung auf internationaler Ebene, einschließlich gesetzlicher Regelung, geprüft werden. Insbesondere sollten der Europarat und die Europäische Union über angemessene Methoden der Steuerung innerhalb ihrer Kompetenzen nachdenken. –– Alle Forschungsprojekte müssen von einer unabhängigen und interdisziplinär besetzten Kommission untersucht werden, welche die Kompetenz haben muss, das Projekt, basierend auf Überlegungen zu wissenschaftlichem Nutzen, Ethik 90 Deutscher Ethikrat 2011, S. 121: Stefanie Dimmeler, Frank Emmrich, Volker Gerhardt, Hildegund Holzheid, Weyma Lübbe, Eckhard Nagel, Jens Reich, Edzard Schmidt-Jortzig, Jürgen Schmude, Jochen Taupitz, Kristiane Weber-Hassemer, Christiane Woopen. 91 Deutscher Ethikrat 2011, S. 121: Axel W. Bauer, Alfons Bora, Wolf-Michael Catenhusen, Wolfgang Huber, Christoph Kähler, Anton Losinger, Peter Radtke, Ulrike Riedel, Eberhard Schockenhoff, Erwin Teufel, Michael Wunder. 92 Deutscher Ethikrat 2011, S. 120 f. 93 Taupitz/Weschka.

B. Regelungsgegenstände

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der Forschung am Menschen, Tierethik, rechtlichen Aspekten und sozialen Folgen sowie Auswirkungen auf die Umwelt, zu bewerten. Die einzelnen Staaten sollten bestimmen, bis zu welchem Grad diese Prüfung rechtlich vorgeschrieben und verpflichtend ist und ob für bestimmte Subkategorien der Chimbrids-­ Forschung Ausnahmen aus dem Grunde gerechtfertigt sind, dass sie keine signifikanten Probleme bezüglich der genannten Überlegungen aufwerfen. –– Aufgrund der Bedeutung der ethischen und rechtlichen Belange, welche die Chimbrids-Forschung mit sich bringt, sollten solche Forschungsprojekte, wenn sie erlaubt werden, einer gesetzlich vorgeschriebenen ständigen Überwachung unterworfen werden. –– Die bisher in den Gesetzen uneinheitlich verwendeten Begriffe „Tier/tierisch“ und „Mensch/menschlich“ müssen definiert werden. Der Begriff „Menschsein“ wird einerseits als normativer Begriff benutzt, um moralisch relevante Charakteristika oder den evaluativen Aspekt zu illustrieren, während auf der anderen Seite auch ein biologischer Begriff verwendet wird, um den Ursprung spezifischen Materials zu beschreiben. Die Unterscheidung zwischen beiden Verwendungsarten muss transparent und unmissverständlich sein. –– Die Beurteilung von Chimbrids-Experimenten soll die Herkunft des biologischen Materials berücksichtigen sowie Herstellungsmethode und Eigenschaften der entstehenden Entität. Die größten ethischen Probleme beziehen sich auf die Artnatur der aus dem Experiment hervorgehenden Entität. –– Der Transfer eines Chimbrids in eine menschliche oder tierische Leihmutter und andere Formen der Austragung müssen strikt verboten werden. Dies gilt auch für Entitäten, die durch Einbringung eines menschlichen Zellkerns in eine entkernte tierische Eizelle erzeugt werden. c) Augsburg-Münchner-Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz (AME-FMedG)94 Auch im Augsburg-Münchner-Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz finden sich Passagen zur Mischwesen-Problematik. § 2 (Begriffsbestimmungen): „Im Sinne dieses Gesetzes (…) 3. ist ein Embryo jede menschliche totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag, (…) 16. ist Zellkerntransfer die Übertragung eines Zellkerns in eine entkernte Eizelle“.

94

Augsburg-Münchner-Entwurf zum FMedG, S. 16.

510

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

§ 11 AME-FMedG (Klonen): Regelungsvorschlag 1: „Jedes Handeln ist verboten, das auf die Entstehung eines Embryos abzielt, dessen Kerngenom mit dem eines anderen Embryos, eines Foetus, eines geborenen oder eines verstorbenen Menschen identisch ist.“ Regelungsvorschlag 2: „Jedes Handeln ist verboten, das auf die Geburt eines Menschen abzielt, dessen Kern­ genom mit dem eines anderen lebenden oder verstorbenen Menschen identisch ist“. In beiden Regelungsvorschlägen wird das reproduktive Klonen verboten. § 12 AME-FMedG (Chimären- und Hybridbildung): „(1) Es ist verboten, totipotente Zellen aus mindestens zwei genetisch unterschiedlichen Embryonen oder lebenden wie toten Menschen zu einem Zellverband zu vereinigen, der auch menschliche Zellen enthält und sich weiter zu differenzieren vermag (Chimären­bildung). (2) Es ist verboten, zum Zweck einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung beim Menschen eine tierische Zelle in eine menschliche Eizelle oder eine menschliche Zelle in eine tierische Eizelle einzubringen (Hybridbildung). (3) Abs. 1 und 3 gelten auch für die Chimären- und Hybridbildung durch Zellkerntransfer.“ § 27 Straf- und Bußgeldvorschriften: „(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (…) 2. entgegen § 11 einen Menschen klont, 3. entgegen § 12 Abs. 1 Chimären bildet 4. entgegen § 12 Abs. 2 Hybride bildet (…).“

In den Erläuterungen zu dem Gesetzesentwurf heiß es, die Hybridbildung stelle die Grenzziehungen zwischen dem Menschen einerseits und dem Tier andererseits in Frage95. Das Verbot wird auf die Hybridbildung zu reproduktiven Zwecken beschränkt, die biomedizinische Grundlagenforschung solle möglich bleiben. d) Stellungnahme zu den Vorschlägen Der Deutsche Ethikrat enthält sich eines konkret formulierten Regelungs­ vorschlages, zumal Uneinigkeit darüber herrscht, ob die Erzeugung von MenschTier-Zybriden zu therapeutischen Zwecken erlaubt sein sollte oder nicht. Das Chimbrids-Projekt fordert eine gesetzlich vorgeschriebene Überwachung und die Kontrolle durch eine unabhängige, interdisziplinär zusammengesetzte 95

Augsburg-Münchner-Entwurf zum FMedG, S. 71.

C. Konkrete Regelungsvorschläge

511

Ethik-Kommission. Reproduktives Klonen solle vollständig ausgeschlossen werden. Dies stellt eine ebenso vernünftige Erwägung dar wie das Anliegen, öffentliche Diskussionen anzuregen und eine international einheitliche Terminologie sowie möglicherweise eine gesetzliche Regulation auf EU-Ebene anzustreben, welche die Mischwesen-Erzeugung zu Therapiezecken durchaus zulassen könnte. Der Augsburg-Münchner-Entwurf zum FMedG lässt offen, ob das Klonen mit therapeutischer Zielsetzung zulässig sein soll, wie § 11, Regelungsvorschlag 2 es vorsieht. § 12 II, III AME-FMedF verbietet die Einbringung einer menschlichen Körperzelle in eine tierische Eizelle nur zum Zwecke der medizinisch unterstütz­ ten Fortpflanzung, also zu reproduktiven und nicht zu therapeutischen Zwecken. Letzteres sollte jedoch nicht vorbehaltlos möglich sein, sondern strenger Kontrolle unterliegen. Die Legaldefinition des Embryos bedient sich des normativ hoch­ aufgeladenen Terminus der Totipotenz und bleibt damit der in Deutschland bislang üblichen Einschätzung verhaftet, die in § 8 I ESchG und § 3 IV StZG ihren Niederschlag gefunden hat und – gerade im europäischen Vergleich – stark auf eine Verbotsmoral hinausläuft96. Totipotenz ist naturwissenschaftlich nicht trennscharf erfassbar sowie philosophisch und ethisch gravierenden Einwänden ausgesetzt. Durch die Rezeption dieses Begriffs könnten Assoziationen mit restriktiven Vorstellungen hervorgerufen werden, was dem Anliegen des Entwurfs, nämlich auf Basis des Selbstbestimmungs- und Persönlichkeitsrechts als Erlaubnis- und Ermöglichungsgesetz zu fungieren, diametral zuwiderläuft97.

C. Konkrete Regelungsvorschläge Schließlich ist Stellung zu beziehen, wie eine rechtliche Ausgestaltung der Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden in concreto aussehen sollte.

I. Terminologie 1. „Embryo“ Unter den Begriff des „Embryos“ sollte nur der „Fortpflanzungsembryo“ fallen, der durch Gametenfusion entstanden ist98. Die „Reservierung“ des Embryonenbegriffs auf „fortpflanzungsgeeignete“ Entitäten begründet nicht nur eine terminologische Nuancierung, sondern bringt auch den Unterschied im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit zur Geltung99. Nur bei Befruchtungsembryonen sollte Totipotenz als Kriterium des Schutzbeginns gelten. 96

Kreß in: MedR 2013, 642 (643). Kreß in: MedR 2013, 642 (643). 98 So der Vorschlag zur gesetzlichen Neuregelung von Hetz, S. 209. 99 Hetz, S. 208. 97

512

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

2. „Der Hybride“ Der im ESchG verwendete Begriff „Hybrid“100 sollte ersetzt werden durch „der Hybride“, also „Chimären- und Hybridenbildung“ in § 7 ESchG, denn weder der Duden101 noch medizinische Lexika102 verwenden den Begriff „der Hybrid“103. 3. „Der Mensch-Tier-Zybride“ Ausdrücke wie Chimäre und Hybridwesen „passen“ per definitionem nicht richtig auf Mensch-Tier-Zybride104. Um terminologische Verwirrung ebenso wie strafrechtliche Regelungslücken zu vermeiden, sollte für solche Entitäten, die durch Transfer einer menschlichen somatischen Zelle in entkernte tierische Eizellen entstanden sind, einheitlich der Begriff „Mensch-Tier-Zybride“ verwendet werden. 4. Abgrenzung zwischen Mensch und Tier Menschliche Embryonen sind nur Befruchtungsembryonen, Mensch-Tier-­ Zybriden stellen ebenso wie rein menschliche Zellkerntransfer-Klone lediglich (totipotente) Zellen dar. Die Bedeutung einer scharfen Trennung zwischen Mensch und Tier ist durch die Entscheidung, dass es sich bei Klonen nicht um Embryonen handelt, relativiert: Es geht noch darum, ob eine rechtliche Regelung im ESchG oder im TierSchG erfolgen sollte. Ersteres ist zu bejahen, da die Zybridenforschung in den Kontext des ESchG gehört. Zur Abgrenzung zwischen menschlichen und tierischen Zellen ist nicht auf die Ausgangsmaterialien abzustellen105, sondern auf die genetischen Verhältnisse in der erzeugten Entität. Die 99,9-prozentige Übereinstimmung der DNA eines Zybrides mit dem Menschen genügt zur Qualifikation als menschlicher Zellverband. Dies korrespondiert mit der Feststellung, dass sowohl ein geborener Klon als auch ein geborener Zybride als Mensch angesehen werden müsste, wobei eine solche Geburt strikt untersagt und effektiv verhindert werden muss. Mischwesen, die auf andere Weise als durch

100

Vgl. „Chimären- und Hybridbildung“, Überschrift des § 7 ESchG. Duden: Hy­b­r i­de, die oder der, Wortart: Substantiv, feminin oder Substantiv, maskulin; Gebrauch: Biologie. 102 Roche Lexikon Medizin: Hybride: „Jeder aus der Kreuzung von 2 genetisch verschiedenen Individuen hervorgegangene Nachkomme“; ebenso Hybride: Springer Lexikon Medizin, S. 958. Demgegenüber versteht der Duden unter „das Hybrid“: „Mischung; Gebilde aus zwei oder mehreren Komponenten“. 103 Vgl. Teil 2: C. II. 1. 104 Vgl. Taupitz in: Hug/Hermerén, S. 212: „However, there are cases, such as somatic cell nuclear transfer cloning, in which the applicability of these definitions is problematic“. 105 So tut es das geltende ESchG nach der hier vertretenen Auslegung, vgl. Teil 3: A. III. 4. c) cc). 101

C. Konkrete Regelungsvorschläge

513

Zellkerntransfer erzeugt worden sind und deren Gene zu weniger als 99 Prozent menschlich (bzw. tierisch) sind, müssen eigenen Regelungen für Mischwesen unterworfen werden.

II. Einbezug genetischer Manipulationen: § 5 IV ESchG n. F. Auf eine mögliche Regelungslücke im Falle einer weiteren Abwandlung der Klonierung durch Zellkerntransfer weist von Bülow106 hin: „Würde die Erbinformation des „Ersatz-Zellkerns“ vor seinem Einbringen in die entkernte Ausgangszelle durch genetische Methoden so sehr verändert, dass auch im Rechtssinne von „gleicher Erbinformation“ nicht mehr gesprochen werden könnte, würde das Klonierungsverbot des § 6 I ESchG nicht mehr eingreifen. Würde ein derart veränderter Zellkern in eine vorher entkernte Eizelle eingebracht, wird man wegen § 5 IV Nr. 2 auch keinen Verstoß gegen § 5 I ESchG (künstliche Veränderung einer menschlichen Keimbahnzelle) zu sehen haben. Auch wäre das Tatbestandsmerkmal des § 5 II ESchG „zur Befruchtung verwendet“ – mangels einer solchen – nicht erfüllt. Diese – derzeit freilich nur theoretisch bestehende – Strafbarkeitslücke ließe sich auf mindestens drei verschiedenen Wegen durch Ergänzung des ESchG schließen, und zwar – indem im ESchG generell die Einbringung eines Zellkerns einer menschlichen Zelle in eine entkernte Eizelle untersagt wird, – indem man das ESchG um einen weiteren Tatbestand ergänzt, durch den untersagt wird, das Entstehen eines menschlichen Embryos zu bewirken, ohne dass es hierbei zu einer Befruchtung einer menschlichen Eizelle durch eine menschliche Samenzelle kommt; inwieweit es bei einem derart umfassend formulierten Tatbestand zum Schutz des natürlichen Kerns menschlicher Fortpflanzung daneben dann überhaupt noch eines besonderen Klonierungsverbots bedürfte, soll hier nicht weiter erörtert werden, oder – indem der Tatbestandsausschluss des § 5 IV ESchG enger als bisher gefasst wird: Zu denken wäre etwa an eine Ergänzung des § 5 IV Nr. 1, letzter Halbsatz („dass diese zur Befruchtung oder zur Erzeugung eines Embryos auf andere Weise verwendet wird“).

Dem letztgenannten Vorschlag ist zu folgen und die Norm entsprechend zu ergänzen, weil § 5 ESchG sich mit dieser Problematik abschließend befassen sollte.

III. Verbot der Klonierung von Menschen: § 6 ESchG n. F. § 6 ESchG sollte im Hinblick auf den Nukleustransfer und die nur zu 99,9 Prozent bestehende Übereinstimmung der Erbinformation durch Einfügung eines zweiten Satzes in Absatz 1 (kursiv hervorgehoben) präzisiert werden: 106

v. Bülow in: DÄBl. 1997, C-536 (539).

514

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

§ 6 Klonen (1) Wer künstlich bewirkt, dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Foetus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Für die Annahme „gleicher Erbinformation“ genügt die weitgehende Übereinstimmung, wie sie bei Anwendung der Technik des Zellkerntransfers erreicht wird. (2) Ebenso wird bestraft, wer einen in Absatz 1 bezeichneten Embryo auf eine Frau überträgt. (3) Der Versuch ist strafbar.

IV. Herstellungs- und Verwendungsgenehmigung von Mensch-Tier-Zybriden: § 7 ESchG n. F. Die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden und ihre Verwendung zu Forschungsund Therapiezwecken sollte begrenzt und kontrolliert zugelassen werden. Neben dem Erfordernis einer einzelfallbezogenen Prüfung durch eine zuständige Behörde und der Begutachtung der ethischen Vertretbarkeit des konkreten Forschungsvorhabens durch eine Zentrale Ethik-Kommission ist ein Transfer- und Implantationsverbot in einen Uterus – sei es den einer Frau, eines Tieres oder einen künstlichen – ebenso erforderlich wie das Verbot der Verwendung von Eizellen von nicht-menschlichen Primaten, weil bei Benutzung solcher Eizellen die Möglichkeit der Geburt eines Mischwesens gegenüber anderen Eizellen signifikant erhöht wird. Zudem muss sichergestellt werden, dass die Mensch-Tier-­ Zybriden nicht länger als 14 Tage – dem Zeitpunkt, bei dem bei Embryonen in vivo die Nidation erfolgt, – am Leben gehalten werden. 1. Herstellungs- und Verwendungsbegrenzung: § 7 ESchG n. F. § 7 ESchG könnte in der Neufassung, angelehnt an die Genehmigungsmöglichkeiten des Imports humaner embryonaler Stammzellen im StZG, folgendermaßen lauten (Ergänzungen kursiv): § 7 ESchG: Bildung von Chimären, Hybriden und Zybriden (1) Wer es unternimmt, 1. Embryonen mit unterschiedlichen Erbinformationen unter Verwendung mindestens eines menschlichen Embryos zu einem Zellverband zu vereinigen („Chimärenbildung“), 2. mit einem menschlichen Embryo eine Zelle zu verbinden, die eine andere Erbinformation als die Zellen des Embryos enthält und sich mit diesem weiter zu differenzieren vermag („Chimärenbildung“), oder

C. Konkrete Regelungsvorschläge

515

3. durch Befruchtung einer menschlichen Eizelle mit dem Samen eines Tieres oder durch Befruchtung einer tierischen Eizelle mit dem Samen eines Menschen einen differenzierungsfähigen Embryo zu erzeugen („Hybridenbildung“), oder 4. einen menschlichen somatischen Zellkern in eine entkernte tierische Eizelle zu transferieren (Bildung eines „Mensch-Tier-Zybriden“), oder 5. einen tierischen somatischen Zellkern in eine entkernte menschliche Eizelle zu transferieren (Bildung eines „Tier-Mensch-Zybriden“), wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Erzeugung eines Mensch-Tier-Zybriden nach Absatz 1 Nr. 4 ist ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 7a  ESchG zulässig, wenn zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststeht, dass die folgenden Kriterien erfüllt werden: Mensch-Tier-Zybriden dürfen nur hergestellt werden, wenn wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass 1. keine Eizellen von nicht-menschlichen Primaten verwendet werden, 2. sie hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung oder für die Erweiterung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen dienen und 3. nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik a) die im Forschungsvorhaben vorgesehenen Fragestellungen so weit wie möglich bereits in In-vitro-Modellen mit tierischen Zellen oder in Tierversuchen vorgeklärt worden sind und b) der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sich voraussichtlich nur mit Hilfe von Mensch-Tier-Zybriden erreichen lässt. (3) Zudem muss sichergestellt werden, dass die Mensch-Tier-Zybriden nicht länger als 14 Tage ab dem Tag der Erzeugung am Leben gehalten werden. (4) Ebenso wie in Absatz 1 wird bestraft, wer es unternimmt, 1. eine durch eine Handlung nach Absatz 1 entstandene Entität auf a) eine Frau oder b) ein Tier oder c) einen künstlichen Uterus zu übertragen oder 2. einen menschlichen Embryo auf ein Tier zu übertragen. (5) Der Versuch einer Handlung nach Absatz 1 und 4 ist strafbar.

516

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

2. Genehmigungsvoraussetzungen: §§ 7a – 7k ESchG (neue Vorschriften) § 7a ESchG: Genehmigung (1) Jede Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden und ihre Verwendung zur Gewinnung­ embryonaler Stammzellen bedarf der Genehmigung durch die zuständige Behörde. (2) Der Antrag auf Genehmigung bedarf der Schriftform. Der Antragsteller hat in den Antragsunterlagen insbesondere folgende Angaben zu machen: 1. den Namen und die berufliche Anschrift der für das Forschungsvorhaben verantwortlichen Person, 2. eine Beschreibung des Forschungsvorhabens einschließlich einer wissenschaftlich begründeten Darlegung, dass das Forschungsvorhaben den Anforderungen nach § 7 Absatz 2 und 3 entspricht. (3) Die zuständige Behörde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags und der beigefügten Unterlagen unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Sie holt zugleich die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden ein. Nach Eingang der Stellungnahme teilt sie dem Antragsteller die Stellungnahme und den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden mit. (4) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn 1. die Voraussetzungen nach § 7 Absatz 2 und 3 erfüllt sind und das Forschungsvorhaben in diesem Sinne ethisch vertretbar ist und 2. eine Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit MenschTier-Zybriden nach Beteiligung der zuständigen Behörde vorliegt. (5) Liegen die vollständigen Antragsunterlagen sowie eine Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden vor, so hat die Behörde über den Antrag innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu entscheiden. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für­ Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden zu berücksichtigen. Weicht die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung von der Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden ab, so hat sie die Gründe hierfür schriftlich darzulegen. (6) Die Genehmigung kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt und befristet werden, soweit dies zur Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nach Absatz 4 i. V. m. § 7 Absatz 2 und 3 erforderlich ist. Treten nach Erteilung der Genehmigung Tatsachen ein, die der Genehmigung entgegenstehen, kann die Genehmigung mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise widerrufen oder von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht oder befristet werden, soweit dies zur Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nach Absatz 4 i. V. m. § 7 Absatz 2 und 3 erforderlich ist. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme oder den Widerruf der Genehmigung haben keine aufschiebende Wirkung.

C. Konkrete Regelungsvorschläge

517

§ 7b ESchG: Zuständige Behörde (1) Zuständige Behörde ist eine durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zu bestimmende Behörde aus seinem Geschäftsbereich. Sie führt die ihr nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben als Verwaltungsaufgaben des Bundes durch und untersteht der Fachaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. (2) Für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz sind Gebühren und Auslagen zu erheben. Von der Zahlung von Gebühren sind außer den in § 8 Abs. 1 und 2 des Bundesgebührengesetzes bezeichneten Rechtsträgern die als gemeinnützig anerkannten Forschungseinrichtungen befreit. (3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung durch Rechtsverordnung die gebührenpflichtigen Tatbestände zu bestimmen und dabei feste Sätze oder Rahmensätze vorzusehen. Dabei ist die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen für die Gebührenschuldner angemessen zu berücksichtigen. In der Rechtsverordnung kann bestimmt werden, dass eine Gebühr auch für eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung erhoben werden kann, die nicht zu Ende geführt worden ist, wenn die Gründe hierfür von demjenigen zu vertreten sind, der die individuell zurechenbare öffentliche Leistung veranlasst hat. (4) Die bei der Erfüllung von Auskunftspflichten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens entstehenden eigenen Aufwendungen des Antragstellers sind nicht zu erstatten. § 7c ESchG: Zentrale Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden (1) Bei der zuständigen Behörde wird eine interdisziplinär zusammengesetzte, unabhängige Zentrale Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden eingerichtet, die sich aus neun Sachverständigen der Fachrichtungen Biologie, Ethik, Medizin und Theologie zusammensetzt. Vier der Sachverständigen werden aus den Fachrichtungen Ethik und Theologie, fünf der Sachverständigen aus den Fachrichtungen Biologie und Medizin berufen. Die Kommission wählt aus ihrer Mitte Vorsitz und Stellvertretung. (2) Die Mitglieder der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden werden von der Bundesregierung für die Dauer von drei Jahren berufen. Die Wiederberufung ist zulässig. Für jedes Mitglied wird in der Regel ein stellvertretendes Mitglied bestellt. (3) Die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder sind unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die §§ 20 und 21 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten entsprechend. (4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Berufung und das Verfahren der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden, die Heranziehung externer Sachverständiger sowie die Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde einschließlich der Fristen zu regeln. § 7d ESchG: Aufgaben der Zentralen Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-TierZybriden Die Zentrale Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden prüft und bewertet anhand der eingereichten Unterlagen, ob die Voraussetzungen nach § 7a Absatz 2 erfüllt sind und das Forschungsvorhaben in diesem Sinne ethisch vertretbar ist.

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Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

§ 7e ESchG: Vertraulichkeit von Angaben Die Antragsunterlagen nach § 7a sind vertraulich zu behandeln. (2) Abweichend von Absatz 1 können für die Aufnahme in das Register nach § 7f verwendet werden 1. der Name und die berufliche Anschrift der für das Forschungsvorhaben verantwortlichen Person, 2. die Grunddaten des Forschungsvorhabens, insbesondere eine zusammenfassende Darstellung der geplanten Forschungsarbeiten einschließlich der maßgeblichen Gründe für ihre Hochrangigkeit, die Institution, in der sie durchgeführt werden sollen, und ihre voraussichtliche Dauer. (3) Wird der Antrag vor der Entscheidung über die Genehmigung zurückgezogen, hat die zuständige Behörde die über die Antragsunterlagen gespeicherten Daten zu löschen und die Antragsunterlagen zurückzugeben. § 7f ESchG: Register Die Angaben über Herstellung und Verwendung von Mensch-Tier-Zybriden und die Grunddaten der genehmigten Forschungsvorhaben werden durch die zuständige Behörde in einem öffentlich zugänglichen Register geführt. § 7g ESchG: Anzeigepflicht Die für das Forschungsvorhaben verantwortliche Person hat wesentliche nachträglich eingetretene Änderungen, welche die Zulässigkeit der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden oder die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus diesen betreffen, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. § 7a bleibt unberührt. § 7h ESchG: Strafvorschriften (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ohne Genehmigung nach § 7a Abs. 1 1. Mensch-Tier-Zybriden erzeugt oder 2. Mensch-Tier-Zybriden embryonale Stammzellen entnimmt. Ohne Genehmigung im Sinne des Satzes 1 handelt auch, wer auf Grund einer durch vorsätzlich falsche Angaben erschlichenen Genehmigung handelt. Der Versuch ist strafbar. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer vollziehbaren Auflage nach § 7a Abs. 6 Satz 1 oder 2 zuwiderhandelt. § 7i ESchG: Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. entgegen § 7a Abs. 2 Satz 2 eine dort genannte Angabe nicht richtig oder nicht vollständig macht oder 2. entgegen § 7g Satz 1 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet.

C. Konkrete Regelungsvorschläge

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(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. § 7k ESchG: Bericht Die Bundesregierung übermittelt dem Deutschen Bundestag im Abstand von zwei Jahren, erstmals zum Ablauf des Jahres 2016, einen Erfahrungsbericht über die Durchführung des Gesetzes. Der Bericht stellt auch die Ergebnisse der Forschung an anderen Formen embryonaler Stammzellen dar.

V. Transfer- und Implantationsverbot: § 7 IV ESchG n. F. Unbedingt sollte die Implantation von Mensch-Tier-Zybriden in eine menschliche, tierische oder künstliche Gebärmutter ausgeschlossen werden, das  ESchG also durch ein entsprechendes explizites Verbot ergänzt werden. Insoweit sei auf den vorgeschlagenen § 7 IV ESchG n. F. verwiesen. Damit wird die – aus wissenschaftlicher Sicht sehr unwahrscheinliche – Geburt eines Mensch-Tier-Misch­wesens und die daraus resultierende gesellschaftliche Problematik a priori aus­geschlossen.

VI. Ausweitung des § 4 II StZG auf Therapieanwendungen, PID-Embryonen, Klone und Mensch-Tier-Zybriden Humane embryonale Stammzellen dürfen zwar nach Deutschland importiert, nicht jedoch zur Therapie am Patienten eingesetzt werden. Diese Regelung stellt sich zwar (noch) als verfassungsgemäß dar, aus rechtspolitischer Sicht wäre eine Änderung aber schon jetzt angezeigt. Im Hinblick auf Stammzellen aus MenschTier-Zybriden fehlt jegliche gesetzliche Regulierung, sodass auch diesbezüglich Ergänzungen vorgenommen werden sollten. 1. Argumente für eine sofortige Gesetzesänderung Konkrete Ergebnisse der Stammzellforschung sind erst in einigen Jahren zu erwarten. Es ist deshalb zu berücksichtigen, dass ein Verbot der Stammzellen­gewin­ nung aus Mensch-Tier-Zybriden vermutlich noch für längere Zeit keine faktische Behinderung für klinisch-therapeutischer Anwendungen sein würde, auch wenn sich klinische Prüfungen im Ausland bereits abzeichnen107. Eine spätere Gesetzesänderung ist grundsätzlich möglich108. Ab dem Zeitpunkt, an dem medizinische 107

Vgl. Teil 2: A. IX. Riedel in: JWE 2007, 351 (375).

108

520

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

Anwendungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, ist eine solche aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten. Bereits heute greift das StZG mit seiner Beschränkung der Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen nur auf Forschungszwecke zu kurz109. Wie sich in der Vergangenheit vielfach gezeigt hat, verläuft die Entwicklung gerade in der Biomedizin sprunghaft, sodass sich medizinische Forschungserfolge oft überraschend einstellen. Dadurch dass reine Forschung  – wenn auch nur in begrenztem Umfang  – geduldet wird, konkrete gesundheitsbezogene Verwendungen embryonaler Stammzellen jedoch rechtlich unstatthaft bleiben, entsteht ein Widerspruch, der sich nicht rechtfertigen lässt110. Im Hinblick auf das ethisch wie menschenrechtlich hochrangige Recht auf Gesundheitsschutz ist es daher wünschenswert, wenn entsprechende Forschungsergebnisse zum Wohl der Patienten auch im Inland realisiert werden dürfen111. Das StZG aber verbietet gerade die grundrechtlich geschützten und durch die Forschung angestrebten Anwendungsfälle einer Therapie112. Für diese wenig sach­ gerechte Inkonsistenz113 sind keine Rechtfertigungen ersichtlich114. Schließlich gehen Heilversuche der klinischen Prüfung, die nach dem StZG im Rahmen der anwendungsorientierten Forschung erlaubt ist115, und erst recht dem Einsatz erprobter Therapien im klinischen Alltag in der Regel voran116. Trotz der Möglichkeit einer späteren Gesetzesänderung stellt sich die Frage nach der Planungs­sicherheit der Forscher117. Wenn auch noch kein Eingriff in Art. 5 III GG vorliegt, besteht zumindest eine – im untechnischen Sinne – „mittelbare Beeinträchtigung“ der wissenschaftlichen Forschung, weil diese gelähmt wird, wenn gesundheitsorientierte Anwendungen verboten sind und gewissermaßen das „Ziel vorenthalten“ wird. Wissenschaftliche Forschung und medizinischer Fortschritt erfordern die therapeutische Anwendung, aus der Erkenntnisse für die weitere Forschung gewonnen werden118. Das Verbot verhindert das unerlässliche Miteinander von wissenschaftlicher Forschung und klinischer Anwendung, macht damit eine sinnvolle Stammzellforschung unmöglich und führt dazu, dass die Resultate deutscher Forschung nur im Ausland umgesetzt werden dürfen119. Der eigentliche Zweck und Antrieb 109

So auch Taupitz in: ZRP 2002, 111 (114); Brewe S. 199; Schroth in: Oduncu/Schroth/ Vossenkuhl, S. 280. 110 Bioethik-Kommission RP, 2005, S. 77; Kreß in: ZRP 2006, 219 (223) mit dem Hinweis darauf, dass die Sinnhaftigkeit gesetzlicher Regelungen etwa zur Genehmigung der Reproduktionstoxikologie und Medikamentenprüfung zugunsten von Schwangeren allein schon in der Erinnerung an die Contergan-Katastrophe ethisch unabweisbar sei. 111 Kreß in: ZRP 2006, 219 (222). Bioethik-Kommission RP, 2005, 2. Teil: Ethik, These 14 sowie Empfehlung 6. 112 Klopfer S. 90. 113 Vgl. Wobus, S. 174. 114 Brewe, S. 199. 115 Müller-Terpitz in: JWE 2006, 79 (90). 116 Taupitz in: JZ 2007, 113 (120). 117 Riedel in: JWE 2007, 351 (375). 118 Klopfer, S. 90. 119 Kreß in: ZRP 2006, 219 (222).

C. Konkrete Regelungsvorschläge

521

der Forschungs­arbeiten an und mit embryonalen Stammzellen wird ad absurdum geführt, wenn in Deutschland zwar neuartige therapeutische Verfahren unter Nutzung embryonaler Stammzellen entwickelt, nicht aber zur (routinemäßigen klinischen) Anwendung gebracht werden können120. In Deutschland drohen inländische Stammzell-Projekte und biotechnologische Verfahren daher ins Leere zu laufen121. Deutsche Forscher könnten somit den Anschluss an die internationale Forschung verlieren122. Zudem sprechen europarechtliche Argumente für eine sofortige Gesetzesänderung. Das Grundrecht auf Gesundheitsschutz spielt nicht nur im ethischen wie rechtswissenschaftlichen Schrifttum eine tragende Rolle, sondern ist auch in Menschenrechtskonventionen verankert und wurde im EU-Verfassungsvertragsentwurf erwähnt123. Die Verwendung embryonaler Stammzellen am Menschen im Rahmen der klinischen Forschung oder Therapie wird darüber hinaus vom Anwendungsbereich der europäischen Richtlinie 2004/23/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen erfasst124. Der Europäischen Gemeinschaft steht allerdings in diesem Bereich keine Harmonisierungskompetenz zu, sodass die Mitgliedstaaten strengere Vorschriften erlassen können, welche die Verwendung bestimmter Zellarten weiter einschränken125. Dennoch stellt die Existenz dieser EU-Richtlinie ein Argument für die Erweiterung des Genehmigungsvorbehalts des StZG auf gesundheitsorientierte Anwendungen dar. In diesem Zusammenhang weist die Deutsche Forschungsgemeinschaft darauf hin, dass sich Deutschland durch seinen Beitritt zum „Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ dazu verpflichtet hat, die Rechte eines jeden „auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit“ zu schützen126. Der Expertenausschuss dieses Paktes hat ein solches Recht in seinem „General Comment“ Nr. 14 (2000) näher ausdifferenziert. Zumindest bedarf danach eine vom Staat veranlasste Einschränkung therapeutischer Möglichkeiten einer besonderen Begründung, an der es hier fehlt. Somit ist kein tragfähiger Gesichtspunkt ersichtlich, warum zulässigerweise importierte humane embryonale Stammzell-Linien nicht auch für diagnostische, therapeutische oder pharmakologische Zwecke verwendet werden sollen. Es erscheint inkonsequent, in Deutschland zwar die Forschung zuzulassen, die Anwendung aber dem Ausland zu überlassen127. Zudem ist der Gesetzgeber durch seine Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung gehalten, eine Nutzung für medizinische Anwendungen zuzulassen, sofern dem nicht erhebliche öffentliche Belange entgegenstehen. 120

Dt. Forschungsgemeinschaft, S. 964. Kreß in: ZRP 2006, 219 (222); Bioethik-Kommission RP, 2005, S. 76. 122 Taupitz in: JZ 2007, 113 (113). 123 Vgl. bereits Seewald, S. 127 f. 124 Brewe, S. 193. 125 Löwer, A-Drs. 14/574 l, S. 5 f. 126 DFG 2001, S. 16. 127 Nationaler Ethikrat 2007, S. 18. 121

522

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

2. Verfassungskonforme Neuregelungsmöglichkeiten Dem Gesetzgeber steht die Wahl der Mittel frei, welche ihm zur Ausübung seiner Schutzpflicht geeignet und erforderlich scheinen128. Das bedeutet auch, dass er das Gefahrenpotential statt durch ein Verbot gesundheitsorientierter Anwendungen durch entsprechende Auflagen eingrenzen darf129. Er muss eine gesetzliche Regelung treffen, die einerseits nicht im rechtlichen und ethischen Wertungswiderspruch zum hohen Schutzniveau des ESchG steht130 und andererseits die grundrechtlich geschützten Interessen der Kranken und Patienten berücksichtigt. Eine Änderung der Gesetzeslage, welche die Nutzungszwecke für humane embryonale Stammzellen über den in den §§ 4, 5 StZG gezogenen Rahmen des Erkenntnisgewinns hinaus erweitert, ist möglich, ohne den Zweck des Gesetzes und die Prämissen des darin formulierten Kompromisses zu verletzen131. Gesetzliche Regelungen zur Nutzung von Ergebnissen der Stammzellforschung im Inland sollten wie der Import eine Prüfung durch eine Zentrale Ethik-Kommission vor­ sehen und auf die Prinzipien der Kontrolle, Öffentlichkeit und Transparenz Wert legen132. Hierzu könnten Bestimmungen aufgegriffen und ausgeweitet werden, die das Stammzellgesetz schon jetzt enthält (§§ 7 f. StZG)133. Durch die Beibehaltung einer Einzelfallprüfung wäre gewährleistet, dass die Herstellung von hES-Zellen im Ausland nicht durch die medizinische Nachfrage aus Deutschland veranlasst werden kann134. Die modifizierten Regelungen könnten wie folgt lauten: § 3 StZG: Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes 1. sind Stammzellen alle menschlichen Zellen, die die Fähigkeit besitzen, in entsprechender Umgebung sich selbst durch Zellteilung zu vermehren, und die sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum zu entwickeln vermögen (pluripotente Stammzellen), 2. sind embryonale Stammzellen alle aus a) Embryonen, die extrakorporal erzeugt und nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft verwendet worden sind oder einer Frau vor Abschluss ihrer Einnistung in der Gebärmutter entnommen wurden, b) Entitäten, die im Wege des therapeutischen Klonens durch Transfer eines menschlichen Körperzellkerns in eine entkernte menschliche Eizelle erzeugt wurden,

128

Vgl. BVerfGE 88, 203,264 f. Bioethik-Kommission RP 2002, S. 43. 130 Nationaler Ethikrat 2007, S. 47. 131 Nationaler Ethikrat 2007, S. 46. 132 Kreß in: ZRP 2006, 219 (223).; Bioethik-Kommission RP, 2005, S. 77. 133 So auch Kreß in: ZRP 2006, 219 (223). 134 Nationaler Ethikrat 2007, S. 47. 129

D. Gesamtzusammenfassung

523

c) Entitäten, die im Wege des therapeutischen Klonens durch Transfer eines menschlichen Körperzellkerns in eine entkernte tierische Eizelle erzeugt wurden, gewonnenen pluripotenten Stammzellen, 3. sind embryonale Stammzell-Linien alle embryonalen Stammzellen, die in Kultur gehalten oder im Anschluss daran kryokonserviert gelagert werden, 4. ist Embryo jede aus einer Befruchtung hervorgegangene menschliche totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag, 5. ist Einfuhr das Verbringen embryonaler Stammzellen in den Geltungsbereich dieses­ Gesetzes. § 4 StZG Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen (1) Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen sind verboten. (2) Abweichend von Absatz 1 sind die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken sowie zur therapeutischen Anwendung, sofern entsprechende Therapiemethoden zur Verfügung stehen und hinreichend erprobt sind, unter den in § 6 genannten Voraussetzungen zulässig, wenn 1. zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststeht, dass a) die embryonalen Stammzellen in Übereinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland gewonnen wurden135 und in Kultur gehalten oder im Anschluss daran kryokonserviert gelagert werden (embryonale Stammzell-Linie), – gestrichen –136 b) für die Überlassung der Embryonen zur Stammzellengewinnung kein Entgelt oder sonstiger geldwerter Vorteil gewährt oder versprochen wurde und 2. der Einfuhr oder Verwendung der embryonalen Stammzellen sonstige gesetzliche Vorschriften, insbesondere solche des Embryonenschutzgesetzes, nicht entgegenstehen. (3) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Gewinnung der embryonalen Stammzellen offensichtlich im Widerspruch zu tragenden Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung erfolgt ist. Die Versagung kann nicht damit begründet werden, dass die Stamm­ zellen aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden.

D. Gesamtzusammenfassung Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit der Klärung rechtlicher Problemstellungen um die Herstellung und Nutzung von Mensch-Tier-Zybriden.

135

Auf eine Stichtagsregelung sollte verzichtet werden. Durch die Streichung werden sowohl therapeutische Klone als auch „verworfene“ PIDEmbryonen mit einbezogen. 136

524

Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

Dabei handelt es sich um Entitäten, die durch Nukleustransfer entstanden sind, und zwar durch Einbringung eines menschlichen Körperzellkerns in eine entkernte tierische Eizelle. Damit sollen die Problematik um die Stammzellgewinnung durch therapeutisches Klonen unter Verwendung menschlicher Eizellen gelöst und bisher unheilbare Krankheiten kuriert werden. Das „Ausgangsmaterial“ eines Zybriden ist zu 95 Prozent tierischen und nur zu 5 Prozent menschlichen Ursprungs. Genetisch stimmt die erzeugte Entität zu 99,9 Prozent mit dem menschlichen Zellkernspender überein, zu 0,1 Prozent verfügt sie über tierisches Erbgut. Die Morphogenese wird in den ersten Entwicklungstagen durch die epigenetischen Signale der Eizelle bestimmt, danach übernimmt das menschliche Kerngenom die Steuerung. Der Phänotyp eines Zybrides ähnelt dem eines menschlichen Embryos. Eine eindeutige biologische Klassifikation zu Mensch oder Tier lässt sich damit derzeit nicht treffen. Aus rechtlicher Perspektive tauchen mit der Zybridenforschung völlig neue Fragestellungen auf, die sich mit herkömmlichen Auslegungsmethoden kaum lösen lassen und deshalb einer eingehenden Erörterung bedürfen und zum Teil auch einer Abänderung bestehender Gesetze. Insbesondere vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Analogieverbotes zeigt sich, dass auf einfachgesetzlicher Ebene die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden in Deutschland ungeregelt und de lege lata straffrei ist. Ein Zybrid ist kein Embryo i. S. d. § 8 I ESchG. Die Erzeugung mittels Zellkerntransfer und nicht durch Befruchtung steht aufgrund der Wendung „gilt bereits“, die als Öffnungsklausel für andere Herstellungsmethoden zu interpretieren ist, noch nicht der Qualifikation als Embryo entgegen. Hinzu kommt, dass § 8 I ESchG für alle Normen des Embryonenschutzgesetzes Geltung beansprucht und § 6 I ESchG ohne Einschluss des Zellkerntransfers sinnenleert wäre. Auch die erforderliche Entwicklungsfähigkeit eines Zybrides lässt sich bejahen, wenn man diese nicht im Sinne von Nidationsfähigkeit, sondern, entsprechend dem medizinischen Begriffsverständnis, im Sinne von Totipotenz  – in Abgrenzung zu Pluripotenz – versteht. Ein systematischer Vergleich mit § 7 ESchG, der die Mischwesen-Problematik einer abschließenden Regelung zuführen soll, zeigt jedoch, dass es sich um rein menschliche Embryonen handeln muss. Bei Zybriden ist das „Ausgangsmaterial“ jedoch zu 95 Prozent tierisch. Gegen die Argumentation, dass die 99,9-prozentige menschliche Genausstattung aufgrund der qualitativen Bedeutung des Zellkerns zur Einordnung als menschlicher Embryo führt, spricht, dass das Gesetz auch in anderen Konstellationen auf das Ausgangsmaterial abstellt und es gerade Zweck der Zybridtechnik ist, ohne menschliche Eizellen auszukommen. Mangels eindeutiger Zugehörigkeit zur Gattung „Mensch“ sind Zybriden also keine Embryonen im Sinne des ESchG.

D. Gesamtzusammenfassung

525

Deshalb sind auch weder ihre Verwendung (zur Forschung oder Stammzellengewinnung) noch ihr Import oder Export strafbar nach § 2 I ESchG. Die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden ist ebenfalls straffrei: Insbesondere greift § 7 I Nr. 3 ESchG nicht ein, da ein Zybrid – im Gegensatz zum Hybrid – nicht durch Befruchtung entsteht; § 6 I ESchG scheitert daran, dass ein Zybrid kein menschlicher Embryo ist. Hier fordert das Gesetz, anders als in § 8 I ESchG, sogar explizit die Erzeugung eines menschlichen Embryos. Aus denselben Erwägungen ist die Implantation eines Zybriden in einen Uterus nach §§ 6 II, 7 II ESchG straflos. Die Restriktionen des Stammzellgesetzes finden ebenfalls keine Anwendung auf Mensch-Tier-Zybriden: Weder stellen sie Embryonen iSd. § 3 Nr. 4 StZG dar, noch fallen ihre Stammzellen unter § 3 Nr. 1 StZG. Auch andere Gesetze wie das Gentechnikgesetz, das Arzneimittelgesetz oder das Transplantationsgesetz enthalten keine Verbots- oder Schutznormen im Hinblick auf Zybriden. Ebenso wenig ist das TierSchG einschlägig, weil es sich bei der Eizellengewinnung aus Tieren und der Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden nicht um einen Tierversuch oder eine biotechnische Maßnahme handelt. Die erzeugten Entitäten sind auch keine Tiere i. S. d. Gesetzes. Demzufolge sind Mensch-Tier-Zybriden nach dem geltenden Recht schutzlos und ihre Erzeugung und Verwendung wegen der grundgesetzlichen Freiheitsvermutung straffrei. Damit stellt sich die Frage, ob gesetzliche Beschränkungen von Verfassungs wegen geboten oder zumindest möglich sind. Der Staat hat eine Schutzpflicht für die zu erzeugenden Mensch-Tier-Zybriden aus Art. 2 II GG, denn diese werden eigens zum Zwecke der Stammzellentnahme hergestellt und dabei getötet. Mensch-Tier-Zybriden sind zwar keine Grundrechtsträger, ihnen kommt ab dem Zellkerntransfer aber ein objektiv-rechtlicher, abwägungsoffener Schutz zu. Dieser ist in seiner Intensität allerdings geringer als bei Befruchtungsembryonen, weil aus naturwissenschaftlicher Sicht unsicher ist, ob Zybride nidations- und entwicklungsfähig sind und ob sie überhaupt der Spezies Homo Sapiens angehören. Damit sind sie vom Leitbild des geborenen Menschen und dem Kontext der Reproduktion weit entfernt, aber wesentlich schützenswerter als beliebige Körperzellen. Aus der grundsätzlichen Schutzpflicht resultiert aber eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zum Tätigwerden des Gesetzgebers. Gleiches gilt im Hinblick auf Missbrauchsgefahren: Denn anders als die Erzeugung von Mensch-Tier-Zybriden zu therapeutischen Zwecken löst ihre Herstellung im reproduktiven Kontext eine staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gattungswürde (Art. 1 I GG) aus.

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Teil 5: Rechtspolitische Bewertung

Demzufolge sollte die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden zu hochrangigen Forschungs- und Therapiezwecken begrenzt und kontrolliert zugelassen werden. Denn in der verfassungsrechtlichen Waagschale liegen auch die Rechte von Wissenschaftlern und Forschern aus Art. 5 III GG sowie die Rechte der Patienten auf Therapien – aus Art. 2 II GG –, was jedenfalls ab dem Moment gilt, in dem Therapiemöglichkeiten entwickelt worden sind und zur Verfügung stehen. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen – Lebensrecht der Zybriden versus Forschungsfreiheit – fällt zu Gunsten der Forschung aus. Denn dieses vorbehaltlos gewährleistete Recht ist für den freiheitlichen Staat von fundamentaler Bedeutung, hinzu kommen die Heilungsinteressen der Patienten und Argumente des Nachweltschutzes. Zudem enthält Art.  1 GG eine „herausfordernde“ Dimension, denn auch ein Unterlassen von Hilfe kann eine Menschenwürdeverletzung darstellen. Andererseits ist nicht zu erwarten, dass die Anwendung der Zybridentechnik zu therapeutischen Zwecken die Humanität der Menschen untereinander oder das Selbstverständnis der Gesellschaft gefährden könnte. Ein „Dammbruch“ in Richtung beliebiger Verwendung menschlicher Embryonen, Menschenzüchtung und positiver Eugenik ist weder zu erwarten noch ein verfassungsrechtliches Argument. Auch Missbrauchsrisiken, dass Mensch-Tier-Mischwesen geboren werden, sind nicht nur wenig realistisch, sondern mit legislativen Mitteln auszuschließen. Mensch-Tier-Zybriden ohne weiteres Entwicklungspotenzial zu nutzen, würdigt sie keinesfalls herab, zumal dies wertvolle Heilungsmöglichkeiten für geborene Menschen bieten kann. Diese Methode vermeidet es darüber hinaus, menschliche Embryonen zu töten. Insbesondere sollten Wertungswidersprüche im Recht vermieden werden. Da es rechtlich erlaubt ist, im Rahmen der In-vitro-Fertilisation drei Embryonen zu implantieren, damit einer bis zur Geburt heranreift, „überzählige“ Embryonen „wegzuschütten“, Spiralen und andere Nidationshemmer zu verwenden, postmortal Organe zu entnehmen und unter bestimmten Voraussetzungen eine Schwangerschaft abzubrechen, wäre es nicht angebracht, Zybriden absoluten Schutz zuzusprechen und ihre Erzeugung zu Therapiezwecken generell zu verbieten. Vielmehr sollten sie als reine Forschungsentitäten behandelt und losgelöst vom Kontext der Fortpflanzung geschützt werden. Deshalb wird eine rechtliche Neuregelung vorgeschlagen, die insbesondere § 7  ESchG ergänzt, und zwar durch ein präventives Verbot der Mensch-Tier-­ Zybrid-Erzeugung mit Erlaubnisvorbehalt. Die Regelung soll einerseits die Forschung und spätere Therapie ermöglichen und andererseits Missbrauch – in einen reproduktiven Kontext zu gelangen  – vorbeugen. Daher wird die Implantation eines Mensch-Tier-Zybriden in einen Uterus unter Strafe verboten, ebenso die Ver-

D. Gesamtzusammenfassung

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wendung von Eizellen nichtmenschlicher Primaten und die Weiterentwicklung von Zybriden über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen. Somit soll eine in sich konsistente Regelung erreicht werden, die alle gegenläufigen Interessen bestmöglich verwirklicht.

Teil 6

Schlussbemerkung Als in Großbritannien die Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden zu Forschungszwecken für legal erklärt wurde1, warnten einige, durch dieses „absonderliche und irgendwie unnatürliche Verfahren“2 würden grauenhafte Mischwesen geschaffen. Etliche Krankheiten könnten geheilt werden, prophezeiten andere3. Ist es der Fluch des Machbaren oder dringend notwendiger Segen für unheilbar Kranke?4 Beck fragt: „Was bleibt für die Zukunft? Die Trennung zwischen Mensch und Tier wird womöglich weiter abnehmen und die Aufrüstung von Computern zu menschlichen Leistungen zunehmen. Alle drei werden womöglich mehr und mehr miteinander vermischt werden im Sinne eines Enhancement, also einer „Verbesserung“ von Mensch oder Tier: computergesteuerte Stimulation im Gehirn, Schweineherzklappen im Herz, menschliche Organe produzierende Schafe, Herstellung von Mensch-Tier-Wesen und die Gewinnung von Spermien und Eizellen aus embryonalen Stammzellen. Daneben wird sich die so genannte synthetische Biologie der Herstellung synthetischer DNA widmen und die Verschränkung von Natürlichem und Künstlichem, zwischen Mensch und Computer oder Mensch und Tier weiter vorwärtstreiben. Daher muss man sich nicht nur um den Menschen als Person kümmern, sondern auch um die immer stärker einbezogene und manipulierte Natur und ihre Interaktion mit Technik, Wissenschaft und Wirtschaft. Gerade die Verquickung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gilt es genau zu beobachten. Mehr und mehr gilt der Satz: Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende“5. Innerhalb der Politik und in der Öffentlichkeit sowie unter Naturwissenschaftlern, Rechtswissenschaftlern und Ethikern existiert eine tief greifende Kontroverse über die Stammzellforschung, in der zumindest teilweise ein Dissens über moralische Grundnormen zum Ausdruck kommt6. Für die einen stellen Stammzellen große Hoffnungsträger für bislang unbehandelbare chronische Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer, Krebs, Diabetes, multiple Sklerose und Herzinfarkt dar, für die anderen bilden sie einen der größten Streitpunkte der medizinischen Ethik7. 1

Vgl. DRiZ 2001, 213, (218). Vgl. Silver, S. 250. 3 Klimpel, Annett/Hasse, Marc in: Wissen im Hamburger Abendblatt vom 25.04.2012. 4 Taupitz in: NJW 2001, 3433 (3433). 5 Beck, S. 323. 6 Honnefelder in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen Biomedizin, S. 183. 7 Beck, S. 323. 2

Teil 6: Schlussbemerkung

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Auf der einen Seite steht die erhoffte Stammzelltherapie, auf der anderen die eher ernüchternden Forschungsergebnisse: Bisher sind die Resultate der Zybridenforschung hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Aus diesem Grunde wird es teilweise als unseriös verurteilt, wenn Gordon Brown, der Premierminister von England, einen Brief an die Europäische Kommission schreibt, in dem er rechtfertigt, dass die Engländer jetzt solche Wesen herstellen müssten, damit Tausenden von Menschen das Leben gerettet werden könne8. Tatsächlich ist eine abschließende Bewertung des Potenzials der Technik aufgrund der schmalen Datenbasis derzeit noch nicht möglich bzw. verfrüht. Von anderen europäischen Staaten hebt sich die Bundesrepublik Deutschland nicht nur durch eine betont restriktive Grundhaltung hervor, sondern auch durch eine grundsätzlichere und dogmatischere Art des Argumentierens: „Denn ganz abgesehen von der durchweg pragmatischen Handhabung, wie sie wohl weniger von England, wohl aber von dem ansonsten für stringentes Problembewusstsein bekannten Frankreich überraschen mag, scheint selbst in Ländern mit vergleichsweise strengen Regeln – wie Israel, Norwegen oder der Schweiz – diese Zurückhaltung eher dezisionistisch damit begründet, dass man Praktiken der hier in Frage stehenden Art schlicht nicht will, aus welchen Gründen auch immer. Demgegenüber glaubt man in der Bundesrepublik gar nicht anders zu können, weil es die Verfassung mit Rücksicht auf den Status des Embryos so gebiete – wobei freilich auch die vielleicht einmal für spätere Retrospektiven bemerkenswerte Tat­sache nicht unerwähnt bleiben sollte, dass sich die Verfassungsrechtler zunächst fast gänzlich verschwiegen und das Diskussionsfeld den – darüber keinesfalls glück­ ivil- und Strafrechtlern überlassen haben“9. lichen – Z Die im Inland nur wenig erörterte Thematik der Mensch-Tier-Zybrid-Forschung ist in Deutschland bislang noch nicht praktisch geworden, wirft jedoch interessante und grundlegende Rechtsprobleme auf. Bei dieser Forschung handelt es sich um eine Herausforderung nicht nur des Verfassungsstaates, sondern insbesondere der Verfassungsinterpretation, welche gezwungen ist, Menschenwürde und Menschenrechte zu schützen und gleichzeitig den medizinischen Fortschritt nicht zu behindern10. Bei den neu aufgeworfenen Fragen geht es nicht nur um die Nutzung der Biound Gentechnologie als Schlüsseltechnologie der kommenden Jahrzehnte unter dem Stichwort „Standortsicherung“, sondern vielmehr auch und gerade um die verfassungsrechtlichen Grenzen der Forschungsfreiheit. Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle dem Juristen in der Technologie-Kontroverse zukommt. So resümiert Schwarz: „Die Würde des Menschen wird einer schweren Bewährungsprobe unter Berufung auf die Forschungsfreiheit ausgesetzt. Die biomedizinische Forschung schickt den Juristen auf eine Reise in eine terra incognita, in der bekannte Argumentationsmuster sich der Herausforderung durch das weithin Un 8

Beck, S. 90. Eser, S. 29 f. 10 Vgl. zur Problematik des therapeutischen Klonens Schwarz in: KritV 2001, 182 (183). 9

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Teil 6: Schlussbemerkung

bekannte stellen müssen“11. Markl betont, es gehe um einen sachgerechten Ausgleich zwischen „Machbarkeitshybris“ der Naturwissenschaftler einerseits und der „Normierbarkeitshybris“ der Juristen andererseits, welcher nur im demokratisch legitimierten Diskurs erfolgen könne12. Gerade weil komplexe Fragestellungen aus dem Bereich der Naturwissenschaften sich auf der einen Seite in aller Regel dem juristischen Verständnis entziehen und moderne Naturwissenschaften und Techniken dem staatlichen Handeln vorauseilen13, stellt sich die Frage, ob es wirklich Aufgabe der Rechtsordnung ist, katechonisch, also verzögernd, die wissenschaftliche Entwicklung zu begleiten, um so der Gesellschaft und Politik Raum und Zeit zum Bedenken und Entscheiden zu gewähren14. Extremlösungen sind jedenfalls nicht zu favorisieren15. Bei einem generellen Verbot werden mit den Problemen auch alle positiven Aspekte verhindert, während die generelle Freigabe im Sinne eines „technologischen Imperativs“16 auf jede ethische und moralische Bindung verzichtet und dabei möglicherweise zentrale Vorgaben des Verfassungsrechts übersieht17. Vielmehr bedarf es eines Mittelweges und einer gewissenhaften Abwägung kollidierender Schutzinteressen, die eine begrenzte Zulassung der Herstellung von Mensch-Tier-Zybriden zur Gewinnung embryonaler Stammzellen ermöglicht und Missbrauch vorbeugt. Nur so lässt sich die Utopie einer Welt voll Fabelwesen und die Aufhebung der Speziesgrenze zwischen Mensch und Tier wirksam verhindern, sodass die Wissenschaft voranschreiten und Lebensleiden verringern kann, ohne dass es zu dem kommt, was schon Goethe mahnend anprangerte: „Behüte Gott! Wie sonst das Zeugen Mode war, erklären wir für eitel Possen. Der zarte Punkt, aus dem das Leben sprang, die holde Kraft, die aus dem Innern drang und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen, erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen, die ist von ihrer Würde nun entsetzt.“ – „Was man an der Natur Geheimnisvolles pries, das wagen wir verständig zu probieren, und was sie sonst organisieren ließ, das lassen wir kristallisieren.“ (Zitat aus Johann Wolfgang von Goethes „Faust II“ (2. Akt, Laboratorium, Worte Wagners Verse 6840 f., sowie die Verse 6857 f.) 11

Schwarz in: KritV 2001, 182 (182 f.). Markl, S. 5, 38. 13 Breuer in: VVDStRL 1989, 277 (277). 14 Schwarz in: KritV 2001, 182 (184 f.). 15 Vgl. Honnefelder in: Eser, S. 38, 40. 16 Jonas, S. 31 f. 17 Schwarz in: KritV 2001, 182 (185). 12

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Sachwortverzeichnis Abgestufter Lebensschutz  242, 246 Abspaltung totipotenter Zellen  81, 83 Abstufbarer objektiv-rechtlicher Schutz  309 Abtreibungsurteil  223, 224, 310, 555 Abwägung  245, 250, 263, 459 Adulte Keimzelle  58 Adulte Stammzelle  59 Akt der Selbsthilfe  478 aktive Potenzialität  276 Allgemeine Handlungsfreiheit  446 Alterierter Nukleustransfer  97 Alternativlosigkeit  355, 360, 482, 504 Alzheimer 73 AME-FMedG 510 AMG 206 Angemessenheit  461, 489 Arzneimittelgesetz 181 Augsburg-Münchner-Entwurf zum Fortpflanzungsmedizingesetz 509 Ausgangsmaterial 152 Befruchtung  49, 270, 271, 276, 313 Berichtigungspflicht 461 Berufsfreiheit 436 BGB 204 Blastomere 49 Bundesärztekammer 53 Bundesgerichtshof 251 Bundesverfassungsgericht 281 Bürgerliches Gesetzbuch  185 Bußgeldvorschriften 518

Diabetes 76 Diskriminierung 398 Diskriminierungswirkung 356 Dispositionsbefugnis  214, 403 Einwilligung 213 Eizellspende 84 Eizellspenderin 505 Embryoblastzellen 49 Embryogenese 49, 89, 90, 122, 123, 129, 236 Embryonale Keimzelle  56 embryonale Stammzellen  52, 54, 56, 57, 67, 80 Embryonenschutzgesetz 136 Embryonensplitting 81 Entwicklungsfähigkeit 277 Enukleierung 87 Epigenetik 89 Epilepsie 73 Erbinformation 151 ESchG  203, 205, 206, 207 Ethik-Kommission 506 Eugenik 416

Chimäre  104, 151, 154, 168 Chimbrids-Projekt  120, 508, 510 Chorea Huntington  73 Chromosomensatz 63

Fehlender Rechtsgutsträger  334, 351 Fertilisation  47, 228 Foetale Stammzelle  58 Foetus 50 Follikelpunktion 85 Forschungsembryo 55 Forschungsfreiheit  424, 470 Forschungsverantwortung 353 Fortpflanzungsfreiheit 456 Fortpflanzungsmedizin 102 Fortpflanzungsunabhängiger Kontext  359

Dammbruch-Argument 365 Definition Klon  78 Deutsche Forschungsgemeinschaft  464 Deutscher Ethikrat  507

Gattungs- und Menschenbildschutz  341 Gebärmutter 50 Geburt 240 GenDG 204

604

Sachwortverzeichnis

Genehmigungsvoraussetzungen 516 Genotyp  82, 128 Gentechnikgesetz 177 GenTG 204 Grundlagenforschung 66 Grundrechtsanwartschaft 243 Grundrechtsträgermodell 335 Grundrechtsträgerschaft 247 Grundrechtsvoraussetzung 324 Grundrechtsvorwirkung 336 Haploidisierung 63 Herstellungs- und Verwendungsgenehmigung 514 Herzinfarkt 73 Hochrangige Forschungs- und Therapieziele 504 Homo Sapiens  150 Homologe Rekombination  69 Hybrid 180 Hybrid-Bildung 168 Hybride  110, 193 Identitätsargument  230, 233 Immunkompatibilität 355 Implantation 49, 90, 384, 423, 454, 459, 492 Implantationsverbot 506 Import  177, 373, 491 Importverbot 176 Imprägnation 48 Individualisierte Medizin  72 Individuation  49, 223, 227, 236, 302, 455 Induzierte pluripotente Stammzelle  60 Induzierte pluripotente Stammzellen  60, 61 Instrumentalisierung  394, 464 Interspezies-Chimäre 105 Interspezies-Hybrid 111 Intraspezies-Chimäre 105 Intraspezies-Hybrid 111 In-vitro-Fertilisation  52, 357 Karyoplast 82 Klonen 78 Klon-Methoden 81 Kommerzialisierungsgefahr 361 Kontinuitätsargument  229, 233, 258 Körperzellspender  443, 506

Krebs 73 Künstliche Klonierung  79 künstliche Spermien  62 Lähmungen 73 Large offspring syndrome  94 Lebensschutz  221, 334 Leukämie 73 Meiose 47 Menschenbild  320, 411 Menschenwürdegarantie 281 Menschenwürdeschutz 280 Menschenzüchtung 416 Menschliche Gattungswürde  352 Mensch-Tier-Hybride 56 Mensch-Tier-Mischwesen 104 Mensch-Tier-Zybride 56 Monopotenz 50 Morbus Parkinson  73, 75 Morula  49, 84, 91, 140 Multiple Sklerose  73 Multipotenz 51 Nabelschnurblut 57 Nachweltschutz 475 natürlicher Klon  79 Neonatale Stammzelle  57 neuromuskuläre Erkrankungen  78 Nidation  49, 301 Nothilfesituation 462 Nukleozytoplasmatischer Hybride  118 Nukleustransfer 82 Objektformel 282 Organtransplantation 68 Parthenogenese 99 Passive Potenzialität  265 Patentgesetz 187 Patient 446 Persönlichkeitsrecht  397, 404 Phänotyp  84, 129 Pluripotenz 50 Postmortaler Würdeschutz  379 Potenzialitätsargument  231, 269, 336 Prä-Embryo 49 Präimplantationsdiagnostik 53

Sachwortverzeichnis Präventives strafrechtliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 503 Primaten  92, 514 Primitivstreifen 48 Querschnittslähmung 77 Reagenzglas 52 Recht auf körperliche Unversehrtheit  397 Recht auf Leben und Gesundheit  212 Recht auf Transfer  454 Regelungsvorschläge 507 Reproduktives Klonen  80 Reprogrammierung 89 Reprogrammierungsfehler 131 Richtlinienwirkung 473 Risiken 417 Samenzelle 48 Schlaganfall 73 Schwangerschaftsabbruch 367 Selbstbestimmungsrecht  215, 443 SKIP-Theorie 229 Somatische Hybridzelle  62 Sozialstaatsprinzip 476 Speziesargument  229, 332, 572 Spezieszugehörigkeit 257 Staatliche Schutzpflicht  210 Staatlicher Heilauftrag  474 Stammzelle 50 Stammzellforschung 47 Stammzellgesetz 171 Stammzelltherapie 47 StGB 205 Strafgesetzbuch 202 StZG 206 Superovulation 48 Terminologie 511 Therapeutisches Klonen  80 Therapie 463 Therapiefreiheit 441 Therapiewahl 453

605

TierSchG  205, 206, 208 Tierschutzgesetz 194 Tierversuch  195, 504 TierZG 205 Tierzuchtgesetz 202 tissue engineering  71 Totipotenz 51 TPG 204 Transfererfordernis 257 Transfer- und Implantationsverbot  519 Transferverbot 492 Transgene Tiere  114 Transplantationsgesetz 183 Transplantationsmedizin 68 Übermaßverbot 485 Überzählige Embryonen  52 Umwelt 368 Unantastbarkeitsklausel 292 Unfruchtbarkeit 73 Universeller Konsens  408 Verfassungsmäßigkeit 462 Verfassungsrecht 210 Verhältnismäßigkeit  460, 485 Verletzung der Menschenwürde  293 Vorwirkung der Menschenwürde  308 Wertungswidersprüche 483 Wesensgehaltsgarantie 475 Willkürverbot 296 Würdeschutz 334 Zellersatzstrategien 70 Zellkernspender 400 Zentrale Ethik-Kommission für Forschung mit Mensch-Tier-Zybriden  517 Zona pellucida  48 Zybride  118, 140, 176, 177 Zygote 48 Zytoplasmatransfer 98 Zytoplast 82