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German Pages 252 Year 1994
PETER AXER
Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 651
Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen Zur Identität des Rechts der öffentlichen Sachen als Rechtsgebiet
Von
Peter Axer
Duncker & Humblot - Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Axer, Peter: Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen : zur Identität des Rechts der öffentlichen Sachen als Rechtsgebiet / von Peter Axer. — Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 651) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07858-6 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07858-6
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Schrift ist der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Wintersemester 1992/93 als Dissertation vorgelegt worden. Sie befindet sich auf dem Stand von Juli 1992. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Josef Isensee, danke ich herzlich für die Betreuung der Arbeit und die wissenschaftliche wie menschliche Unterstützung, die ich während meiner Studenten- und Assistentenjahre an seinem Lehrstuhl erfahren durfte. Herrn Professor Dr. Wolfgang Löwer schulde ich Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Gedankt sei auch der Konrad-AdenauerStiftung, die diese Arbeit durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums gefördert hat, sowie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und dem Bundesministerium des Innern, die einen Zuschuß zu den Druckkosten geleistet haben. Herrn Rechtsanwalt Professor Norbert Simon danke ich schließlich für die Aufnahme in das Verlagsprogramm des Verlages Duncker & Humblot. Peter Axer
Inhaltsverzeichnis Einleitung
17
Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen
23
I. Das Recht der öffentlichen Sachen II. Die öffentliche Sache
23 26
1. „Sache"
27
2. „Öffentlich"
28
a) „Öffentlich" als Charakterisierung der Allgemeinzugänglichkeit
28
b) „Öffentlich" als Kennzeichnung der Einbeziehung der Sache in das Öffentliche Recht
29
ΙΠ. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Sachen 1. Historische Bedeutung
30 30
a) Otto Mayer
31
b) Das Preußische Oberverwaltungsgericht
32
2. Die Widmung als Rechtsakt
33
3. Widmung und Indienststellung
34
IV. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft 1. Der Basier Schanzenstreit
35 36
a) Sachverhalt
36
b) Die Rechtsgutachten
37
aa) Das Gutachten Dernburgs
38
bb) Die Gutachten von Jhering
39
c) Das Urteil
39
d) Auswirkungen des Urteils
40
2. Publizistische Theorien a) Das öffentliche Eigentum
41 41
b) Renaissance des öffentlichen Eigentums
42
c) Hoheitliche Sachherrschaft
43
Inhaltsverzeichnis
10
d) Rezeption des „öffentlichen Eigentums" in der Rechtsordnung ...
43
aa) Öffentliches Eigentum in den Landesgesetzen
43
bb) Öffentliches Eigentum und Gemeineigentum (Art. 15 GG)
44
cc) Öffentliches Eigentum und Eigentum nach Art. 89 GG und Art. 90 GG
45
dd) Öffentliches Eigentum und Euratom
46
ee) Öffentliches Eigentum und Völkerrecht
47
ff) Zusammenfassung
48
3. Die Theorie des modifizierten Privateigentums
48
a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dualistische Konstruktion
49
b) Stellungnahme
50
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung VI. Zusammenfassung und Erläuterung der weiteren Vorgehensweise B. Die Widmung im Straßenrecht I. Straße und Straßenrecht
51 53 54 54
1. Die Straße
54
2. Das Straßenrecht
55
Π. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße 1. Die Widmung durch Verwaltungsakt a) Die Widmung als dinglicher Verwaltungsakt
57 57 57
aa) Der dingliche Verwaltungsakt
58
bb) Rechtsnorm — Einzelakt
59
cc) Rechtsnachfolge
60
b) Die Widmung als Ermessensverwaltungsakt
62
aa) Ermessen
63
bb) Gebundener Verwaltungsakt?
63
aaa) Verpflichtung zur Widmung aus der Straßenbaulast?
64
bbb) Verpflichtung zur Widmung aus einzelnen landesrechtlichen Vorschriften?
65
cc) Das Ermessen der Straßenbaubehörde
66
aaa) Entschließungsermessen
66
bbb) Auswahlermessen
67
c) Die Widmungsbefugnis aa) Die Widmung in der kommunalrechtlichen Aufgabensystematik
68 69
Inhaltsverzeichnis
aaa) Gemeinden und Kreise
70
bbb) Die Landschaftsverbände
70
(1) Bundesfernstraßen
70
(2) Landesstraßen
71
bb) Die organisationsrechtliche Zuständigkeit für die Widmung
73
aaa) Die Gemeinde
73
bbb) Der Kreis
75
ccc) Die Landschaftsverbände
76
d) Die Widmung als mehrstufiger und mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt aa) § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW
77 77
bb) § 6 Abs. 5 StrWG NW
78
aaa) Der Zustimmende
79
bbb) Die Folgen einer fehlerhaften bzw. fehlenden Zustimmung
81
e) Das Verfahren der Widmung
83
f) Die Form des Verwaltungsaktes „Widmung"
86
aa) Schriftform
86
bb) Inhaltliche Bestimmtheit
86
g) Rücknahme und Widerruf der Widmung? 2. Die Widmung in anderen Formen
87 90
a) Die Widmung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens
90
b) Die „fiktive" Widmung
92
c) Die Widmung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag
93
d) Widmung kraft unvordenklicher Verjährung?
94
3. Ergebnis III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft an öffentlichen Straßen 1. § 6 Abs. 6 StrWG NW a) „Nicht berührt"
96 96 98 98
aa) § 6 Abs. 6 StrWG NW und der gutgläubige Erwerb im Liegenschaftsrecht 100 bb) Die Eintragungsfähigkeit der Widmung aaa) Die Buchungspflicht bbb) Die Eintragungsfähigkeit der Widmung
100 101 102
cc) Zwischenergebnis
103
b) Der Umfang der Belastung
103
Inhaltsverzeichnis
12
c) Die Art der Verfügung aa) Privatrechtliche Verfügungen
105 105
bb) Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung 106 cc) Verfügungen im Wege der Enteignung 107 d) § 6 Abs. 6 StrWG NW als Ausdruck der öffentlichen Sachherrschaft im Straßenrecht 108 2. Die Befugnisse des öffentlichen Sachherrn a) Straßen- und wegerechtliche Befugnisse aa) Die Sondernutzung bb) Die Reinigungspflicht (§ 17 StrWG NW) b) Befugnisse aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft aa) Öffentliche Sachherrschaft an öffentlichen Straßen in Rechtsprechung und Literatur aaa) Die Dinglichkeit bbb) „Dienstbarkeit" (1) Die Dienstbarkeiten nach §§ 1018 ff. BGB (2) Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft als Dienstbarkeit bb) Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft als Eigentum cc) Die Befugnisse des öffentlichen Sachherrn aaa) Unzulässigkeit der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften? bbb) Die Durchsetzung der Ansprüche 3. Ergebnis IV. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
108 109 109 110 112 112 113 114 115 116 117 118 119 121 122 122
1. Gemeingebrauch und Sondernutzung
123
2. Die Widmung
125
a) Der Verkehrsbegriff aa) Der kommunikative Verkehr bb) Der kommunikative Verkehrsbegriff als Zerstörung straßenrechtlicher Strukturen b) Die Widmung — nur zum Verkehr? c) Der zulässige Inhalt der Widmung 3. Die Widmung als Anspruchsgrundlage
126 126
V. Straßenrecht als Recht der öffentlichen Sachen C. Die Widmung im Recht der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen I. Die gemeindliche öffentliche Einrichtung 1. Die gesetzlichen Regelungen
127 132 133 134 136 138 138 138
Inhaltsverzeichnis
2. Begriffsbestimmung
140
a) Öffentliche Anstalt — Öffentliche Einrichtung
140
b) Öffentliches Unternehmen — Öffentliche Einrichtung
141
c) Die Unmöglichkeit einer Definition der „öffentlichen Einrichtung"
143
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Einrichtung
145
1. Form und Verfahren der Widmung
145
2. Inhalt der Widmung
146
III. Die Widmung als Schlüssel für das Verhältnis von öffentlicher Sache und öffentlicher Einrichtung
147
1. Die öffentliche Einrichtung ist eine öffentliche Sache
148
2. Die öffentliche Einrichtung hat öffentliche Sachen
149
3. Die Widmung als Schlüssel
150
IV. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft an öffentlichen Einrichtungen? 1. Der „sachenrechtliche" Sonderstatus 2. Der „schuldrechtliche" Sonderstatus
150 151 153
a) Die Literatur
153
b) Die Problematik des „schuldrechtlichen" Sonderstatus
154
3. Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft und Grundgesetz a) Art. 14 GG
155 156
aa) Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft im System des Art. 14 GG 158 bb) Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft als Inhalts- und Schrankenbestimmung 159 aaa) § 18 Abs. 1 GO NW
160
bbb) Die kommunale Satzung
160
(1) Eigene Angelegenheiten (2) Erfordernis einer speziellen Ermächtigung
161 161
ccc) Gewohnheitsrecht
162
ddd) Zusammenfassung
164
cc) Die öffentliche Sachherrschaft als Enteignung b) Der Vorbehalt des Gesetzes aa) Die Regelung der sachenrechtlichen Wirkung der Widmung als Aufgabe des Parlaments bb) Die Zustimmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft? 4. Ergebnis
164 165 166 167 168
14
Inhaltsverzeichnis
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung 1. §18 Abs. 2 GO NW
168 168
a) Subjektiv-öffentliches Recht oder privatrechtlicher Anspruch? ...
169
b) Recht auf Benutzung oder Recht auf Zulassung?
170
c) Nutzungsberechtigter: nur der Einwohner?
171
d) Anspruchsverpflichteter: nur die Gemeinde?
173
e) Zwei-Stufen-Theorie oder einheitliches Nutzungsverhältnis?
174
2. Die Ungeeignetheit des § 18 Abs. 2 GO NW zur Lösung der Nutzungsproblematik 176 3. Die Widmung als Anspruchsgrundlage
176
a) Die Anspruchsberechtigten
178
b) Der Anspruch auf Benutzung
179
c) Die öffentlich-rechtliche Natur des Benutzungsanspruchs
181
4. Widmung und Benutzungsordnung
183
5. Die Widmung öffentlicher Einrichtungen als Allgemeinverfügung ...
185
6. Widmung und Sonderbenutzung
186
VI. Ergebnis D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch I. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft?
188 189 189
1. Konstruktive Bedenken
190
2. Verstoß gegen Art. 14 GG und den Vorbehalt des Gesetzes
191
II. Widmung und Hausrecht
192
1. Das Hausrecht
192
2. Die Irrelevanz der Widmung für das Hausrecht
194
III. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung?
195
IV. Die Zuordnungsfünktion der Widmung
196
1. Die Sondervermögen Deutsche Bundespost und Deutsche Bundesbahn 197 2. Art. 134 GG
197
3. Der Einigungsvertrag
199
V. Ergebnis
201
Inhaltsverzeichnis
E. Die Widmung bei den res sacrae I. Die res sacrae als öffentliche Sachen? II. Die res sacrae als Objekte des Zivilrechts? III. Die staatliche Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Sache „res sacrae"?
202 203 205 207
1. Staatliche Widmung durch kirchliches Handeln?
207
2. Die kirchliche Handlung als Anknüpfungspunkt für den öffentlichrechtlichen Sonderstatus
208
IV. Die verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus der res sacrae
209
1. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV — der Körperschaftsstatus
209
2. Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV — die Kirchengutsgarantie
211
a) Die Bedeutung der Kirchengutsgarantie als Funktionsgarantie ....
211
b) Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV als Bestandsgarantie .... V. Konsequenzen für die res sacrae VI. Zusammenfassung F. Abschied vom Recht der öffentlichen Sachen I. Die Schutzfunktion II. Die Verteilungsfunktion
212 215 216 218 218 222
III. Konsequenzen für das Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Sachen" ... 223 G. Thesen
225
Literaturverzeichnis
228
Hinweis: Wegen der im Text und in den Fußnoten verwendeten Abkürzungen wird, soweit diese nicht ohnehin üblich und allgemeinverständlich sind, auf Kirchner, Hildebert/ Kastner, Fritz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Aufl. 1983, verwiesen.
Einleitung Das Recht der öffentlichen Sachen erfaßt ungeachtet seiner respektablen literarischen Tradition, die sich signifikant in der Habilitationsschrift von Theodor Maunz „Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts" widerspiegelt, einen nach wie vor umstrittenen Grenzbreich zwischen privatem und öffentlichem Recht. Ludwig K. Adamovich und Bernd-Christian Funk konstatierten 1987 l : „In diesem Bereich haben sich überkommene Begriffe und Denkmuster besonders hartnäckig gehalten, ohne daß ihre Berechtigung und Zweckmäßigkeit jemals eingehend überprüft worden wäre. Deutlich ist hier ein Defizit an theoretischer und dogmatischer Erschließung zu erkennen." Diese primär dem österreichischen Recht geltende Feststellung hat auch für das deutsche Recht der öffentlichen Sachen ihre Berechtigung. Der deutschen Wissenschaft und Praxis bereitet die Lösung konkreter Probleme auf der Grundlage der für die rechtliche Behandlung öffentlicher Sachen entwickelten Theorien erhebliche Schwierigkeiten, was zwei Prozesse deutlich zeigen, die sowohl die Zivil- als auch die Verwaltungsgerichte seit einigen Jahren beschäftigen und zu widersprüchlichen Entscheidungen führten: der Streit um die Münchener St. Salvatorkirche und um das Hamburger Stadtsiegel. Gegenstand des Rechtsstreites um die Münchener St. Salvatorkirche 2 ist die Nutzung der im Jahre 1494 errichteten St. Salvatorkirche, die seit der Säkularisation im Eigentum des Freistaates Bayern steht, durch die „Griechische Kirchengemeinde in München e. V.". Im Jahre 1829 wurde die Kirche durch einen griechisch-orthodoxen Geistlichen feierlich eingeweiht und durch Entschließung König Ludwigs I. von Bayern am 2. 7. 1830 den in München ansässigen griechischorthodoxen Gläubigen zum gottesdienstlichen Gebrauch überlassen, „auf solange Wir nichts anderes verfügen". Der Freistaat Bayern hält die „Griechische Kirchengemeinde in München e. V." nicht mehr für den repräsentativen Zusammenschluß der in München ansässigen griechisch-orthodoxen Gläubigen und beabsichtigt daher, die Kirche der seit 1963 bestehenden Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland zur Nutzung zu überlassen. Da die „Griechische Kirchengemeinde in München e. V." die Kirche aber nicht räumte, klagte der Freistaat Bayern
1
Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 224. Vgl. dazu das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. 11. 1990, BVerwGE 87, 115 ff. = JZ 1991, S. 616 ff. mit Anmerkung von Bachof, ebd., S. 621 ff. = ZevKR 36 (1991), S. 57 ff. mit Anmerkung von Mainusch, ebd., S. 68 ff. = BayVBl 1991, S. 214 ff. mit Anmerkung von Renck, ebd., S. 200 ff. 2
2 Axer
18
Einleitung
im Jahre 1977 auf Herausgabe. Das Landgericht München gab der auf § 985 BGB gestützten Klage statt, das Oberlandesgericht München wies die Klage ab, und das Bayerische Oberste Landesgericht entschied letztinstanzlich, daß das Herausgabeverlangen nicht begründet sei, weil die Widmung der St. Salvatorkirche zur öffentlichen Sache ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB begründe. Ein Herausgabeverlangen könne erst nach vorheriger Entwidmung Erfolg haben, der Anspruch auf Entwidmung sei aber als öffentlich-rechtlicher Anspruch vor dem Verwaltungsgericht zu verfolgen. Die daraufhin erhobene Klage auf Entwidmung wies das Verwaltungsgericht München ab; das Berufungsgericht gab ihr statt und ließ eine Revision nicht zu. Auf die nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde eingelegte Revision hin hob das Bundesverwaltungsgericht 1990 das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Berufungsgericht zurück. Die dann achte Entscheidung steht noch aus3. Eine ähnlich lange Prozeßgeschichte, deren Ende ebenfalls nicht absehbar ist, liegt dem Streit zwischen der Stadt Hamburg und einer Kölner Antiquitätenhändlerin um das Hamburger Stadtsiegel von 1306 zugrunde 4. Die Stadt Hamburg verlangt von einer Kölner Antiquitätenhändlerin die Herausgabe des IV. Hamburger Stadtsiegels, welches von 1306 bis 1810 benutzt, später dann archiviert und nur noch zur Prüfung der Echtheit von Urkunden herangezogen wurde. Während des 2. Weltkrieges kam das Siegel abhanden. Auf einer Auktion im Jahre 1986 erwarb es die Kölner Antiquitätenhändlerin. Die auf § 985 BGB gestützte Klage der Stadt Hamburg auf Herausgabe blieb vor den Zivilgerichten erfolglos. Der Bundesgerichtshof entschied 19895, daß die Antiquitätenhändlerin nach § 935 Abs. 2 BGB gutbläubig Eigentum erlangt habe und zum Besitz des Stadtsiegels berechtigt sei. Soweit die Stadt Hamburg aus der Eigenschaft des Siegels als öffentlicher Sache Rechte geltend mache, könne sie damit vor den ordentlichen Gerichten nicht durchdringen, da es sich dabei um einen Anspruch aus dem öffentlichen Recht handele, der vor den Verwaltungsgerichten zu verfolgen sei. Daraufhin klagte die Stadt Hamburg vor dem Verwaltungsgericht Köln auf Herausgabe des Siegels. Das Verwaltungsgericht Köln gab 1991 der Leistungsklage mit der Begründung statt, das Stadtsiegel sei eine öffentliche Sache und kraft der durch Widmung entstandenen öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft bestehe ein Herausgabeanspruch. Da das Urteil nicht rechtskräftig ist, sind noch weitere Entscheidungen zu erwarten.
3 Dazu bemerkt Bachof, JZ 1991, S. 624: „Der VGH ist, darin ist Renck beizupflichten, um seine erneute Entscheidung nicht zu beneiden. Eine Aussage über den Weitergang wage ich so wenig wie er." 4 Siehe dazu das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. 3. 1991, NJW 1991, S. 2584 ff. = NWVB1 1991, S. 425 ff. mit Anmerkung von Axer , NWVB1 1992, S. 11 ff. 5 NJW 1990, S. 899 ff. = JuS 1990, S. 411 f.
Einleitung
19
Beide Prozesse betreffen das Verhältnis des Eigentümers, des Freistaates Bayern bzw. der Kölner Antiquitätenhändlerin, zu einem davon verschiedenen öffentlichen Sachherrn, der „Griechischen Kirchengemeinde in München e. V . " 6 bzw. der Stadt Hamburg. Das Auseinanderfallen von Eigentum und öffentlichrechtlicher Sachherrschaft stellt, entgegen Otto Mayer, keine abnorme Komplikation 7 dar, sondern eine in der Praxis häufig vorkommende Konstellation 8 , die gerade die Problematik öffentlicher Sachen verdeutlicht, nämlich die Abgrenzung von Eigentum und öffentlicher Sachherrschaft, von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Befugnissen. Dieses Problem tritt mit voller Schärfe zutage, wenn die beiden Befugnisse verschiedenen Rechtsträgern zustehen. Obgleich die Literatur vielfach den Eindruck erweckt, die damit verbundenen Fragen seien geklärt, illustrieren die Prozesse um die Münchener St. Salvatorkirche und das Hamburger Stadtsiegel mit ihren widersprüchlichen Entscheidungen und Begründungen das Gegenteil. Ob und inwieweit das von der Wissenschaft entwickelte und als solches nicht kodifizierte Recht der öffentlichen Sachen sich zur Lösung der in der Gerichtsund Verwaltungspraxis auftretenden Probleme eignet, ist Thema der Arbeit. Das Recht der öffentlichen Sachen umfaßt einen weiten Kreis höchst unterschiedlicher Gegenstände, von einer Büroschreibmaschine, einem Rathausbalkon oder einem Kinderspielplatz über Kirchengebäude und Stadtsiegel bis hin zu Straßen, Wegen und Gewässern. Die Vielzahl unterschiedlicher öffentlicher Sachen deutet das Problem einer einheitlichen rechtlichen Behandlung an. Im Vorwort seines Buches „Recht der öffentlichen Sachen" stellt Papier treffend fest: „Allgemeingültige, d. h. für alle ,öffentlichen Sachen4 geltende Grundsätze, Regeln und Institutionen gibt es nur wenige." Trotzdem spricht man aber von einem Recht der öffentlichen Sachen. Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten stößt man bei allen Sachen, die zu den öffentlichen Sachen gezählt werden, immer wieder auf das Institut der Widmung. Die Widmung ist der Kreationsakt der öffentlichen Sache und begründet die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, die das private Eigentum überlagert. Gleichzeitig legt die Widmung den Zweck fest, dem die Sache dienen soll, und regelt damit die Nutzung der Sache. Für die öffentliche Straße und die öffentlichen
6 Nach dem Staatskirchenrecht des Königreichs Bayern konnte auch eine Privatkirchengeseilschaft ein Gebäude rechtswirksam widmen und damit öffentlicher Sachherr sein. Vgl. dazu das Bayerische Oberste Landesgericht, in: BayVBl 1981, S. 438 (440) mit weiteren Nachweisen. 7 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 59, Fn. 3. s Neben den beiden eingangs dargestellten Fällen etwa BVerwG, DVB1 1980, S. 686 ff.; BayOblG, DÖV 1980, S. 728 ff. mit Anmerkung von Zippelius, ebd., S. 924 f.; BayVerfGH, NJW 1985, S. 478 ff.; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, S. 225 f.; VGH München, NVwZ 1990, S. 680 f.; LG Tübingen, NVwZ 1990, S. 696; OVG Koblenz, NVwZ 1991, S. 589 f.; VGH Mannheim, VB1BW 1992, S. 144 ff. 2*
20
Einleitung
Gewässer, für die öffentliche Einrichtung und die öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch hat die Widmung somit eine herausragende Bedeutung. Daher steht die Widmung als zentrales Rechtsinstitut des Rechts der öffentlichen Sachen im Mittelpunkt der Arbeit; sie dient als Schlüssel zum Verständnis des Rechts der öffentlichen Sachen. Im ersten Abschnitt der Arbeit (Teil A) wird das Recht der öffentlichen Sachen, so wie es sich heute darbietet, kurz skizziert und die Funktion der Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen aufgezeigt. Dabei verzichtet die Untersuchung auf eine Wiedergabe der bisher vorhandenen, inzwischen aber oftmals überholten, Theorien zum Wesen der öffentlichen Sachen. Schon auf der Staatsrechtslehrertagung 1962 stellte Werner Weber fest 9: „Es kann nicht der Sinn einer Gegenwartsbesinnung auf das Problem der öffentlichen Sachen sein, rückwärtsgewendet noch einmal alle älteren Schichten von Zweifeln und variierenden Deutungsversuchen durchzustoßen, die wir glücklich hinter uns gelassen haben und unter die Maunz mit seiner Arbeit eine Art Schlußstrich gezogen hat." Der zweite Abschnitt (Teil Β bis E) befaßt sich mit der Funktion der Widmung bei einzelnen öffentlichen Sachen. Untersucht wird, ob die Widmung bei diesen die gleiche Bedeutung hat, die ihr im Recht der öffentlichen Sachen zukommt. Auswahlkriterien für die dabei herangezogenen öffentlichen Sachen bilden deren tatsächliche und rechtliche Relevanz sowie die herkömmliche Einteilung öffentlicher Sachen in vier Gruppen 10 , in Sachen im Gemeingebrauch, im Sondergebrauch, im Anstaltsgebrauch und im Verwaltungsgebrauch. Teil Β behandelt die Straßen und Wege als Beispiele öffentlicher Sachen im Gemeingebrauch, also Sachen, die einer unbeschränkten Öffentlichkeit („jedermann") ohne besondere Zulassung zur Nutzung im Rahmen der Widmung offenstehen. Die Widmung von Straßen und Wegen hat im Unterschied zur Widmung aller anderen öffentlichen Sachen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren, und zwar im Bundesfernstraßengesetz in § 2 FStrG und in den Straßen- und Wegegesetzen der Länder, für Nordrhein-Westfalen in § 6 StrWG. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß sich die Arbeit bei Anwendung landesrechtlicher Vorschriften hauptsächlich auf das nordrhein-westfälische Recht konzentriert, was insoweit gerechtfertigt ist, als die Straßen- und kommunalrechtlichen Vorschriften sich in hohem Maße ähneln, meist sogar auf Musterentwürfen beruhen 11, und das nordrhein-westfälische Recht literarisch gut aufbereitet ist. 9 VVDStRL 21 (1964), S. 145. 10 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 1; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 16 ff.; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 6 ff.; Erbguth / Becker, S. 2 ff.; Peine, JZ 1984, S. 869 ff. 11 Zum Straßenrecht in den neuen Bundesländern Kabus, Verwaltungsorganisation 1991, S. 23 ff. Dort heißt es auf Seite 25: »Ausgehend von dem 1976 fertiggestellten Musterentwurf des Arbeitsausschusses „Straßenrecht" für die Landesgesetzgebung, wur-
Einleitung
Aber nicht nur der gesetzlichen Regelungen wegen haben Straßen und Wege für das Recht der öffentlichen Sachen eine große Bedeutung, vielmehr hat dies seinen Grund auch in der Entwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen, die von den Eigentümlichkeiten des Straßen- und Wegerechts her erfolgte. In den Verwaltungsrechtslehrbüchern des vorigen Jahrhunderts wurden meist Straßen und Wege als Beispiele für öffentliche Sachen genommen, was sich in den heutigen Lehrbüchern fortsetzt, die dem Straßen- und Wegerecht im Rahmen des Rechts der öffentlichen Sachen den meisten Platz einräumen. Die Arbeit behandelt die Gewässer als öffentliche Sache im Gemeingebrauch bzw. im Sondergebrauch nur am Rande. Die Rechtslage im Hinblick auf die Widmung stellt sich bei ihnen nämlich ähnlich der im Straßen- und Wegerecht dar mit dem Unterschied, daß die wasserwirtschaftliche Nutzung anders geregelt ist. Während die Gewässer in ihrer wasserwegerechtlichen Funktion nach überwiegender Ansicht Sachen im Gemeingebrauch sind, bedarf jede wasserwirtschaftliche Nutzung, mit Ausnahme bestimmter Bagatellnutzungen12, nach § 2 Abs. 1 WHG der behördlichen Erlaubnis (§ 7 WHG) oder der Bewilligung (§ 8 WHG). Daher bezeichnet die neuere Literatur sie im Hinblick darauf auch als Sachen im Sondergebrauch 13. Der Unterschied zu den Straßen und Wegen liegt also in erster Linie nicht in der Konstruktion als öffentlicher Sache, sondern in der Art der Nutzungsregelung. Teil C beschäftigt sich mit den gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen als Beispiel für öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch. Sachen im Anstaltsgebrauch kennzeichnet die erst nach ausdrücklicher oder konkludenter Zulassung mögliche Nutzung durch den Bürger. In dieser Gruppe öffentlicher Sachen nehmen die gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen aufgrund ihrer Zahl und Bedeutung „für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner", wie es § 18 Abs. 1 GO NW formuliert, eine herausragende Stellung ein. Gemeindliche öffentliche Einrichtungen begegnen dem Bürger in fast allen Lebensbereichen, im Beruf wie in der Freizeit, in der Jugend (Schule) wie im Alter (Altersheim). Aus rechtlicher Sicht sind die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden interessant, weil die meisten Gemeindeordnungen eine ähnliche, wenn auch nicht sehr detaillierte, Regelung enthalten. Mit der gemeindlichen öffentlichen Einrichtung beschäftigt sich außerdem eine Vielzahl juristischer Arbeiten. Sie ist deshalb als Beispiel, an dem die Wirkungen der Widmung demonstriert werden sollen, gut geeignet.
de vom Verfasser ein erster Entwurf für ein Brandenburgisches Landesstraßengesetz erarbeitet." 12 Nach § 23 Abs. 1 WHG i. V. m. § 33 Abs. 1LWG NW erfaßte der wasserwirtschaftliche Gemeingebrauch unter anderem das Baden. Waschen, Viehtränken, Schöpfen mit Handgefäßen usw. Vgl. dazu Gieseke / Wiedemann / Czychowski, § 23 Rn. 1 ff. 13 Anders noch Wolff / Bachof, I, § 55 III b 2 und Maunz, Recht der öffentlichen Sachen, S. 5, die die Gewässer insgesamt zu den Sachen im Gemeingebrauch zählen.
22
Einleitung
Teil D untersucht die Widmung bei Sachen im Verwaltungsgebrauch. Zu den Sachen im Verwaltungsgebrauch gehören diejenigen Sachen, die der öffentlichen Verwaltung unmittelbar durch ihre Gebrauchsmöglichkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben dienen. Im Unterschied zu den Sachen im Gemein-, Sonder- oder Anstaltsgebrauch sind sie nicht zur externen, sondern nur zur verwaltungsinternen Benutzung bestimmt. Ob und in welchem Umfang für ein Verwaltungsgebäude, das Inventar oder den Dienstwagen das Recht der öffentlichen Sachen gilt, thematisiert die Literatur kaum 14 , meist begnügt sie sich mit der Feststellung, es handele sich um öffentliche Sachen, ohne daß dies näher begründet wird. Bei diesen Sachen steht das Recht der öffentlichen Sachen aber gerade vor einer besonderen Bewährungsprobe. Fernab gesetzlicher Regelungen muß es hier seine Fähigkeit zur juristischen Problemlösung erweisen. Teil E wendet sich schließlich den res sacrae, den heiligen Sachen, zu, die nach überwiegender Ansicht zu den öffentlichen Sachen gehören, was aber in neuerer Zeit vereinzelt in Frage gestellt wurde 15 . Res sacrae sind kirchliche Vermögensgegenstände, die aufgrund kirchlicher Handlung gottesdienstlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, etwa das Kirchengebäude oder die Kirchenglocken. Es interessieren dabei vor allem zwei Fragen: zum einen wie der Rechtsstatus als öffentliche Sache entsteht, zum anderen, ob ein öffentlich-rechtlicher Sonderstatus der res sacrae verfassungsrechtlich gewährleistet ist. Der letzte Abschnitt der Arbeit (Teil F) beantwortet auf der Grundlage der in den Teilen Β bis E gewonnenen Ergebnisse die eingangs gestellte Frage nach der praktischen Relevanz des Rechts der öffentlichen Sachen für die Lösung der in der Gerichts- und Verwaltungspraxis auftretenden Probleme. Überlegt wird, ob die gefundenen Ergebnisse es rechtfertigen, überhaupt von einem Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Sache" mit einheitlichen Strukturen und gemeinsamen Prinzipien zu sprechen. Ludwig K. Adamovich und Bernd-Christian Funk vermuten für das österreichische Recht 16 : „Eine intensive (monographische) Aufarbeitung des Rechts der »öffentlichen Sachen4 würde vermutlich zu manchen Überraschungen und möglicherweise zur Preisgabe von mancherlei Tradiertem, vielleicht sogar zum Verzicht auf den Begriff der öffentlichen Sache* selbst, führen." Ein solcher Verzicht für das deutsche Recht der öffentlichen Sachen wäre geboten, wenn die rechtlichen Regelungen, die für die einzelnen Gegenstände maßgebend sind, so verschieden sind, daß systembildende Gemeinsamkeiten nicht auszumachen sind.
14 Symptomatisch Bull, S. 292: „Fahrzeuge, Möbel, Schreibmaschinen und Büromaterial werden angeschafft (inventarisiert) und benutzt, und die Rechtslage in Bezug auf sie ist ohnehin klar." is Kromer, S. 72 ff.; kritisch auch Schlink, NVwZ 1987, S. 633 ff. Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 224.
Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen I. Das Recht der öffentlichen Sachen Ein kodifiziertes Recht der öffentlichen Sachen existiert nicht. Der Gesetzgeber hat nur teilweise die Rechtsverhältnisse an einzelnen Sachen, etwa den Straßen und den Gewässern geregelt. Das Recht der öffentlichen Sachen ist genauso wie der Begriff „öffentliche Sache" eine Zweckschöpfung der Wissenschaft. Die Funktion des von der Wissenschaft konzipierten Rechtsgebietes liegt darin, bestimmte Gegenstände, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendig sind, vor Zweckentfremdung und zweckwidiger Nutzung zu schützen. Das Recht der öffentlichen Sachen sichert die zweckgemäße Verwendung der Sache und regelt deren Nutzung. Im Umfang des durch die Widmung festgelegten Zwecks untersteht die Sache deshalb dem Regime des öffentlichen Rechts, dem Recht der öffentlichen Sachen. Was aber eine Straße mit einem Kirchengebäude und ein Gewässer mit einer Büroschreibmaschine rechtlich verbindet, ist damit noch nicht geklärt. Der für ein Rechtsgebiet erforderliche identitätstiftende Grundbegriff ist mit der Funktionsbeschreibung noch nicht gefunden. Es verwundert daher nicht, daß trotz bestehender Einigkeit über Sinn und Zweck die Systematisierung und Erfassung des Rechts der öffentlichen Sachen erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Dies läßt sich an drei vielleicht etwas äußerlichen Punkten veranschaulichen: an der Bezeichnung des Rechtsgebietes, an der Einordnung desselben in das System des Verwaltungsrechts und an der Kategorisierung öffentlicher Sachen. Die Bezeichnung des Rechtsgebietes, das die „öffentliche Sache" als Gegenstand hat, variiert: zum einen „öffentliches Sachenrecht", zum anderen „Recht der öffentlichen Sachen". Auch wenn beide Bezeichnungen oftmals synonym gebraucht werden, fällt auf, daß die ältere Literatur 1 meist vom „öffentlichen Sachenrecht" spricht, während die jüngere Literatur 2 den Begriff „Recht der öffentlichen Sachen" benutzt. Die terminologischen Unterschiede weisen auf eine unterschiedliche Auffassung vom Standort der öffentlichen Sachen zwischen ι Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 1 „Das öffentliche Sachenrecht"; Maunz, „Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts"; Köttgen, „Das öffentliche Sachenrecht"; Friedrichs, AöR 40 (1921), S. 257 „Bürgerliches und öffentliches Sachenrecht". 2 Papier„ „Recht der öffentlichen Sachen"; Pappermann I Lohr ! Andriske, „Recht der öffentlichen Sachen"; Erbguth / Becker, S. 1, „Recht der öffentlichen Sachen".
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
bürgerlichem und öffentlichem Sachenrecht hin. „Öffentliches Sachenrecht" betont die Nähe zum bürgerlichen Recht. Nebem dem Mobiliar- und dem Immobiliarsachenrecht gibt es noch ein öffentliches Sachenrecht, das die öffentliche Sache Regeln unterwirft, die denen des bürgerlichen Sachenrechts entsprechen. Das „öffentliche Sachenrecht" hat seine Wurzeln im bürgerlichen Sachenrecht; an öffentlichen Sachen gibt es dem bürgerlichen Recht entsprechende Sachenrechte. „Recht der öffentlichen Sachen" hebt dagegen die Eigenständigkeit hervor; die öffentliche Sache unterliegt eigenen, öffentlich-rechtlichen Regelungen. Das „Recht der öffentlichen Sachen" wird damit als ein eigenständiges Rechtsgebiet gekennzeichnet, das sich vom bürgerlichen Recht emanzipiert hat 3 . Das rechtliche Schicksal einer öffentlichen Sache bemißt sich, losgelöst vom bürgerlichen Sachenrecht, nach öffentlichem Recht, nach dem „Recht der öffentlichen Sachen". Aber nicht nur die differenzierende Begrifflichkeit, sondern auch die Unsicherheit in der Einordnung in das System des Verwaltungsrechts veranschaulicht die Probleme im Umgang mit dem Recht der öffentlichen Sachen. Papier 4 spricht von einer doppelten Zuordnung des Rechts der öffentlichen Sachen zum Allgemeinen wie zum Besonderen Verwaltungsrecht. Kromer 5 betrachtet es hingegen als allgemeinen Teil einiger Gebiete des Besonderen Verwaltungsrechts. Die Lehrbücher des Verwaltungsrechts behandeln es an verschiedenen Stellen. Teilweise wird es im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Verwaltungsrecht erörtert 6 , teilweise wird es im allgemeinen Teil gar nicht thematisiert 7 und dem Besonderen Verwaltungsrecht, vor allem dem Straßen- und Wegerecht, zugewiesen. Die Stellung des Rechts der öffentlichen Sachen ist also nicht nur im Hinblick auf das bürgerliche Recht ungeklärt, sondern auch innerhalb des öffentlichen Rechts zweifelhaft. Darüber hinaus mangelt es an einer überzeugenden Kategorisierung öffentlicher Sachen und an einer plausiblen Strukturierung des Rechts der öffentlichen Sachen. Rechtsprechung und Literatur ordnen die öffentlichen Sachen, wie bereits in der Einleitung erwähnt, nach solchen im Gemeingebrauch, im Sondergebrauch, im Anstaltsgebrauch und im Verwaltungsgebrauch. Damit gliedert man aber nicht Sachen, sondern Nutzungsformen. Nicht die öffentliche Sache steht im 3 Deutlich ForsthoffVerwaltungsrecht, S. 378: „Das Recht der öffentlichen Sachen ist eine Materie des öffentlichen Rechts eigener Prägung. Sie ist weder ein Gegenstück noch eine Ergänzung des bürgerlichen Sachenrechts, wie es im dritten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt ist 1 ." In Fußnote eins heißt es weiter: „Darum bleibt hier der Ausdruck öffentliches Sachenrecht vermieden, obwohl er allgemein eingeführt ist. Gelegentlich hat man das Sachenrecht und das Recht der öffentlichen Sachen zu einer einheitlichen Materie zu verbinden versucht, so Friedrichs, Bürgerliches und öffentliches Sachenrecht, AöR 40 (1921), S. 257 ff. Dabei geht es dann nicht ohne Verzeichnungen ab." 4 Vorwort seines Buches „Recht der öffentlichen Sachen". 5 S. 14, 127 ff. 6 So beispielsweise in den Lehrbüchern von Erichsen / Martens, Wallerath und Battis. 7 So die Lehrbücher von Maurer und Achterberg.
I. Das Recht der öffentlichen Sachen
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Mittelpunkt, sondern die Art der Nutzung. Konsequenterweise müßte bei einer solchen Gliederung statt von einem Recht der öffentlichen Sachen von einem Recht der öffentlichen Nutzungen oder einem öffentlichen Nutzungsrecht gesprochen werden. Die Aussagekraft dieser Zuordnung ist ferner gering. Sie gibt keine rechtliche Lösung vor, noch erleichtert sie eine solche, denn sie versagt schon bei der Abgrenzung der öffentlichen Sachen voneinander. Ein Rathaus ist nicht nur Dienstgebäude, also Sache im Verwaltungsgebrauch, sondern kann auch, wie von der Rechtsprechung für einen Rathausbalkon8 oder den Rathaussaal9 angenommen, in Teilen als öffentliche Einrichtung eine öffentliche Sache im Anstaltsgebrauch sein. Ob innerstädtische Straßen oder Bundesautobahnen als Sachen im Gemeingebrauch richtig kategorisiert sind, war bereits auf der Staatsrechtslehrertagung 1962 umstritten. Der Gemeingebrauch als „archaische Form der Benutzung" charakterisiere nicht das komplizierte Gebilde Straße und entspreche nicht der Funktion der Straße als „Mehrzweckinstitut". Die Autobahn und die innerstädtische Straße stünden vielmehr im Anstaltsgebrauch 10. Auch die Einordnung der Wasserstraßen im Hinblick auf das Befahren mit Wasserfahrzeugen als Sachen im Gemeingebrauch erweckt Bedenken, denn, wie die Abschnittsüberschrift des Bundeswasserstraßengesetzes vor § 5 WaStrG „Befahren mit Wasserfahrzeugen und Gemeingebrauch" zeigt und § 33 Abs. 1 LWG NW es normiert, gehört nur das Befahren mit Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft zum Gemeingebrauch 11. Andererseits stellt sich die Frage, warum eine kommunale Parkanlage, die jedermann ohne besondere Zulassung benutzen kann, keine Sache im Gemeingebrauch, sondern eine Sache im Anstaltsgebrauch sein soll 12 . Die Konstruktion permanent gewährter Konkludentzulassungen ist in diesen Fällen eine bloße Fiktion, die Benutzung erfolgt vielmehr gemeingebräuchlich. Die Kette der Abgrenzungsschwierigkeiten und Ungereimtheiten ließe sich fortsetzen. Die Beispiele genügen aber schon zur Illustration der Systematisierungsprobleme. Die terminologischen und systematischen Unsicherheiten weisen auf die Problematik eines Rechtsgebietes „Recht der öffentlichen Sachen" hin. Dessen Standort, Umfang und Inhalt ist noch nicht geklärt. Die Schwierigkeiten, ein solches Rechtsgebiet zu konstruieren, lassen sich nur lösen, wenn ein identitätstiftender Grundbegriff, der die gemeinsame rechtliche Behandlung unterschiedlicher Sa8 OVG Münster, DVB1 1971, S. 218 f. 9 OVG Bremen, NJW 1990, S. 931 ff. 10 Vgl. dazu das Referat von Werner Weber, VVDStRL 21 (1964), S. 174 ff. und die daran anschließende Diskussion. h Friesecke, § 5 Rn. 2 ff.; Faber, § 33 I Fn. 4; Breuer, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 137; BVerwGE 32, 299 (304); anderer Ansicht Petersen, Rn. 356 f. mit weiteren Nachweisen. 12 So aber die Einordnung durch die ganz überwiegende Meinung, die die gemeindliche Parkanlage als öffentliche Einrichtung im Sinne des § 18 Abs. 2 GO NW den öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch zuordnet. Anderer Ansicht Lange, HdkWP III, S. 162 ff., der die Parkanlage als Beispiel für eine öffentliche Einrichtung im Gemeingebrauch nennt.
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
chen rechtfertigt, gefunden wird. Dieser Grundbegriff ergibt sich aus einer Untersuchung des Begriffs „öffentliche Sache".
I I . Die öffentliche Sache Öffentliche Sachen gehören zum Staatsvermögen, zu der Gesamtheit der Güter und Rechte, über die der Staat zu verfügen berechtigt ist 13 . Bereits Johann Caspar Bluntschli 14 unterteilte das Staatsvermögen in Anlehnung an das französische Recht in „öffentliches Gut (Domaine public)" und „werbendes Vermögen (Domaine de TEtat)". Paul Laband 15 unterschied zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen. Zu dem Verwaltungsvermögen zählen diejenigen Gegenstände, „welche den für die Erfüllung der staatlichen Zwecke und Aufgaben erforderlichen Apparat bilden, welche also zum Dienste der Behörden und zum Betriebe der Staatsanstalten gehören: das Inventar des Staates. Die charakteristische Eigenschaft dieser Vermögensobjecte besteht darin, daß sie nicht freies, disponibles Kapital, sondern hinsichtlich ihrer Verwendung durch ihre Zweckbestimmung gebunden sind." Dagegen diene das Finanzvermögen „nicht direct den Staatszwecken, sondern setzt die Regierung durch seinen Kapitalswerth oder dessen Erträge in die Lage, einen Theil der für die Durchführung der Staatszwecke erforderlichen Kosten bestreiten zu können; es ist werbendes oder wirthschaftliches Vermögen des Staates." An dieser dualistischen Kategorisierung des Staatsvermögens hält die Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft bis heute fest. Öffentliche Sachen sind damit Gegenstände des Verwaltungsvermögens und als solche Teil des Staatsvermögens. Bestimmte öffentliche Sachen hatten von jeher eine besondere Rechtsstellung inne. Nach römischem Recht 16 waren die res publicae (Straßen, Wege, Plätze), die res communes omnium 17 (Luft, Meer, fließendes Wasser) und die res divini iuris (Kirchen, Altäre, Grabstätten) als res extra commercium dem Privatrechtsverkehr entzogen, an ihnen konnte kein privates Eigentum bestehen. Das germanische Recht sah zwar diese Sachen als eigentumsfähig an, unterstellte sie jedoch Sonderregelungen, die die Verkehrsfähigkeit einschränkten. An ihnen bestand ein Hoheitsrecht des Landesherrn (Regal) 18 , oder sie standen als Allmende in gemeinschaftlicher Nutzung. Trotz dieser langen Tradition ist der Begriff „öffentliche Sache" inhaltlich noch immer nicht eindeutig geklärt. Umstritten ist bereits, was „Sache" bei den öffentlichen Sachen ist. 13 Zum Begriff des Staats Vermögens: Tatarin-Tarnheyden, in: Anschütz / Thoma, HdbDStR Π, S. 419; Stern, Staatsrecht II, § 51; Friauf, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 90 Rn. 28 ff. 14 S. 387 f. is S. 854 f. 16 Vgl. Käser, S. 90 f. 17 Dazu Behrends, FS Hermann Lange, S. 3 ff. is Dazu Maurenbrecher, S. 386 ff., 580 ff.
I . D e öffentliche Sache
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1. „Sache" Nach § 90 BGB sind nur körperliche Gegenstände Sachen. Ob diese Begriffsbestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuches auch für öffentliche Sachen gilt, wird meist am Beispiel der Luft bzw. des Luftraums kontrovers diskutiert. Nach wohl überwiegender Ansicht brauchen öffentliche Sachen, um dem Recht der öffentlichen Sachen zu unterfallen, keine Körperlichkeit im Sinne des § 90 BGB zu besitzen. Der Begriff der Sache wird weiter verstanden, eine feste Begrenzung sei nicht erforderlich 19. Demgegenüber wendet eine in der Literatur vertretene Meinung 20 ein, die Ausdehnung des Sachbegriffes auf unkörperliche Gegenstände wie die Luft sei sinnlos; auch im Recht der öffentlichen Sachen gelte der Sachbegriff des § 90 BGB. Die „Sinnlosigkeit" eines anderen Sachbegriffes wird mit der Funktion des Rechts der öffentlichen Sachen begründet. Durch den öffentlichrechtlichen Sonderstatus solle die Sache vor privatrechtlichen Verfügungen gesichert werden. Über die Luft könnten keine privatrechtlichen Verfügungen getroffen werden, deshalb sei es auch nicht notwendig, sie als öffentliche Sache anzusehen. Nur Sachen, die dem Privatrechtsverkehr unterliegen, könnten Gegenstand des Rechts der öffentlichen Sachen sein. Diese Argumentation kann nicht der Hinweis entkräften, § 1 Abs. 4 Nr. 2 FStrG zähle auch den Luftraum über der Bundesfernstraße zur öffentlichen Sache „Straße" 21 . § 905 BGB erstreckt nämlich das Eigentum des Grundstücksinhabers auf den Raum über der Erdoberfläche, d. h. den Luftraum, soweit ein Interesse des Eigentümers am Ausschluß der Benutzung durch andere besteht22. Der Luftraum über einem Grundstück ist also Bestandteil privatrechtlichen Eigentums, seine Einbeziehung daher, auch wenn man den Sachbegriff des BGB dem Recht der öffentlichen Sachen zugrunde legt, folgerichtig. Entscheidendes Argument für die Ausdehnung des Sachbegriffes und einen vom bürgerlichen Recht unabhängigen Sachbegriff ist vielmehr die Funktion des Rechts der öffentlichen Sachen. Diese liegt nämlich nicht nur in dem Schutz vor Sachentzug durch privatrechtliche Verfügungen, sondern auch in der Regelung der Nutzung öffentlicher Sachen. Deutlich macht dies bereits die Gruppierung öffentlicher Sachen nach der Art ihrer Nutzung, aber auch die beispielsweise in den Straßen- und Wegegesetzen normierten Nutzungsregelungen (§ 14 ff. StrWG NW). Gegenstand des Rechts der öffentlichen Sachen ist die Verhinderung privatrechtlichen Entzugs der Sache und die Regelung der Nutzung der Sache. Die zweite Funktion rechtfertigt einen anderen Sachbegriff als den des § 90 BGB. 19 Wolff /Bachof, I, §55 Π; Forsthoff\ Verwaltungsrecht, S. 378; Kodal / Krämer, Kap. 6 Rii. 2.2; Pappermann ! Lohr I Andriske, S. 4 f.; Faber, § 33 I. 20 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 1 f.; ders., in: Grimm / Papier, S. 428; Kromer, S. 82 ff.; Werner Weber, VVDStRL 21 (1964), S. 149 f. 2 1 So aber Pappermann / Lohr / Andriske, S. 4 f.; Erbguth / Becker, S. 18. 22 Siehe dazu Säcker, in: Münchener Kommentar, § 905 Rn. 2 ff.; Bassenge, in: Palandt, § 905 Rn. 1; Hagen, in: Erman, § 905 Rn. 1 ff.
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
Unerheblich für den Sachbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen sind ebenfalls die zivilrechtlichen Vorschriften über Sachzusammenhänge nach §§ 93 ff. BGB 2 3 . Wesentliche Bestandteile können selbständige öffentliche Sachen sein, mehrere nach Zivilrecht selbständige Sachen können eine einheitliche öffentliche Sache bilden. Ein Weg, der sich über mehrere Grundstücke erstreckt, kann beispielsweise eine einheitliche öffentliche Sache sein.
2. „Öffentlich" „Öffentlich" ist ein schillernder, sinnvariabler 24, nebelhafter 25 Begriff, der nicht notwendigerweise eine juristische Kategorie kennzeichnet oder juristische Folgerungen und Ergebnisse präjudiziell. Er hat Bedeutung in der Politologie und der Soziologie, in der Verfassungstheorie und im Verfassungsrecht, aber auch im Verwaltungsrecht. An dieser Stelle soll nicht das Wesen des Begriffes in all seinen Facetten herausgearbeitet werden 26 , vielmehr gilt es, die Funktion des Begriffes „öffentlich" im Rahmen der Begriffsbildung „öffentliche Sache" zu untersuchen. Dabei bieten sich vor allem zwei Deutungen an: zum einen kann „öffentlich" einen Tatbestand bloßer Faktizität, die Allgemeinzugänglichkeit, ausdrücken, zum anderen die Einbeziehung in die staatliche Funktions- und Organisationshoheit, die Bindung an öffentliches Recht.
a) „Öffentlich" als Charakterisierung der Allgemeinzugänglichkeit Ob „öffentlich" einen tatsächlichen Befund, nämlich die durch jedermann mögliche Nutzbarkeit bezeichnet, läßt sich am besten am Beispiel der öffentlichen Sache „Straße" beantworten. Öffentliche Straßen bzw. Verkehrsflächen im Sinne des Straßenverkehrsrechts sind alle Flächen, die durch den Verfügungsberechtigten jedermann zugänglich gemacht worden sind und auf denen Straßenverkehr stattfindet 27. Der private Parkplatz eines Einkaufszentrums oder der Bahnhofsvorplatz zählt genauso wie eine Bundesautobahn zu den öffentlichen Straßen im Sinne des Straßenverkehrs23 Dies vertreten nicht nur diejenigen, die den Sachbegriff unabhängig von § 90 BGB verstehen, sondern teilweise auch diejenigen, die ihn an § 90 BGB binden. Vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2 f.; Werner Weber, VVDStRL 21 (1964), S. 149 f. 24 Isensee, GS Constantinesco, S. 316. 25 Ossenbühl, NJW 1965, S. 1562. 26 Vgl. Smend, GS Walter Jellinek, S. 11 ff.; Wolf gang Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem; Leisner, DÖV 1970, S. 217 ff. 27 Jagusch/Hentschel, § 1 StVO Rn. 13 ff.; Mühlhaus/ Janiszewski, § 1 Rn. 13 ff.
I . D e öffentliche Sache
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rechts. Straßenverkehrsrechtlich ist also die allgemeine Nutzbarkeit zur Fortbewegung entscheidend. Das Straßenverkehrsrecht regelt aber nur die polizeilichen Anforderungen an den Verkehr und die Verkehrsteilnehmer, um Gefahren abzuwehren und die Sicherheit und die Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Straßenverkehrsrecht ist also Ordnungsrecht und regelt nicht die Rechtsverhältnisse an Straßen. Dies geschieht durch das Straßenrecht 28. Das Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen bestimmt in § 1: „Das Gesetz regelt die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straßen." § 2 Abs. 1 definiert: „Öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind." Öffentliche Straßen sind also nur die gewidmeten Straßen. Für die „Öffentlichkeit" ist nicht die tatsächliche Benutzung durch die Allgemeinheit maßgeblich, sondern die Widmung. Öffentliche Wege im Sinne des Straßenverkehrsrechts, die keine Widmung haben, sind zwar tatsächlich öffentliche Straßen, jedoch keine öffentliche Straßen im Sinne des Straßenrechts, des Rechts also, das sich mit den Rechtsund Nutzungsverhältnissen an Straßen befaßt. Eine öffentliche Sache kennzeichnet also nicht die allgemeine Benutzbarkeit, den Zustand des Offenseins und der Allgemeinzugänglichkeit. „Öffentlichkeit" entsteht vielmehr durch Widmung. Es kann daher nur die Widmung, nicht die öffentliche Zugänglichkeit sein, die eine Sache unter das Regime des Rechts der öffentlichen Sachen stellt.
b) „Öffentlich" als Kennzeichnung der Einbeziehung der Sache in das Öffentliche Recht Nach einhelliger Ansicht 29 ist begriffswesentlich für die öffentliche Sache die durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft eines öffentlichen Sachherrn, unabhängig davon, wie sich die öffentliche Sachherrschaft im Einzelfall — ob in Form des öffentlichen Eigentums, einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit oder einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung — darstellt. Soweit die Widmung ihrem Inhalt nach reicht, unterliegt die Sache einem öffentlich-rechtlich geregelten Rechtsregime. Sie untersteht der öffentlich-rechtlich geregelten Sachherrschaft eines Verwaltungsträgers. Die Sache ist durch die Widmung in die staatliche Organisations- und Funktionshoheit einbezogen. „Öffentlich" bedeutet somit Geltung des öffentlichen Rechts, soweit die Widmung reicht. Allerdings überschätzt und überdehnt man die Funktion des Begrif28
Zur Abgrenzung von Straßen- und Straßenverkehrsrecht, die im Einzelfall problematisch sein kann: BVerfGE 40, 371 (378 ff.); 67, 299 (314 ff.); Steiner, JuS 1984, S. 1 ff.; Cosson, DÖV 1983, S. 532 ff. 2 9 Statt vieler Wolff/ Bachof, I, § 57; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 2 ff.; Pappermann ! Lohr ! Andriske, S. 2 f.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 3 ff.
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
fes „öffentlich", wenn man aus diesem Ausdruck ein bestimmtes öffentlichrechtliches Rechtsregime herleitet 30 . Für die Herleitung und Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, ist die Kategorie „öffentlich" belanglos, da der Begriff für eine solche inhaltliche Aussage zu unbestimmt ist. Zusammenfassend gilt: Gemeinsames Merkmal öffentlicher Sachen ist die Widmung. Ohne Widmung liegt keine öffentliche Sache vor. Die Widmung ist der identitätstiftende Grundbegriff.
I I I . Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Sachen Durch die Widmung entsteht die öffentliche Sache, sie bewirkt, daß eine Sache eine „öffentliche" wird, und sie legt den Zweck fest, dem die dann öffentliche Sache dienen soll. Die Widmung begründet den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft. Sie unterstellt die Sache im Umfang der Zweckbestimmung einem öffentlich-rechtlichen Rechtsregime. Damit ist die Widmung der Kreationsakt der öffentlichen Sache.
1. Historische Bedeutung „Widmung" ist etymologisch eine Ableitung des mittelhochdeutschen Wortes „Wittum", das mehrere, wechselnde Inhalte hatte 31 . Es fällt aber auf, daß es schon sehr früh eine kirchenrechtliche Bedeutung erhielt, nämlich „die Kirche mit Vermögenswerten ausstatten" bzw. „der Kirche etwas zu übereignen". Später bezeichnete das Wort „Widmung" die feierliche Bestimmung von Sachen für kirchliche Zwecke, deutlich wird hier die Nähe von „Widmung" und „Weihe". Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 bestimmte in Teil I I Kapitel 1 § 2: „Geweihte und zum Gottes-Dienste unmittelbar gewidmete Sachen, ζ. E. Kirchen, Altäre, Kelche, Monstranzen, und andere dergleichen GottesGeräthe werden Res Sacrae genannt, was aber nur mittelbar dahin gewidmet, und etwa zur Fundation, Dotirung oder Unterhaltung der Gottes- Häuser, KirchenBedienten, oder geistlichen Personen gehörig ist, das heißt Res Ecclesiastica. In beeden soll man sich zwar nach geistlichen Rechten, jedoch allerwegen den Concordaten oder dem Herkommen gemäß, richten." Widmung bezeichnete also die kirchliche Handlung, durch die eine Sache für einen kirchlichen Zweck bestimmt wurde.
30 Wolfgang Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 109 f. 31 Vgl. dazu das Grimmsche Wörterbuch, Sp. 1413 ff. (widmen), Sp. 1433 f. (Widmung).
. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Sachen
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Unklar ist, ob es auch in den anderen Gebieten des Rechts der öffentlichen Sachen, speziell dem Straßenrecht, eines besonderen Aktes, einer Widmung zur Entstehung einer öffentlichen Sache bzw. öffentlichen Straße bedurfte 32. Das Preußische Oberverwaltungsgericht betonte in seinen frühen Entscheidungen33 immer wieder nachdrücklich, daß ein Weg die Eigenschaft eines „öffentlichen" nicht schon durch die tatsächliche Möglichkeit der Benutzung erlange. Dies deutet darauf hin, daß früher bereits die tatsächliche Möglichkeit der Benutzung ausreichen konnte, es also keines besonderen Aktes bedurfte, zumindest aber, daß dies umstritten war. Der Begriff „Widmung" als Bezeichnung für den Kreationsakt öffentlicher Sachen taucht, außer im kirchenrechtlichen Bereich, erst Ende des 19. Jahrhunderts in den Lehrbüchern und in der Rechtsprechung auf. Maßgeblich prägten ihn Otto Mayer in seinem 1896 erschienenen zweiten Band des Deutschen Verwaltungsrechts und das Preußische Oberverwaltungsgericht durch seine Rechtsprechung zum Straßen- und Wegerecht. Zwar verlangten auch andere Autoren dieser Zeit einen besonderen Akt für die Entstehung öffentlicher Sachen, sie bezeichneten ihn jedoch meist nicht als Widmung. Eisele 34 spricht von „publicatio", v. Stengel35 von einer „Erklärung und Feststellung, die dem öffentlichen Recht angehört", Brinz 3 6 von einer „öffentlichen, stiftungsartigen Bestimmung", Windscheid 37 von einer „öffentlichen Bestimmung".
a) Otto Mayer Otto Mayer definiert die Widmung als den Willen des Sachherrn, durch den die Sache in Dienst gestellt und zur öffentlichen Sache wird. „Widmung ist eine Willensäußerung, die dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung angehört, aber sie ist kein Verwaltungsakt. Sie bestimmt kein Verhältnis des Unterthanen zur öffentlichen Gewalt; sie schafft Voraussetzungen für solche Verhältnisse." 38 Das bloße Vorhandensein der Sache und die Geeignetheit der Sache zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks genügen ihm nicht als Voraussetzung für die Entstehung einer öffentlichen Sache. Vielmehr muß zusätzlich die Indienststellung der Sache „mit dem Willen ihres Herrn geschehen, daß sie dem öffentlichen Zweck dient; nur dann trifft das zu, was wir als Wesen der öffentlichen Sache erkannt haben: daß öffentliche Verwaltung durch sie geführt wird." 3 9 Den Charakter der 32 Engel, S. 212 f.; Baumeister, S. 11. 33 PrOVGE 27, 399 (401) mit weiteren Nachweisen zu der früheren Rechtsprechung. 34 s. 33 ff. 35 s. 53 f.
36 s. 466; ähnlich auch Regelsberger, S. 420 f. 37 S. 439. 38 Deutsches Verwaltungsrecht, II, 1. Aufl., S. 86.
39 Deutsches Verwaltungsrecht, II, 1. Aufl., S. 85.
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
Widmung als Zweckbestimmung betont Otto Mayer nachdrücklich in der französischen Ausgabe seines Deutschen Verwaltungsrechts, in der er den Begriff „Widmung" nicht etwa mit dem entsprechenden „dédicace", sondern mit „affectation" übersetzt 40. In der dritten Auflage seines Deutschen Verwaltungsrechts 41 formuliert er die Funktion der Widmung als Zweckbestimmung deutlich: „Entscheidend ist und abschließend der Wille der Verwaltung, durch welchen die also hergerichtete Sache in den Dienst des öffentlichen Zwecks gestellt wird, ihre Widmung für diesen Zweck." Eine öffentliche Sache entsteht nach Otto Mayer erst in dem Augenblick, in dem feststeht, daß die öffentliche Gewalt sie von nun an für ihren Zweck verwenden wird. Dies geschieht regelmäßig durch eine in verschiedenen Formen mögliche Willensäußerung des öffentlichen Sachherrn, etwa durch die Eröffnung der Sache für das Publikum oder durch die Vollendung der wesentlichen Herstellungsarbeiten und Inbetriebnahme der Sache. Doch kann dieser Widmungswille, den Otto Mayer an anderer Stelle auch als Indienststellungswille bezeichnet42, „auch minder deutlich erscheinen und ganz von der starken natürlichen Bestimmung der Sache ins Schlepptau genommen sein." 43
b) Das Preußische Oberverwaltungsgericht Für das Institut der Widmung bedeutsam war neben Otto Mayer besonders die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts. Obwohl das Preußische Oberverwaltungsgericht seine Widmungstheorie hauptsächlich für das Straßen- und Wegerecht konzipierte 44 , fand sie in der Literatur große Resonanz und bildete den Ausgangspunkt für die Behandlung öffentlicher Sachen45. Das Preußische Oberverwaltungsgericht verlangt für die Entstehung einer öffentlichen Straße einen besonderen Akt, die Widmung. In einem Urteil vom 27. 2. 1895 46 heißt es dazu: „Letztere Eigenschaft (gemeint ist die eines öffentlichen Weges) ergibt sich . . . nicht nothwendig aus der thatsächlichen, wenn auch langjährigen und nicht mit Erfolg gehinderten Benutzung eines Weges seitens 40 Droit Administratif Allemand, III, S. 138. 41 II, S. 58. 42 Deutsches Verwaltungsrecht, Π, 1. Aufl., S. 87. 43 Ebd., S. 90. 44 Vgl. dazu Lassar, S. 6 ff. 45 Die Darstellung der öffentlichen Sachen in den älteren Lehrbüchern des Verwaltungsrechts besteht in weiten Teilen in einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts. Vgl. etwa Hatschek, S. 429 ff. 46 PrOVGE 27,399 (401). In früheren Entscheidungen werden die gleichen Voraussetzungen für die Öffentlichkeit eines Weges verlangt, ohne allerdings das Wort Widmung bzw. widmen zu benutzen; vgl. die im obigen Urteil angegebenen Entscheidungen: PrOVGE 20, 215 (217); 25, 207 (212).
III. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Sachen
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des Publikums. Es muß vielmehr hinzukommen, daß solche Benutzung unter Umständen erfolgt ist, welche darauf schließen lassen, daß der Weg unter — wenn auch stillschweigender — Zustimmung der rechtlichen Betheiligten (d. h. des Eigentümers, des Unterhaltpflichtigen und der Wegepolizeibehörde) dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist." Deutlich kommt die vom Preußischen Oberverwaltungsgericht kreierte Widmungstheorie auch in einem späteren Urteil vom 30. 3. 1911 47 zum Ausdruck: „Es ist also zu ermitteln, ob der übereinstimmende Wille dieser drei Beteiligten dahin gegangen ist, den Platz zu einem öffentlichen zu machen. Trifft dies zu, so ist eine rechtsgültige Widmung vorhanden. Diese ist nicht ein Vertrag oder auch nur etwas Vertragsähnliches; die Grundsätze von den bürgerlich-rechtlichen oder sonstigen Verträgen sind auf sie nicht anzuwenden. Der Ausdruck des Willens, daß die Fläche dem öffentlichen Verkehr, der Allgemeinheit, dienen soll, bedarf daher weder der Schriftlichkeit noch der Eintragung im Grundbuch; selbst eine mündliche besondere Erklärung ist nicht unbedingt erforderlich, sogenannte schlüssige Handlungen genügen vielmehr bereits." Diese Theorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts fand damals viel Zustimmung 48 , erfuhr aber auch Kritik, die sich freilich nicht so sehr gegen die Begriffsbestimmung als gegen die Voraussetzungen der Widmung, nämlich die Mitwirkung der drei Beteiligten, richtete49.
2. Die Widmung als Rechtsakt Für Otto Mayer war die Widmung kein Rechtsakt. „Es handelt sich eben nicht um die Ergänzung von Rechtswirkungen durch einen obrigkeitlichen Akt oder eine Willenserklärung von irgendwelcher rechtsgeschäftlicher Art, sondern nur um die Thatsache, daß verwaltet wird, öffentliche Geschäfte besorgt werden sollen durch diese Sache." 50 Ausreichend sei ein irgendwie zutage tretender Wille des öffentlichen Sachherrn; dieser sei keine obrigkeitliche Anordnung, kein Verwaltungsakt. Die Widmung enthalte keinen Anspruch dessen, was Rechtens sein solle, und bedürfe deshalb keiner Form 51 . Nach heute allgemeiner Ansicht 52 entsteht eine öffentliche Sache durch Rechtsakt, der entweder in Form eines Legislativ- oder eines Administrativaktes erfolgen kann. Die Widmung ist also ein Rechtsakt. Ein Teil, vor allem der älteren
47 PrOVGE 58, 335 (336 f.). 48 Giese, S. 71 f.; Fleiner, S. 366 ff.; Gemmershausen / Seydel, S. 2 f. 49 Lassar, S. 73 ff.; Schultzenstein, PrVBl 1913, S. 765 ff.; Guba, S. 9 ff. so Deutsches Verwaltungsrecht, II, 1. Aufl., S. 90. 51 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 58. 52 Statt vieler Sieder, S. 93 f.; Wolff/ Bachof, I, § 56 II; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 36; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 3; Schallenberg, S. 58 ff. mit weiteren Nachweisen. 3 Axer
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
Literatur, bestreitet dies nur noch für die sogenannten natürlichen Sachen, speziell den Meeresstrand 53. Der öffentliche Status resultiere bei diesen Sachen bereits aus der natürlichen Beschaffenheit, eine besondere Bestimmung sei daher nicht mehr notwendig. Dagegen spricht jedoch, daß die natürliche Beschaffenheit einer Sache keinen rechtlichen Sonderstatus hervorzubringen vermag. Ein rechtlicher Sonderstatus setzt einen Rechtsakt voraus. Bei den sogenannten natürlichen Sachen ist von einer Widmung durch Gewohnheitsrecht auszugehen. Der Meeresstrand hat auf Grund langdauernder und allgemeiner Übung, die von den Beteiligten in der Überzeugung ihrer Rechtmäßigkeit getragen wird, den Status einer öffentlichen Sache erlangt 54 . Die Qualifizierung der Widmung als Rechtsakt hat die Unabhängigkeit des Status von dem Zustand der Sache zur Folge. Das Sperren einer Straße für den Verkehr zum Zwecke der Instandsetzung beeinflußt nicht deren Eigenschaft als öffentliche Straße 55. Sie verliert diese Eigenschaft nicht durch tatsächliche Veränderungen, sondern erst durch den actus contrarius zur Widmung, die Entwidmung. Gleiches gilt für die Widmungsänderung; sie geschieht nicht durch eine andere Verwendung der Sache, vielmehr erst durch den Rechtsakt der „Umwidmung". Tatsächliche Veränderungen der gewidmeten Sache lassen die Widmung unberührt. 3. Widmung und Indienststellung Die Rechtswirkungen der Widmung treten aber nur dann ein, wenn die Sache entsprechend ihrer Zweckbestimmung tatsächlich nutzbar ist. Vor der Indienststellung löst die Widmung noch keine Rechtsfolgen aus 56 . Die Indienststellung kann ausdrücklich (Durchschneiden eines Bandes) aber auch konkludent (Bezug eines Dienstgebäudes durch die Bediensteten) erfolgen 57. Von der Indienststellung ist die Herstellung zu unterscheiden. Herstellung meint die faktische Erstellung der Sache, den Bau der Straße oder des Verwaltungsgebäudes. Das Verhältnis von Herstellung und Widmung ist umstritten. Nach einer Ansicht setzt die Widmung die Existenz der Sache voraus 58 . Dagegen spricht jedoch die Qualifizierung der Widmung als Rechtsakt. Sofern die noch herzustellende Sache bestimmbar ist, kann sie gewidmet werden 59 . Rechtswirkungen zeitigt die Widmung aber erst nach Herstellung und Indienststellung; erst dann entsteht 53 Vgl. etwa Walter Jellinek, S. 508 f. 54 Vgl. zum Meeresstrand ausführlich Helfritz, FG zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, S. 62 ff. 55 Kodal! Krämer, Kap. 7 Rn. 15.4; Zippelius, DÖV 1958, S. 841 f. 56 Allgemeine Meinung: Wolff / Bachof I, § 56 III; Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 387; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 36; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 7; Pappermann I Lohr I Andriske, S. 15. 57 Schallenberg, S. 76 ff. mit weiteren Nachweisen. 58 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Π, 1. Aufl., S. 85 f. 59 Zippelius, DÖV 1958, S. 841 f.
IV. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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eine öffentliche Sache. Die Indienststellung ist kein Verwaltungsakt, es handelt sich vielmehr um einen Realakt, der den Zeitpunkt festlegt, in dem die Widmung, wenn sie zuvor erfolgte, ihre Rechtswirkungen entfaltet. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Widmung schwebend unwirksam 60 , eine öffentliche Sache liegt noch nicht vor. Erfolgt die Indienststellung vor der Widmung, so bestimmt die Widmung den Zeitpunkt des Entstehens der öffentlichen Sache. Bis dahin handelt es sich, wenn die Sache schon allgemein nutzbar ist, nur um eine „tatsächlich öffentliche Sache".
IV. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft Die Widmung begründet den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft des Verwaltungsträgers. Auf Grund der öffentlichrechtlichen Sachherrschaft stehen dem öffentlichen Sachherrn sowohl gegenüber dem personenverschiedenen zivilrechtlichen Eigentümer als auch gegenüber den Benutzem der Sache absolut und dinglich wirkende Rechte zu. Die Widmung gibt ihm die Befugnis, Störungen des öffentlichen Zwecks abzuwehren und die Nutzung der Sache zu gestalten. Wie dies geschieht und welchen Inhalt die Sachherrschaft hat, wird noch immer kontrovers diskutiert. Nach der Theorie vom öffentlichen Eigentum 61 ist die Sache zur Sicherung ihres öffentlichen Zwecks dem Privatrechtsverkehr entzogen. An der öffentlichen Sache besteht kein zivilrechtliches Eigentum, sondern ein Hoheitsrecht des Verwaltungsträgers, das in seinem Umfang dem zivilrechtlichen Eigentum entspricht. Die Rechtsverhältnisse an der Sache beurteilen sich ausschließlich nach öffentlichem Recht, private Rechte sind daneben nicht mehr möglich. Die Widmung verleiht dem Verwaltungsträger umfassende, eigentumsähnliche öffentlich-rechtliche Befugnisse. Der Theorie vom öffentlichen Eigentum liegt eine rein publizistische Konstruktion zugrunde. Dagegen können nach der Theorie vom modifizierten Privateigentum 62 an der öffentlichen Sache neben der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft private Rechte bestehen. Die öffentliche Sache ist dem Privatrechtsverkehr nicht entzogen, sie ist insbesondere eigentumsfähig. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft gewährt dem Verwaltungsträger einer Dienstbarkeit vergleichbare Befugnisse. Soweit die durch Widmung begründete Sachherrschaft in Form einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit" reicht, ist die Ausübung privater Rechte nicht möglich. Statt öffentlichen Eigentums hat der Verwaltungsträger nur eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit. 60
Für die Straße: Kodal / Krämer, Kap. 7 Rn. 15.1; Papier, in: Achterberg / Püttner, Rn. 711. 61 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 39 ff. 62 Statt vieler Wolff/ Bachof, I, § 57 I; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 5; Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 379 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9 ff.; Höfling, JA 1987, S. 606 f., jeweils mit weiteren Nachweisen. 3*
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
Den Unterschied zwischen beiden Ansichten, die historischen Gründe für diese Entwicklung und die Bedeutung des Meinungsstreites für das Recht der öffentlichen Sachen, verdeutlicht ein Rechtsstreit aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Basler Schanzenstreit. Er ist der „leading case" des Rechts der öffentlichen Sachen. Treffend bemerkt His 6 3 : „Eine der wenigen erfreulichen Folgen der Basler Staatsteilung und des Schanzenprozesses lag in der Bereicherung der Rechtswissenschaft, besonders der Lehre über die öffentlichen Sachen."
1. Der Basler Schanzenstreit Der Basler Schanzenstreit 64 entspricht in seiner Bedeutung für das Recht der öffentlichen Sachen der des Kreuzberg-Urteils des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 65 für das Polizeirecht. Im Unterschied zum Kreuzberg-Urteil findet der Basler Schanzenstreit heute in den Lehrbüchern zum Recht der öffentlichen Sachen keine Erwähnung mehr, anders noch die Lehrbücher des Pandektenrechts 66 und die des Verwaltungsrechts zu Beginn dieses Jahrhunderts 67. Die heutige Außerachtlassung rechtfertigt sich nicht durch Zeitablauf, denn im Basler Schanzenstreit stießen nämlich erstmalig die gemeinrechtliche und die römischrechtliche Konstruktion der öffentlichen Sache unmittelbar aufeinander. Nach römischem Recht war die öffentliche Sache als res extra commercium dem Privatrecht entzogen und somit nicht eigentumsfähig. Demgegenüber nahm das germanische Recht die Eigentumsfähigkeit der öffentlichen Sache an. Sie war Gegenstand des Rechtsverkehrs, aber in ihrer Verkehrsfähigkeit Beschränkungen unterworfen. Beide Konstruktionen finden ihren Niederschlag in den heute vertretenen Ansichten: die Lehre vom öffentlichen Eigentum beruht auf der römischrechtlichen, die des modifizierten Privateigentums auf der gemeinrechtlichen Konstruktion. Die gegensätzlichen Positionen vertraten herausragende Juristen der damaligen Zeit, Heinrich Dernburg die gemeinrechtliche und Rudolf Jhering die römisch-rechtliche, ein Indiz für die damalige Bedeutung des Prozesses.
a) Sachverhalt Im Jahre 1833 teilte sich der Kanton Basel aus politischen Gründen, die zu kriegsähnlichen Auseinandersetzungen geführt hatten, in zwei Halbkantone, Ba63 FG Fleiner, S. 100. 64 Zur Geschichte des Basler Schanzenstreits His, FG Fleiner, S. 75 ff.; Amberg, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeinde-Verwaltung 1918, S. 1 ff., 21 ff., 29 ff. 65 PrOVGE 9, 353 ff. 66 Windscheid, § 146 (S. 725 f.); v. Wächter, § 60 (S. 275 f.). Vgl. auch Wappäus, S. 87 ff. 67 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, 1. Aufl., S. 64; Fleiner, S. 356.
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sel-Stadt und Basel-Land. Im Rahmen der Teilung des Staatsvermögens bestimmte am 19. 11. 1833 das Schiedsgericht unter seinem Obmann Friedrich Ludwig von Keller, daß die Schanzen der Stadt Basel „ihrer Substanz nach von dem Inventar des in Teilung fallenden Staatsvermögens ausgeschlossen seien" 68 . Diese seien ihrer Natur nach nicht Gegenstand des bürgerlichen Rechtsverkehrs. Im Falle der Schleifung sollte aber dem Kanton Basel-Land unter bestimmten Bedingungen ein Recht auf den Erlös anteilsmäßig zustehen. „Sei auf den Fall, daß durch die zuständige Behörde des Kantons Basel-Stadttheil die Schleifung der Festungswerke verfügt, und dadurch nach Abzug der Kosten wirkliches Staatsvermögen begründet werden sollte, dem Kanton Basel-Landschaft sein Recht, daran in gleichem Verhältnis wie bei der gegenwärtigen Theilung des Staatsgutes Antheil zu nehmen, vorbehalten . . . " In den folgenden Jahren kam es zur Schleifung eines Teils der Schanzen; die freigewordenen Flächen wurden meist für den Bau von Straßen und Plätzen verwandt. Als im Jahre 1859 wiederum ein großer Teil der Festungswerke abgetragen und in Verkehrsflächen umgewandelt werden sollte, verlangte Basel-Land seinen „verhältnismäßigen Anteil". Nach Ansicht Basel-Lands entstand bereits mit der Anordnung zur Beseitigung der Schanzen wirkliches Staatsvermögen, unabhängig davon, ob die freigewordene Fläche danach wiederum als öffentliche Sache genutzt werde. Dies folge aus der im Schiedsspruch von 1833 enthaltenen Formulierung, daß ein Anspruch gegeben sei, wenn die zuständige Behörde die Schleifung verfüge und dadurch wirkliches Staatsvermögen entstehe. Nach Auffassung Basel-Stadts besagte diese Formulierung nur, daß noch nicht durch die Verfügung wirkliches Staatsvermögen entstehe, sondern erst dann, wenn die freigewordene Fläche nicht weiter zu öffentlichen Zwecken benutzt werde. Die unterschiedliche Lesart beruht auf der Widersprüchlichkeit des Schiedsspruches. Auf der einen Seite waren die Schanzen res extra commercium, an denen kein Eigentum, sondern nur ein Hoheitsrecht bestand, auf der anderen Seite war Basel-Land an den Festungwerken ein Recht vorbehalten. Das Problem, das sich damals schon stellte, lautete: Gibt es neben dem Hoheitsrecht, der öffentlichen Sachherrschaft, noch ein zivilrechtliches Recht an einer öffentlichen Sache? Dies thematisierten Rudolf Jhering und Heinrich Dernburg in ihren Gutachten. b) Die Rechtsgutachten Basel-Stadt beauftragte den Obmann des Schiedsgerichts Friedrich Luwig von Keller und Rudolf Jhering mit der Erstellung von Rechtsgutachten69. Basel-Land 68 Das Urteil des Schiedsgerichts ist abgedruckt bei Dernburg, S. 52 ff. 69 Friedrich Ludwig von Keller schrieb zwei Gutachten, das erste erschien am 24. 8. 1859, das zweite als Erwiderung auf das Gutachten von Rüttimann am 10. 1. 1860. Jhering befaßte sich ebenfalls in zwei Stellungnahmen mit dem Basier Schanzenstreit:
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
wandte sich an die Professoren Rüttimann und Dernburg 70 . Besondere Beachtung fanden dabei die Gutachten von Jhering und Dernburg, weil sie sich nicht nur mit der Interpretation des Schiedsspruches, sondern auch mit dem dahinter stehenden Problem der Eigentumsfähigkeit öffentlicher Sachen beschäftigten. aa) Das Gutachten Dernburgs Nach Ansicht von Dernburg existiert an öffentlichen Sachen auch ein Eigentumsrecht des Staates. Dies entspreche auch der überwiegenden Ansicht in der Rechtslehre 71. „Das Eigenthumsrecht des Staats an den öffentlichen Sachen ist aber freilich nicht einfaches Eigenthum, wie es Private innehaben. Das Eigenthumsrecht, wie es zu Gunsten von Privaten besteht, hat für das Ganze nur untergeordnete Wichtigkeit. Es ist mancherlei Beschränkungen, mancherlei Gefahren ausgesetzt, die bei eigentlichem Staatseigenthum nicht vorkommen sollen. Deshalb hat der Staat im allgemeinen Interesse, damit der öffentliche Nutzen solcher Sachen dauernd erhalten werde, seine Rechtsstellung über die eines gewöhnlichen Eigenthümers hinaus erhoben, sein Recht als unveränderliches, unantastbares erklärt und diese Sachen außerhalb des Vermögensverkehrs gestellt. Wir können nichts dagegen einwenden, wenn man dieses Recht als ein hoheitliches bezeichnet, weil es durch das öffentliche Recht wesentlich in Form und Inhalt bestimmt wird. Aber wir dürfen nie vergessen, daß es im Grunde nichts ist, als ein eigenthümliches modificiertes Eigenthumsrecht oder wenn man lieber will, Eigenthumsrecht zu seiner Basis hat." 72 Dernburg geht davon aus, daß trotz des öffentlichen Status der Schanzen ein Recht in Form des Miteigentums 73 Basel-Lands möglich sei. Das Miteigentum könne mit der Verfügung zur Schleifung der Festungswerke geltend gemacht werden. „Schon durch den Beschluß zur Schleifung der Festungswerke ist wirkliches Staatsvermögen gewonnen. Daß dieses Terrain unmittelbar darauf zu anderen öffentlichen Sachen, Straßen, Promenaden und dergl. benutzt wird, kann diese Thatsache nicht wieder umstoßen. Es sind hier eben der Idee nach drei Akte juristisch zu sondern, Aufhören der Qualität der Sache als einer öffentlichen, Entstehen von fiscalischem Gut, Begründung einer neuen öffentlichen Sache." 74
erstmalig im Januar 1862 und dann nochmals in seiner Erwiderung auf das Gutachten von Dernburg am 22. 10. 1862. 70 Rüttimanns Gutachten erschien am 22. 8. 1859, seine Erwiderung auf das zweite Gutachten von v. Keller erfolgte am 21. 2. 1860. Dernburg schrieb nur ein Gutachten, welches im August 1862 veröffentlicht wurde. 71 S. 7 f. 72 S. 17 f. 73 s. 39 ff.
74 s. 40.
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Dem Gutachten von Dernburg liegt ein der heutigen Theorie vom modifizierten Privateigentum entsprechendes System zugrunde. An der öffentlichen Sache besteht Privateigentum, dieses wird aber von einem öffentlichen Recht überlagert. bb) Die Gutachten von Jhering Rudolf Jhering vertritt in seinem Gutachten und seiner Erwiderung auf das Gutachten von Dernburg den entgegengesetzten Standpunkt. Seiner Ansicht nach besteht an der öffentlichen Sache nur ein Hoheitsrecht, kein Eigentum. Die Anerkennung eines Miteigentums an einer öffentlichen Sache sei ein zivilistisches Unding 75 , eine geradezu unfaßbare Idee 76 . Öffentliche Sachen stünden in keiner Weise im Eigentum des Staates, denn die Qualität als res extra commercium kehre sich nicht nur gegen die Möglichkeit der Begründung von Eigentum in der Person des Privaten, sondern ebenso gegen die Verträglichkeit mit dem Eigentum des Staates selbst. Der juristische Charakter der Sache beruhe vielmehr ausschließlich in dem Gemeingebrauch der Bürger, darauf, daß diese Sachen nicht einem einzelnen Individuum — auch nicht zunächst der juristischen Person des Staates als solcher —, sondern einer unbestimmten Vielheit von Personen bestimmt sind. Neben diesem Gemeingebrauch sei ein Eigentumsrecht des Staates nicht zulässig77. Das Recht Basel-Lands sei kein Miteigentum, sondern eine bloße Obligation, die erst mit Eintritt der Bedingung entstehe, nämlich der Begründung wirklichen Staatsvermögens. Dazu zähle aber nicht die Umwandlung in eine andere Art von res extra commercium. Basel-Stadt besitze bis zur Umwandlung in fiskalisches Eigentum das alleinige Hoheitsrecht an den geschleiften Grundstücken. Jhering vertritt damit pointiert die Position, die sich heute hinter dem Stichwort „Öffentliches Eigentum" verbirgt: eine rein publizistische Betrachtungsweise.
c) Das Urteil Am 29. 10. 1862 entschied das schweizerische Bundesgericht 78, daß BaselLand keinen Anspruch auf Entschädigung hinsichtlich der noch nicht geschleiften, sowie der schon geschleiften, aber anderen öffentlichen Zwecken dienenden Grundstücke habe. Ein Anspruch Basel-Lands bestehe erst dann, wenn die Schanzen zu „wirklichem Staatsvermögen" umgewandelt werden würden. Das Urteil folgt somit den Gutachten von v. Keller und Jhering. Jedoch vermied es, auf die
75 Erstes Gutachten, S. 36. 76 Erstes Gutachten, S. 43. 77 Erstes Gutachten, S. 36 ff. 78 Die Entscheidung ist abgedruckt in dem Buch „Der Rechtsstreit über die Basler Festungswerke", S. 146 ff.
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angesprochenen Probleme der öffentlichen Sachen näher einzugehen. Ob an öffentlichen Sachen neben dem Hoheitsrecht noch zivilrechtliches Eigentum möglich ist, war unter den beteiligten Richtern umstritten 79 . Zwar wurde BaselStadt ein unbeschränktes Hoheitsrecht zugesprochen und damit gleichzeitig ein Miteigentumsrecht Basel-Lands abgelehnt, jedoch erfolgte dies allein in der Auslegung des Schiedsspruchs von 1833. Der Frage, ob an einer öffentlichen Sache neben der öffentlichen Sachherrschaft noch privatrechtliches Eigentum bzw. Miteigentum des Kantons Basel-Land bestehen könne, wich das Gericht aus. Deutlich kommt dies im Votum des Richters Vigier zum Ausdruck 80 : „Wir sind hier nicht Gelehrte, sondern Richter, die nach dem Festgesetzten zu sprechen haben. Ich bin der Ansicht, daß durch die Rechtsgutachten dasjenige Gesetz, das wir annehmen müssen, zum Theil verrückt geworden ist, weil ich glaube, daß wir uns auf das Urtheil vom 19. November 1833 zu beschränken haben und alles andere durchaus nicht berücksichtigt werden soll."
d) Auswirkungen des Urteils Im Ergebnis folgt das Bundesgericht mit seinem Urteil der Auffassung Jherings. Das Urteil erwies sich aber als Pyrrhussieg für die römisch-rechtliche, publizistische Theorie, denn in der Folgezeit setzte sich im deutschen Rechtsraum immer stärker die Ansicht Dernburgs durch. Diese Wirkung des Urteils verdeutlicht eine Äußerung von Fleiner in seinen Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts. Dort schreibt er 81 : „Durch Urteil des Schweiz. Bundesgerichts v. 29. Okt. 1862 wurde festgestellt, daß auch an den Festungswerken privatrechtliches Eigentum bestanden habe und der Verkaufserlös in die Teilungsmasse falle." Damit gibt er zwar das Ergebnis des Urteils unrichtig wieder, dies zeigt aber signifikant die Folgen, die der Basler Schanzenstreit für die weitere Entwicklung hatte. Der lange Zeit nicht entschiedene Kampf zwischen römisch-rechtlicher und germanischer Auffassung über die Rechtsverhältnisse an öffentlichen Sachen 82 wurde zugunsten letzterer entschieden. „Formell" siegte im Basler Schanzenstreit noch die publizistische Betrachtungsweise, „materiell" setzte sich hingegen die Theorie eines modifizierten Privateigentums durch. Darin liegt die Bedeutung des Basier Schanzenstreits für die weitere Entwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen.
79 Ebd., S. 68 ff. so Ebd., S. 113 f. si S. 356, Fn. 20. 82 Vgl. dazu Merten, S. 9 ff.
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2. Publizistische Theorien Publizistische Konstruktionen öffentlicher Sachen fanden in der Folgezeit immer wieder Befürworter in Wissenschaft und Praxis, konnten sich aber letztlich nie durchsetzen. Wegen der aber immer wieder erfolgenden „Wiederbelebungsversuche" und der vom Bundesverfassungsgericht 83 festgestellten Zulässigkeit der gesetzlichen Einführung eines „öffentlichen Eigentums" soll die weitere Entwicklung nach dem Basler Schanzenstreit und die heutige Bedeutung eines „öffentlichen Eigentums" skizziert werden.
a) Das öffentliche Eigentum Die von Otto Mayer in Anlehnung an das Institut des domaine public im französischen Recht entwickelte Theorie des öffentlichen Eigentums 84 , die zwar auch im deutschen Rechtsraum schon ähnliche Vorläufer hatte 85 , bestimmte die wissenschaftliche Diskussion zu Beginn des Jahrhunderts und prägt auch heute noch die wissenschaftliche Auseinandersetzung. Otto Mayer begründete das „öffentliche Eigentum" und die damit verbundene vollständige Exemtion der öffentlichen Sache aus dem Privatrecht mit der Funktion öffentlicher Sachen. Öffentliche Sachen erfüllten eine Gemeinwohlaufgabe, sie dienten einem öffentlichen Zweck. Diese Funktion müsse gegen Beeinträchtigungen geschützt werden, was nur das öffentliche Recht ermögliche. Das Privatrecht und das damit verbundene „freie Spiel der durcheinanderwirkenden privatrechtlichen Kräfte" 86 könne dies nicht gewährleisten. Dem Verwaltungsträger, dem öffentlichen Sachherrn, müsse deshalb eine uneingeschränkte und umfassende Befugnis zur Bestimmung des rechtlichen Schicksals der öffentlichen Sache zustehen. Diese nennt Otto Mayer „öffentliches Eigentum". „Öffentliches Eigentum" meint nicht zivilrechtliches Eigentum der öffentlichen Hand, sondern es bezeichnet ein dem zivilrechtlichen Eigentum entsprechendes umfassendes Hoheitsrecht. „Öffentliches Eigentum" könne aber nur dann entstehen, wenn der Verwaltungsträger auch das zivilrechtliche Eigentum an der Sache besitze87.
83 BVerfGE 24, 367 (388 ff.); 42, 20 (33 f.). 84 Die ausführlichste Darstellung findet sich in seiner französischen Übersetzung des deutschen Verwaltungsrechts, Droit administratif allemand, III, S. 87 ff.—Zum französischen „domaine public" Hardinghaus, S. 57 ff. 85 Eisele, S. 21 ff. — Dazu Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, 1. Aufl., S. 69, Fn. 13: „Es darf wohl hervorgehoben werden, daß Eisele hier, ohne sie zu kennen, geraden Weges die Auffassung der französischen Verwaltungsrechtswissenschaft wiedergibt, welche ich meinerseits, ohne Eisele zu kennen, in Theorie des Franz. V. R., S. 229, fast wörtlich mit ihm übereinstimmend dahin zusammengefaßt habe: „Domaine public ist ein Eigentum des Staates, welches dem öffentlichen Recht unterliegt." 86 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 41.
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Trotz der von Otto Mayer aufgewandten Energie zur Durchsetzung seiner Lehre vom „öffentlichen Eigentum", die sich in der Vielzahl seiner Veröffentlichungen widerspiegelt 88, blieb ihr bereits damals der Erfolg versagt 89.
b) Renaissance des öffentlichen Eigentums Anfang der sechziger Jahre gelangte die Lehre Otto Mayers und damit verbunden die publizistische Idee der öffentlichen Sache zu neuen Ehren. Bedingt durch die partielle gesetzliche Einführung eines öffentlichen Eigentums für Straßen und Wege sowie Deichgrundstücke in Hamburg 90 und für das Bett der Gewässer erster und zweiter Ordnung in Baden-Württemberg, setzte erneut eine Diskussion über die Konstruktion der öffentlichen Sache, über die Vorzüge eines öffentlichen Eigentums ein 91 . Ihren Höhepunkt fand die Auseinandersetzung auf der Tagung der Staatsrechtslehrer 1962 in Münster, die die öffentliche Sache als Tagungsgegenstand hatte 92 . Aber auch dort konnte sich das öffentliche Eigentum nicht durchsetzen. Deutlich wird dies an den Diskussionsbeiträgen, in denen die am Hamburger Gesetzgebungsverfahren beteiligten Hamburger Professoren die Einführung des öffentlichen Eigentums verteidigten 93. Die Diskussion auf der Staatsrechtslehrertagung 1962 zeigte, daß, trotz Normierung in einzelnen Landesgesetzen, der Einführung eines öffentlichen Eigentums kein großer Erfolg beschieden war. Die Mehrheit der Staatsrechtslehrer folgte in den Diskussionsbeiträgen der „konservativen" 94 Ansicht Werner Webers und nicht dem publizistischen Ansatz
87 Deutsches Verwaltungsrecht, II, 1. Aufl., S. 90: „Die öffentliche Sache bedeutet noch nicht öffentliches Eigentum...; es muß noch das Eigentum des Subjekts öffentlicher Verwaltung hinzukommen." β» AöR 16 (1901), S. 38 ff.; 203 ff.; AöR 21 (1907), S. 499 ff.; AöR 39 (1920), S. 77 ff.; Artikel „Öffentliche Sachen", in: von Stengel-Fleischmann, III, S. 9 ff. 89 Vgl. nur die Nachweise für die Zeit bis 1920 bei Friedrichs, AöR 40 (1921), S. 308. Siehe außerdem die Zusammenstellung bei Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 126 ff. 90 Zu den Gründen der gesetzlichen Einführung eines öffentlichen Eigentums in Hamburg Strenge, in: Hoffmann-Riem / Koch, S. 353 ff., mit weiteren Nachweisen. 91 Clasen, DÖV 1959, S. 281 ff.; Haas, DVB1 1962, S. 653 ff.; Schach, DVB1 1961, S. 897. 92 VVDStRL 21 (1964) mit Referaten von Werner Weber, S. 145 ff., und Klaus Stern, S. 184 ff. 93 Beispielhaft ist eine Äußerung Hans Peter Ipsens, VVDStRL 21 (1964), S. 233: „Ich habe kürzlich einen zweiten Wohnsitz in Niedersachsen gegründet und aus diesem Anlaß gehofft, mich nicht in so spezifischer Weise meiner hamburgischen Herkunft erinnern zu müssen. Aber nachdem Herr Weber geradezu genüßlich hier ausgebreitet hat, wie die zuständigen Mitglieder der Hamburger Rechtswissenschaftlichen Fakultät beim hamburgischen Wegegesetz Pate gestanden hätten, kann ich nicht umhin, mich zu diesem Punkte und zu zwei weiteren zu äußern." 94 Herbert Krüger, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 21 (1964), S. 239.
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von Klaus Stern 95 . Ebenso blieben andere Versuche einer publizistischen Konstruktion öffentlicher Sachen in den sechziger Jahren letztlich erfolglos 96 .
c) Hoheitliche Sachherrschaft Der Gedanke einer ausschließlich öffentlich-rechtlichen Erfassung der öffentlichen Sache blieb aber auch in der Folgezeit in der wissenschaftlichen Diskussion. Vor allem Richard Bartlsperger vertrat und vertritt diesen Gedanken in einer Vielzahl von Publikationen97. Bartlsperger spricht dabei von einer „hoheitlichen Sachherrschaft". Mit diesem Begriff werde am klarsten zur Geltung gebracht, daß die neuzeitliche Zweiteilung der deutschen Rechtsordnung in Privatrecht und öffentliches Recht folgerichtig auch die „Staatlichkeit" öffentlicher Sachen nach sich ziehe und in diesem Bereich eine begriffliche und konstruktive Anknüpfung an eine individualrechtliche Sachherrschaft im Sinne der privatrechtlichen Eigentumsordnung ausgeschlossen sei 98 . Mit diesem Begriff bezeichnet er jedoch nichts Neues, wie er selbst bemerkt 99 , sondern kehrt zurück zur romanistischen Rechtsauffassung von der „Öffentlichkeit" und zum publizistischen Rechtsstatus öffentlicher Sachen.
d) Rezeption des „öffentlichen Eigentums" in der Rechtsordnung aa) Öffentliches
Eigentum in den Landesgesetzen
Die heutige Bedeutung des öffentlichen Eigentums bzw. einer publizistischen Konstruktion der öffentlichen Sache in den Landesgesetzen ist gering. Lediglich Hamburg für seine öffentlichen Wege 100 und Deichgrundstücke 101 sowie Baden95 Vgl. dazu Salzwedel, DÖV 1963, S. 241 ff. 96 So der Versuch von Hardinghaus aus dem Jahr 1966, der zwar große Resonanz fand, aber nicht zu einer Änderung der herrschenden Meinung in Wissenschaft und Praxis führte, die weiterhin der Theorie vom modifizierten Privateigentum folgte. 97 FS Faller, S. 86 f.; Das Sachenrechtsverhältnis der öffentlichen Straßen, S. 31 ff.; Bonner Kommentar zu Art. 90 Rn. 35 ff.; Verkehrssicherungspflicht und öffentliche Sache, S. 189 ff.; DVB1 1979, S. 1 ff. 98 FS Faller, S. 86 f. 99 Ebd., S. 87. 100 §4 Abs. 1 des Hamburgischen Wegegesetzes lautet: „Grünflächen, die als öffentliche Wege gewidmet sind und der Freien und Hansestadt Hamburg gehören, stehen einschließlich der in § 2 Absatz 2 genannten Gegenstände in öffentlichem Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. Das öffentliche Eigentum begründet eine hoheitliche Sachherrschaft. Die in öffentlichem Eigentum stehenden Gegenstände sind dem Rechtsverkehr entzogen. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, insbesondere über den Besitz und das Eigentum, findet keine Anwendung."
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Württemberg für das Bett der Gewässer erster und zweiter Ordnung 102 haben ein öffentliches Eigentum konzipiert. Der monistische Status findet aber nur dann Anwendung, wenn die Sache auch im Eigentum des Verwaltungsträgers steht. In den anderen Fällen gilt sowohl in Hamburg als auch in Baden-Württemberg die Theorie des modifizierten Privateigentums. Sind öffentlicher Sachherr und zivilrechtlicher Eigentümer also personenverschieden, versagt die publizistische Konstruktion. Darüber hinaus muß selbst dann, wenn der Verwaltungsträger zivilrechtlicher Eigentümer ist, mangels konturierenden Normwerks letztlich trotz der Publizität der Eigentumsform doch wieder auf das bürgerliche Recht zurückgegriffen werden 103 . Gemäß § 5 S. 1 des Baden-Württembergischen Wassergesetzes gelten für das öffentliche Eigentum die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sofern nicht die Zweckbestimmung der öffentlichen Gewässer und die aus dem Wasserrecht folgenden Beschränkungen dem entgegenstehen. Das aber entspricht im wesentlichen der Theorie des modifizierten Privateigentums. Daher überrascht es nicht, daß die Konsequenzen aus der Einführung des öffentlichen Eigentums in ihrer 30jährigen Praxis nicht so gravierend gewesen sind, wie es der Gesetzgeber 1 0 4 und die Wissenschaft damals vielleicht erwartet hatten. bb) Öffentliches
Eigentum und Gemeineigentum (Art. 15 GG)
Eine andere, bisher wissenschaftlich kaum erörterte Frage, betrifft das Verhältnis des Begriffs „Gemeineigentum" in Art. 15 S. 1 GG zu dem des öffentlichen Eigentums. Nach Art. 15 GG können Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden 105 . Das Grundgesetz verwendet den Begriff der Gemeinwirtschaft 106 als Oberbegriff und hebt das Gemeineigentum als ιοί Gesetz zur Ordnung deichrechtlicher Verhältnisse vom 29. 4. 1964, GVB1. S. 79; § 4 a Abs. 1 entspricht inhaltlich dem § 4 Abs. 1 des Hamburgischen Wegegesetzes. 102 Wassergesetz für Baden-Württemberg vom 26. 4. 1976. § 4 Abs. 1 bestimmt: „Das Bett eines Gewässers erster Ordnung steht im öffentlichen Eigentum des Landes, das eines Gewässers zweiter Ordnung innerhalb des Gemeindegebietes im öffentlichen Eigentum der Gemeinde. Privateigentum anderer am Bett eines öffentlichen Gewässers und Privateigentum des Landes oder einer Gemeinde an künstlich überfluteten Flächen oder am Bett eines Gewässers nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 bleibt unberührt." 103 Nach § 4 Abs. 1 S. 4 des Hamburgischen Wegegesetzes finden zwar die Vorschriften des bürgerlichen Rechts keine Anwendung, jedoch muß mangels einer Regelung, was statt dessen gelten soll, auf die Normen des BGB zurückgegriffen werden. 104 So spricht die amtliche Begründung zu § 4 des Hamburgischen Wegegesetzes von einem „Rechtsgedanken von großer praktischer Auswirkung und Bedeutung." Zitiert nach Schack, DVB1 1961, S. 898. 105 Zur Bedeutung des Art. 15 GG: Isensee, DÖV 1978, S. 233 ff.; Krüger, Sozialisierung, in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, S. 267 ff. 106 Zum Begriff „Gemeinwirtschaft" Püttner, Gemeinwirtschaft im deutschen Verfassungsrecht, S. 16 ff.
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eine mögliche Form der Gemeinwirtschaft hervor 107 . Kennzeichen des Gemeineigentums ist die öffentlich-rechtliche Trägerschaft 108. Als Rechtsträger kommen beispielsweise der Staat oder die Kommunen in Betracht. Der öffentlich-rechtliche Rechtsträger ist bei der Ausübung der Eigentumsherrschaft an das Gemeinwohl gebunden. Die in Art. 15 GG genannten Güter sollen durch Überführung in das Gemeineigentum nicht mehr der individuellen Gewinnorientierung unterliegen. Der Begriff „Gemeineigentum" bezeichnet somit etwas anderes als „öffentliches Eigentum" 109 . Öffentliches Eigentum meint eine bestimmte Form der Herrschaft über die Sache, die der des Privateigentums entspricht, aber öffentlichrechtlicher Natur ist. Gemeineigentum bezeichnet hingegen die Ausrichtung der Herrschaft über die Sache durch einen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger am Gemeinwohl. Dies kann in Form des öffentlichen Eigentums erfolgen, zwingend ist diese Rechtsform aber nicht. Gemeineigentum besteht auch dann, wenn der öffentlich-rechtliche Rechtsträger die Herrschaft über die Sache privatrechtlich ausübt 110 . Die Begriffe „Gemeineigentum" und „öffentliches Eigentum" entsprechen sich nicht. cc) Öffentliches Eigentum und Eigentum nach Art. 89 GG und Art. 90 GG Nach Art. 89 Abs. 1 GG bzw. Art. 90 Abs. 1 GG ist der Bund Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen bzw. der bisherigen Reichsautobahnen. Daraus wird teilweise gefolgert, daß der Bund öffentliches 111 und nicht zivilrechtliches 112 Eigentum an den Wasserstraßen bzw. Autobahnen erlangt habe. Jedoch gibt weder die Entstehungsgeschichte noch der Wortlaut beider Vorschriften für ein solches Verständnis Anhaltspunkte. Hätte der Verfassungsgeber mit „Eigentum" in Art. 89 Abs. 1 GG und Art. 90 Abs. 1 GG „öffentliches Eigentum" gemeint, so hätte er dies ausdrücklich normieren müssen. Denn die Figur des öffentlichen 107
Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 14/15 Rn. 232; Bryde, in: v. Münch, Art. 15 Rn. 10; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 15 Rn. 19. 108 Vgl. Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 15 Rn. 10; Maunz, in: Maunz/ Dürig, Art. 15 Rn. 19; Jarras, in: Jarras / Pieroth, Art. 15 Rn. 2. 109 Anderer Ansicht Brinkmann, Art. 15 Anm. I 2 d; unklar Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 15 Rn. 11. Dort heißt es: „Auch der Unterschied zum »öffentlichen Eigentum' im Sinne von Otto Mayers (Dt. Verwaltungsrecht, 2. Bd., 3. Aufl., 1924, S. 46) besteht darin, daß die Zweckbindung des Gemeineigentums enger ist." no Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 15 Rn. 10, hält es für ausreichend, wenn der öffentlich-rechtliche Rechtsträger zwar nicht Alleineigentümer ist, aber das Unternehmen kontrolliert (ζ. B. als Mehrheitsaktionär einer AG). m Külz, S. 34 ff. für Art. 89; Bartlsperger, in: Bonner Kommentar, Art. 90 Rn. 33 ff. für Art. 90. 112 So aber die überwiegende Ansicht: Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rn. 17 ff.; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 89 Rn. 2; Art. 90 Rn. 2; Hoog, in: v. Münch, Art. 89 Rn. 12; Art. 90 Rn. 4; Pieroth, in: Jarras / Pieroth, Art. 89 Rn. 1; Art. 90 Rn. 1; BGHZ 49, 68 (71), 67, 152 (154).
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
Eigentums war immer schon höchst umstritten 113 , und zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung verstand man unter Eigentum nur das privatrechtliche Eigentum 1 1 4 . Sinn und Zweck beider Normen ist die Klarstellung der zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse, nicht aber die Ausgestaltung der Herrschaftsrechte und Nutzungsverhältnisse. Dies bleibt dem Bundesgesetzgeber vorbehalten, der von einem zivilrechtlichen Eigentum ausging 115 und im Bundeswasserstraßengesetz sowie im Bundesfernstraßengesetz der Theorie des modifizierten Privateigentums folgte, sich also gegen ein öffentliches Eigentum aussprach. dd) Öffentliches
Eigentum und Euratom
Einen konstruktiven Sonderfall stellt das Eigentum der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) an den besonderen spaltbaren Stoffen, wie Plutonium 239, Uran 233 usw. 116 , dar. Gemäß Art. 86 des Europäischen AtomgemeinschaftsVertrags (Euratom-Vertrag) stehen die besonderen spaltbaren Stoffe im Eigentum der Gemeinschaft. Mit der Erzeugung oder Einführung eines spaltbaren Stoffes in den Hoheitsbereich der Gemeinschaft geht das Eigentum auf die Gemeinschaft über 117 . Den Mitgliedstaaten, Personen oder Unternehmen bleibt nach Art. 87 Euratom-Vertrag „nur" das unbeschränkte Nutzungs- und Verbrauchsrecht, soweit nicht Verpflichtungen aus dem Euratom-Vertrag entgegenstehen, insbesondere hinsichtlich der Sicherheitsüberwachung und des Gesundheitsschutzes. Die Eigentumsbefugnisse der Gemeinschaft betreffen nur die Sicherheitsüberwachung (Art. 77 ff. Euratom-Vertrag), den Gesundheitsschutz (Art. 30 ff. EuratomVertrag) und die Versorgung mit besonderen spaltbaren Stoffen (Art. 52 ff. Euratom· Vertrag). Ihre Befugnisse als Eigentümerin umfassen nicht die Nutzung, d. h. die Dispositionsbefugnis, über die spaltbaren Stoffe. Die Nutzung ist aber ein prägendes Element des Eigentumsbegriffs 118.
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Der Versuch von Külz, das Gegenteil zu beweisen, geht fehl (S. 39 ff.). Ein Zitat von Erich Kaufmann, mit dem dieser die Leistung Otto Mayers würdigt, oder der pauschale Hinweis darauf, daß im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft das Rechtsinstitut des domaine public des befreundeten und benachbarten Frankreichs nicht fremd sein kann, spricht nicht für das Vorherrschen von Otto Mayers Lehre vom öffentlichen Eigentum. 114 Vgl. dazu Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rn. 20. us Siehe § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundes Wasserstraßen sowie § 1 S. 1 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Femverkehrs. 116 Art. 197 Nr. 1 Euratom-Vertrag. 117 Vgl. dazu Ojfermann-Clas, S. 125 ff.; Lukes , S. 35 ff.; Everling, S. 89 ff.; Wendt, S. 243. Zu den Regelungen des Art. 86 ff. Euratom-Vertrag allgemein Schweitzer / Hummer, S. 425. us Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 14 GG nicht nur den Bestand des Eigentums, das „Haben", sondern auch die Nutzung; vgl. BVerfGE 52, 1 (30); 61, 82 (108).
I . Die Widmung als
r n d e r öffentlichen Sache
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Das Bundesverfassungsgericht 119 bezeichnet diese Form des Eigentums an spaltbaren Stoffen als „öffentliches Eigentum". Dabei übersieht es aber, daß das öffentliche Eigentum durch die umfassende, der eines zivilrechtlichen Eigentümers vergleichbaren Stellung des Hoheitsträgers gekennzeichnet ist. Bei den spaltbaren Stoffen nach Art. 197 Nr. 1 Euratom-Vertrag fehlt es aber der Gemeinschaft gerade an einer der wichtigsten Befugnisse eines Eigentümers, der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis. Das Eigentum der Gemeinschaft an den besonderen spaltbaren Stoffen läßt sich daher nicht als „öffentliches Eigentum" qualifizieren 120 . Es handelt sich um einen juristischen Sonderfall, der sich in keine bekannte Eigentumskategorie einordnen läßt 121 . Die Regelungen der Eigentumsverhältnisse an spaltbaren Stoffen nach Art. 86 ff. Euratom-Vertrag sind „irréconciliables par des solutions juridiques classiques"122. ee) Öffentliches
Eigentum und Völkerrecht
Zu überlegen bleibt noch, ob sich nicht im Völkerrecht die Idee eines öffentlichen Eigentums finden läßt. „Öffentliches Eigentum" könnte am Staatsgebiet bestehen. Die Erfassung der Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen Staat und Staatsgebiet bereitet der Wissenschaft noch immer erhebliche Schwierigkeiten 123 . Übereinstimmung besteht aber darin, daß diejenigen Theorien, die der Lehre eines öffentlichen Eigentums nahestehen, obsolet sind. Die sog. Objektstheorie, eine Spielart der das Gebiet dem Staat zivilrechtlich zuordnenden Eigentumstheorie, erfaßte das Staatsgebiet nach Art eines öffentlichen Sachenrechts als staatsrechtliches Eigentum 124 . Sie wird aber heute nicht mehr vertreten, da die Staatsgewalt (imperium) nicht auf Eigentum (dominium) beruht. Die heute herrschende Zuständigkeits- oder Kompetenztheorie 125 definiert das Staatsgebiet daher auch als den Raum, in dem sich staatliche Herrschaft entfalten kann; Staatsgebiet ist der physische Bereich, in dem sich die Staatsgewalt manifestiert. Die Idee eines öffentlichen Eigentums hat auch im sonstigen Völkerrecht keine Bedeutung gefunden. So steht weder staatenloses Gebiet 126 in öffentlichem Eigentum noch meint die Charakterisierung der Hohen See als „res communis omnium 127 , Π9 BVerfGE 49, 89 (146). Vgl. auch Faber, § 18 III. 120 Kappmann, S. 45 f.; Offerman-Clas, S. 156 f.; Böhm, NJW 1961, S. 1557; Haedrich, FS Ophüls, S. 57. 121 Siehe dazu Offermann-Clas, S. 148 ff. 122 Stein, in: Ganshof van der Meersch, Rn. 2896. 123 Vgl. dazu Knut Ipsen, §23 Rn. 1 f.; Verdross I Simma, Rn. 1038 ff., 1048 ff.; Dahm ! Delbrück / Wolfrum, S.316ff.; Graf Vitzthum, in: Isensee / Kirchhof, HStR I, § 16 Rn. 1 ff. 124 Zur Objektstheorie und der Kritik an ihr Graf Vitzthum, in: Isensee / Kirchhof, HStR I, § 16 Rn. 6 mit Fn. 25; Dahm / Delbrück / Wolfrum, S. 317. 125 Knut Ipsen, § 23 Fn. 2; Graf Vitzthum, in: Isensee / Kirchhof, HStR I, § 16 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen. 126 Zum Begriff „staatenloses Gebiet" Verdross / Simma, § 1144 ff.; Wolfrum, S. 4 ff.
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
daß sich die Hohe See im öffentlichen Eigentum befindet. Eine eigentumsähnliche Hoheitsgewalt gibt es weder im staatenlosen Gebiet noch auf der Hohen See. ff) Zusammenfassung Das geltende Recht hat die Idee eines öffentlichen Eigentums nicht rezipiert. Die publizistische Konstruktion der Sachherrschaft findet sich nur in drei Gesetzen wieder, die die Schwierigkeiten der Unterstellung einer Sache unter „öffentliches Eigentum" aufzeigen. In dem problematischen Fall des Auseinanderfallens von Eigentum und Sachherrschaft versagt die Anwendung der Lehre Otto Mayers. Darüber hinaus handelt es sich um einen bloßen „Etikettenschwindel" 128 , wenn mangels näherer Ausgestaltung des öffentlichen Eigentums doch auf das bürgerliche Recht zurückgegriffen werden muß. Diese beiden ungelösten Probleme sowie die historische Tradition führen zur Beibehaltung der dualistischen Konstruktion, zur Theorie des modifizierten Privateigentums. Deshalb legt die Arbeit im folgenden die Theorie des modifizierten Privateigentums zugrunde. Öffentliche Sachen sind Gegenstände privatrechtlichen Eigentums, die aber wegen ihrer Widmung einer öffentlichen Sachherrschaft unterfallen.
3. Die Theorie des modifizierten Privateigentums Öffentliche Sachen unterliegen der Eigentumsordnung des bürgerlichen Rechts; sie sind Gegenstände des Privatrechts. Soweit es aber der durch die Widmung festgelegte öffentliche Zweck verlangt, gilt für sie das öffentliche Recht. Sie unterstehen einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, die zu der privatrechtlichen Herrschaft des Eigentümers hinzutritt und diese überlagert. Die öffentliche Sachherrschaft lastet, vergleichbar einer Dienstbarkeit nach §§ 1018 ff. BGB, auf dem Privateigentum. Sie wirkt wie ein beschränkt dingliches Recht, und man charakterisiert sie deshalb als „öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit". Die auf der Widmung beruhende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft gewährt dem öffentlichen Sachherrn im Umfang des festgelegten öffentlichen Zwecks ein absolutes Herrschaftsrecht an der Sache. Dem öffentlichen Sachherm steht das Recht zu, auf die Sache einzuwirken, sie zu benutzen und Störungen Dritter abzuwehren. Der Eigentümer vermag durch sein privatrechtliches Handeln die öffentliche Sachherrschaft nicht zu beeinträchtigen. Er kann seine Eigentümerbefugnisse nur ausüben, wenn dies die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft nicht tangiert. Die
127 V g l . dazu Verdross I Simma, §§ 1091, 1129. 128 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 8.
I . Die Widmung als
r n d e r öffentlichen Sache
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Restherrschaft des Eigentümers beginnt also dort, wo die Wirkungen der Widmung enden. Nur im Rahmen der auf der Widmung beruhenden Sachherrschaft handelt der Verwaltungsträger öffentlich-rechtlich. Darüber hinausgehendes Handeln bemißt sich nach Zivilrecht. Veranschaulicht werden kann das dualistische System an den heute geltenden gesetzlichen Regelungen, die, abgesehen von den oben aufgeführten Normierungen in Hamburg und Baden-Württemberg, der Theorie des modifizierten Privateigentums folgen. § 23 Abs. 1 StrWG NW lautet: „Die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums der Straßen richtet sich nach bürgerlichem Recht, wenn sie den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt, wobei eine vorübergehende Beeinträchtigung für Zwecke der öffentlichen Versorgung oder der Entsorgung außer Betracht bleibt." Gemäß § 6 Abs. 6 StrWG NW berühren privatrechtliche Verfügungen nicht die Widmung, was bedeutet, daß der Straßengrund zwar veräußert werden kann 129 , also Gegenstand des Privatrechtsverkehrs ist, der Widmungszweck und damit die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft aber weiterhin erhalten bleiben.
a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dualistische Konstruktion Gegen diese, wie Herbert Krüger es nennt, „staatsfremde Auffassung" 130 der Zuordnung von Sachen zum Staat werden verfassungsrechtliche Bedenken erhoben 131 . Die zivilrechtliche Zuordnung öffentlicher Sachen verletze Art. 74 Nr. 1 GG. Art. 74 Nr. 1 GG erstrecke die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf das bürgerliche Recht und schließe damit sowohl für den Landes- als auch den Bundesgesetzgeber eine bürgerlich-rechtliche Konstruktion der öffentlichen Sachen aus. Bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung und der Rechtsstatus der öffentlichen Sachen seien durch die verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen institutionell und systematisch getrennt mit der Folge, daß einerseits unter Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht nach Art. 74 Nr. 1 GG das Sachenrechtsverhältnis der öffentlichen Sachen nicht geregelt und andererseits im Rahmen der Regelungskompetenz für öffentliche Sachen ein eigentumsrechtlicher Status im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht angenommen werden könne 132 . Die dualistische Konstruktion verletze somit die bundesstaatliche Kompetenzabgrenzung; die Regelung der Rechtsverhältnisse an öffentlichen Sachen könne nicht auf eine bürgerlich-rechtliche Sachzuordnung gestützt werden. 129 Fickert, § 6 Rn. 28; Marschall, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 2 Rn. 3.1. 130 Allgemeine Staatslehre, S. 331. 131 Bartlsperger, FS Faller, S. 87 ff. 132 Bartlsperger, Sachenrechtsverhältnis der öffentlichen Straßen, S. 35. 4 Axer
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
b) Stellungnahme Diese, namentlich von Bartlsperger vertretene Ansicht stützt sich auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht 133 hatte sich bisher aber nur mit dem umgekehrten Fall, der Vereinbarkeit des hamburgischen „öffentlichen Eigentums" mit dem Grundgesetz, zu befassen. Im sogenannten Alsterkrugchaussee-Fall verneinte es einen Verstoß gegen die dem Bund nach Art. 74 Nr. 1 GG zugewiesene konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht 134 . Die öffentliche Straße könne als Verwaltungsleistung weder mit dem Sachbegriff des § 90 BGB noch mit dem Eigentumsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches sachgerecht erfaßt werden. Sie fordere vielmehr ihrer Funktion nach eine vom bürgerlichen Recht abweichende Regelung der „Sachherrschaft". Ihr Inhalt werde durch öffentlich-rechtliche, auf die Allgemeinheit ausgerichtete Elemente bestimmt 135 . Von daher stünde der Einführung eines öffentlichen Eigentums die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr. 1 GG nicht entgegen. Damit hat das Bundesverfassungsgericht — entgegen Bartlsperger — aber nicht die Verfassungswidrigkeit der dualistischen Konstruktion des öffentlichen Status festgestellt. So findet sich im Beschluß zum AlsterkrugchausseeFall gerade der Satz wieder: „Die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers für die dualistische Regelung ist nie zweifelhaft gewesen." 136 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts werden von Bartlsperger falsch verstanden. Sie sind kein Argument für die Verfassungswidrigkeit der dualistischen Konstruktion; aus ihnen läßt sich eine Verfassungswidrigkeit der Theorie des modifizierten Privateigentums nicht herleiten. Unabhängig davon läßt sich die These der Verfassungswidrigkeit schon in ihrem Ansatzpunkt nicht halten, denn sie beruht auf einem unrichtigen Verständnis der Theorie vom modifizierten Privateigentum. Die Theorie des modifizierten Privateigentums bestimmt den Status der öffentlichen Sache nicht privatrechtlich, sondern öffentlich-rechtlich. Nur besteht dieser nicht in „öffentlichem Eigentum", sondern in einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit". So erkennt das Bundesverfassungsgericht 137 :"Trotz des theoretischen Unterschieds ist beiden Systemen gemeinsam, daß der Straßengrund in der Wirklichkeit einer allgemeinen Aufgabe dient und einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterstellt wird, um eine sachgerechte Nutzung der Straße durch die Allgemeinheit zu ermöglichen." Die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Rechtsstatus entweder als öffentliches Eigentum oder öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit verletzt nicht die Gesetzgebungs-
133 BVerfGE 24, 367 ff.; 42, 20 ff. 134 BVerfGE 42, 20 (28 ff.); im Ergebnis ebenso das Bundesverwaltungsgericht, BVerwGE 27, 131 (132 ff.). 135 E 42, 20 (32). 136 E 42, 20 (34). 137 E 42, 20 (34).
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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kompetenz des Bundes für das bürgerliche Recht 138 . Anderes gilt erst dann, wenn sich die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung nur als Umformung eines privatrechtlichen Rechtsinstituts darstellen und so die Privatrechtsordnung verändert würde, das geschlossene System der im BGB geregelten Sachenrechte durchbrochen und andere dingliche Rechte an Grundstücken eingeführt würden 139 . Die Ausgestaltung der Sachherrschaft nach der Theorie des modifizierten Privateigentums ist zwar einer Dienstbarkeit nach den §§ 1018 ff. BGB vergleichbar, beruht aber auf einem eigenständigen öffentlich-rechtlichen Institut. Die Bezeichnung als Dienstbarkeit dient zur Illustration, ähnlich wie die Bezeichnung „Eigentum" für das öffentliche Eigentum bei Otto Mayer. Beiden Rechtsinstituten liegt keine zivilrechtliche Konstruktion zugrunde, es sind vielmehr eigenständige Hoheitsrechte. Weder die Normierung eines „öffentlichen Eigentums" noch einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit" verletzt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 1 GG für das bürgerliche Recht.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung Die durch die Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in Form einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit" kennzeichnet nach ganz überwiegender Ansicht 140 die öffentliche Sache. Das auf der Widmung beruhende Verhältnis zwischen öffentlichem Sachherrn und Eigentümer präge das Recht der öffentlichen Sachen. Die Bedeutung der Widmung erschöpft sich aber nicht in dieser Funktion. Indem sie nämlich den öffentlichen Zweck festlegt, dem die Sache dienen soll, regelt sie auch den Umfang der möglichen Nutzung öffentlicher Sachen, determiniert also das Verhältnis zwischen öffentlichem Sachherrn und Benutzer. Vereinzelt wird in der Literatur 141 statt auf die Beziehung von öffentlichem Sachherrn und Eigentümer auf das Verhältnis zwischen Benutzer und öffentlichem Sachherrn abgestellt. Die öffentlich-rechtliche Natur des Benutzungsverhältnisses sei das entscheidende und ausreichende Charakteristikum der öffentlichen Sachen. Die Befugnis, in einer bestimmten Art und Weise öffentliche Sachen zu benutzen, folge letztlich ebenso wie die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft aus der Widmung. Die Widmung bestimme den Nutzungsumfang, und 138
Das Bundesverwaltungsgericht, in: NJW 1991, S. 713 ff., verneinte in einem ähnlichen Fall ebenfalls einen Verstoß gegen die dem Bund nach Art. 74 Nr. 1 GG zustehende Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht. Der Landesgesetzgeber, so entschied es, ist durch Art. 74 Nr. 1 GG nicht gehindert, öffentlich-rechtliche Baulastvorschriften im Rahmen des Bauordnungsrechts zu erlassen. 139 BVerfGE 45, 297 (338 ff.). 140 Vgl. nur: Wolff / Bachof, I, § 55 II a; Mayer I Kopp, § 47 I 2; Battis, Rn. 311 ff.; Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S. 1028 ff.; Walter Schmidt, Rn. 191 ff.; Petersen, Rn. 244 ff.; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 1. 141 Merli, Die Verwaltung 22 (1989), S. 461 ff.; in diese Richtung auch Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 14 f. 4*
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Α. Die Widmung als identitätstiftender Grundbegriff
im Rahmen des durch die Widmung festgelegten Zwecks bestehe die Möglichkeit, die öffentliche Sache zu gebrauchen. § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW gestatte jedermann den Gemeingebrauch an Straßen, dies aber nur im Rahmen der Widmung. Der Anspruch auf Zulassung zur Benutzung einer kommunalen Einrichtung nach §18 Abs. 2 GO NW erstrecke sich nur auf öffentliche, d. h. gewidmete Einrichtungen. Aufgrund der Widmung der Sache entstehe somit ein Rechtsverhältnis, ein öffentliches NutzungsVerhältnis. Ausgangspunkt der Entwicklung hin zum öffentlichen Nutzungsverhältnis war die von Theodor Maunz in seiner Habilitationsschrift „Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts" konzipierte Theorie von der öffentlichen Sache als „Rechtsverhältnis". Der Verwaltungsträger verpflichte sich gegenüber der Rechtsordnung, einen Gegenstand bereitzuhalten. Dieses Rechtsverhältnis nennt er „öffentliche Sache". Maunz versteht also die öffentliche Sache nicht als Rechtsobjekt, sondern als Rechtsverhältnis. Die Verpflichtung des Verwaltungsträgers gegenüber der Rechtsordnung, die öffentliche Sache zur Nutzung durch Dritte bereitzuhalten, entstehe durch die Widmung. Die Widmung sei ein Selbstverpflichtungsakt des Verwaltungsträgers. Sie gebe, so Maunz, als verwaltungsrechtliches Mantelrechtsgeschäft den Inhaltsrahmen für später vorzunehmende spezielle Rechtsgeschäfte, die jeweiligen Nutzungen, vor. Für bestimmte Einzelnutzungsverhältnisse werde durch die Widmung der Inhalt, d. h. die Modalitäten der Nutzung festgelegt. Die Widmung als verwaltungsrechtliches Mantelrechtsgeschäft ist damit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar. Beide geben den Inhalt für das einzelne Rechtsgeschäft vor und verpflichten auf diese Weise auch den einzelnen Verwaltungsträger bzw. den Anwender der AGB. Maunz bezeichnete bereits 1933 seine Theorie als „konstruktives Wagnis" 142 . 1988 143 schreibt er über seine Theorie: „Was vor über einem halben Jahrhundert nach der damaligen Rechtslage über das öffentliche Sachenrecht und dessen ursprüngliche Verwurzelung im älteren bürgerlichen Recht entwickelt worden ist, ist sowohl vom jetzt geltenden Recht als auch von seiner konstruktiven Sicht her (die öffentliche Sache als „Rechtsverhältnis") überholt." Damit formuliert Maunz selbst den Grund für das Scheitern seiner Theorie von der öffentlichen Sache als Rechtsverhältnis 144: der Gesetzgeber hat seine Konstruktion nicht rezipiert. Das große Verdienst von Maunz liegt aber darin, das Verhältnis von Benutzer und öffentlichem Sachherrn in den Vordergrund der Diskussion um die öffentliche Sache gestellt zu haben. Das Recht der öffentlichen Sachen befaßt sich nicht nur mit den Auswirkungen der Widmung auf das private Eigentum, sondern auch mit der Nutzung der Sache.
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2 Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, S. 73. 143 Buchbesprechung, in: AöR 113 (1988), S. 306. 144 Kritisch zur Lehre von Maunz Schallenberg, S. 15 ff.; Zippelius, DÖV 1958, S. 839.
VI. Zusammenfassung und Erläuterung der weiteren Vorgehensweise
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VI. Zusammenfassung und Erläuterung der weiteren Vorgehensweise Die bisherige Untersuchung zeigt drei Funktionen der Widmung auf. Die Widmung läßt die öffentliche Sache entstehen, begründet die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft und regelt die Nutzung öffentlicher Sachen. Damit beruhen die Aufgaben, die das Recht der öffentlichen Sachen nach heutiger Ansicht in Wissenschaft und Praxis hat, auf der Widmung. Das Recht der öffentlichen Sachen bezweckt zum einen den Schutz der öffentlichen Sache vor Zweckentfremdung etwa durch Entzug (Schutzfunktion), zum anderen regelt es die Nutzung und Verwendung der öffentlichen Sachen (Verteilungsfunktion). Erstere Funktion gewährleistet die durch die Widmung in Form einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit" entstandene öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, letztere die in der Widmung enthaltene Regelung der Nutzung. Die Widmung schützt also die Sache vor Verwendungsmißbrauch und zweckwidriger Nutzung. Sie ist somit das zentrale Rechtsinstitut und der identitätstiftende Grundbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen. Die Widmung ist der Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen. Eine Untersuchung einzelner Sachen im Hinblick darauf, ob sie dem Recht der öffentlichen Sachen unterstehen, ob ihnen die Prinzipien des Rechts der öffentlichen Sachen eigen sind, muß sich daher an der Widmung orientieren. Ob und inwieweit die Straße, eine gemeindliche öffentliche Einrichtung, ein Dienstoder ein Kirchengebäude öffentliche Sachen sind, kann nur die Widmung beantworten. Insoweit öffnet die Widmung, gleich einem Schlüssel die Tür, die Möglichkeit zur Beantwortung der Frage: Gibt es ein Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Sachen"?
Β. Die Widmung im Straßenrecht
I. Straße und Straßenrecht 1. Die Straße „Der Weg ist ein Element der Existenz des Staates (und zwar im existentiellsten Sinne von Existenz!). Es handelt sich also nicht lediglich darum, daß der Staat ohne Wege nicht arbeiten könnte. Gemeint ist mit dieser These vielmehr etwas Vorausliegendes, etwas Wesenlicheres: Ohne Wege wäre ein Staat überhaupt nicht vorhanden." 1 Straßen und Wege sind ein Mittel der Raumüberwindung und der Raumbeherrschung, sie sind ein Element der Staatlichkeit. Der Schutz des Staatsgebietes, die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Inneren, der Nachrichtenverkehr zwischen den Staatsorganen, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eines Staates hängen von der Möglichkeit der Raumüberwindung, von der Verkehrsinfrastruktur und damit auch vom Straßennetz ab 2 . Die Bedeutung der Straße für den Staat, die Funktion der Straße für das Zusammenwachsen der einzelnen Staatsteile erkannte bereits Goethe in seinen Gesprächen mit Eckermann 3 : „Mir ist nicht bange, daß Deutschland nicht eins werde; unsere guten Chausseen und künftigen Eisenbahnen werden schon das ihrige tun." Die Funktion der Straße für die staatliche Einheit veranschaulicht die deutsche Wiedervereinigung. Ein nicht ausreichendes Straßen- und Wegenetz behindert das Zusammenwachsen und die wirtschaftliche Entwicklung in den fünf neuen Bundesländern 4. Die Qualität des Straßennetzes bestimmt die Mobilität der Bevölkerung, die Produktivität einer Volkswirtschaft 5 und damit verbunden den Wohlstand der 1
Herbert Krüger, Marktwirtschaftliche Ordnung, S. 4. 2 Dazu Klecatsky, S. 33 ff. Vgl. auch Steiner, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 81 Rn. 1 f. 3 Gespräch mit Eckermann am 23. 10. 1828, in: Goethes Gespräche, Gesamtausgabe, neu herausgegeben von Flodorad Frhr. von Biedermann, Vierter Band, 2. Aufl. 1910, S. 46. 4 Deshalb hat der Verkehrswegebau in den fünf neuen Bundesländern Priorität. Vgl. zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz Ronellenfitsch, DÖV 1991, S. 771 ff.; Würtenberger, VB1BW 1992, S. 1 ff.; Wagner, NVwZ 1992, S. 223 ff.; Stüer, DVB1 1992, S. 547 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen.
I. Straße und Straßenrecht
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Bürger und den Zustand des Staatswesens. Bei von Justi 6 heißt es 1782 bereits: „Die nothwendigste, zur Bequemlichkeit und Erleichterung der Gewerbe gereichende, Anstalt auf der Oberfläche der Erden, ist die Verfertigung guter Wege und Landstrassen. Die Gewerbe, ja alle Unterthanen überhaupt, leiden sehr grosses Nachtheil, wenn die Wege des Landes in einer schlechten Beschaffenheit sind." Wegen der hohen Bedeutung der Straße ist die Unterhaltung und der Bau von Straßen schon seit dem frühen Mittelalter eine Staatsaufgabe 7. Aber nicht nur für den Staat, sondern auch für den einzelnen Bürger hat die Straße existentielle Bedeutung. Die Straße stellt für ihn den Kontakt nach außen her, sie ermöglicht ihm die Fortbewegung im Raum und die Kommunikation mit anderen. Die Grundrechtsausübung verlangt ein funktionsfähiges Straßenund Wegenetz. Die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) benötigen die Straße als Stätte der Kommunikation und der Fortbewegung. Die Literatur 8 leitet aus diesen Grundrechten und dem Sozialstaatsprinzip eine objektiv-rechtliche Pflicht zur Bereitstellung eines ausreichenden Straßen- und Wegenetzes her. Zwar gewährten sie dem Bürger kein subjektiv-öffentliches Recht auf Schaffung, Erweiterung oder Beibehaltung einer bestimmten Straße, aber ein mangelhaftes, nicht funktionsfähiges Straßennetz verletze die aus den Grundrechten resultierende objektiv-rechtliche Pflicht des Staates zur Bereitstellung eines ausreichenden Straßen- und Wegenetzes.
2. Das Straßenrecht Straßenrecht ist so alt wie die Straße selbst9. Lange Zeit fehlte es aber an einer einheitlichen Regelung und gemeinsamen Prinzipien. Kennzeichnend für das Straßenrecht war vielmehr die territoriale Zersplitterung Deutschlands. So verloren beispielsweise erst mit Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßen· und Wegegesetzes am 1.1. 1962 die Jülich-Bergsche Polizeiverordnung von 1554, das Wegereglement für das Herzogtum Kleve von 1765 und das Edikt
5 Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Straße Streit, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 1 ff. 6 S. 62. 7 Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 258; Herzog, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 58 Rn. 18. — Zu den Staatsaufgaben Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HStR ΠΙ, § 57 Rn. 132 ff. 8 Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 28; Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 152 Rn. 65; Fickert, § 14 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen. 9 Zur historischen Entwicklung des Straßenrechts Scheicher, S. 6 ff.; Baumeister, S. 1 ff.; Salzwedel, in: Jeserich / Pohl / v. Unruh, Bd. 2, S. 199 ff., Bd. 3, S. 332 ff.; zur historischen Entwicklung in Bayern Engel, S. 1 ff.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
des Bischofs Friedrich Wilhelms von Paderborn und Hildesheim wegen der Wegebesserung von 1783 10 ihre Gültigkeit. Es mutet grotesk an, daß diese Vorschriften erst am 1.1. 1962 in einer der dichtest besiedelten und verkehrsreichsten Regionen Deutschlands außer Kraft traten. Die Gesetzgebungsbefugnis für das Straßenrecht 11 richtet sich nach der Verkehrsbedeutung der Straße. Während für die „Landstraßen des Fernverkehrs" gemäß Art. 74 Nr. 22,72 GG dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis zusteht, von der er mit dem Erlaß des Bundesfernstraßengesetzes Gebrauch gemacht hat, liegt im übrigen die Befugnis zur Regelung des Straßenrechts nach Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern. Der Bund erließ am 6. 8. 1953 ein Bundesfernstraßengesetz, das die erste bundeseinheitliche Normierung des Straßenrechts bedeutete. Zwar existierte mit dem „Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung" vom 26. 3. 1934 schon vorher eine reichseinheitliche Regelung, diese war aber lediglich ein Organisationsgesetz; eine inhaltliche Ausgestaltung des Straßenrechts fehlte weitgehend12. Die heute geltenden Landesstraßengesetze lehnen sich in ihren Rechtsinstituten und ihrer Begrifflichkeit weitgehend an das Bundesfernstraßengesetz vom 6. 8. 1953 an. Schon bei der Beratung des Bundesfernstraßengesetzes von 1953 kamen die obersten Straßenbaubehörden der Länder überein, einen aus Vertretern der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gebildeten Ausschuß damit zu beauftragen, einen Musterentwurf für die Straßengesetze der Länder auszuarbeiten. Dieser wurde im Jahre 1956 vorgelegt. In den folgenden Jahren erließen die Länder, beginnend mit Berlin im Jahre 1957, weitgehend ähnliche Straßen- und Wegegesetze. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes vom 6. Juli 1974 wurde das Bundesfernstraßengesetz in erheblichem Maße geändert. Noch vor der Verabschiedung bildete sich ein Unterausschuß des Länderfachausschusses Straßenbaurecht, der sich mit einem Musterentwurf für die Novellierung der Länderstraßengesetze befaßte. Ziel war es, eine weitgehende Angleichung an die neuen Vorschriften des Bundesfernstraßengesetzes zu erreichen und gleichzeitig auch Unterschiede in den einzelnen Länderstraßengesetzen zu bereinigen. Der Unterausschuß beendete seine Arbeit mit der Vorlage eines Musterentwurfes Ende 1975. In der Folgezeit kam es auf dieser Grundlage zu Neufassungen der Straßen- und Wegegesetze der Länder.
io Vgl. § 69 StrWG NW. h Vgl. dazu Pietzcker, Straßenrecht, in: Lexikon des Rechts, S. 1 f. 12 Dazu Kodal / Krämer, Kap. 1 Rn. 7.3.
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I I . Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße Nach § 2 Abs. 1 StrWG NW sind öffentliche Straßen nur diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Öffentlich sind Straßen also nur dann, wenn sie durch Widmung zum Zwecke des Verkehrs bestimmt sind; die Widmung zum Verkehr läßt damit die öffentliche Straße entstehen. Das Widmungsprinzip liegt allen Straßen- und Wegegesetzen zugrunde. Andere Gesetze knüpfen ebenfalls an die Widmung der Straße, an die öffentliche Straße, ihre Rechtsfolgen. So kann ein Erschließungsbeitrag nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nur dann erhoben werden, wenn die Straße vorher dem Verkehr gewidmet wurde 13 ; der bauordnungsrechtliche Begriff der „öffentlichen Verkehrsfläche" (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NW) bezieht sich ebenso nur auf gewidmete Straßen 14. Art und Weise der Widmung und damit auch Rechtsnatur, Rechtsform 15 und Rechtsschutz differieren. In der Regel erfolgt die Widmung einer Straße gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 StrWG NW durch Allgemeinverfügung, die nach § 35 S. 2 VwVfG ein Verwaltungsakt ist. Schon § 6 Abs. 7 StrWG NW zeigt aber, daß dies nicht die einzig mögliche Form ist. Die Widmung kann auch im Rahmen einer gesetzlichen Planfeststellung, etwa nach § 36 Bundesbahngesetz oder den §§ 39 ff., 58 f. Flurbereinigungsgesetz verfügt werden. Daneben sind weitere Formen denkbar, beispielsweise der öffentlich-rechtliche Vertrag oder die Widmung kraft unvordenklicher Verjährung. Der Begriff „Widmung" bezeichnet keine Rechtsform, im Gegenteil: er ist dem Kanon der Rechtsformen gegenüber indifferent. Aufgrund der praktischen und rechtlichen Relevanz steht im folgenden die Widmung durch Verwaltungsakt im Vordergrund der Untersuchung des Kreationsaktes der öffentlichen Straßen. Außerdem stellen § 6 StrWG NW und die entsprechenden Vorschriften der anderen Straßengesetze die einzigen gesetzlichen Regelungen dar, die sich mit der Widmung als Kreationsakt näher befassen.
1. Die Widmung durch Verwaltungsakt a) Die Widmung als dinglicher Verwaltungsakt Rechtsprechung und Literatur 16 befassen sich, wenn sie die Qualität der Widmung als Verwaltungsakt thematisieren, vor allem mit einem Punkt, der Widmung 13 Dazu: Driehaus, Rn. 226 ff.; Lohr, in: Battis / Krautberger / Lohr, § 127 Rn. 12. 14 Temme, in: Gaedtke / Böckenförde / Temme, § 4 Rn. 6. is Zu den Begriffen „Rechtsform" und „Handlungsform" Pauly, S. 25 ff. 16 Vgl. etwa Wolff/ Bachof, I, § 32 V 2, § 48 ΙΠ; dies., II, § 56 He; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 37 ff.; Marschall, in: Marschall / Schroeter / Kastner, §2 Rn. 1.2; Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 8; Zippelius, DÖV 1958, S. 841; Naunin, in: Loschelder / Salzwedel, S. 419; Nedden, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 69 f.;
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als dinglichem Verwaltungsakt. Die Diskussion, ob und inwieweit die Widmung einen dinglichen Verwaltungsakt darstellt oder nicht, dauert seit den sechziger Jahren an. Die Frage, die sich jedoch gerade im Hinblick auf die Widmung stellt, lautet: Hat diese Diskussion für die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße überhaupt einen Ertrag? aa) Der dingliche Verwaltungsakt Der „dingliche Verwaltungsakt" ist ein schillerndes Rechtsinstitut. Namentlich Norbert Niehues 17 und Hans J. Wolff 1 8 entwickelten die Rechtsfigur des dinglichen Verwaltungsakts zur Abgrenzung von Rechtsnorm und Einzelakt. Dingliche Verwaltungsakte sind danach sachenrechtliche Zustandsregelungen, durch die Eigenschaften von Sachen rechtlich qualifiziert oder gestaltet werden. Als öffentlich-sachenrechtliche Zustandsregelung haben sie keine unmittelbare (transitive) Regelung des Verhaltens von Personen zum Inhalt; von ihnen gehen nur mittelbare (intransitive) Wirkungen gegenüber Dritten aus. Wegen ihres unmittelbar gegenstandsbezogenen Inhalts richten sie sich an keinen bestimmten Adressaten, sondern nur an eine unbestimmte Vielzahl von Personen, die mit der Sache in Berührung gelangen. Trotzdem handelt es sich dabei um keine Rechtsnorm, sondern um einen Verwaltungsakt, um einen dinglichen Verwaltungsakt. Die Annahme eines dinglichen Verwaltungsakts löste in der Literatur heftige Diskussionen aus 19 . Der Gesetzgeber bestimmte 1976 in § 35 S. 2 VwVfG, daß eine Allgemeinverfügung, die die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache betrifft, ein Verwaltungsakt ist. In der Begründung 20 heißt es dazu: „Besondere Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die Abgrenzung zwischen Rechtsnorm und Allgemeinverfügung, die ein Verwaltungsakt ist. Deshalb definiert Satz 2 die Allgemeinverfügung. Sein Wortlaut stützt sich auf die in Literatur und Rechtsprechung herrschende Auffassung. Die 2. Alternative der Definition wurde aus Gründen der Klarstellung aufgenommen. Allgemeinverfügungen sind ζ. B. auch die Widmung, die Einziehung, die Umstufung und andere auf die Gestaltung der öffentlich-rechtlichen Qualität einer Sache gerichtete Akte."
Kodal / Krämer, Kap. 7 Rn. 18.1 ; OVG Münster, OVGE 30,28 (32) jeweils mit weiteren Nachweisen. π Dinglichkeit im Verwaltungsrecht, S. 139 ff.; DÖV 1965. S. 319 ff.; FS Wolff, S. 247 ff.; DVB1 1982, S. 371 ff.; JZ 1987, S. 453 f. is Wolff! Bachof, I, § 46 ΙΠ, 47 VIII b. 19 Kopp, BayVBl 1970, S. 233 ff.; Hüttenhain, S. 11 ff.; v. Mutius, FS Wolff, S. 207 ff.; Grund, DVB1 1974, S. 449 und Erwiderung von v. Mutius, DVB1 1974, S. 90 ff.; Jochen Martens, Rn. 311 ff. Vgl. auch: Hadding, JZ 1986, S. 926 ff.; ders., JZ 1987, S. 454 f. 20 BT-Drucks 7/910, S. 57.
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bb) Rechtsnorm — Einzelakt § 35 S. 2 VwVfG nimmt dem Streit um die Widmung als dinglichen Verwaltungsakt seine praktische Relevanz. Der Gesetzgeber hat sich gegen die Rechtsnorm und für einen Verwaltungsakt entschieden. Mag die Auseinandersetzung um den Rechtscharakter bis 1976 berechtigt gewesen sein, so hat sie danach allenfalls noch rechtstheoretische Bedeutung, es sei denn, man hält die Regelung des § 35 S. 2 VwVfG hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft einer Sache für verfassungswidrig. Nach Ansicht von Obermayer 21 verstößt die Begriffsbestimmung des § 35 S. 2 VwVfG gegen das widerspruchsfreie Gesetze verlangende Rechtsstaatsprinzip. Für einen Verwaltungsakt sei die Bezugnahme auf einen abschließend feststehenden Personenkreis konstitutiv, ansonsten liege eine Rechtsnorm vor. Die Theorien von einem dinglichen bzw. adressatenlosen Verwaltungsakt seien deshalb rechtslogisch unhaltbar und unvereinbar mit dem Merkmal des Einzelfalles in § 35 S. 1 VwVfG. § 35 S. 2, 2. Alt. VwVfG widerspreche der Regelung des Verwaltungsakts in § 35 S. 1 VwVfG und verstoße so gegen das Rechtsstaatsprinzip. Wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips ist die Rechtssicherheit, d. h. die Verläßlichkeit der Rechtsordnung 22. Rechtssicherheit verlangt zum einen die Beständigkeit, zum anderen die Vorhersehbarkeit staatlicher Entscheidungen, was nur bei Widerspruchsfreiheit eines Gesetzes möglich ist. § 35 VwVfG enthält aber keine Widersprüche. Vielmehr hat der Gesetzgeber gerade durch die Regelung in Satz 2 in der Wissenschaft bestehende Unsicherheiten gelöst und eindeutig festgelegt, daß es sich bei der Allgemeinverfügung, die die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache betrifft, um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG hndelt. Das Merkmal „Einzelfall" in § 35 S. 1 VwVfG steht ebenfalls nicht in Widerspruch zu § 35 S. 2 VwVfG. In § 35 S. 1 VwVfG dient es der Abgrenzung von Rechtsnorm und Verwaltungsakt 23. Ein Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt liegt immer dann vor, wenn es sich um eine Regelung handelt, die einen bestimmten konkreten Sachverhalt betrifft und sich an eine bestimmte Person richtet. Dabei hat letzteres Merkmal nicht die entscheidende Bedeutung, was schon aus dem Wortlaut des § 35 S. 1 VwVfG folgt, der nicht von Einzelperson, sondern von Einzel/a// spricht 24 . Die Regelung der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft einer Sache bezieht sich auf einen konkreten Gegenstand. Sie ist die Regelung eines Einzelfalles und steht damit nicht in Widerspruch zu § 35 S. 1 VwVfG.
2
1 Kommentar zum VwVfG, § 35 Rn. 254 ff. Vgl. auch NJW 1980, S. 2388 f. 22 Zum Rechtsstaatsprinzip: Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HStR I, § 24 Rn. 1 ff. (bes. Rn. 81 ff.). 23 Vgl. dazu ausführlich Gornig, S. 66 ff. 24 So Wolff I Bachof, I, § 46 VI a; Maurer, § 9 Rn. 18.
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Festzuhalten ist somit: Dem Gesetzgeber stand es frei, die sachbezogene Allgemeinverfügung als Verwaltungsakt anzusehen; die in § 35 S. 2 VwVfG getroffene Regelung ist nicht verfassungswidrig. cc) Rechtsnachfolge Trotzdem finden sich in der Literatur immer noch umfangreiche Stellungnahmen zur Widmung als dinglichem Verwaltungsakt. Dabei geht es aber nicht mehr in erster Linie um das Problem, ob die Widmung einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG darstellt, sondern darum, ob die Widmung als dinglicher Verwaltungsakt auch gegenüber einem Rechtsnachfolger, etwa dem neuen Eigentümer der gewidmeten Sache, Rechtswirkungen entfaltet. Dies weist auf eine weitere Funktion des Begriffes „dinglich" neben der Abgrenzung Rechtsnorm und Einzelakt hin, nämlich als Begründung für die Rechtsnachfolge. Die beiden Funktionen, die in der Literatur oftmals nicht scharf getrennt werden, lassen sich anhand des § 35 S. 2, 2. Alt. VwVfG verdeutlichen. Sachbezogene Allgemeinverfügungen, d. h. dingliche Verwaltungsakte im Sinne des § 35 S. 2 2. Alt. VwVfG, sind neben der Widmung beispielsweise die Straßen-(Um)Benennung 25 , die Eintragung eines Naturdenkmals in die Denkmalliste 26 oder die Schutzbereichsanordnung nach § 2 Schutzbereichsgesetz27. Kein dinglicher Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 2, 2. Alt. VwVfG ist hingegen die Baugenehmigung oder die AbrißVerfügung, da sie nicht die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache betreffen. Trotzdem bezeichnet man sie als „dingliche Verwaltungsakte" oder als „sachbezogene Verfügung". Dies bezieht sich dann nur auf die Funktion der Rechtsfigur „dinglicher Verwaltungsakt" zur Begründung der Rechtsnachfolge. Das Problem der Rechtsnachfolge kraft „Dinglichkeit" wird meist am Beispiel der baurechtlichen Abrißverfügung erörtert. Nach Erlaß einer an den Grundstückseigentümer gerichteten Abrißverfügung geht das Eigentum im Wege der Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge auf eine andere Person über, die die ergangene Verfügung nicht gegen sich gelten lassen will. Müßte die Ordnungsbehörde in diesem Fall gegenüber dem Rechtsnachfolger einen neuen Verwaltungsakt erlassen, so hätte dies auf jeden Fall eine erhebliche zeitliche Verzögerung zur Folge. Deshalb wird heute 28 entgegen der bis Ende der sechziger Jahre vertretenen Ansicht 29 die Bindung des Rechts-
25 OVG Münster, NJW 1987, S. 2695 f.; VGH München, BayVBl 1988, S. 495; VGH Mannheim. VB1BW 1992, S. 140 ff. Zur Straßenumbenennung vgl. auch Brugger, JuS 1990, S. 566 ff. 26 OVG Bremen, NVwZ 1983, S. 234 ff. 27 BVerwGE 70, 77 (81); VGH Mannheim, NVwZ 1989, 978 (979). 28 Peine, DVB1 1980, S. 941 ff.; Ortlojf, JuS 1981, S. 574 ff.; ders., in: Finkelnburg/ Ortloff, Bd. 2, S. 144 ff.; Schoch, BauR 1983, S. 532 ff.; Rumpf VerwArch 78 (1987), S. 269 ff. mit weiteren Nachweisen.
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nachfolgers an die Abrißverfügung gegenüber dem bisherigen Eigentümer angenommen, teilweise ist sie auch gesetzlich geregelt worden 30 . Auslöser dieser Entwicklung waren die Urteile des OVG Saarlouis vom 3. 10. 1969 31 und des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. 1. 1971 32 . Das Bundesverwaltungsgericht begründet die Bindung des Rechtsnachfolgers mit der „Dinglichkeit" der Abrißverfügung. Die Haftung für den baurechtlichen Zustand eines Grundstücks sei keine höchstpersönliche Pflicht, sondern sie beziehe sich auf das Grundstück. Durch die Abrißverfügung werde nur die Zustandshaftung einer Person für ein Grundstück festgelegt, der Verwaltungsakt sei also grundstückbezogen, er habe „dingliche" Wirkung. Die dingliche Wirkung habe zur Folge, daß ein Wechsel in der Person des Eigentümers ohne Bedeutung für die Bestandskraft der Abrißverfügung sei. Die persönlichen Unterschiede könnten im Rahmen des Vollstrekkungsverfahrens berücksichtigt werden. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts fand sowohl in Rechtsprechung 33 als auch in der Literatur im Ergebnis Zustimmung, jedoch differieren die Begründungen für die Rechtsnachfolge erheblich 3 4 . Die Dinglichkeit der Abrißverfügung dient aber meist als Grundlage der Untersuchungen der Rechtsnachfolgeproblematik. Die Einordnung als „dinglicher Verwaltungsakt" hat somit für die Bestandskraft eines Verwaltungsakts gegenüber dem Rechtsnachfolger konstitutive Wirkung. Für die straßenrechtliche Widmung hat die Charakterisierung als dinglicher Verwaltungsakt gerade nicht diese Bedeutung. § 6 Abs. 6 StrWG NW bestimmt bereits, daß durch privatrechtliche Verfügungen die Widmung nicht berührt wird. Der Rechtsnachfolger muß also die Widmung und die daraus resultierenden Folgen für sein Eigentum in der gleichen Weise hinnehmen wie der Rechtsvorgänger, dem gegenüber die Widmung verfügt worden ist. Diese Konsequenz folgt bereits aus dem Gesetz und nicht aus der Einordnung der Widmung als dinglichem Verwaltungsakt. Mag man auch § 6 Abs. 6 StrWG NW nur als Folge bzw. logische Konsequenz der Dinglichkeit der Widmung ansehen, so benötigt man
29 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 245 ff.; Walter Jellinek, S. 211 ff.; Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 343; Fleiner Λ S. 138 ff. — Auch in der heutigen Literatur gibt es noch vereinzelt Stimmen, die sich gegen die Bindung des Rechtsnachfolgers aussprechen Schenke, GewArch 1976, S. 1 ff.; kritisch auch Oldiges, JA 1978, S. 541 ff., 616 ff. 3 0 § 89 Abs. 2 S. 3 Nds BauO; § 78 S. 3 BauO Rhpf.; § 77 Abs. 3 BauO Saarl.; Art. 82 S. 3 BayBauO. 31 BRS 22 Nr. 215. 32 BRS 24 Nr. 193 = NJW 1971, S. 1624 ff. 33 Vgl. nur: VGH München, BayVBl 1983, S. 21 f.; OVG Bremen, NJW 1985, S. 2660; OVG Münster, NVwZ 1987, S. 427; VGH Mannheim, VB1BW 1988, S. 110 f. — Anders der VGH Kassel: es gibt keine Einzelrechtsnachfolge in die einmal begründete und durch Verwaltungsakt konkretisierte Ordnungspflicht des Eigentümers (NuR 1986, S. 126). 34 Zu den verschiedenen Begründungsansätzen: Peine, DVB11980, S. 941 ff.; Schoch, BauR 1983, S. 532 jeweils mit weiteren Nachweisen.
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aber die Figur des dinglichen Verwaltungsakts jedenfalls nicht mehr zur Begründung der Rechtsnachfolge. Diese ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Fazit: Aus der Bezeichnung der Widmung als „dinglichem" Verwaltungsakt lassen sich keine rechtlichen Schlüsse ziehen. Weder wird dadurch die Entscheidung für die Einordnung als Verwaltungsakt noch die Begründung für die Bindung des Rechtsnachfolgers an die Widmung getroffen. Beides folgt schon aus dem Gesetz: ersteres aus § 6 Abs. 1 S. 1 StrWG NW i. V. m. § 35 VwVfG, letzteres aus § 6 Abs. 6 StrWG NW. Die Bezeichnung der Widmung als dinglichem Verwaltungsakt hat keine rechtliche Konsequenz. Um dies zu kennzeichnen, sollte man für die Widmung auf das Attribut „dinglicher Verwaltungsakt" verzichten. b) Die Widmung als Ermessensverwaltungsakt Die über Jahre hinaus ausgetragene Diskussion um die Dinglichkeit der Widmung führte zu einer mangelnden Erörterung anderer Probleme des Kreationsakts der öffentlichen Straße. Dazu gehört die Frage, ob die Widmung im Ermessen der verfügenden Behörde steht oder ob nicht vielmehr § 6 StrWG NW die Behörde zur Widmung verpflichtet, es sich also um gesetzlich gebundene Verwaltung handelt. In der Literatur finden sich nur ganz vereinzelt Äußerungen, die aber schon in sich widersprüchlich sind. So wendet sich Fickert 35 gegen die Einordnung der Widmung als Ermessensverwaltungsakt, spricht aber im selben Abschnitt davon, daß in bestimmten Fällen eine Ermessensreduzierung auf Null die verfügende Behörde zur Widmung verpflichten könnte. Nach Ansicht von Kodal / Krämer 36 ist die Widmung „ein im Regelfall in das Ermessen der Behörde" gestellter Verwaltungsakt. Wenig später 37 führen sie hingegen aus, daß die Freiheit, über die Widmung einer Straße zu entscheiden, nur scheinbar gegeben sei und die Widmung nur den letzten Schritt in einer vorgegebenen Entwicklung darstelle. Ob die verfügende Behörde zur Widmung einer neu gebauten Straße verpflichtet ist oder dies in ihrem Ermessen steht, muß von der Frage getrennt werden, inwieweit der Bürger einen Anspruch auf den Bau eines bestimmten Weges hat. Letztere Frage verneint die Literatur nahezu einhellig 38 , da die Schaffung neuer Straßen im Rahmen der Daseinsvorsorge der alleinigen Entscheidung der jeweils zuständigen Behörde obliegt. Ein Anspruch des Bürgers auf den Bau von Straßen ergebe sich nur dann, wenn die institutionelle Garantie eines ausreichenden Straßennetzes39 verletzt sei, was im Augenblick kaum vorstellbar ist. Anderes 35 § 6 Rn. 9. 36 Kap. 7 Rn. 18.13. 37 Kap. 7 Rn. 18.21. 38 Fickert, § 14 Rn. 8; Kodal / Krämer, Kap. 24 Rn. 44; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97; Pappermann ! Lohr ! Andriske, S. 45.
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gilt hingegen nach dem Bau der Straße. Die finanziellen Aufwendungen sind getätigt, die Straße ist gebaut, und es fehlt nur noch die Widmung. Hier stellt sich nun die Frage, ob die zuständige Straßenbaubehörde zur Widmung gesetzlich verpflichtet ist oder ob sie einen Ermessensspielraum hat. aa) Ermessen Ermessen 40 bezeichnet einen Raum freier Entscheidung, der der Verwaltung durch eine Norm eingeräumt wird. Im Unterschied zur gesetzlich gebundenen Verwaltung, wo bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Behörde in der vorgeschriebenen Art und Weise handeln muß, hat sie, wenn ihr Ermessen eingeräumt wird, mehrere Entscheidungsmöglichkeiten, die für sich gesehen alle rechtmäßig sind. Nur wenn ein Ermessensfehler vorliegt, handelt die Verwaltung rechtswidrig. Solange sie aber die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält und ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt, handelt sie rechtmäßig (§40 VwVfG, § 114 VwGO) 4 1 . Wäre also die Widmung ein Ermessensverwaltungsakt, so könnte die zuständige Straßenbaubehörde im Rahmen ihres Ermessens entscheiden, ob sie die Widmung verfügt oder nicht (Entschließungsermessen) und, wenn ja, mit welchem Inhalt (Auswahlermessen). Die Abgrenzung zwischen gesetzlich gebundener Verwaltung und Ermessensverwaltung bereitet Schwierigkeiten. Als Indiz dient meist der Wortlaut der Norm. Während „kann", „darf 4 , „ist befugt" einen Ermessensspielraum einräumen, kennzeichnen „muß" oder „ist zu erteilen" die gesetzlich gebundene Verwaltung. Fehlen solche Hinweise, so muß aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung die Abgrenzung vorgenommen werden. bb) Gebundener Verwaltungsakt? Der Wortlaut des § 6 StrWG NW spricht weder für einen Ermessensspielraum noch für gesetzlich gebundene Verwaltung. § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW bestimmt, daß die Straßenbaubehörde die Widmung verfügt. Damit weist der Gesetzgeber nur den Straßenbaubehörden die Aufgabe der Widmung der Straße zu, und läßt es, jedenfalls von der Wortwahl her, offen, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt. 39 Oben Β. I. 1. Zu der Problematik des Ermessens und zu dem Zusammenhang zwischen Ermessen und unbestimmtem Rechtsbegriff Bachof, JZ 1955, S. 97 ff.; Rupp, FS Zeitler, I, S. 455 ff.; Alexy, JZ 1986, S. 701 ff.; Herdegen, JZ 1991, S. 747 ff.; Stelkens I Sachs, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, §40 Rn. 6 ff.; Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 40 Rn. 17 ff. 41 Man unterscheidet herkömmlich zwischen drei Gruppen von Ermessensfehlem, der sog. Ermessensunterschreitung, der Ermessensüberschreitung und dem Ermessensfehlgebrauch. Dazu und zu neueren Entwicklungen: Alexy, JZ 1986, S. 701 ff. 40
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aaa) Verpflichtung zur Widmung aus der Straßenbaulast? Die Literatur schließt teilweise aus der Regelung der Straßenbaulast in § 9 StrWG NW auf eine Pflicht zur Widmung durch die Straßenbaubehörde, wenn die Straße bereits gebaut ist 42 . Die Widmung wäre dann ein gebundener Verwaltungsakt, auf den der Bürger aber keinen Rechtsanspruch hätte, da die in § 9 StrWG NW normierte Straßenbaulast eine rein öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Straßenbaulastträgers wäre, die nicht gegenüber Dritten bestünde43. Diese Argumentation trifft nicht zu. Gemäß § 9 Abs. 1 StrWG NW umfaßt die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung öffentlicher Straßen zusammenhängende Aufgaben, beispielsweise die Planung, die technische Herstellung oder die Ausstattung der Straße mit Lärmschutzwänden und ähnlichem Zubehör 44 . Neben diesen technischen Aufgaben gehören zur Straßenbaulast auch die damit in Zusammenhang stehenden Verwaltungsmaßnahmen 45. Auffallend ist jedoch, daß bei den in der Literatur aufgezählten Beispielen nicht die Pflicht zur Widmung erscheint 46. Das ist aber auch nicht möglich, da die Widmung nicht der Straßenbaulast unterfällt, was sich aus der Gesetzessystematik ergibt. Nach § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW muß die die Widmung verfügende Straßenbaubehörde nämlich nicht notwendigerweise Behörde des Straßenbaulastträgers sein 47 . In einem solchen Fall verlangt das Gesetz nur die Zustimmung des Straßenbaulastträgers zur Widmung. Dies bedeutet, daß der Träger der Straßenbaulast nicht für die Widmung verantwortlich ist, die Zuständigkeit zur Widmung vielmehr der Straßenbaubehörde obliegt. Folglich kann die Pflicht zur Widmung auch nicht Inhalt der Straßenbaulast sein. § 9 StrWG NW begründet keine Pflicht zur Widmung.
42 Fickert, § 6 Rn. 9; Kodal / Krämer, Kap. 7 Rn. 18.22; Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 29. 43 Nach allgemeiner Ansicht ist die Straßenbaulast eine öffentliche Aufgabe, die nur gegenüber dem Gesetz und der Allgemeinheit besteht. Deshalb gibt es keine Ansprüche des Bürgers auf Erfüllung der Straßenbaulast. Vgl. Fickert, § 9 Rn. 4; Sieder / Zeitler, Art. 9 Rn. 4; Marschall, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 3 Rn. 1.1 ff.; Kodal / Krämer, Kap. 12 Rn. 5; anderer Ansicht Bartlsperger, DVB1 1979, S. 11. 44 Vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 57; Zeitler, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 475 ff.; Erbguth / Becker, S. 31; Kodal / Krämer, Kap. 12 Rn. 11. 45 Fickert, § 9 Rn. 20; Sieder I Zeitler, Art. 9 Rn. 9. 46 Vgl. nur die Aufzählung bei Kodal i Krämer, Kap. 12 Rn. 11. 47 Die Fälle möglichen Auseinanderfallens von Widmungsbefugnis und Baulastträgerschaft sind selten. Vgl. dazu Kodal ! Krämer, Kap. 7 Rn. 12. Wer Straßenbaulastträger bzw. Straßenbaubehörde ist, ergibt sich aus dem Gesetz: § 43 StrWG NW bestimmt den Träger der Straßenbaulast, § 56 StrWG NW die Straßenbaubehörden.
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bbb) Verpflichtung zur Widmung aus einzelnen landesrechtlichen Vorschriften Für die Einordnung der Widmung als gebundener Verwaltungsakt könnte aber Art. 47 Abs. 2 BayStrWG sprechen. Art. 47 BayStrWG, der die Straßenbaulast für Gemeindestraßen regelt, bestimmt in Absatz 2, daß eine Gemeindestraße nach ordnungsgemäßer Herstellung unverzüglich durch die Straßenbaubehörde zu widmen ist 48 . Entnimmt man dieser Vorschrift den allgemeinen Rechtsgedanken der Pflicht zur sofortigen Widmung einer gebauten Straße 49, so ist die Widmung ein gebundener Verwaltungsakt. Im Ergebnis wäre damit die in der Praxis oftmals zu beobachtende Widmung der Straßen lange nach ihrer Herstellung rechtswidrig 50 . Art. 47 Abs. 2 BayStrWG stellt jedoch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz auf. Mangels ähnlicher Regelung in den Straßen- und Wegegesetzen der übrigen Länder läßt sich die Pflicht zur unverzüglichen Widmung nicht verallgemeinern; eine zeitliche Vorgabe für die Widmung gibt es nur noch in § 57 Abs. 2 S. 1 StrG Bad.-Württ. 51 . Darüber hinaus folgt selbst für das Bayerische Straßen- und Wegerecht aus Art. 47 Abs. 2 BayStrWG kein allgemeiner Rechtsgedanke. Art. 47 Abs. 2 BayStrWG betrifft nur die Gemeindestraßen, wozu vor allem neben den Gemeindeverbindungsstraßen die Ortsstraßen zählen. Hinsichtlich der anderen Straßenklassen fehlt eine Regelung, die zur unverzüglichen Widmung verpflichtet. Daß Art. 47 Abs. 2 BayStrWG gerade nur eine Regelung für Gemeindestraßen, insbesondere Ortsstraßen, d. h. Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage oder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplanes trifft, muß außerdem in Zusammenhang mit dem Erschließungsrecht des Baugesetzbuches gesehen werden. Nach § 123 Abs. 1 i. V. m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ist die Gemeinde verpflichtet, die erforderlichen Ortsstraßen als Erschließungsanlagen herzustellen 52. Erschließungsanlagen stellen nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nur öffentliche, also gewidmete Straßen dar. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Widmung in Art. 47 Abs. 2 BayStrWG steht in Zusammenhang mit der baurechtlichen Pflicht zur Erschließung. Art. 47 Abs. 2 BayStrWG regelt also einen 48 Art. 47 Abs. 2 BayStrWG lautet: „Ist eine Gemeindestraße ordnungsgemäß hergestellt, so hat die Straßenbaubehörde sie unverzüglich zu widmen." 49 So Sieder I Zeitler, Art. 6 Rn. 28, Art. 47 Rn. 21. so So folgerichtig dann auch Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 28. 51 § 57 Abs. 2 S. 1 StrG Bad.-Württ. lautet: „Die der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken dienenden Wege, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht öffentliche Wege sind, sind von der Gemeinde in angemessener Zeit, wo Flurbereinigungsverfahren zu erwarten sind, nicht vor deren Durchführung, einem beschränkten öffentlichen Verkehr zu widmen, .. 52 Die Erschließung ist eine Pflichtaufgabe der Gemeinde Lohr, in: Battis / Krautzberger/Löhr, § 123 Rn. 1 mit weiteren Nachweisen. 5 Axer
Β. Die Widmung im Straßenrecht
Sonderfall, der sich nicht verallgemeinern läßt. Eine Pflicht der Straßenbaubehörde zur unverzüglichen Widmung aller bereits gebauten Straßen läßt sich daraus nicht herleiten. Fazit: Aus dem Straßen- und Wegegesetz ergibt sich nicht die Qualifizierung der Widmung als gebundenen Verwaltungsakt. Weder der Wortlaut des § 6 StrWG NW noch die Systematik des Straßen- und Wegegesetzes spechen für eine solche Einordnung. Die Straßenbaubehörde ist nicht zur Widmung verpflichtet. cc) Das Ermessen der Straßenbaubehörde Die Straßen- und Wegegesetze verpflichten die Straßenbaubehörde nicht zur Widmung der gebauten Straße. § 6 StrWG NW nennt keine Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Widmung verfügt werden müßte. Dies steht vielmehr im Ermessen der Straßenbaubehörde. aaa) Entschließungsermessen Das Entschließungsermessen der Straßenbaubehörde, d. h. die Entscheidung, ob die neugebaute Straße gewidmet werden soll, wird aber häufig eingeschränkt sein. In den meisten Fällen ist nur die Entscheidung für die Widmung ermessensfehlerfrei; es liegt damit eine „Ermessensreduzierung auf N u l l " 5 3 vor. Eine „Ermessensreduzierung auf Null" verpflichtet die Straßenbaubehörde, die Widmung zu verfügen, da jedes andere Verhalten ermessensfehlerhaft wäre. Der Grund für die Beschränkung des Ermessensspielraums ergibt sich aus einer vorherigen Selbstbindung. Dem Bau einer Straße liegen vielfältige Planungen und Beschlüsse über die Funktion und Bedeutung der Straße voraus. Die planerischen Entscheidungen manifestieren sich im Planfeststellungsbeschluß. Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses ist der Plan, bestehend aus Zeichnungen und Erläuterungen, der erkennen läßt, in welchem Umfang und in welcher Weise eine Straße gebaut werden soll. Der Planfeststellungsbeschluß verpflichtet die Straßenbaubehörde, die Straße dem festgelegten Zweck zuzuführen, sie zu widmen, denn erst die Widmung eröffnet die allgemeine Benutzung der Straße zum Verkehr und erfüllt damit den Zweck der „Planung". Ist eine Planfeststellung nicht erforderlich 54, so kann sich die „Ermessensreduzierung auf Null" und damit verbunden eine Pflicht zur Widmung aus anderen Gründen ergeben, etwa durch den Beschluß des Gemeinderates, eine Straße zu bauen. Daneben binden auch die Bedarfspläne die Straßenbaubehörde. Die Bedarfspläne des Bundes bzw. der Länder erfassen den Bedarf
53 Dazu Gern, DVB1 1987, S. 1194 ff. 54 Vgl. § 38 StrWG NW.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
an Straßen und legen damit auch die Funktion der einzelnen Straßen fest 55 . Außerdem verlangen die §§24 Abs. 1, 54 Abs. 1 LHO Pläne, Kostenberechnungen und Erläuterungen, aus denen sich die Art der Ausführung, die vorgesehene Finanzierung usw. ergibt. Erst wenn dies geschehen ist, können Baumaßnahmen im Haushaltsplan veranschlagt werden 56 . Bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Straßenbaubehörde über die Widmung entscheidet, sind also schon eine Vielzahl von Vorgaben und Bestimmungen über die Funktion der Straße erfolgt. Der Straßenbaubehörde ist es daher fast unmöglich, ihr Ermessen in einer anderen Weise zu bestätigen, als die Straße zu widmen. Veranschaulicht werden kann dieser Zusammenhang auch am Beispiel des Erschließungsrechts. § 123 Abs. 3 BauGB legt fest, daß kein Anspruch auf Erschließung besteht. Trotzdem hat der Bürger in bestimmten Fällen einen Rechtsanspruch auf Erschließung seines Grundstückes, nämlich dann, wenn die Gemeinde bereits Handlungen im Hinblick auf die Erschließung vorgenommen hat. Die Erschließungslast verdichtet sich zu einer Erschließungspflicht, wenn beispielsweise ein qualifizierter Bebauungsplan erlassen, eine Baugenehmigung erteilt oder eine Vorausleistung verlangt worden ist 57 . In diesen Fällen ist die Gemeinde zur Erschließung des Grundstücks verpflichtet. Da Erschließungsanlagen nur gewidmete Straßen sind, reduziert sich damit auch das Entschließungsermessen der Straßenbaubehörde auf „Null"; sie ist dann zur Widmung der Straße verpflichtet. In vielen Fällen liegt also hinsichtlich des Entschließungsermessens eine Ermessensreduzierung auf Null vor. bbb) Auswahlermessen Nach § 6 Abs. 3 StrWG NW sind in der Widmung die Straßengruppen und Beschränkungen der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke oder Benutzerkreise sowie etwaige sonstige Besonderheiten festzulegen. Nach einhelliger Ansicht ist die Einstufung der Straße in eine bestimmte Straßengruppe (§ 3 Abs. 1 StrWG NW) notwendiger Bestandteil der Widmung 58 . Die Straßenbaubehörde muß die Einstuftung 59 vornehmen, es handelt sich insoweit um einen obligatorischen Teil der Widmung. Die Entscheidung über den 55 Zu der Bedeutung der Bedarfspläne und Ausbauprogramme Kodal I Krämer, Kap. 32 Rn. 1 ff. 56 Vgl. Piduch, § 24 Anm. 24; Morell, § 54 Anm. 1 zu den entsprechenden Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung. 57 Siehe dazu Driehaus, Rn. 94 ff.; Finkelnburg, in: Finkelnburg / Ortloff, Bd. 1, S. 278 ff.; Lohr, in: Battis / Krautzberger / Lohr, § 123 Rn.4ff.; Oldiges, in: Steiner, Rn. 269; Gloria, NVwZ 1991, S. 720 ff. 58 Fickert, § 6 Rn. 38; Steiner, in: Steiner, Rn. 37; Papier ! Peine, Rn. 46; Papier, in: Achterberg/Püttner, Rn. 696. 59 Die gesetzlichen Merkmale der Straßenklassen, nach denen die Einstufung vorgenommen wird, sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Vgl. Steiner, in: Steiner, Rn. 28.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
sonstigen Inhalt der Widmung steht im Ermessen der Straßenbaubehörde 60. Die Straßenbaubehörde kann nach ihrem Ermessen bestimmte Benutzungsarten zulassen oder die Widmung auf bestimmte Benutzungszwecke beschränken, beispielsweise als Friedhofs- oder Kirchenweg, als Feld- oder Waldweg. Auch hier können aber aus vorherigen Entscheidungen Vorgaben folgen, die auf das Auswahlermessen einwirken. Beschließt etwa die Gemeinde einen Schulweg zu bauen, so bindet dies die Gemeinde als Straßenbaubehörde bei der späteren Widmungsverfügung. Im Unterschied zum Entschließungsermessen führen diese Bindungen aber nicht zwangsläufig zu einer „Ermessensreduzierung auf Null". So könnte der Schulweg im obigen Beispiel auch als Weg ohne besondere Beschränkung auf diesen Benutzungszweck gewidmet werden. Auf welche Weise bzw. mit welchem Inhalt die Straßenbaubehörde die gebaute Straße widmet, steht also in ihrem Ermessen.
c) Die Widmungsbefugnis Die Widmung verfügt im Unterschied zur früheren Rechtslage nicht mehr der Straßenbaulastträger, sondern gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 StrWG NW die Straßenbaubehörde. Das Straßen- und Wegegesetz trennt begrifflich scharf zwischen den Aufgaben der Straßenbaubehörde und denen des Straßenbaulastträgers. Rechtssätze, die zu Verwaltungsaken ermächtigen oder Mitwirkungsrechte an Verwaltungsverfahren begründen, nennen die Straßenbaubehörden als Adressaten; Rechtssätze, die zu tatsächlichen Handlungen oder solchen ermächtigen, die auch von Privatpersonen vorgenommen werden können, richten sich an den Straßenbaulastträger 61. Wem die Aufgaben eines Straßenbaulastträgers oder der Straßenbaubehörde zufallen, regeln die jeweiligen Straßen- und Wegegesetze62. 60 Mißverständlich ist die Formulierung von Papier / Peine, Rn. 46: „Zum anderen muß die Widmung eine Aussage dazu treffen, welche Personen (Problem des sogenannten Benutzerkreises, der die Straße benutzen darf: Friedhofsweg, Schulweg) in welchem Umfang (Problem der sogenannten Benutzungsarten, die auf der Straße zulässig sind: Fußgänger, Autos, Radfahrer, Reiter) die Straße benutzen dürfen, § 6 Abs. 1 LStrG NW." — Dies wird nur dann anzunehmen sein, wenn die Straßenbaubehörde entgegen der Einstufung die Straße auf eine bestimmte Personengruppe oder Art der Benutzung beschränken will. Ähnlich auch Zuleeg, in: Meyer / Stolleis, S. 339: „Dafür genügt die Angabe, daß eine Straße gewidmet wird. Beschränkungen der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten sind in der Verfügung festzustellen . . . "
61 Fickert, § 6 Rn. 8; Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 43. Zu den Aufgaben der Straßenbaubehörde zählen unter anderem neben der Widmung die Einziehung, die Umstufung, die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen usw. Die Aufgaben des Straßenbaulastträgers ergeben sich aus § 9 StrWG NW: Bau und Unterhaltung öffentlicher Straßen sowie alle damit zusammenhängenden Aufgaben. 62 Für Nordrhein-Westfalen sind dies die §§43 ff. (Träger der Straßenbaulast) und der § 56 (Straßenbaubehörden). Zum Verhältnis zwischen Straßenbaubehörde, Straßenbaulastträger und Straßenaufsichtsbehörde, die die Erfüllung der Aufgaben, die den Straßenbaulastträgern und der Straßenbaubehörde obliegen, überwachen, sowie deren Aufgaben: Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 11 f.; Steiner, in: Steiner, Rn. 9 ff.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
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Die für die Widmung zuständigen Straßenbaubehörden bestimmen sich nach der jeweiligen Straßenklasse. In Nordrhein-Westfalen sind demnach zuständig: — die Landschafts verbände 63 für die Bundesfernstraßen. Nach § 2 Abs. 6 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) entscheidet die oberste Landesbehörde über die Widmung. Oberste Straßenbaubehörde ist nach § 56 Abs. 1 StrWG NW der für das Straßenwesen zuständige Minister, jedoch sind die Länder nach § 22 Abs. 4 FStrG ermächtigt, die Zuständigkeit auf nachgeordnete Behörden zu übertragen. Davon hat Nordrhein-Westfalen gemäß § 5 Abs. 1 lit. b Nr. 3 LVerbO Gebrauch gemacht und die Aufgaben der Widmung von Bundesfernstraßen den Landschaftsverbänden zugewiesen64. Auf das für die Widmung gemäß § 2 Abs. 6 S. 2 FStrG erforderliche Einverständnis des Bundesministers für Verkehr hat dieser verzichtet 65 . Die Landschafts verbände sind weiterhin nach § 56 Abs. 2 lit. a StrWG NW für die Widmung der Landesstraßen zuständig, soweit nicht die Gemeinden Träger der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten sind. Nach § 56 Abs. 4 StrWG NW können die Kreise die Verwaltung und Unterhaltung der Kreisstraßen den Landschaftsverbänden gegen Ersatz der Kosten übertragen, — die Kreise gemäß § 56 Abs. 2 lit. b StrWG NW für die Kreisstraßen, soweit nicht die Gemeinden Träger der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten sind, — die Gemeinden für die Gemeindestraßen und die Ortsdurchfahrten von Landesstraßen und Kreisstraßen, soweit sie Träger der Straßenbaulast sind (§ 56 Abs. 2 lit. c StrWG NW), — sonstige Körperschaften oder Stiftungen des öffentlichen Rechts für sonstige öffentliche Straßen, sofern sie Träger der Straßenbaulast sind, ansonsten die Gemeinde (§ 56 Abs. 2 lit. d StrWG NW). aa) Die Widmung in der kommunalrechtlichen A ufgabensystematik Die zuständigen Straßenbaubehörden erfüllen die ihnen obliegenden Aufgaben in unterschiedlicher Verantwortung und Einbindung in die Staatsorganisation. Die Gemeinden und Gemeindeverbände, zu denen die Kreise und die Landschaftsverbände gehören 66, erfüllen die Aufgabe als Straßenbaubehörden entweder in 63 Zur Aufgabe und Funktion der Landschaftsverbände nach nordrhein-westfälischem Recht Erichsen, Kommunalrecht, S. 261 ff. mit weiteren Nachweisen. 64 § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Bundesfernstraßengesetzes. 65 Vgl. dazu Marschall, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 2 Anm. 7. 66 Für die Kreise bestimmt dies § 1 Abs. 2 KreisO NW. — Für die Landschaftsverbände fehlt eine gesetzliche Bestimmung. Trotzdem bezeichnet man die Landschaftsverbände überwiegend als Gemeindeverbände Ο ebbecke, Rn. 1 ff.; Salzwedel, in: Loschelder/
Salzwedel, S. 299; Wolff I Bachof II, § 90 I; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 80; Becker, § 2 Anm. 4; Wagener, § 2 Rn. 2 f.; Erichsen, Kommunalrecht, S. 264 mit weiteren Nachweisen.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
eigener Verantwortung oder unterliegen einem Weisungs- und Aufsichtsrecht nach näherer gesetzlicher Vorschrift. Bei ersterem handelt es sich um eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung, bei letzterem um Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung 67 . Auftragsangelegenheiten sind in Nordrhein-Westfalen nur noch kraft Bundesrecht möglich 68 . aaa) Gemeinden und Kreise Die verfassungsrechtlich garantierte eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 78 Abs. 1 und 2 Verf NW) unterteilt sich in freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben und Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben 69 . Bei den
freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben entscheiden die Gemeinden und Gemeindeverbände über das „ob" und das „wie" der Durchführung einer Aufgabe, bei den Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben besteht hingegen eine Pflicht zur Aufgabenerfüllung, und nur im Hinblick auf das „wie" bleibt ein Entscheidungsspielraum. § 56 Abs. 2 StrWG NW bestimmt, daß die Gemeinden und Kreise die Aufgaben der Straßenbaubehörde wahrnehmen, regelt aber nicht die Art und Weise der Aufsicht über die Aufgabenwahmehmung. Die Straßenaufsicht beschränkt sich nach § 53 StrWG NW auf eine reine Rechtsaufsicht; eine Fachaufsicht sieht das Gesetz nicht vor. Gemeinden und Kreise unterliegen also einer umfassenden Rechtsaufsicht durch die Straßenaufsichtsbehörde und sind gemäß § 56 Abs. 2 StrWG NW verpflichtet, diese Aufgaben wahrzunehmen. Es handelt sich bei der Widmung somit um eine Pflichtselbstverwaltungsaufgabe 70. bbb) Die Landschaftsverbände Die Landschaftsverbände üben zwei verschiedene Aufgaben aus, die unter dem Gesichtspunkt der Rechtsnatur der Aufgabenerfüllung zu trennen sind: zum einen widmen sie Bundesfernstraßen, zum anderen Landesstraßen. (1) Bundesfernstraßen Nach Art. 90 Abs. 2 GG verwalten die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften die Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes 71 . Dies hat zur Folge, daß die Widmung einer Bundesfernstraße eine 67
Zur strittigen Einordnung der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung vgl. Erichsen, Kommunalrecht, S. 59 f.; Schmidt-Aßmann, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 39, jeweils mit weiteren Nachweisen. 68 Erichsen, Kommunalrecht, S. 59. 69 Vgl. dazu Erichsen, Kommunalrecht, S. 57 ff. 70 Fickert, § 56 Rn. 7 f.; Ψ alprecht / Cosson, § 56 Rn. 464.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
Auftragsangelegenheit nach Maßgabe des Art. 85 GG ist. Nach § 5 Abs. 1 lit. b Nr. 3 LVerbO, der diese Aufgaben auf die Landschaftsverbände überträgt, verwalten die Landschaftsverbände die Bundesfernstraßen aber im Auftrag des Landes. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind also die Landschaftsverbände sowohl im Auftrag des Bundes als auch im Auftrag des Landes als Straßenbaubehörde für die Bundesfernstraßen tätig. Es stellt sich die Frage, wie diese eigenartige Konstellation rechtlich zu erfassen ist. Die Deutung dieses Verhältnisses als Unterauftragsverwaltung 72 verbietet sich, da nach Art. 90 Abs. 2 GG bei Einschaltung von Selbstverwaltungskörperschaften nicht die Länder, sondern die Selbstverwaltungskörperschaften Auftragsverwaltungen werden. Nach Art. 90 Abs. 2 GG verwalten entweder nur die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrag des Bundes, nicht aber beide gleichzeitig. Zwar liegt es in der Kompetenz der Länder, ob sie Selbstverwaltungskörperschaften mit der Aufgabe der Straßenbaubehörde betrauen; wenn sie diese aber damit betrauen, sind diese, und nicht die Länder, Adressaten des Bundes. Die Selbstverwaltungskörperschaften handeln dann nicht im Auftrag des Landes. Die Annahme einer Auftragsverwaltung gegenüber dem Land widerspräche im übrigen dem monistischen Aufgaben Verständnis 73 der nordrhein-westfälischen Landesverfassung. Ein solches Ergebnis ließe sich jedoch vermeiden, wenn man § 5 Abs. 1 lit. b Nr. 3 LVerbO nur als Aufgabenzuweisung und nicht als Bestimmung des Verhältnisses zwischen Land und Landschaftsverband im Hinblick auf die Art und Weise der Aufgabenerfüllung auffaßt. Dafür spricht der Wortlaut und die Systematik des § 5 LVerbO. Er weist den Landschaftsverbänden Aufgaben zu nach Maßgabe der hierzu erlassenen besonderen Vorschriften. Dies deutet darauf hin, daß es sich bei § 5 LVerbO um eine reine Kompetenzzuweisung handelt, die inhaltliche Ausgestaltung der Aufgabenerfüllung also nicht in § 5 LVerbO, sondern anderweitig geregelt ist. (2) Landesstraßen Gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 StrWG NW sind die Landschaftsverbände auch für die Widmung der Landesstraßen zuständig, soweit nicht die Gemeinden Träger der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten sind. Dabei besteht nach § 56 Abs. 3 StrWG NW eine Bindung an die im Landesstraßenausbaugesetz aufgestellten 71 Zu Art. 90 Abs. 2 GG Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 90 Rn. 24 ff. 72 In diese Richtung Hoog, in: v. Münch, Art. 90 Rn. 6: „Die Selbstverwaltungskörperschaften verwalten also nicht direkt im Aufrag des Bundes, sondern im Auftrag des Landes die B-Straßen des Femverkehrs." Eine Unterauftragsverwaltung nimmt ebenso Wolst, S. 55, an. Dagegen aber Oebbecke, Rn. 279. 73 Dazu Erichsen, Kommunalrecht, S. 58 f. mit weiteren Nachweisen.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
Pläne und Bauprogramme. Im Rahmen dieser Bindung hat der für das Straßenwesen zuständige Minister ein Unterrichtungs- und Weisungsrecht 74; gemäß § 37 Abs. 6 StrWG NW obliegt ihm die Genehmigung der Planung. Angesichts dieser Einwirkungsmöglichkeiten ist umstritten, ob es sich bei der Verwaltung und Unterhaltung der Landesstraßen durch die Landschaftsverbände um eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung 75 oder um eine Pflichtselbstverwaltungsaufgabe 76 handelt. Die Beantwortung der Frage nach der rechtlichen Qualifikation hängt von dem Umfang der Bindung der Landschaftsverbände an die Planungen des Landes ab. Eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung liegt nur dann vor, wenn die Landschaftsverbände den Weisungen des zuständigen Ministers für das Straßenwesen unterworfen sind. Weisungen77 haben verpflichtenden Charakter und zwingen die nachgeordnete Behörde zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen. Ein solches Weisungsrecht hat der für das Straßenwesen zuständige Minister. Sein Weisungsrecht erstreckt sich auf die Durchsetzung der fachplanerischen Vorgaben. Auch wenn ihm damit nicht die Möglichkeit gegeben ist, in Detailplanungen einzugreifen, ändert dies nichts an der Qualifizierung der Aufgabe der Landschaftsverbände als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Das Weisungsrecht bei Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung braucht nicht notwendigerweise das gesamte Aufgabengebiet zu erfassen 78. Die Aufsicht durch den für das Straßenwesen zuständigen Minister beschränkt sich nicht auf eine bloße Rechtsaufsicht. So kann beispielsweise ein Landschaftsverband angewiesen werden, eine in eine spätere Dringlichkeit eingestufte Straßenplanung vorzuziehen, weil das Straßennetz etwa im Zusammenhang mit der Errichtung eines Großunternehmens den Bau der Straße erfordert 79. Diese Möglichkeiten des für das Straßenwesen zuständigen Ministers sprechen für die Qualifizierung als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung. Im Ergebnis läßt sich festhalten: Die Gemeinden und Kreise erfüllen ihre Aufgaben als Straßenbaubehörden als Pflichtselbstverwaltungsaufgabe, die Landschaftsverbände hingegen als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung im Hinblick auf die Landesstraßen, als Bundesauftragsangelegenheiten im Hinblick auf die Bundesfernstraßen. Die Widmung ist also Pflichtselbstverwaltungsaufgabe, Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung und Auftragsangelegenheit, je nachdem um welchen Straßentyp es geht. 74 Fickert, § 56 Rn. 14 f.; Ψ alprecht / Cosson, § 56 Rn. 464. 75 Salzwedel, in: Loschelder / Salzwedel, S. 299; Oebbecke, Rn. 279; Ψ alprecht / Cosson, § 56 Rn. 464; Fritsch / Golz / Wicher, § 56 Anm. 3. 76 Naunin, in: Loschelder / Salzwedel, S. 427; Becker, § 5 Anm. 5.2.1; Fickert, § 56 Rn. 8 f. 77 Zum Inhalt des Begriffs „Weisung" Lerche, in: Maunz / Dürig, Art. 85 Rn. 49 ff. 78 Schmidt-Aßmann, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 38; Seewald, in: Steiner, Rn. 115 f. 79 So Fickert, § 56 Rn. 15.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
bb) Die organisationsrechtliche für die Widmung
Zuständigkeit
Die Einordnung der Widmung in die kommunalrechtliche Aufgabensystematik trifft noch keine Aussage über die organisationsrechtliche Zuständigkeit für die Widmungsverfügung. Welches Organ der Gemeinde, des Kreises oder des Landschaftsverbandes über die Widmung entscheidet, ergibt sich aus der Gemeinde-, der Kreis- und der Landschaftsverbandsordnung. aaa) Die Gemeinde Nach § 28 Abs. 1 S. 1 GO NW ist der Rat der Gemeinde für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig, soweit die Gemeindeordnung nichts anderes bestimmt; es gilt das Prinzip der Allzuständigkeit des Gemeinderates 80. Der Rat muß aber nicht über alle Angelegenheiten selbst entscheiden, sondern er hat mit Ausnahme der in § 28 Abs. 1 S. 2 GO NW aufgeführten Angelegenheiten die Möglichkeit der Delegation auf Bezirksvertretungen, Ausschüsse oder den Gemeindedirektor. § 28 Abs. 3 GO NW fingiert dabei die Delegation an den Gemeindedirektor für einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung. Einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung gelten im Namen des Rates als auf den Gemeindedirektor übertragen. Allerdings hat der Rat, genauso wie bei der gewillkürten Delegation nach § 28 Abs. 2 GO NW, ein Rückholrecht. Er kann sich für einen bestimmten Kreis von Geschäften oder für einen Einzelfall die Entscheidung vorbehalten. Wem die Zuständigkeit im Innenverhältnis für die Widmung obliegt, ob dem Gemeinderat oder dem Gemeindedirektor, ist in der Literatur und der Rechtsprechung umstritten. Nach einer Ansicht 81 ergibt sich aus § 28 Abs. 1 S. 2 lit. m GO NW die Zuständigkeit des Rates für die Widmung einer Straße. § 28 Abs. 1 S. 2 lit. m GO NW verbietet dem Rat, die Entscheidung über die Umwandlung der Rechtsform von öffentlichen Einrichtungen zu übertragen. Nach § 28 Abs. 1 S. 2 lit. 1 GO NW gilt dies auch für die Entscheidung, öffentliche Einrichtungen zu übernehmen, zu erweitern, einzuschränken und aufzulösen. Damit diese Norm aber Anwendung findet, müßte es sich bei Gemeindestraßen um öffentliche Einrichtungen im Sinne des Kommunalrechts handeln. 'Die Unrichtigkeit einer solchen Zuordnung ergibt sich aber bereits aus § 18 Abs. 2 GO N W 8 2 . Nach § 18 Abs. 2 GO NW sind alle Einwohner einer Gemeinde im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Sieht man in der Gemeindestraße eine öffentliche Einrichtung 83 , so hätte dies so Zu dem Prinzip der Allzuständigkeit des Rates und dem dahinterstehenden Prinzip der monistischen Gemeindeverfassung Erichsen, Kommunalrecht, S. 89 ff. si Walprecht / Cosson, § 6 Rn. 43. 82 Zum Begriff der öffentlichen Einrichtung unten C. I. 83 So das OVG Lüneburg, OVGE 26, 327 ff.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
zur Konsequenz, daß nur Einwohner gemäß § 18 Abs. 2 GO NW zur Nutzung der Straße gesetzlich berechtigt wären. Gemeindestraßen sind aber Straßen, die jedermann zur Benutzung offenstehen. Zwar dienen sie gemäß der in § 3 Abs. 4 StrWG NW getroffenen Einteilung vorwiegend dem Verkehr und der Erschließung des Gemeindegebietes, dies bedeutet aber nicht eine Beschränkung des Nutzungsanspruchs auf Einwohner der Gemeinde. Schon diese systematische Auslegung zeigt die Unrichtigkeit der Einordnung als öffentliche Einrichtung. Daher kann sich die Zuständigkeit des Rates nicht aus § 28 Abs. 1 S. 2 lit. 1, m GO NW ergeben. Teilweise wird angenommen84, die Widmung stelle ein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne des § 28 Abs. 3 GO NW dar, die Zuständigkeit läge damit beim Gemeindedirektor. Als einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung bezeichnet man solche, die regelmäßig wiederkehren und zugleich nach Größe und Umfang der Verwaltungstätigkeit sowie der Finanzkraft der Gemeinde von untergeordneter Bedeutung sind 85 . Maßgeblich kommt es darauf an, ob die Geschäfte nach feststehenden Grundsätzen entschieden werden können, es sich um „Routineaufgaben" handelt. Daneben entscheidet auch die politische Bedeutung über den Charakter als einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung. Letztlich kommt es aber für die Entscheidung auf die konkret betroffene Rechtsmaterie an. Beispiele für einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung sind unter anderem die Ausstellung von Personalausweisen und Jagd- sowie Fischereischeinen oder die Beschaffung von Schreib- und Büromaterial in geringem Umfang 86 . Die Verfügung der Widmung hat aber gerade erhebliche Bedeutung für die Gemeinde. Sie bestimmt die Straßenbaulast der Gemeinde und legt damit Kosten für die Gemeinde fest. Außerdem wird durch die Widmung der Zeitpunkt festgelegt, in dem die Straße zu einer beitragsfähigen Erschließungsanlage (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) wird. Hinzu kommt, daß mit der Widmung die Gemeinde die ihr als Straßenbaubehörde zufallenden Aufgaben übernehmen muß, beispielsweise die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen. Die kurze Aufzählung zeigt schon die erheblichen Auswirkungen der Widmung auf die Finanzkraft der Gemeinde. Daneben lehrt die Praxis, daß die Widmung einer Straße sehr oft auch von politischer Brisanz ist 87 . Die Entscheidung über Umfang und Inhalt der 84 So das OVG Münster, Eildienst LKT NW 1986, S. 292. Zwar betrifft dieses Urteil primär die Frage, ob die Teileinziehung ein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung ist, jedoch befaßt es sich auch mit der Widmung. Dort heißt es, daß die Teileinziehung zu einem Kreis von Verwaltungsgeschäften — ebenso wie die Widmung, die Umstufung oder die Entscheidung über Sondernutzungen — gehöre, die grundsätzlich zu den einfachen Geschäften der laufenden Verwaltung zu rechnen sei. 85 J. Rauball, in: Rauball, §28 Rn. 30; Erichsen, Kommunalrecht, S. 96; Rehn J Cronauge, § 28 Anm. 4; Seewald, in: Steiner, Rn. 203; OVG Münster, OVGE 25, 186 (193). 86 Beispiele bei Erichsen, Kommunalrecht, S. 96. 87 Als Beispiel sei nur auf die in fast jeder Stadt stattfindende Diskussion um die Einrichtung von Fußgängerbereichen verwiesen. Dazu Löwer, SKV 1976, S. 327 ff.; Peine, S. 79 ff.; Steiner, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 605 ff.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
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Widmung bemißt sich auch nicht nach feststehenden Grundsätzen, sondern nach den konkreten Gegebenheiten im Einzelfall. Etwas anderes gilt dann, wenn der Gemeinderat beispielsweise im Rahmen eines Bebauungsplanes die Funktion einer Straße als Verkehrsfläche genau festsetzt und die Straße dementsprechend gebaut wird. Weicht die Widmung von diesen Vorgaben nicht ab, so kann sie als einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung der Gemeindedirektor verfügen. Aber selbst in diesem Fall steht noch immer der Zeitpunkt offen, zu dem die Widmung verfügt werden soll und damit die gesetzlichen Folgen eintreten. Dies wird schon meist einer Einordnung der Widmung als einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung selbst bei planungsrechtlichen Vorgaben durch den Rat entgegenstehen88. In den allermeisten Fällen stellt die Widmung einer Straße also kein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung gemäß § 28 Abs. 3 GO NW dar. Die Entscheidung über die Widmung obliegt dem Rat, dem es aber möglich ist, gemäß § 28 Abs. 2 GO NW diese auf Bezirksvertretungen, Ausschüsse oder den Gemeindedirektor zu delegieren, da es sich bei der Widmung um keine in der ausschließlichen Zuständigkeit des Rates nach § 28 Abs. 1 S. 2 GO NW stehende Aufgabe handelt. bbb) Der Kreis Gemäß § 6 KreisO NW liegt die Verwaltung des Kreises bei dem Kreistag, dem Kreisausschuß und dem Oberkreisdirektor. Im Unterschied zur monistischen Konstruktion der Gemeindeordnung kennt die Kreisordnung keine Allzuständigkeit des Kreistages 89. Allen drei Organen sind eigene Zuständigkeiten zugewiesen. Nach § 20 Abs. 1 S. 2 KreisO NW ist der Kreistag für einen näher bezeichneten Bereich von Aufgaben, der in vielen Fällen dem des § 28 Abs. 1 S. 2 GO NW entspricht, zuständig. § 20 Abs. 1 S. 2 lit. m, η KreisO NW können daher ebenso wenig wie § 28 Abs. 1 S. 2 lit. 1, m GO NW die Zuständigkeit des Kreistages für die Widmung begründen. § 20 Abs. 1 S. 1 KreisO NW normiert ein Zugriffsrecht des Kreistages auf alle Angelegenheiten, die ihrer Bedeutung nach einer Entscheidung des Kreistages bedürfen oder die er sich zur Entscheidung vorbehalten hat. Beschränkt wird das Zugriffsrecht des Kreises durch den Vorbehalt anderweitiger gesetzlicher Verteilung der Aufgaben, etwa § 37 lit. a KreisO N W 9 0 . Gemäß § 37 lit. a KreisO NW obliegt dem Oberkreisdirektor die Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung. Es lassen sich zwei Unterschiede zur Zuständigkeit des Gemeindedirektors nach § 28 Abs. 3 GO NW feststellen: zum einen wird in § 37 lit. a KreisO NW es Zu weitgehend deshalb die Ansicht von Fickert, § 6 Rn. 30 f., der in diesen Fällen ein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung annehmen wll, letztlich doch aber auf den Einzelfall abstellt. 89 Erichsen, Kommunalrecht, S. 112. 90 Roland Kirchhof, § 20 Anm. 5; Oebbecke, Rn. 204; Wagener, § 20 Rn. 8; Erichsen, Kommunalrecht, S. 112 f.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
keine Delegation fingiert, zum anderen beschränkt sich der Tätigkeitsbereich des Oberkreisdirektors nicht nur auf einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung. Diese Unterschiede führen aber hinsichtlich der Widmung nicht zu einem anderen Ergebnis als in der Gemeindeordnung; es gilt für die Zuständigkeit des Oberkreisdirektors das gleiche wie für den Gemeindedirektor nach § 28 Abs. 3 GO NW. Trotz des unterschiedlichen Wortlautes versteht man nämlich unter den laufenden Geschäften der Verwaltung das gleiche wie unter den einfachen Geschäften in § 28 Abs. 3 GO N W 9 1 , was unter anderem daran deutlich wird, daß in der Literatur die Erläuterungen zu dem, was ein „einfaches" bzw. ein „laufendes" Geschäft der Verwaltung charakterisiert, sich im Wortlaut gleichen und oftmals ausgetauscht werden 92 . Laufende Geschäfte der Verwaltung sind solche, die sich nach feststehenden Grundsätzen auf „eingefahrenen Geleisen" erledigen lassen93. Daher gilt das im Zusammenhang mit § 28 Abs. 3 GO NW Gesagte; die Widmung stellt in der Regel kein laufendes Geschäft der Verwaltung dar. Nach § 34 Abs. 1 KreisO NW beschließt der Kreisausschuß über alle Angelegenheiten, soweit sie nicht dem Kreistag vorbehalten sind oder soweit es sich nicht um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt. Dem Kreisausschuß kommt damit eine Auffangzuständigkeit zu 9 4 . Hat der Kreistag sich also die Entscheidung über die Widmung nicht vorbehalten, obliegt sie dem Kreisausschuß. ccc) Die Landschaftsverbände Die Landschaftsverbandsordnung nennt als Organe des Landschaftsverbandes die Landschaftsversammlung, den Landschaftsausschuß sowie den Direktor des Landschaftsverbandes. Im Gegensatz zum Kreistag hat die Landschaftsversammlung weniger Zuständigkeiten, was sich schon aus dem Vergleich des Umfangs der Zuständigkeiten in § 7 Abs. 1 LVerbO mit § 20 Abs. 1 S. 2 KreisO NW ergibt. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 LVerbO entscheidet der Landschaftsausschuß über alle nicht der Landschaftsversammlung vorbehaltenen Aufgaben, soweit es sich nicht um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt. Letztere obliegen nach §17 Abs. 1 lit. c LVerbO dem Direktor des Landschafts Verbandes. Hinsichtlich der Widmung als laufendem Geschäft der Verwaltung kann auf das bereits oben Gesagte verwiesen werden. „Laufende Geschäfte der Verwaltung" entspricht inhaltlich den Formulierungen in § 28 Abs. 3 GO NW und in § 37 lit. a KreisO N W 9 5 . Die Entscheidung über die Widmung liegt damit nicht 91 Roland Kirchhof, § 37 Anm. 3; Erichsen, Kommunalrecht, S. 114 f.; anderer Ansicht Ο ebbecke, Rn. 235: „die dabei angelegten Maßstäbe sind beim Oberkreisdirektor weniger streng als beim Gemeindedirektor." 92 Schmidt-Aßmann, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 74. 93 OVG Münster, OVGE 10, 311 (312). 94 Roland Kirchhof, § 34 Anm. 2; Erichsen, Kommunalrecht, S. 113. 95 Becker, § 17 Rn. 2.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
in der Zuständigkeit des Direktors des Landschaftsverbandes. Da diese Kompetenz auch nicht nach § 7 Abs. 1 LVerbO der Landschaftsversammlung zugewiesen ist, liegt sie in der Zuständigkeit des Landschaftsausschusses, der eine Auffangzuständigkeit 96 hat. Gemäß § 7 Abs. 2 LVerbO kann sich die Landschaftsversammlung aber die Beratung und Entscheidung über Angelegenheiten, für die der Landschaftsverband zuständig ist, vorbehalten. Über die straßenrechtliche Widmung entscheidet somit für die Gemeinde regelmäßig der Rat der Gemeinde, für den Kreis der Kreisausschuß und für den Landschaftsverband der Landschaftsausschuß. Verfügt wird die Widmung als Verwaltungsakt vom Gemeindedirektor, vom Oberkreisdirektor und dem Direktor des Landschaftsverbandes.
d) Die Widmung als mehrstufiger und mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt Die Widmung verfügt die Straßenbaubehörde. In bestimmten Fällen bedarf es dazu der Zustimmung durch den Straßenbaulastträger und den Eigentümer des Straßengrundes. Gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW muß der Träger der Straßenbaulast der Widmung zustimmen, falls die Straßenbaubehörde nicht Organ des Straßenbaulastträgers ist 97 . Nach § 6 Abs. 5 StrWG NW muß der vom Straßenbaulastträger verschiedene Eigentümer oder dinglich Berechtigte des Straßengrundes der Widmung zustimmen. Handelt es sich um die Zustimmung eines anderen Verwaltungsträgers, so spricht man von einem mehrstufigen Verwaltungsakt; stimmt hingegen ein Bürger der Widmung zu, so liegt ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt vor 9 8 . aa) § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW Hinsichtlich der Zustimmung des Straßenbaulastträges gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW sind zwei Konstellationen scharf zu trennen: Zum einen kann der Straßenbaulastträger ein anderer Verwaltungsträger sein, zum anderen kommt 96 Erichsen, Kommunalrecht, S. 271. 97 Zu den möglichen Fallkonstellationen nach nordrhein-westfälischem Recht: Fickert, § 6 Rn. 10 ff.; zu den Fallkonstellationen nach bayerischem Recht: Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 45. 98 Ist ein Verwaltungsakt von der Mitwirkung eines Bürgers abhängig, spricht man meist von einem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt. — Der Begriff des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts ist für diese Konstellation heute allgemein gebräuchlich, teilweise werden aber auch als Bezeichnung die Begriffe „Verwaltungsakt auf Unterwerfung" oder „zweiseitiger Verwaltungsakt" genannt. Vgl. dazu Ferdinand Kirchhof, DVB1 1985, S. 651 ff. Hängt der Verwaltungsakt von der internen Zustimmung einer anderen Behörde ab, spricht man von einem mehrstufigen Verwaltungsakt. Vgl. dazu Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 35 Rn. 98 ff.; Erichsen, in: Erichsen / Martens, § 11 Rn. 40.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
es aber auch vor, daß eine juristische Person bürgerlichen Rechts, etwa eine Wohnungsbaugesellschaft für eine Erschließungsstraße, Träger der Straßenbaulast sein soll". Obliegt die Straßenbaulast einem anderen Verwaltungsträger, so handelt es sich bei der Zustimmung zur Widmung durch die Straßenbaubehörde mangels unmittelbarer Rechtswirkung im Verhältnis zum Bürger nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine verwaltungsinteme Erklärung. Die rechtliche Behandlung dieser Zustimmung richtet sich nach öffentlichem Recht; bürgerlich-rechtliche Vorschriften sind auf das Verhältnis von Straßenbaubehörde und Straßenbaulastträger grundsätzlich nicht anwendbar. Daher tritt eine Bindung der zustimmenden Behörde nicht bereits mit Zugang nach § 130 BGB ein, sondern erst dann, wenn die Straßenbaubehörde die Widmung verfügt 100 . Für die frühe Bindung bereits mit Zugang besteht im Verhältnis zwischen zwei Verwaltungsträgern kein Bedürfnis, da Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht greifen. Zustimmung im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW meint primär die Einwilligung, d. h. die vorherige Zustimmung. Wird die Zustimmung erst nach Verfügung der Widmung erteilt, liegt keine Genehmigung nach § 184 BGB, sondern die Heilung eines Verfahrensfehlers nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG vor. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG ist die Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften unbeachtlich, wenn die erforderliche fehlende Zustimmung bis zum Abschluß des Vorverfahrens oder, falls ein solches nicht stattfindet, bis zur Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage (§ 45 Abs. 2 VwVfG) nachgeholt wird. Unanwendbar sind schließlich auch die Regelungen über die Anfechtung einer Willenserklärung (§§ 119 ff. BGB). Gelingt es nicht, ein Einvernehmen zwischen Straßenbaubehörde und Straßenbaulastträger zu erzielen, entscheidet die Straßenaufsichtsbehörde letztverbindlich über den Inhalt der Zustimmung. bb) § 6 Abs. 5 StrWG NW Nach § 6 Abs. 5 StrWG NW setzt die Widmung, falls der Straßenbaulastträger nicht Eigentümer des Straßengrundes ist oder die Verfügungsbefugnis durch Vertrag oder Besitzeinweisung gemäß §§ 37, 38 EEG N W 1 0 1 erlangt hat, die Zustimmung des Eigentümers und eines sonst zur Nutzung dinglich Berechtigten voraus. Bei der Zustimmung handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, da sie auf eine öffentlich-rechtliche Rechtsfolge, nämlich die Wid99
Zu dem Fall, daß eine juristische Person bürgerlichen Rechts Straßenbaulastträger ist Fickert, §6 Rn. 11. 100 Anderer Ansicht: Sieder / Zeitler, § 6 Rn. 25. für eine Bindung der zustimmenden Behörde erst mit Erlaß des Verwaltungsakts Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 35 Rn. 109. »oi Durch das Gesetz über Enteignung und Entschädigung für das Land NordrheinWestfalen (Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz — EEG NW) vom 20. 6. 1989 (GVB1 NW S. 366), das zum 1. 1. 1990 in Kraft trat, wurde § 41 StrWG NW aufgehoben.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
mung, gerichtet ist 1 0 2 . Die Zustimmung wird wirksam mit Zugang, es gilt § 130 BGB 1 0 3 . Ein Widerruf der Zustimmung ist entsprechend § 183 BGB nur bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts, bis zur Verfügung der Widmung, zulässig 104 , da für eine frühere Bindung bereits vor der Widmung keine Gründe ersichtlich sind, die eine Abweichung von der in § 183 BGB getroffenen Regelung rechtfertigen. Nach der Widmung ist die Zustimmung unwiderruflich. Die Zustimmung ist nicht grundsätzlich bedingungsfeindlich 105. Eine in der Zustimmung enthaltene Befristung oder aufschiebende Bedingung widerspricht nicht der Natur der Widmung, denn die Straßenbaubehörde weiß, worauf sie sich bei der Widmung einläßt. Anderes gilt hingegen wegen der damit verbundenen Ungewißheit für eine auflösende Bedingung. Im Unterschied zu § 6 Abs. 2 S. 2 StrWG NW muß vom Wortlaut des § 6 Abs. 5 StrWG NW her die Zustimmung nicht schriftlich erfolgen. Ein sachlicher Grund dafür ist nicht ersichtlich, im Gegenteil: Wegen der von der Rechtsprechung 106 an die Zustimmungserklärung gestellten hohen Anforderungen im Hinblick auf die Eindeutigkeit und Bestimmtheit der Erklärung ist es für die zuständige Behörde geradezu ein „Muß", diese sich schriftlich erklären zu lassen. Eine konkludente Zustimmungserklärung wird oftmals zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen; eine Unzulässigkeit der konkludenten Zustimmung 107 läßt sich jedoch daraus nicht herleiten. aaa) Der Zustimmende Neben dem Eigentümer muß der „sonst zur Nutzung dinglich Berechtigte" zustimmen. Nach allgemeiner Ansicht sind dinglich Berechtigte die Inhaber eines Nießbrauchs oder Erbbaurechts, nicht hingegen die Inhaber von Sicherungsrechten wie Hypothek, Grund- oder Rentenschuld108. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Der Berechtigte eines Sicherungsund Verwertungsrechts muß ebenfalls der Widmung zustimmen. Beschränkt dingliche Rechte lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
102 Überwiegende Ansicht Heiß / Hablitzel, DVB1 1976, S. 93; Ziegler, DVB1 1976, S. 91; Middel, S. 30; Nedden, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 73; Sieder I Zeitler, Art. 6 Rn. 19; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 47 f.; anderer Ansicht Zippelius, DÖV 1958 S. 844; Prandi I Gillessen, Art. 6 Anm. 4. loa Heiß ! Hablitzel, DVB1 1976, S. 96. 104 Anderer Ansicht Fickert, § 6 Rn. 24. — Zu dem Problem Bindung und Widerruf Kluth, NVwZ 1990, S. 612 f. mit weiteren Nachweisen. los So aber Fickert, § 6 Rn. 24; anderer Ansicht Sieder ! Zeitler, § 6 Rn. 20. 106 BayVerfGH, NJW 1985, S. 478 f.; vgl. auch Sauthoff, NVwZ 1990, S. 223. i°7 Die schlüssige Zustimmung kann beispielsweise im Abschluß eines Erschließungsvertrages liegen OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 225 f. los Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 386; Marschall, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 2 Anm. 2.2; Kodal / Krämer, Kap. 7 Rn. 11; Hengst, § 6 Anm. 6; vgl. auch OVG Lüneburg, NJW 1970, S. 75 ff.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
— Nutzungsrechte wie der Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), die Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB) und die beschränkt persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB), — Verwertungs- und Sicherungsrechte wie die Hypothek (§§ 1113 ff. BGB), die Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) und die Reallast, — Erwerbsrechte wie das Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff. BGB) 1 0 9 und die Vormerkung 1 1 0 . Die Nutzungsrechte räumen den Berechtigten die Befugnis zur Nutzung des Grundstücks in einem bestimmten Umfang, beim Nießbrauch in vollem Umfang ein. Durch die mit der Widmung verbundene öffentliche Sachherrschaft wird es in vielen Fällen zu Nutzungskonflikten zwischen dem öffentlichen Sachherrn und dem Nutzungsberechtigten kommen. Sofern dessen Nutzungsmöglichkeiten durch die Widmung auch nur zeitweilig beeinträchtigt werden bzw. werden können, muß er der Widmung zustimmen. Für die Entscheidung, ob dies erforderlich ist, muß also auf den Einzelfall abgestellt werden. Im Zweifelsfall ist dabei von einer Zustimmungspflicht wegen der einschneidenden Konsequenzen der Widmung auszugehen. Verwertungs- bzw. Sicherungsrechte ermöglichen dem Berechtigten zwar nicht, das Grundstück unmittelbar zu nutzen, geben ihm aber die Möglichkeit, es zu verwerten und dadurch eine bestimmte Geldsumme zu erlangen. Es handelt sich also um ein Recht auf Leistung einer Geldsumme aus dem Grundstück und damit um eine mittelbare Nutzung des Grundstücks, nämlich des Grundstückswerts. Der Wert des Grundstücks wird durch die Widmung des Grundstücks als Straße gemindert, der zu erzielende Verkaufspreis sinkt. Das Verwertungsrecht bzw. Sicherungsrecht verliert an Wert dadurch, daß die Nutzung des Grundstücks durch die Widmung eingeschränkt wird und eine bestimmte Nutzung (zum Verkehr) vorgesehen ist. Deshalb ist auch der Berechtigte eines Verwertungs- oder Sicherungsrechts entgegen der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht ein „zur Nutzung dinglich Berechtigter" im Sinne des § 6 Abs. 5 StrWG NW. Die Widmung setzt seine Zustimmung voraus. Der Berechtigte eines Erwerbsrechts hat unter bestimmten Voraussetzungen die Befugnis, das Eigentum an einem Grundstück zu erwerben. Durch die Belastung des Grundstücks mit der auf der Widmung beruhenden öffentlichen Sachherrschaft erhält das Erwerbsrecht einen anderen Inhalt als vereinbart. Dadurch wird aber die Nutzung des Grundstücks für den Erwerber erst zukünftig beeinträchtigt. Der Erwerber kann im Falle eines Vorkaufsrechts noch entscheiden, ob er sein Recht trotz der verfügten Widmung ausüben will. Zwar kann er 109 Die Qualifizierung des Vorkaufsrechts als dingliches Recht ist umstritten. Vgl. dazu: Bassenge, in: Palandt, vor § 1094 Anm. 1; Stürner, in: Soergel, vor § 1004 Rn. 2. ι io Die Einordnung der Vormerkung als dingliches Recht ist umstritten. Vgl. Bassenge, in: Palandt, § 883 Rn. 2; Schwab / Prütting, § 50 VIII 3.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
aufgrund der Widmung das Grundstück eventuell nicht mehr in der vorgesehenen Art und Weise nutzen; die Zustimmungspflicht soll aber nicht bloß zukünftige, noch nicht konkrete Nutzungsabsichten sichern. Daher braucht der Berechtigte eines Erwerbsrechts der Widmung nicht zuzustimmen.
bbb) Die Folgen einer fehlerhaften bzw. fehlenden Zustimmung Vor allem in der Literatur sind die Rechtsfolgen einer fehlerhaften oder sogar fehlenden Zustimmung heftig umstritten. Während eine Ansicht in diesen Fällen von der Nichtigkeit der Widmung ausgeht111, hält die überwiegende Meinung die Widmung ohne Zustimmung nur für rechtswidrig und damit anfechtbar 112. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit wird teilweise aus dem Verhältnis von Zustimmung und Widmungsverfügung hergeleitet. Die Widmung sei ein zweiseitiger Verwaltungsakt, der, wenn die Zustimmung fehle, schon dem äußeren Tatbestand nach nicht zustande gekommen sei 113 . Widmung und Zustimmung bilden danach einen Gesamtakt, der beim Fehlen eines Teilaktes nicht zustande kommt. Dieses Verständnis knüpft an die Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts an, das für die Entstehung einer öffentlichen Straße die Widmung des Wegeeigentümers, des Wegeunterhaltspflichtigen und der Wegepolizeibehörde verlangte 114 . Fehlte eine Zustimmung der Berechtigten, so entstand mangels wirksamer Widmung kein öffentlicher Weg. Diese Konstruktion läßt sich heute jedoch nicht mehr vertreten. Der Wortlaut des § 6 Abs. 5 StrWG NW qualifiziert die Zustimmung als Voraussetzung für die Widmung. Sie ist damit kein Bestandteil der Widmung, sondern Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Ob die Rechtswidrigkeit der Widmung zur Nichtigkeit oder bloß zur Anfechtbarkeit führt, beurteilt sich nach den Fehlerregelungen der §§44 ff. VwVfG. Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Nach dem vorrangig zu prüfenden § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG folgt die Nichtigkeit aber nicht bereits aus der fehlenden Mitwirkung einer anderen Behörde. Aus § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG schließt eine Ansicht 115 , daß die fehlende oder fehlerhafte Zustimmung nur die 111
Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 46 Rn. 8; Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 386; Zippelius, DÖV 1958, S. 845; Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 31 ff. mit weiteren Nachweisen. 112 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 49 f.; Wolff / Bachof, I, §56 IVa 2; PappermannILohrI Andriske, S. 30 ff.; Schallenberg, S. 71; Marschall, in: Marschall/ Schroeter/Kastner, § 2 Anm. 2.3; Erbguth / Becker, S. 16; Gerhardt, § 5 Rn. 4; Böhm, § 4 Anm. 4; BGH, NJW 1967, S. 2309 f.; BayObLG, BayVBl 1971, S. 196. h 3 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 46 Rn. 8. 114 Siehe oben A. III. 1. b). 115 Pappermann / Lohr / Andriske, S. 31. 6 Axer
Β. Die Widmung im Straßenrecht
Anfechtbarkeit der Widmung zur Konsequenz hat. Damit setzt man die mangelnde Mitwirkung eines privaten Dritten der mangelnden behördlichen Mitwirkung gleich, was aber dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik widerspricht. Der Katalog von Rechtsverstößen in § 44 Abs. 3 VwVfG enthält keine Regelung über die fehlende Mitwirkung Privater. Dieser Fall kann nicht den dort genannten Verstößen über die fehlende Mitwirkung eines Verwaltungsträgers gleichgestellt werden. Damit ist aber noch keine Entscheidung über die Nichtigkeit der Widmung bei mangelnder Zustimmung gefallen. Dies beurteilt sich vielmehr nach § 44 Abs. 1 VwVfG, mit dem der Gesetzgeber die vorher herrschende Evidenztheorie in das Verwaltungsverfahrensgesetz übernahm 116. Nichtig sind danach nur Verwaltungsakte, die an besonders schweren formellen und materiellen Fehlern leiden. Der Verstoß gegen die Rechtsordnung muß von erheblichem Gewicht und einiger Bedeutung sein; er muß schlechthin unerträglich sein 117 . Ob von einem solch schwerwiegenden Fehler bei mangelnder Zustimmung eines Dritten gesprochen werden kann, ist umstritten. Die Vorschläge reichen von Anfechtbarkeit 1 1 8 über schwebende Unwirksamkeit 119 bis hin zur Nichtigkeit 120 des Verwaltungsaktes. Die Vielfalt der vertretenen Ansichten zeigt, daß eine Lösung nicht abstrakt, sondern nur vor dem Hintergrund der konkreten Konstellation, der in Frage stehenden Zustimmungserklärung, getroffen werden kann. Die Zustimmung des Eigentümers oder sonst eines zur Nutzung dinglich Berechtigten ersetzt die für die Widmung erforderliche Verfügungsbefugnis. Fehlt die Zustimmung, so verfügt die Straßenbaubehörde die Widmung ohne entsprechende Verfügungsbefugnis und greift damit in die dem Eigentümer zustehenden Befugnisse ein. Die Widmung wird somit zum Eingriffsakt. Durch die mit der Widmung verbundene öffentliche Sachherrschaft kommt es zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Eigentums. Es handelt sich bei der Widmung um eine Verfügung über das Eigentum des Grundstücksinhabers 121. Die Widmung verpflichtet ihn zur Duldung einer Straße und des damit verbundenen Straßenverkehrs auf seinem Grundstück. Erfolgt die Widmung ohne seine Zustimmung, so leidet die Widmung aufgrund der damit verbundenen weitreichenden Folgen für den Eigentümer an einem besonders schwerwiegenden Fehler, der zur Nichtigkeit
Π6 Vgl. dazu Stelkens ! Sachs, in: Stelkens / Βonk / Leonhardt, §44 Rn. 50; Klappstein, in: Knack, § 44 Anm. 3.1. 117 Maurer, § 10 Rn. 31 ff.; Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 5 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen. us Ferdinand Kirchhof, DVB1 1985, S. 659; Weides, JuS 1985, S. 369 f.; Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 15. 119 Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 44 Rn. 12; Achterberg, § 14 Rn. 11 ; Wolff /Bachof, I, §48 II. 120 Erichsen, in: Erichsen / Martens, § 41 Rn. 37; Ule / Laubinger, § 57 IV C. 121 BGH, NJW 1987, S. 3177 f.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
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nach § 44 Abs. 1 VwVfG führt 122 . Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob die Straßenbaubehörde die Widmung gut- oder bösgläubig verfügte, ob sie Kenntnis von der fehlenden Zustimmung besaß oder nicht 123 . Die Annahme der Nichtigkeit der Widmung führt auch nicht zu unpraktischen Ergebnissen. Der Gefahr, daß der Eigentümer die Straße sperrt und statt dessen etwa „Getreide" auf dieser Fläche „anbaut" 124 , kann beispielsweise durch ein sofortiges Besitzeinweisungsverfahren oder, wenn die öffentliche Sicherheit die Straßenbenutzung erfordert, durch den Erlaß einer Inanspruchnahmeverfügung gegen den Eigentümer als Nichtstörer begegnet werden 125 . Bei vorhandener, aber fehlerhafter Zustimmung oder bei angefochtener Zustimmungserklärung 1 2 6 kommt es hingegen auf den Einzelfall, auf den Grund für die Fehlerhaftigkeit der Zustimmung an. Weder kann die fehlerhafte Widmung pauschal als nichtig, noch kann sie allgemein als „nur" rechtswidrig angesehen werden. Im Zweifelsfall spricht jedoch einiges dafür, auch im Falle der fehlerhaften Zustimmung wegen der mit der Widmung verbundenen Folgen für den Eigentümer die Nichtigkeit der Widmung anzunehmen. Bei der fehlerhaften liegt genauso wie bei der fehlenden Zustimmung zur Widmung keine Verfügungsbefugnis der Straßenbaubehörde vor.
e) Das Verfahren der Widmung Als Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG) richtet sich das Verfahren der Widmung sowohl nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz als auch nach dem Straßen- und Wegegesetz. Die Widmung steht somit an der Schnittstelle zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und Straßenrecht, woraus einige Besonderheiten resultieren.
122 Dagegen spricht auch nicht, daß § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG eine Heilungsmöglichkeit bei fehlendem Antrag des Bürgers vorsieht (in diese Richtung geht die Begründung von Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 15), da Antrag und Zustimmung nicht miteinander vergleichbar sind. 123 Zur Unbeachtlichkeit subjektiver Elemente Stelkens I Sachs, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 44 Rn. 51. 124 Pappermann / Lohr / Andriske, S. 31. 125 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 46 Rn. 8, versucht die Ausübung der Eigentümerbefugnisse mittels der Lehre vom faktischen Straßenrechtsverhältnis zu verhindern. — Der Annahme eines faktischen Straßenrechtsverhältnisses stehen jedoch erhebliche Bedenken entgegen. Es läßt sich weder mit den faktischen Rechtsverhältnissen im Arbeits- oder Gesellschaftsrecht vergleichen, noch vermag es die Einschränkung von Eigentumsrechten zu legitimieren. Daher hat sich die Idee eines faktischen Straßenrechtsverhältnisses auch nicht durchsetzen können. 126 Zur Frage, inwieweit eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung angefochten werden kann, vgl. Krause, VerwArch 61 (1970), S. 326 ff.; Middel, S. 112 ff.; Kluth, NVwZ 1990, S. 613 f. jeweils mit weiteren Nachweisen.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
Über die Einleitung des Verwaltungsverfahrens zum Erlaß einer Widmungsverfügung entscheidet nach § 22 S. 1 VwVfG die Straßenbaubehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Straßenbaubehörde bestimmt über den Fortgang des einmal begonnenen VerwaltungsVerfahrens. Dabei gilt gemäß § 24 VwVfG der Untersuchungsgrundsatz 127, d. h. die Straßenbaubehörde muß von Amts wegen den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermitteln. Von einer Anhörung der Beteiligten kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG abgesehen werden. Das Verwaltungsverfahren endet mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. § 43 Abs. 1 VwVfG knüpft die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes an den Zeitpunkt der Bekanntgabe, die Bekanntgabe ist also nicht nur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, sondern Existenzvoraussetzung 128. Nach §41 Abs. 1 S. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt denjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für die er bestimmt ist oder die von ihm betroffen werden. Davon macht § 41 Abs. 3 S. 2 VwVfG für die Allgemeinverfügung eine Ausnahme. Eine Allgemeinverfügung darf öffentlich bekanntgegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Dem entspricht § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW, der ebenfalls die öffentliche Bekanntmachung der Widmung normiert 129 und dabei festlegt, daß die Widmung frühestens in diesem Zeitpunkt wirksam wird. Die Widmung kann also, abweichend von § 41 Abs. 4 S. 4 VwVfG 1 3 0 , der den darauf folgenden Tag als frühest möglichen Termin bestimmt, bereits am Tag der öffentlichen Bekanntmachung Wirksamkeit erlangen. Der Begriff „frühestens" in § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW schließt eine rückwirkende Datierung der Widmung aus 131 . Die in der Praxis häufig vorkommende rückwirkende Widmung, um etwa die rückwirkende Erhebung von Erschließungsbeiträgen zu ermöglichen, verstößt somit gegen § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW. „Frühestens" läßt hingegen einen späteren Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Widmung zu. Aus Gründen der Rechtssicherheit muß der Zeitpunkt, in dem die Widmung wirksam werden soll, in der Verfügung angegeben werden. Im Zweifel gilt nach § 41 Abs. 4 S. 3 VwVfG die Widmung zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekanntgegeben132. 127 Zum Untersuchungsgrundsatz im Verwaltungs verfahren Β adura, in: Erichsen/ Martens, § 40 Rn. 6 f.; Maurer, § 19 Rn. 17 f.; Peters, JuS 1991, S. 54 ff. 128 Maurer, § 9 Rn. 64. 129 Fickert, § 6 Rn. 14 meint, daß mit der Regelung der öffentlichen Bekanntgabe in § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW dem Vorbehalt in § 41 Abs. 3 S. 1 VwVfG Genüge getan worden ist, wonach ein Verwaltungsakt nur öffentlich bekanntgegeben werden darf, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Dies ist jedoch nicht richtig, da die Widmung als Allgemeinverfügung unter § 41 Abs. 3 S. 2 VwV fG fällt. § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW ist für die Zulässigkeit der öffentlichen Bekanntmachung der Widmung nicht notwendig. ι 3 0 Anderer Ansicht Fickert, § 6 Rn. 16. Die Ansicht Fickerts widerspricht jedoch dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW. 131 Fickert, § 6 Rn. 15. 132 Es handelt sich dabei um eine Fiktion. Vgl. Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 41 Rn. 62.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
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Die öffentliche Bekanntgabe birgt das Risiko in sich, daß bestimmte Personen wie der private Eigentümer der gewidmeten Straßenfläche keine oder nur unrichtige Kenntnis von der Widmung erlangen. Da die Form der öffentlichen Bekanntmachung im Ermessen der Straßenbaubehörde steht, kann in diesen Fällen die öffentliche Bekanntmachung mit einer Individualbekanntmachung kombiniert werden 133 . Diese zusätzliche Individualbekanntmachung gegenüber einem privaten Eigentümer kann in zwei Formen erfolgen: zum einen als eigenständiger Verwaltungsakt neben der öffentlichen Bekanntmachung der Widmung, zum anderen als bloßer Hinweis auf die öffentliche Bekanntmachung entsprechend § 69 Abs. 2 S. 5 VwVfG und § 74 Abs. 5 S. 4 VwVfG, etwa in Form einer Fotokopie der Widmungsverfügung 134. Welche der beiden Formen vorliegt, hängt von dem Willen der Straßenbaubehörde ab, einen neuen Verwaltungsakt zu erlassen oder nicht. Die öffentliche Bekanntgabe wird nach § 41 Abs. 4 S. 1 VwVfG durch ortsübliche Bekanntmachung bewirkt. Auf welche Art dies geschieht, etwa durch Aushang, amtliches Veröffentlichungsblatt oder in der örtlichen Tageszeitung, richtet sich nach dem jeweiligen Organisationsrecht der Straßenbaubehörde. An den Inhalt der Bekanntmachung sind sehr hohe Anforderungen zu stellen 135 . So muß der verfügende Teil der Widmung dem Wortlaut nach mitgeteilt werden, auch wenn er sehr umfangreich ist 1 3 6 . Aus der öffentlichen Bekanntmachung müssen sich Umfang und Inhalt der Widmung genau ergeben. Ferner muß in der ortsüblichen Bekanntmachung angegeben sein, wo und wann der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können 137 . § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW verlangt mit der Bekanntgabe der Widmung auch die Rechtsbehelfsbelehrung. Nicht ausreichend ist dabei die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung an die Ausfertigung der Widmung, die bei der Behörde zur Einsicht ausliegt. Die Rechtsmittelbelehrung muß ebenfalls öffentlich bekanntgegeben werden 138 . Die Frist des § 70 VwGO beginnt erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen; fehlt die Rechtsmittelbelehrung in der öffentlichen Bekanntmachung, gilt die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO.
133 Niehues, DVB1 1982, S. 371; Schwarze, in: Knack, §41 Anm. 5.4.2; Bambey, DVB1 1984, S. 374 ff. 134 Die Wahl der Form hat Auswirkungen für die Rechtsbehelfsfristen. Im ersten Fall beginnt die Frist mit Bekanntgabe der Widmung an den Eigentümer zu laufen, im zweiten Fall mit der öffentlichen Bekanngabe. 135 Vgl. OVG Münster, NWVB1 1989, S. 26 f. 136 Kopp, VwVfG, § 41 Rn. 48; Obermayer, § 41 Rn. 68; Hans Meyer, in: Meyer/ Borgs-Maciejewski, § 41 Rn. 29 f. 137 Stelkens, in: Stelkens / Βonk / Leonhardt, §41 Rn. 58. 138 Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 41 Rn. 58.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
f) Die Form des Verwaltungsaktes „Widmung" aa) Schriftform § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG normiert den Grundsatz der Formfreiheit des Verwaltungsaktes. Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, beispielsweise konkludent, erlassen werden. Aufgrund des in § 1 Abs. 1 VwVfG verankerten Subsidiaritätsgrundsatzes des Verwaltungsverfahrensgesetzes 139 verdrängen in Spezialvorschriften geregelte Formerfordernisse die Regelung des § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG. Von seinem Wortlaut her stellt § 6 Abs. 1 S. 2 StrWG NW keine Spezialvorschrift dar, da er die Schriftlichkeit der Widmung nicht ausdrücklich anordnet 140. Auch aus dem Erfordernis der öffentlichen Bekanntmachung folgt nicht die Schriftform, denn die öffentliche Bekanntmachung kann auch der Bekanntgabe eines mündlich oder konkludent erlassenen Verwaltungsaktes dienen 141 . Das Erfordernis der Schriftform für die Widmung ergibt sich vielmehr aus einer Ermessensreduzierung, die im Hinblick auf die Bestimmtheit der Widmung im Rahmen des nicht durch Sondervorschriften verdrängten § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG erfolgt. § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG stellt die Form in das Ermessen der Behörde. Die Ausübung des Ermessens wird durch den aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Grundsatz der Form- und Verfahrensklarheit beschränkt 142. Das Rechtsstaatsprinzip begründet in den Fällen, in denen es auf den Wortlaut und den Inhalt oder Umfang des Verwaltungsaktes ankommt, eine Verpflichtung zur Schriftform. Die Widmung verlangt präzise Angaben über den Umfang der betreffenden Straßenfläche und den Inhalt von Beschränkungen der Benutzung. Daher reduziert sich das Ermessen der Straßenbaubehörde hinsichtlich der Auswahl der Form auf die Schriftform. Die Widmung ist schriftlich zu verfügen. bb) Inhaltliche Bestimmtheit An die inhaltliche Bestimmtheit der Widmung sind aufgrund der weitreichenden Konsequenzen für die Benutzer sowie gegebenenfalls für einen privaten Eigentümer hohe Anforderungen zu stellen. In der Widmung muß das betroffene Straßenstück genau angegeben sein 143 . Neben der Einstufung der Straßen in eine bestimmte Straßengruppe gemäß § 3 Abs. 1 StrWG NW müssen in der Widmungsverfügung auch etwaige Beschränkungen hinsichtlich der Benutzungsar139 Dazu Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 1 Rn. 114 ff. 140 Anderer Ansicht Pappermann / Lohr / Andriske, S. 24. § 6 Abs. 1 StrWG NW hat aber nicht den von Pappermann / Lohr / Andriske unterstellten Wortlaut. 141 Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, §41 Rn. 44. 142 Wolff! Bachof I, § 50 Ile 3; Wendt, JA 1980,S. 30; Badura f in: Erichsen / Martens, §41 Rn. 5. 143 Vgl. dazu OVG Koblenz, NVwZ 1991, S. 589 f.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
ten, Benutzungszwecke oder Benutzerkreise enthalten sein. Einer Begründung bedarf die Widmung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nicht, da sie als Allgemeinverfügung öffentlich bekanntgegeben wird. Die hohen Anforderungen an die Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Widmung stehen dem Erlaß von Nebenbestimmungen entgegen144. Die Widmung als Statusakt ist nebenbestimmungsfeindlich; Befristungen, Widerrufsvorbehalte 145 oder Auflagen sind unzulässig. Zulässig ist nur die Bestimmung eines späteren Termins, von dem ab die Widmung wirksam sein soll. Dieser muß aber in der Verfügung der Widmung präzise angegeben werden.
g) Rücknahme und Widerruf der Widmung? Das Verwaltungsverfahrensgesetz regelt in den §§48 ff. VwVfG die Aufhebung von Verwaltungsakten. Es unterscheidet dabei zwischen der Rücknahme (§ 48 VwVfG), die sich auf rechtswidrige Verwaltungsakte bezieht, und dem Widerruf (§ 49 VwVfG), der primär die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte betrifft, aber auch für rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbar ist 1 4 6 . Diese Vorschriften gelten gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG des Bundes bzw. § 1 Abs. 1 VwVG NW nur, soweit bundes- bzw. landesrechtliche Vorschriften nicht inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Spezialgesetzliche Normierungen der Aufhebung von Verwaltungsakten verdrängen die §§48 ff. VwVfG. Eine solche Spezialregelung stellt die in § 7 StrWG NW normierte Einziehung bzw. Teileinziehung dar. Nach § 7 Abs. 1 StrWG NW verliert die gewidmete Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße durch Einziehung, die wie die Widmung als Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt ist. Die Einziehung hängt von bestimmten Voraussetzungen ab. Gemäß § 7 Abs. 3 StrWG NW soll die Einziehung verfügt werden, wenn die Straße keine Verkehrsbedeutung mehr hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls die Entwidmung verlangen. Liegt einer dieser Gründe vor, so richtet sich das Verfahren der Einziehung oder der Teileinziehung nach § 7 Abs. 4, 5 und 6 StrWG NW. Es stellt sich aber die Frage, ob § 7 StrWG NW eine abschließende Regelung darstellt, die die Anwendung der §§48 ff. VwVfG ausnahmslos ausschließt, oder ob die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergänzend anwendbar 144 Kodal I Krämer, Kap. 7 Rn. 16; Steiner, in: Steiner, Rn. 31. 145 Einen Sonderfall, in dem ein Widerrufsvorbehalt zulässig sein könnte, stellt die Erlaubnis zum Anlegen von Straßen auf Deichen gemäß § 15 Abs. 3 des niedersächsischen Deichgesetzes dar, die nur widerruflich erteilt werden kann. In dieser Konstellation braucht die Widmung jedoch nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen zu werden, sondern es kann bei Widerruf der deichrechtlichen Erlaubnis eine Einziehung aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls erfolgen; vgl. Wendrich, § 6 Anm. 1. 146 Kopp, VwVfG, § 49 Rn. 7; Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 49 Rn. 2; Maurer, § 11 Rn. 19. Anderer Ansicht Erich sen, in: Erichsen / Martens, § 17 Rn. 5.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
sind 147 . In der straßenrechtlichen Literatur wird dies nicht problematisiert. Es entsteht vielmehr der Eindruck, daß § 7 StrWG NW als abschließende Regelung angesehen wird 1 4 8 . Dies überrascht, da die Kommentierungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes die Einziehung meist nicht in ihren Aufzählungen von Beispielen für einen Ausschluß der §§48 ff. VwVfG erwähnen 149 . Unzweifelhaft stellt § 7 StrWG NW eine Sonderregelung für die Aufhebung der Widmung bei Verlust der Verkehrsbedeutung dar. In diesem Fall bleibt für die Anwendung der §§48 ff. VwVfG kein Raum mehr. Fraglich ist hingegen, welche Aufhebungsgründe die Formulierung „Gründe des öffentlichen Wohls" abdeckt. Schließt sie die Anwendung des § 48 VwVfG etwa aus, wenn die Widmung wegen fehlerhafter Zustimmung oder Beschränkung der Benutzung auf einen nach subjektiven Merkmalen bestimmten Personenkreis rechtswidrig ist? Als überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls, die eine Einziehung rechtfertigen können, nennen die Kommentare 150 beispielsweise städtebauliche oder städteplanerische Ziele, den Natur- und Landschaftsschutz sowie das Interesse an einer Verkehrsberuhigung. Es handelt sich also um Gründe, die im Zusammenhang mit der Verkehrsbedeutung der Straße oder mit den Auswirkungen des Verkehrs auf der Straße stehen. Treffend bemerkt Fickert 151 : „Die beiden gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer (Voll)Einziehung sind häufig miteinander verschränkt." Keine Gründe des öffentlichen Wohls sind demnach die Rechtswidrigkeit der Widmung wegen einer fehlerhaften Zustimmung des Eigentümers oder unzulässigen Inhalts der Widmungsverfügung, beispielsweise der Zulassung eines nach subjektiven Merkmalen bestimmten Personenkreises. In diesen Fällen gelangt § 48 VwVfG zur Anwendung. Nimmt die Straßenbaubehörde die Widmung aus Gründen zurück, die nicht in der Verkehrsbedeutung liegen oder im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Verkehrs stehen, richtet sich die Rücknahme der Widmung nach § 48 VwVfG. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG kann ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rücknahme steht im Ermessen der Behörde. Eingeschränkt wird das Ermessen jedoch für begünstigende Verwaltungsakte, solchen, die ein Recht oder einen rechtlich erheblichen
147 Zur Zulässigkeit einer ergänzenden Anwendbarkeit der Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 12. 148 Sieder / Zeitler, Art. 8 Rn. 7, schreiben: „Die Einziehung ist nach Inhalt, Voraussetzungen und Rechtsfolgen in Art. 8 BayStrWG abschließend geregelt." 149 Vgl. etwa Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 12, § 49 Rn. 4. 150 Vgl. Siederl Zeitler, Art. 8 Rn. 12; Fickert, § 7 Rn. 7 f. 151 § 7 Rn. 7.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
Vorteil begründen oder bestätigen. Diese dürfen nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 VwVfG (bei Geldleistungen oder sonstigen teilbaren Leistungen) oder des § 48 Abs. 3 VwVfG (bei sonstigen Leistungen) zurückgenommen werden. Die Widmung kann sowohl belastende als auch begünstigende Wirkung haben. So hat die rechtswidrige Widmung für den privaten Eigentümer oder Träger der Straßenbaulast belastende Wirkung, für den Anlieger oder sonstigen Benutzer hingegen begünstigende Wirkung. Im letzteren Fall könnte die Rücknahme der Widmung gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG nur gegen Ausgleich des Vermögensnachteils erfolgen, den der Begünstigte dadurch erleidet, daß er auf den Verwaltungsakt vertraut hat. Das Vertrauen des Begünstigten muß aber unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig sein. Daran fehlt es bei der Rücknahme der Widmung, denn § 14 Abs. 1 S. 2 StrWG NW bestimmt, daß auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs kein Rechtsanspruch besteht. Der Benutzer genießt kein schutzwürdiges Vertrauen auf Ausübung des Gemeingebrauchs. Es gibt keinen Schutz vor einer Beendigung des Gemeingebrauchs und damit vor der Rücknahme der Widmung. Auch wenn die Widmung einen begünstigenden Verwaltungsakt darstellt, braucht also kein Vermögensnachteil ausgeglichen zu werden. Die Rücknahme der Widmung steht somit im Ermessen der Straßenbaubehörde. Für den Straßenanlieger bestimmt § 14 a Abs. 2 StrWG NW, daß ihm, unbeschadet des § 20 Abs. 5 StrWG NW, der ihm einen Ersatzanspruch oder einen Entschädigungsanspruch gewährt, kein Anspruch zusteht, daß die Straße nicht geändert oder nicht eingezogen wird 1 5 2 . § 20 Abs. 5 StrWG NW stellt somit für den Anlieger eine Sonderregelung dar, die insoweit § 48 Abs. 3 VwVfG verdrängt, nicht aber die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG ausschließt. Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müßte (§ 49 Abs. 1 VwVfG). Gemäß § 49 Abs. 2 VwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nur unter bestimmten, näher ausgeführten Voraussetzungen (Abs. 2 Nr. 1 bis 5) widerrufen werden. Ein Widerruf an Stelle der Einziehung oder Teileinziehung gemäß § 7 StrWG NW ist jedoch unzulässig. Die Regelung des § 49 VwVfG wird insoweit durch § 7 StrWG NW verdrängt. Ist die Widmung rechtmäßig, verlangt das Straßen- und Wegerecht auch die Beibehaltung des Status als öffentliche Straße im festgelegten Umfange. Erst wenn sich die Verkehrsbedeutung ändert oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, kann eine Einziehung oder Teileinziehung verfügt werden. Ein Widerruf aus anderen Gründen würde der Systematik des Straßenund Wegegesetzes widersprechen.
152 Vgl. dazu Fickert,
§ 14 Rn. 22; § 20 Rn. 24 ff.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
Fazit: Die Aufhebung der Widmung kann durch Einziehung oder Teileinziehung gemäß § 7 StrWG NW oder, sofern § 7 StrWG NW von seinem Anwendungsbereich her nicht einschlägig ist, durch Rücknahme nach § 48 VwVfG erfolgen. Ein Widerruf der Widmung nach § 49 VwVfG scheidet hingegen aus.
2. Die Widmung in anderen Formen Die Widmung einer Straße erfolgt in der Praxis meist in Form eines Verwaltungsakts. Daneben kommen aber noch andere Formen und Verfahren der Widmung in Betracht. Diese sollen im folgenden kurz dargestellt werden, um zu verdeutlichen, daß der Kreationsakt dem Kanon der Rechtsformen gegenüber indifferent ist. a) Die Widmung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens Nach § 6 Abs. 7 S. 1 StrWG NW kann die Widmung bei Straßen, deren Bau oder wesentliche Änderung durch Planfeststellung geregelt wird, in diesem Verfahren mit der Maßgabe verfügt werden, daß sie mit der Verkehrsübergabe wirksam wird. Im Unterschied zu § 6 Abs. 5 LStrG NW von 1962 und entsprechenden Normen in den Straßen- und Wegegesetzen anderer Bundesländer 153 wird die Widmung nicht mehr mit dem Zeitpunkt der Verkehrsübergabe fingiert. Als Planfeststellungsverfahren 154, in denen die Widmung verfügt werden kann, kommen unter anderem folgende in Betracht: — das straßenrechtliche (§ 38 StrWG NW), — das bundesbahnrechtliche (§ 36 BundesbahnG), — das wasserrechtliche (§31 WHG), — das wasserstraßenrechtliche (§§ 12 ff. WaStrG), — das luftverkehrsrechtliche (§§8 ff. LuftVG), — das flurbereinigungsrechtliche (§41 FlurbG), — das abfallrechtliche (§ 7 AbfG), — das personenbeförderungsrechtliche (§§ 28 ff., 41 PBefG). Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes (§§2 ff. BauGB) zählt auf Grund des Wortlauts des § 6 Abs. 7 S. 1 StrWG NW nicht zu den Verfahren, 153 Nach § 5 Abs. 6 StrG Bad.-Württ., § 6 Abs. 6 SaarlStrG, § 2 Abs. 1 S. 2 HessStrG und § 6 Abs. 6 StrWG SH gilt eine Straße, deren Bau oder Änderung auf einem förmlichen Verfahren nach anderen gesetzlichen Vorschriften beruht, mit der Verkehrsübergabe als gewidmet. Vgl. dazu Kodal / Krämer, Kap. 7 Rn. 19.32. 154 Einen Überblick über die nach geltendem Recht bestehenden Planfeststellungsverfahren geben Ronellenfltsch, Planungsrecht, S. 101 ff. und Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 72 Rn. 3. — Zu der Problematik des Planfeststellungsverfahrens, besonders welche Wirkungen der Planfeststellungsbeschluß hat, vgl. Laubinger, VerwArch 77 (1986), S. 77 ff.; Battis , Die Verwaltung, 21 (1988), S. 33 f.; Kühling, Rn. 331 ff.; Ronellenfltsch, VerwArch 80 (1989), S. 92 ff.; Wahl, NVwZ 1990, S. 430 jeweils mit weiteren Nachweisen.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
in denen die Widmung verfügt werden kann. Zwar können nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB in einem Bebauungsplan Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung festgesetzt werden, dabei handelt es sich aber nicht um eine nach § 6 Abs. 7 S. 1 StrWG NW zulässige Widmung. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes ist nämlich kein Planfeststellungsverfahren 155 , was schon der unterschiedliche Abschluß beider Verfahren zeigt. Das Planfeststellungsverfahren endet mit einem Planfeststellungsbeschluß (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwVfG) in Form des Verwaltungsaktes; den Bebauungsplan beschließt die Gemeinde hingegen in Form einer Satzung (§ 10 BauGB). Während das nordrhein-westfälische Straßen- und Wegegesetz eine Widmung im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes vom Wortlaut bereits ausschließt, besteht in anderen Bundesländern, die statt von „Planfeststellung" nur von „förmlichen Verfahren" 156 sprechen, darüber Streit, auf den aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll 1 5 7 . Die Ermächtigung zur Verfügung der Widmung im Rahmen einer Planfeststellung hat auch nach ihrer auf dem Musterentwurf von 1976 beruhenden Neufassung keine große Bedeutung erlangt 158 . Dem Ziel, mittels § 6 Abs. 7 S. 1 StrWG NW eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung und eine beschleunigte Klärung der Rechtsverhältnisse an neu gebauten Straßen zu erreichen 159, stehen die hohen Anforderungen an die Bestimmtheit der Widmungsverfügung entgegen. Um diesen zu entsprechen, müßte die Herstellung der Straße in der Regel im Zeitpunkt der Widmung weitgehend abgeschlossen sein 160 . In der Praxis werden die Anforderungen an die Bestimmtheit der Widmung im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses meist nicht erfüllt sein 161 . Aus dem festgestellten Plan ergibt sich zwar die Linienführung oder der Umfang der in Anspruch genommenen Grundstücksflächen, oftmals erfolgen aber später noch Änderungen, die zur Folge haben, daß die verfügte Widmung mit dem tatsächlichen Verlauf der Straße nicht mehr übereinstimmt. Die damit verbundenen Unsicherheiten führen dazu, daß die Praxis von der Möglichkeit des § 6 Abs. 7 S. 1 StrWG NW kaum Gebrauch macht.
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Vgl. zum Unterschied zwischen Bebauungsplan und Planfeststellungsbeschluß Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 72 Rn. 6 und Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 72 Rn. 46. 156 § 5 Abs. 6 StrG Bad.-Württ.; § 6 Abs. 6 SaarlStrG. 157 Vgl. dazu mit Nachweisen auf den Streitstand Nedden, DVB1 1982, S. 1028 ff. iss Zu dem Vorläufer der heutigen Regelung (§ 6 Abs. 5 LStrG NW von 1962) stellt Fickert, § 6 Rn. 54 fest: „Während der Geltungsdauer des § 6 Abs. 5a F. (über mehr als 20 Jahre) ist diesseits kein Fall bekannt geworden, daß im Rahmen einer Planfeststellung von der Widmungsfiktion Gebrauch gemacht worden ist." 159 Vgl. Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 54 zu der entsprechenden Norm nach bayerischem Straßen- und Wegerecht. 160 Fickert, § 6 Rn. 22. 161 Fickert, § 6 Rn. 55.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
b) Die „fiktive" Widmung Nach § 6 Abs. 8 StrWG NW gilt der neue Teil einer Straße, der durch Verbreiterung, Begradigung oder eine unerhebliche Verlegung oder Ergänzung entstanden ist, mit der Verkehrsübergabe als gewidmet. Mit dieser Vorschrift knüpft der Gesetzgeber an den bereits von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsatz der „Elastizität der Widmung" an. Danach erfaßt die Widmung einer vorhandenen Straße automatisch auch die durch Änderung oder Ergänzung der Straße zugewachsenen Straßenteile; wie weit allerdings die Elastizität der Widmung reicht, ist im einzelnen umstritten 162 . Mit § 6 Abs. 8 StrWG NW weicht der Gesetzgeber von dem ansonsten für die Widmung einer Straße geltenden Prinzip der Formenstrenge ab. Bei baulichen Maßnahmen, etwa die Verbreiterung von Fahrstreifen oder der Anbau von selbständigen Rad- und Gehwegen, die die Verkehrsbedeutung der Straße nicht verändern 163, werden dem Realakt „Verkehrsübergabe" die Rechtsfolgen einer förmlichen Widmung beigemessen. Es handelt sich um eine fiktive Widmung, um einen fiktiven Verwaltungsakt. Der fiktive Verwaltungsakt hat Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit der Erteilung der Bodenverkehrsgenehmigung (§ 19 Abs. 4 S. 3 BBauG), der heutigen Teilungsgenehmigung, erfahren. Nach § 19 Abs. 3 S. 6 BauGB gilt die Genehmigung als erteilt, wenn sie nicht innerhalb einer Frist versagt wird. Für die fiktive Widmung kann auf die im Rahmen der Diskussion um die Bodenbzw. Teilungsgenehmigung gewonnenen Ergebnisse zurückgegriffen werden 164 . Dabei muß jedoch beachtet werden, daß die Fiktion der Teilungsgenehmigung unabhängig davon gilt, ob Versagungsgründe für eine Teilungsgenehmigung nach § 20 BauGB vorlagen 165 . Anderes gilt hingegen für die Widmungsfiktion. Nach § 6 Abs. 8 S. 1 StrWG NW müssen die Voraussetzungen des Absatzes 5, die Verfügungsbefugnis des Straßenbaulastträgers, vorliegen, damit die Straße als gewidmet gilt. Die fiktive Widmung entspricht in ihren Rechtsfolgen der förmlichen Widmung nach § 6 Abs. 1 StrWG NW. Sie wird ebenso wie diese als Allgemeinverfügung angesehen und denselben Regelungen unterworfen. Sie hat die gleiche Bindungswirkung. Eine Ausnahme ergibt sich allerdings aus § 6 Abs. 8 S. 2 StrWG NW, wonach es keiner öffentlichen Bekanntgabe bedarf. Dies wirkt sich auf den 162 Zum Grundsatz der Elastizität der Widmung VGH München, BayVBl 1990, S. 661 f. 163 Zur Abgrenzung von erheblichen und unerheblichen Straßen Veränderungen Fikkert, § 6 Rn. 69; Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 65. Vgl. auch VGH Mannheim, VB1BW 1992, S. 144 ff. 164 Zur Bodenverkehrs- bzw. Teilungsgenehmigung Steiner, DVB1 1970, S. 34 ff.; Müller, BauR 1984, S. 224 ff.; Finkelnburg, in: Finkelnburg / Ortloff, Bd. 1, S. 174 f.; BVerwG, NJW 1988, S. 275 f. 165 Zinkahn, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 21 Rn. 3 f.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
Rechtsschutz des Bürgers gegen die fiktive Widmung aus, denn die Rechtsmittelfrist beginnt mit dem Zeitpunkt der Verkehrsübergabe zu laufen. Es gilt die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO. Die Verkehrsübergabe unterliegt wie eine selbständige Widmungsverfügung der gerichtlichen Kontrolle. Da die fiktive Widmung der wirklichen Widmung gleichsteht, ist die richtige Klageart die Anfechtungsklage. c) Die Widmung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag Nach § 54 S. 1 VwVfG kann ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht nur durch Verwaltungsakt, sondern auch durch Vertrag begründet werden, soweit dem Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Im Hinblick auf die Widmung sind zwei Arten öffentlich-rechtlicher Verträge denkbar. Zum einen könnte sich die Straßenbaubehörde gegenüber ihrem Vertragspartner durch Vertrag zum Erlaß der Widmungsverfügung verpflichten, zum anderen könnte der öffentlich-rechtliche Vertrag mit der Straßenbaubehörde selbst die Widmung verfügen. In Anlehnung an die zivilrechtliche Terminologie spricht man im ersten Fall von einem Verpflichtungsvertrag (der Vertragspartner verpflichtet sich zum Erlaß eines Verwaltungsaktes), im zweiten Fall von einem Verfügungsvertrag (der Vertrag führt unmittelbar die Rechtsänderung herbei) 166 . Die Verfügung der Widmung unmittelbar in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Straßenbaubehörde und einer anderen Behörde oder einem Bürger verstößt gegen das in § 54 S. 1 HS. 2 VwVfG normierte Handlungsformverbot 1 6 7 . Handlungsformverbote sind nicht nur bei ausdrücklicher Normierung anzunehmen, sondern können sich auch aus Sinn, Zweck oder Systematik des jeweiligen Gesetzes ergeben 168. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist insbesondere dann unzulässig, wenn der Verwaltungsakt als Handlungsform vorgeschrieben ist. Unzulässig ist demnach ζ. B. ein Vertrag, durch den der Vertragspartner zum Beamten ernannt oder eingebürgert wird 1 6 9 . Daraus folgt, daß bei Statusakten nur die Handlungsform des Verwaltungsaktes und nicht die des Vertrages zulässig ist. Die straßenrechtliche Widmung kann als Statusakt, wie es auch § 6 Abs. 1 StrWG NW vorsieht, nur in Form eines Verwaltungaktes verfügt werden. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der die Widmung verfügt, ist nichtig 170 . 166 Maurer, § 14 Rn. 14. 167 Anderer Ansicht Kodal / Krämer, Kap. 7 Rn. 19.2: „Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen in der Vereinbarung selbst mit öffentlich-rechtlicher Wirkung die Widmung ausgesprochen wird. In diesen Fällen handelt es sich um wegerechtliche Widmungsverfügungen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags." Dies ist, soweit ersichtlich, die einzige Äußerung in der straßenrechtlichen Literatur, die sich mit dem Problem beschäftigt. 168 Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 54 Rn. 49; Möllgaard, in: Knack, § 54 Rn. 6.1. 169 Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 54 Rn. 54 mit weiteren Beispielen.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
Etwas anderes gilt für die vertragliche Verpflichtung der Straßenbaubehörde zum Erlaß einer Widmung. Ein solcher vertraglicher Anspruch gegenüber der Straßenbaubehörde kann beispielsweise im Rahmen eines Erschließungsvertrages nach § 124 Abs. 1 BauGB entstehen. Durch einen Erschließungsvertrag überträgt die Gemeinde die Erschließung eines Baugebietes auf einen Dritten, meist eine Baugesellschaft 171. Diese stellt aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der Gemeinde meist dann auch die erforderlichen Straßen her. Damit diese als Erschließungsanlage dienen können, müssen sie gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB gewidmet werden. Daher enthält ein Erschließungsvertrag oftmals die Verpflichtung der Gemeinde zur Verfügung der Widmung. Die Straßenbaubehörde muß, sofern sie den Vertrag mit einem in einem Über/ Unterordnungsverhältnis stehenden Partner schließt (sog. subordinationsrechtlicher Vertrag), die sich aus §§55, 56 VwVfG ergebenden Bindungen beachten. Einen Vergleichsvertrag darf sie nur dann schließen, wenn eine Ungewißheit bezüglich tatsächlicher Umstände oder rechtlicher Gesichtspunkte besteht, diese Ungewißheit nicht oder nicht ohne erheblichen Aufwand beseitigt werden kann und beide Vertragspartner gewisse Zugeständnisse machen (§ 55 VwVfG). Bei einem Austauschvertrag, der oftmals vorliegen wird, stellt § 56 VwVfG zusätzliche Anforderungen an die Vereinbarung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag. Die Gegenleistung des Bürgers muß für einen bestimmten Zweck vereinbart sein, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, angemessen sein und in sachlichem Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung stehen (Koppelungsverbot). Liegen diese Voraussetzungen vor, kann sich die Straßenbaubehörde in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Verfügung einer Widmung verpflichten. d) Widmung kraft unvordenklicher Verjährung? § 6 StrWG NW gilt nur für Straßen, Wege und Plätze, die nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 1. 1. 1962 gewidmet worden sind. Für die vor 1962 gewidmeten Wege, die sog. alten Wege, gilt in den meisten Regionen Nordrhein-Westfalens die Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts. Danach waren für das Entstehen eines öffentlichen Weges die ausdrücklichen oder stillschweigenden übereinstimmenden Erklärungen des Wegeeigentümers, des Wegeunterhaltspflichtigen und der Wegepolizeibehörde erforderlich, die nicht notwendigerweise schriftlich erfolgen mußten. Die Konsequenz war eine oftmals anzutreffende Unsicherheit über den Bestand und den Umfang der Widmung. no Nach einer Ansicht folgt die Nichtigkeit unmittelbar aus § 54 S. 1 VwVfG, so Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 54 Rn. 71, § 59 Rn. 22; Maurer, § 14 Rn. 42; nach anderer Ansicht aus § 59 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 134 BGB, so Kopp, VwVfG, § 59 Rn. 7; Möllgaard, in: Knack, § 54 Rn. 6.1; Ule / Laubinger, § 67 III, 70 II; Ehlers, DVB1 1986, S. 536. 171 Zum Erschließungsvertrag Oldiges, in: Steiner, Rn. 272.
II. Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße
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Der Beseitigung der Unsicherheiten dienten das Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung (StRegG) vom 26. 3. 1934 172 und die auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen 173. Nach § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung erhielt eine Straße durch Eintragung im Verzeichnis der entsprechenden Straßengruppen die Eigenschaft als Reichsstraße, als Landstraße I. Ordnung oder als Landstraße II. Ordnung. Durch die Eintragung wurde mit konstitutiver Wirkung die Eigenschaft als öffentliche Straße festgelegt, dies aber nur für die heutigen Bundesfernstraßen, Landesstraßen und Kreisstraßen, nicht hingegen für die übrigen Straßen und Wege. Bei ihnen blieben die Unsicherheiten hinsichtlich einer Widmung und gegebenenfalls deren Umfang bestehen. Die unklare Rechtslage versuchten einige Landesstraßengesetze zu beseitigen, indem sie die Widmung alter Wege, die dem öffentlichen Verkehr dienten, fingierten 174 oder die Eintragung in ein Bestandsverzeichnis ermöglichten, was zur Folge hatte, daß nach einer gewissen Frist die Widmung als verfügt galt 1 7 5 . In Nordrhein-Westfalen fehlt es an vergleichbaren Regelungen. § 60 Abs. 2 S. 1 StrWG NW bestimmt nur, daß öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze sind, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen. Die Feststellung, ob eine Straße eine „öffentliche Straße" ist, erfordert also in Nordrhein-Westfalen eine historische Untersuchung. Die Suche nach einer in der Vorzeit irgendwann einmal ausgesprochenen Widmung sollte die in § 60 Abs. 4 StrWG NW normierte Widmungspflicht verhindern. Trotzdem blieben aber Unsicherheiten bestehen. Die Schwierigkeiten in der Beweisführung, ob ein Weg irgendwann einmal gewidmet worden ist, überwinden Rechtsprechung und Literatur 176 mit Hilfe des Instituts der „unvordenklichen Verjährung". Aus der tatsächlichen, langjährigen 1 7 7 , widerspruchslosen, in der Meinung der Rechtsmäßigkeit durchgeführten 172 RGBl I, S. 243; auch abgedruckt bei Baumeister, S. 44 f. 173 Zum einen die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung vom 7. 12. 1934 (RGBl. I, S. 1237); auch abgedruckt bei Baumeister, S. 45 ff.; zum anderen die Verordnung über die Straßenbestandsverzeichnisse vom 27. 9. 1935 (RGBl. I, S. 1193). 174 Vgl. § 5 Abs. 6 des bremischen Landesstraßengesetzes. 175 Art. 67 BayStrWG. Dazu Sieder ! Zeitler, Art. 67 Rn. 1 ff. Zu den Folgen einer Falscheintragung VGH München, BayVBl 1990, S. 627 ff. 176 Germershausen / Seydel, S. 14 f.; Wolff / Bachof I, § 56 II f.; Ronellenfitsch, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 591 ff.; vgl. auch Jahn, DÖV 1962, S. 292 ff. und Kentner, DÖV 1962, S. 294 f.; PrOVGE 99, 130 ff.; OVG Münster, DÖV 1961, S. 34. 177 Was „langjährig" bedeutet, ist umstritten. Vgl. dazu Fickert, § 2 Rn. 13. — Der VGH Mannheim, VB1BW 1992, S. 144 (145), verlangt, daß die Benutzung seit 40 Jahren — zurückgerechnet vom Inkrafttreten des Straßengesetzes am 1.7. 1964 — ständig ausgeübt worden ist und eine gegenteilige Erinnerung aus den vorangegangenen 40 Jahren nicht besteht.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
Benutzung eines Weges folgt die Vermutung für eine Widmung des Weges zum öffentlichen Weg. Die sog. Widmung kraft unvordenklicher Verjährung ersetzt jedoch nicht, wie die Bezeichnung es fälschlicherweise andeutet, die Widmung. Die unvordenkliche Verjährung ist nur eine Beweislastregelung. Es wird (widerlegbar) vermutet, daß der Weg irgendwann einmal gewidmet worden ist. Die „Widmung kraft unvordenklicher Verjährung" greift nur dann ein, wenn nicht aufklärbar ist, ob der Weg vor unvordenklicher Zeit gewidmet worden ist. Die Bedeutung der „Widmung kraft unvordenklicher Verjährung" nimmt immer mehr ab, da durch die Kodifizierung des Straßenrechts in den Landesstraßengesetzen der Status der meisten Straßen und Wege geklärt worden ist. Der Anwendungsbereich der Vermutungsregelung beschränkt sich auf solche Straßen, Wege und Plätze, die im Eigentum des Staates stehen178. Bei Wegen, die im Privateigentum stehen, ist sie nicht anwendbar; für diese streitet im Gegenteil eine Vermutung gegen die Öffentlichkeit. Hinzu kommt, daß es sich bei dem Institut der unvordenklichen Verjährung um ein spezifisch straßenrechtliches Institut handelt. Eine Übertragung in andere Rechtsmaterien ist nicht möglich. So läßt sich etwa ein sogenannter Hauptstadtanspruch für die Stadt Berlin schon deshalb nicht mit der Figur der „unvordenklichen Verjährung" begründen 179. 3. Ergebnis Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Straße erfolgt in der Regel in Form eines Verwaltungsaktes, der sowohl den Vorschriften des Straßen- und Wegerechts als auch denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes unterliegt. Mit Ausnahme der fiktiven Widmung bei einer unerheblichen Veränderung der Straße gelten für den Verwaltungsakt „Widmung" strenge Formvorschriften. Eine Widmung durch konkludentes Handeln ist nicht möglich. Die Widmung kann aus Gründen der Verfahrensvereinfachung auch im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens verfügt werden. Nicht möglich ist hingegen die Widmung in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages.
I I I . Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft an öffentlichen Straßen Die Straßen- und Wegegesetze normieren den Begriff „öffentliche Sachherrschaft" nicht, doch enthalten sie Regelungen, die auf die Existenz eines solchen Rechtsinstituts schließen lassen. Zentrale Vorschrift ist § 6 Abs. 6 StrWG NW. Danach wird durch privatrechtliche Verfügungen oder durch Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Enteignung über die der Straße dienen178 Fickert, § 2 Rn. 14. 179 So aber Kühne, ZfParlR 1990, S. 519.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
den Grundstücke oder Rechte an ihnen die Widmung nicht berührt. Die Literatur behandelt diese Norm meist nur sehr knapp 18 °. Sie geht statt dessen ohne näheren Bezug auf die straßenrechtlichen Regelungen von einer öffentlichen Sachherrschaft an Straßen in dem Umfang aus, wie sie das Recht der öffentlichen Sachen kennt. Ausgangspunkt der Erörterung der Rechtsverhältnisse an Straßen sind nicht die gesetzlichen Regelungen über das Verhältnis von privatem Eigentümer und Straßenbaulastträger, sondern die Grundsätze des Rechts der öffentlichen Sachen181. Die Darstellungen beginnen häufig mit der Feststellung, die Straße sei eine öffentliche Sache, für die die Theorie des modifizierten Privateigentums gelte. Daran schließt sich eine Erläuterung der Theorie des modifizierten Privateigentums und eine Charakterisierung der öffentlichen Sachherrschaft als öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit an. Es findet sich dort dann etwa der Satz: „Durch die Widmungsverfügung wird das Grundstück im Rahmen des Widmungszwecks mit einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit belastet." 182 Ein solches Ergebnis läßt sich aus den gesetzlichen Regelungen nicht herleiten. Von einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit ist dort nicht die Rede. Vielmehr heißt es beispielsweise in § 11 Abs. 5 StrWG NW, daß bis zum Erwerb des für die Straße in Anspruch genommenen Grundstücks dem Träger der Straßenbaulast die Rechte und Pflichten des Eigentümers der Ausübung nach in dem Umfang zustehen, in dem dies die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs erfordert. Nicht die Rechte und Pflichten des Berechtigten einer Dienstbarkeit, sondern die Rechte und Pflichten eines Eigentümers obliegen nach dem Straßen- und Wegegesetz also dem Straßenbaulastträger. Deutlich wird, daß das Straßen- und Wegegesetz zwar eine öffentliche Sachherrschaft des Straßenbaulastträgers vorsieht, diese aber einen anderen Inhalt hat als im Recht der öffentlichen Sachen entwickelt. Wie die öffentliche Sachherrschaft im Straßen- und Wegerecht ausgestaltet ist und inwieweit die Ausgestaltung dem Recht der öffentlichen Sachen entspricht, ist bisher noch nicht näher thematisiert worden. Dies soll im folgenden geschehen. Dabei stehen im Vordergrund die Regelung des § 6 Abs. 6 StrWG NW und die Befugnisse des öffentlichen Sachherrn. 180 Symptomatisch ist die Kommentierung von Fickert. Von seiner 71 Randnummern umfassenden Erläuterung des § 6 StrWG NW befassen sich gerade 2 Randnummern mit Absatz 6 (Rn. 27, 28); Steiner, in: Steiner, Rn. 20 ff. erwähnt § 6 Abs. 6 StrWG NW nur in einer Fußnote (Rn. 21 mit Fn. 36). 181 So beginnt etwa die Darstellung des Straßenrechts von Papier, in: Achterberg / Püttner mit dem Kapitel „Die Straße als öffentliche Sache". Dort behandelt er unter Gliederungspunkt I den Sachbegriff, unter II den öffentlich-rechtlichen Status und unter III die verschiedenen Arten öffentlicher Sachen. Ausgangspunkt der Darstellung ist also eine Schilderung des Rechts der öffentlichen Sachen. 182 Berg, in: Maunz / Obermayer / Berg / Knemeyer, S. 466; ähnlich auch Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann / , Rn. 15: „Die Widmungsverfügung hat vor allem gegenüber dem Eigentümer den Inhalt, seine Sache mit der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit zu belasten, wonach der Gemeingebrauch künftig geduldet werden muß." 7 Axer
Β. Die Widmung im Straßenrecht
1. § 6 Abs. 6 StrWG N W § 6 Abs. 6 StrWG NW normiert das Verhältnis von Verfügungen über das Straßengrundstück zur Widmung. Durch privatrechtliche Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Enteignung wird die Widmung nicht berührt. Indem der Gesetzgeber diese Regelung trifft, bringt er zum Ausdruck, daß das Straßengrundstück Gegenstand des Rechtsverkehrs ist. Sinn macht § 6 Abs. 6 StrWG NW nur vor dem Hintergrund bestehender privater Rechte an dem Straßengrundstück neben der Widmung. Hätte der Gesetzgeber statt der dualistischen Konstruktion der Theorie vom öffentlichen Eigentum folgen wollen, wäre § 6 Abs. 6 StrWG NW nicht erforderlich. Nach der Theorie vom öffentlichen Eigentum bestehen nämlich am gewidmeten Straßengrundstück keine privaten Rechte, und einer Norm, die das Verhältnis von Widmung zu den privatrechtlichen Verfügungen regelt, hätte es nicht bedurft. § 6 Abs. 6 StrWG NW ist somit Ausdruck der Theorie vom modifizierten Privateigentum. Das Eigentum am Straßengrundstück ist bürgerlich-rechtliches Eigentum, nicht öffentliches Eigentum. Das Straßengrundstück kann in bürgerlich-rechtlichen Formen übertragen und belastet werden. Die Verfügungen vermögen aber nicht die öffentliche Zweckbestimmung, die Widmung, zu beeinträchtigen. § 6 Abs. 6 StrWG NW ist eine Kollisionsregelung, die die Konkurrenz zwischen den sich aus dem Eigentum oder anderen Rechten ergebenden Befugnissen und der Widmung löst: „Die Widmung wird nicht berührt." a) „Nicht berührt" Die Formulierung „nicht berührt" ist ungewöhnlich, denn sie besagt nicht, was mit privatrechtlichen Verfügungen geschieht, die die Widmung berühren. Erwartet hätte man in § 6 Abs. 6 StrWG NW die Anordnung einer Rechtsfolge durch den Gesetzgeber, etwa: die Widmung berührende Verfügungen sind rechtswidrig, nichtig oder schwebend unwirksam. Im Schrifttum findet sich die Auffassung, die die Widmung berührenden Verfügungen seien nach § 134 BGB nichtig 1 8 3 . § 6 Abs. 6 StrWG NW ist danach also ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Dagegen geht die wohl überwiegende Ansicht 184 von der Wirksamkeit der die Widmung berührenden Verfügungen aus. Das Rechtsgeschäft sei wirksam, nur die Ausübung der sich daraus ergebenden Befugnisse sei durch 183 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 73; ders., Jura 1979, S. 99 f.; unklar Wolff ! Bachof I, § 57 II b. Dort heißt es: „Privatrechtliche Geschäfte sowie Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder Enteignung sind unwirksam, soweit sie die widmungsgemäße Zweckbestimmung der öffentlichen Sache beeinträchtigen würden. Sie sind jedoch nicht schlechthin nichtig; nur die Geltendmachung der etwa begründeten Rechte ist ausgeschlossen, solange die öffentliche Zweckbindung andauert." 184 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 381 f.; Marschall, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 2 Rn. 3.3; Prandi! Gillessen, Art. 6 Anm. 7.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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die Widmung beschränkt. Soweit die Ausübung die öffentliche Zweckbestimmung beeinträchtige, sei der Eigentümer daran gehindert. Nicht die Verfügung, sondern die Geltendmachung der sich aus der Verfügung ergebenden Befugnisse scheitere an der Widmung. Den Unterschied zwischen beiden Ansichten verdeutlicht die Rechtslage am Straßengrundstück nach der Einziehung. Nach ersterer Ansicht müßte die Verfügung erneut vorgenommen werden, da sie, als die Widmung noch bestand, gemäß § 134 BGB nichtig war. Beeinträchtigt die Widmung hingegen nur die Ausübung der der Zweckbestimmung zuwiderlaufenden Befugnisse aus dem Eigentum oder anderen Rechten am Grundstück, bedarf es nach der Einziehung keiner erneuten Verfügung. Der Eigentümer oder sonstige Berechtigte hat nach der Einziehung, ohne daß es eines weiteren Rechtsgeschäfts bedarf, die Befugnisse nach § 903 BGB. Die Lösung der Frage nach dem rechtlichen Schicksal der die Widmung berührenden Verfügungen ergibt sich aus § 6 Abs. 6 StrWG NW und nicht aus § 134 BGB. § 134 BGB bestimmt die Nichtigkeit als Folge verbotswidriger Rechtsgeschäfte, wenn sich aus dem Gesetz nicht etwas anderes ergibt. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts folgt somit letztlich aus der Auslegung der speziellen Norm, nicht aus § 134 BGB. § 134 BGB hilft für die Entscheidung, ob die Verfügung nichtig ist oder nicht, nicht weiter. So schreibt Flume 185 : „Die Vorschrift des § 134 BGB besagt in Wirklichkeit nichts. Es wird in § 134 nicht etwa eine Vermutung oder eine Interpretationsregel für die Verbotsgesetze aufgestellt, daß diese „im Zweifel" die Nichtigkeit des verbotswidrigen Geschäfts begründeten. Was die Frage der Nichtigkeit anbetrifft, kommt es vielmehr jeweils ausschließlich auf das einzelne Verbotsgesetz an. Für das einzelne Verbotsgesetz muß, wenn die Nichtigkeitsfolge nicht ausdrücklich bestimmt ist, nach den Grundsätzen der Auslegung ermittelt werden, ob die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts dem Sinn des Verbotsgesetzes entspricht." Nach § 6 Abs. 6 StrWG NW sollen Verfügungen die Widmung nicht berühren. Damit normiert der Gesetzgeber kein Verbot von Verfügungen über das gewidmete Grundstück, im Gegenteil, er sieht sie als wirksam an. Ausgeschlossen ist nur die Beeinträchtigung der Zweckbestimmung durch die aufgrund der Verfügung erlangte Rechtsposition. Die Widmung steht der Geltendmachung der die Zweckbestimmung berührenden Befugnisse entgegen. Sie stellt eine Belastung des Eigentums dar, die einen lastenfreien Erwerb, aber nicht den Erwerb als solchen verhindert. Die Verfügung über das gewidmete Grundstück bewirkt kein Erlöschen der Widmung. Die Widmung bleibt bestehen, unabhängig davon, ob der Erwerber gut- oder bösgläubig hinsichtlich der Existenz der Widmung ist. Er ist zur Duldung der Belastung seines Grundstücks verpflichtet, selbst wenn 185 S. 341; ähnlich auch Larenz, S. 429; Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 646; anderer Ansicht Canaris, S. 15. 7*
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
ihm die Widmung unbekannt war. Seine Gutgläubigkeit ist nicht geschützt. Er wird zwar Eigentümer des gewidmeten Grundstücks; die Widmung bleibt aber als Belastung des Grundstücks weiterhin existent. aa) § 6 Abs. 6 StrWG NW und der gutgläubige Erwerb im Liegenschaftsrecht § 6 Abs. 6 StrWG NW ist für gewidmete Grundstücke keine Ausnahmeregelung zu § 936 BGB, der in der Literatur im Zusammenhang mit der Übertragung von gewidmeten Straßengrundstücken häufig genannt wird 1 8 6 . Nach § 936 BGB erlöschen Rechte Dritter an einer veräußerten Sache mit dem gutgläubigen Erwerb des Eigentums. Diese Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt aber nicht für Grundstücke. § 936 BGB regelt den lastenfreien gutgläubigen Erwerb nur bei Eigentumsübertragungen nach §§ 929 ff. BGB 1 8 7 . Das Eigentum an Grundstücken wird jedoch nicht nach §§ 929 ff. BGB, sondern gemäß §§ 873, 925 BGB durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch übertragen. Ein Schutz des „guten Glaubens" an das Nichtbestehen von Rechten Dritter ist bei Grundstükken gemäß § 892 BGB möglich 188 . Zugunsten desjenigen, der ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Rechte durch Rechtsgeschäft erwirbt, gilt der Inhalt des Grundbuchs als richtig, es sei denn, daß ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Erwerber bekannt ist (§ 892 Abs. 1 S. 1 BGB). Fehlt die Eintragung eines eintragungsfähigen Rechts, so gilt das Recht zugunsten des Erwerbers als nicht bestehend. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb ist aber nur möglich, wenn das entsprechende Recht überhaupt eintragungsfähig ist. § 6 Abs. 6 StrWG NW stellt also nur dann eine Ausnahmeregelung zu § 892 BGB dar, wenn die Widmung überhaupt in das Grundbuch eingetragen werden kann. bb) Die Eintragungsfähigkeit
der Widmung
Im Hinblick auf das kaum behandelte Problem der Eintragungsfähigkeit der Widmung in das Grundbuch sind zwei Konstellationen auseinanderzuhalten: zum einen, ob das Straßengrundstück überhaupt buchungspflichtig ist, zum anderen, ob die Widmung eingetragen werden kann.
186 Vgl. etwa Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 73; Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 5. 187 Bassenge, in: Palandt, § 936 Rn. 2; Quack, in: Münchener Kommentar, § 936 Rn. 11. ι«8 Zum gutgläubigen Erwerb im Liegenschaftsrecht Hager, S. 419 ff. mit weiteren Nachweisen.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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aaa) Die Buchungspflicht Nach § 3 Abs. 1 S . 1 GBO erhält jedes Grundstück im Grundbuch eine besondere Stelle, ein Grundbuchblatt. Ausgenommen von dem jedes Grundstück erfassenden Buchungszwang sind nach § 3 Abs. 2 lit. a GBO die Grundstücke des Bundes, der Länder, der Gemeinden und anderer Kommunalverbände, die als öffentliche Wege gewidmet sind. Das Grundbuch knüpft an die Widmung der Straßen an. Nur gewidmete Straßen sind buchungsfrei, tatsächlich öffentliche Wege unterfallen hingegen der Buchungspflicht 189 . Grundstücke, die als öffentliche Straße gewidmet sind, erhalten aber gemäß § 3 Abs. 2 lit. a GBO auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten ein Grundbuchblatt. Öffentliche Straßengrundstücke sind demnach nicht buchungspflichtig, aber buchungsfähig. Die in § 3 Abs. 2 lit. a GBO normierte Buchungsfähigkeit hat zur Folge, daß der Straßenbaulastträger die Möglichkeit besitzt, das Grundstück buchen zu lassen. Das Verfahren dafür richtet sich nach §§ 7 ff. der Verordnung zur Ausführung der Grundbuchordnung. Unterläßt er eine Buchung des als öffentliche Straße dienenden Grundstücks, so ist nach Art. 186 Abs. 2 EGBGB für die nichtgebuchten Grundstücke das Grundbuch trotzem als angelegt anzusehen. Gemäß Art. 189 Abs. 1 EGBGB sind daher auch für die nichtgebuchten Straßengrundstücke die Vorschriften des Liegenschaftsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches maßgebend. Die Übertragung des Eigentums an einem als öffentliche Straße dienenden Grundstück bedarf also auch der Auflassung und Eintragung nach den §§ 873, 925 BGB. Die Eintragung des Eigentumsübergangs aber setzt neben dem Antrag (§ 13 GBO) und der Eintragungsbewilligung oder Auflassung (§§ 19, 20 GBO) auch die Voreintragung des Betroffenen (§§ 39,40 GBO) voraus. Veräußert also der Straßenbaulastträger das Straßengrundstück, so muß er vorher einen Antrag auf Buchung des Grundstücks gestellt haben. Dies gilt auch für die Belastung eines buchungsfreien Grundstücks mit Rechten Dritter. Eine Ausnahme hinsichtlich des Art. 189 Abs. 1 EGBGB ergibt sich aus Art. 127 EGBGB für den Eigentumsübertrag an buchungsfreien Grundstücken. Nach Art. 127 EGBGB ist keine Buchung des Grundstücks erforderlich, wenn das Grundstück auch in der Hand des neuen Eigentümers nicht buchungspflichtig ist 1 9 0 . In diesem Fall kann das Landesrecht die Form der Übereignung abweichend von §§ 873,925 BGB regeln, insbesondere also die Grundbucheintragung entbehrlich machen 191 . Ein möglicher Fall, in dem ein Eigentümerwechsel ohne Eintragung geschieht, ist der des § 10 Abs. 1 StrWG NW. Beim Wechsel der Straßenbaulast geht das Eigentum des bisherigen Trägers der Straßenbaulast an der Straße entschädigungslos auf den 189 Nowak, in: Meikel / Böhringer, § 3 Rn. 31. 190 Eickmann, in: Kuntze / Erti / Hermann / Eickmann, §3 Rn. 5; Bassenge, in: Palandt, Art. 127 EGBGB, Rn. 1. 191 Die landesrechtlichen Bestimmungen sind aufgeführt bei Nowak, in: Meikel/ Böhringer, § 3 Rn. 36 Fn. 29.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
neuen Träger der Straßenbaulast über, soweit das Eigentum bisher bereits dem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband zustand 192 . § 10 Abs. 1 StrWG NW normiert einen gesetzlichen Eigentumsübergang, eine Buchungspflicht würde also für diesen Fall nicht bestehen. Jedoch verlangt § 13 Abs. 1 StrWG NW beim Übergang des Eigentums nach § 10 Abs. 1 StrWG NW die Berichtigung des Grundbuchs durch die Straßenbaubehörde des neuen Straßenbaulastträgers. § 13 Abs. 1 StrWG NW beseitigt zwar nicht die nach § 3 Abs. 2 lit. a GBO bestehende Buchungsfreiheit, verpflichtet aber mittelbar durch die Pflicht, Rechtsänderungen einzutragen, zur Anlegung eines Grundbuchblattes. Im Ergebnis besteht somit trotz der Regelung in § 3 Abs. 2 lit. a GBO eine Buchungspflicht für gewidmete Grundstücke, die sich im Eigentum des Bundes, der Länder oder der Gemeinden befinden. bbb) Die Eintragungsfähigkeit der Widmung Sind neben den im privaten Eigentum stehenden Straßengrundstücken auch die im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Grundstücke buchungspflichtig, so stellt sich für beide die Frage, ob die Widmung eintragungsfähig ist. Welche Rechte eintragungsfähig sind, ergibt sich nicht aus einer umfassenden gesetzlichen, etwa in der Grundbuchordnung zu findenden Normierung. Nach allgemeiner Ansicht 193 sind eintragungsfähig alle dinglichen Rechte, Vormerkungen, Widersprüche, Verfügungsbeschränkungen und sonstigen Vermerke, deren Eintragung entweder im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben oder zugelassen ist oder deren Eintragungsfähigkeit sich auch ohne ausdrückliche Normierung aus dem Gesetzeszusammenhang ergibt. Bei der Widmung und der daraus resultierenden öffentlichen Sachherrschaft handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Beschränkung. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen sind nach überwiegend vertretener Ansicht nicht eintragungsfähig 1 9 4 . Dies ergibt sich aus der Funktion des Grundbuchs als Spiegel der privaten dinglichen Rechte. Das Grundbuch ist die Rechtsgrundlage für den Verkehr mit Grundstücken und Gebäuden, für die Beziehungen zwischen Eigentümer und dinglich Berechtigten. Es gibt Auskunft über bestehende Belastungen des Grundstücks. Daraus entspringen die Warn- und die Schutzfunktion, die das Grundbuch für den Grundstücksverkehr erfüllt. Diese Funktionen des Grundbuchs, die sich in der gesetzlichen Vermutung nach § 891 BGB sowie im öffentlichen Glauben des Grundbuchs gemäß § 892 BGB manifestieren, beziehen sich nur auf private Rechte.
192 Zu den dabei entstehenden Problemen Fickert, § 10 Rn. 2 ff. 193 Erti, in: Kuntze / Erti / Hermann / Eickmann, Einl. Β 2 mit weiteren Nachweisen. 194 Bassenge, in: Palandt, Überl. v. § 873 Rn. 9; Hagen, in: Erman, Vor § 873 Rn. 5; Baur, § 15 IV 3.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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Der Grundsatz, daß öffentlich-rechtliche Rechte nicht eintragungsfähig sind, kommt in § 54 GBO zum Ausdruck. Danach sind die auf einem Grundstück ruhenden öffentlichen Lasten 195 als solche von der Eintragung in das Grundbuch ausgeschlossen, es sei denn, daß ihre Eintragung gesetzlich besonders zugelassen oder angeordnet ist. Zwar stellt die Widmung keine öffentliche Last im Sinne des § 54 GBO dar, jedoch zeigt diese Regelung, daß das Grundbuchrecht nur dann die Eintragungsfähigkeit öffentlicher Rechte und Lasten vorsieht, wenn dies ausdrücklich normiert ist. Hinzu kommt der Unterschied zwischen der Widmung und den eintragungsfähigen privaten Rechten in der Art der Entstehung. Die Widmung als öffentliche Beschränkung entsteht durch Staatsakt, und sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit keiner Eintragung. Eine Dienstbarkeit oder eine Hypothek hingegen erfordern für ihre Wirksamkeit die Eintragung in das Grundbuch. Daher vermag der öffentliche Glaube des Grundbuchs die Widmung nicht zu erfassen. Die Art der Entstehung der Widmung verhindert die Eintragungsfähigkeit. Ob das Ergebnis der Nichteintragungsfähigkeit der Widmung befriedigt, mag dahinstehen. Nach der heutigen Rechtslage ist die Eintragung der Widmung in das Grundbuch nicht möglich. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des Grundstücks nach § 892 BGB ist somit nicht möglich. § 6 Abs. 6 StrWG NW ist hinsichtlich der Übertragung von Grundstücken kein Ausnahmetatbestand zu den Vorschriften des Liegenschaftsrechts. cc) Zwischenergebnis Durch die Verfügung wird der Erwerber eines gewidmeten Straßengrundstücks Eigentümer, jedoch ist ihm die Ausübung der ihm nach § 903 BGB zustehenden Befugnisse nur möglich, soweit sie nicht die Widmung berühren. Die Widmung lastet weiterhin auf dem Straßengrundstück. Sie kann dazu führen, daß das Grundstück keinen oder nur einen sehr geringen Wert für den Erwerber hat 196 . Dem Käufer bleibt nur die Möglichkeit, gegenüber dem Verkäufer Rechtsmängelansprüche gemäß § 434 BGB geltend zu machen.
b) Der Umfang der Belastung Der in der Widmung festgelegte Zweck, dem die Straße dienen soll, begrenzt die Ausübung der Eigentümerbefugnisse oder der Befugnisse aus anderen Rech-
195 Zum Begriff „öffentliche Lasten": Jäger, DVB1 1979, S. 24 ff.; Bartels, S. 124 ff.; Horber / Demharter, § 54 Anm. 2. 196 So heißt es etwa bei Büchs, S. 502: „Dem öffentlichen Verkehr dienende private Wegeflächen haben, soweit keine Umwidmungschance besteht, in der Regel weder einen Verkehrswert noch einen Vermögenswert."
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
ten am Grundstück. Alle im Rahmen der Widmung liegenden Nutzungen kann der Eigentümer nicht verhindern. Dies gilt auch für solche Nutzungen des Grundstücks, die nicht im Rahmen des Widmungszwecks liegen, jedoch diesen beeinträchtigen. Bei über den Gemeingebrauch und damit den Widmungszweck hinausgehenden Nutzungen, den sogenannten Sondernutzungen, ist zu unterscheiden zwischen Gemeingebrauch beeinträchtigenden und nicht beeinträchtigenden Nutzungen. Nach § 23 Abs. 1 StrWG NW richtet sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums der Straßen, wenn sie den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigen, nach bürgerlichem Recht. In diesem Fall hat der öffentliche Sachherr keine Regelungsbefugnis, sondern allein der bürgerlich-rechtliche Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigte. Für den Gemeingebrauch beeinträchtigende Nutzungen gilt § 18 Abs. 1 StrWG NW. Die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus bedarf der Sondernutzungserlaubnis durch die Straßenbaubehörde. Die Entscheidung über die Zulässigkeit einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden und diesen beeinträchtigenden Nutzung obliegt also dem öffentlichen Sachherrn, der allein und eigenverantwortlich entscheidet. Eine Gestattung oder Zustimmung durch den zivilrechtlichen Eigentümer ist daneben für die Zulässigkeit der den Gemeingebrauch beeinträchtigenden Sondernutzung nicht erforderlich 197 . Dies folgt bereits aus dem Wortlaut und der Systematik der §§ 18, 23 StrWG N W 1 9 8 . Das Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu § 6 Abs. 6 StrWG NW. Die Beschränkung der Ausübung der durch Verfügung erlangten Position erstreckt sich auf alle die Widmung und den Widmungszweck berührenden Maßnahmen. Dazu zählt auch die Entscheidung, wer den Widmungszweck in welchem Umfang beeinträchtigen darf. Die Entscheidung über die Zulässigkeit solcher Nutzung berührt die Widmung. Sie obliegt daher allein der Straßenbaubehörde und nicht dem Eigentümer. Der Eigentümer hat den widmungsgemäßen Gebrauch und den darüber hinausgehenden Gebrauch, der die Widmung beeinträchtigt, zu dulden 199 . 197 So aber Zippelius, DÖV 1958, S. 864 f.; ders., Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 153 ff.; ders., DÖV 1980, S. 923 f.; Böttcher, DÖV 1969, S. 491; Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 37. — Anders die heute überwiegende Ansicht Fickert, § 18 Rn. 4 ff.; Marschall, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 8 Rn. 22; Walprecht / Cosson, § 18 Rn. 167; Werner Weber, VVDStRL 21 (1964), S. 156; Kodal / Krämer, Kap. 26 Rn. 7 ff.; Ziegler, DVB1 1976, S. 90 f.; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 20; BayObLG, DÖV 1980, S. 728 ff. 198 Ein anderes System der Erteilung der Sondemutzungserlaubnis als das hier dargestellte findet sich in den Ländern Hamburg und Berlin. Das Hamburger Wegegesetz unterwirft die Sondemutzung ausschließlich dem öffentlichen Recht (§19 Abs. 1); das Berliner Straßengesetz verlangt neben der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis auch die Einwilligung des Eigentümers (§10 Abs. 1). 199 Dazu zählt auch der Anliegergebrauch (§ 14a StrWG NW), der über den widmungsgemäßen Gebrauch der Straße hinausgeht. Der Anlieger kann die Straße über den Widmungszweck hinaus nutzen, soweit dies für eine angemessene Nutzung des Anlieger-
. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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In diesem Umfang ist die Ausübung der durch privatrechtliche Verfügung oder Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder Enteignung erlangten Befugnisse nicht möglich. c) Die Art der Verfügung aa) Privatrechtliche
Verfügungen
Zu den privatrechtlichen Verfügungen zählen nicht nur Rechtsgeschäfte zwischen Straßenbaulastträger und einem davon verschiedenen Grundstückseigentümer, sondern vor allem solche, die der Grundstückseigentümer mit einem Dritten vornimmt. Einer Verfügung des Straßenbaulastträgers über das Eigentum an dem als öffentliche Straße dienenden Grundstück steht § 11 Abs. 1 StrWG NW entgegen. Danach soll der Träger der Straßenbaulast das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben. Dieser Verpflichtung würde der nachträgliche Verkauf des Grundstücks und die daraus resultierende Verfügung über das Eigentum widersprechen. Hauptanwendungsfall des § 6 Abs. 6 StrWG NW ist somit die Verfügung eines Privaten über das Straßengrundstück. Der Begriff „privatrechtliche Verfügung" eifaßt sowohl Rechtsübergänge im Wege der Einzel- als auch der Gesamtrechtsnachfolge. Wegen des eindeutigen Wortlauts bezieht sich die Beschränkung des § 6 Abs. 6 StrWG NW nur auf rechtliche Handlungen. Mit dem Begriff „Verfügung" knüpft das Straßen- und Wegegesetz an die zivilrechtliche Terminologie an. Verfügung ist Übertragung, Aufhebung, Belastung oder Inhaltsänderung eines Rechts 200 . Keine privatrechtlichen Verfügungen sind tatsächliche Handlungen, wie etwa die Störung des Widmungszwecks durch faktische Maßnahmen 201 . Indem der Straßenrechtsgesetzgeber die Rechtsfolgen privatrechtlicher Verfügungen im Hinblick auf die Widmung normiert, regelt er auch bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisse. Es drängt sich somit die Frage auf, inwieweit der Landesgesetzgeber dafür überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz besitzt. Zum einen könnte die Regelung dem aus den Artikeln 3,55 und 218 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch herzuleitenden Kodifikationsprinzip widersprechen, das dem BGB inhaltlich nicht entsprechende oder das BGB ergänzende Vorschriften verbietet. Zum anderen könnte dem Landesgesetzgeber die Kompetenz zum Erlaß einer solchen Regelung aus Gründen der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern fehlen. Nach Art. 74 Nr. 1 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf das „bürgerliche Recht". Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des § 6 Abs. 6 StrWG NW
grundstücks erforderlich ist und den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt. 200 Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 208. 201 Anderer Ansicht Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 75.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
bemißt sich also danach, was „bürgerliches Recht" umfaßt, insbesondere, ob auch die Rechtsverhältnisse an gewidmeten Straßengrundstücken unter den Begriff „bürgerliches Recht" fallen. Bürgerliches Recht erfaßt nicht nur die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern es zählen dazu auch die Nebengesetze des Privatrechts 202. Welche Rechtsgebiete zum „bürgerlichen Recht" zu rechnen sind, läßt sich dem Wortlaut des Art. 74 Nr. 1 GG allein nicht entnehmen. Helfen kann insoweit nur eine historische Betrachtung, der für die Interpretation ein erhebliches Gewicht zukommt 203 . Legt man die historische Entwicklung des Begriffes zugrunde, meint „bürgerliches Recht" die Ordnung von Individualrechtsverhältnissen 204, nicht aber die Leistungsbeziehungen des Bürgers zur öffentlichen Verwaltung. Die Ordnung von Rechtsverhältnissen an Sachen, die der Allgemeinheit dienen, gehören nicht mehr zum „bürgerlichen Recht". So führt das Bundesverfassungsgericht205 aus: „Die für den allgemeinen Verkehr geschaffene und hierfür gewidmete sowie für seine Zwecke unterhaltene Verkehrsfläche ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch Besonderheiten geprägt, die mit dem Wesen und der Funktion des bürgerlichen Rechts kaum noch einen Zusammenhang aufweisen." Daraus folgt, daß es sich bei der Regelung der Rechtsverhältnisse an gewidmeten Straßengrundstücken nicht um bürgerliches Recht handelt. Die Kompetenz zur Regelung der Rechtsverhältnisse an Straßen ergibt sich vielmehr für den Bund aus Art. 74 Nr. 22 GG für die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen. Für die übrigen Straßen liegt die Kompetenz gemäß Art. 70 GG bei den Ländern. § 6 Abs. 6 StrWG NW verstößt insoweit weder gegen das Kodifikationsprinzip noch gegen die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung. bb) Verfügungen
im Wege der Zwangsvollstreckung
Ausgeschlossen ist ebenfalls die Beeinträchtigung der Widmung und damit des Widmungszwecks durch Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung 206. Die Immobiliarvollstreckung in Grundstücke durch Eintragung einer Sicherungshypothek (Zwangshypothek), durch Zwangsversteigerung oder durch ΖwangsVerwaltung kann die Funktion des Grundstücks als öffentliche Straße nicht beeinträchtigen; die Widmung bleibt weiterhin bestehen. Hinsichtlich der Kompetenz des Gesetzgebers zum Erlaß dieser Regelung gilt das oben zum BGB Gesagte entsprechend. Bei der Zwangsvollstreckung handelt es sich um ein „gerichtliches Verfahren" im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG 2 0 7 , jedoch stellt die Regelung der 202 Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 100 Rn. 129. 203 Rengeling, ebd., Rn. 126; BVerfGE 33, 52 (61); 42, 20 (29); 61, 149 (174 ff.). 204 Dazu ausführlich BVerfGE 42, 20 (29 ff.). 205 E 42, 20 (32). 206 Vgl. Zeller I Stöber, § 15 Anm. 21.3. 207 Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 100 Rn. 138.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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Auswirkungen der Zwangsvollstreckung auf die als öffentliche Straße dienenden Grundstücke einen Sonderfall dar, der nicht zu den Rechtsnormen über die verfahrensmäßige Behandlung von Angelegenheiten durch die Gerichte gehört. § 882a ZPO steht dem nicht entgegen. Nach § 882a Abs. 2 S. 1 ZPO ist eine Zwangsvollstreckung in Sachen unzulässig, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht. Entsprechende Vorschriften finden sich in § 170 Abs. 3 VwGO und § 152 Abs. 2 FGO. § 882a ZPO 2 0 8 unterscheidet sich grundlegend von der Regelung in § 6 Abs. 6 StrWG NW. Während letztere die Zwangsvollstreckung als solche nicht für unzulässig erklärt, spricht § 882a Abs. 2 ZPO das Verbot der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung aus. Das Verbot gilt aber nur für Sachen, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind, was bedeutet, daß nicht die Widmung, sondern die Unentbehrlichkeit entscheidendes Kriterium und Anknüpfungspunkt für den Schutz vor der Zwangsvollstreckung ist 2 0 9 . § 882a Abs. 2 ZPO hat keinen spezifisch straßenrechtlichen Inhalt. Außerdem erfaßt § 882a Abs. 2 ZPO Straßengrundstücke nicht, da Sachen im Sinne dieser Vorschrift nur Sachen im Sinne des § 808 ZPO, also bewegliche Sachen sind 210 . cc) Verfügungen
im Wege der Enteignung
Enteignung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 211 ein durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgender gezielter konkret-individueller Zugriff auf das Eigentum, der zu einer vollständigen oder teilweisen Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen führt. § 6 Abs. 6 StrWG NW verbietet die Enteignung eines gewidmeten Straßengrundstücks nicht. Die Vorschrift zeigt, daß ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der die Enteignung öffentlicher Sachen ausschließt, nicht existiert. Das gewidmete Grundstück kann ebenso wie ein nicht gewidmetes Grundstück enteignet werden. Die Enteignung beseitigt nur nicht die durch Widmung getroffene Zweckbestimmung des Grundstücks. Diese bleibt bestehen; der neue Eigentümer kann seine Befugnisse nur insoweit ausüben, als sie nicht die Widmung berühren. 208
Zu den kompetenzrechtlichen Problemen der Einführung des §§ 882a ZPO und der damit verbundenen Neufassung des § 15 Nr. 3 EGZPO, BVerfGE 60, 135 (149 ff.). 209 Egon Schneider, MDR 1985, S. 642; Stöber, in: Zöller, § 882a Rn. 3; Rosenberg / Gaul / Schilken, S. 25; anderer Ansicht Miedtank, S. 54 ff., der den gesamten Bereich öffentlicher Sachen als unpfändbar ansieht, weil deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht. Dabei übersieht er jedoch, daß diese Formulierung nur klarstellende Bedeutung hat und auch an die Unentbehrlichkeit anknüpft. 210 Münzberg, in: Stein/ Jonas, § 882a Rn. 19; Stöber, in: Zöller, § 882a Rn. 3. — § 808 erfaßt nur körperliche bewegliche Sachen, vgl. Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach, § 808 Anm. 1. 211 Vgl. etwa BVerfGE 58, 300 (331); 70, 191 (199 f.); 72, 66 (76). Zum Begriff der Enteignung und den in der Literatur vertretenen Theorien Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 149 Rn. 148 ff., 168 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 142 ff.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
Die Enteignung des gewidmeten Grundstücks muß den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügen. Zusätzlich verlangt der Gesetzgeber in NordrheinWestfalen 212 , daß die mit der Enteignung angestrebte Benutzung weder im Widerspruch zur Widmung steht noch den Bestand der Straße beeinträchtigt (§ 24 StrWG NW). Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Enteignung zulässig. d) § 6 Abs. 6 StrWG NW als Ausdruck der öffentlichen Sachherrschaft im Straßenrecht § 6 Abs. 6 StrWG NW schließt eine Beeinträchtigung der Widmung durch privatrechtliche Verfügungen oder Verfügungen im Wege der Zwangsvollstrekkung oder der Enteignung aus. Damit hat der Gesetzgeber den Vorrang der Widmung gegenüber anderen Rechten normiert. Das Straßengrundstück bleibt zwar Objekt des Privatrechtsverkehrs, jedoch werden die bürgerlich-rechtlichen Befugnisse des Eigentümers oder eines anderen Berechtigen an dem Grundstück aufgrund der Widmung überlagert und verdrängt. Die in § 6 Abs. 6 StrWG NW geregelte Sonderstellung der Widmung ist Ausdruck der Theorie des modifizierten Privateigentums. Die privatrechtliche Herrschaftsmacht findet ihre Grenze in der Widmung, in der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung der Straße. Neben die privatrechtliche Herrschaft über die Sache tritt aufgrund der Widmung in deren Umfang noch die öffentliche Sachherrschaft. An dem gewidmeten Straßengrundstück bestehen somit zwei Sachherrschaften, eine private und eine öffentliche. Im Fall der Konkurrenz tritt, wie § 6 Abs. 6 StrWG NW zeigt, die private Sachherrschaft zurück.
2. Die Befugnisse des öffentlichen Sachherrn Die Untersuchung des § 6 Abs. 6 StrWG NW hat gezeigt, daß der öffentlichen Straße ein besonderer Schutz, eine Sonderstellung zukommt. Obwohl die Vorschrift nur das Straßengrundstück oder Rechte an ihm, nicht hingegen einzelne Bestandteile der Straße wie Straßenschilder oder Verkehrsampeln erwähnt, haben sie die gleiche rechtliche Sonderstellung. Nach § 2 Abs. 2 StrWG NW gehören sie nämlich zur öffentlichen Straße und unterliegen damit auch der Widmung zum öffentlichen Verkehr. § 6 Abs. 6 StrWG NW regelt aber nur einen Teilaspekt der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, nämlich den Schutz vor rechtlichen Verfügungen. Dadurch wird die Zweckbestimmung öffentlich-rechtlicher Straßen zwar in einem wesentlichen Bereich gewährleistet, vor tatsächlichen Beeinträchtigungen, etwa dem Aufstellen von Straßensperren durch den Eigentümer oder vor Beschädigungen der Straße schützt § 6 Abs. 6 StrWG NW hingegen nicht. 212 Vgl. auch § 22 HessStrG und § 23 SaarlStrG.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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Hier stellt sich die Frage, wie der öffentliche Sachherr Störungen und Beschädigungen der Straße abwehren kann und welche Befugnisse ihm die auf der Widmung beruhende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft gibt. Die Befugnis des öffentlichen Sachherrn, kraft öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft die Unterlassung und Beseitigung von Störungen zu verlangen sowie Ansprüche auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Straße geltend zu machen, wird im Ergebnis übereinstimmend bejaht. Die Rechtsnatur, der Umfang und die Durchsetzung der sich aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft ergebenden Ansprüche ist hingegen umstritten, ohne daß bisher eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Problemen erfolgt ist. Die Befugnisse, die aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft entspringen, behandelt die Literatur oftmals gar nicht oder nur sehr knapp 213 . Werden sie thematisiert, geschieht dies meist für alle öffentlichen Sachen gemeinsam, die spezifisch straßenrechtlichen Bedingungen und Voraussetzungen werden kaum berücksichtigt. Die bei der allgemeinen Behandlung angebotenen Lösungsvorschläge differieren erheblich, eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen anderen Ansicht findet nur selten statt. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Ansprüche aus der öffentlichen Sachherrschaft im Hinblick auf die öffentliche Straße nur in sehr geringem Umfang Gegenstand wissenschaftlicher Beschäftigung sind. Im folgenden werden die Befugnisse aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft näher untersucht. Ausgangspunkt sind die im Straßen- und Wegegesetz geregelten Befugnisse des öffentlichen Sachherrn. Erst wenn dort Regelungslücken festgestellt werden, kann auf das allgemeine Institut der öffentlichen Sachherrschaft zurückgegriffen werden.
a) Straßen- und wegerechtliche Befugnisse aa) Die Sondernutzung Die wichtigste gesetzlich geregelte Befugnis des öffentlichen Sachherrn zur Verhinderung von Störungen und Beschädigungen öffentlicher Straßen stellt die in § 18 StrWG NW normierte Erlaubsnispflicht für Sondernutzungen 214 dar. Der widmungswidrige Gebrauch bedarf einer Erlaubnis durch die Straßenbaubehörde, die nur auf Zeit und auf Widerruf erteilt und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§18 Abs. 2 S. 1 StrWG NW). Die Erteilung 21
3 Beispielhaft sei hier nur das Lehrbuch von Pappermann I Lohr / Andriske erwähnt. Während Pappermann / Lohr in ihrer Darstellung des Rechts der öffentlichen Sachen in JuS 1980, S. 191 (197), auf der das spätere Buch beruht, noch einen Fall zum Schutz öffentlicher Sachen gegenüber Beeinträchtigungen durch Dritte bringen, verzichten sie in ihrem Lehrbuch ganz darauf. 214 Eine ausführliche Aufstellung, welche Straßenbenutzungen als Sondernutzungen zu klassifizieren sind, findet sich bei Sieder ! Zeitler, Art. 18 Rn. 51.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
der Sondernutzungserlaubnis steht im Ermessen der zuständigen Behörde, die ihre Ermessensbetätigung an dem Schutz der Straßensubstanz sowie der widmungsgemäßen Nutzung der Straße orientieren muß 2 1 5 . Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis mit Nebenbestimmungen oder die Versagung der Sondernutzungserlaubnis gibt dem öffentlichen Sachherrn die Möglichkeit, Störungen und Beschädigungen der öffentlichen Straße zu verhindern. Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer den mit der Sondernutzung verbundenen Auflagen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen. § 22 StrWG NW ermöglicht der Straßenbaubehörde, bei unerlaubter Sondernutzung einzuschreiten und diese zu verbieten 216 . Auf diese Weise kann die Straßenbaubehörde selbst Beeinträchtigungen des Verkehrs durch unerlaubte Straßenbenutzung verhindern. Würde eine solche Norm fehlen, so hätte die Straßenbaubehörde auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen im Straßenund Wegegesetz keine Möglichkeit, selbst die unerlaubte Nutzung zu sanktionieren. Sie wäre vielmehr auf die Unterstützung durch die zuständige Ordnungsbehörde, für deren Handeln das Opportunitätsprinzip 217 gilt, angewiesen218. Eine vorsätzliche oder fahrlässige unerlaubte Sondernutzung stellt nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NW eine Ordnungswidrigkeit dar, die gemäß § 59 Abs. 2 StrWG NW mit einer Geldbuße bis zu 1 000 D M geahndet werden kann 219 . bb) Die Reinigungspflicht
(§17 StrWG NW)
§ 17 StrWG NW normiert eine Reinigungspflicht bei über das übliche Maß hinausgehender Verunreinigung. Der Verursacher hat die Verunreinigung ohne Aufforderung unverzüglich zu beseitigen, anderenfalls kann der Straßenbaulastträger sie auf dessen Kosten beseitigen. Die Reinigungspflicht betrifft nur die Teilnehmer am Gemeingebrauch, nicht hingegen den Straßenanlieger, den Erlaubnisnehmer von Sondernutzungen 220 oder einen vom Straßenbaulastträger verschiedenen Straßeneigentümer 221. Deutlich bringt dies § 7 Abs. 3 FStrG zum 215 Umstritten ist, inwieweit neben den wegerechtlichen Ermessensbindungen auch noch andere Gesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt werden können. Vgl. dazu Papier„ Recht der öffentlichen Sachen, S. 105 f.; Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 34; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 93 f.; Sieder / Zeitler, Art. 18 Rn. 20. 216 Zum Verfahren Fickert, § 22 Rn. 2. 217 Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 370 ff. 218 BVerwG, DÖV 1975, S. 208. 219 Zur Zuständigkeit und zum Verfahren Fickert, § 59 Rn. 7 ff. 220 Inwieweit § 17 StrWG NW analog auf Verunreinigungen aufgrund einer Sondernutzung anzuwenden ist, ist umstritten. Vgl. dazu Brohm, JZ 1989, S. 328, Fn. 21. 221 Fickert, § 17 Rn. 1.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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Ausdruck, dem § 17 StrWG NW nachgebildet ist: „Wer eine Bundesstraße aus Anlaß des Gemeingebrauchs über das übliche Maß hinaus verunreinigt, hat die Verunreinigung ohne Aufforderung unverzüglich zu beseitigen . . . " Die Reinigungspflicht nach § 17 StrWG NW stellt einen Sonderfall neben der verkehrsmäßigen und polizeimäßigen Reinigungspflicht dar 222 . Im Unterschied zur verkehrsmäßigen Reinigungspflicht des Straßenbaulastträgers setzt § 17 StrWG NW keine verkehrsgefährdende Verschmutzung voraus; im Unterschied zur polizeimäßigen Reinigungspflicht, die im Straßenreinigungsgesetz geregelt ist, richtet sich § 17 StrWG NW nur an den Teilnehmer am Gemeingebrauch, dies aber auf allen Straßen, und nicht nur in geschlossenen Ortschaften 223. Wann eine das übliche Maß überschreitende Verunreinigung vorliegt, hängt von dem durch die Widmung festgelegten Zweck und der Verkehrsbedeutung der Straße ab. Die Beurteilung richtet sich also nach dem jeweiligen Einzelfall 224 . Beispiele für das übliche Maß überschreitende Verunreinigungen sind der Verlust von Öl oder von Ladegut, die Verschmutzung von Gehwegen durch Hundekot 225 oder das Wegwerfen von Kleinabfällen während einer Großdemonstration 226. Kommt der Verursacher 227 seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Beseitigung der Verunreinigung nicht nach, so kann und muß der Straßenbaulastträger aufgrund seiner Verkehrssicherungspflicht und den sich aus der Straßenbaulast ergebenden Pflichten die Verunreinigung beseitigen. Die dabei entstehenden Kosten kann er mittels Leistungsbescheid geltend machen und im Wege der Verwaltungsvollstreckung beitreiben 228 . In inhaltlich engem Zusammenhang mit § 17 StrWG NW steht § 32 StVO 2 2 9 . § 32 StVO verbietet die Straße zu beschmutzen, zu benetzen oder Gegenstände auf die Straße zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Der dafür Verantwortliche hat den verkehrswidrigen Zustand unverzüglich zu
222 Wendrich, NZV 1990, S. 92; Sieder / Zeitler, Art. 16 Rn. 1; anderer Ansicht Fikkert, § 17 Rn. 1, der § 17 StrWG NW als Regelung der verkehrsmäßigen Reinigungspflicht ansieht. 223 Zu den Begriffen verkehrsmäßige und polizeimäßige Reinigung und deren Inhalt Wendrich, NZV 1990, S. 89 ff.; Ott, S. 33 ff.; ders., DÖV 1978, S. 160 ff. 224 Fickert, § 17 Rn. 1. 225 Zur Verschmutzung von Gehwegen durch Hundekot Kunz, DÖV 1983, S. 189 ff. 226 So das Bundesverwaltungsgericht, JZ 1989, S. 342 ff., das aber im konkreten Fall eine Kostenerstattungspflicht aus § 17 StrWG NW verneinte, weil es am Tatbestandsmerkmal „unverzüglich" fehlte: Unverzüglich bedeute ohne schuldhaftes Zögern. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts lag keine schuldhafte Verletzung der Straßenreinigungspflicht vor. Vgl. zu dem Problemkreis Brohm, JZ 1989, S. 327 f., 330 f. 227 in erster Linie wird dies der Straßenbenutzer sein. Eine weitere Verantwortlichkeit kann sich auch aus der Figur des Zweckveranlassers ergeben. Siehe dazu im Hinblick auf die Demonstration auf öffentlichen Straßen Brohm, JZ 1989, S. 331. 228 Fickert, § 17 Rn. 10. 229 Zur verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit beider Normen Fickert, § 17 Rn. 2; Sieder ! Zeitler, Art. 16 Rn. 2.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
beseitigen. Beispiele solcher verkehrswidrigen Zustände sind etwa ausgelaufenes Öl, verlorene Gegenstände oder Verunreinigungen durch Ackerschmutz 230 . Ein Verstoß gegen § 32 StVO bedeutet eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO. Wie sich aus der zu § 32 StVO erlassenen Verwaltungsvorschrift ergibt 231 , bleibt aber die auf anderen Gesetzen beruhende Befugnis, den verkehrswidrigen Zustand auf Kosten des Verantwortlichen zu beseitigen, unberührt. Neben der Verhängung eines Ordnungsgeldes kann der Verantwortliche auch mit den Kosten der Beseitigung belastet werden. Weitere Befugnisse neben der zur Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen und der Befugnis zum Verbot unerlaubter Sondernutzungen (§ 22 StrWG NW) und dem Anspruch aus § 17 StrWG NW wegen Verunreinigung der öffentlichen Straße hat der öffentliche Sachherr nach nordrhein-westfälischem Straßen- und Wegerecht nicht. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft ist damit nur unvollständig geregelt. So sind weder alle faktischen Störungen des Widmungszwecks Sondernutzungen, noch sind Verunreinigungen die einzig mögliche Form der Beschädigung öffentlicher Straßen.
b) Befugnisse aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft Weitergehende Befugnisse könnten sich aus der durch Widmung begründeten öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft ergeben. Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, genießen Straßen aufgrund der Widmung eine besondere rechtliche Stellung. Sie unterliegen einem öffentlich-rechtlichen Rechtsregime, einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft. Ausprägungen der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft sind die Verdrängung konkurrierender privatrechtlicher Befugnisse (§ 6 Abs. 6 StrWG NW) sowie die eben behandelte Befugnis zur Sondernutzungserteilung und der Anspruch auf Kostenersatz. Welche Befugnisse die öffentliche Sachherrschaft dem öffentlichen Sachherrn weiter gewährt, wird im folgenden untersucht. Dafür ist es zunächst erforderlich, den Inhalt der öffentlichen Sachherrschaft zu präzisieren. aa) Öffentliche Sachherrschaft an öffentlichen in Rechtsprechung und Literatur
Straßen
Literatur und Rechtsprechung bedienen sich zweier Kriterien zur Kennzeichnung der öffentlichen Sachherrschaft. Zum einen habe die öffentliche Sachherrschaft dingliche Wirkung, zum anderen sei sie in ihrer Funktion und ihrem Inhalt nach einer Dienstbarkeit nach den §§ 1018 ff. BGB vergleichbar. 230 Vgl. die Aufzählung bei Jagusch / Hentschel, § 32 Rn. 7; Mühlhaus / Janiszewski, § 32 Rn. 2 ff. 231 Abgedruckt bei Mühlhaus / Janiszewski, § 32; Jagusch ! Hentschel, § 32.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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aaa) Die Dinglichkeit Mit der Bezeichnung der öffentlichen Sachherrschaft als „dinglichem" Recht wird an die im bürgerlichen Recht bestehende Trennung von dinglichen und obligatorischen Rechten angeknüpft. Abgesehen von für die Untersuchung der öffentlichen Sachherrschaft zu vernachlässigenden Unterschieden 232 haben sich zwei Merkmale herauskristallisiert, um das Wesen eines dinglichen Rechts zu charakterisieren: die unmittelbare Zuordnung einer Sache zu einer Person und die Absolutheit der Sachzuordnung 233. Das dingliche Recht ordnet eine Sache unmittelbar dem Vermögen des Rechtsinhabers zu; es erfaßt die Sache selbst. Dahingestellt bleiben kann, ob damit ein Rechtsverhältnis zwischen Person und Sache oder zwischen einer Person und einer unbestimmten Zahl von Personen im Hinblick auf die Sache entsteht 234 . Wesentlich ist vielmehr, daß kraft der Zuordnung der Sache in das Vermögen des Rechtsinhabes dieser nach seinem Belieben mit ihr verfahren und jedermann von ihrer Nutzung ausschließen kann. Während ein obligatorisches Recht nur eine Beziehung zwischen den Vertragsparteien herstellt, richtet sich das dingliche Recht an einer Sache gegen jedermann. Nach § 903 S. 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Die Absolutheit der unmittelbaren Sachzuordnung äußert sich in drei Punkten 235 : dem umfassenden Klageschutz, dem Verfügungs- bzw. Sukzessionsschutz und der Konkurs- sowie Zwangsvollstreckungsfestigkeit. Der dingliche Rechtsinhaber hat gegenüber jedermann Herausgabe-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Während obligatorische Rechte dem Grunde nach nur Ansprüche gegen den Schuldner gewähren, richten sich dingliche Ansprüche gegen jede Person, die die Sache gegen den Willen des Rechtsinhabers verwendet. Dieser hat nach § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe, nach § 1004 BGB auf Unterlassung einer Störung und nach § 823 BGB auf Schadensersatz236. Die dingliche Zuordnung der Sache gibt ihm einen umfassenden Klageschutz. Über die Sache verfügen kann nur der Rechtsinhaber. Die Verfügung über ein Recht an einer Sache durch den Nichtberechtigten ist nach § 185 BGB nichtig. Eine 232 Vgl. dazu Wieling, S. 13 ff.; Kühne, AcP 140, S. 11 ff.; Fuchs, S. 1 ff. 233 Canaris, FS Flume, I, S. 373 ff.; Westermann, I, S. 8 ff. mit weiteren Nachweisen; Baur, § 3 II; Schwab / Prütting, S. 5 ff. 234 Zu der Kontroverse, ob es ein Rechtverhältnis zwischen Person und Sache geben kann oder ob es ein Rechtsverhältnis nur zwischen Personen geben kann H adding, JZ 1986, S. 926 ff. mit Replik von Niehues, JZ 1987, S. 453 f. und Duplik von Hadding, JZ 1987, S. 454 f. 235 Vgl. dazu Canaris, FS Flume, I, S. 373 f. 236 Das dingliche Recht stellt nach allgemeiner Ansicht ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar. Vgl. Thomas, in: Palandt, § 823 Rn. 11 f. 8 Axer
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
Ausnahme dieses Verfügungs- und Sukzessionsschutzes stellen die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb gemäß §§ 892, 932 ff. BGB dar. Der Inhaber eines dinglichen Rechts wird auch in der Zwangsvollstreckung bzw. im Konkurs bevorzugt behandelt237. In der Zwangsvollstreckung kann der dinglich Berechtigte Drittwiderspruchsklage erheben (§ 771 ZPO) 2 3 8 , im Konkurs steht ihm je nach Art des dinglichen Rechts entweder ein Aussonderungs- (§ 43 KO) oder ein Absonderungsrecht (§ 47 KO) zu 2 3 9 . Die für das bürgerliche Recht geltenden Inhalte der Dinglichkeit finden sich für die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft im Straßen- und Wegerecht wider. Die Zuordnung der öffentlichen Straße zu einem öffentlichen Sachherrn, dem Straßenbaulastträger, dessen Organ die Straßenbaubehörde ist, und die Absolutheit der Sachzuordnung. Die gewidmete Straße ist gegenüber jedermann gegen privatrechtliche Verfügungen, Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung und der Enteignung geschützt. Das einzige, was im Unterschied zum bürgerlichen Recht der öffentlichen Sachherrrschaft als dingliches Recht fehlt, ist die umfassende gesetzliche Normierung von Herausgabe-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen. bbb) „Dienstbarkeit" Rechtsprechung und Literatur begnügen sich nicht mit der Einordnung der öffentlichen Sachherrschaft als dinglichem Recht, sie versuchen den Inhalt der öffentlichen Sachherrschaft weiter zu präzisieren. Aber schon die unterschiedliche Terminologie zur Umschreibung des Inhalts der Sachherrschaft zeigt Unstimmigkeiten auf. So charakterisiert man die öffentliche Sachherrschaft unter anderem als „öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit" 240 , „eine Art Dienstbarkeit des öffentlichen Rechts" 241 , „eine besondere (öffentlich-rechtliche) Dienstbarkeit bzw. eine öffentlich-rechtliche (dingliche) Dienstbarkeit" 242 , „einer Dienstbarkeit vergleichbar" 243 oder „eine beschränkte Dienstbarkeit" 244 . Herbert Krüger 245 geht darüber hinaus und bezeichnet die öffentliche Sachherrschaft als eine durch die Widmung umschriebene öffentliche Hypothek. Ob und inwieweit die öffentlichrechtliche Sachherrschaft eine Dienstbarkeit ist oder sich als solche charakterisieren läßt, kann nur beurteilt werden, wenn man die Regelungen der §§ 1018 ff. BGB über die Dienstbarkeit heranzieht. 237 Vgl. dazu Grunsky, S. 58 ff.
238 Zu den Einzelheiten Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach, § 771 Anm. 6. 239 Siehe Jauernig, § 45. 240 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 8. 241 Pappermann ! Lohr ! Andriske, S. 17. 242 Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S. 1028 f. 243 Pietzcker, Widmung, in: Lexikon des Rechts, S. 1. 244 ψ alprecht / Cosson, § 6 Rn. 57 f. 245 Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 21 (1964), S. 241.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
(1) Die Dienstbarkeiten
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nach §§ 1018 ff. BGB
Dienstbarkeiten sind dingliche Nutzungsrechte. Sie verpflichten den Eigentümer des belasteten Grundstücks entsprechend des durch Einigung und Eintragung festgelegten Inhalts fremde Handlungen zu dulden oder eigene Handlungen zu unterlassen, nicht aber zu einem aktiven Tun 2 4 6 . Dem Berechtigten gewährt die Dienstbarkeit ein dingliches Herrschaftsrecht. Es lassen sich drei Arten von Dienstbarkeiten unterscheiden: — der Nießbrauch (§§ 1030-1067 BGB), — die Grunddienstbarkeit (§§ 1018-1029 BGB) und — die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090-1093 BGB). Der Nießbrauch ist das unveräußerliche 247 und unvererbliche Recht, die Nutzungen aus einem Grundstück, einer beweglichen Sache oder einem Recht zu ziehen. Der Nießbrauch gewährt im Unterschied zur Grunddienstbarkeit und zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ein umfassendes Nutzungsrecht. Der Nießbraucher darf alle Nutzungen aus der nießbrauchbelasteten Sache ziehen. Eine Grenze bildet erst das Verbot, die wirtschaftliche Bestimmung der Sache zu verändern oder in ihre Substanz einzugreifen (§§ 1036, 1037 BGB). Nach § 1036 Abs. 1 BGB ist der Nießbraucher zum Besitz der Sache berechtigt. In der Regel wird der Nießbrauch an einem fremden Gegenstand bestellt; nach einer, allerdings bestrittenen Meinung 248 kann es aber auch einen Nießbrauch an der eigenen Sache geben. Die Grunddienstbarkeit gewährt dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks nur die Möglichkeit, das belastete Grundstück „in einzelnen Beziehungen" zu nutzen (§ 1018 BGB). Im Unterschied zum Nießbrauch gibt sie also kein umfassendes Nutzungsrecht, und eine Grunddienstbarkeit kann nur an einem Grundstück bestellt werden, nicht hingegen an beweglichen Sachen oder Rechten. Gemäß § 1018 BGB kann sie dreierlei zum Inhalt haben 249 : ein beschränktes Nutzungsrecht, einen Anspruch auf Nutzungsunterlassung oder einen Ausschluß von Abwehrrechten. Erforderlich für die Bestellung einer Grunddienstbarkeit ist jedoch, daß die Belastung des dienenden Grundstücks für die Benutzung des herrschenden Grundstücks einen Vorteil bietet (§ 1919 BGB), wobei sich dies nicht nach der Person des Eigentümers des herrschenden Grundstücks bemißt, sondern die Belastung muß vielmehr für das herrschende Grundstück objektiv nützlich sein 250 . Beispiele für die Grunddienstbarkeit sind etwa Wegerechte, 246 Dazu Falckenberg, in: Münchener Kommentar, § 1018 Rn. 41; Schwab / Prütting, S. 363. Zu dem Problem, inwieweit sich aus dem Begleitschuldverhältnis Leistungspflichten ergeben können Amann, DNotZ 1989, S. 531 ff. 247 Eine Ausnahme gilt für juristische Personen als Nießbraucher (§§ 1059a- 1059e BGB). 248 Schwab / Prütting, S. 360 mit weiteren Nachweisen. 249 Vgl. dazu näher Baur, § 33 II. 250 Westermann, II, S. 366. 8*
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
Wasserleitungsrechte oder neuerdings Wettbewerbsbeschränkungen 251. Nach überwiegender Ansicht 252 kann eine Grunddienstbarkeit auch am eigenen Grundstück bestellt werden, wenn für eine solche Eigentümergrunddienstbarkeit ein schutzwürdiges Interesse besteht. Die Grunddienstbarkeit erlischt durch rechtsgeschäftliche Aufhebung; eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auf dem herrschenden Grundstück oder belasteten Grundstück führt nur dann zum Erlöschen der Grunddienstbarkeit, wenn die Ausübung dadurch dauernd unmöglich wird 2 5 3 . Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit steht zwischen Nießbrauch und Grunddienstbarkeit. Mit dem Nießbrauch hat sie die Bindung an eine bestimmte Person gemeinsam, mit der Grunddienstbarkeit den Inhalt, nämlich die Gewährung von Nutzungsrechten nur in einzelnen bestimmten Beziehungen. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist wie der Nießbrauch unveräußerlich und unvererblich (§§ 1090, 1092 BGB). Ein Unterschied zu der von der Person des Berechtigten unabhängigen Grunddienstbarkeit ergibt sich aus der Nichterforderlichkeit eines Grundstücks Vorteils. Ausreichend für die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist jedes eigene oder fremde schutzwürdige Interesse 254. Der inhaltliche Anwendungsbereich deckt sich weitgehend mit dem der Grunddienstbarkeit. Auf die beschränkte persönliche Dienstbarkeit sind die Vorschriften über die Grunddienstbarkeit entsprechend anwendbar. Analog §1196 Abs. 2 BGB kann eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten des Eigentümers bestellt werden 255 . Das Gesetz faßt also in den §§ 1018 ff. BGB unterschiedliche Nutzungsrechte unter dem Begriff Dienstbarkeiten zusammen. Nießbrauch, Grunddienstbarkeit und beschränkte persönliche Dienstbarkeit weisen viele Gemeinsamkeiten auf, unterscheiden sich aber in entscheidenden Punkten, was auch am Schutz der einzelnen Dienstbarkeiten veranschaulicht werden kann. Während dem Nießbraucher gemäß § 1065 BGB gegenüber Dritten die gleichen Rechte wie dem Eigentümer zustehen, bleibt dem Berechtigten einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nach § 1027 BGB nur die actio negatoria (§ 1004 BGB) und nach § 1029 BGB der Besitzschutz. (2) Die öffentlich-rechtliche als Dienstbarkeit
Sachherrschaft
Vergleicht man die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft mit den im Bürgerlichen Gesetzbuch normierten Dienstbarkeiten, führt dies zu dem Ergebnis, daß 251 Vgl. dazu Prutting, GS Schultz, S. 287 ff. 252 Baur, §33 IV; Westermann, II, S. 368; RGZ 142, 234 ff.; BGHZ 41, 209 ff.; anderer Ansicht Ring, in: Staudinger, § 1018 Rn. 24. 253 Schwab I Prutting, S. 353; Baur, § 33 II. 254 Baur, § 34 I. 255 Schwab ! Prütting, S. 370.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft keiner der dort geregelten Dienstbarkeiten entspricht. Im Unterschied zur Grunddienstbarkeit wird sie nicht zugunsten eines bestimmten herrschenden Grundstücks bestellt, sondern sie gewährt einem Verwaltungsträger Befugnisse. Bei der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft stehen sich nicht zwei Grundstücke gegenüber. Ein Vergleich mit der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit scheitert an deren Anbindung an eine bestimmte Person und der damit verbundenen Nichtübertragbarkeit. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft besteht unabhängig von einem bestimmten Verwaltungsträger. Dieser kann bei Änderung der Verkehrsbedeutung der Straße wechseln, ohne daß sich dadurch etwas an der Existenz der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft ändert. Am nächsten kommt ihr der Nießbrauch, doch gewährt die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft kein umfassendes Nutzungsrecht an dem fremden Grundstück; der öffentliche Sachherr ist nicht zur Fruchtziehung wie der Nießbraucher berechtigt. Er kann das Grundstück nur soweit nutzen und in die Rechte des Eigentümers eingreifen, als es die Aufrechterhaltung des Widmungszweckes erfordert. Die Charakterisierung oder Umschreibung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft als „Dienstbarkeit" führt für die rechtliche Bestimmung dessen, was Inhalt der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft ist, folglich nicht weiter. Die öffentlichrechtliche Sachherrschft entspricht keiner im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Dienstbarkeit, daher kann die Bezeichnung als solche auch keinen rechtlichen Gewinn bringen. Der einzige Ertrag der Charakterisierung mag in der Illustration des Verhältnisses von privatrechtlichem Eigentum und öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft liegen. Das Bild der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft als Dienstbarkeit führt aber für die Beantwortung der Frage nach den Befugnissen des öffentlichen Sachherrn eher in die falsche Richtung, als daß es weiterhilft, wie gleich gezeigt wird. bb) Die öffentlich-rechtliche als Eigentum
Sachherrschaft
Die in Rechtsprechung und Literatur verwandte Charakterisierung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschft als „Dienstbarkeit" stimmt nicht mit der Rechtslage im Straßen- und Wegerecht überein. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft tritt vielmehr neben die privatrechtlichen Befugnisse des Eigentümers, sie drängt diese soweit zurück, als es die Aufrechterhaltung des Widmungszweckes verlangt. Es besteht also ein Nebeneinander von privatrechtlichem Eigentum und öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft. Mit anderen Worten: die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überlagert nicht das Eigentum, sondern steht neben dem privatrechtlichen Eigentum. Inhalt und Befugnisse der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft entsprechen denen des Eigentums im Sinne der §§ 903 ff. BGB. Dem öffentlichen Sachherrn stehen, soweit es die Aufrechterhaltung des Widmungszwecks erfordert, die Befugnisse eines Eigentümers zu.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
Dieses Verständnis der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft liegt den Normen des Straßen- und Wegerechts zugrunde. Nach § 11 Abs. 5 StrWG N W 2 5 6 stehen bis zum Erwerb der für die Straße in Anspruch genommenen Grundstücke nach Maßgabe des Absatzes 2 oder 3 dem Träger der Straßenbaulast die Rechte und Pflichten des Eigentümers der Ausübung nach in dem Umfang zu, in dem dies die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs erfordert. cc) Die Befugnisse des öffentlichen
Sachherrn
Dem öffentlichen Sachherrn stehen die Befugnisse eines Eigentümers zu. Dies bedeutet aber weder die Einführung eines „öffentlichen Eigentums" noch hat der öffentliche Sachherr damit die Befugnis, gemäß § 903 BGB mit der öffentlichen Sache nach Belieben zu verfahren. „Öffentliches Eigentum" meint Exemtion der Sache aus dem Privatrechtsverkehr, private Rechte können an ihr nicht mehr bestehen257. Die Charakterisierung des Umfangs der öffentlich-rechlichen Sachherrschaft als Eigentum läßt hingegen die Rechtslage der öffentlichen Sache unberührt. Sie bleibt weiterhin Objekt des Privatrechtsverkehrs. Private Rechte können neben der öffentlichen Sachherrschaft existieren, dies aber nur soweit sie die Widmung nicht berühren. Im Umfang und zur Aufrechterhaltung des Widmungszwecks stehen dem öffentlichen Sachherrn öffentlich-rechtliche Befugnisse zu, die denen eines Eigentümers entsprechen. Die Ausübung der Eigentümerbefugnisse durch den öffentlichen Sachherrn ist aber an die Widmung gebunden. Der öffentliche Sachherr kann nicht nach freiem Belieben mit der Sache verfahren, denn die Widmung als Akt der Selbstbindung und Selbstverpflichtung bindet die Ausübung der Befugnisse aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft an den öffentlichen Zweck, dem die Sache dient. Eine widmungswidrige Geltendmachung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft ist rechtswidrig. Dem öffentlichen Sachherrn stehen die Eigentümerbefugnisse nur im Rahmen der Widmung und zur Aufrechterhaltung des Widmungszwecks zu. Dazu zählen in erster Linie die dem Eigentümer nach bürgerlichem Recht gegebenen Abwehrund Restitutionsansprüche. Der öffentliche Sachherr kann Störungen nach § 1004 BGB, bei vollständiger Besitzentziehung nach § 985 BGB abwehren und verhindern sowie Schadensersatz nach § 823 B G B 2 5 8 verlangen. Diese Vorschriften für das Eigentum finden entsprechende Anwendung auf die öffentlich-rechtliche 256 Ähnliche Vorschriften finden sich in den meisten Straßen- und Wegegesetzen: § 14 Abs. 1 StrG Bad.-Württ.; Art. 13 BayStrWG; § 13 Abs. 1 HessStrG; § 13 Abs. 4 NStrG; § 33 Abs. 1 LStr Rh-Pf.; § 11 Abs. 1 SaarlStrG; § 18 Abs. 1 StrWG SH. 257 Oben Α. IV. 2. 258 Zur Anwendbarkeit des § 823 BGB im Hinblick auf die öffentlichen Straßen Harald Schneider, MDR 1989, S. 193 ff.; vgl. auch allgemein zur Anwendbarkeit der §§ 823 ff. BGB bei Schadensersatzansprüchen des Staates gegen den Bürger Hüttenbrink, DÖV 1982, S. 489 ff.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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Sachherrschaft. Die analoge Anwendung setzt aber voraus, daß nicht spezialgesetzliche Normierungen des Straßen- und Wegerechts, etwa die Regelungen über die Sondernutzung, existieren. Diese gehen vor und verdrängen insoweit die Abwehr- und Schadensersatzansprüche aus dem Eigentum. Die analoge Anwendung der zivilrechtlichen Ansprüche auf die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft hat zur Folge, daß es sich dann nicht mehr um zivilrechtliche, sondern um öffentlich-rechtliche Ansprüche handelt. aaa) Unzulässigkeit der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften? Gegen die entsprechende Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften auf die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft werden Bedenken erhoben. Das öffentliche Recht enthalte eigene Störungsabwehrermächtigungen, seien es speziell straßenrechtliche, seien es die allgemeinen ordnungs- oder polizeirechtlichen. Für eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die actio negatoria bestehe kein Bedürfnis und keine Berechtigung. Der Träger der Straßenbaulast oder die allgemeine Ordnungsbehörde könne die Aufrechterhaltung des Widmungszwecks mittels Herausgabe-, Unterlassungs- oder Beseitigungsverfügung durchsetzen 259. Darüber hinaus erscheine eine analoge Anwendung des § 823 BGB nicht möglich, weil die Interessenlage und der Normzweck des § 823 BGB im öffentlichen Recht keine unbedingte Entsprechung finde. § 823 BGB schütze nämlich Individualinteressen und sei Teil einer liberalen Rechtsordnung, während im öffentlichen Recht das bonum commune zu berücksichtigen sei 260 . Ein Anspruch auf Schadensersatz ergebe sich aus öffentlich-rechtlichen Ersatzansprüchen auf der Grundlage des Ausgleichsprinzips als allgemeinem Rechtsgrundsatz 261. Das Verwaltungsgericht Köln hält in seinem Urteil zum Hamburger Stadtsiegel 2 6 2 einen Rückgriff auf zivilrechtliche Normen als Anspruchsgrundlage für den öffentlichen Sachherrn ebenfalls nicht für notwendig. Vielmehr ergebe sich der Anspruch, im zu entscheidenden Fall der Herausgabeanspruch, ohne weiteres aus der Annexkompetenz zu der dem öffentlichen Sachherrn verliehenen Befugnis, die öffentliche Sache widmungsgemäß zu verwenden 263 . Die Kammer wendet in diesem Zusammenhang die Grundsätze für den Erlaß eines Hausverbotes an. Das Hausverbot diene dazu, daß die der Behörde zugewiesenen Verwaltungsaufgaben sachgemäß erfüllt werden können. Ähnlich sei die Situation auch im Hinblick auf die Herausgabe der öffentlichen Sache. Die Herausgabe der öffentlichen Sache an den Sachherrn sei zwingende Voraussetzung für die Ermöglichung 259 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 74. 260 So Frotscher, VerwArch 62 (1971), S. 162 f., Fn. 36. 261 Frotscher, ebd., S. 163. 262 NJW 1991, S. 2584 ff. 263 In diese Richtung auch Bethge, Die Verwaltung 10 (1977), S. 324 f.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
ihrer Funktion entsprechend der Widmung. Der Herausgabeanspruch habe seinen Grund in der Befugnis des öffentlichen Sachherrn, die öffentliche Sache widmungsgemäß zu verwenden. Die Ablehnung einer entsprechenden Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften auf die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überzeugt nicht. Schon der Gesetzgeber sieht dies vor, indem er in § 11 Abs. 5 StrWG NW den Träger der Straßenbaulast ermächtigt, die Rechte und Pflichten des Eigentümers der Ausübung nach wahrzunehmen. Darüber hinaus führt die Ablehnung zu unbilligen Ergebnissen. Die rein öffentlich-rechtlichen Befugnisse reichen zur Sicherung des Widmungszwecks nämlich nicht aus, es würden Lücken entstehen. Diese Lücken können nicht mit Hilfe des Ordnungsrechts geschlossen werden. § 14 OBG ermächtigt die Ordnungsbehörde zum Erlaß der Ordnungsverfügung, nicht die Straßenbaubehörde. Zwar können Straßenbaubehörde und Ordnungsbehörde in der Hand desselben Verwaltungsträgers liegen, so daß der Erlaß einer Ordnungsverfügung möglich erscheint. In den Fällen, in denen Straßenbaubehörde und Ordnungsbehörde aber zu verschiedenen Verwaltungsträgern gehören, ist die Straßenbaubehörde auf die Amtshilfe der Ordnungsbehörde angewiesen. Dabei ist die Ordnungsbehörde nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nicht zur Amtshilfe in Form des Erlasses einer Ordnungsverfügung verpflichtet, denn die Wahrnehmung der notwendigen Maßnahmen zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit obliegt der Ordnungsbehörde als eigene Aufgabe 264 . Der Erlaß einer Ordnungsverfügung zur Beseitigung einer Störung steht im Ermessen der Ordnungsbehörde, der öffentliche Sachherr hat keine Möglichkeit, eine solche zu erlassen 265. Auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln ist problematisch. Sie belastet die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft mit den Problemen des Hausrechts 266. Ferner führt es nicht aus, welche Voraussetzungen die sich aus der Annexkompetenz ergebenden Ansprüche haben. Mag dies bei einem Herausgabeanspruch noch relativ einfach sein und auf der Hand liegen, so wird die Bestimmung der Anspruchsvoraussetzungen bei einem Störungsbeseitigungs- oder Schadensersatzanspruch wesentlich schwieriger sein. Letztlich muß man dann doch auf die zu den §§ 1004, 823 BGB entwickelten Grundsätze zurückgreifen. Ein auf der Grundlage des Ausgleichsprinzips als allgemeiner Rechtsgrundsatz kreierter öffentlich-rechtlicher Ersatzanspruch ist konturenlos.
264 Vgl. Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 4 Rn. 27. 265 Dieses Problem wird meist übersehen. Symptomatisch Pappermann / Lohr, JuS 1980, S. 198: „ . . . auf eine bloße Anregung des Oberkreisdirektors (öffentlicher Sachherr) hin wird sie (die Ordnungsbehörde) das tun. Andernfalls kann der Oberkreisdirektor als Aufsichtsbehörde (§7 1 NRWOBG) eine entsprechende Weisung an die örtliche Ordnungsbehörde richten (§ 9 Abs. 2 lit. b NRWOBG)." — Damit ist das Problem aber in der Praxis meist nicht gelöst. 266 Dazu unten D. II.
III. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft
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Daher sind die zivilrechtlichen Ansprüche auf Herausgabe, auf Störungsbeseitigung und auf Schadensersatz analog auch auf die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft anwendbar. bbb) Die Durchsetzung der Ansprüche Zur Durchsetzung dieser Ansprüche aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft kommen zwei Möglichkeiten in Frage: zum einen die Leistungsklage, zum anderen der Erlaß eines Verwaltungsaktes. Im Anschluß an die im preußischen Wegerecht entwickelte Figur der „Inanspruchnahmeverfügung" 267 wird die Geltendmachung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft durch Verwaltungsakt befürwortet 268 . Daneben soll es aber dem öffentlich-rechtlichen Sachherrn unbenommen bleiben, seinen dinglichen Anspruch, ohne das hoheitliche Vorrecht auszuschöpfen, im Wege der Klage geltend zu machen 269 . Dem öffentlichen Sachherrn stehen also zwei Möglichkeiten der Durchsetzung der Ansprüche aus der öffentlichen Sachherrschaft zu: einerseits die Leistungsklage, andererseits die Inanspruchnahmeverfügung. Begründet wird die alternative Geltendmachung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die für alle Verwaltungsrechtsverhältnisse die einseitige Geltendmachung durch die Behörde durch Verwaltungsakt zuläßt 270 . Das geltende Straßen- und Wegerecht kennt die Figur der „Inanspruchnahmeverfügung" nicht. Zur Durchsetzung der Ansprüche aus den §§ 985, 1004, 823 BGB analog mittels Verwaltungsaktes fehlt es an einer normierten Eingriffsermächtigung. Ob es aber zum Erlaß eines Verwaltungsaktes einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedarf, ist umstritten. Die Judikatur und Teile des Schrifttums 271 gehen von einer grundsätzlichen Befugnis der Verwaltung zum Handeln durch Verwaltungsakt in Subordinationsverhältnissen aus, soweit sich aus der jeweiligen Norm nicht etwas anderes ergibt. Danach impliziert also die Ermächtigung der Verwaltung zur Tätigkeit grundsätzlich auch die Befugnis zum Einsatz der Handlungsform „Verwaltungsakt". Dagegen wird eingewandt 272 , daß das Handeln 267 Dazu Germershausen / Seydel, S. 506 ff. 268 So vor allem Salzwedel, DÖV 1963, S. 249; ders., in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 10. 269 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 10. 270 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 10. 271 Vgl. etwa BVerwGE 18, 283 (285 f.); 19, 243 (245); 21, 270 (272 f.); 28, 1 (2); 37, 314 (319), st. Rspr.; die Begründungen differieren jedoch. Inwieweit die heutige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts damit noch übereinstimmt, ist seit dem Urteil vom 29. 11. 1985, E 72, 265 ff. umstritten, vgl. dazu Drescher, DVB1 1986, S. 727 ff.; der dem Urteil grundsätzliche Bedeutung beimißt und Bauer, NVwZ 1987, S. 112 f. — Aus der Literatur etwa Maurer, § 10 Rn. 5; Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 2; differenzierend Osterloh, JuS 1983, S. 280 ff.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
durch Verwaltungsakt für den Bürger eine zusätzliche Belastung darstelle, die Handlungsform „Verwaltungsakt" weise einen eigenen Eingriffswert auf. Der Vorbehalt des Gesetzes erfordere deshalb grundsätzlich für das Handeln durch Verwaltungsakt eine normative Grundlage. Entscheidend für die Zulässigkeit der Handlungsform „Verwaltungsakt" ist damit, ob sie für den Bürger eine eigenständige Belastung enthält. Wenn ja, so verlangt der Vorbehalt des Gesetzes eine gesetzliche Ermächtigung 273 . Durch Erlaß eines Verwaltungsaktes schafft die Verwaltung einen Vollstreckungstitel. Darüber hinaus konkretisiert und individualisiert die Verwaltung durch Verwaltungsakt die generelle und abstrakte gesetzliche Anordnung. Sie legt damit rechtsgestaltend fest, was für den Bürger rechtens sein soll. Der Verwaltungsakt hat Tatbestands- und FeststellungsWirkung 274; er trifft eine Regelung und besitzt damit einen eigenen Eingriffswert. Es bedarf deshalb einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung zum Handeln mittels Verwaltungsaktes. Demnach kann der öffentliche Sachherr nur dann seine Ansprüche auf Störungsbeseitigung und Schadensersatz durch Verwaltungsakt geltend machen, wenn er dazu ermächtigt ist. Für die analog anzuwendenden zivilrechtlichen Vorschriften existiert eine solche Ermächtigung nicht. Richtiger Weg für die Geltendmachung dieser Ansprüche ist damit die Leistungsklage.
3. Ergebnis Die auf der Widmung beruhende öffentlich-rechliche Sachherrschaft gewährt dem öffentlichen Sachherrn die Befugnisse eines Eigentümers, nicht des Berechtigten einer Dienstbarkeit. Die Bezeichnung der öffentlichen Sachherrschaft als „Dienstbarkeit" ist somit unrichtig. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft ist im nordrhein-westfälischen Wegerecht nur unvollständig geregelt. Daher müssen zivilrechtliche Bestimmungen für das Eigentum, soweit Lücken bestehen, analog angewendet werden.
IV. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung Nach § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW ist der Gebrauch der öffentlichen Straße jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet. Der Gesetzgeber definiert damit den Inhalt und den Umfang des Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen. 272 Erichsen, in: Erichsen / Martens, § 14 Rn. 4; Obermayer, NJW 1987, S. 2646; Wolff /Bachof, I, §44 III f. 273 BVerwGE 72, 265 ff. 274 Dazu Kopp, VwVfG, Vorbem. § 35 Rn. 25 ff.
IV. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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1. Gemeingebrauch und Sondernutzung Die Straßen- und Wegegesetze des Bundes und der Länder gehen von einer grundsätzlichen Zweiteilung der Nutzung öffentlicher Straßen in Gemeingebrauch und Sondernutzung aus. Während der Gemeingebrauch „jedermann" ohne besondere Zulassung möglich ist, bedarf die Sondernutzung grundsätzlich einer besonderen Erlaubnis. Neben diesen beiden Nutzungsformen kennt das Straßenund Wegerecht noch den Anliegergebrauch und die sonstige Benutzung. Der Anliegergebrauch 275 oder „gesteigerte Gemeingebrauch" geht über den schlichten Gemeingebrauch, den widmungsgemäßen Gebrauch, der Straße hinaus. Die Eigentümer und die Besitzer von an öffentlichen Straßen gelegenen Grundstücken dürfen die an die Grundstücke angrenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus auch für Zwecke des Grundstücks benutzen, soweit dies für das Grundstück erforderlich ist und den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt. Der Anlieger kann die Straße in einer Art und Weise benutzen, für die andere Personen entweder eine Sondernutzungserlaubnis oder eine Gestattung des Straßeneigentümers benötigen würden. Beim Anliegergebrauch handelt es sich also nicht mehr um widmungsgemäße Nutzung der öffentlichen Straße. Die sonstige Benutzung oder Sondernutzung nach bürgerlichem Recht 276 übersteigt ebenfalls den Gemeingebrauch. Im Unterschied zur Sondernutzung nach § 18 StrWG NW beeinträchtigt sie aber nicht den Gemeingebrauch, da sie den Widmungszweck nicht tangiert 277 . Zu den sonstigen Benutzungen nach § 23 StrWG NW zählt vor allem die Verlegung von Versorgungsleitungen im Straßenuntergrund 278. Die Gestattung zur sonstigen Benutzung der Straße obliegt dem Eigentümer und richtet sich nach bürgerlichem Recht. Die für die Nutzung öffentlicher Straßen wesentliche Abgrenzung von Gemeingebrauch und Sondernutzung erfolgt nach der sogenannten „Subtraktionsmethode". Jede Nutzung, die über den Gemeingebrauch hinausgeht und diesen beeinträchtigt, ist Sondernutzung, es sei denn, sie ist als Anliegergebrauch gerechtfertigt. Der Inhalt des Begriffs Gemeingebrauch hat sich im Laufe der historischen Entwicklung des Straßen- und Wegerechts geändert. Nach § 7 I I 15 des Preußischen Allgemeinen Landrechts war der freie Gebrauch der Land- und Heeresstraßen einem jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet. Otto Mayer 279 definierte den Gemeingebrauch als „die in die Freiheit des Einzel275 Zum Anliegergebrauch Maurer, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 115 ff. 276 So Art. 22 BayStrWG. 2 77 Eine vorübergehende Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs steht einer Gestattung nach bürgerlichem Recht nicht entgegen, wenn die vorübergehende Beeinträchtigung für Zwecke der öffentlichen Versorgung oder der Entsorgung notwendig ist (§ 23 Abs. 1, 2. Hs. StrWG NW). Vgl. dazu Fickert, § 23 Rn. 20 ff. 278 Vgl. dazu Kempfer, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 197 ff. 279 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 77.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
nen gestellte bestimmungsmäßige Benutzung der solchem Dienste gewidmeten öffentlichen Sachen". Deutlich kommt in der Definition Otto Mayers bereits das wesentliche Kriterium zur Bestimmung des Gemeingebrauchs nach heutigem Recht zum Ausdruck: die Widmung. Sämtliche Gemeingebrauchsvorschriften verlangen, daß der Gebrauch der Straße sich im Rahmen der Widmung hält. Daneben normieren alle Straßen- und Wegegesetze mit Ausnahme des bayerischen, daß der Gebrauch der Straßen (nur) im Rahmen der „verkehrsbehördlichen" 280, der „verkehrsrechtlichen Vorschriften" 2 8 1 , der „Straßenverkehrsvorschriften" 282 bzw. der „VerkehrsVorschriften" 283 gestattet ist. Damit verweisen die Straßen- und Wegegesetze auf die verkehrsrechtlichen Bestimmungen, vornehmlich die des Straßenverkehrsgesetzes, der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), für die der Bund nach Art. 74 Nr. 22 GG die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis besitzt. Die verkehrsrechtlichen Regelungen bezwecken die ordnungsgemäße Benutzung der Straße; Straßenverkehrsrecht ist Ordnungsrecht 284. Das Verkehrsrecht knüpft an die Widmung an und ermöglicht nur Regelungen, die sich mit der Nutzungsausübung im Rahmen der Widmung befassen. Die Straßenverkehrsvorschriften ziehen lediglich der Ausübung des Gemeingebrauchs eine Schranke 285. Derjenige, der zu schnell oder bei Rot über eine Ampel fährt, bleibt trotzdem im Rahmen des Gemeingebrauchs, er nutzt die Straße widmungsgemäß. Die Bezugnahme auf das Straßenverkehrsrecht in den Vorschriften über den Gemeingebrauch hat für dessen Inhalt keine Relevanz. Es handelt sich nur um einen Hinweis 286 , denn der „Vorrang des Straßenverkehrsrechts" 287 gilt unabhängig von einer Normierung in den Straßen- und Wegegesetzen. Gemeingebrauch ist also die Befugnis, die Straße im Rahmen der Widmung zu benutzen. Den Inhalt des Gemeingebrauchs bestimmt somit die Widmung. Sie ist damit mehr als eine bloße Inhaltsschranke 288;sie gibt den Inhalt vor.
280 § 7 Abs. 1 S. 1 FStrG. 281 § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW. 282 § 13 Abs. 1 S. 1 StrG Bad.-Württ. 283 § 14 Abs. 1 S. 1 NStrG. Das Hamburgische Wegegesetz spricht von den „Vorschriften über den Straßenverkehr" (§16 Abs. 1 S. 2). 284 Rengeling, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 100 Rn. 231 mit weiteren Nachweisen zu dem Verhältnis von Straßenverkehrsrecht und Straßenrecht. 285 Kodal I Krämer, Kap. 24 Rn. 12, 29; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 91 ff.; Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 609; Steinberg / Härtung, JuS 1990, S. 796. 286 Salzwedel, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 98, spricht von einem „rein nachrichtlichen Charakter". 287 Zum „Vorrang des Straßenverkehrsrechts" und „Vorbehalt des Straßenrechts" Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 91 ff.; Steiner, JuS 1984, S. 1 ff.; BVerfGE 67, 299 ff.; VGH Kassel, NVwZ-RR 1992, S. 5 ff. 288 Als Inhaltsschranke bezeichnen Steinberg / Härtung, JuS 1990, S. 796, die Widmung.
IV. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
2. Die Widmung Der Inhalt der Widmung steht nicht in der freien Entscheidung des öffentlichen Sachherrn. Bei der Widmung handelt es sich hinsichtlich des Inhalts um einen normativ vorgegebenen Verwaltungsakt. Nach § 2 Abs. 1 StrWG NW sind öffentlich nur diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Den Verkehrszweck als Vorgabe für den Inhalt der Widmung erwähnen alle Straßen- und Wegegesetze, jedoch bestehen Unterschiede in dem Standort und der Wortwahl. Während das Bundesfernstraßengesetz (§ 7 Abs. 1 S. 1) und die Straßengesetze Bayerns (Art. 14 Abs. 1 S. 1), Hamburgs (§ 16 Abs. 1 S. 2), Niedersachsens (§ 14 Abs. 1 S. 1) sowie Schleswig-Holsteins (§ 20 Abs. 1 S. 1) ihn in der Bestimmung über den Gemeingebrauch („zum Verkehr", „für den Verkehr") erwähnen, fehlt diese Formulierung in den Gemeingebrauchsnormierungen der anderen Bundesländer. Teilweise finden sich aber im Zusammenhang mit dem Gemeingebrauch Vorschriften, daß kein Gemeingebrauch vorliege, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt 289 . In Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und dem Saarland formulieren die Straßengesetze im Rahmen der Gemeingebrauchsvorschriften weder positiv noch negativ den Verkehrszweck. Aus dem Fehlen der Worte „zum Verkehr" bzw. der Streichung aus der Gemeingebrauchsbestimmung wird vereinzelt gefolgert, daß der Gemeingebrauch sich auch auf andere Nutzungen als den Verkehr erstrecken könne 290 . Dagegen spricht aber die sich in allen Straßen- und Wegegesetzen ähnlich wiederfindende Formulierung, öffentliche Straßen seien nur die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen 291. Dem Fehlen des Verkehrszweckes in den Gemeingebrauchsvorschriften kommt somit keine Bedeutung zu, denn bereits die Widmung kann nur zum Verkehr erfolgen 292 . Damit gibt der Gesetzgeber die Antwort auf die Frage: wozu sind die Straßen da? — Zum Verkehr.
289 Art. 14 Abs. 1 S. 2 BayStrWG; § 10 Abs. 2 S. 3 BerlStrG; § 14 Abs. 1 S. 3 NStrG; § 34 Abs. 3 LStrG Rh-Pf.; § 20 Abs. 1 S. 2 StrWG SH. In Nordrhein-Westfalen lautet die Formulierung: „Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist" (§14 Abs. 3 S. 1). 290 VGH Mannheim, ESVGH 14, 150 ff. 291 § 2 Abs. 1 StrG Bad-Württ.; Art. 1 BayStrWG; § 1 BerlStrG; § 2 Abs. 1 BremLStrG; § 2 Abs. 1 HessStrG; § 2 Abs. 1 HStrG; § 2 Abs. 1 StrWG NW; § 2 Abs. 1 LStrG Rh-Pf.; § 2 Abs. 1 SaarlStrG; § 2 Abs. 1 StrWG SH. — Das Bundesfernstraßengesetz bestimmt in § 1 Abs. 1 S. 1: „Bundesstraßen des Femverkehrs (Bundesfernstraßen) sind öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind." In § 2 Abs. 1 FStrG heißt es: „Eine Straße erhält die Eigenschaft einer Bundesfernstraße durch Widmung." — Dem Wegegesetz von Hamburg fehlt eine vergleichbare Regelung, was aber nicht zu einer anderen Rechtslage führt, da Hamburg den Verkehrsbegriff in der Gemeingebrauchsvorschrift erwähnt. 292 Schröder, Die Verwaltung 10 (1977), S. 455; Kodal / Krämer, Kap. 24 Rn. 19.5; Messer, S. 82 f.
Β. Die Widmung im Straßenrecht
a) Der Verkehrsbegriff Den Begriff „Verkehr" definieren die Straßen- und Wegegesetze nicht. Es bleibt daher Wissenschaft und Praxis überlassen, dem Begriff Kontur zu geben. Verkehr meint in erster Linie Fortbewegung im Sinne einer Ortsveränderung. Zum Verkehr zählt aber auch, wie einige Straßen- und Wegegesetze ausdrücklich normieren 293 , der sogenannte ruhende Verkehr, etwa das Halten und Parken von Fahrzeugen, sofern eine Teilnahme am fließenden Verkehr mit dem Fahrzeug möglich ist 2 9 4 . Verkehr erfaßt jedes Verhalten, das auf Streben nach Ortsveränderung gerichtet ist oder damit in Zusammenhang steht, wie etwa das Abstellen eines Fahrzeuges. aa) Der kommunikative
Verkehr
Nach einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Ansicht 295 gehört zumindest im innerörtlichen Bereich zum Verkehr auch der sogenannte kommunikative Verkehr. Die Straße diene nicht nur zur Fortbewegung, da sie auch eine Funktion als Stätte der kommunikativen Begegnung, der Pflege menschlicher Kontakte und des Informations- und Meinungsaustausches habe. Da die Straße als „Mehrzweckinstitut" 296 neben der Fortbewegung ein Forum der Kommunikation und der Kontaktaufnahme darstelle, sei der Kommunikationszweck neben dem Zweck der Ortsveränderung ein selbständiger „Haupt-Verkehrs-Zweck". Der Verkehrsbegriff erfasse damit die Kommunikation als Nutzungsform der Straße. Die enge Auslegung dieses Begriffes im Sinne einer nur die Fortbewegung bezweckenden Straßennutzung sei vom Wortsinn keineswegs vorgegeben; der Verkehrsbegriff sei durchaus interpretationsfähig. In einem weiteren Sinne könne er auch eine die Kontaktaufnahme mit anderen Verkehrsteilnehmern beabsichtigende Nutzung der Straße erfassen.
293 § 14 Abs. 2 StrWG NW normiert, daß im Rahmen des Gemeingebrauchs der fließende Verkehr Vorrang vor dem ruhenden hat. Vgl. auch Sieder / Zeitler, Art. 14 Rn. 13. 294 Nicht zum ruhenden Verkehr gehört etwa das Abstellen eines Fahrzeuges, das nicht zugelassen und betriebsbereit ist. 295 Hufen, DÖV 1983, S. 353 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 87 f.; Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 29; Sieder / Zeitler, Art. 14 Rn. 38 ff.; Schenke, in: Maurer / Hendler, S. 386; Zuleeg, in: Meyer / Stolleis, S. 342; Thiele, DVB1 1980, S. 979 f.; Höfling, JA 1987, S. 610; Steiner, in: Steiner, Rn. 95, 115 ff.; Pappermann I Lohr ! Andriske, S. 67 ff.; Frankenberger / Steffen, VR 1990, S. 51; Stock, S. 51 ff.; Denninger, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 146 Rn. 42; Würkner, NJW 1987, S. 1796 ff.; ders., NVwZ 1987, S. 841 ff.; ders., NJW 1989, S. 1266 f.; ders., NJW 1990, S. 2013 f.; OLG Stuttgart, NJW 1976, S. 201 ff.; OLG Stuttgart, JZ 1978, S. 517 ff.; OVG Lüneburg, NJW 1986, S. 863 f.; VGH Mannheim, NJW 1989, S. 1299 ff. 296 Vgl. zur Bedeutung dieses Begriffes Mußgnug, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 81 ff.
IV. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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Darüber hinaus lasse sich die enge Auslegung des Verkehrsbegriffes nicht mit der verfassungsrechtlich verbürgten Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) oder Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) vereinbaren. Zum Schutzbereich beider Grundrechte gehöre auch die Vermittlung der Meinung oder des Kunstwerks an Dritte sowie das Recht, spontan, d. h. ohne vorherige Erlaubnis, seine Meinung zu äußern oder Kunst darzubieten. Rechne man diese Grundrechtsausübung nicht mehr zum Verkehr, so liege kein erlaubnisfreier Gemeingebrauch mehr vor. Die dann bestehende Pflicht, eine Sondernutzungserlaubnis zu beantragen, verletze Art. 5 Abs. 1 oder Art. 5 Abs. 3 GG. Auf der anderen Seite sei aber auch die ungehinderte Benutzungsmöglichkeit der Straße verfassungsrechtlich gewährleistet, so der Anliegergebrauch durch Art. 14 GG oder die Fortbewegungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG. Beide Positionen müßten deshalb im Wege der verfassungskonformen Auslegung zur Geltung gebracht werden 297 . Bei einer verfassungskonformen Auslegung des Verkehrsbegriffes müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Ausübung der Meinungs- und Kunstfreiheit auf der Straße die Grenze der Gemeinverträglichkeit 298 überschreite und dadurch grundrechtlich geschützte Positionen Dritter in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt werden. Es müsse geklärt werden, ob die Ausübung der Meinungs- oder Kunstfreiheit die Grundrechtspositionen anderer derart beeinträchtige, daß dies die Verpflichtung zur Einholung einer Sondernutzungserlaubnis rechtfertige. Beeinträchtige die betreffende Straßennutzung den Gemeingebrauch anderer Personen nicht oder nur unwesentlich, so sei dies erlaubnisfreier, kommunikativer Verkehr. Eine Sondernutzung liege hingegen vor, wenn die Nutzung den Rahmen des gemeinverträglichen und des verkehrsüblichen überschreite und andere Verkehrsteilnehmer erheblich störe. bb) Der kommunikative Verkehrsbegriff als Zerstörung straßenrechtlicher Strukturen Die Einstufung des kommunikativen Verkehrs als erlaubnisfreier Gemeingebrauch führt zu einer kasuistischen Rechtsprechung, die nur schwer nachvollziehbar und verständlich ist. Die Entscheidungen der Gerichte sind widersprüchlich, gleiche Sachverhalte werden unterschiedlich behandelt. Von einer voraussehbaren Rechtsprechung kann im Bereich der Abgrenzung von Sondernutzung und 297 Vgl. dazu den Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, NVwZ 1992, S. 53 f. Dort ging es um die Frage, ob das Erfordernis einer Sondemutzungserlaubnis zum Verteilen von Flugblättern in Fußgängerzonen mit der in Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsäußerungsfreiheit vereinbar sei. Die 3. Kammer des Ersten Senats kommt dabei zu dem Ergebnis: „Jedenfalls steht die Behinderung der Ausübung der Meinungsäußerungs- und Meinungsverbreitungsfreiheit durch das Erfordernis, vor Beginn der Grundrechtsausübung eine Genehmigung einholen zu müssen, außer Verhältnis zu dem mit dem Erlaubnisvorbehalt erstrebten Erfolg, die Leichtigkeit des Verkehrs in Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen zu gewährleisten." 298 Zur Gemeinverträglichkeit Scheuner, FS Gieseke, S. 73 ff.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
Gemeingebrauch nicht mehr die Rede sein; Rechtssicherheit besteht für den Bürger nicht mehr 299 . Dies illustrieren stellvertretend für eine Vielzahl von Ungereimtheiten zwei neuere Entscheidungen. Jüngst entschied das Oberlandesgericht Köln 3 0 0 , daß ein Händler mit einem Bauchladen keiner Sondernutzungserlaubnis bedürfe. Die Tätigkeit von sogenannten Bauchladenhausierern in Fußgängerzonen sei grundsätzlich als Gemeingebrauch zu bewerten. Der Bauchladen vergrößere zwar räumlich den Umriß seines Trägers, insofern unterscheide sich der Bauchladenhausierer aber nicht wesentlich von einem koffertragenden Passanten. Solange er sich nicht für eine ungewöhnlich lange, das verkehrsübliche Maß überschreitende Zeitspanne an einem bestimmten Platz aufhalte, sondern den Standort häufiger wechsele, zähle sein Verhalten zum Gemeingebrauch. Die Frage, wie lange ein Bauchladenhausierer im Rahmen des Gemeingebrauchs an derselben Stelle verweilen darf, könne nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles abschließend beantwortet werden. Dazu führt das OLG Köln aus: „Entgegen der Ansicht des Ministeriums, das in Anlehnung an § 12 I I StVO in der Regel von einer Sondernutzung ausgehen will, wenn der Bauchladen-Händler länger als drei Minuten an derselben Stelle verweilt, ist der Senat der Überzeugung, daß eine Verweildauer dieser Größenordnung regelmäßig noch nicht geeignet ist, die Teilnahme des Bauchladen-Hausierers am Gemeingebrauch in Frage zu stellen. Auch die im Urteil genannte Verweildauer von ca. 15 Minuten entfernt sich bei richtiger Betrachtung gerade in Fußgängerzonen nicht vom verkehrsüblichen Verhalten vieler anderer Passanten, die erfahrungsgemäß häufig selbst längere Zeit über an einer Stelle verharren, um miteinander zu diskutieren oder Gespräche zu führen." 301 Hält das Oberlandesgericht 15 Minuten noch für gemeingebräuchlich, das Ministerium hingegen nur 3 Minuten, so geht das VG Gelsenkirchen davon aus, daß die Verkaufstätigkeit mittels eines Bauchladens als erlaubnispflichtige Sondernutzung unabhängig von einer bestimmten Zeitdauer anzusehen und nicht dem Gemeingebrauch zuzurechnen sei 302 . Es entspreche gefestigter Auffassung im Schrifttum, daß der Straßenhandel nicht nur dann Sondernutzung sei, wenn er von einem festen Verkaufsstand aus betrieben werde, sondern auch dann, wenn ein Händler mit einem Bauchladen eine gewerbsmäßige Tätigkeit auf dem öffentlichen Straßengrund ausübe. Der Bauchladenhausierer in Gelsenkirchen bedarf also einer Sondernutzungserlaubnis, der in Köln hingegen nicht. Kein Bauchladenhausierer wird vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen wissen, ob generell oder erst ab einer bestimmten Verweildauer (15 oder 3 299 Zum Grundsatz des Vertrauensschutzes im Bereich der Rechtsprechung und den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an die Rechtsprechung: Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HStR I, § 24 Rn. 81 ff.; Maurer, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 60 Rn. 100 ff. 300 NVwZ 1992, S. 100 f. 301 NVwZ 1992, S. 101. 302 NWVB1 1989, S. 381 f.
IV. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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Minuten) eine Sondernutzungserlaubnis notwendig ist. Wann Gemeingebrauch oder Sondernutzung vorliegt, wird zum Roulettespiel. Dies zeigen auch die Entscheidungen303 zur Kunst des Scherenschnitts, ausgeführt von einer Künstlerin mit Hilfe eines Klappstuhls und einer Staffelei, in der Heidelberger Fußgängerzone. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe sah dies als Sondernutzung, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim als Gemeingebrauch und das Bundesverwaltungsgericht wiederum als Sondernutzung an. Das Bundesverwaltungsgericht verwies jedoch die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof Mannheim zurück, „um ihm Gelegenheit zu einer Auslegung der landesrechtlichen Begriffe des Gemeingebrauchs und der Sondernutzung zu geben" 304 . Damit hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim noch einmal die Möglichkeit, über den Scherenschnitt zu entscheiden, was deshalb begrüßenswert ist, da die Auslegung zwischen dem 1. Senat und dem entscheidenden 7. Senat im Hinblick auf Gemeingebrauch und Sondernutzung schwankt. Aber nicht nur die Rechtsprechung hat Probleme mit dem Scherenschnitt. Auch die Literatur konnte sich zu keiner einheitlichen Sichtweise durchringen 305 . Es finden sich sowohl Stimmen, die den Scherenschnitt als Gemeingebrauch ansehen, wie solche, die eine Sondernutzungserlaubnis fordern. Die Beispiele zeigen, daß die Erweiterung des Verkehrsbegriffes einhergeht mit einem Verlust an Rechtssicherheit. Eine auf die Verfassung gestützte Herleitung des Gemeingebrauchs zerstört die bei einem Verkehrsbegriff im Sinne von Ortsveränderung noch mögliche straßenrechtliche Unterscheidung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung. Die Lösung entnimmt man nicht mehr den Straßen- und Wegegesetzen, sondern der Verfassung, was eine Deformierung straßenrechtlicher Strukturen als Konsequenz hat. Dabei bedürfte es von Verfassungs wegen überhaupt keiner Ausdehnung des Verkehrsbegriffes. Es ist bereits äußerst fraglich, ob etwa Art. 5 Abs. 3 GG ein Recht, Kunst auf der Straße auszuüben, schützt. Das Bundesverfassungsgericht stellt in dem Sprayer-Beschluß 306 fest, daß die Freiheit der Kunst sich von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke künstlerischer Entfaltung erstrecke, sei es im Werk- oder Wirkbereich der Kunst. Damit grenzt das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich des Grundrechts ein, eine Verletzung der Kunstfreiheit scheidet bei Inanspruchnahme fremden Eigentums aus. Genauso wie Art. 5 Abs. 3 GG kein Recht gewährt, fremdes Eigentum zu benutzen, räumt er auch nicht die Befugnis ein, Straßen zu künstlerischen Zwecken zu gebrauchen 307. Selbst wenn 303 VGH Mannheim, NJW 1989, S. 1299 ff.; BVerwG, NJW 1990, S. 2011 ff. 304 NJW 1990, S. 2011 (2013). 305 Vgl. etwa Würkner, NJW 1990, S. 2013 f.; Hufen, JZ 1990, S. 339 f.; Goerlich, Jura 1990, S. 415 ff.; Steinberg / Härtung, JuS 1990, S. 795 ff.; Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 583 ff.; Heinz, NVwZ 1991, S. 139 ff. 306 NJW 1984, S. 1239 ff. 9 Axer
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
man der engen Tatbestandstheorie 308 nicht folgt, heißt dies noch nicht, daß die Kunstausübung auf der Straße wegen Art. 5 Abs. 3 GG Gemeingebrauch sein müßte. Nicht nur die Kunstfreiheit, sondern auch die Teilnahme am Gemeingebrauch ist verfassungsrechtlich gewährleistet (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) 3 0 9 . Beide Grundrechtspositionen müssen in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden, was mit Hilfe des Erlaubnisverfahrens möglich ist. Die Erlaubnispflicht stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Kunstfreiheitsgarantie dar. Das Erfordernis, vorher eine Sondernutzungserlaubnis einzuholen, verbietet bzw. verhindert die beabsichtigte künstlerische Straßennutzung nicht. Die Sondernutzungserlaubnis ermöglicht es aber der Straßenbaubehörde, konkurrierende Nutzungen miteinander in Einklang zu bringen. Durch das Erlaubnisverfahren ist eine Präventivsteuerung eventueller Nutzungskonflikte möglich, indem widerstreitende Nutzungen etwa durch Auflagen ausgeglichen werden können. Durch das der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis vorgeschaltete Erlaubnisverfahren wird sichergestellt, daß die Straßenbaubehörde Kenntnis von Ort, Zeit und Umfang der beabsichtigten Straßennutzung erhält. Die Straßenbaubehörde kann so von vornherein erkennbare Störungen verhindern oder in zumutbaren Grenzen halten und bei Kollision gleichwertiger Rechtsgüter einen Interessenausgleich schaffen. Der Sondernutzungserlaubnis kommt insoweit eine Verteilungs- und Ausgleichsfunktion zu 3 1 0 . Zwar bedeutet die Pflicht, vor der Straßennutzung eine Sondernutzungserlaubnis einzuholen, für den Künstler eine Belastung, die die Kunstausübung erschwert. Sie stellt jedoch keine unverhältnismäßige Belastung dar, denn die Sondernutzungserlaubnis ist ein geeignetes und notwendiges Instrument zur Regelung der Straßennutzung. Da die Erteilung im Ermessen der Behörde steht, können auch die jeweiligen Grundrechte desjenigen, der die Sondernutzung beantragt, entsprechend berücksichtigt werden. Ergibt die Prüfung, daß die künstlerische Darbietung den grundrechtlich geschützten Gemeingebrauch anderer nicht ernstlich beeinträchtigt, folgt aus der Kunstfreiheitsgarantie eine Ermessensreduzierung auf Null und ein Anspruch auf Erlaubniserteilung. Außerdem hat nach § 19 StrWG NW die Gemeinde die Möglichkeit, durch Satzung bestimmte Sondernutzungen in den Ortsdurchfahrten und in den Gemeindestraßen von der Erlaubnispflicht zu befreien und die Ausübung zu regeln. Damit ist der Gemeinde die Möglichkeit gegeben, eine erlaubnisfreie Sondernutzung zu regeln und so die Nutzung der Fußgängerzone über die Fortbewegung hinaus für andere Zwecke zu ermöglichen, ohne daß es jeweils im Einzelfall einer speziellen Erlaubnis bedürfte. Ob ein Straßenkünstler vorher im Rathaus eine Sondernutzungserlaubnis beantragen muß, ist nicht nur eine Frage, die durch die Einordnung 307 Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 620 ff. Vgl. dazu auch Friedrich Müller, S. 53 f. 308 Dazu Isensee, FS Sendler, S. 56 ff. 309 Steiner, in: Steiner, Rn. 97; Salzwedel, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 28; BVerwG, NJW 1990, S. 2011 (2012). 310 BVerwG, NJW 1990, S. 2011 (2012).
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der Straßenkunst in den Gemeingebrauch verneint werden kann. Die Kunstausübung auf Straßen ohne vorherige Antragsstellung durch den jeweiligen Künstler wäre auch dann möglich, wenn die Gemeinde eine Sondernutzungssatzung erlassen hätte, die die Kunstausübung von der Erlaubnispflicht befreit. Das Erfordernis der Sondernutzungserlaubnis bei Fehlen einer Sondernutzungssatzung erschwert die spontane Kunstausübung oder politische Auseinandersetzung. Die seltenen Fälle 311 wirklich spontaner, ohne Planung vorgenommener Grundrechtsausübung rechtfertigen aber nicht die Einordnung als Gemeingebrauch. In diesen Fällen gelten die zu Art. 8 GG für die Spontanversammlung entwickelten Grundsätze 312 für die spontane Straßennutzung. Ebenso wie dort die Anmeldepflicht nach § 14 VersammlG entfällt, bedarf es hier dann keiner Sondernutzungserlaubnis. Ein weiterer Verkehrsbegriff läßt sich auch nicht aus § 14 Abs. 3 S. 1 StrWG NW herleiten 313 . Nach § 14 Abs. 3 S. 1 StrWG NW liegt kein Gemeingebrauch vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist. Gegenstand der Regelung ist somit nicht der Begriff des Verkehrs, sondern der des Gemeingebrauchs. Verständlich ist die Vorschrift nur vor dem Hintergrund eines engen Verkehrsbegriffes im Sinne von Fortbewegung. Die in § 14 Abs. 3 S. 1 StrWG NW geregelte Zulässigkeit verkehrsfremder Nutzungen in geringem Umfang („nicht vorwiegend") wäre nämlich überflüssig, wenn bereits der Verkehrsbegriff selbst über die Fortbewegung hinausgehende Nutzungen erfassen würde. Bei einem weiten Verkehrsbegriff bedürfte es der Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 StrWG NW nicht. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift eine erlaubnisfreie Nutzung der Straße auch dann zugelassen, wenn die Nutzung nicht vorwiegend der Fortbewegung dient. Was allerdings zu diesen Nutzungen zählt, ist unklar. Zu weit geht es, wenn man dazu den gesamten kommunikativen Verkehr rechnet 314 , denn dieser stellt gerade keine Nutzung vorwiegend zur Ortsveränderung und Fortbewegung, sondern einen eigenständigen Hauptzweck 315 dar. Im Rahmen des § 14 Abs. 3 S. 1 StrWG NW sind daher nur solche Nutzungen zulässig, die zwar über die bloße Fortbewegung hinausgehen, aber damit noch in einem Zusammenhang stehen. Ergebnis: Verkehr im Sinne der Straßen- und Wegegesetze meint nur die auf Fortbewegung gerichtete Benutzung der Straße 316. Nicht zum Verkehr zählt der su Steinberg, NJW 1978, S. 1903; Bismark, NJW 1985, S. 253. 312 Dazu Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 143 Rn. 29; Kniesel, NJW 1992, S. 863. 313 In diese Richtung aber Fickert, § 14 Rn. 31. 314 In diese Richtung Walprecht / Cosson, § 14 Rn. 126. 315 Bei Fickert, § 14 Rn. 32 heißt es: „Der Kommunikationszweck, im weitesten Sinne verstanden, ist neben dem Fortbewegungs-(Ortsveränderungs)zweck ein eigenständiger Hauptverkehrszweck im straßenrechtlichen Sinne." 316 Vgl. auch Messer, S. 89 ff.; Meissner, JA 1980, S. 583 ff.; Schröder, Die Verwaltung 10 (1977), S. 451 ff.; Steinberg, NJW 1978, S. 1898 ff. *
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
kommunikative Verkehr. Dieses Verständnis des Verkehrsbegriffs ermöglicht eine klare Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung. Es erspart Diskussionen darüber, ob etwa der Aufenthalt zum Alkoholgenuß auf Straßen nicht unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation und der menschlichen Kontaktpflege als kommunikativer Verkehr Gemeingebrauch darstellt 317 .
b) Die Widmung — nur zum Verkehr? Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil zur Zulässigkeit des Scherenschnitts davon aus, daß in der Widmung bestimmte Straßenkunst als Gemeingebrauch definiert werden könne 318 . Der Inhalt der Widmung muß sich danach nicht notwendigerweise auf den Verkehr beschränken. Die Straßenbaubehörde könne in der Widmungsverfügung festlegen, daß auf der zu widmenden Straße über die Fortbewegung und Ortsveränderung hinaus bestimmte Nutzungen, beispielsweise Straßenkunst, gemeingebräuchlich ausgeübt werden dürfen. Diese Ansicht widerspricht jedoch dem Wortlaut und der Systematik der Straßen- und Wegegesetze. Nach § 2 Abs. 1 StrWG NW liegt eine öffentliche Straße nur dann vor, wenn sie dem Verkehr gewidmet ist. Damit hat der Gesetzgeber den Verkehrszweck als Inhalt der Widmung vorgegeben. Eine Widmung, die zwar in erster Linie die Straße dem Verkehr widmet, daneben aber auch noch verkehrsfremde Nutzung zuläßt, widerspricht nicht nur § 2 Abs. 1 StrWG NW, sondern ebenfalls der Systematik des Straßenrechts. Will eine Gemeinde entsprechend den örtlichen Verhältnissen oder Bedürfnissen eine über den Verkehr hinausgehende Nutzung ohne vorherige Pflicht zur Einholung einer Sondernutzungserlaubnis ermöglichen, so regelt das Gesetz dies in § 19 StrWG NW. Danach kann die Gemeinde durch Satzung bestimmte Sondernutzungen in den Ortsdurchfahrten und in den Gemeindestraßen von der Erlaubnispflicht befreien. Die „Sondernutzungssatzung" und nicht die Widmung gibt die Möglichkeit, über die Ortsveränderung hinausgehende Nutzungen zuzulassen. In der Widmungsverfügung kann die Straßenbaubehörde die Straße nur zum Verkehr widmen.
So Kohl N V w Z 1991, S. 623 ff. 318 BVerwG, NJW 1990, S. 2012. Dort heißt es: „ Z u n ä c h s t hebt § 1311 BadWürttStrG zur Bestimmung des Gemeingebrauchs — außer auf den „Rahmen der Widmung", innerhalb dessen eine bestimmte Straßenkunst als Gemeingebrauch definiert werden kann, — auch auf die „verkehrsüblichen Grenzen", also auf ortsübliche Verkehrsanschauungen ab und läßt damit Raum für die Bildung von Ortsgebräuchen." Vgl. auch Laubinger, VerwArch 81 (1990), S. 622 ff., wonach eine Widmungsverfügung, die verkehrsfremde Nutzungen zuläßt, nur dann unwirksam sein soll, wenn dadurch der Verkehr gänzlich eliminiert oder zu einer unbedeutenden Randnutzung degradiert würde. Anderer Ansicht Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 77 ff. 317
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c) Der zulässige Inhalt der Widmung In der Widmung sind die Straßengruppe, zu der die Straße gehört (Einstufung), und Beschränkungen der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke oder Benutzerkreise sowie etwaige sonstige Besonderheiten festzulegen. § 6 Abs. 3 StrWG NW nennt damit die inhaltlichen Bestandteile der Widmungsverfügung. Die Einstufung konkretisiert die öffentliche Zweckbestimmung. Mit der Zuordnung der Straße entsprechend ihrer Verkehrsbedeutung in eine Straßengruppe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 - 4 StrWG NW bestimmt sich kraft Gesetz der Straßenbaulastträger (§ 43 ff. StrWG NW) und die Straßenbaubehörde (§ 56 Abs. 2 StrWG NW). Die Einstufung ist notwendiger Bestandteil der Widmung. Ändert sich die Verkehrsbedeutung der Straße und entspricht daher die in der Widmung festgelegte Straßengruppe nicht mehr der gesetzlichen Einteilung, muß nach § 8 StrWG NW eine Umstufung erfolgen. Über die Einstufung hinaus hat die Straßenbaubehörde die Möglichkeit, durch Widmungsbeschränkungen die Nutzung der Straße näher zu regeln. In der Widmungsverfügung kann sie festlegen, welche Personen in welchem Umfang und zu welchem Zwecke die Straße benutzen dürfen 319 . Diese Beschränkungen des Widmungsinhalts vor allem hinsichtlich des Benutzerkreises stehen im Gegensatz zu der „jedermann" gemäß § 14 Abs. 1 StrWG NW eröffneten Möglichkeit, die Straße im Rahmen der Widmung zu benutzen. Es ist widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber zwar jedermann das Recht auf Benutzung der Straße einräumt, mit Hilfe einer Widmungsbeschränkung die Verwaltung den Kreis der Nutzungsberechtigten aber einschränken kann, indem sie in der Widmung bestimmte Personen ausschließt. Dieses Dilemma versucht man mit Hilfe der Unterscheidung zwischen subjektiven und objektiven Merkmalen zu überwinden 320 . Danach sollen nur solche Widmungsbeschränkungen zulässig sein, die sich an sachlichen (objektiven), d. h. von der Individualität des einzelnen Straßenbenutzers unabhängigen, Kriterien orientieren. Beschränkungen der Widmung aus Gründen, die in der Person des Benutzers liegen, sollen als Differenzierungskriterium hingegen nicht zulässig sein. Die Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Gesichtspunkten erfolgt damit aber nicht im Hinblick auf die Gemeingebrauchsdefinition in § 14 Abs. 1 StrWG NW, da sowohl bei objektiven als auch bei subjektiven Widmungsbeschränkungen nicht „jedermann" das Recht hat, die Straße zu benutzen. Die Unterscheidung resultiert vielmehr aus dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, der die willkürliche Ungleichbehandlung von wesentlich
3!9 Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit und die Kenntlichmachung der Widmungsbeschränkungen Fickert, § 6 Rn. 40 ff. 320 Sieder / Zeitler, Art. 6 Rn. 38 f.; Papier, in: Achterberg / Püttner, Rn. 698; Fickert, § 6 Rn. 40.
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Gleichem verbietet 321 . Willkür bedeutet das Fehlen eines sachlichen Grundes 322 . Objektive Gesichtspunkte für eine Beschränkung des Benutzerkreises lassen sich sachlich rechtfertigen, beispielsweise die Nutzungsbeschränkung eines Weges zum Friedhof auf Friedhofsbesucher. Subjektive Kriterien, insbesonders wenn sie an die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale anknüpfen, sind keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zugänglich. § 6 Abs. 3 StrWG NW wird also insoweit in Hinblick auf Art. 3 GG verfassungskonform ausgelegt. § 14 Abs. 1 StrWG NW spielt in diesem Zuammenhang keine Rolle. Daraus lassen sich Schlüsse über das Verhältnis von § 14 Abs. 1 StrWG NW und Widmung ziehen. Der „Jedermannsbegriff" in dieser Vorschrift hat keine eigenständige Funktion. Die Widmung ermöglicht „jedermann" den Gebrauch der Straße. Enthält sie aber Beschränkungen des Benutzerkreises, die im Lichte des Art. 3 GG verfassungsrechlich gerechtfertigt sind, so kann § 14 Abs. 1 StrWG NW den Benutzerkreis nicht auf „jedermann" erweitern. Die Widmung bestimmt nicht nur den Benutzungsumfang und den Benutzungszweck, sondern auch den Kreis der Nutzungsberechtigten. § 14 Abs. 1 StrWG NW stellt damit nur eine deklaratorische Normierung dessen dar, was bereits aus der Widmung folgt.
3. Die Widmung als Anspruchsgrundlage Die bisher gewonnenen Ergebnisse im Hinblick auf die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung werfen die Frage auf, ob nicht bereits die Widmung den Rechtsgrund für den Nutzungsanspruch des Bürgers bildet. Mit anderen Worten: Bedarf es überhaupt einer Norm wie § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW, um das subjektiv öffentliche Recht des Einzelnen, die Straße im Rahmen der Widmung zu benutzen, zu begründen? Nach heute allgemeiner Ansicht 323 folgt das subjektiv öffentliche Recht auf Straßenbenutzung nicht aus der Widmung, sondern aus der Vorschrift über den Gemeingebrauch. Zwar war die Qualifizierung des Gemeingebrauchs als subjektiv öffentliches Recht früher umstritten, teilweise sah man den Gemeingebrauch als „Tatsachenreflex" oder nur als „Rechtsreflex" an 3 2 4 . Aufgrund des Wortlauts:
321 Vgl. zu Art. 3 GG das Referat von Zippelius auf der Staatsrechtslehrertagung 1988, VVDStRL 47 (1989), S. 7 ff. sowie Pietzcker, JZ 1989, S. 305 ff.; Gusy, NJW 1988, S. 2505 ff.; Robbers, DÖV 1988, S. 749 ff.; Schock, DVB1 1988, S. 863 ff.; Wendt, NVwZ 1988, S. 778 ff. 322 Das Bundesverfassungsgericht verlangt, daß sich „irgendein sachlich vertretbarer zureichender Grund anführen läßt"; BVerfGE 33, 44 (51); 71, 39 (58); 75, 108 (157). 323 Vgl. statt vieler Wolff! Bachof, I, § 561; Franz Mayer, JuS 1963, S. 205 f.; Kodal / Krämer, Kap. 7 Rn. 6; Fickert, § 14 Rn. 7; Sieder, FS Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, S. 93 f.; Papier, in: Achterberg / Püttner, Rn. 704; Eyermann / Fröhler, § 42 Rn. 20. 324 Peters, S. 210 f., verstand unter Gemeingebrauch „die jedem offen stehende Benutzung einer einem öffentlichen Zweck gewidmeten Sache", die „ebensowenig ein subjek-
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„Der Gebrauch... ist jedermann... gestattet", besteht heute jedoch weitgehende Einigkeit über die Qualifizierung des Gemeingebrauchs als subjektiv öffentlichen Rechts. § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW vermittle dem Einzelnen im Rahmen der Widmung einen Anspruch auf Straßenbenutzung, nicht hingegen aber auf Schaffung oder Aufrechterhaltung von Gemeingebrauch 325. Die Widmung begründe aber nicht das subjektiv öffentliche Recht des Bürgers auf Straßenbenutzung, denn sie habe nur die Qualifikation der Sache als öffentliche zur Folge. Die Sache erhalte durch die Widmung einen besonderen Rechtsstatus, eine Beziehung zwischen öffentlichem Sachherrn und Benutzer entstehe dadurch aber noch nicht. Dafür bedürfe es der Vermittlung einer Norm, die an den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus Rechtsfolgen anknüpfe. Die Widmung hat nach dieser Auffassung nur die Funktion eines Tatbestandsmerkmals, genauer einer Tatbestandsschranke, da sie das subjektiv öffentliche Recht auf Gemeingebrauch einschränkt „ . . . jedermann im Rahmen der Widmung . . . " . Damit wird jedoch die Funktion der Widmung für die Nutzung der Straße unterschätzt. Die Widmung enthält eine Zweckbestimmung, eine inhaltliche Regelung der Nutzung der Straße; § 6 Abs. 3 StrWG NW ermächtigt zur Festlegung des Widmungsinhalts und damit zur Regelung der Nutzung. Der öffentliche Sachherr regelt in der Widmung, für welchen Zweck und für welche Nutzungen die Sache bestimmt sein soll. Mit dieser Erklärung bindet sich der öffentliche Sachherr gleichzeitig, die Sache für diesen Zweck bereitzustellen bzw. vorzuhalten. Die Widmung erweist sich somit als Akt rechtsschöpferischer Selbstbindung, der die Verwaltung verpflichtet, dem festgelegten Benutzerkreis die zweckgemäße Benutzung der Sache zu ermöglichen. Der in der Widmung zum Ausdruck kommenden Zweckbindung korrespondiert notwendigerweise auch der Anspruch des Bürgers, im Rahmen der Zweckbindung die Sache benutzen zu können, ohne daß dies durch eine Norm wiederholt werden müßte. Treffend formulierte schon Otto Gierke 326 : „Dieser objektiven Zweckgebundenheit entspringen hier zugleich subjektive Rechte auf Teilnahme am Gemeingebrauch." Der Anspruch des Einzelnen auf Straßennutzung ergibt sich bereits aus dem Verwaltungsakt „Widmung". Wesentliches Kennzeichen eines Verwaltungsaktes ist sein Regelungscharakter. Dies erfordert, daß durch die Maßnahme der Behörde tiv-öffentliches Recht" darstelle, „wie ein solches zum Atmen oder Spazierengehen existiert". Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 70 ff., sah in den „Rechten" auf den Gemeingebrauch öffentlicher Sachen bloße Reflexwirkungen. Der Gemeingebrauch stelle für den Einzelnen nur einen aus dem allgemeinen Rechtsvollzug sich ergebenden Vorteil dar. — Vgl. zu diesen inzwischen überholten Ansichten mit Gegenargumenten: Sieder i Zeitler, Art. 14 Rn. 6; Jesch, JuS 1963, S. 213 ff.; Pappermann ! Lohr ! Andriske, S. 77 f.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 96 ff.; Löwer, SKV 1976, S. 331 f.; Salzwedel, Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 98 f. 325 Statt vieler Papier, in: Achterberg/Püttner, Rn. 718; Salzwedel, in: Erichsen/ Martens, § 46 Rn. 16 f.; Pappermann I Lohr I Andriske, S. 77. 326 S. 24 f.
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Β. Die Widmung im Straßenrecht
„entweder subjektive Rechte des Betroffenen begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte verbindlich abgelehnt wird" 3 2 7 . Der Regelungscharakter der Widmung beschränkt sich nicht auf die Schaffung der öffentlichen Sache. Darüber hinaus regelt die Widmung die Benutzung der Sache durch die Allgemeinheit, sie enthält Regelungen über den Benutzerkreis, den Nutzungsumfang und den Nutzungszweck (§ 6 Abs. 3 StrWG NW). Die Widmung ist damit nicht nur eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2, 2. Alt. VwVfG (Öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache), sondern auch im Sinne des § 35 S. 2, 3. Alt. VwVfG (Benutzung durch die Allgemeinheit). Als solche begründet sie das Recht des Bürgers auf Benutzung der Straße, einer zusätzlichen Vermittlung durch § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW bedarf es dafür nicht mehr. Dadurch erfährt die Rechtsposition des einzelnen keine Beeinträchtigng oder Schmälerung. Wie bereits oben gezeigt 328 , kann die Formulierung „jedermann" nicht einem durch die Widmung ausgeschlossenen Benutzer ein subjektiv öffentliches Recht auf Benutzung gewähren. § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW gibt dem einzelnen keinen weitergehenden Anspruch als die Widmung, denn auf Schaffung oder Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs gewährt die Vorschrift gerade keinen Anspruch. Sie normiert nur das Recht zur Benutzung einer Straße im Rahmen der Widmung; dieses Recht folgt aber bereits unmittelbar aus der Widmung selbst. Die Widmung gewährt dem in der Widmung festgelegten Benutzerkreis das Recht auf Straßenbenutzung. Eine Normierung dieses Anspruchs wie in § 14 Abs. 1 S. 1 StrWG NW ist nicht notwendig. Fazit: Die Widmung legt fest, wer und in welchem Umfang die Straße zum Verkehr, d. h. zur Fortbewegung und Ortsveränderung, benutzen darf. Damit bestimmt sie den Inhalt des zulassungsfreien Gemeingebrauchs und trennt diesen von der erlaubnispflichtigen Sondernutzung. Als Akt rechtsschöpferischer Selbstbindung folgt bereits aus der Widmung der Anspruch auf Benutzung der Straße.
V. Straßenrecht als Recht der öffentlichen Sachen Die Widmung hat im Straßenrecht die Funktion, die ihr im von der Wissenschaft konzipierten Recht der öffentlichen Sachen zukommt. Sie ist der, meist in Form des Verwaltungsakts erfolgende Kreationsakt der öffentlichen Straße. Ohne Widmung liegt keine öffentliche Straße vor. Durch die Widmung entsteht die öffentliche Sachherrschaft des Straßenbaulastträgers, die die privaten Rechte an dem gewidmeten Grundstück verdrängt. Zwar ist die öffentliche Sachherrschaft nicht ausdrücklich in den Straßen- und Wegegesetzen normiert, jedoch 327 BVerwGE 69,374 (377). — Zum Merkmal „Regelung" vgl. Stelkens, in: Stelkens / Bonk/Leonhardt, Rn. 64 ff.; Löwer, JuS 1980, S. 809. 328 B. IV. 2. c).
V. Straßenrecht als Recht der öffentlichen Sachen
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zeigen die gesetzlichen Regelungen, vor allem § 6 Abs. 6 StrWG NW, daß der Gesetzgeber von der Existenz einer öffentlichen Sachherrschaft ausgeht. Im Unterschied zum wissenschaftlich entwickelten Recht der öffentlichen Sachen besteht die öffentliche Sachherrschaft aber nicht in Form einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit". Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Sachherrn die Rechte und Pflichten eines Eigentümers soweit es die Aufrechterhaltung des Widmungszwecks erfordert, nicht die des Berechtigten einer Dienstbarkeit zugewiesen. Er gestaltet damit die öffentliche Sachherrschaft wie das Eigentum und nicht wie eine Dienstbarkeit aus. Die straßenrechtliche Widmung begründet neben der öffentlichen Sachherrschaft den Nutzungsanspruch des Bürgers. Die Widmung bestimmt, wer und in welchem Umfang die Straße zum Verkehr, d. h. zur Fortbewegung und Ortsveränderung, benutzen darf. Im Rahmen dieser durch die Widmung getroffenen Zweckbestimmung hat der Einzelne einen Anspruch auf Nutzung der Straße. Der Nutzungsanspruch ergibt sich unmittelbar aus der Widmung als Akt der Selbstbindung und Selbstverpflichtung des öffentlichen Sachherrn. Die Widmung erweist sich im Straßenrecht als ein Instrument der Nutzungsregelung. Schutz- und Verteilungsfunktion, die das Recht der öffentlichen Sachen kennzeichnen, bestimmen somit auch das Straßenrecht. Beide Funktionen beruhen im Straßenrecht wie im Recht der öffentlichen Sachen auf der Widmung. Im Straßenrecht finden sich die Prinzipien wieder, die das Recht der öffentlichen Sachen kennzeichnen. Dahingestellt bleiben kann, ob die Straße eine öffentliche Sache im Gemeingebrauch 329 oder eine öffentliche Sache im Anstaltsgebrauch 330 darstellt, denn aus dieser Kategorisierung folgen keine rechtlichen Konsequenzen 331 .
329 Überwiegende Ansicht. Vgl. statt vieler Salzwedel, DÖV 1963, S. 242; Stern, VVDStRL 21 (1964), S. 190; Kodal I Krämer, Kap. 5 Rn. 5; Wolff / Bachof, I, § 55 III b (2); Pietzcker, Sachen, öffentliche, in: Lexikon des Rechts, S. 1; Peine, JZ 1984, S. 869. 330 Ernst Rudolf Huber, DÖV 1955, S. 130; Röttgen, S. 441 f.; Herbert Krüger, Gegen eine Entstaatlichung der öffentlichen Wege, S. 23 ff.; Werner Weber, VVDStRL 21 (1964), S. 177 f., bezeichnete die Autobahnen und innerstädtischen Straßen und Plätze als öffentliche Anstalten. 331 Dazu bereits oben Α. I.
C. Die Widmung im Recht der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen Öffentliche Einrichtungen begleiten den Bürger sprichwörtlich von der Wiege bis zur Bahre, von der Geburt in einem Krankenhaus bis zur Bestattung auf dem Friedhof. Der Kindergarten 1, der Kinderspielplatz 2, die Schule3, das Schwimmbad 4 , die Stadthalle5, das Theater 6, das Volksfestgelände 7 oder die Bibliothek 8 sind nur einige Beispiele. Zu den öffentlichen Einrichtungen zählen nicht nur so unterschiedliche Dinge wie die Oberammergauer Passionsspiele9, das Oktoberfest 10 , eine Umweltfibel 11 , ein Verkehrslandeplatz 12 oder der vielfach genannte Zuchtbulle 13 , sondern auch die Wasserleitung und die Kanalisation, also die der Versorgung und der Entsorgung des Bürgers dienenden Anlagen. Schon diese kurze, unvollständige Aufzählung veranschaulicht das breite Spektrum öffentlicher Einrichtungen und deutet ihre Relevanz für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betätigung und Entfaltung des Einzelnen an.
I. Die gemeindliche öffentliche Einrichtung 1. Die gesetzlichen Regelungen Die heute geltenden gesetzlichen Regelungen gehen zurück auf § 17 der deutschen Gemeindeordnung vom 30. 1. 1935 14 . Danach waren alle Einwohner nach den hierüber bestehenden Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen ι VGH Kassel, NJW 1977, S. 452 ff. 2 VG Braunschweig, NVwZ 1991, S. 1211 f. 3 OVG Münster, NJW 1980, S. 901; OVG Münster NVwZ 1984, S. 665. 4 VGH Mannheim, ESVGH 25, S. 203 ff. s BVerwG, NJW 1990, S. 134 ff. 6 OVG Münster, NJW 1969, S. 1077 f. 7 OVG Münster, NJW 1976, S. 820 ff. s VGH München, BayVBl 1983, S. 374. 9 VGH München, NJW 1990, S. 2014 ff. mit weiteren Nachweisen. 10 VGH München, NVwZ 1982, S. 120 (121). h VG Minden, NJW 1992, S. 523 f. 12 VGH Mannheim, DVB1 1980, S. 220 ff. 13 VGH Mannheim, ESVGH 22, S. 129 ff. 14 Zu § 17 DGO Surén / Loschelder, § 17 Anm. 2 mit Nachweisen auf entsprechende frühere Vorschriften. Zur historischen Entwicklung allgemein: Scholz, S. 34 ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 24 ff., 87 ff.
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der Gemeinde zu benutzen, und verpflichtet, die Gemeindelasten zu tragen 15 . In weitgehender wörtlicher Übereinstimmung mit den meisten Gemeindeordnungen der übrigen Bundesländer 16 enthält § 18 GO NW die maßgebliche Regelung für die öffentliche Einrichtung, ohne den Begriff jedoch zu definieren. Nach § 18 Abs. 1 GO NW schaffen die Gemeinden innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen. Gemäß Absatz 2 sind alle Einwohner im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen, und verpflichtet, die Lasten zu tragen, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zu der Gemeinde ergeben. Grundbesitzer und Gewerbetreibende, die nicht in der Gemeinde wohnen, sind nach Absatz 3 in gleicher Weise berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen zu benutzen, die in der Gemeinde für Grundbesitzer und Gewerbetreibende bestehen, und verpflichtet, für ihren Grundbesitz oder Gewerbebetrieb im Gemeindegebiet zu den Gemeindelasten beizutragen. Diese Vorschriften finden gemäß Absatz 4 entsprechende Anwendung für juristische Personen und Personenvereinigungen 17. Der Begriff „öffentliche Einrichtung" wird nochmals in § 28 Abs. 1 lit. 1, m GO NW erwähnt. Danach ist der Rat ausschließlich zuständig für die Errichtung, Übernahme, Erweiterung, Einschränkung und Auflösung von öffentlichen Einrichtungen bzw. für die Umwandlung der Rechtsform von öffentlichen Einrichtungen. In einzelnen Bundesländern enthalten die Gemeindeordnungen noch einige über das nordrhein-westfälische Recht hinausgehende Regelungen, ohne daß sie den Begriff „öffentliche Einrichtung" definieren. Nach Art. 57 Abs. 1 und 2 BayGO sind die Gemeinden zur Vorhaltung öffentlicher Einrichtungen verpflichtet, nach Art. 24 Abs. 1 BayGO und § 8 Nr. 1 NdsGO sind sie ermächtigt, durch Satzung die Benutzung ihres Eigentums und ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln und Gebühren für die Benutzung festzusetzen.
is Die Regelung des Absatzes 1 galt nach Absatz 2 auch für Grundbesitzer und Gewerbetreibende, die nicht in der Gemeinde wohnen, hinsichtlich der Gemeindeeinrichtungen für Grundbesitzer oder Gewerbetreibende. Nach Absatz 3 fanden die Vorschriften entsprechende Anwendung für juristische Personen und Personenvereinigungen. 16 Diese sind zusammengestellt bei Gerd Schmidt-Eichstaedt u. a. (Hrsg.), Die Gemeindeordnungen und Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland (Loseblatt), Stand: September 1991. — In Berlin fehlt eine Regelung der Benutzung öffentlicher Einrichtungen. Ein Benutzungsanspruch bezüglich öffentlicher Einrichtungen ergibt sich aber nach Ansicht des OVG Berlin (Städtetag 1979, S. 162 f.) aus früheren gesetzlichen Regelungen sowie aus einer langjährigen Verwaltungspraxis als Gewohnheitsrecht. 17 Eine gleichlautende Regelung enthält § 16 KreisO NW in Übereinstimmung mit den meisten Kreis- bzw. Landkreisordnungen. — Nach § 4 Nr. 2 LVerbO sind alle Einwohner der Mitgliedskörperschaften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen des Landschaftsverbandes nach Maßgabe der für diese bestehenden Bestimmungen zu benutzen.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
2. Begriffsbestimmung Mangels gesetzlicher Definition bleibt es Rechtsprechung und Literatur überlassen, den Begriff „öffentliche Einrichtung" zu entwickeln. Neben dem Problem, die vielfältigen Erscheinungsformen öffentlicher Einrichtungen in der Praxis miteinander zu verbinden, bereitet vor allem das Verhältnis zur „öffentlichen Anstalt" und zum „öffentlichen Unternehmen" Schwierigkeiten. Häufig werden die Begriffe synonym verwendet, was zu einer terminologischen Unschärfe, vor allem aber zu einer Vermengung von Problemen führt, die durch eine begriffliche Trennung vermieden werden könnte.
a) Öffentliche Anstalt — Öffentliche Einrichtung Die synonyme Verwendung beider Begriffe resultiert aus der historischen Entwicklung des Kommunalrechts. Das Kommunalrecht kannte zunächst nur die Begriffe „öffentliche Anstalt" 18 bzw. „öffentliche Gemeindeanstalt"19. Erst später trat der Begriff der öffentlichen Einrichtung neben den der öffentlichen Anstalt und ersetzte diesen; § 17 DGO sprach dann nur noch von öffentlichen Einrichtungen. Ein weiterer Grund liegt in der Unschärfe des Begriffs „öffentliche Anstalt", der Kontur verloren hat 20 . Otto Mayer definiert die öffentliche Anstalt „als Bestand von Mitteln, sächlichen wie persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zwecke dauernd zu dienen bestimmt sind" 21 . Die Weite der auch heute noch maßgebenden Definition Otto Mayers 22 erlaubte es, unter dem Topos „öffentliche Anstalt" eine Vielzahl von Problemen zu diskutieren. Neben organisationsrechtlichen Problemen stand lange Zeit das Verhältnis zwischen Anstalt und Benutzer unter dem Schlagwort „Anstaltsnutzung" im Vordergrund 23. Die Beschäftigung mit der Anstaltsnutzung führte dazu, daß auch im Rahmen der Behandlung der öffentlichen Einrichtung von „Anstaltsnutzung" gesprochen wurde. Damit bezeichnete man aber nur einen geringen Teil der Nutzungsverhältnisse öffentlicher Einrichtungen richtig. Die öffentliche Einrichtung ist nämlich keine Anstalt, sie ist organisationsrechtlich neutral. Während die Anstalt eine — in 18
§ 5 Gesetz betreffend die Verfassung und die Verwaltung der Städte und Flecken in der Provinz Schleswig-Holstein vom 14. 4. 1869. 19 § 3 S. 1 Gemeindeordnung für den Preußischen Staat vom 11. 3. 1850. 20 So Isensee, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 44 (1986), S. 286. 21 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 268. 22 Bezeichnenderweise beginnen beide Referate auf der Staatsrechtslehrertagung 1985, die die öffentlich-rechtliche Anstalt als Thema hatte, mit der Definition von Otto Mayer. Siehe Lange, S. 170; Breuer, S. 213. 23 Vgl. zur Entwicklung des Anstaltsrechts eingehend Löwer, DVB1 1985, S. 928 ff.
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ihrem Umfang streitige 24 — organisatorische Verselbständigung verlangt, gehört dies bei den öffentlichen Einrichtungen nicht zu den notwendigen Voraussetzungen. Weiterhin erfordert die öffentliche Anstalt eine öffentlich-rechtliche Organisationsform, die öffentliche Einrichtung kann nach überwiegender Ansicht 25 hingegen auch in privatrechtlicher Form, beispielsweise als GmbH oder Aktiengesellschaft, betrieben werden. Öffentliche Anstalt und öffentliche Einrichtung sind voneinander zu trennen. Während öffentliche Anstalt eine bestimmte öffentlichrechtliche Organisationsform bezeichnet, gehört eine bestimmte organisatorische Form nicht zum Merkmal der öffentlichen Einrichtung. Eine öffentliche Anstalt kann eine öffentliche Einrichtung sein, eine öffentliche Einrichtung muß aber keine öffentliche Anstalt sein. Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen ist somit kein spezifisch anstaltsrechtliches Problem 26 . Die Diskussion unter dem Stich wort „Anstaltsnutzungsverhältnis" führt in die Irre und vermengt Probleme der Anstalt mit denen der öffentlichen Einrichtung, ohne daß dafür eine Notwendigkeit besteht. Daher sollte im Rahmen der öffentlichen Einrichtung nicht von Anstaltsnutzungsverhältnissen gesprochen werden. b) Öffentliches Unternehmen — Öffentliche Einrichtung „Es ist schwierig und bis heute nicht eindeutig geklärt, wie sich öffentliche Unternehmen von anderen öffentlichen Einrichtungen unterscheiden." 27 Otto Mayer definiert das öffentliche Unternehmen als „ein durch seinen besonderen Zweck gekennzeichnetes und abgegrenztes Stück öffentlicher Verwaltung" 28 . Seine Begriffsbestimmung erweckt den Eindruck, ein öffentliches Unternehmen setze eine Zweckbestimmung, eine Widmung, voraus. Das geltende Recht verwendet den Begriff „öffentliches Unternehmen" selten. Die Gemeindeordnungen sprechen von „wirtschaftlichen Unternehmen", § 98 Abs. 1 GWB von „Unternehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden". Erwähnung findet er vor allem in Art. 90 EWG-Vertrag. Art. 90 Abs. 1 EWG- Vertrag verpflichtet die Mitgliedstaaten in bezug auf öffentliche Unternehmen, denen sie 24 Berg, NJW 1985, S. 2298 f.; Krebs, NVwZ 1985, S. 613 ff.; Breuer, VVDStRL 44 (1986), S. 225 mit weiteren Nachweisen. 25 Statt vieler Erichsen, Kommunalrecht, S. 212; Ehlers, DVB1 1986, S. 912 ff.; Frotscher, HdkWP ΠΙ, S. 142; Schmidt-Aßmannn, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 106; Püttner / Lingemann, JA 1984, S. 122. 26 In der neueren Literatur wird vorgeschlagen, das Problem der Nutzung aus dem Begriff der öffentlichen Anstalt auszuklammern und den Anstaltsbegriff nur noch im organisationsrechtlichen Sinne zu verwenden. Vgl. Rüfner, Die Verwaltung 17 (1984), S. 19 ff.; ders., DÖV 1985, S. 605 ff.; Berg, NJW 1985, S. 2294 ff. 27 Püttner, Verwaltungslehre, S. 258. 28 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 1.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EWG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 7 und 85 bis 94 widersprechenden Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. Der Begriff „öffentliches Unternehmen" wird im EWG- Vertrag unter wettbewerbsrechtlichen, wirtschaftsrechtlichen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen geregelt. In diesem Kontext erlangt er auch in der wissenschaftlichen Diskussion Bedeutung29. Anhand Art. 90 Abs. 1 EWGVertrag, der den Begriff im Unterschied zu anderen gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich nennt, soll deshalb untersucht werden, was „öffentliches Unternehmen" meint. Art. 90 Abs. 1 EWG-Vertrag richtet sich an die Mitgliedstaaten selbst, die verpflichtet sind, in Hinblick auf öffentliche Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem Vertrag widersprechende Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. Ziel der Vorschrift ist die Gewährleistung des Wettbewerbs durch eine Gleichbehandlung der privaten und öffentlichen Unternehmen 30. Eine Definition des „öffentlichen Unternehmens" fehlt. Der Europäische Gerichtshof hat es bislang vermieden, den Unternehmensbegriff abstrakt zu definieren. In einigen Entscheidungen31 nimmt er jedoch auf den Unternehmensbegriff in der Transparenzrichtlinie Bezug. Nach Art. 2 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie 32 ist öffentliches Unternehmen jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund ihres Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. Die Anwendung dieser Definition auf Art. 90 Abs. 1 EWG- Vertrag wird von der Literatur im Ergebnis geteilt 33 . Kennzeichen öffentlicher Unternehmen sind danach ihre wirtschaftliche Ausrichtung 34 und der Einfluß des Staates. Soweit öffentliche Einrichtungen wirtschaftliche Ziele verfolgen, Waren oder Dienstleistungen anbieten und damit mit anderen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar im Wettbewerb stehen, sind sie öffentliche Unternehmen. Eine öffentliche Einrichtung muß nicht, kann aber ein öffentliches Unternehmen im Sinne des Art. 90 Abs. 1 EWGVertrag sein. Die europarechtliche Begriffsbestimmung entspricht der Verwendung des Begriffs in der deutschen Wissenschaft 35. „Öffentlich" bezeichnet bei öffentlichen 29 Vgl. zu der Zulässigkeit öffentlicher Wirtschaftstätigkeit und den wettbewerbsrechtlichen Problemen Ronellenfitsch, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 84 Rn. 31 ff. mit weiteren Nachweisen. 30 Reiner Schmidt, S. 266; Pernice, in: Grabitz, Art. 90 Rn. 2. 31 Vgl. etwa EuGH, Rs. Kommission / Italien, 118/85, Slg. 1987, 2599 ff. 32 Transparenzrichtlinie vom 25. 6. 1980, ABl. L 195/35. 33 Vgl. etwa Pernice, in: Grabitz, Art. 90 Rn. 16 ff.; Hochbaum, in: von der Groeben, Art. 90 Rn. 6, Fn. 24. 34 Ob ein fehlender Erwerbszweck zur Unanwendbarkeit von Art. 90 Abs. 1 EWGVertrag führt, ist umstritten. Vgl. dazu Hochbaum, in: von der Groeben, Art. 90 Rn. 16; Pernice, in: Grabitz, Art. 90 Rn. 23.
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Unternehmen keinen bestimmten öffentlich-rechtlichen Status, der durch die Widmung begründet wird. Öffentliche Einrichtungen und öffentliches Unternehmen schließen sich nicht gegenseitig aus, eine öffentliche Einrichtung kann auch ein öffentliches Unternehmen sein. c) Die Unmöglichkeit einer Definition der „öffentlichen Einrichtung" Bisher wurde die öffentliche Einrichtung nur im Verhältnis zur „öffentlichen Anstalt" und zum „öffentlichen Unternehmen" untersucht. Rechtsprechung und Literatur bemühen sich aber seit langem um eine Definition des Begriffes, die nicht nur aus der Abgrenzung gegenüber anderen Rechtsinstituten folgt. Eine Definition des als „rechtlich beinah farblos" 36 bezeichneten Begriffs bereitet wegen der Vielfalt der öffentlichen Einrichtungen große Probleme. Symptomatisch beginnen deshalb die meisten Darstellungen mit einer Aufzählung dessen, was traditionell zu den öffentlichen Einrichtungen zählt. Meist folgt danach noch eine Umschreibung der öffentlichen Einrichtungen von ihrer Funktion her als „Betriebe, Unternehmen, Anstalten und sonstige Leistungsapparaturen höchst unterschiedlicher Struktur und Zweckbestimmung, denen letztlich nur die Funktion gemeinsam ist, die Voraussetzungen für die Daseinsfürsorge und Daseinsvorsorge der Bevölkerung zu schaffen und zu gewährleisten" 37. Damit erhält der Begriff „öffentliche Einrichtung" jedoch keine Konturen, denn der Begriff „Daseinsvorsorge" 38 ist zu unbestimmt, um als begriffbildendes Merkmal für die öffentliche Einrichtung zu dienen. „Daseinsvorsorge" ist kein Rechtsbegriff, aus dem sich irgendwelche Rechtsfolgen ableiten lassen39. Versuche, eine knappe und präzise, rechtlich verwertbare Definition zu finden, gab es viele 40 , jedoch blieben sie meist pauschal und waren im Ergebnis sehr 35 Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 23: „Mit dem Begriff öffentliche Unternehmen' operiert das EG-Recht (Art. 90 Abs. 1 EWGV); die dazu inzwischen ergangene ,Transparenzrichtlinie' enthält in Art. 2 eine Begriffsbestimmung des öffentlichen Unternehmens, die auch für das innerstaatliche Recht prägende Bedeutung haben dürfte." Vgl. auch Ronellenfitsch, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 84 Rn. 2: „Für die rechtliche Qualifikation genügt die Definition in Art. 2 der,Transparenzrichtlinie' zu Art. 90 Abs. 1 EWG-Vertrag." 36 Gönnenwein, S. 473 f. 37 Ossenbühl, DVB1 1973, S. 289; ders., HdkWP I, S. 381. Vgl. auch Seewald, in: Steiner, Rn. 146; Erichsen, Jura 1986, S. 149; Horn, VB1BW 1992, S. 5 f.; OVG Münster, NJW 1976, S. 820. 38 Zum Begriff „Daseinsvorsorge" Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 80 Rn. 1 ff.; Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, S. 109 ff. 39 Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513; Scholz, S. 122 f.; ähnlich auch Rüfner, in: Isensee/ Kirchhof, HStR III, § 80 Rn. 51 „nur in sehr engen Grenzen Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen"; anderer Ansicht Ronellenfitsch, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 84 Rn. 48. 40 Vgl. nur die Zusammenstellung bei Scholz, S. 33 Fn. 81.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
weit gefaßt. Beispielhaft sei nur eine in neuerer Zeit vorgeschlagene Definition genannt41: „Eine kommunale öffentliche Einrichtung ist ein benutzbarer, räumlich-sachlich abgegrenzter Sachbestand und bzw. oder ein Dienstleistungen erbringender Personalbestand, der unmittelbar oder mittelbar von einer Kommune oder mehreren Kommunen gemeinsam aufgrund eines Widmungsaktes allen vom Widmungszweck erfaßten Personen oder Personenvereinigungen zur allgemeinen Benutzung bzw. Inanspruchnahme zur Verfügung gestellt wird." Für die juristische Subsumtion sind solche weit gefaßten Definitionen wenig hilfreich, da sie fast alle Sachen und Sachgesamtheiten erfassen. Sie eignen sich nicht, um die öffentlichen Einrichtungen von anderen Erscheinungsformen abzugrenzen. Ein anderer Versuch 42 , die öffentliche Einrichtung zu erfassen, stellt auf das Leistungs- und Benutzungsverhältnis ab. Danach ist die öffentliche Einrichtung „als traditionelle und typisch kommunale, statusrechtlich formierte, organisationsrechtlich nicht typfixierte Verwaltungseinheit zu definieren, die ihre öffentlich-rechtlichen Leistungen entweder a) auf Grund einer freiwilligen und erkennbar hoheitlichen Entschließung der Gemeinde erbringt (formelles Leistungsverhältnis kraft idealtypischer Selbstverwaltung), b) auf Grund einer spezialgesetzlich vorgegebenen Leistungspflicht der Gemeinde erbringt (formelles Leistungsverhältnis kraft staatlicher Bestimmung) oder c) auf Grund einer materiell-verfassungsrechtlichen Leistungspflicht der Gemeinde erbringt (materielles Leistungsverhältnis)." 43 Auch diese Begriffsbestimmung leidet unter ihrer Weite. Sie weist jedoch mit der Formulierung „traditionelle . . . Verwaltungseinheit" auf den Grund für die Unmöglichkeit einer handhabbaren, präzisen Definition hin. Öffentliche Einrichtungen sind ein historisch gewachsenes Sammelsurium höchst unterschiedlicher Gebilde, was auch ein Grund für das Fehlen einer gesetzlichen Definition sein mag. Ob ein Gegenstand eine öffentliche Einrichtung ist, kann nur im konkreten Einzelfall durch Vergleich mit anderen Gegenständen, die historisch zu den öffentlichen Einrichtungen zählen, und unter Berücksichtigung der in den Definitionen genannten Kriterien entschieden werden. Dabei kommt einer Rechtsfigur, die in allen Definitionen als Wesensmerkmal öffentlicher Einrichtungen genannt wird, eine entscheidende Bedeutung zu: der Widmung 44 . 41 Mohl, S. 129. — Horn, VB1BW 1992, S. 6, faßt die Versuche der Literatur und Rechtsprechung stichwortartig wie folgt zusammen: „Unternehmen — Unterhaltung im öffentlichen Interesse — der Daseinsfürsorge dienend — Nutzung durch Gemeindeangehörige — Widmung/' 42 Scholz, S.219 ff. 43 Scholz, S. 244. 44 Scholz, S. 244, spricht von „statusrechtlich formierter Verwaltungseinheit".
II. Die Widmung als Kreationsakt
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I I . Die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Einrichtung Ohne Widmung liegt keine öffentliche Einrichtung vor. Fehlt eine Widmung, so handelt es sich um eine Privateinrichtung 45 der Gemeinde. Letztere unterfällt nicht dem kommunalrechtlichen Nutzungsanspruch der Einwohner, sie untersteht nicht dem Regime des öffentlichen Rechts. Soweit ersichtlich vertritt einzig Büermann in seiner 1979 erschienenen Dissertation die Auffassung, daß auf die Widmung als Kreationsakt für die öffentliche Einrichtung verzichtet werden soll 46 . An die Stelle der Widmung solle das Merkmal der Nutzbarkeit durch die Allgemeinheit treten. Das Erfordernis einer Widmung lasse sich aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht herleiten. Die objektive Nutzungsmöglichkeit sei entscheidend für das Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung. Die Ansicht Büermanns entspricht nicht dem gesetzgeberischen Willen. Ob eine öffentliche Einrichtung vorliegt, steht nämlich in der Entscheidung der Gemeinde. Nach § 18 Abs. 1 GO NW schafft die Gemeinde öffentliche Einrichtungen. Die öffentliche Einrichtung entsteht nicht durch die allgemeine objektive Nutzungsmöglichkeit, sondern durch eine Entscheidung der Gemeinde. Neben den praktischen Schwierigkeiten festzustellen, wann eine allgemeine Nutzungsmöglichkeit vorliegt, hilft das Kriterium der allgemeinen Zugänglichkeit nicht weiter bei der Ermittlung des Zwecks der Einrichtung. Würde man zur Zweckbestimmung auf die objektive Benutzung rekurrieren, so hätte dies zur Folge, daß ζ. B. eine Bibliothek durch anderweitige faktische Benutzung einem ganz anderen Zweck zugeführt werden könnte. Der ursprüngliche Wille der Gemeinde könnte damit überspielt werden. Entscheidend für die Errichtung und den Umfang der öffentlichen Einrichtung ist aber gerade dieser Wille der Gemeinde. Die öffentliche Einrichtung erfordert daher einen Rechtsakt der Gemeinde: die Widmung.
1. Form und Verfahren der Widmung Einen Unterschied zum Straßen- und Wegerecht stellt die Form der Widmung dar. Während sie in § 6 StrWG NW präzise bestimmt und vorgeschrieben ist, geht die ganz herrschende Ansicht 47 im Kommunalrecht von der Formfreiheit der Widmung aus. Die Widmung kann in unterschiedlichen Formen, etwa durch 45 Beispiele für Privateinrichtungen der Gemeinde sind Wohnhäuser, Kiesgruben, land- und forstwirtschaftliche Betriebe usw. Vgl. dazu Frotscher, HdkWP III, S. 136; Hurst, S. 834. 46 S. 71 ff. 47 Vgl. Erichsen, Jura 1986, S. 151; Pappermann, in: Rauball, § 18 Rn. 1; Wansleben, in: v. Loebell, § 18 Anm. 2; Schröder, in: Achterberg / Püttner, Rn. 91; Borchert, in: Gallete / v. Scheliha / Borchert / Bracker / Dehn, § 17 Anm. 2c; Ossenbühl, HdkWP I, S. 382; Püttner / Lingemann, JA 1984, S. 122; Gröttrup, S. 141; kritisch zur konkludenten Widmung Bethge, NVwZ 1983, S. 580. 10 Axer
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Satzung oder durch Verwaltungsakt, sie kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Auf das Vorliegen einer konkludenten Widmung schließt man aus Indizien wie der bisherigen Zulassungspraxis, der Erhebung einer Gebühr oder der Benutzung in Formen des öffentlichen Rechts48. Bei Fehlen solcher Indizien soll eine Vermutung für eine öffentliche Einrichtung sprechen, wenn sie für die Allgemeinheit nutzbar ist 49 . Damit gerät die Widmung in die Nähe einer Fiktion. Der Formfreiheit korrespondieren unterschiedliche Verfahren der Widmung. Diese richten sich nach der gewählten Rechtsform. Die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung verlangt in § 28 Abs. 1 lit. 1, m nur, daß der Gemeinderat die Entscheidung über die Errichtung, Übernahme, Erweiterung, Einschränkung, Auflösung und Umwandlung der Rechtsform der öffentlichen Einrichtungen trifft. Dies bedeutet nicht, daß der Gemeinderat in jedem Fall auch die Widmung verfügen muß. Die Widmung muß aber inhaltlich dem Beschluß des Gemeinderates entsprechen und auf diesen zurückzuführen sein. Ein Verstoß gegen die interne Zuständigkeitsverteilung führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Widmung. Nach § 55 Abs. 1 S. 1 GO NW ist der Gemeindedirektor der gesetzliche Vertreter der Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften, unbeschadet der dem Rat und seinen Ausschüssen zustehenden Entscheidungsbefugnisse. Diese Regelung läßt erkennen, daß ein unter Verletzung der internen Willensbildung erlassener Verwaltungsakt im Außenverhältnis wirksam ist und die Gemeinde bindet 50 . Im Unterschied zum Straßen- und Wegerecht fehlt es in der Gemeindeordnung an weiteren Vorschriften über das Widmungsverfahren. Weder regelt die Gemeindeordnung entsprechend § 6 Abs. 5 StrWG NW die Situation, wenn die Gemeinde nicht Eigentümerin der öffentlichen Einrichtung ist, noch enthält sie Regelungen über den Zeitpunkt der Wirksamkeit oder die öffentliche Bekanntgabe. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit oder die öffentliche Bekanntgabe der Widmung bestimmt sich nach den für die jeweilige Rechtsform geltenden Vorschriften, beispielsweise für die Widmung in Form des Verwaltungsaktes nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen.
2. Inhalt der Widmung § 2 Abs. 1 StrWG NW beschränkt die Widmung auf den Verkehr im Sinne von Fortbewegung und Ortsveränderung; § 6 Abs. 3 StrWG NW bestimmt den 48 Vgl. Ossenbühl, DVB1 1973, S. 290. 49 Erichsen, Kommunalrecht, S. 214; Frotscher, HdkWP III, S. 137; Hurst, S. 836; Ossenbühl, DVB1 1973, S. 290; OVG Münster, NJW 1976, S. 820 (821); anderer Ansicht Hofmann / Beth i Dreibus, § 14 Anm. 3; Mohl, S. 24. so So die überwiegende, aber umstrittene Ansicht. Vgl. Wolff/ Bachofi Stober, § 87 Rn. 64; Schmidt-Aßmann, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 78; Erichsen, Kommunalrecht, S. 93 f. mit weiteren Nachweisen.
III. Verhältnis öffentliche Sache — öffentliche Einrichtung
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Inhalt und die zulässigen Beschränkungen der Widmung 51 . Die Widmung einer öffentlichen Einrichtung hingegen unterliegt keinen gesetzlichen Einschränkungen hinsichtlich des Zwecks 52 . Der Umfang und der Inhalt obliegt der Gemeinde; sie legt fest, inwieweit die Einrichtung nutzbar ist. Davon zu trennen ist die Frage, ob die Gemeinde verpflichtet ist, eine öffentliche Einrichtung zu betreiben. Im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben 53 steht die Schaffung öffentlicher Einrichtungen in der freien Entscheidung der Gemeinde54. Einrichtungen zur Durchführung von Pflichtaufgaben müssen die Gemeinden hingegen errichten. Wie sie aber einen Friedhof, die Wasserversorgung oder eine Schule betreiben, bleibt ihrer eigenen Entscheidung überlassen 55; das „Wie" der Widmung liegt in ihrer Entscheidungsgewalt. An die Genauigkeit und präzise Formulierung des Inhalts der Widmung werden, wie schon die Zulässigkeit der konkludenten Widmung zeigt, im Unterschied zum Straßen- und Wegerecht keine hohen Anforderungen gestellt. Bei einer konkludenten Widmung folgt der Inhalt der Widmung aus der üblichen Nutzung durch die Allgemeinheit, die sich wandeln kann. Der Wandel der üblichen Benutzung könnte dann eine Widmungsänderung herbeiführen 56. Ebenso wie für die Widmung bedarf es für die Widmungsänderung keines besonderen Verfahrens und keiner besonderen Form. Gesetzliche Regelungen wie § 7 StrWG NW für die Einziehung sowie die Teileinziehung und § 8 StrWG NW für die einfache Umstufung fehlen für die öffentliche Einrichtung.
I I I . Die Widmung als Schlüssel für das Verhältnis von öffentlicher Sache und öffentlicher Einrichtung Sowohl die öffentliche Sache „Straße" als auch die öffentliche Einrichtung entstehen durch Widmung. Trotz des gemeinsamen Kreationsaktes ist das Verhältnis von Straße und Oberammergauer Passionsspielen, von Weg und Umweltfibel noch nicht geklärt, was zwei Zitate aus der Literatur illustrieren. Salzwedel57 stellt hinsichtlich der Beziehung von öffentlicher Sache und öffentlicher Einrichtung, wobei er den Begriff »Anstalt" verwendet, fest: „Öffentliches Anstalts- und öffentliches Sachenrecht befinden sich hier offensichtlich in einer 51 Siehe oben Β. IV. 2. c). 52 Ossenbühl, HdkWP I, S. 384; BVerwGE 32, 333 (337). 53 Zur Unterscheidung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und freiwilligen Selbsverwaltungsaufgaben Erichsen, Kommunalrecht, S. 57 ff.; Schmidt-Aßmann, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 37 ff. 54 Rehnl Cronauge, § 18 Anm. 2; Wansleben, in: v. Loebell, § 18 Anm. 1; OVG Münster, NVwZ 1987, S. 518. 55 Pappermann, in: Rauball, § 18 Rn. 2. 56 In diese Richtung Lange, HdkWP III, S. 166. 57 In: Erichsen /Martens, § 48 Rn. 3. 10*
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Gemengelage. Die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung des Unternehmens überlagert in gewisser Weise die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung der dazugehörigen unbeweglichen oder beweglichen Sachen . . . Widmung und Entwidmung auf der kommunalrechtlichen Ebene haben Rückwirkung auf den öffentlich-rechtlichen Status der dazugehörigen Sachen und umgekehrt. Allerdings muß man sich vor voreiligen Verallgemeinerungen hüten." Scholz 58 bemerkt dazu: „Die rechtlichen Verbindungslinien zwischen Sachen- und Anstaltsrecht sind heute so komplex, daß sich selbst die positive Gesetzgebung mitunter außerstande sieht, deren juristische Unterscheidung aufrechtzuerhalten." Beide Äußerungen zeigen, auf welch unsicherem Terrain sich öffentliche Sache und öffentliche Einrichtung bewegen. Trotzdem befaßt sich das Schrifttum kaum mit diesem Problem. Statt dessen ordnet man die öffentliche Einrichtung ohne nähere Begründung, warum es sich um eine öffentliche Sache handelt, den öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch 59 zu und grenzt sie von den Sachen im Gemeingebrauch anhand der Art der Nutzungszulassung ab. Sachen im Anstaltsgebrauch und damit auch öffentliche Einrichtungen seien nur nach besonderer Zulassung, Sachen im Gemeingebrauch dagegen zulassungsfrei nutzbar 60 . Die Qualifikation der öffentlichen Einrichtung als öffentliche Sache im Anstaltsgebrauch täuscht jedoch über das Problem hinweg, inwieweit es sich bei öffentlichen Einrichtungen überhaupt um öffentliche Sachen handelt. Man verschanzt sich hinter einer Einordnung, ohne deren Berechtigung zu prüfen. Was denn eigentlich „Sache" bei den öffentlichen Einrichtungen ist, wird selten thematisiert und wenn, dann unterschiedlich beantwortet. Ob die öffentliche Einrichtung eine öffentliche Sache ist oder nur öffentliche Sachen hat, bleibt bereits unklar.
1. Die öffentliche Einrichtung ist eine öffentliche Sache Die Widmung bezieht sich nach einer Ansicht auf die Einrichtung als Ganzes. Nicht etwa einzelne Bestandteile oder Gegenstände werden gewidmet, sondern das Konglomerat, die Zusammenfassung wird zur öffentlichen Einrichtung durch Widmung. Daher liegt es auch nahe, die öffentliche Einrichtung als öffentliche Sache anzusehen61. Anders gewendet: Öffentliche Sache ist die öffentliche Einrichtung. s» s. 206. 59 Die Bezeichnung „im Anstaltsgebrauch" ist unglücklich. Besser undrichtiger wäre es, statt dessen von „Sachen im Einrichtungsgebrauch" zu sprechen, da öffentliche Anstalt und öffentliche Einrichtung voneinander zu trennen sind. Vgl. oben C. I. 2. a). 60 Statt vieler Wolff / Bachof, I, §55 IUI; Forsthoff\ Verwaltungsrecht, S. 412 ff.; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 9 f.; Battis , Rn. 322; Wallerath, S. 308; Meyer / Kopp, S. 399 f. 61 Badura, JuS 1966, S. 19; Strati, in: Schweickhardt, Rn. 1066. Oftmals werden öffentliche Einrichtungen aufgezählt und diese dann als öffentliche Sachen bezeichnet, vgl. Wolff/ Bachof, I, § 55 II b 1; Pappermann ! Lohr ! Andriske, S. 9.
III. Verhältnis öffentliche Sache — öffentliche Einrichtung
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Dies ist einleuchtend, wenn die öffentliche Einrichtung nur aus einer Sache besteht, beispielsweise bei einer Anschlagtafel 62 oder einem Hinweisschild 63 . Dagegen versagt die Gleichsetzung von öffentlicher Einrichtung und öffentlicher Sache, wenn die öffentliche Einrichtung nicht nur aus Sachen besteht, sondern auch einen Personalbestand hat 64 . So gehört zur öffentlichen Einrichtung Schwimmbad der Bademeister, zur öffentlichen Einrichtung Stadtbücherei die Bibliothekarin. Der Personalbestand kann schon begrifflich keine öffentliche Sache sein. Öffentliche Sachen setzen ein sachliches Substrat voraus 65. Der Sachbegriff steht dann einer Gleichsetzung von öffentlicher Einrichtung und öffentlicher Sache entgegen. Dies läßt sich nicht mit einem Hinweis auf das Privatrecht, das einen Personalbestand und einen Sachbestand unter einem einheitlichen Begriff „Unternehmen", „Handelsgeschäft" oder „eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb" zusammenfaßt, widerlegen 66 . Auch dem öffentlichen Recht ist eine Zusammenfassung sächlicher und persönlicher Mittel nicht fremd, wie die Begriffe „öffentliche Einrichtung" und „öffentliche Anstalt" zeigen. Unzulässig ist es aber, persönliche und sächliche Mittel unter dem Begriff „öffentliche Sache" zu subsumieren. Selbst wenn man von einem anderen Sachbegriff im öffentlichen Recht ausgeht67, bedeutet das nicht einen Verzicht auf ein sachliches Substrat; Menschen können nicht zur öffentlichen Sache gewidmet werden. Die Widmung der öffentlichen Einrichtung kann sich nur auf den sächlichen Bestand beziehen.
2. Die öffentliche Einrichtung hat öffentliche Sachen Wegen der Schwierigkeiten, die öffentliche Einrichtung in ihrer Gesamtheit als öffentliche Sache anzusehen, bietet es sich an, den Sachbestand der öffentlichen Einrichtung als öffentliche Sache zu qualifizieren 68 . Die Widmung der Einrichtung vermittelt dann den Sachen der Einrichtung den Status „öffentliche Sache". Die Widmung wirkt also auf zwei Ebenen: zum einen kreiert sie die öffentliche Einrichtung, zum anderen verleiht sie den zur Einrichtung gehörenden Sachen den Status einer öffentlichen Sache. 62 VGH Mannheim, ESVGH 23, 26 (27 f.). 63 OVG Lüneburg, OVGE 25, 459 (460). 64 Ein Personalbestand ist zwar nicht unbedingt für das Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung notwendig, jedoch in vielen Fällen erforderlich, denn nur so können die Sachen der öffentlichen Einrichtung nutzbar gemacht werden. Ob eine öffentliche Einrichtung auch ohne sachliches Substrat auskommen kann, ist umstritten; dazu Mohl, S. 37 f. mit weiteren Nachweisen. 65 Ganz herrschende Meinung; vgl. nur Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 43 Rn. 1. 66 So aber Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 12. 67 Dazu oben Α. II. 1. 68 Wolff I Bachofi Stober, § 98 Rn. 15; Kromer, S. 52,65 ff.; Erbguth / Becker, S. 72; Wallerath, S. 308; Mohl, S. 88 ff.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Gegen diese Konstruktion bestehen jedoch auch Bedenken. Die Widmung bezieht sich unmittelbar nur auf die öffentliche Einrichtung, nicht hingegen auf die einzelne Sache. Gewidmet wird das Museum, nicht das einzelne Kunstwerk. Würde die Widmung der Einrichtung auch den einzelnen Sachen einen öffentlichrechtlichen Status vermitteln, so hätte dies die Konsequenz, daß alle Sachen dem gleichen Zweck dienen würden. Der Aschenbecher im Museum, die Dekoration, das magazinierte Kunstwerk, das im Ausstellungsraum befindliche Kunstwerk oder der Stuhl des Museumswärters hätten alle den gleichen öffentlich-rechtlichen Status, vermittelt durch die Widmung der öffentlichen Einrichtung als „Museum". Sie wären also alle im gleichen Umfang durch den Bürger im Rahmen der Widmung als Museum nutzbar. Zwischen dem Aschenbecher, dem Stuhl des Museumswärters und dem Kunstwerk bestünde hinsichtlich des Status und auch des Nutzungsanspruchs kein Unterschied. Das Beispiel zeigt die Problematik dieser Konstruktion. An dieser Stelle die einheitliche Widmung „Museum" in Einzelwidmungen des Aschenbechers, des Stuhles usw. aufzuspalten, widerspräche der Konstruktion der vermittelten Widmung, aber auch der Realität. Die Annahme von Einzelwidmungen bedeutet eine Fiktion. Eine Widmung des Stuhles mit anderem Inhalt als die Widmung der öffentlichen Einrichtung existiert im Rahmen dieser Konstruktion nicht. Darüber hinaus wird vertreten 69, daß zur öffentlichen Einrichtung auch Sachen gehören können, die keinen öffentlichrechtlichen Status besitzen. Dann versagt aber die Konstruktion eines vermittelten Status vollends. 3. Die Widmung als Schlüssel Keine der beiden Sichtweisen überzeugt. Das Ergebnis führt zu der Frage, ob öffentliche Sachen und öffentliche Einrichtungen überhaupt etwas miteinander verbindet. Verbindendes Element ist die Figur der Widmung. Ob aber die Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Einrichtung bei diesen die gleiche Funktion wie bei den öffentlichen Straßen hat und worauf sich die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen bezieht, soll im folgenden überprüft werden. Die Widmung ist damit der Schlüssel zu einer fundierteren und genaueren Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von öffentlicher Sache und öffentlicher Einrichtung.
IV. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft an öffentlichen Einrichtungen? Entscheidendes Charakteristikum öffentlicher Sachen ist die durch die Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft des Verwaltungsträgers. 69 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 48 Rn. 5.
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
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Während im Straßen- und Wegerecht die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft unter anderem in § 6 Abs. 6 StrWG NW ihren Ausdruck findet, fehlt es an vergleichbaren Regelungen in den Gemeindeordnungen. Weder normieren sie, daß durch privatrechtliche Verfügungen oder Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Enteignung die Widmung nicht berührt wird, noch, daß dem öffentlichen Sachherrn bis zum Erwerb der gewidmeten Einrichtung die Rechte und Pflichten des Eigentümers der Ausübung nach in dem Umfang zustehen, als dies der Zweck der Einrichtung erfordert.
1. Der „sachenrechtliche" Sonderstatus Äußerungen zur öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft bei öffentlichen Einrichtungen findet man im kommunalrechtlichen Schrifttum überraschenderweise nur vereinzelt 70 . Das übrige Schrifttum, besonders die „sachenrechtliche" Literatur 7 1 nimmt eine dem Straßen- und Wegerecht entsprechende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft an. Die Widmung der Einrichtung begründe eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in Form einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit" zugunsten der Gemeinde. Ebenso wie im Straßen- und Wegerecht habe die Gemeinde damit an der öffentlichen Einrichtung bzw. deren Sachen eine dingliche, der Dienstbarkeit des Zivilrechts vergleichbare Rechtsmacht, die sie mit öffentlichrechtlichen Mitteln durchsetzen könne. Das aus einer Bibliothek gestohlene Buch könne sie beispielsweise entweder durch Inanspruchnahme Verfügung 72 oder Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs 73 aufgrund der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft zurückverlangen. Die Widmung stehe auch privatrechtlichen Verfügungen entgegen, ein gutgläubiger, lastenfreier Erwerb nach § 936 BGB sei ausgeschlossen74. Die durch die Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft überlagere und verdränge insoweit das privatrechtliche Eigentum und die Ausübung der damit verbundenen Befugnisse. Miete die Gemeinde etwa von einem Bürger einen Raum, den sie anschließend als öffentliche Einrichtung widme, so könne sie bei Kündigung des Mietvertrages durch den Bürger aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft die Herausgabe verweigern. Erst nach Entwidmung bestehe ein Anspruch auf Herausgabe der Mietsache. 70 Eine Ausnahme bilden Erichsen, Kommunalrecht, S. 215 f. und M ohi, S. 92 f. 71 Statt vieler Erbguth / Becker, S. 63 ff.; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 3; Wolff! Bachof, I, § 56 II e; Zuleeg, S. 232 ff.; Ossenbühl, Nutzung der Bonner Hofgarten wiese, S. 13; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, §48 Rn. 5; ders., in Loschelder / Salzwedel, S. 243; Wallerath, S. 308. 72 So etwa Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 10. 73 So Frotscher, VerwArch 62 (1971), S. 158 ff. 74 Pappermann / Lohr / Andriske, S. 19; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 8; Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S. 1030; Frotscher, VerwArch 62 (1971), S. 154; allgemein zum gutgläubigen Erwerb Merten, S. 22 ff.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Bei öffentlich-rechtlich organisierten öffentlichen Einrichtungen entstehe die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft unabhängig davon, ob das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sei 75 . Betreibe die Gemeinde die öffentliche Einrichtung hingegen in Formen des Privatrechts, als GmbH oder Aktiengesellschaft, soll die Widmung keinen öffentlich- rechtlichen Sonderstatus in Form einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit begründen können 76 . Eine juristische Person des Privatrechts könne keine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft ausüben, und es sei ihr auch nicht möglich, eine Widmung zu verfügen 77. Dagegen wird jedoch eingewandt, daß die Widmung durch die Gemeinde und nicht durch die GmbH oder Aktiengesellschaft erfolge 78 . Die Situation entspräche vielmehr der im Straßen- und Wegerecht, wenn die in Anspruch genommene Fläche im Eigentum eines Privaten stehe. Dieser müsse der Widmung der Einrichtung zur „öffentlichen" zustimmen, wodurch dann die öffentlichrechtliche Sachherrschaft begründet werde. Stimme die GmbH oder Aktiengesellschaft zu, so habe die Widmung ebenfalls dingliche Wirkung und belaste die öffentliche Einrichtung mit einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit". Diese Zustimmung könne beispielsweise in einem öffentlich- rechtlichen Vertrag nach §§ 54 ff. VwVfG erfolgen 79 . Abgesehen von dieser Streitfrage läßt sich also eine Parallelität in der Konstruktion der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft bei öffentlichen Straßen und öffentlichen Einrichtungen feststellen. Auch Kromer bejaht im Ergebnis in seiner 1985 erschienenen Dissertation „Sachenrecht des öffentlichen Rechts" einen sachenrechtlichen Charakter der Widmung bei den Sachen einer öffentlichen Einrichtung 80 . Voraussetzung sei, daß die Widmung auf einer gesetzlichen Grundlage erfolge, die auch die Rechtsform der Widmung festlege. Deshalb lehnt er die Möglichkeit einer Widmung durch einen konkludenten Verwaltungsakt oder die schlichte Ingebrauchnahme ab. Bei den öffentlichen Einrichtungen liege die gesetzliche Grundlage für die Widmung in der Selbstverwaltungsautonomie der Gemeinde gemäß Art. 28 Abs. 2 GG, § 10 Abs. 2 S. 1 GO Bad.-Württ. 81 . Der 75
Erbguth I Becker, S. 65; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 48 Rn. 4. 76 Wallerath, S. 308; Stratz, in: Scheickhardt, Rn. 1095; Salzwedel, in: Erichsen/ Martens, § 48 Rn. 4; Walter Schmidt, Rn. 196. 77 Kromer, S. 65. 78 Ossenbühl, DVB1 1973, S. 294; Mohl, S. 91 f. 79 Erichsen, Kommunalrecht, S. 215 f.; ders., Jura 1986, S. 151 f. Erichsen sieht die vertragliche Vereinbarung zwischen Bürger und Gemeinde nach §§54 ff. VwVfG unabhängig davon, ob die Widmung ein dingliches oder bloß ein obligatorisches Recht begründe, als Grundlage an. so S. 140 ff. — Merli, Die Verwaltung 22 (1989), S. 545, interpretiert Kromer falsch, wenn er behauptet, daß bei Kromer die Sachen im Anstaltsgebrauch grundsätzlich aus dem Kreis der öffentlichen Sachen ausscheiden. Kromer selbst schreibt (S. 142): „Das bedeutet, daß es rechtlich möglich und verwaltungspraktisch sinnvoll sein kann, Öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch anzunehmen, daß aber dabei die Sätze des Allgemeinen Teils des Öffentlichen Sachenrechts beachtet werden müssen." si Dem entspricht § 18 Abs. 1 GO NW.
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
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darauf ergangene Widmungsakt könne ein Satzungsbeschluß oder ein dinglicher Verwaltungsakt sein 82 . Die Widmung in fremdem Eigentum stehender Sache sei aber nur zulässig, wenn entweder die Verfügungsmacht über die Sache durch Vertrag oder Enteignung erlangt worden sei oder die Widmung lediglich die Konkretisierung einer im Gesetz selbst bestimmten Sozialbindung sei 83 .
2. Der „schuldrechtliche" Sonderstatus a) Die Literatur Die Konstruktion einer durch Widmung begründeten dinglichen Sachherrschaft bei öffentlichen Einrichtungen stößt vereinzelt auf Ablehnung 84 . Die Konstruktion der herrschenden Lehre sei eine unzulässige bzw. lebensfremde Fiktion, die das sachenrechtliche Gesetzmäßigkeitsprinzip verletze 85. Das sachenrechtliche Gesetzmäßigkeitsprinzip gestatte keine gesetzesfreie administrative Begründung dinglicher öffentlicher Rechte, selbst wenn ein Besitzrecht des Verwaltungsträgers aufgrund eines privatrechtlichen Titels bestehe. Trotzdem handele es sich aber bei den „anstaltlich" genutzten Sachen um öffentliche Sachen, da sie einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus hätten, der auf der öffentlich-rechtlichen Natur des Benutzungsverhältnisses beruhe. Die öffentlich-rechtliche Natur des Benutzungsverhältnisses sei das entscheidende und ausreichende Charakteristikum für den Sonderstatus. Wie dieser schuldrechtliche, auf dem Benutzerverhältnis beruhende Sonderstatus sich vom sachenrechtlichen Sonderstatus unterscheidet, bleibt unklar. In einer neueren Arbeit 86 wird dieser Gedanke aufgegriffen, ohne daß die Unklarheiten darüber, welche Wirkungen dieser auf der Nutzung beruhende Sonderstatus hat, beseitigt werden. Merli 8 7 vertritt die Auffassung, daß an den „anstaltlich" genutzten Sachen keine generelle öffentlich-rechtliche dingliche Rechtsmacht bestehe. Trotzdem seien auch diese Sachen „öffentliche Sachen". Sie seien öffentlich, soweit ihre Benutzung auf einen selbständigen öffentlichrechtlichen Titel gründe. Dieser liege in dem öffentlichen Nutzungsrecht an der Sache. „Öffentlich" und damit spezifisch gemeinwohlgebunden sei eine Sache dann, wenn ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf ihren Gebrauch bestehe. Nicht das Eigentum der öffentlichen Hand, nicht die öffentlich-rechtliche dingliche Herrschaft eines Verwaltungsträgers und auch nicht eine als Beschränkung privat82 S. 141 f. 83 S. 142. 84 Vor allem Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 13 ff.; ähnlich auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 509 f.; Battis, Rn. 332. 85 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 13 f. 86 Merli, Die Verwaltung 22 (1989), S. 444 ff. 87 S. 452 ff.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
rechtlicher Befugnisse wirkende öffentlich-rechtliche Nutzungsordnung, sondern das selbständige öffentliche Nutzungsrecht mache die Sache zur öffentlichen 88 .
b) Die Problematik des „schuldrechtlichen" Sonderstatus Die Annahme einer durch das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis begründeten „schuldrechtlichen" öffentlich- rechtlichen Sachherrschaft wirft die Frage auf, welche Funktion die Widmung dabei hat. Darauf erhält man keine Antwort. Dies irritiert um so mehr, als auch die Vertreter eines „schuldrechtlichen" Sonderstatus für das Entstehen einer öffentlichen Sache einen Rechtsakt, die Widmung, verlangen 89 und gleichzeitig die Sachen kraft öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses als öffentliche Sachen bezeichnen. Dadurch entsteht ein Widerspruch: auf der einen Seite steht die Widmung als traditionelles Kriterium, als Wesensmerkmal der öffentlichen Sache, auf der anderen Seite die öffentlichrechtliche Natur des Benutzungsverhältnisses als „entscheidendes und ausreichendes Charakteristikum des Sonderstatus öffentlicher Sachen"90. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet nur ein Verzicht auf die Widmung, was aber nicht ausdrücklich vorgeschlagen wird. Ein solcher Verzicht würde eine Neudefinition des Begriffes „öffentliche Sache" bedeuten, den man ja gerade beibehalten will, und einen Bruch mit der historischen Entwicklung darstellen. Hinter dem Begriff „öffentliche Sache" verbirgt sich dann etwas ganz anderes. Dafür bedürfte es einer ausführlichen Begründung und Rechtfertigung, die bisher aber fehlt. Das öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnis als entscheidendes und ausreichendes Kriterium führt zu einem weiteren Problem. Es schließt nämlich aus, privatrechtlich genutzte Sachen zu den öffentlichen Sachen zu zählen. Öffentliche Einrichtungen, deren Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist, könnten somit keine öffentlichen Sachen sein bzw. öffentliche Sachen haben, öffentlichrechtlich genutzte Einrichtungen hingegen schon. Die Wahl und die Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses erfolgt jedoch gerade nicht im Hinblick darauf, ob eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, sei sie nur schuldrechtlich oder sachenrechtlich, entstehen soll. Kriterien für die Entscheidung über das Nutzungsverhältnis sind vielmehr organisations-, abgaben- oder haushaltsrechtliche Aspekte 9 1 . Durch die Anknüpfung an die Rechtsnatur des Nutzungsverhältnisses für den Sonderstatus überstrapaziert und überinterpretiert man diese Entscheidung. ss Merli , Die Verwaltung 22 (1989), S. 462. 89 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 3. Dort heißt es unter anderem: „Gemeinwohlfunktion und Indienststellung einer Sache für einen öffentlichen Zweck allein machen diese noch nicht zu einer „öffentlichen Sache". Vielmehr muß die gesetzliche, gewohnheitsrechtliche oder administrative, gemeinhin als Widmung bezeichnete Begründung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsstatus an der Sache hinzukommen." 90 Papier, ebd., S. 14. f.
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
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Abgesehen von diesen bisher ungelösten Schwierigkeiten eines „schuldrechtlichen" Sonderstatus stellt sich die Frage, welche Folgen dieser denn im Unterschied zu einem „sachenrechtlichen" Sonderstatus haben soll. Ausführungen dazu lassen sich nicht finden. Es liegt vielmehr der Verdacht nahe, daß ein „schuldrechtlicher" Sonderstatus sich vom „sachenrechtlichen" im Ergebnis kaum oder gar nicht unterscheidet. Die Beibehaltung des Begriffes „öffentliche Sache" und die Rede von einem „Sonderstatus" indiziert die Geltung der Theorie des modifizierten Privateigentums auch für die durch die Rechtsnatur des Benutzungsverhältnisses entstandenen öffentlichen Sachen. Die öffentliche Sache erhält ihren das privatrechtliche Eigentum überlagernden Sonderstatus demgemäß nicht durch Widmung, sondern durch das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis. Damit wird das privatrechtliche Eigentum statt im Umfang der Widmung im Umfang der öffentlich-rechtlichen Nutzung beeinträchtigt. Für den Eigentümer bedeutet dies eine Belastung seines Eigentums, eine Einschränkung seiner Eigentümerbefugnisse, gleichgültig, ob man dies nun als „schuldrechtlichen" oder „sachenrechtlichen" Sonderstatus bezeichnet. Auch bei „nur" schuldrechtlicher Verstrickung sind Grundrechte des Eigentümers betroffen. Die Frage nach der gesetzlichen Grundlage stellt sich in gleicher Weise wie bei einem „sachenrechtlichen" Sonderstatus92. Erst wenn der schuldrechtliche Sonderstatus keine oder eine ganz andere Wirkung als der durch Widmung begründete „sachenrechtliche" Sonderstatus hätte, würde sich die Situation anders darstellen. Dafür fehlt es aber an Anhaltspunkten. Der auf der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur des Nutzungsverhältnisses beruhende „schuldrechtliche" Sonderstatus enthält ungelöste konstruktive Schwierigkeiten und Probleme. Er ist inhaltlich nicht bestimmt, die Unterschiede zur herrschenden Ansicht bleiben diffus, und es spricht im Gegenteil vieles dafür, daß beide Ausgestaltungen des Sonderstatus sich inhaltlich entsprechen. Für eine Untersuchung des Verhältnisses von öffentlicher Sache und öffentlicher Einrichtung hilft er nicht weiter, sondern stiftet nur noch mehr Verwirrung, da die Vertreter dieser Ansicht ihn bisher nicht ausgeformt, nicht präzisiert haben und es unklar bleibt, was sie damit meinen. Daher bleibt er für die folgende Erörterung außer Betracht. 3. Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft und Grundgesetz Die Widmung einer öffentlichen Einrichtung und eine damit verbundene öffentlich-rechtliche Sachherrschaft der Gemeinde bedeutet für den privaten Eigentümer einer von der Widmung erfaßten Sache eine Beschränkung seines Eigentums und der Ausübung seiner Eigentümerbefugnisse, ohne daß die GemeindeordZu den Gründen für die Wahl einer Benutzungsform ausführlich Fischedick, S. 25 ff. 92 In diese Richtung Erichsen, Jura 1986, S. 152.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
nungen Anhaltspunkte für die Existenz einer das private Eigentum verdrängenden öffentlichen Sachherrschaft geben. Angesprochen ist damit das Problem, ob sich eine Widmung mit diesen Folgen vor Art. 14 GG und dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes rechtfertigen läßt. Nur unter dem Gesichtspunkt „Vorbehalt des Gesetzes" stellt sich das Problem bei öffentlich-rechtlich, aber auch bei privatrechtlich organisierten öffentlichen Einrichtungen in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung, die nach überwiegender, jedoch umstrittener Ansicht 93 , sich ihrerseits nicht auf Art. 14 GG berufen können. a) Art. 14 GG Art. 14 GG ist im Hinblick auf eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft einschlägig, wenn die Widmung Gegenstände erfaßt, die im Eigentum eines Privaten stehen. Mietet eine Gemeinde beispielweise einen Raum, den sie anschließend als Veranstaltungsraum widmet, stellt sich die Frage, ob die Annahme einer öffentlichen Sachherrschaft nicht das Eigentumsgrundrecht verletzt. In dieser Konstellation tritt das Problem einer das Eigentum verdrängenden öffentlichen Sachherrschaft mit voller Schärfe zutage. Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum und überantwortet gleichzeitig dem Gesetzgeber die Bestimmung des Inhalts und der Schranken. Dabei definiert das Grundgesetz nicht, was im Sinne des Art. 14 GG Eigentum ist. Bei allen Schwierigkeiten in Rechtsprechung und Literatur, das „Verfassungseigentum" 94 zu definieren, besteht Einvernehmen darüber, daß dazu das Sacheigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts an beweglichen und unbeweglichen Sachen zählt 95 . Geschützt ist nicht nur der Bestand der Eigentumsposition, das „Haben", sondern auch die Nutzung des Eigentums durch den Eigentümer, das „Gebrauchmachen" 96 . Die Eigentumsgarantie will dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen 97. Dazu zählt auch die Freiheit, 93 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (E 45, 63 (79 f.)) kann sich eine Aktiengesellschaft, die Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllt und eieren alleiniger Aktionär eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, nicht auf Individualrechte berufen. Nach BVerfGE 68, 193 (205 ff.) sind vom Staat geschaffene juristische Personen des Privatrechts, die Aufgaben und Funktionen der öffentlichen Verwaltung erfüllen, keine Grundrechtsträger. Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschied darüber hinaus, daß auch Unternehmen, an denen Privatpersonen zu 28 % beteiligt sind, keine Grundrechtsträger sind (NJW 1990, S. 1783). — Im einzelnen ist vieles umstritten. Vgl. dazu Pieroth, NWVB1 1992, S. 85 ff. mit weiteren Nachweisen. 94 Der Begriff stammt von Hans Peter Ipsen, AöR 91 (1966), S. 99. 95 Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 Rn. 57; Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 14 / 15 Rn. 75; Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rn. 56; Hager, S. 46 ff.; Wendt, S. 196; BVerfGE 24, 367 (389 f.); 58, 137 (144). 96 Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 Rn. 8; Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 14 Rn. 13. 97 BVerfG, NJW 1992, S. 36 (37) mit weiteren Nachweisen.
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
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das Eigentum zu veräußern und die Sache nach Belieben als Eigentümer zu benutzen. Diese Befugnisse werden durch die öffentliche Sachherrschaft beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung kann sich entweder als Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) oder als Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) darstellen. Eine Abgrenzung zwischen beiden Rechtsinstituten ist aus mehreren Gründen erforderlich. Zum einen ist die Inhalts- und Schrankenbestimmung grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen98, während die Enteignung eine Entschädigungspflicht begründet. Zum anderen kann die Inhalts- und Schrankenbestimmung durch ein Gesetz im materiellen Sinne, d. h. auch durch Rechtsverordnung, Satzung oder Gewohnheitsrecht erfolgen 99 , während die Enteignung nur durch ein formelles Gesetz (Legalenteignung) oder aufgrund eines formellen Gesetzes möglich ist 10°. Hinzu kommt, daß das, JEnteignungsgesetz" die Zwecke und Voraussetzungen der Enteignung zu regeln hat und das Ausmaß der Entschädigung (Junktimklausel) 101 regeln muß 102 . Ohne an dieser Stelle auf die in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Abgrenzungstheorien einzugehen (Sonderopfertheorie, Schweretheorie, materielle Abgrenzungstheorien, Sozialbindungstheorie usw. 103 ), soll hier nur kurz die Abgrenzung des Bundesverfassungsgerichts erwähnt werden, wie sie im Naßauskiesungsbeschluß104 entwickelt worden ist. Enteignung ist danach ein gezielter, konkret-individueller Zugriff auf das Eigentum mittels eines Rechtsaktes, der zu einer vollständigen oder teilweisen Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen führt. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung legt hingegen generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers fest; sie ist kein Eingriff, sondern Ausgestaltung des Eigentums.
98 Unter Umständen muß der Gesetzgeber auch bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung eine finanzielle Entschädigung leisten, nämlich dann, wenn das Eigentum zwar nicht entzogen, aber besonders intensiv beeinträchtigt wird. Vgl. BVerfGE 58, 137 (150 f.) — Pflichtexemplar. 99 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 279 ff.; Pieroth/ Schlink, Rn. 1021. 100 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 164; Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 14 Rn. 57 f.; Bryde, in: v. Münch, Art. 14 Rn. 74; BVerfGE 56, 249 (261); 74, 264 (285). ιοί Zur Junktimklausel Pietzcker, JuS 1991, S. 369 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 485 ff. mit weiteren Nachweisen. 102 Zu den Anforderungen an ein solches Enteignungsgesetz: BVerfGE 56, 249 (261) — Dürkheimer Gondelbahn; 74, 264 (285) — Boxberg. ι 0 3 Dazu siehe nur Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 144 ff. 104 BVerfGE 58,300 (318 ff.). — Maurer, § 26 Rn. 66 hält die bislang zur Abgrenzung von Enteignung und Eigentumsbindung herangezogenen Kriterien für obsolet. Zur Diskussion um die Naßauskiesungsentscheidung Schwerdtfeger, JuS 1983, S. 104 ff.; Ossenbühl, NJW 1983, S. 1 ff.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
aa) Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft im System des Art. 14 GG Die durch die Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in Form einer „öffentlichen Dienstbarkeit" kann je nach ihrem Inhalt und Umfang entweder eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder eine Enteignung darstellen. Dies bedeutet nicht, daß ein und dieselbe Widmung gleichzeitig Inhalts- und Schrankenbestimmung sowie Enteignung ist, sondern daß die Widmung nicht generell entweder nur eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder eine Enteignung sein kann, vielmehr kommt es auf den Inhalt der jeweiligen Widmung und der dadurch begründeten öffentlich- rechtlichen Sachherrschaft an. Die Widmung hat nicht den Verlust des Eigentums als Rechtsposition zur Folge. Nach der Theorie vom modifizierten Privateigentum behält der Eigentümer die Eigentumsposition. Für eine Enteignung ist aber nicht der vollständige Entzug der Rechtsposition notwendig 105 . Das Bundesverfassungsgericht 106 hat auch die Belastung des Eigentums mit einer Dienstbarkeit als Enteignung angesehen. Nicht allein der Entzug, sondern auch die Beschränkung der Eigentümerbefugnisse kann eine Enteignung sein. Die Beurteilung, ob eine Enteignung vorliegt, setzt einen Vergleich der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse vor und nach dem Eingriff voraus 107 . Durch die Widmung kann das Eigentum „zu einem im wesentlichen inhaltslosen Recht eingeengt werden" 108 , wenn die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft soweit reicht, daß der Eigentümer kein Nutzungsrecht mehr hat, das Eigentum somit zum „nudum ius" wird. Er kann dann über die Sache nicht mehr verfügen, er hat unter Umständen keine Besitzrechte mehr und ist von der Entscheidung über die Art und Weise der Nutzung gänzlich ausgeschlossen. Diese liegt allein beim öffentlichen Sachherrn. Dem Eigentümer verbleibt nur noch das Recht, nach einer Entwidmung der Sache seine Eigentümerbefugnisse wieder ausüben zu können. Reicht der Inhalt der Widmung so weit und hat der Eigentümer nur noch diese Rechtsposition, die oftmals nicht mehr als eine bloße Hoffnung sein wird, liegt eine Enteignung vor 1 0 9 . los Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 149 Rn. 168 f. 106 BVerfGE 56, 249 (260). ιόν BVerfGE 58, 300 (332). los VG Köln, NJW 1991, S. 2584 (2586) im Anschluß an Wolff! Bachof I, § 57 I a. Wolff! Bachof nennen im selben Zusammenhang als Vorteil des Eigentümers bei einer solchen Einengung des Eigentumsrechts, daß ihm dadurch Unterhaltungs- und Haftungspflichten durch den Träger öffentlicher Verwaltung abgenommen werden. Diesen „Vorteil" hat der Bürger aber bei jeder Enteignung. 109 Der enteignende Charakter der Widmung eines privaten Gegenstandes ohne zivilrechtliche Verfügungsmacht oder Zustimmung des Privaten läßt sich auch aus den Ausführungen von Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 12, entnehmen. Vgl. auch Riegel, BayVBl 1975, S. 657: „Denn es steht außer Zweifel, daß das gewidmete Grundstück in der Hand des Eigentümers zu einem ,nudum ius4 wird, weil dem Eigentümer für die Dauer der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung nichts mehr verbleibt, was den Namen Eigentum verdient."
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
159
Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft muß aber nicht zwangsläufig eine Enteignung bedeuten. Vielmehr kann sie auch als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums wirken. Der Besitz der Sache und bestimmte Nutzungsmöglichkeiten können dem Eigentümer verbleiben, so daß die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft schon von ihrem Inhalt und Umfang her keine Enteignung zur Folge hat. Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft bedeutet nicht notwendigerweise einen vollständigen Entzug der Sache, es kommt vielmehr im Einzelfall auf den Inhalt der Widmung an. Hinzu kommt, daß aus der besonderen Situation, in der sich die Sache befindet, in Ausnahmefällen eine Pflicht resultieren kann, die Widmung zu dulden 110 . Die Duldungspflicht ist dann Ausdruck der besonderen Sozialbindung des Eigentums (Theorie der Situationsgebundenheit)111. Die durch die Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft stellt somit mindestens eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, wenn nicht sogar eine Enteignung dar. Deshalb muß sie, damit sie vor Art. 14 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, den formellen und materiellen Anforderungen für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung bzw. Enteignung genügen. bb) Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft Inhalts- und Schrankenbestimmung
als
Um als Inhalts- und Schrankenbestimmung verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein, muß die durch die Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft durch ein Gesetz im materiellen Sinne geregelt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen 112 . In den Gemeindeordnungen finden sich keine Vorschriften über die Widmung, geschweige denn über eine sachenrechtliche Wirkung derselben. Als gesetzliche Grundlage wird teilweise § 18 Abs. 1 GO NW angesehen, wonach die Gemeinden innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen schaffen sollen 113 . Die gesetzliche Grundlage könnte sich auch aus einer von der Gemeinde erlassenen Satzung ergeben, in der sie die Einrichtung widmet und die Rechtsfolgen der Widmung regelt. Daneben könnte Gewohnheitsrecht als gesetzliche Grundlage für die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in Betracht kommen. no In diese Richtung Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 45 Rn. 12. m Grundlegend BGHZ 23, 30 ff. — Grünflächenurteil. Die Theorie der Pflichtigkeit kraft Situationsgebundenheit wurde zunächst nur auf das Grundeigentum im Hinblick auf den Landschafts- und Naturschutz angewandt, später jedoch auch auf andere Eigentumsobjekte ausgedehnt. Zur Theorie der Situationsgebundenheit vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 147 f.; Maurer, § 26 Rn. 34; kritisch zur „Situationsgebundenheit" Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 149 Rn. 157 ff. 112 Zu den Anforderungen an die Inhalts- und Schrankenbestimmung Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 14 Rn. 28 ff.; Pieroth / Schlink, Rn. 1021 ff. us Erbguth! Becker, S. 13; Mohl, S. 89.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
aaa) § 18 Abs. 1 GO NW § 18 Abs. 1 GO NW präzisiert die in § 1 Abs. 1 S. 2 GO NW normierte Verpflichtung der Gemeinde, das Wohl ihrer Einwohner zu fördern. Sie weist den Gemeinden die Aufgabe zu, zur Erfüllung dieser Verpflichtung öffentliche Einrichtungen zu schaffen 114. Dagegen trifft § 18 Abs. 1 GO NW keine Aussage darüber, wie die Gemeinden die Aufgaben zu erfüllen haben. Welche öffentlichen Einrichtungen einzurichten und wie diese dann zu organisieren sind, regelt die Vorschrift nicht. Dies steht vielmehr in der Entscheidung der Gemeinde 115 . § 18 Abs. 1 GO NW enthält eine Aufgabenzuweisung, die der Gemeinde einen Spielraum hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerfüllung läßt. Dies ermächtigt die Gemeinde aber nicht, zur Aufgabenerfüllung durch Widmung der Einrichtung eine öffentliche Sachherrschaft zu begründen, denn eine Befugnis zur Regelung der Rechtsverhältnisse an Sachen Dritter gewährt die Vorschrift nicht. § 18 Abs. 1 GO NW gibt von seinem Inhalt her der Gemeinde nicht die Kompetenz, das Eigentum Dritter an den von der Widmung der Einrichtung erfaßten Sachen einzuschränken. Die Vorschrift ist daher keine gesetzliche Grundlage für die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft aufgrund der Widmung der Einrichtung. bbb) Die kommunale Satzung Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 GO NW können Gemeinden ihre Angelegenheiten durch Satzungen regeln. Die Satzungsautonomie, Ausfluß der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung 116, ermöglicht es der Gemeinde, eine öffentliche Einrichtung in der Form einer Satzung zu widmen. Da die Satzung von ihrer Form den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung entspricht, wäre sie unter diesem Gesichtspunkt geeignet, eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft zu rechtfertigen. Dagegen bestehen aber aus zwei Gründen Bedenken. Zum einen ist es schon fraglich, ob § 4 Abs. 1 S. 1 GO NW von seinem Wortlaut „ihre Angelegenheiten" zur Begründung einer öffentlichen Sachherrschaft ermächtigt, zum anderen bedürfte es wegen der eigentumsrechtlichen Relevanz einer solchen Satzungsregelung einer speziellen Ermächtigung.
ii4 Pappermann, in: Rauball, § 18, Rn. 1; Kunze, in: Kunze, § 10 Rn. 12. us Wansleben, in: v. Loebell, § 18 Anm. 1; Rehn / Cronauge, § 18 Anm. I 1. 116 Dazu Schmidt-Aßmann, FG v. Unruh, S. 607 ff.; Jörn Ipsen, JZ 1990, S. 790 f.; Püttner, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 107 Rn. 11 ff.
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
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( 1) Eigene Angelegenheiten Die Satzungsautonomie der Gemeinde erstreckt sich nur auf die Regelung eigener Angelegenheiten. Dazu zählen „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben", die also „den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen" 117 . Die Beschränkung der Satzungsautonomie wirkt sich vor allem in räumlicher und sachlicher Hinsicht aus. In räumlichr Hinsicht muß sich die Regelung der Gemeinde als „Träger der Verwaltung in ihrem Gebiet" (§ 2 GO NW) auf das Gemeindegebiet beschränken, in sachlicher Hinsicht muß es sich um eine Selbstverwaltungsaufgabe handeln; im Bereich staatlicher Auftragsangelegenheiten können Satzungen nur erlassen werden, wenn hierfür eine besondere Ermächtigung vorhanden ist. Die Regelung der Rechtsverhältnisse einer im Gebiet der Gemeinde liegenden öffentlichen Einrichtung kann durch Satzung erfolgen. Dies aber nur insoweit, als es um den Zweck und die Nutzung der Einrichtung sowie die damit in Zusammenhang stehende Fragen, etwa finanzielle Regelungen, geht 118 . Nicht mehr dazu zählt die Begründung einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Eine solche Regelung wurzelt nicht in der örtlichen Gemeinschaft, denn sie hat keinen spezifischen Bezug zur Gemeinde, sondern sie geht darüber hinaus. Die Beschränkung des Eigentums kann beispielsweise Gegenstände erfassen, die nicht im Eigentum von Gemeindeeinwohnern stehen. Die Normierung einer öffentlichen Sachherrschaft stellt keine gemeindliche Angelegenheit dar, ihr fehlt ein örtlicher Bezug. § 4 Abs. 1 S. 1 GO NW ermächtigt damit schon von seinem Wortlaut her nicht zur Begründung einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft. (2) Erfordernis
einer speziellen Ermächtigung
Im sogenannten Facharztbeschluß hat das Bundesverfassungsgericht 119 für den Bereich der berufsständischen Satzungsautonomie entschieden, daß das autonome Satzungsrecht von Selbstverwaltungskörperschaften den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts unterliegt. Regelungen, die sich in relevanter Weise auf die Grundrechtsausübung auswirken, müssen vom parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden. Die für die berufsständische Satzungsautonomie entwickelten Kriterien lassen sich auf die Rechtsetzungsbefugnisse kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften übertragen 120. in BVerfGE 79, 127 (151). us Die Regelung der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde gehört zum typischen Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 GO NW. Vgl. etwa Schmidt-Aßmann, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 94. 119 BVerfGE 33, 125 ff. 11 Axer
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Die allgemeine gesetzliche Satzungsermächtigung in § 4 Abs. 1 S. 1 GO NW reicht wegen der Folgen für das Eigentum eines Dritten, unabhängig von der Beschränkung des Wortlauts auf eigene Angelegenheiten, dafür nicht aus. Es bedürfte zur Begründung einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung. Zwar unterliegt die Ausgestaltung der gesetzlichen Ermächtigung nicht den Anforderungen für Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, jedoch darf die Ermächtigung aus Gründen der rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht allzuweit unter diesen Anforderungen liegen 121 . So wird denn auch zur Regelung des Anschluß- und Benutzungszwangs, der in der Regel eine Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellt 122 , § 4 Abs. 1 S. 1 GO NW als nicht ausreichend angesehen123. Dafür ist vielmehr eine spezielle Satzungsermächtigung, die die Voraussetzungen nennt, erforderlich, die sich für den Anschluß- und Benutzungszwang in § 19 GO NW befindet. Die spezielle Satzungsermächtigung für den Anschluß- und Benutzungszwang zeigt, daß für die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft ebenfalls eine besondere Satzungsermächtigung notwendig wäre. § 4 Abs. 1 S. 1 GO NW reicht dafür nicht aus. Fazit: Die Begründung einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft durch die Widmung in Form einer Satzung ist nicht möglich. § 4 Abs. 1 S. 1 GO NW ist wegen der Beschränkung auf die eigenen Angelegenheiten und der Unbestimmtheit keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Eine kommunale Satzung kann die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nicht rechtfertigen. ccc) Gewohnheitsrecht Die Entstehung von Gewohnheitsrecht setzt eine langdauernde und allgemeine Übung, die Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit der Übung und die Formulierbarkeit der Übung als Rechtssatz voraus 124 . Eine langdauernde und allgemeine Übung dahingehend, daß die Widmung einer öffentlichen Einrichtung eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft begründe, läßt sich nicht nachweisen. Die Rechtsprechung, der für die Feststellung von Gewohnheitsrecht große Bedeutung zukommt 125 , bietet dafür keine Anhaltspunkte. Sie hat sich mit der dinglichen 120 Schmidt-Aßmann, HdkWP III, S. 185; Schröder, in: Achterberg / Püttner, Rn. 83; Bleckmann, DVB1 1987, S. 1085; Bethge, NVwZ 1983, S. 578; Ossenbühl, in: Isensee/ Kirchhof, HStR III, § 66 Rn. 29. 121 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 66 Rn. 31. 122 Erichsen, Kommunalrecht, S. 228 f.; Wansleben, in: v. Loebell, § 19 Anm. 9; BGH, DÖV 1980, S. 379 (380 f.) jeweils mit weiteren Nachweisen. 123 Schmidt-Aßmann, Kommunale Rechtsetzung, S. 8; Schröder, in: Achterberg / Püttner, Rn. 83 f.; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 66 Rn. 31; anderer Ansicht Meyn, S. 54 f., der keine spezielle Satzungsermächtigung aufgrund der „unmittelbaren demokratischen Legitimation" für erforderlich hält. Vgl. dagegen Bethge, NVwZ 1983, S. 578 ff. 124 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 61 Rn. 42 mit weiteren Nachweisen. 125 Ossenbühl, ebd., Rn. 45; ders., in: Erichsen/ Martens, § 7 Rn. 76.
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
163
Wirkung der Widmung bei öffentlichen Einrichtungen nur selten befaßt; das Bundesverwaltungsgericht 126 lehnte in einem ähnlichen Fall sogar eine solche ab. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger verlangte von der beklagten Gemeinde die Herausgabe eines Grundstücks, auf dem diese ein Rathaus errichtet hatte. Das Grundstück hatte der Kläger der Gemeinde zum Bau eines Rathauses im Rahmen eines Grundstückstausches überlassen. Nach dem Bau des Rathauses stellte sich die Nichtigkeit des Grundstückstauschvertrages heraus, und der Kläger verlangte die Herausgabe des Grundstücks nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB. Das Bundesverwaltungsgericht mußte sich in seinem Urteil mit dem Problem auseinandersetzen, daß das Rathaus nach § 94 Abs. 1 S. 1 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden war und damit auch herauszugeben gewesen wäre. Dem Herausgabeverlangen könnten unter diesem Gesichtspunkt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts § 818 Abs. 2 BGB und die Widmung des Rathauses als öffentliche Sache entgegenstehen. Der Herausgabeanspruch wird trotzdem vom Bundesverwaltungsgericht bejaht. Weder §818 Abs. 2 BGB noch öffentliches Sachenrecht stünden der Herausgabe des Grundstücks samt Rathaus entgegen. Die Widmung habe bei Sachen im Verwaltungsgebrauch anders als bei denen im Gemeingebrauch nicht zu Folge, daß durch sie Rechte Dritter ausgeschaltet würden. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts hat die Widmung eines Rathauses nicht das Entstehen einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, die das Eigentum überlagert, zur Folge. Das Urteil bezeichnet das Rathaus als Sache im Verwaltungsgebrauch, was jedoch nicht die einzig mögliche Qualifizierung sein muß. Vielmehr ist in Rechtsprechung 127 und Literatur 128 anerkannt, daß es sich bei einem Rathaus oder Teilen eines Rathauses um öffentliche Einrichtungen, um sogenannte „Sachen im Anstaltsgebrauch" handeln kann. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts läßt sich somit als Beleg gegen eine langdauernde und allgemeine Übung anführen. Die historische Entwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen spricht ebenfalls nicht für eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft bei öffentlichen Einrichtungen. Eine solche Wirkung der Widmung wurde zwar für Straßen, Brücken, Festungswerke, Gewässer und die res sacrae angenommen, vereinzelt jedoch nur für öffentliche Einrichtungen. Otto Mayer erwähnt in seiner Aufzählung öffentlicher Sachen Gegenstände, die heute zu den öffentlichen Einrichtungen gezählt werden, gar nicht 129 . Statt dessen bemerkt er zu Fleiners Ansicht 13 °, Stühle und Bänke auf einer Promenade seien öffentliche Sachen: „Allein diese Promenade 126 DVB1 1980, S. 686 ff. 127 Vgl. nur OVG Bremen, NJW 1990, S. 931 ff. (Rathaussaal als öffentliche Einrichtung); OVG Münster, DVB11971, S. 218 f. (Rathausbalkon als öffentliche Einrichtung). 128 Pappermann ! Lohr ! Andriske, S. 136. 129 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 51 ff. 130 Fleiner, S. 353. 11*
164
C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
selbst ist wohl richtiger nicht als öffentliche Sache anzusehen . . u n d was da herumsteht, erst recht nicht." 1 3 1 Eine langdauernde und vor allem allgemeine Übung läßt sich mithin nicht nachweisen. Daneben fehlt es aber auch an der zweiten Voraussetzung für Gewohnheitsrecht, der Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit der Übung. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in Form einer „öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit" durch die Widmung wird dem Eigentümer meist gar nicht bewußt sein 132 . Derjenige, der der Gemeinde einen Raum vermietet, den die Gemeinde anschließend zur öffentlichen Einrichtung widmet, weiß in der Regel nicht, daß neben dem Mietvertrag zusätzlich noch eine „Dienstbarkeit" zugunsten der Gemeinde besteht. Eine Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit dieser Übung wird sich daher nur schwer konstruieren lassen. Gewohnheitsrechtlich besteht somit keine durch die Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft bei öffentlichen Einrichtungen. Eine Rechtfertigung der Inhalts- und Schrankenbestimmung ist durch Gewohnheitsrecht nicht möglich. ddd) Zusammenfassung Eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft läßt sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage. Weder die Gemeindeordnung noch das Gewohnheitsrecht kennen die dingliche Wirkung der Widmung bei öffentlichen Einrichtungen. Dem „Ortsgesetzgeber" ist es auch nicht möglich, eine solche Wirkung der Widmung durch Satzung zu normieren. Ob die Zustimmung des Eigentümers zur Widmung der öffentlichen Einrichtung die fehlende gesetzliche Grundlage ersetzen kann, wird gleich im Rahmen der Untersuchung des Vorbehalts des Gesetzes erörtert. cc) Die öffentliche
Sachherrschaft
als Enteignung
Die öffentliche Sachherrschaft stellt sich — wie bereits oben dargestellt 133 — aufgrund des Inhalts der Widmung nicht notwendigerweise nur als Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Die öffentliche Sachherrschaft kann den Eigentümer, je nach den Umständen des Einzelfalls, in der Ausübung seiner Befugnisse so weit einschränken, daß sie für ihn einen Entzug des Eigentums und damit eine Enteignung bedeutet. Als besonders schwere Form der Eigentumsbeeinträchtigung ist die Enteignung nur unter den strengen Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig. Die 131 Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 51 Fn. 25. 132 So auch Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 48 Rn. 5. 133 c. IV. 3. a), aa).
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
165
Enteignung muß durch oder aufgrund eines förmlichen 134 Gesetzes erfolgen, das den Zweck der Enteignung festlegt. Als Zweck der Enteignung kommt nur das Wohl der Allgemeinheit in Betracht (Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG), und die Enteignung muß ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlzweckes sein 135 . Art. 14Abs. 3 S. 2 GG verlangt darüber hinaus, daß das förmliche Gesetz, welches die Enteignung vornimmt oder die Grundlage dafür bildet, Art und Ausmaß der Entschädigung regelt (Junktimklausel). Ein gegen dieses Erfordernis verstoßendes Gesetz ist verfassungswidrig 136. Ein diesen Anforderungen entsprechendes Gesetz gibt es nicht. Die Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Inhalts- und Schrankenbestimmung haben bereits gezeigt, daß die öffentliche Sachherrschaft keine gesetzliche Grundlage hat. Die Annahme einer durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft verletzt Art. 14 GG.
b) Der Vorbehalt des Gesetzes Art. 20 Abs. 3 GG bindet die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht. Das in dieser Norm zum Ausdruck kommende Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung enthält zwei Komponenten: zum einen den Vorrang des Gesetzes und zum anderen den Vorbehalt des Gesetzes137. Vorrang des Gesetzes bedeutet die Bindung der Verwaltung an die bestehenden Gesetze; die Verwaltung darf keine den Gesetzen widersprechende Maßnahmen treffen. „Vorbehalt des Gesetzes" betrifft die Frage, inwieweit die Verwaltung für ihr Handeln einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Der Vorbehalt des Gesetzes ist ein verfassungsrechtliches Instrument aus der Zeit des Konstitutionalismus, dessen Bedeutung sich im Laufe der Geschichte änderte. Diente er anfangs zum Schutz des Einzelnen gegenüber Eingriffen des Monarchen in Freiheit und Eigentum, indem der Monarch an die Zustimmung des Parlaments durch ein Gesetz gebunden wurde, stand später die Abgrenzung zwischen den Wirkungsbereichen von Gesetzgebung und Verwaltung im Vordergrund 138 . Der Gesetzesvorbehalt betrifft damit die Kompetenzabgrenzung zwischen Legislative und Exekutive. Hergeleitet wird der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes als objektiv-rechtliche Norm aus dem Rechtsstaats- und Demokratie134 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 473; Bryde, in: v. Münch, Art. 14 Rn. 74; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 164 f.; BVerfGE 56, 249 (261). 135 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 166. 136 Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 14 Rn. 62. 137 Ossenbühl, in: Erichsen / Martens, § 5 Rn. 7 ff.; Maurer, § 6 Rn. 1 f.; Pietzcker, JuS 1979, S. 710. — Zu der Formel „Gesetz und Recht" in Art. 20 Abs. 3 GG SchmidtAßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR I, § 24 Rn. 33 ff. 138 Zu dieser Entwicklung Kloepfer, JZ 1984, S. 685 ff.
166
C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
prinzip 139 . Die Entwicklung geht in neuerer Zeit dahin, das Demokratieprinzip als Grundlage des Vorbehalts des Gesetzes stärker zu betonen 140 . Der Vorbehalt des Gesetzes erstreckte sich früher primär auf die Eingriffsverwaltung, wurde aber in der weiteren Entwicklung auf die Leistungsverwaltung ausgedehnt141. Das Problem, welche Angelegenheiten der Gesetzgeber selber regeln muß, versucht das Bundesverfassungsgericht mit Hilfe der sogenannten Wesentlichkeitstheorie zu lösen. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen 142 . Das „Wesentliche" unterliegt damit dem Parlamentsvorbehalt 143; die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen obliegt dem demokratischen Entscheidungsorgan, dem Parlament. aa) Die Regelung der sachenrechtlichen Wirkung der Widmung als Aufgabe des Parlaments Das Problem der „Wesentlichkeitstheorie" liegt darin, im konkreten Fall zu bestimmen, was „wesentlich" ist 1 4 4 . Für die Abgrenzung von „wesentlich" und „unwesentlich" ist die Entwicklung genereller Kriterien noch nicht gelungen. Eine Entscheidung darüber, ob ein bestimmter Sachverhalt vom Gesetzgeber zu regeln ist, kann daher nur durch einen Vergleich mit anderen Fällen erfolgen. Die öffentliche Sachherrschaft stellt ein Sachenrecht dar, welches das Eigentum überlagert bzw. verdrängt. Im Zivilrecht gilt der numerus clausus der Sachenrechte 1 4 5 , was bedeutet, daß es nur solche dingliche Rechte geben kann, die im Gesetz ausdrücklich geregelt oder gewohnheitsrechtlich anerkannt sind. Durch vertragliche Vereinbarung können keine neuen dinglichen Rechte begründet werden, die 139 Pietzcker, JuS 1979, S. 712 ff.; Maurer, §6 Rn.4ff., der auch noch auf die Grundrechte als Grundlage des Gesetzesvorbehaltes hinweist. Zu den Herleitungen Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 15 ff. 140 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR ΠΙ, § 62 Rn. 32; vgl. auch Bleckmann, S. 402 f. 141 Dabei ist vieles streitig. Vgl. nur Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 17 ff.; Maurer, § 6 Rn. 12 ff. 142 Vgl. nur BVerfGE 33, 1 (10 ff.); 33, 125 (158 ff.); 47, 46 (78 f.). — Zu den Problemen und der Kritik an der Wesentlichkeitstheorie Umbach, FS Faller, S. 111 ff.; v. Arnim, DVB1 1987, S. 1241 ff.; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR ΠΙ, § 62 Rn. 41 ff. mit weiteren Nachweisen. 143 Zum Verhältnis von Parlamentsvorbehalt und Gesetzes vorbehält Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 40. 144 Daher hat die Wesentlichkeitstheorie erhebliche Kritik im Schrifttum erfahren, ohne daß es aber bisher gelungen wäre, bessere Kriterien zur Abgrenzung zu finden. — Vgl. zur Kritik etwa Kloepfer, JZ 1984, S. 692: „Im Ergebnis handelt es sich bei der Wesentlichkeitstheorie bisher nur um eine theoretisierende Bemäntelung freier richterlicher Dezision: Wesentlich ist, was das Bundesverfassungsgericht dafür hält." 145 Baur, § 1 II 2a; Westermann, I, § 3 III; Seiler, in: Staudinger, Vor § 854 Rn. 39 ff.
IV. Die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft
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vertragliche Gestaltungsfreiheit ist insofern eingeschränkt. Der Grund für den Typenzwang bzw. die Typenfixierung liegt in dem Erfordernis nach Rechtssicherheit und nach Klarheit der Vermögenszuordnung; der Rechtsverkehr soll vor unbekannten und unbestimmten Rechten an Sachen geschützt werden. Die Entscheidung über die möglichen Sachenrechte und deren Umfang ist also für „privatrechtliche" Sachenrechte dem Gesetzgeber vorbehalten. Die Gründe, die dafür sprechen, gelten auch für die öffentliche Sachherrschaft, vor allem deshalb, weil sie Folgen für bestehende private Rechte hat. Die Begründung von öffentlichen Sachherrschaften durch die Verwaltung ohne gesetzliche Grundlage gefährdet die Rechtssicherheit und beeinträchtigt den Rechtsverkehr. Hinzu kommt, wie die Untersuchung im Hinblick auf Art. 14 GG gezeigt hat, daß die Belastung mit einer solchen Sachherrschaft das Eigentumsgrundrecht in einem erheblichen Maße berührt und eine Enteignung darstellen kann. Für die Zuständigkeit des Parlaments zur Regelung der sachenrechtlichen Wirkung der Widmung spricht auch der Vergleich mit dem Straßen- und Wegegesetz. Dort hat der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft geregelt, zwar nicht in einer umfassenden Norm, aber doch so, daß deren Inhalt und Wirkungen erkennbar sind 146 . Das Zivilrecht und das Straßen- und Wegerecht zeigen, daß die Entscheidung über die öffentliche Sachherrschaft durch das Parlament erfolgen muß. Die Begründung einer öffentlichen Sachherrschaft durch die Widmung bedarf einer gesetzlichen Grundlage. bb) Die Zustimmung als Grund der öffentlichen
Sachherrschaft?
Eine gesetzliche Grundlage für eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft wird teilweise für entbehrlich gehalten, wenn der Eigentümer der Sache der Widmung und der damit verbundenen Einschränkung seiner Eigentümerbefugnisse zustimmt 147 . Die Zustimmung des Einzelnen zu einer sachenrechtlichen Wirkung der Widmung wäre möglich, wenn der Gesetzesvorbehalt nur den Schutz vor Eingriffen in Freiheit und Eigentum des Bürgers bezweckt. Der Bürger könnte dann durch einseitige Erklärung einen Verzicht auf den Schutz durch Art. 14 GG erklären 148 . Jedoch hat der Vorbehalt des Gesetzes auch eine demokratische Komponente, er erfaßt ein Kompetenzproblem 149. Auf die Gewal146 Vgl. etwa § 6 Abs. 6 StrWG NW. — Siehe oben B. III. 147 Mohl„ S. 51 f.; Ossenbühl, DVB1 1973, S. 294. Erichsen, Jura 1986, S. 152, verlangt für die Widmung die Zustimmung des privaten Eigentümers unabhängig davon, ob ein „dingliches" oder nur ein „obligatorisches" Recht der Gemeinde durch die Widmung entstehe. Die Zustimmung des Bürgers müsse aber im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Vertrages (§§ 54 ff. VwVfG) erklärt werden, denn nur so könne die gesetzliche Grundlage ersetzt werden. 148 Zur Zulässigkeit des Verzichts auf Grundrechte und dessen Grenzen Pietzcker, Der Staat 17 (1978), S. 527 ff.; Bleckmann, S. 399 ff. 149 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 62 Rn. 7.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
tenteilung, d. h. die Kompetenzverteilung zwischen Parlament und Exekutive, kann der Einzelne jedoch weder konkludent noch in einem öffentlich- rechtlichen Vertrag verzichten. Die Zustimmung kann daher nicht die fehlende gesetzliche Grundlage ersetzen. 4. Ergebnis Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen begründet keine öffentliche Sachherrschaft. Die Annahme einer solchen Wirkung der Widmung verletzt Art. 14 GG und den Vorbehalt des Gesetzes. Die Widmung hat damit im Kommunalrecht nicht die Folge, die sie im Straßen- und Wegerecht kennzeichnet. Eine öffentliche Sachherrschaft der Gemeinde aufgrund der Widmung der Einrichtung existiert nicht. Der Gesetzgeber hat sie nicht normiert, sie ist nicht anerkannt. Die Konstruktion einer durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft bei öffentlichen Einrichtungen ist verfassungswidrig.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung Nach § 18 Abs. 2 GO NW sind alle Einwohner einer Gemeinde im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Ansprüche auf Nutzung öffentlicher Einrichtungen können sich aber auch aus spezialgesetzlich geregelten Vorschriften, etwa § 5 PartG, § 70 Abs. 1 GewO, § 6 EnWG oder § 22 PBefG, ergeben 150. Ob und in welchem Umfang Grundrechte darüber hinaus Nutzungsansprüche begründen können, ist umstritten 151 . Trotz anderer möglicher Anspruchsgrundlagen bleibt § 18 Abs. 2 GO NW die zentrale Vorschrift für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen. Aus ihr ergibt sich nach einhelliger Auffassung der Anspruch auf Benutzung bzw. Zulassung der Benutzung für den Einwohner 152 . Daher steht § 18 Abs. 2 GO NW im folgenden im Mittelpunkt der Überlegungen, welche Funktion der Widmung für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen zukommt.
1. § 18 Abs. 2 GO NW Die an sich von ihrem Wortlaut klare Bestimmung in § 18 Abs. 2 GO NW bereitet Schrifttum und Rechtsprechung erhebliche Schwierigkeiten, was allein 150 Im einzelnen ist dabei vieles streitig. Vgl. etwa Mohl, S. 159 ff.; Evertz, S. 96 ff., 110 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen. 151 Dazu Stern, Staatsrecht ΠΙ/1, S. 700 ff.; Evertz, S. 99 ff.; Herbig, S. 164 ff.; Brehm, S. 140 ff. 152 Soweit ersichtlich, vertritt nur Lange, HdkwP III, S. 168 f. für öffentliche Einrichtungen im Gemeingebrauch eine andere Ansicht.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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die Zahl der Veröffentlichungen und Judikate zur Nutzung von Stadthallen153 und zur Zulassung von Schaustellern zu kommunalen Volksfesten 154 veranschaulicht. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der aus der Wahlfreiheit 155 der Gemeinden hinsichtlich der Organisations- und Nutzungsform der öffentlichen Einrichtung folgenden Vielfalt möglicher Nutzungsverhältnisse. Bei öffentlich-rechtlicher Organisationsform der Einrichtung kann die Nutzung entweder öffentlichrechtlich, etwa durch Satzung, Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag, oder, vorbehaltlich entgegenstehender Vorschriften, privatrechtlich, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Einzelverträge, erfolgen. Privatrechtlich organisierte öffentliche Einrichtungen können hingegen nur privatrechtlich genutzt werden. Die Mannigfaltigkeit der so möglichen Nutzungsformen weist auf die Problematik des § 18 Abs. 2 GO NW hin. Als Anspruchsgrundlage müßte die Norm für den Einwohner ein subjektiv-öffentliches Recht auf Nutzung unabhängig von Rechtsnatur und Form des Nutzungsverhältnisses begründen. Damit ist die knappe Regelung in den Gemeindeordnungen aber überfordert; die Vielfalt der Nutzungen läßt sich mit ihr nicht erfassen. Zufriedenstellende Lösungen sind auf dieser Grundlage bisher nicht gelungen, was an einigen Punkten illustriert werden kann.
a) Subjektiv-öffentliches Recht oder privatrechtlicher Anspruch? Bereits die Rechtsnatur des Benutzungsanspruchs aus § 18 Abs. 2 GO NW ist umstritten, was überrascht. Legt man nämlich zur Bestimmung der Rechtsnatur des Benutzungsanspruchs die modifizierte Subjektstheorie 156 zugrunde, so ist §18 Abs. 2 GO NW unzweifelhaft eine öffentlich-rechtliche Norm. Berechtigtes und verpflichtetes Zuordnungssubjekt ist nämlich ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt, die Gemeinde. Auch die Subordinationstheorie würde zu keinem anderen Ergebnis führen, da sich die Gemeinde auf der einen Seite und auf der anderen die Einwohner im Verhältnis der Über- und Unterordnung gegenüberstehen. 153 Siehe dazu nur aus den letzten Jahren Herdegen, DÖV 1986, S. 906 ff.; Vollmer, DVB1 1989, S. 1087 ff.; Zundel, JuS 1991, S. 472 ff.; März, BayVBl 1992, S. 97 ff.; VGH Mannheim, NJW 1987, S. 2697 f.; BVerwG, NJW 1990, S. 134 ff. 154 Vgl. Pitschas, BayVBl 1982, S. 641 ff.; Lässig, NVwZ 1983, S. 18 ff.; Roth, WiVerw 1985, S. 46 ff.; Fastenrath, NWVB1 1992, S. 51 ff.; VGH München, NVwZ 1982, S. 120 f.; OVG Koblenz, GewArch 1982, S. 198 ff.; VGH München, GewArch 1988, S. 245 ff. 155 Die Annahme einer Wahlfreiheit entspricht allgemeiner Ansicht. Vgl. etwa Seewald, in: Steiner, Rn. 146 ff.; Schmidt-Aßmann, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 106, 111 ff.; Erichsen, Kommunalrecht, S. 212 ff.; Schmidt- Jor tzig, Rn. 658 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen. 156 Zu den Abgrenzungstheorien vergleiche nur Maurer, § 3 Rn. 14 ff. mit weiteren Nachweisen.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Obwohl der Benutzungsanspruch im öffentlichen Recht wurzelt, sieht man in ihm gleichwohl einen privatrechtlichen Anspruch, der einen Kontrahierungszwang zur Folge habe, wenn es sich um eine privatrechtlich organisierte öffentliche Einrichtung handele 157 . In diesem Falle sei die verselbständigte öffentliche Einrichtung Anspruchsgegner, der Benutzungsanspruch daher privatrechtlich. Ossenbühl158 gelangt hingegen bei gleicher Konstruktion zum gegenteiligen Ergebnis, zur öffentlich- rechtlichen Natur des BenutzungsVerhältnisses. Aber nicht nur bei privatrechtlich organisierten öffentlichen Einrichtungen soll der Nutzungsanspruch aus § 18 Abs. 2 GO NW privatrechtlicher Natur sein. Darüber hinaus wird vertreten 159 , auch bei öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen mit privatrechtlichem Nutzungsverhältnis sei der Nutzungsanspruch ein privatrechtlicher Anspruch. Damit hinge dann der Rechtscharakter einer Norm der Gemeindeordnung von der Entscheidung der Gemeinde ab; die Rechtsnatur des gesetzlichen Anspruchs stünde zur Disposition der Gemeinde. Das Problem der Rechtsnatur des Anspruchs aus § 18 Abs. 2 GO NW liefert ein erstes Indiz für die Schwierigkeit, mit Hilfe der Vorschrift das Spektrum öffentlicher Einrichtungen zu erfassen.
b) Recht auf Benutzung oder Recht auf Zulassung? Nach allgemeiner Ansicht 160 gewährt § 18 Abs. 2 GO NW keinen Anspruch auf unmittelbare Benutzung, sondern nur einen Anspruch auf Zulassung zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung. Zwischen Anspruch und Benutzung durch den Einwohner steht danach ein Rechtsakt, die sogenannte Zulassung, die meist in Form eines Verwaltungsaktes erfolgt. Begründet wird das Erfordernis einer besonderen Zulassung damit, daß im Einzelfall die Gemeinde die Möglichkeit haben muß, den Zutritt eines Einwohners ablehnen zu können. Außerdem werde es so möglich, § 18 Abs. 2 GO NW losgelöst von der Form der Benutzung und unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse einheitlich als öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch zu erfassen 161. Diese Auslegung widerspricht dem Wortlaut der Norm. § 18 Abs. 2 GO NW spricht von „Benutzung", nicht von „Zulassung". Die Umwandlung des Nutzungsanspruchs in einen bloßen Zulassungsanspruch läßt sich mit dem Wortlaut nicht vereinbaren. Bei einer Vielzahl von Einrichtungen geschieht die Benutzung 157 Hans Meyer, in: Meyer / Stolleis, S. 186; Walter Schmidt, Rn. 226. iss DVB1 1973, S. 293 f. 159 Bethge, JR 1972, S. 142 ff. 160 Brehm, S. 109 f.; Badura, JuS 1966, S. 19; Erbguth I Becker, S. 81; Gröttrup, S. 141; Herbig, S. 184; Knies, BayVBl 1968, S. 231; Püttner l Lingemann, JA 1984, S. 121; Wolff, AfK 1963, S. 159; Wolff ! BachofM, §99 Illa; Knemeyer, Öffentliche Einrichtungen, S. 17, mit Nachweisen zur Rechtsprechung. 161 Mohl, S. 154.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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außerdem ohne besonderen Zulassungsakt, beispielsweise beim Betreten eines Parks. Die Annahme einer Zulassung in Form eines konkludenten Verwaltungsaktes bedeutet in dieser Situation eine bloße Fiktion. Andererseits läßt sich nicht leugnen, daß die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung vielfach erst nach einer besonderen Entscheidung der Gemeinde möglich ist. Die Sporthalle kann der Einwohner in der Regel erst dann benutzen, wenn die Gemeinde einen Belegungsplan erstellt hat, das Theater kann der Einwohner erst nach dem Lösen einer Eintrittskarte betreten. In diesen Fällen kann § 18 Abs. 2 GO NW keinen Anspruch auf unmittelbare Benutzung begründen. Deutlich wird wiederum, daß § 18 Abs. 2 GO NW keine Lösung für die Nutzungsproblematik öffentlicher Einrichtungen bietet und nicht geeignet ist, die vielfältigen Formen der Nutzung zu erfassen.
c) Nutzungsberechtigter: nur der Einwohner? Nach § 18 Abs. 2 GO NW steht der Nutzungsanspruch nur dem Einwohner zu. Einwohner ist gemäß § 6 Abs. 1 GO NW, wer in der Gemeinde wohnt. Trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts 162 des § 18 Abs. 3 GO NW haben neben den Einwohnern auch noch die sogenannten Forensen, d. h. die Nichteinwohner, die im Gemeindegebiet ein Grundstück besitzen oder einen Gewerbebetrieb unterhalten, einen Nutzungsanspruch 163, dies aber nur soweit, als die Einrichtung für Grundbesitzer und Gewerbetreibende errichtet worden ist. Dabei ist umstritten, ob dem Gewerbetreibenden auch dann ein Anspruch zusteht, wenn er die Einrichtung nicht benutzt, sondern für seinen Gewerbebetrieb ausnutzt, in dem er beispielsweise die Stadthalle für eine Verkaufsveranstaltung mietet 164 . Nichteinwohner besitzen nach der Gemeindeordnung keinen Anspruch auf Benutzung der öffentlichen Einrichtung, was selbst dann gelten soll, wenn die Einrichtung in gleicher Weise auch der Nutzung durch den Nichteinwohner dienen soll. Einen Anspruch auf Benutzung der städtischen Oper habe nur der Städter, nicht hingegen der außerhalb der Stadtgrenzen Wohnende. Seine Rechtfertigung findet das Einwohnerprivileg nach einer Ansicht 165 in der Pflicht zur Lastentragung, die nur den Einwohner treffe. Außerdem sei das Tätigkeitsfeld 162 Dazu Fastenrath, NWVB1 1992, S. 52, Fn. 21a. 163 Nicht darunter fallen Arbeitnehmer, die im Gemeindegebiet beschäftigt sind, dort aber nicht wohnen, so Ossenbühl, HdkWP I, S. 381. — Parteien haben einen Benutzungsanspruch, wenn sie ihren Sitz oder einen Orts verband in der Gemeinde haben, vgl. Zundel, JuS 1991, S. 472 mit weiteren Nachweisen. 164 Ossenbühl, DVB11973, S. 299 f. und HdkWP I, S. 383, verneint einen Benutzungsanspruch, wenn die Einrichtung im Rahmen eines Gewerbebetriebes instrumentalisiert wird. In diesem Sinne auch OVG Münster, DÖV 1984, S. 946. Kritisch dazu Ehlers, NWVB1 1990, S. 81; Fastenrath, NWVB1 1992, S. 54. 165 Pagenkopf, S. 155; Schmidt, DÖV 1963, S. 217.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
der Gemeinde durch die Verfassung auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft begrenzt und auf das eigene Gebiet und die Sorge für die Einwohner beschränkt. Daher erscheine das Einwohnerprivileg sachgerecht 166. Das Einwohnerprivileg entspricht weder der Praxis noch den rechtlichen Vorgaben anderer Gesetze, vor allem den Landesentwicklungsplänen. Faktisch stellt die Mitbenutzung öffentlicher Einrichtungen durch Nichteinwohner die Regel dar 167 . Beim Betreten eines Schwimmbades erfolgt beispielsweise keine Kontrolle, ob der einzelne Benutzer nun Einwohner oder Nichteinwohner ist. Der Erwerb einer Opernkarte unterliegt oftmals einem bestimmten Verteilungsschlüssel, die Einwohnereigenschaft spielt dabei jedoch keine große Rolle. Eine Beschränkung des Benutzungsanspruchs auf Einwohner widerspräche der in § 22 des Gesetzes zur Landesentwicklung vorgesehenen zentralörtlichen Gliederung in Ober-, Mittel- und Grundzentren. Die Gemeinden sind heute nicht mehr selbständige, von der Nachbarschaft unabhängige autonome Gebietskörperschaften. Durch die Landesentwicklungsplanung und die Raumplanung bindet der Gesetzgeber sie in ein zentralörtliches System ein. Nach ihrer jeweiligen Bedeutung hat die Gemeinde dann Aufgaben für das Umland wahrzunehmen und erhält dafür meist finanzielle Mittel. Baut ein Oberzentrum zur „Versorgung höherer Bedürfnisse" eine Oper, so besteht nicht nur ein Nutzungsanspruch für den Einwohner. Der durch die Landesentwicklungsplanung festgelegten und oftmals durch Zuschüsse finanzierten Funktion der Gemeinde als Oberzentrum muß die Berechtigung eines im Einzugbereich des Oberzentrums wohnenden Nichteinwohners zum Besuch der Oper korrespondieren. Der Gedanke der Lastentragung rechtfertigt den Ausschluß des Nichteinwohners 168 nicht. Dem geltenden Steuerrecht liegt im Hinblick auf die Gemeinde das Prinzip des Lastenverbandes allenfalls partiell zugrunde 169 . Die durch die öffentlichen Einrichtungen gewährten Leistungen werden entweder durch Gebühren (Kostendeckungsprinzip) oder entsprechende Entgelte ausgeglichen. Die Finanzierung einer öffentlichen Einrichtung erfolgt in den meisten Fällen nicht ausschließlich durch die Gemeinde, hinzu kommen etwa Landes- oder Bundeszuschüsse 1 7 0 . Gegen eine an sich notwendige Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten über die Einwohner hinaus spricht jedoch der eindeutige und unmißverständliche Wortlaut des § 18 Abs. 2 GO NW. Aus § 18 Abs. 2 GO NW sind nur die Einwohner zur Benutzung berechtigt. Jeder Versuch, die Vorschrift „erweiternd" zu interpretieren, steht im Widerspruch zum Wortlaut. Der Wortlaut ent-
166 Fastenrath, NWVB1 1992, S. 52. 167 So Pappermann, in: Rauball, § 18 Rn. 8. 168 Dazu ausführlich Herbig, S. 200 ff. 169 Ossenbühl„ HdkWP I, S. 390. 170 Zu den Finanzzuweisungen an die Gemeinden Erichsen, Kommunalrecht, S. 154 ff.
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spricht aber weder der Praxis noch den rechtlichen Wertungen aus anderen Gesetzen.
d) Anspruchsverpflichteter: nur die Gemeinde? § 18 Abs. 2 GO NW verpflichtet nach herrschender Meinung ausschließlich die Gemeinde 171 . Ein Anspruch gegen ein anderes Rechtssubjekt, etwa den privatrechtlich organisierten Träger einer öffentlichen Einrichtung, könne die Norm wegen ihres Wortlautes nicht begründen. In einem solchen Fall richte sich der Anspruch aus § 18 Abs. 2 GO NW gegen die Gemeinde. § 18 Abs. 2 GO NW sei dann kein Benutzungs- oder Zulassungsanspruch, sondern ein Verschaffungs- 172 , Beschaffungs- 173 oder Einwirkungsanspruch 174. Die Gemeinde sei verpflichtet, durch Einwirkung auf den privatrechtlichen Träger dem Benutzer die Benutzungsmöglichkeit zu verschaffen. Diese Konstruktion enthält eine Vielzahl rechtlicher Probleme und ist zudem außerordentlich kompliziert 175 . Sie setzt eine Einwirkungsmöglichkeit der Gemeinde voraus, die so weit reicht, daß die Gemeinde entscheiden kann, wer die Einrichtung benutzen darf. Zwar verlangen Rechtsstaats- und Demokratieprinzip eine Einflußmöglichkeit der Gemeinde zur Kontrolle der privatrechtlich organisierten öffentlichen Einrichtung; welchen Umfang sie haben muß, ist jedoch umstritten 176 . Bei der Vielfalt der möglichen Formen (AG, GmbH usw. 177 ) und den vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Entscheidungsstrukturen innerhalb des privatrechtlichen Trägers 178 bestehen Zweifel, ob das Benutzungsrecht des Bürgers in gleicher Weise durch die Gemeinde gewährleistet werden kann, wie wenn sie die Leistung selbst erbringt. Die Annahme eines „Verschaffungsanspruchs" ist ein Minus gegenüber dem in § 18 Abs. 2 GO NW normierten Benutzungsanspruch. Der Anspruch erhält eine andere Rechtsfolge, die dem Wortlaut nicht mehr entspricht. Statt eines Benutzungsanspruchs hat der Einwohner nur einen Verschaffungsanspruch.
171 Erbguth! Becker, S. 82; Hurst, S. 837; Knemeyer, Kommunalrecht, Rn. 242; Knies, BayVBl 1968, S. 232; Kraft, HdkWP V, S. 171; Pappermann, VR 1981, S. 86 f.; Rehn / Cronauge, § 18 Anm. 3; Püttner / Lingemann, JA 1984,S. 275; Wolff, AfK 1963, S. 173; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 247; Herdegen, DÖV 1986, S. 907 f. 172 Pappermann, in: Rauball, § 18 Rn. 6; Erichsen, Kommunalrecht, S. 219. 173 Erbguth! Becker, S. 82. 174 Püttner, DVB1 1975, S. 356 f. 175 Ossenbühl, DVB1 1973, S. 239 f.; Hans Meyer, in: Meyer / Stolleis, S. 186. 176 Dazu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 124 ff.; Püttner, DVB1 1975, S. 354 f. 177 Einen Überblick gibt Kraft, HdkWP V, S. 168 ff. 178 Vgl. Frotscher, HdkWP III, S. 146 f.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 135 ff.
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Daher finden sich Überlegungen 179, den Anspruch aus § 18 Abs. 2 GO NW unmittelbar gegen den privaten Träger der öffentlichen Einrichtung zu richten. Der Einwohner würde so nicht nur einen Verschaffungsanspruch, sondern dem Wortlaut entsprechend einen Benutzungsanspruch haben. Die Gemeinde befreie ein Anspruch unmittelbar gegen den Einrichtungsträger aber nicht von ihrer Verantwortlichkeit. Sie bliebe daneben subsidiär für die mit der Einrichtung zu erfüllenden Daseinsvorsorgeaufgaben verantwortlich 18°. Einer solchen Deutung steht wiederum § 18 Abs. 2 GO NW entgegen. Nach seinem Wortlaut und seiner Stellung in der Gemeindeordnung kann § 18 Abs. 2 GO NW nur die Gemeinde verpflichten 181 . „Öffentliche Einrichtungen der Gemeinde" sind zwar auch privatrechtlich organisierte Einrichtungen, jedoch ändert sich dadurch nicht der Adressat des gesetzlichen Benutzungsanspruchs. § 18 Abs. 2 GO NW verpflichtet als Vorschrift der Gemeindeordnung nicht einen Privaten gegenüber einem Einwohner zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben. Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn man den privaten Einrichtungsträger als Beliehenen ansieht. Eine für eine Beleihung erforderliche gesetzliche Regelung 182 enthält die Gemeindordnung nicht, und in der Widmung der Einrichtung liegt keine Beleihung 183 . Die Widmung ermöglicht es dem privaten Einrichtungsträger nicht, nach außen als Hoheitsträger aufzutreten und etwa Verwaltungsakte zu erlassen. Keine der beiden Lösungen auf der Grundlage des § 18 Abs. 2 GO NW überzeugt. Dies ist ein weiteres Indiz für die Problematik, mit Hilfe des kommunalrechtlichen Benutzungsanspruchs die Nutzung öffentlicher Einrichtungen zu erfassen. e) Zwei-Stufen-Theorie oder einheitliches Nutzungsverhältnis? Die Anwendung des § 18 Abs. 2 GO NW bereitet hinsichtlich öffentlichrechtlich organisierter und privatrechtlich organisierter öffentlicher Einrichtungen mit privatrechtlichem Nutzungsverhältnis große Schwierigkeiten. Die überwiegende Ansicht 184 wendet in diesen Fällen die von Hans Peter Ipsen 185 für die 179 Ossenbühl, DVB1 1973, S. 293 f.; Hans Meyer, in: Meyer / Stolleis, S. 186. 180 Ossenbühl, DVB1 1973, S. 294. 181 Salzwedel, in: Loschelder / Salzwedel, S. 242. 182 Zu den Voraussetzungen einer Beleihung Maurer, § 23 Rn. 56 ff. 183 Erichsen, Kommunalrecht, S. 222; anderer Ansicht anscheinend Ossenbühl, DVB1 1973, S. 294: „Die Widmung bewirkt die »Öffentlichkeit* der Einrichtung, revoziert damit aber auch zugleich die mit der Einrichtung zu erfüllende Aufgabe der Daseinsvorsorge in den Raum kommunaler Kompetenz, so daß der private Unternehmer als Verwaltungshelfer (sog. beliehener Unternehmer) erscheint." 184 Badura, JuS 1966, S. 19; Erlenkämper, NVwZ 1992, S. 328; Knies, BayVBl 1968, S. 231; Pappermann, in: Rauball, S. 18 Rn. 6; Wansleben, in: v. Loebell, § 18 Anm. 5;
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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Vergabe von Subventionen entwickelte Zwei- Stufen-Theorie an. Danach richtet sich die Entscheidung über das „Ob" der Benutzung, die Zulassung, nach öffentlichem Recht, das „Wie" der Benutzung beurteilt sich hingegen nach Privatrecht. Der privatrechtlichen Stufe wird ein öffentlich-rechtlicher Rechtsakt, die Zulassung in Form eines Verwaltungsaktes, vorgeschaltet. Auf die Zulassung ist dann der Anspruch nach § 18 Abs. 2 GO NW gerichtet. Die Zwei-Stufen-Theorie hat nicht nur für die Subventionsvergabe, sondern auch für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen erhebliche Kritik erfahren 186. Sie trennt einen einheitlichen Lebensvorgang (Nutzung einer öffentlichen Einrichtung) in zwei Rechtsverhältnisse, die verschiedenen Rechtsbereichen angehören und unterschiedlichen Rechtswegen unterliegen. Die Abgrenzung zwischen der ersten Stufe („Ob") und der zweiten Stufe („Wie") führt in der Praxis zu erheblichen Problemen. Hinzu kommen konstruktive Schwierigkeiten, wenn etwa die Zulassung nichtig, der privatrechtliche Vertrag aber wirksam ist. Überdies ist die Zwei- Stufen-Theorie oftmals wirklichkeitsfremd, weil eine besondere Zulassung durch die Gemeinde nicht immer stattfindet. Die Konstruktion eines „konkludenten Verwaltungsaktes" in diesen Fällen stellt eine bloße Fiktion dar. Daher sind Versuche unternommen worden, die privatrechtliche Nutzung öffentlicher Einrichtungen einheitlich öffentlich-rechtlich zu erfassen. Nach einer Ansicht 187 soll die Leistungsabwicklung auf der Grundlage eines öffentlichrechtlichen Vertrages erfolgen. § 18 Abs. 2 GO NW gewähre einen Anspruch auf Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Dieser Konstruktion steht jedoch meist das Schriftformerfordernis des § 57 VwVfG für öffentlich-rechtliche Verträge entgegen188. Da der Nutzung öffentlicher Einrichtungen in der Regel nicht schriftliche Verträge vorausgehen, scheidet der öffentlich- rechtliche Vertrag als Mittel aus, um die Nutzung öffentlicher Einrichtungen einheitlich öffentlich-rechtlich zu konstruieren. Auch mit Hilfe eines faktisch öffentlich-rechtlichen Vertrages läßt sich eine einheitliche öffentlich-rechtliche Nutzung nicht erreichen 189 . Dagegen sprechen vor allem zwei Punkte: zum einen stellt dies eine Hofmann / Beth / Dreibus, § 14 Anm. 3; BVerwGE 32, 333 (334); OVG Münster, NJW 1969, S. 1077 ff. iss Öffentliche Subventionierung Privater, S. 62 ff. 186 Zur Kritik an der Zwei-Stufen-Theorie Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 178 f.; Bethge, SKV 1972, S. 139 ff.; Ossenbühl, DVB1 1973, S. 292 ff.; Maurer, § 17 Rn. 14 ff. 187 Ossenbühl, DVB1 1973, S. 289 ff. mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung; ders., HdkWP I, S. 388; Pappermann, JZ 1969, S. 488 f., der allerdings den öffentlichrechtlichen Vertrag nur bei öffentlich-rechtlich organisierten, nicht hingegen bei privatrechtlich organisierten öffentlichen Einrichtungen für zulässig ansieht. iss Auch wenn das Schriftformerfordernis auf einer irrigen Einschätzung der rechtsdogmatischen Verwendbarkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages durch den Gesetzgeber beruht, so Ossenbühl, HdkWP I, S. 388, wird man es beachten müssen. Zu den Versuchen, das Schriftformerfordernis zu „umgehen", Hans Meyer, in: Meyer / Stolleis, S. 187 f.; Maurer, § 14 Rn. 29; dagegen Kopp, VwVfG, § 57 Rn. 8. 189 So aber Walter Schmidt, Rn. 225.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Umgehung und damit einen Widerspruch zu der in § 57 VwVfG getroffenen Regelung dar, zum anderen gelten dieselben Bedenken wie im Zivilrecht gegen die Annahme faktischer Vertragsverhältnisse 190. Festzuhalten bleibt, daß auf der Grundlage des § 18 Abs. 2 GO NW weder die Zwei-Stufen-Theorie noch eine einheitlich öffentlich- rechtliche Betrachtung die Nutzung öffentlicher Einrichtungen mit privatrechtlichem Nutzungsverhältnis befriedigend erfassen können.
2. Die Ungeeignetheit des § 18 Abs. 2 GO N W zur Lösung der Nutzungsproblematik Die Untersuchung des kommunalrechtlichen Benutzungsanspruchs hat die Schwierigkeiten veranschaulicht, auf seiner Grundlage die Nutzung öffentlicher Einrichtungen zu lösen. Die Nutzungsproblematik bei öffentlichen Einrichtungen läßt sich mit Hilfe des § 18 Abs. 2 GO NW nicht bewältigen, da die tatsächliche und rechtliche Vielfalt öffentlicher Einrichtungen nicht durch eine knappe Regelung, wie sie § 18 Abs. 2 GO trifft, erfaßt werden kann. Der Wortlaut verhindert Lösungen, die der Praxis entsprechen würden und auch aus rechtlichen Gründen erforderlich sind, beispielhaft sei nur das Einwohnerprivileg genannt. Die Versuche, im Rahmen des § 18 Abs. 2 GO NW Lösungen zu finden, können nicht überzeugen. Die Mannigfaltigkeit der Nutzung öffentlicher Einrichtungen steht einer einheitlichen Lösung entgegen. Daher liegt es nahe, zu überlegen, ob nicht der Widmung eine viel größere Bedeutung für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen, als bisher angenommen, zukommt; ob nicht die Widmung der Schlüssel zur Lösung der Nutzungsproblematik ist.
3. Die Widmung als Anspruchsgrundlage Die Überschrift steht in Widerspruch zu der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht über die Funktion der Widmung bei öffentlichen Einrichtungen. Für sie folgt der Anspruch auf Nutzung nicht aus der Widmung, sondern aus § 18 Abs. 2 GO NW bzw. den entsprechenden Vorschriften der übrigen Gemeindeordnungen 191. Die Widmung hat danach für die Nutzung öffentlicher Einrichtung nur die Bedeutung eines Tatbestandsmerkmals, einer Anspruchsvor190 Vgl. dazu Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 189 ff. 191 Statt vieler H erde gen, DÖV 1986, S. 907; Vollmer, DVB1 1989, S. 1088 f.; März, BayVBl 1992, S. 98; Schmidt- Jortzig, Rn. 652. Die Darstellungen der Nutzung öffentlicher Einrichtungen haben fast alle ihren Ausgangspunkt in § 18 Abs. 2 GO NW bzw. den entsprechenden Vorschriften der Gemeindeordnungen der anderen Länder.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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aussetzung für § 18 Abs. 2 GO NW. Die Widmung fülle das Merkmal „öffentlich" aus; „Öffentlichkeit" erlange die Einrichtung erst durch die Widmung. Indem sie die Eigenschaft der Einrichtung als „öffentliche" festlege, eröffne sie den kommunalrechtlichen Benutzungsanspruch, dies aber nur soweit, als der in der Widmung zum Ausdruck kommende Zweck reiche. Die Widmung begrenzt damit den Nutzungsanspruch aus § 18 Abs. 2 GO NW. „Öffentlich" ist die Einrichtung nur, soweit die Zweckbestimmung reicht, und in diesem Rahmen hat der Einwohner den Benutzungsanspruch. Die Widmung als Anspruchsvoraussetzung wirkt somit gleichzeitig als Tatbestandsschranke, indem sie den Nutzungsanspruch nur für bestimmte Zwecke gewährt. Die Widmung hat aber nicht nur die Funktion eines Tatbestandsmerkmals. Darüber hinaus gewährt sie im Rahmen der in ihr vorgenommenen Zweckbestimmungen selbst dem Einzelnen den Benutzungsanspruch. Die Widmung begründet bereits den Benutzungsanspruch, ohne daß es dafür des § 18 Abs. 2 GO NW bedürfte. Die Gemeinde erklärt durch den Rechtsakt „Widmung", daß die Einrichtung einem bestimmten Zweck, einer bestimmten Nutzung dienen soll. In der Widmung kommt also der Wille der Gemeinde zum Ausdruck, die Einrichtung für einen bestimmten Zweck vorzuhalten. Durch die Widmung bindet sich die Gemeinde an ihre Zweckbestimmung, die Widmung erweist sich als ein Akt der Selbstbindung. Der Bindung der Gemeinde an die Widmung korrespondiert die Verpflichtung der Gemeinde, die widmungsgemäße Nutzung der Einrichtung zu ermöglichen. Diese Verpflichtung besteht gegenüber denjenigen, die die Einrichtung im Rahmen der Widmung nutzen wollen. Die Widmung bestimmt den Kreis der Nutzungsberechtigten, indem sie ihn entweder nennt („die Einwohner") oder er sich aus dem Widmungszweck ergibt. Durch die Widmung verpflichtet sich die Gemeinde nicht gegenüber der Allgemeinheit, sondern gegenüber dem durch die Zweckbestimmung individualisierten oder individualisierbaren Benutzerkreis. Der so bestimmte Benutzerkreis hat aufgrund der Selbstbindung und Selbstverpflichtung der Gemeinde einen Anspruch auf Nutzung der Einrichtung, der sich unmittelbar aus der Widmung ergibt. § 18 Abs. 2 GO NW gewährt den Benutzungsanspruch nur „im Rahmen des geltenden Rechts". Diese zusätzliche Anspruchsvoraussetzung spricht aber nicht gegen einen unmittelbar aus der Widmung folgenden Benutzungsanspruch, denn sie hat selbst für § 18 Abs. 2 GO NW keine eigenständige Bedeutung. Mit der Formulierung „im Rahmen des geltenden Rechts" wird eine Selbstverständlichkeit normiert, die unabhängig davon gilt, ob dies ausdrücklich erwähnt wird oder nicht. Auch ohne ausdrückliche Normierung hat der Einzelne einen Anspruch auf Benutzung nur im Rahmen des geltenden Rechts. Ebenso wie das Merkmal „im Rahmen der verkehrsrechtlichen Vorschriften" in § 14 StrWG N W 1 9 2 stellt 192 Oben Β. IV. 1. 12 Axer
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
„im Rahmen des geltenden Rechts" allenfalls einen (überflüssigen) Hinweis dar, dem keine eigenständige rechtliche Funktion zukommt. Die Formulierung in §18 Abs. 2 GO NW steht der Begründung des Nutzungsanspruchs aus der Widmung nicht im Wege, da auch der aus der Widmung folgende Anspruch nur im Rahmen des geltenden Rechts besteht. Die Richtigkeit einer Anspruchsbegründung aus der Widmung ohne Vermittlung durch eine Norm zeigt sich vor allem dann, wenn ein gesetzlicher Anspruch auf Benutzung, wie bei den öffentlichen Einrichtungen des Bundes oder des Landes, fehlt. Würde in diesen Fällen nicht die Widmung den Grund für den Nutzungsanspruch des Bürgers bilden, käme es zu einem Wertungswiderspruch zwischen der Nutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen und solchen des Bundes und des Landes. Der Einwohner hätte dann das Recht, ein Haus der Deutschen Geschichte in kommunaler Trägerschaft aufgrund § 18 Abs. 2 GO NW zu besuchen, nicht hingegen, wenn die Einrichtung bei gleicher Widmung in Trägerschaft des Bundes stünde. Im letzten Fall bestünde nur die Möglichkeit, über Art. 3 GG in Verbindung mit der Widmung einen Anspruch auf Benutzung zu konstruieren. Der Konstruktion über den Gleichheitssatz stehen aber die gleichen Bedenken entgegen, die gegen die Herleitung der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften über Art. 3 GG angeführt werden 193 . Im Ergebnis wird bei dem Umweg über Art. 3 GG in Verbindung mit der Widmung wiederum auf die Widmung abgestellt, diese gewährt dann über Art. 3 GG ein Benutzungsrecht. Des Umwegs bedarf es nicht, wenn die Widmung den Benutzungsanspruch unmittelbar begründet. Die Widmung als Grundlage des Nutzungsanspruchs ermöglicht es, die wegen § 18 Abs. 2 GO NW bestehenden Probleme der Nutzung gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen zu lösen. Als Einzelfallregelung kann sie, im Unterschied zu der starren Regelung des § 18 Abs. 2 GO NW, die unterschiedlichen tatsächlichen und rechtlichen Formen öffentlicher Einrichtung erfassen.
a) Die Anspruchsberechtigten Die Widmung als Anspruchsgrundlage beseitigt die durch das Einwohnerprivileg nach § 18 Abs. 2 GO NW auftretenden Probleme. Sie erlaubt eine auf die spezielle Einrichtung abgestimmte Festlegung des Benutzerkreises durch die Gemeinde. Es obliegt damit der Gemeinde zu bestimmen, wer einen Anspruch auf Benutzung der öffentlichen Einrichtung hat. Bei der Entscheidung hat sie aber häufig Vorgaben zu berücksichtigen, die insoweit ermessensbeschränkend wirken. Eine Ermessensbeschränkung kann sich beispielsweise aus der Beantragung von Subventionen zur Errichtung der Einrichtung, deren Vergabe an be193 Vgl. dazu Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 65 Rn. 35 ff.; ders., in: Erichsen / Martens, § 7 Rn. 30 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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stimmte Benutzungsmöglichkeiten gebunden ist, ergeben. Ebenso können die Vorgaben der Landesentwicklungspläne auf die Entscheidung über den Benutzerkreis ermessensbeschränkend wirken. Eine Ermessensreduzierung folgt auch aus dem Einwohnerprivileg des § 18 Abs. 2 GO NW. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers, gerade dem Einwohner die Nutzung der öffentlichen Einrichtung zu ermöglichen, verbietet es, diesen wegen seiner Einwohnereigenschaft durch Widmung von der Benutzung auszuschließen. Der Einwohner darf nicht von der Nutzung der Einrichtung ausgeschlossen werden, vielmehr hat er den gleichen Anspruch wie der Nichteinwohner. Eine zu „enge", den Einwohner ausschließende Widmung ist rechtswidrig. Dies bedeutet aber nicht, daß alle Einwohner einen Anspruch auf Benutzung der Einrichtung haben müssen. So kann ein Rentner nicht die Benutzung eines gemeindlichen Kinderspielplatzes oder Kindergartens verlangen, nur weil er Einwohner der Gemeinde ist. Eine Widmung, die die Benutzung auf Kinder beschränkt, wäre nicht rechtswidrig. Dies wäre erst dann der Fall, wenn sie Kinder, die in der Gemeinde wohnen, ausschließen und die Kinder von Nichteinwohnern bevorzugen würde. Die Benutzung des Kinderspielplatzes oder des Kindergartens muß den in der Gemeinde wohnenden Kindern in der gleichen Weise wie auswärtigen Kindern durch die Widmung eröffnet werden. Dies gebietet § 18 Abs. 2 GO NW. Stellt die Gemeinde die Einrichtung durch Widmung für einen bestimmten Personenkreis zur Verfügung, so sind Änderungen, insbesondere Beschränkungen des Benutzerkreises, nur für die Zukunft möglich. Eingegangene Anträge müssen auf der Grundlage der im Zeitpunkt des Eingangs bestehenden Widmung entschieden werden. Durch Widmungsänderung kann die Gemeinde nur für die Zukunft „unliebsame" Nutzungen ausschließen, nicht hingegen das bestehende, durch Widmung begründete, Nutzungsrecht entziehen. b) Der Anspruch auf Benutzung Neben dem Kreis der Nutzungsberechtigten bestimmt die Widmung den Zweck, dem die Sache dienen soll. Inhalt der Widmung ist nicht nur die pauschale Bestimmung „Schwimmbad", „Mehrzweckhalle" oder „Theater". Wie § 6 Abs. 3 StrWG NW zeigt, beschränkt sich die Widmung nicht auf eine generelle und oberflächliche Zweckbestimmung, sondern sie regelt die Benutzungsart, den Benutzungszweck, den Benutzerkreis sowie sonstige Besonderheiten. Die Widmung enthält präzise Bestimmungen über die Art und Weise der Nutzung. Sie erfaßt die Modalitäten, das „Wie" der Benutzung und erschöpft sich nicht nur in einer allgemeinen Festlegung des Zwecks. Bei der Widmung öffentlicher Einrichtungen zählt zum Widmungsinhalt die Frage nach einem speziellen Zulassungsakt und den Anforderungen, die an diesen zu stellen sind. Es handelt sich dabei nämlich um eine Regelung der Art und Weise der Nutzung öffentlicher 12*
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Einrichtungen. Ob es eines speziellen Zulassungsakts bedarf und an welche Kriterien dieser gebunden ist, gehört zum Inhalt der Widmung. Das „weite" Verständnis vom Inhalt der Widmung bedeutet an sich nichts Neues, obgleich heute oftmals der Eindruck entsteht, die Widmung bei öffentlichen Einrichtungen beschränke sich auf eine knappe und allgemein gehaltene Zweckbestimmmung. Dieser Deutung trat bereits Maunz in seiner Habilitationsschrift „Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts" entgegen. Maunz bezeichnet die Widmung in Anknüpfung an den zivilrechtlichen Begriff des Mantelschuldvertrages 1 9 4 als verwaltungsrechtliches Mantelrechtsgeschäft. Als solches gebe die Widmung den rechtlichen Rahmen vor, in der die Nutzungsgewährung der öffentlichen Sache angeboten werde. Mit der Widmung nehme der öffentliche Sachherr die einseitige Inhaltsgestaltung künftiger Nutzungsverhältnisse vor. Er regele damit den Inhaltsrahmen für die später vorzunehmenden speziellen Rechtsgeschäfte 195. Die Widmung enthält somit nicht nur eine pauschale Zweckbestimmung, sondern darüber hinaus gehören zum Inhalt der Widmung auch die Bedingungen oder Modalitäten der Nutzung. Gewährt die Gemeinde die Benutzung erst nach einer besonderen Zulassung, ist diese Modalität der Nutzung Bestandteil der Widmung. Der Einzelne hat einen Anspruch auf Benutzung aus der Widmung nur, wenn vorher eine Zulassung erfolgte. Die Zulassung ist Voraussetzung für den Benutzungsanspruch aus der Widmung 1 % . Ein Anspruch auf Zulassung ergibt sich nicht aus der Widmung. In der Widmung hat die Gemeinde gerade erklärt, daß die Benutzung der Einrichtung von einer vorherigen Entscheidung im Einzelfall abhängt. Damit unvereinbar wäre es, trotzdem aus der Widmung, ohne daß eine Zulassung vorliegt, dem Einzelnen einen Anspruch auf Benutzung zu gewähren. Etwas anderes gilt nur, wenn die Gemeinde die Kriterien, die bei der Einzelfallentscheidung zu berücksichtigen sind, so präzise festlegt, daß eine Ablehnung ermessensfehlerhaft wäre. In diesem Fall begründet die Widmung einen Anspruch auf Zulassung zur Benutzung. Die Gemeinde setzt sich nämlich dann durch die Ablehnung in Widerspruch zu den 194 Dazu heißt es bei Maunz, S. 220: „Von den beiden Typen der Mantelschuldverträge, die Kisch unterscheidet, nämlich den sogenannten verpflichtenden Vertrag, durch dessen Abschluß die Vertragsparteien sich nebenher zur Eingehung der speziellen Verträge verpflichten, und den sogenannten normierenden Vertrag, durch den nur ein Stück der künftigen Verträge für den Fall, daß diese wirklich zustande kommen, vorgenommen wird, sind die letzteren für das Verwaltungsrecht und im besonderen für das öffentliche Sachenrecht von ungleich größerer Bedeutung. Die „normierenden" Verträge, die man im Verwaltungsrecht vielleicht besser „gestaltende Verträge" nennt, da sie keine abstrakten „Normen" geben, sondern die „Gestalt" künftiger konkreter Rechtsverhältnisse formen, erlangen aktuelle Wirkung erst durch das Entstehen der speziellen Rechtsverhältnisse." 195 Maunz, S. 221 f. 196 Unberührt bleibt ein Benutzungsanspruch aus anderen Vorschriften, etwa den Grundrechten. Vgl. oben C. V.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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in der Widmung genannten Kriterien für eine Zulassung. Meist wird die Widmung jedoch der Gemeinde bei der Einzelfallentscheidung einen Spielraum lassen, so daß ein Anspruch auf Zulassung aus der Widmung nur selten vorliegen wird. Einen weitergehenden Anspruch auf Zulassung könnte auch § 18 Abs. 2 GO NW nicht begründen, da dieser die Benutzung nur im Rahmen der Widmung gewährt. Hat sich die Gemeinde in der Widmung aber eine Einzelfallentscheidung vorbehalten, besitzt der Einwohner aus § 18 Abs. 2 GO NW keinen Anspruch auf Zulassung, geschweige denn auf Benutzung. § 18 Abs. 2 GO NW gibt keinen Anspruch über die Widmung hinaus, da die Widmung Tatbestandsmerkmal der gemeinderechtlichen Vorschriften ist. Fazit: Die Widmung gibt dem Berechtigten einen Anspruch auf Benutzung der Einrichtung. Bedarf es dafür einer Zulassung, so gehören die Zulassung und die Kriterien für die Zulassung als Nutzungsmodalität zum Inhalt der Widmung. Aus der Widmung ergibt sich in diesem Fall nur ein Benutzungsanspruch, wenn die Zulassung erfolgt ist.
c) Die öffentlich-rechtliche Natur des Benutzungsanspruchs Das „weite" Verständnis der Widmung ermöglicht es, den Anspruch auf Benutzung einheitlich als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, unabhängig davon, ob das Benutzungsverhältnis im Einzelfall privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Bei öffentlich-rechtlicher Organisationsform und öffentlich- rechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses begründet die Widmung einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Benutzung. Die Benutzung selbst geschieht auf der Grundlage eines öffentlich- rechtlichen Vertrages, oder es entsteht durch die Benutzung, wie es meist der Fall sein wird, ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis 197 . Gestaltet die Gemeinde die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung privatrechtlich, kommt mit der Zulassung oder mit der tatsächlichen Benutzung ein privatrechtlicher Vertrag zwischen Gemeinde und Benutzer zustande. Der Anspruch auf Benutzung ist trotzdem öffentlich-rechtlicher Qualität, da er nicht auf dem Vertrag, sondern auf der Widmung beruht. Verlangt der Einzelne Änderungen im Vertrag, so betrifft dies die Widmung, da es sich um eine Frage der Nutzungsmodalität handelt. Hält der Benutzer beispielsweise das Benutzungsentgelt für zu hoch, so ist für eine Klage der Verwaltungsrechtsweg gegeben, da der Streit die Art und Weise der Nutzung und damit den Inhalt der Widmung betrifft. Die Maßstäbe, nach denen sich hingegen die Rechtmäßigkeit des verlangten Entgelts 197
Zum verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis Gries ! Willebrand, JuS 1990, S. 103 ff., 193 îï:, Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 283 ff. mit weiteren Nachweisen.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
beurteilt, ergeben sich aus dem Privatrecht; es gelten also nicht die kommunalabgabenrechtlichen Prinzipien 198 . Dies ist nur eine Konsequenz aus dem nach allgemeiner Ansicht zulässigen Handeln öffentlicher Verwaltung in Formen des Privatrechts. Gestattet man einer Gemeinde das Nutzungsverhältnis privatrechtlich auszugestalten, so befreit man sie in einem gewissen, wenn auch im einzelnen streitigen, Umfang von den Bindungen des öffentlichen Rechts. Wie weit die Bindungen des öffentlichen Rechts bei privatechtlicher Gestaltung reichen, wird unter dem Stichwort „Verwaltungsprivatrecht" kontrovers diskutiert 199 . Für den hier interessierenden Zusammenhang bleibt festzuhalten, daß diese Fragen, die den Widmungsinhalt betreffen, vor dem Verwaltungsgericht zu erörtern sind. Handelt es sich um eine privatrechtlich organisierte öffentliche Einrichtung, deren Benutzungsverhältnis nur privatrechtlich ausgestaltet sein kann, hat der Benutzungsanspruch trotzdem seinen Grund im öffentlichen Recht, er ist öffentlich-rechtlicher Natur. Zwischen der Gemeinde und der privatrechtlich organisierten Einrichtung besteht ein Vertrag, der die Zweckbestimmung, die Widmung, enthält. Der Vertrag regelt den Umfang der durch die Einrichtung zu erbringenden Leistungen. In ihm werden die Nutzungsmodalitäten festgelegt. Der Betreiber der Einrichtung erklärt in dem Vertrag sein Einverständnis mit dem Nutzungszweck und den damit verbundenen Regelungen der Zweckbestimmung, er stimmt der Widmung zu. Damit verpflichtet er sich gegenüber der Gemeinde, die Einrichtung für die widmungsgemäße Nutzung durch die Berechtigten offen zu halten. Der Vertrag stellt somit einen „Vertrag zugunsten Dritter" dar, oder anders ausgedrückt, er enthält eine Widmung zugunsten Dritter. Analog § 328 BGB hat der Einzelne aus der in dem Vertrag enthaltenen Widmung unmittelbar gegen den privaten Einrichtungsbetreiber einen Nutzungsanspruch. Da dieser auf der in dem Vertrag verfügten Widmung beruht, handelt es sich um einen öffentlichrechtlichen Benutzungsanspruch. Diese Qualifizierung scheitert nicht daran, daß auf beiden Seiten des Nutzungsverhältnisses Privatpersonen stehen. Für die Einordnung eines Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich ist nicht entscheidend, ob beide Vertragspartner Rechtsträger des öffentlichen Rechts sind 200 . Erforderlich ist vielmehr eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung als Gegenstand des Rechtsverhältnisses. Der Gegenstand ist hier die in dem Vertrag verfügte Widmung der Gemeinde. Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Benutzer und privatrechtlich betriebener Einrichtung unterliegen damit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gegenüber der Gemeinde hat der Bürger nur haftungsrechtliche Ansprüche wegen !98 Vgl. zu den für Gebühren und Beiträge geltenden Prinzipien Erichsen, Kommunalrecht, S. 146 ff. 199 Vgl. dazu Ehlers, DVB1 1983, S. 422 ff.; Gusy, DÖV 1984, S. 872 ff.; Erichsen, in: Erichsen/Martens, § 32 Rn. 2 ff.; Maurer, § 3 Rn. 9 ff., 31. 200 Kopp, VwGO, § 40 Rn. 9. Nach allgemeiner Ansicht kann es einen öffentlichrechtlichen Vertrag auch zwischen Privaten geben. Vgl. dazu Lange, NVwZ 1983, S. 321 f. mit weiteren Nachweisen.
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Unterlassens einer ausreichenden Aufgabenwahrnehmung. Solche Ansprüche werden nur selten Erfolg haben, da die Gemeinde hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerfüllung einen weiten Spielraum hat und bei freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sogar über das „ob" der Errichtung einer Einrichtung entscheiden kann. Die Widmung als Anspruchsgrundlage führt somit zur öffentlich- rechtlichen Natur des Benutzungsanspruchs. Sie erspart die Zweiteilung des Rechtsweges und weist Streitigkeiten über die Nutzung der öffentlichen Einrichtung den Verwaltungsgerichten zu. Verpflichteter des Benutzungsanspruchs ist der jeweilige Träger der Einrichtung. Ergebnis: Auf der Grundlage der Widmung sind somit Lösungen der Nutzungsproblematik bei öffentlichen Einrichtungen möglich, die im Rahmen des § 18 Abs. 2 GO NW nur schwer oder gar nicht erreichbar sind, was dafür spricht, die Widmung und nicht § 18 Abs. 2 GO NW als Grundlage für den Benutzungsanspruch anzusehen. 4. Widmung und Benutzungsordnung Den Begriff „Benutzungsordnung" definieren oder verwenden die Gemeindeordnungen ebenso wenig wie den der „Widmung". Es handelt sich vielmehr um Bezeichnungen, die von der Wissenschaft entwickelt worden sind. Die Abgrenzung beider Institute voneinander ist somit keine gesetzlich vorgegebene Entscheidung, sondern eine Frage der wissenschaftlichen Zweckmäßigkeit. Wie sich Widmung und Benutzungsordnung voneinander trennen lassen, wird nur selten problematisiert, obwohl die Benutzungsordnung häufig Thema wissenschaftlicher Beschäftigung ist 2 0 1 . Dabei entsteht der Eindruck, die Benutzungsordnung regele die Benutzung der Einrichtung umfassend. So heißt es unter anderem: „Dagegen regelt die Benutzungsordnung das Benutzungsverhältnis, die Berechtigungen und Verpflichtungen der Benutzer, sowie Voraussetzungen, Gegenstand und Maß der Benutzung oder Leistung." 202 Bei einer solchen Definition und Bestimmung des Inhalts der Benutzungsordnung scheinen sich Widmung und Benutzungsordnung zu entsprechen oder jedenfalls recht nahe zu kommen. Beide Institute treffen Nutzungsregelungen, was die Frage aufwirft, wie Widmung und Benutzungsordnung sich unterscheiden. Bedeutung erlangt die Abgrenzung vor allem dann, wenn Widmung und Benutzungsordnung in einem Rechtsakt, beispielsweise in einer Satzung, erfolgen. An dieser Stelle sei nochmals betont, daß 201 Vgl. etwa Brehm, Benutzungsregelungen gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen; Schäfer, Benutzungsregelungen gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen auf der Grundlage des § 35 Satz 2,3. Alternative VwVfG; Evertz, Die Bedeutung der Grundrechte im Zusammenhang mit der Benutzung gemeindlicher öffentlicher Einrichtungen. 202 Brehm, S. 15; Schäfer, S. 40: „Dagegen regelt die Benutzungsordnung das Benutzungsverhältnis."
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
weder „Widmung" noch „Benutzungsordnung" eine bestimmte Rechtsform bezeichnen, sie sind vielmehr gegenüber den Rechtsformen neutral. Terminologische Unsicherheiten erschweren die Abgrenzung von Widmung und Benutzungsordnung. Im Zusammenhang mit der Benutzungsordnung taucht häufig der Begriff, Anstaltsordnung" auf. Dabei trennt die Praxis nicht zwischen Anstalts- und Benutzungsordnung, teilweise werden diese Begriffe miteinander vermengt 203 . Anstaltsordnung bezeichnet jedoch, genauso wie der Anstaltsbegriff selbst sich auf organisationsrechtliche Fragen beschränkt 204, nur organisationsrechtliche Regelungen. Die Anstaltsordnung regelt die äußere und innere Verfassung der Einrichtung, sie bestimmt die Organe und ihre Zuständigkeiten205. Benutzungsregelungen gehören nicht zum Inhalt der Anstaltsordnung. Eine Hilfe für die Abgrenzung von Widmung und Benutzungsordnung bietet der Vergleich mit der Unterscheidung von Straßen- und Straßenverkehrsrecht. Das Straßenverkehrsrecht reglementiert den Verkehr, den das Straßenrecht ermöglicht. Es berechtigt als Ordnungsrecht nicht zu verkehrsregelnden Maßnahmen, die über die straßenrechtlichen Vorgaben hinausgehen. Straßenverkehrsrecht setzt das Straßenrecht voraus. Umgekehrt kann das Straßenverkehrsrecht straßenrechtlich mögliche Nutzungen in einem im einzelnen umstrittenen Umfang 206 ausschließen, wenn dies die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erfordert. Das Straßenverkehrsrecht ordnet unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr die Benutzung der Straße. Es stellt damit eine „Benutzungsordnung" für Straßen und Wege dar. Die Unterscheidung zwischen Straßen- und Straßenverkehrsrecht zeigt bei öffentlichen Einrichtungen eine Möglichkeit auf, Widmung und Benutzungsordnung voneinander abzugrenzen. Zur Benutzungsordnung zählen alle Vorschriften, die der Aufrechterhaltung und Verwirklichung des Widmungszwecks unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr dienen. Die Benutzungsordnung enthält Zwecksicherungsrecht, sie regelt die ordnungsrechtlichen Anforderungen an die Nutzung und gewährleistet damit den Einrichtungszweck 207 . Das Verbot, in einer Bibliothek zu essen und zu trinken oder im Theater zu rauchen, ist Bestandteil der Benutzungsordnung. Die Benutzungsordnung regelt die ordnungsrechtlichen Anforderungen an die Nutzung der öffentlichen Einrichtung, um den Widmungszweck aufrechtzuerhalten und Störungen zu vermeiden. Sie erfaßt gewissermaßen die Vorschriften, die der „Sicherheit und Leichtigkeit der Nutzung" dienen. Die Beschränkung des Begriffs „Benutzungsordnung" auf Regelungen, die die Abwehr von Gefahren für den Widmungszweck betreffen, hilft, die Gemengelage 203 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, Kommunale Rechtsetzung, S. 40. 204 Oben C. I. 2. a). 205 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, Kommunale Rechtsetzung, S. 39 f.; ders., HdkWP III, S. 197. 206 Vgl. dazu Steiner, in: Steiner, Rn. 154, mit weiteren Nachweisen. 207 in diese Richtung auch Wolff / Bachof / Stober, § 99 Rn. 3.
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zwischen Widmung und Benutzungsordnung zu entwirren. Abgrenzungsschwierigkeiten können zwar damit nicht restlos beseitigt werden, jedoch erleichtert die Synchronisierung mit der Abgrenzung von Straßen- und Straßenverkehrsrecht die Entscheidung, was Widmung und was Benutzungsordnung ist.
5. Die Widmung öffentlicher Einrichtungen als Allgemeinverfügung Die Widmung als Regelung der Nutzung öffentlicher Einrichtungen kann in Form einer Satzung erfolgen. Daneben bietet sich vor allem die Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG als Rechtsform an. Das Verwaltungsverfahrensgesetz unterscheidet in § 35 S. 2 VwVfG drei Arten der Allgemeinverfügung, die personenrechtliche (1. Alt.), die sachenrechtliche (2. Alt.) und die benutzungsregelnde (3. Alt.). Es liegt nahe, Regelungen der Nutzung öffentlicher Einrichtungen als Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2, 3. Alt. VwVfG anzusehen208. Jedoch betrifft diese Alternative nur die Regelung der Benutzung bei Sachen, was bereits der Wortlaut des § 35 S. 2 VwVfG zeigt. Klassisches Beispiel ist das ein Gebot oder Verbot enthaltende Verkehrsschild, das nach heute überwiegender Ansicht 209 eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2,3. Alt. VwVfG ist. Bei öffentlichen Einrichtungen handelt es sich aber nicht notwendigerweise um Sachen, sie können vielmehr auch Personen umfassen. Daher hilft die 3. Alternative zwar beispielsweise bei einer Anschlagtafel weiter, nicht jedoch bei öffentlichen Einrichtungen, zu denen ein Personalbestand gehört. In letzterem Fall liegt eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2,1. Alt. VwVfG vor 2 1 0 . Die Nutzungsregelung knüpft an einen konkreten Sachverhalt, die Einrichtung, an. Zwar ist der Adressatenkreis noch nicht bestimmt, da er zahlenmäßig nicht feststeht. Nach überwiegender Ansicht 211 reicht es jedoch aus, wenn der Kreis zumindest objektiv bestimmbar ist. Dies sei dann der Fall, wenn sich die Adressaten aus ihrer Verbindung mit dem konkreten Sachverhalt ergeben. Durch ihre Bezugnahme auf eine konkrete Einrichtung ermöglicht die Widmung eine Bestimmung des Adressatenkreises. Darüber hinaus nennt die Widmung entweder ausdrücklich oder konkludent den Kreis der Nutzungsberechtigten, so daß dieser bestimmt werden kann. Für die Einordnung der Widmung als Allgemeinverfü208 Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 35 Rn. 74; Maurer, § 9 Rn. 34. 209 Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 67; Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 35 Rn. 65, 74; Prutsch, JuS 1980, S. 566 ff.; BVerwGE 59, 221 (224); anderer Ansicht Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 366 ff. 210 Erichsen, in: Erichsen / Martens, § 11 Rn. 49. 211 Erichsen, in: Erichsen / Martens, § 11 Rn. 47; Maurer, § 9 Rn. 32; Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, § 35 Rn. 169; Hans Meyer, in: Meyer / Borgs-Maciejewski, § 35 Rn. 68, jeweils mit weiteren Nachweisen.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
gung im Sinne der ersten Alternative spricht auch der Vergleich mit der dritten Alternative, die einen Unterfall der ersten darstellt 212 . Indem sie die Regelung der Benutzung von Sachen als Allgemeinverfügung nennt, gibt sie zu erkennen, daß für eine Nutzungsregelung die Bezugnahme auf einen konkreten Sachverhalt ausreicht. Die Widmung ist also eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2,1. Alt. VwVfG, oder, wenn es sich bei der Einrichtung nur um eine Sache handelt, eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2, 3. Alt. VwVfG. Nicht einschlägig ist jedoch die zweite Alternative des § 35 S. 2 VwVfG, da die Widmung der Einrichtung nicht die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache betrifft. Wie bereits oben festgestellt 213, hat die Widmung keine sachenrechtliche Wirkung bei öffentlichen Einrichtungen. § 35 S. 2, 1. Alt. VwVfG bzw. § 35 S. 2, 3. Alt. VwVfG bilden auch die Ermächtigungsgrundlage für die Nutzungsregelung. Eines Rückgriffs auf das Rechtsinstitut des besonderen Gewaltverhältnisses oder die Figur der Sonderverordnung bedarf es nicht mehr 214 . Die Widmung unterliegt damit den Form- und Verfahrensvorschriften, die für eine Allgemeinverfügung gelten. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die Widmung bei größeren Einrichtungen schriftlich erfolgen. Ausgeschlossen ist die Annahme der Widmung einer Einrichtung „kraft Vermutung". Diese Art der Widmung entspricht nicht den aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden Anforderungen an die Bestimmtheit hoheitlicher Maßnahmen. Der Inhalt einer vermuteten Widmung läßt sich nicht feststellen, sondern nur „vermuten".
6. Widmung und Sonderbenutzung In dem durch die Widmung festgelegten Nutzungsumfang besteht für den Nutzungsberechtigten ein Anspruch auf Nutzung der Einrichtung, der aus der Widmung folgt. Alle über die Widmung hinausgehenden Nutzungen sind Sonderbenutzungen215. Eine Sonderbenutzung liegt vor, wenn die Einrichtung von Personen benutzt wird, die nicht zum Kreis der Nutzungsberechtigten gehören, oder, wenn die Nutzung das Maß der bestimmungsgemäßen Nutzung übersteigt. Bei212 Maurer, VB1BW 1987, S. 363. 213 Oben C. IV. 214 Vgl. Löwer, DVB1 1985, S. 939; Maurer, § 9 Rn. 34; anderer Ansicht Evertz, S. 153 ff., der die Regelung des § 35 S. 2 VwVfG als eine dem Vorbehalt des Gesetzes nicht genügende Ermächtigungsgrundlage ansieht. Seine Argumentation überzeugt schon deshalb nicht, weil er auf der einen Seite die generalklauselartige Satzungsermächtigung ausreichen läßt, auf der anderen Seite hingegen § 35 S. 2 VwVfG als zu unbestimmt ansieht (S. 204 ff.). 215 In der Literatur wird meist von „Sonderbenutzung" statt von „Sondernutzung" gesprochen. Vgl. Pappermann ! Lohr ! Andriske, S. 134 f.
V. Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung
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spiele sind die Gewerbeausübung auf einem Schleusengelände216, die Benutzung eines Schulhofes durch eine Partei für eine Parteiveranstaltung 217 oder die Nutzung eines Schwimmbades durch einen im Ort ansässigen Verein für Freikörperkultur, sofern sich die Widmung der Badeanstalt nicht darauf erstreckt 218 . Die Sonderbenutzung kann durch Verwaltungsakt, durch öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag eingeräumt werden. Den Gemeindeordnungen fehlt eine dem § 18 StrWG NW vergleichbare Regelung der Sonderbenutzung, weshalb man teilweise bereits einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensbetätigung bei der Entscheidung über den Antrag auf Sonderbenutzung verneint 219 . Daneben findet sich die Ansicht, die, soweit die beantragte Tätigkeit noch in Zusammenhang mit dem Widmungszweck steht, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung annimmt, bei darüber hinausgehenden Nutzungen einen solchen aber ablehnt 220 . Aus dem Fehlen einer gesetzlichen Regelung über die Sonderbenutzung in den Gemeindeordnungen folgt aber nicht, daß dem Antragsteller kein solcher Anspruch zusteht. Die Verwaltung ist nämlich bei ihrer Entscheidung auch dort, wo keine speziellen Vorschriften vorhanden sind, an das Verfassungsrecht gebunden 221 . Die Grundrechte, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Willkürverbot binden die Verwaltung bei ihrer Entscheidung. Die Entscheidung über den Antrag auf Sonderbenutzung steht daher nicht im Belieben der Gemeinde. In den Fällen, wo spezielle ermessenslenkende Vorschriften fehlen, bilden somit die Grundrechte die Grundlage für einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung222. Zwar hat der Antragsteller dadurch keinen Anspruch auf Sonderbenutzung, jedoch besitzt er einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung 223, der sich im Ausnahmefall bei einer Ermessensreduzierung auf Null in einen Anspruch auf Nutzung wandeln kann. Unzulässig ist es ebenfalls, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur bei Nutzungen zu geben, die in Zusammenhang mit der Widmung stehen. Neben den praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten, was noch in Zusammenhang mit dem Widmungszweck und was nicht mehr dazu gehört, läßt sich für diese Unterscheidung keine Begründung finden. Die Nähe zum Widmungszweck ist bei der Ermessensbetätigung zu berücksichtigen, sie entscheidet aber nicht darüber, ob ein Anspruch auf Ermessensbetätigung besteht. 216 BVerwGE 39, 235 ff. 217 OVG Münster, NJW 1980, S. 901. 218 OVG Saarlouis, JZ 1961, S. 673 f. 219 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 31; widersprüchlich insoweit Pappermann / Lohr / Andriske, S. 135: „Wird eine Sonderbenutzung angestrebt, so besteht weder ein Anspruch auf Zulassung noch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag. Hier liegt es vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde, ob und in welcher Rechtsform sie die Sonderbenutzung zuläßt." 220 Vgl. dazu Erbguth ! Becker, S. 89. 221 Randelzhofer, BayVBl 1975, S. 611. 222 Randelzhofer, ebd. 223 Vgl. Battis, Rn. 324.
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C. Die Widmung bei den öffentlichen Einrichtungen
Der Berechtigte hat also, wenn die von ihm vorgesehene Nutzung dem Widmungszweck entspricht und er zu den Benutzungsberechtigten gehört, aus der Widmung einen Anspruch auf Benutzung der öffentlichen Einrichtung. Bei darüber hinausgehenden Benutzungen, sog. Sonderbenutzungen, hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
VI. Ergebnis Die Widmung begründet bei öffentlichen Einrichtungen keine öffentliche Sachherrschaft. Sie ist vielmehr nur ein Instrument der Nutzungsregelung und gewährt einen Anspruch auf Benutzung der öffentlichen Einrichtung. Da den öffentlichen Einrichtungen ein öffentlich-rechtlicher Sonderstatus in Form einer öffentlichen Sachherrschaft fehlt, handelt es sich bei ihnen nicht um öffentliche Sachen. Die das Recht der öffentlichen Sachen prägende Funktion der Widmung als Grund einer öffentlichen Sachherrschaft existiert bei den öffentlichen Einrichtungen nicht. Öffentliche Einrichtungen sind weder öffentliche Sachen noch haben sie öffentliche Sachen.
D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch Sachen im Verwaltungsgebrauch dienen der öffentlichen Verwaltung zur Aufgabenerfüllung unmittelbar durch ihre Benutzung. Die Widmung erstreckt sich bei ihnen auf den internen Gebrauch durch die Verwaltung. Das Rathaus, das Stadtsiegel1, der Bleistift, die Dienstwaffe des Polizisten oder ein Behördenfahrzeug sind Beispiele des weiten Spektrums der Sachen im Verwaltungsgebrauch, die als Teil des Staatsvermögens zum Verwaltungsvermögen gehören und sich von den Sachen des Finanzvermögens durch ihre Widmung zur unmittelbaren Aufgabenerfüllung unterscheiden. Sachen des Finanzvermögens dienen nur mittelbar aufgrund ihrer Erträge sowie des ihnen innewohnenden Kapitalwerts der Erfüllung öffentlicher Aufgaben 2. Die Widmung zum unmittelbaren Verwaltungsgebrauch unterscheidet und kennzeichnet somit die Sachen im Verwaltungsgebrauch. Ob der Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch dieselbe Funktion wie bei den Straßen und Wegen zukommt und sie damit öffentliche Sachen sind, soll im folgenden untersucht werden.
I. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft? Sachen im Verwaltungsgebrauch unterstellt die überwiegende Ansicht 3 dem Recht der öffentlichen Sachen. Als öffentliche Sachen sollen für sie die gleichen Grundsätze gelten wie für Straßen und Wege. Durch die Widmung erhielten sie einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, und es entstehe so eine öffentliche Sachherrschaft, die das Privateigentum Dritter, soweit der Widmungszweck reiche, verdränge. Die Widmung bedürfe dabei keiner besonderen Form, so daß schon die faktische Ingebrauchnahme der Sache als Widmungsakt ausreiche.
ι VG Köln, NJW 1991, S. 2584 (2585). Das Verwaltungsgericht Köln geht davon aus, daß das Hamburger Stadtsiegel bis zu seiner Archivierung eine Sache im Verwaltungsgebrauch war. Ob es nach Aufnahme in das Archiv noch immer eine Sache im Verwaltungsgebrauch ist oder ob es sich nun um eine Sache im Anstaltsgebrauch handelt, läßt es offen. 2 Zu den gerade bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch bestehenden Schwierigkeiten in der Abgrenzung zum Finanzvermögen Bernhard Schmitz, S. 27 ff. 3 Vgl. nur Salzwedel, in: Erichsen / Martens, §49; Erbguth / Becker, S. 3, 68 ff.; Wolff/ Bachof, I, § 55 lila; Pappermann I Lohr ! Andriske, S. 10 f., 161 ff.; Frotscher, VerwArch 62 (1971), S. 153 ff.; Friauf, in: Isensee / Kirchhof, HStR, Bd. IV, §90 Rn. 32 f.
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D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch
Die Entstehung einer öffentlichen Sachherrschaft und deren Folgen nach überwiegender Ansicht illustriert das folgende Beispiel. Benutzt ein Amtswalter einen Bleistift, so widmet er diesen gleichzeitig und begründet etwa mit dem erstmaligen Anspitzen eine öffentliche Sachherrschaft, die das Privateigentum verdrängt. Hat die Verwaltung die Rechnung noch nicht beglichen und besteht deshalb der Eigentumsvorbehalt des Lieferanten noch fort, hat letzterer einen Anspruch auf Herausgabe nach § 985 BGB nur nach vorheriger Entwidmung. Das Anspitzen des Bleistiftes durch den Amtswalter hat somit weitreichende Konsequenzen für die Rechtsverhältnisse an dem Bleistift. Neben der privaten Sachherrschaft des Lieferanten besteht durch das Anspitzen die öffentliche Sachherrschaft des Verwaltungsträgers.
1. Konstruktive Bedenken Schon die Konstruktion, die an die Ingebrauchnahme derart weitreichende Rechtsfolgen knüpft, läßt sich schwer nachvollziehen. Die Annahme, der Amtswalter verfüge mit der Ingebrauchnahme, also etwa mit dem Anspitzen des Bleistiftes, eine Widmung, die einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus begründet, wirkt lebens- und sachfremd. Beim Anspitzen des Bleistiftes fehlt es regelmäßig am Bewußtsein und am Willen des Amtswalters, eine solch weitreichende Rechtsfolge zu setzen. Die Unterstellung eines dahingehenden Bewußtseins und Willens ist eine Fiktion. Die Ingebrauchnahme zielt als Realakt nicht auf einen rechtlichen, sondern einen tatsächlichen Erfolg, das Schreiben mit dem Bleistift. Ein anderer Wille des bleistiftspitzenden Amtswalters wird sich nur schwer nachweisen lassen; er ist und bleibt ein Kunstprodukt juristischer Schöpfung. An dieser Stelle könnte eingewandt werden, es komme nicht auf den Willen des Einzelnen an, sondern auf den des Gesetzgebers. Normiere oder besser fingiere dieser die sachenrechtliche Wirkung der Widmung mit der Ingebrauchnahme von Verwaltungsgegenständen, so sei der Wille des Einzelnen unbeachtlich. Eine solche gesetzliche Regelung findet sich im geltenden Recht aber nicht. Weder im geschriebenen Recht noch im Gewohnheitsrecht 4 gibt es einen derartigen Rechtssatz. Die Rechtsprechung, der für die Entstehung von Gewohnheitsrecht große Bedeutung zukommt, hat sich bisher nur selten mit dem Problem einer durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft bei Sachen im Verwaltungsgebrauch befaßt. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft bei einem Rathaus ab 5 . In der
4 Zu den Anforderungen an die Entstehung von Gewohnheitsrecht siehe oben C. IV. 3. a), bb), ccc). s DVB1 1980, S. 686 ff. Vgl. dazu schon oben C. IV. 3. a), bb) ccc). — Das Verwaltungsgericht Köln nimmt hingegen im Streit um das Hamburger Stadtsiegel eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft an, NJW 1991, S. 2584 (2585 f.).
I. Die Widmung als Grund der öffentlichen Sachherrschaft?
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Literatur lassen sich ebenfalls für die Annahme eines Gewohnheitsrechtssatzes keine Anhaltspunkte finden. Im älteren Schrifttum war es umstritten, ob Sachen des Verwaltungsgebrauchs überhaupt öffentliche Sachen sind 6 . In der neueren Literatur wird dies zwar überwiegend bejaht, jedoch sind die Stellungnahmen meist sehr knapp gehalten, und es existieren gerade bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch kritische Stimmen7 zur sachenrechtlichen Wirkung der Widmung durch Ingebrauchnahme. Darüber hinaus widerspricht eine Widmung durch Ingebrauchnahme mit derart weitreichenden Folgen den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen an die Bestimmtheit hoheitlicher Maßnahmen. Die tatsächliche Ingebrauchnahme legt den Inhalt und den Umfang der Widmung nicht eindeutig fest, so daß sich der Zweck der Sache nur schwer ermitteln läßt. Jede Ingebrauchnahme für einen anderen Zweck und jede Funktionsänderung des Gegenstandes hätten eine Umwidmung zur Folge. Das Ergebnis wäre ein sich ständig wandelnder Widmungsinhalt und damit verbunden eine sich ständig verändernde öffentliche Sachherrschaft. Die Konsequenzen des wechselnden Widmungsinhalts werden besonders deutlich, wenn privater Eigentümer und öffentlicher Sachherr personenverschieden sind. Da die öffentliche Sachherrschaft sich nach dem Umfang der Widmung richtet, hat der Eigentümer kaum die Möglichkeit, zu erfahren, wie weit sein Eigentum belastet ist, da der Widmungsinhalt durch die jeweilige Form der Benutzung ständig variieren kann.
2. Verstoß gegen Art. 14 GG und den Vorbehalt des Gesetzes Neben den konstruktiven Bedenken verstößt die Annahme einer durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft gegen Art. 14 GG und den Vorbehalt des Gesetzes. Bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch fehlt es ebenso wie bei den öffentlichen Einrichtungen an einer gesetzlichen Grundlage für die öffentliche Sachherrschaft. Ohne gesetzliche Grundlage verletzt aber eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft Art. 14 GG und den Vorbehalt des Gesetzes. Insoweit kann auf die Ausführungen zu den öffentlichen Einrichtungen verwiesen werden 8.
6 Beispielsweise zählt Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 51 ff. die Sachen im Verwaltungsgebrauch nicht in ihrer Gesamtheit zu den öffentlichen Sachen. In seinem „Katalog" der im geltenden Recht anerkannten öffentlichen Sachen nennt Otto Mayer zwar einzelne Gegenstände, die heute zu den Sachen im Verwaltungsgebrauch zählen (Schutzdeiche), diese ordnet er aber nur wegen ihrer Bedeutung für die Gefahrenabwehr den öffentlichen Sachen zu. — Dem Bleistift würde Otto Mayer wegen seiner geringen Bedeutung keine rechtliche Sonderstellung zuerkennen. 7 Vgl. etwa Kromer, S. 56 ff.; Merli, Die Verwaltung 22 (1989), S. 466. s Oben C. IV. 3.
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D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch
Die Widmung begründet also bei Sachen im Verwaltungsgebrauch keine öffentliche Sachherrschaft. Gegen eine solche Konstruktion spricht das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot. Die Annahme einer durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft verletzt darüber hinaus Art. 14 GG und den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes.
I I . Widmung und Hausrecht In der Diskussion um die privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Natur des Hausrechts in öffentlichen Gebäuden findet sich als Argument und Begründung für dessen öffentlich- rechtlichen Charakter häufig die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft 9. Den privatrechtlichen Besitz und das privatrechtliche Eigentum an dem Verwaltungsgebäude verdränge im Umfang des Widmungszwecks die öffentliche Sachherrschaft. Soweit eine Störung den Widmungszweck berühre, habe das Hausrecht seinen Grund in der durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft und sei deshalb öffentlich-rechtlicher Natur. Der Schutz der widmungsgemäßen Bestimmung obliege dem Verwaltungsträger kraft öffentlicher Sachherrschaft. Zur Beseitigung und Verhinderung von Störungen des Widmungszwecks bedürfe es des Hausrechts, das in diesem Fall nicht auf den privatrechtlichen Befugnissen, sondern auf der Innehabung von Herrschaftsgewalt, von öffentlicher Sachherrschaft, beruhe. Der Widmungszweck bestimme und begrenze damit Inhalt und Umfang des öffentlich-rechtlichen Hausrechts.
1. Das Hausrecht Das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden ist ein Standardproblem des Verwaltungsrechts. Das Hausrecht wird zwar in verschiedenen Normen erwähnt 10 , eine gesetzliche Definition fehlt hingegen genauso wie eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage 11. Daher überrascht es nicht, daß die rechtliche Qualifikation des Hausrechts große Probleme bereitet. Neben der Ansicht, die die Widmung und die öffentliche Sachherrschaft zur Bestimmung des Hausrechts heranzieht, gibt es im wesentlichen noch zwei weitere Herleitungsversuche. 9 Vgl. etwa Faber, § 18 III; Zeiler, DVB11981, S. 1000 f.; Ehlers, DÖV 1977, S. 739; Greifeid, DÖV 1981, S. 910; Knoke, AöR 94 (1969), S. 393 ff.; Knemeyer, DÖV 1970, S. 597 f.; ders., VB1BW 1982, S. 249 ff.; Maurer, § 3 Rn. 24; Hardinghaus, S. 139 f.; Ulrich Schmitt, S. 68 ff.; Zuleeg, S. 235 f.; Werner Weber, VVDStRL 21 (1964), S. 167; Köttgen, S. 443 f.; Tettinger, WissR 1983, S. 224 f.; Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 34; BayVGH 1981,S. 657; OVG Münster, DVB1 1975, S. 587 f. 10 Vgl. etwa Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG; § 62 Abs. 1 HRG; § 36 Abs. 1 GO NW. h Zu dem Streit um die Ermächtigungsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Hausrechts vgl. statt vieler Bethge, Die Verwaltung 10 (1977), S. 313 ff.; Tettinger, WissR 1983, S. 225 ff. mit weiteren Nachweisen.
II. Widmung und Hausrecht
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Vereinzelt nehmen Literatur und Rechtsprechung 12 eine privatrechtliche Natur des Hausrechts an öffentlichen Gebäuden an. Das Hausrecht habe seinen Grund im Eigentum und im Besitz des Staates an den Verwaltungsgebäuden 13. Folgerichtig stehen dem Hausrechtsinhaber dann keine öffentlich-rechtlichen, sondern nur zivilrechtliche Abwehransprüche (§§ 859, 862,1004 BGB) zu. Dagegen beurteilt eine andere, vornehmlich in der Rechtsprechung vertretene Ansicht 14 die Rechtsnatur nach den jeweiligen Rechtsbeziehungen, die zwischen dem Hoheitsträger und dem Benutzer staatlicher Einrichtung bestehen. Die Rechtsnatur des Hausrechts richte sich nach dem Zweck, zu dem der Bürger das Gebäude betrete. Betrete er das Gebäude zur Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Angelegenheiten, so sei die Ausübung des Hausrechts öffentlich-rechtlicher Natur; stehe sein Besuch hingegen nur in Zusammenhang mit der Erledigung privatrechtlicher Geschäfte, beurteile sich das Hausrecht nach Privatrecht. Beide Begründungen des Hausrechts haben erhebliche Kritik erfahren, auf deren ausführliche Wiedergabe an dieser Stelle verzichtet werden soll 15 . Gegen die privatrechtliche Sichtweise spricht vor allem, daß sie die öffentliche Funktion des Gebäudes nicht erfassen kann. Das Rathaus ist wegen seiner öffentlichen Funktion nicht mit einem Privathaus vergleichbar, was bei der Abwehr von Störungen durch das Hausverbot berücksichtigt werden muß. Das „janusköpfige Hausrecht" 16, wie es vor allem die Rechtsprechung vertritt, führt zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis. Der Zweck des Besuches läßt sich häufig nicht eindeutig ermitteln und dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht zuordnen. Liegt ein Motivbündel vor, das den Besucher veranlaßt hat, das Gebäude zu betreten, versagt die Abgrenzung vollends. Darüber hinaus haben Störungen, gleichgültig ob sie im Rahmen privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Kontaktaufnahme erfolgen, auf den Dienstbetrieb und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben die gleichen Auswirkungen. Ein Bürger, der im Rathaus randaliert, stört den Dienstbetrieb, unabhängig davon, ob er das Rathaus zur Verfolgung eines privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Zwecks betreten hat. Die Rechtsnatur des Besuches beeinflußt nicht die Intensität der Störung. Beide Herleitungsversuche zur Begründung des Hausrechts vermögen nicht zu überzeugen. 12 Stürner, S. 101 ff.; ders., JZ 1971, S. 98 f.; ders., JZ 1977, S. 312 f.; OVG Münster, DVB1 1963, S. 303 f.; BayObLG, JZ 1977, S. 311. 13 Das Hausrecht des Bundestagspräsidenten leitet die überwiegende Ansicht ebenfalls aus dem Eigentum her. Vgl. Schneider, in: Alternativkommentar, Art. 40 Rn. 13; Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Achterberg / Schulte, Art. 40 Rn. 63. 14 BVerwGE 35, 103 (106 f.); BGHZ 33, 230 ff.; OVG Münster, DVB1 1963, S. 450; OVG Münster, DVB11968, S. 157 f.; aus der Literatur Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 49 Rn. 4; Bettermann, DVB1 1971, S. 112. 15 Vgl. dazu nur Ronellenfitsch, VerwArch 73 (1982), S. 465 f.; Zeiler, DVB1 1981, S. 1001 f.; Knemeyer, VB1BW 1982, S. 249 f. 16 , Janusköpfiges Hausrecht?" lautet der Titel eines Aufsatzes von Knemeyer, in DÖV 1971, S. 303 f. 13 Axer
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D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch
2. Die Irrelevanz der Widmung für das Hausrecht Die öffentlich-rechtliche Natur des Hausrechts läßt sich aber auch nicht mit der Widmung und der öffentlichen Sachherrschaft begründen. Unabhängig davon, daß die Widmung bei Dienstgebäuden keine öffentliche Sachherrschaft zur Folge hat, bedarf es keiner solchen Herleitung. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Hausrechts beruht nicht auf der Sachherrschaft, sondern auf der in dem Verwaltungsgebäude ausgeübten Tätigkeit. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht zielt auf Funktionsschutz, auf die Gewährleistung eines ungestörten Dienstbetriebes. Sein Zweck ist nicht primär der Schutz physisch gesicherter Territorialität. Im Vordergrund steht vielmehr das Interesse an einem störungsfreien Dienstbetrieb, nicht der Schutz der gewidmeten Sache. Geschützt ist die Tätigkeit in dem Gebäude, nicht das sächliche Substrat. Öffentlich-rechtlich ist das Hausrecht, soweit es die ungestörte Erfüllung öffentlicher Aufgaben in einem Verwaltungsgebäude bezweckt. Ob eine Störung des Dienstbetriebes vorliegt, bestimmt nicht die Widmung, sondern die Art der Störung und deren Auswirkungen auf die ausgeübte Tätigkeit, da nicht die Widmung, sondern die Tätigkeit Schutzgut des Hausrechts ist. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht steht dem Verwaltungsträger beispielsweise auch dann zu, wenn das Gebäude nicht gewidmet ist 17 . Das so verstandene öffentlichrechtliche Hausrecht richtet sich gegen jeden, der das Gebäude betritt oder betreten will, unabhängig davon, ob er berechtigter, widmungsgemäßer Benutzer ist oder nicht. Der berechtigte, widmungsgemäße Benutzer unterliegt also der Ordnungsgewalt und dem Hausrecht. Die Gegenansicht18, die das Hausrecht nur auf von außen kommende, widmungswidrige Störungen beschränken will, übersieht die Lücken, die im Schutz des öffentlichen Dienstbetriebes gegen Störungen eintreten können. Kündigt der berechtigte, widmungsgemäße Benutzer an, er wolle im Rahmen seines Aufenthaltes den Dienstbetrieb stören, hilft die Ordnungsgewalt wegen ihres repressiven Charakters 19 erst nach der Störung. Das Hausrecht hat hingegen präventiven Charakter und kann daher bereits im Vorfeld angewandt werden. So könnte gegenüber einem Benutzer, der dem Beamten die Störung ankündigt, ein Hausverbot erlassen werden. Hausrecht und Ordnungsgewalt lassen sich nicht durch ihren Adressatenkreis unterscheiden; entscheidendes Abgrenzungskriterium ist vielmehr ihr Zweck. Das Hausrecht soll präventiv einen ungestörten Dienstbetrieb sicherstellen; die Ordnungsgewalt hat repressiven Charakter. Beide Institute bezwecken den Funktionschutz, wobei die Ordnungsgewalt insoweit nicht an einen räumlichen Schutzbereich anknüpft. Ordnungsmaßnah-
17 Salzwedel, in: Erichsen / Martens, § 49 Rn. 4. is Berg, JuS 1982, S. 260; Knemeyer, VB1BW 1982, S. 251; ders., DÖV 1970, S. 597. 19 Vgl. zu der Funktion der Ordnungsgewalt Tettinger, WissR 1983, S. 231 ff.
III. Die Widmung als Instrumente der Nutzungsregelung?
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men können beispielsweise auch bei Verhandlungen auf freiem Gelände ausgesprochen werden. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht reicht jedoch für einen umfassenden Schutz des räumlichen Bereichs nicht aus, da nicht jede Verletzung des räumlichen Bereichs zwangsläufig eine Störung des Dienstbetriebes bedeutet. Deshalb steht dem Verwaltungsträger neben dem öffentlich-rechtlichen Hausrecht noch ein auf Besitz oder Eigentum beruhendes privatrechtliches Hausrecht zu 2 0 . Störungen außerhalb des Dienstbetriebes können nur durch das privatrechtliche Hausrecht verhindert werden. Fazit: Widmung und Hausrecht stehen in keinem Zusammenhang21, vor allem vermag die Widmung nicht die öffentlich-rechtliche Natur des Hausrechts zu begründen. Die öffentlich-rechtliche Natur des Hausrechts folgt aus der Funktion des Hausrechts, die störungsfreie Erfüllung öffentlicher Aufgaben in einem bestimmten räumlichen Bereich zu gewährleisten. Geht es hingegen nur um den Schutz „physisch gesicherter Territorialität", so ist das Hausrecht privatrechtlich.
I I I . Die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung? Bei den Straßen und Wegen sowie den öffentlichen Einrichtungen begründet die Widmung einen Anspruch auf Benutzung. Diese Funktion fehlt der Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch. Der Bürger hat keine originäre, eigenständige öffentlich-rechtliche Nutzungsbefugnis aufgrund der Widmung 22 . Die Widmung gewährt ihm keinen Anspruch auf Betreten des Finanzamtes oder des Rathauses. Soweit er Dienstgebäude betreten kann und darf, geschieht dies nicht auf der Grundlage der Widmung, sondern die tatsächliche Zugangsberechtigung ist nur ein Annex zu der Befugnis, zur Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten Kontakt mit dem zuständigen Amtsträger aufzunehmen 23. Der Bürger hat keine „sachenrechtlichen Gebrauchsrechte" an den Sachen im Verwaltungsgebrauch; er besitzt keinen Anspruch auf widmungsgemäße Nutzung. Ein Hausverbot schränkt damit nicht seine Rechte aus der Widmung ein, sondern betrifft die Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Amtswalter zur Wahrnehmung von Verwaltungsangelegenheiten. Sachen im Verwaltungsgebrauch kennzeichnet auch nicht die Unterscheidung zwischen widmungsgemäßem Gebrauch und Sondernutzung, wie sie etwa im 20 So Ronellenfitsch, VerwArch 73 (1982), S. 472 ff. 21 In diese Richtung auch Battis , Rn. 316; Salzwedel, in: Erichsen / Martens, §49 Rn. 4. 22 So hat der Bürger beispielsweise keinen Anspruch auf Benutzung eines verwaltungseigenen Kopiergerätes. Vgl. dazu Mecking, NVwZ 1992, S. 320 f. 23 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 31; Battis, Rn. 315; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 161. 13*
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D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch
Straßen- und Wegerecht normiert ist. Verpachtet ein Verwaltungsträger Räume in einem Gebäude, das sich im Verwaltungsgebrauch befindet, an einen Dritten, damit dieser dort ζ. B. eine Kantine betreibt, geschieht dies nicht nach öffentlichem Sachenrecht als Sondernutzung, sondern durch privatrechtlichen Vertrag. Der Grund liegt im Fehlen eines Rechts auf widmungsgemäße Nutzung. Existiert schon kein Recht auf widmungsgemäße Nutzung, so besteht erst recht kein Anspruch auf Sondernutzung oder wenigstens auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Sondernutzungserlaubnis. Die Widmung der Sachen im Verwaltungsgebrauch begründet für den Amtswalter ebenfalls keinen Anspruch auf Nutzung der Sache gegenüber dem Dienstherrn. Ansprüche auf bestimmte Nutzungsmöglichkeiten können sich etwa aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten ergeben, nicht hingegen aber aus der Widmung. Beispielsweise kann der Beamte die gesicherte Unterbringung von im Rahmen der Dienstleistung zu benutzender Privatsachen aufgrund seines Fürsorgeanspruchs fordern 24 ; die Widmung eines Behältnisses zur sicheren Aufbewahrung könnte einen solchen Anspruch des Beamten aber nicht begründen. Die Widmung ist also bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch kein Instrument der Nutzungsregelung, sie begründet weder für den Bürger noch für den Amtswalter Nutzungsrechte.
IV. Die Zuordnungsfunktion der Widmung Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch ist weder Grund einer öffentlichen Sachherrschaft noch ein Instrument der Nutzungsregelung. Ihre Funktion liegt vielmehr in der Zuordnung einzelner Sachen zu einem bestimmten Verwaltungsträger und damit in der Abgrenzung von Vermögenssphären. Die Widmung ist Anknüpfungspunkt für die Zuordnung einer Sache zum Verwaltungsvermögen eines Verwaltungsträgers. Derjenige Verwaltungsträger, der nach der Kompetenzordnung eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, erhält die Sachen, die der Erfüllung dieser Aufgabe gewidmet sind. Diese Bedeutung der Widmung für die Zuordnung von Sachen läßt sich in einzelnen Gesetzen und in der Verfassung nachweisen; unlängst hat sie im Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. 8. 1990 (Einigungsvertrag) 25 ihren Ausdruck gefunden.
24 Vgl. dazu Wolff / Bachof / Stober, § 116 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen. Siehe auch Kunig, in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 152. 25 BGBl. II S. 889.
IV. Die Zuordnungsfunktion der Widmung
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1. Die Sondervermögen Deutsche Bundespost und Deutsche Bundesbahn Sowohl das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost26 als auch das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn27 knüpfen zur Bestimmung des Umfangs beider Sondervermögen in § 1 an die Widmung an. So lautet § 1 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost: „Das Eigentum und alle sonstigen Vermögenswerte des Deutschen Reiches, die zum bisherigen Sondervermögen ,Deutsche Reichspost4 gehören, sind mit Wirkung vom 24. Mai 1949 als Sondervermögen »Deutsche Bundespost4 Vermögen des Bundes. Dazu gehören auch alle Vermögensrechte, die nach dem 8. Mai 1945 entweder mit Mitteln jenes Vermögens erworben oder ausschließlich dem Post- und Fernmeldebetrieb der Deutschen Post gewidmet worden sind." Eine ähnliche Regelung enthält § 1 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn, wonach zum Sondervermögen „Deutsche Bundesbahn" alle Vermögensrechte gehören, die ausschließlich dem Betrieb der Deutschen Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet oder dem Betrieb der Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen gewidmet worden sind, ohne Rücksicht darauf, für welchen Rechtsträger sie erworben sind 28 . Beide Gesetze nehmen die Widmung als Grundlage zur Bestimmung der Vermögenszuordnung. Eine Sache, die der Deutschen Reichspost oder der Deutschen Reichsbahn gewidmet war, gehört zum Sondervermögen Deutsche Bundespost bzw. Deutsche Bundesbahn. Deutlich kommt hierin der Grundsatz zur Geltung, daß sich die Zuordnung der Sache nach der in der Widmung erfolgenden Aufgabenbestimmung richtet. Derjenige Verwaltungsträger, der nach der Kompetenzordnung die Verwaltungsaufgabe zu erfüllen hat, erhält die Sachen, die der Erfüllung dieser Aufgaben dienen.
2. Art. 134 GG Die Gesetze über die vermögensrechtlichen Verhältnisse von Deutscher Bundespost und Deutscher Bundesbahn sind Ausführungsgesetze zu Art. 134 GG. Art. 134 GG regelt die Rechtsverhältnisse am Reichsvermögen, das sich am 24. 5. 1949 im Bundesgebiet befand. Hinsichtlich des anderenorts gelegenen Reichsvermögens trifft Art. 134 GG keine Aussage. Für das in den ostdeutschen Bundesländern und in Berlin (Ost) befindliche Reichsvermögen richtet sich die Rechtslage heute nach Art. 21 ff. Einigungsvertrg. 26 Vom 21. 5. 1953 (BGBl. I S. 225). 27 Vom 2. 3. 1951 (BGBl. I S. 155). 28 Dazu Finger, § 1 Anm. 1 f.
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D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch
Art. 134 GG bestimmt in Absatz 1, daß das Vermögen des Reiches grundsätzlich Bundesvermögen wird 2 9 . Vermögen im Sinne dieses Absatzes ist sowohl das Verwaltungsvermögen als auch das Finanzvermögen 30. Absatz 2 modifiziert diese Regelung in Satz 1 für das Verwaltungsvermögen: „Soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung31 überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach diesem Grundgesetz nicht Verwaltungsaufgaben des Bundes sind, ist es unentgeltlich auf die nunmehr zuständigen Aufgabenträger und, soweit es nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung Verwaltungsaufgaben dient, die nach diesem Grundgesetz nunmehr von den Ländern zu erfüllen sind, auf die Länder zu übertragen." Dieser Vorschrift liegt der Gedanke der Funktionsnachfolge und der Funktionswahrnehmung zugrunde. Demjenigen Hoheitsträger, dem nach dem Grundgesetz die Erledigung einer bestimmten Staatsaufgabe 32 obliegt, sollen auch die entsprechenden, zur Erfüllung notwendigen Gegenstände zugeordnet werden. Welche Gegenstände dies sind, richtet sich nach der ursprünglichen Zweckbestimmung. Für die Übertragung des Reichsvermögens, das nach Art. 134 Abs. 1 GG automatisch Bundesvermögen geworden ist 3 3 , auf die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände bedurfte es nach Art. 134 Abs. 4 GG eines Bundesgesetzes. Neben den eingangs erwähnten Gesetzen über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn und Bundespost hatte vor allem das erst am 1. 8. 1961 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen (Reichsvermögensgesetz)34 große Bedeutung für die Zuordnung des Reichs Vermögens. Nach § 2 dieses Gesetzes gilt als ursprüngliche Zweckbestimmung die nicht nur vorübergehende Zweckbestimmung am 8. Mai 1945. Berechtigt ist der bei Inkrafttreten des Reichsvermögensgesetzes zuständige Verwaltungsträger. Soweit das Reichsvermögen seinen Zwekken dient, ist es auf ihn zu übertragen.
29 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 134 GG Holtkotten, in: Bonner Kommentar, Art. 134 Erl. I. 30 Friauf, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, §90 Rn. 21; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 134 Rn. 2; Zieger, in: v. Münch, § 134 Rn. 12. 31 Der Begriff „ursprüngliche Zweckbestimmung" findet sich auch in Art. 135 Abs. 2 GG, der die Vermögensnachfolge bei zwischen dem 8. 5. 1945 und dem 24. 5. 1949 aufgelösten Ländern sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts regelt. Besondere Bedeutung erlangte Art. 135 GG in Zusammenhang mit der Auflösung des Landes Preußen. Vgl. dazu Hasso Hofmann, in: Isensee / Kirchhof, HStR I, § 7 Rn. 8. 32 Zur Bedeutung der „Staatsaufgaben" Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 57 Rn. 132 ff. 33 Friauf, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 90 Rn. 25 bezeichnet Art. 134 Abs. 1 GG als „self-executing". 34 Vom 16. 5. 1961 (BGBl. I S. 597) — Eine Aufzählung weiterer Gesetze, die das Reichsvermögen betreffen und die Rechtsverhältnisse regeln, findet sich bei Friauf, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 90 Rn. 16.
IV. Die Zuordnungsfunktion der Widmung
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Art. 134 GG nennt nicht ausdrücklich die Widmung, sondern spricht von der ursprünglichen Zweckbestimmung. Damit meint Art. 134 GG aber nichts anderes als die Widmung. Die Zweckbestimmung einer Sache erfolgt nämlich durch die Widmung, die bestimmt, welche Aufgaben die Sache erfüllen soll. Es handelt sich bei der Formulierung „ursprüngliche Zweckbestimmung" nur um eine andere Bezeichnung für Widmung, mit der keine inhaltlichen Unterschiede verbunden sind. So sprechen dann auch die auf Art. 134 GG beruhenden Ausführungsgesetze teilweise von „gewidmetem" Vermögen.
3. Der Einigungsvertrag Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8. 1990 enthält den Grundsatz, daß die ursprüngliche Zweckbestimmung der Sache Anknüpfungspunkt für die Zuordnung einer Sache zu einem Verwaltungsträger ist. Nach Art. 26 Abs. 1 Einigungsvertrag gehören zum Sondervermögen Deutsche Reichsbahn alle Vermögensrechte, die nach dem 8. Mai 1945 entweder mit Mitteln des Sondervermögens Deutsche Reichsbahn erworben oder die ihrem Betrieb oder dem ihrer Vorgängerverwaltungen gewidmet worden sind, ohne Rücksicht darauf, für welchen Rechtsträger sie erworben wurden, es sei denn, sie sind in der Folgezeit mit Zustimmung der Deutschen Reichsbahn einem anderen Zweck gewidmet worden. Vermögensrechte, die von der Deutschen Reichsbahn bis zum 31. Januar 1991 in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vom 11. Juli 1990 (GBl. I Nr. 44 S. 718) 35 benannt werden, gelten nicht als Vermögen, das mit Zustimmung der Deutschen Reichsbahn zu einem anderen Zweck gewidmet wurde. Eine entsprechende Bestimmung besteht in Art. 27 Abs. 1 Einigungsvertrag hinsichtlich des Sondervermögens Deutsche Post. Nach Art. 21 Abs. 1 Einigungsvertrag wird das Vermögen der Deutschen Demokratischen Republik, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient (Verwaltungsvermögen) Bundesvermögen, sofern es nicht nach seiner Zweckbestimmung am 1. Oktober 1989 überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach dem Grundgesetz von Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Trägern öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen sind. Soweit Verwaltungsvermögen überwiegend für Aufgaben des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit / des Amtes für Nationale Sicherheit genutzt wurde, steht es der Treuhandanstalt zu, es sei denn, daß es nach dem genannten Zeitpunkt bereits neuen sozialen oder öffentlichen Zwecken zugeführt worden ist.
35 In der Fassung vom 11. 10. 1990, BGBl. I S. 2162.
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D. Die Widmung bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch
Art. 21 Einigungsvertrag regelt neben Art. 22 Einigungsvertrag, der das Finanzvermögen betrifft, die Verteilung des Vermögens auf einzelne Verwaltungsträger. Dabei richtet sich die Zuordnung des Verwaltungsvermögens nach der Zweckbestimmung der Sache. Demjenigen Verwaltungsträger, der nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, werden die für diese Aufgaben gewidmeten Sachen zugeordnet. Die Vorschriften über die Vermögenszuordnung haben bisher ebenso wie die sonstigen Vermögensfragen 36 der deutschen Wiedervereinigung große Beachtung gefunden 37. Erhebliche Schwierigkeiten treten bei der Zuordnung der Vermögenswerte vor allem im Zuordnungsverfahren auf 38 . Durch Art. 21 und 22 Einigungsvertrag erfolgt nämlich nicht automatisch die Eintragung des berechtigten Verwaltungsträgers in das Grundbuch. Dazu bedarf es vielmehr eines besonderen Verfahrens, das im Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz — VZOG 3 9 ) geregelt ist. Das dort geregelte Verfahren verursacht eine große Zahl praktischer Probleme für die Zuordnung einzelner Vermögensgegenstände40. Betont sei aber an dieser Stelle, daß das Vermögenszuordnungsgesetz nur das Verfahren regelt, nicht hingegen die materielle Rechtslage. Letztere ergibt sich aus Art. 21 und 22 Einigungsvertrag. Die Regelungen des Einigungsvertrages bestätigen die These, daß die Widmung eine Zuordnungsfunktion hat. Die Widmung ist Anknüpfungspunkt für die Zuordnung einer Sache zu einem bestimmten Verwaltungsträger. Voraussetzung dafür ist aber, daß die Sachen im Eigentum des Staates stehen. Fehlt es daran, kann eine Zuordnung nur erfolgen, wenn andere privatrechtliche Rechte, etwa eine Dienstbarkeit, an der Sache bestehen.
36 Vgl. dazu etwa das „Bodenreform-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1991, S. 1597 ff. und die Besprechung von Leisner, NJW 1991, S. 1569 ff. 37 Zu Art. 21 Einigungsvertrag beispielsweise Ossenbühl, DÖV 1991, S. 301 ff.; Früh, VB1BW 1991, S. 477 ff.; ders., NJ 1992, S. 75 ff.; Schillo, NJ 1991, S. 291 f.; SchmidtBleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu / Stem, S. 71; Kreisgericht Magdeburg, DVB1 1992, S. 51. 38 Instruktiv Früh, VB1BW 1991, S. 477 ff.: Gehört Moritzburg dem Freistaat Sachsen? 39 Vom 22. 3. 1991 (BGBl. I S. 766, 784). 40 Die Zuordnung wird auch noch dadurch erschwert, daß für kommunales Vermögen noch das durch den Einigungsvertrag modifizierte Gesetz über das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise (Kommunalvermögensgesetz — KVG) vom 6. 7. 1990 gilt und für bestimmte Sachen auch noch das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. 6. 1990 gilt. Vgl. dazu Graf Lamsdorff, DtZ, 1992, S. 102 ff.
V. Ergebnis
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V. Ergebnis Den Sachen im Verwaltungsgebrauch fehlt der für öffentliche Sachen charakteristische öffentlich-rechtliche Sonderstatus. Die Widmung begründet keine öffentliche Sachherrschaft eines Verwaltungsträgers an einem Dienstgebäude oder einem Behördenfahrzeug. Die Annahme einer öffentlichen Sachherrschaft bei Sachen im Verwaltungsgebrauch verstößt gegen Art. 14 GG und den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes. Im Unterschied zu den Straßen und Wegen folgen aus der Widmung keine Nutzungsansprüche des Bürgers oder des Amtswalters. Die Funktion der Widmung beschränkt sich vielmehr darauf, als Anknüpfungspunkt für die Zuordnung der Sachen zu einem bestimmten Verwaltungsträger zu dienen. Die Prinzipien, die das Recht der öffentlichen Sachen kennzeichnen und auf der Widmung beruhen, finden sich bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch nicht wieder. Sachen im Verwaltungsgebrauch unterliegen nicht dem Recht der öffentlichen Sachen.
E. Die Widmung bei den res sacrae Res sacrae sind Sachen, die aufgrund kirchlicher Handlung — in der katholischen Kirche durch dedicatio oder benedictio constitutiva 1 , in der evangelischen Kirche durch feierliche Ingebrauchnahme 2 — unmittelbar gottesdienstlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind. Dazu zählen etwa der Altar, die Altarkerzen 3, der Kelch, aber auch das Kirchengebäude, die Sakristei 4 oder die Kirchenglokken 5 . Res sacrae haben im Kirchenrecht eine besondere Stellung. So bestimmt can. 1171 des Codex Iuris Canonici von 1983 für die katholische Kirche: „Heilige Sachen, die durch Weihung oder Segnung zum göttlichen Kult bestimmt sind, sind ehrfürchtig zu behandeln und dürfen nicht zum profanen oder nicht eigentlichen Gebrauch verwendet werden, auch wenn sie im Besitz von Privatleuten sind." Kirchengebäude, Kirchenglocken oder Monstranzen erfuhren auch nach weltlichem Recht eine besondere rechtliche Behandlung. Im römischen Recht waren die res sacrae als res divini iuris dem Rechtsverkehr entzogen und damit als res extra commercium nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs 6. Regelungen über die rechtliche Sonderstellung finden sich etwa im Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 und im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Während der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis hinsichtlich der Rechtsstellung der res sacrae noch auf das Kirchenrecht verwies 7 , traf das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten in den §§ 160 ff. I I 11 ausführliche Regelungen über die rechtliche Behandlung der res sacrae8. Die res sacrae waren 1
Dazu Reinhardt, in: Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, can. 1169, Anm. 1 ff. 2 Forsthoff; AöR 31 (1939/40), S. 216 f. 3 RGSt 53, 144 f. 4 BayObLGZ 17, 93 ff. 5 BVerwGE 68, 62 ff. 6 Vgl. dazu Meurer, S. 159 ff. 7 In Teil II Kapitel 1 § 2 bestimmt der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis: „Geweihte und zum Gottes-Dienste unmittelbar gewidmete Sachen, z. E. Kirchen, Altäre, Kelche, Monstranzen, und andere dergleichen Gottes-Geräthe werden Res Sacrae genannt, was aber nur mittelbar dahin gewidmet, und etwa zur Fundation, Dotirung oder Unterhaltung der Gottes-Häuser, Kirchen-Bedienten, oder geistlichen Personen gehörig ist, das heißt Res Ecclesiastica. In beeden soll man sich zwar nach den geistlichen Rechten, jedoch allerwegen den Concordaten oder dem Herkommen gemäß, richten." s Zur Rechtsstellung der res sacrae im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten RGZ 31, 217 ff. mit weiteren Nachweisen.
I. Die res sacrae als öffentliche Sachen?
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danach keine res extra commercium mehr, denn an ihnen konnten Rechte Dritter bestehen. Sie konnten veräußert werden, jedoch beeinträchtigte dies die kirchliche Zweckbestimmung nicht. Normierte der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 oder das Allgemeine Landrecht von 1794 noch die rechtliche Sonderstellung der res sacrae, so fehlt im heutigen staatlichen Recht eine entsprechende ausdrückliche Regelung. Einzig das Strafrecht gewährt den dem Gottesdienst gewidmeten Sachen einen besonderen Schutz. Nach § 243 Abs. 1 Nr. 4 StGB liegt ein besonders schwerer Fall des Diebstahls vor, der mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird, wenn der Täter aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient. Gemäß § 304 StGB wird derjenige, der rechtswidrig Gegenstände der Verehrung einer im Staat bestehenden Religionsgesellschaft oder Sachen, die dem Gottesdienst gewidmet sind, beschädigt oder zerstört, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Beide Vorschriften gehen aber über einen bloßen Schutz der res sacrae hinaus, da sie auch Gegenstände erfassen, die der religiösen Verehrung dienen. Letztere müssen nicht unbedingt im kirchlichen Sinne gesegnet oder geweiht sein9.
I. Die res sacrae als öffentliche Sachen? Nach allgemeiner Ansicht 10 gehören die res sacrae trotz fehlender ausdrücklicher Normierung zu den öffentlichen Sachen des staatlichen Verwaltungsrechts, und als solche kommt ihnen eine rechtliche Sonderstellung zu. Res sacrae sind damit zwar keine res extra commercium mehr 11 , jedoch findet auf sie die Theorie des modifizierten Privateigentums Anwendung. Sie sind Gegenstände privater Rechte, im Umfang der kirchlichen Zweckbestimmung unterliegen sie aber einer öffentlichen Sachherrschaft. Mögliche privatrechtliche Verfügungen beeinträchtigen die kirchliche Zweckbestimmung nicht. Begründet wird die Qualifikation der res sacrae als öffentliche Sache damit, daß mit der kirchlichen Zweckbestimmung gleichzeitig eine Widmung im Sinne des staatlichen Rechts durch die Kirche vorgenommen werde. Die kirchliche Weihehandlung oder Ingebrauchnahme sei eine staatliche Widmung im Sinne des öffentlichen Sachenrechts und begründe so einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, ohne daß es des Zutuns 9 Vgl. dazu Ruß, in: Leipziger Kommentar, § 243 Rn. 25; Dreher / Tröndle, § 243 Rn. 28; Eser, in: Schönke / Schröder, § 243 Rn. 34. 10 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 33 f.; Wolff/ BachofI, § 55 IIa; Pappermann / Lohr / Andriske, S. 11; Isensee, GS Constantinesco, S. 318; Müller-Volbehr, ZevKR 33 (1988), S. 171 ff.; Werner Weber, ZevKR 11 (1964/65), S. 111 ff.; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 139; ders., in: v. Mangoldt / Klein / v. Campenhausen, Art. 140 Rn. 165 ff.; BVerwGE 68, 62 (63 ff.). h Mißverständlich insoweit Voll! Storie, S. 221; Bachof, JZ 1991 S. 622.
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E. Die Widmung bei den res sacrae
des Staates bedürfe. Damit die kirchliche Zweckbestimmung diese Folgen im staatlichen Recht habe, müsse sie nur dem „für den weltlichen Rechtsverkehr unverzichtbaren Mindeststandard von Bestimmtheit und Objektivierbarkeit Genüge tun" 1 2 . Die Befugnis der Kirchen, durch dedicatio, benedictio constitutiva oder feierliche Ingebrauchnahme gleichzeitig eine Widmung nach staatlichem Recht zu verfügen, begründet man nicht nur mit Gewohnheitsrecht, sondern sie wird aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV hergeleitet 13. Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV bleiben die Religionsgemeinschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren; anderen Religionsgemeinschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Daneben wird vereinzelt Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV, die sogenannte Kirchengutsgarantie, herangezogen, wobei allerdings unklar bleibt, inwieweit sie eine öffentliche Sachherrschaft der Kirche rechtfertigen kann 14 . Trotz der Qualifikation der res sacrae als öffentliche Sachen im Sinne des staatlichen Verwaltungsrechts, bereitet es Literatur und Rechtsprechung erhebliche Schwierigkeiten, das Recht der öffentlichen Sachen auf die res sacrae anzuwenden. So wurde etwa das liturgische Läuten bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. 10. 1983 15 von der nahezu einhelligen Ansicht privatrechtlich beurteilt 16 . Vom Standpunkt der Einordnung der res sacrae als öffentliche Sache wäre es aber nur konsequent gewesen, die widmungsgemäße Betätigung öffentlich-rechtlich zu beurteilen 17. Die Anwendung des Rechts der öffentlichen Sachen auf die res sacrae ist nicht nur bei den Kirchenglocken, sondern auch bei anderen gewidmeten kirchlichen Sachen mit großen Problemen verbunden. Die Rechtslage von kirchlichen Friedhöfen 18 und von Gebäuden, die 12 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / v. Campenhausen, Art. 140 Rn. 172. 13 Marx, HdbStKirchR II, S. 120 f.; Werner Weber, ZevKR 11 (1964 / 65), S. 115 f.; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / v. Campenhausen, Art. 140 Rn. 167; Hollerbach, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 138 Rn. 133. 14 Muus, ZevKR 11 (1964 / 65), S. 135 ff.; Hesse, ZevKR 5 (1956), S. 68 f.; Johannes Heckel, FS Smend, S. 127 ff. drückt sich im Hinblick auf einen Schutz der res sacrae durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV unklar aus. Einerseits erweckt sein Beitrag den Eindruck, daß die res sacrae durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV gewährleistet seien, andererseits schreibt er auf S. 140: „In solchen Fällen geht nach den Regeln des deutschen Verwaltungsrechts das öffentlich-rechtliche Gebrauchsrecht der privatrechtlichen Herrschaft über die Sache vor. Unter das Grundrecht fällt indessen die Sicherung dieses Vorganges der öffentlich-rechtlichen kirchlichen Sachherrschaft vor der privat-rechtlichen nicht." is BVerwGE 68, 62 ff. 16 v. Campenhausen, DVB1 1972, S. 319 f.; Rüfner, HdbStKirchR I, S. 768 f.; Martens, in: FS Wacke, S. 348 ff.; Stolleis, BayVBl 1972, S. 23 f.; ders., ZevKR 17 (1972), S. 150 ff.; Schatzschneider, BayVBl 1980, S. 564 f.; ders., NJW 1984, S. 991. 17 Vgl. dazu Isensee, GS Constantinesco, S. 318. is Dazu Holstein, VerwArch 35 (1930), S. 105 ff.; Sperling, ZevKR 33 (1988), S. 35 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen. Speziell zu den Rechten an Grabstellen Bachof, GS Peters, S. 642 ff.
II. Die res sacrae als Objekte des Zivilrechts?
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im Eigentum Dritter stehen, aber zu gottesdienstlichen Zwecken durch kirchliche Handlung bestimmt sind 19 , seien als Beispiel genannt. Vor diesem Hintergrund mehren sich in jüngerer Zeit Stimmen in der Literatur, die eine Zuordnung der res sacrae zu den öffentlichen Sachen ablehnen und die res sacrae einem privatrechtlichen Regime unterstellen wollen 20 .
I I . Die res sacrae als Objekte des Zivilrechts? Die Kritik an der Qualifikation der res sacrae als öffentliche Sache richtet sich vor allem gegen deren Begründung. Die kirchliche Weihe oder Ingebrauchnahme, mit der die gottesdienstliche Zweckbestimmung erfolge, sei eine gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützte kirchliche Angelegenheit. Wie die Kirche mit den heiligen Sachen verfahre und über sie verfüge, unterliege allein ihrer eigenen Bestimmungsmacht und nicht dem staatlichen öffentlichen Recht. Der durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV den Kirchen gewährte Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts rechtfertige eine Unterstellung der res sacrae unter das öffentliche Sachenrecht nicht. Der Körperschaftsstatus gebe den Kirchen keine Hoheitsgewalt gegenüber Außenstehenden. Das Eigentum Dritter an Sachen könne eine durch kirchliche Weihe begründete öffentlichrechtliche Sachherrschaft nicht überlagern bzw. verdrängen. Darüber hinaus begründe der Körperschaftsstatus nur dann hoheitliche Befugnisse, wenn der Staat diese besonders den Kirchen verliehen habe, etwa die Befugnis zur Erhebung von Kirchensteuer nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV. Staatliche Hoheitsgewalt sei den Kirchen nur punktuell zugewiesen. Fehle es an einer solchen Zuweisung wie bei den res sacrae, verschaffe der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus daher den Kirchen keine staatliche Hoheitsgewalt, mithin auch keine Befugnisse, durch Widmung öffentliche Sachherrschaft zu begründen. Einer Rechtfertigung des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV stehe die ratio dieser Bestimmung entgegen. Sieht man den Zweck des Art. 138 Abs. 2 WRV, wie in der Weimarer Zeit 2 1 , in einem 19 Vgl. neben den in der Einleitung genannten Stellungnahmen im Streit um die Herausgabe der Münchener St. Salvatorkirche die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts um die Herausgabe der als Sakristei dienenden Kapelle der Kirche St. Peter in Augsburg, BayObLGZ 17, 93 ff. — Das Amtsgericht Bonn (KirchE 22, 121 ff.) gibt der Klage des Eigentümers gegen eine Moscheen-Gemeinschaft auf Herausgabe der gemieteten Moschee nach Ablauf des Mietvertrages durch Kündigung statt. Die Moscheen- Gemeinschaft hielt die Kündigung für unwirksam, weil es sich bei den von ihr angemieteten Räumen um res sacrae handele. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen. Siehe dazu Listi, FS Geiger, S. 561 f. 20 Goerlich, BayVBl 1988, S. 183; Keihl, S. 136 ff.; Kromer, S. 72 kritisch gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Status Mayer-Scheu, S. 204 f.; Schlink, NVwZ 1987, S. 633 ff. 21 Anschütz, Art. 138 Anm. 7; Martin Wolff, FG Kahl, S. 3 ff.
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E. Die Widmung bei den res sacrae
Schutz des Kirchengutes vor entschädigungsloser Enteignung, die Art. 153 Abs. 2 S. 2 WRV ausdrücklich zuließ, mache es keinen Unterschied, ob die res sacrae eine öffentliche Sache oder eine bürgerlich-rechtlich zu beurteilende Sache sei. In beiden Fällen unterlägen die res sacrae dem Schutz des Art. 138 Abs. 2 WRV. Selbst wenn man im Anschluß an E. R. Huber 22 dem Art. 138 Abs. 2 WRV das Verbot eines gegen die Kirche gerichteten Sonderrechts in Eigentums- und Vermögensangelegenheiten entnähme, bedeute dies nicht, daß Art. 138 Abs. 2 WRV die Qualifikation der res sacrae als öffentliche Sache gewährleiste. Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV scheide als normative Grundlage für eine öffentliche Sachherrschaft der Kirchen aus, denn diese Vorschrift begründe kein Sonderrecht für die Kirchen 23 . Als weiteres Argument gegen einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus nach staatlichem Recht wird angeführt, daß die Einbeziehung der res sacrae in das staatliche Recht der öffentlichen Sachen gegenüber einer zivilrechtlichen Beurteilung keinen besseren Schutz mit sich bringe 24 . Das Zivilrecht gewähre ihnen gleichen Schutz wie das öffentliche Recht, denn das öffentliche Sachenrecht könne den Kirchen keine öffentliche Sachherrschaft über Gegenstände geben, die nicht in ihrer zivilrechtlichen Verfügungsgewalt stünden. Bei fremden, nicht im Eigentum der Kirchen stehenden Sachen bedürfe es zur Widmung der Zustimmung des Eigentümers. Liege die Zustimmung nicht oder nicht mehr vor, müsse die Kirche die Sachen entwidmen und herausgeben. Der für die Klage auf Entwidmung gegebene Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten bedeute aber für die Kirchen keinen weitergehenden und besseren Schutz der res sacrae als bei zivilrechtlicher Betrachtung 25. Den Schutz vor zweckwidrigem Gebrauch gewährleiste das BGB genauso wie die durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft. Vermiete etwa ein Pfarrer die Kirche zu einem widmungswidrigen Zweck, stelle sich dies als ein Problem des Vertretungsrechts dar (Vertreter ohne Vertretungsmacht, §§ 164, 177, 179 BGB), nicht aber als eines des Rechts der öffentlichen Sachen26. Das Bürgerliche Gesetzbuch reiche zur Lösung der im Zusammenhang mit widmungswidrigem Gebrauch auftretenden Probleme aus, und die res sacrae seien daher aus dem Recht der öffentlichen Sachen zu verabschieden 27. 22 S. 22 ff. 23 Schlink, N V w Z 1987, S. 635 f. 24 Vgl. dazu vor allem Schlink, NVwZ 1987, S. 639: „Die Unterstellung der res sacrae unter das öffentliche Sachenrecht bietet, so wurde oben dargelegt, keinen Schutz, den nicht auch das bürgerliche Sachenrecht bieten könnte." 25 Schlink, NvWZ 1987, S. 639. 26 So Kromer, S. 78 ff. 27 Kromer, S. 81. Vorsichtiger formuliert Schlink, NVwZ 1987, S. 640: „Finis rerum sacrarum? Die eingangs gestellte Frage ist zu verneinen. Auch die neueren Entwicklungen im Recht der kirchlichen öffentlichen Sachen und der res sacrae tasten das Kirchengut nicht an. Gleichwohl sind sie nicht folgen- und ertragslos. Sie erlauben, alte Rechtsfragen präziser zu stellen und konsequenter zu beantworten."
III. Die Widmung als Kreationsakt
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I I I . Die staatliche Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Sache „res sacrae"? Um eine Antwort auf die Frage nach einem öffentlich-rechtlichen Sonderstatus und damit der rechtlichen Qualifizierung der res sacrae zu finden, bedarf es zunächst der Klärung, inwieweit bei ihnen der zur Entstehung öffentlicher Sachen notwendige Rechtsakt der Widmung überhaupt vorliegt. Zweifel könnten deshalb bestehen, weil die Kirche einen kirchlichen Akt vornimmt, in dem sie die Sache feierlich in Gebrauch nimmt oder segnet bzw. weiht.
1. Staatliche Widmung durch kirchliches Handeln? Zu überlegen ist, ob die Kirche nicht durch die dedicatio oder benedictio constitutiva eine Widmung nach staatlichem Recht verfügt. Die Sache erlangt dann durch eine von der Kirche vorgenommene Widmung nach staatlichem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Sache. Bei einer solchen Konstruktion ergibt sich jedoch das Problem, inwieweit die Kirche überhaupt durch ihre Segnung oder Weihehandlung einen staatlichen Rechtsakt wie die Widmung verfügt oder, allgemeiner gesagt, Rechtsfolgen im Bereich des staatlichen Rechts setzt. Während etwa in den Kirchensteuergesetzen das Verfahren und die Form der Kirchensteuererhebung durch staatliches Recht normiert ist, fehlt es an einer solchen Normierung für eine durch den Pfarrer oder Bischof vorgenommenen „weltlichen" Widmung. Wie die Untersuchungen des Straßen- und Wegerechts gezeigt hat, bedarf die Widmung einer bestimmten Form und eines bestimmten Verfahrens, um einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus zu begründen. Ob kirchliche Handlungen diesen Anforderungen immer entsprechen, ist zumindest zweifelhaft. Würden sie den Anforderungen nicht genügen, so stünde dies der Annahme einer in der Weihe oder Segnung verfügten Widmung im Sinne des staatlichen Verwaltungsrechts entgegen. Andererseits bedeuten Form- und Verfahrenserfordernisse staatlicherseits eine Verletzung des durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Nach welchem Ritus die Kirche eine Sache für einen gottesdienstlichen Zweck bestimmt, unterliegt allein ihrer Entscheidung. Art, Form und Verfahren gehören zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Darüber hinaus obliegt allein der Kirche die Entscheidung, ob sie die res sacrae überhaupt einem öffentlich-rechtlichen Sonderstatus unterstellen will. Die Annahme, jede Weihe oder Segnung enthalte zwangsläufig eine staatliche Widmung, widerspräche dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Selbst wenn aus dem in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV gewährleisteten öffentlich- rechtlichen Körperschaftsstatus die Befugnis der Kirchen zu öffentlich-rechtlichem Handeln in allen typischen Äußerungen 28 folgt, bedeutet dies 28 Zu der Diskussion um den Inhalt des Körperschaftsstatus gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV unten E. IV. 1.
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E. Die Widmung bei den res sacrae
nicht zwangsläufig, daß damit die dedicatio oder benedictio constitutiva eine Widmung nach staatlichem Recht darstellt. Vielmehr resultiert aus einem öffentlich-rechtlichen Gesamtstatus nur die Einordnung der Weihe und Segnung als öffentlich-rechtlich, nicht hingegen die Qualifizierung als staatliche Widmung. Die Annahme einer durch dedicatio oder benedictio constitutiva verfügten Widmung nach staatlichem Recht entspricht nicht der Realität. Bei Vornahme dieser kirchlichen Handlung fehlt es regelmäßig am Willen des Pfarrers oder Bischofs, neben der kirchlichen Zweckbestimmung gleichzeitig einen Verwaltungsakt, eine staatliche Widmung, zu verfügen 29. Der Pfarrer bestimmt die Sache für eine kirchlich-religiöse Funktion. Die Annahme einer gleichzeitig verfügten „weltlichen" Hoheitsmaßnahme läßt sich damit nur schwer vereinbaren. Die kirchliche Weihehandlung stellt keine Widmung im Sinne des deutschen Verwaltungsrechts dar. Das Fehlen einer durch die Kirche verfügten staatlichen Widmung erlaubt es nicht, statt dessen neben der kirchlichen Weihehandlung eine von Seiten des Staates selbst verfügte Widmung anzunehmen30. Die Hinzufügung einer nichtreligiösen Widmung zur religiösen Zweckbestimmung verletzt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und widerspricht ebenfalls der Realität, da der Staat die res sacrae nicht widmet.
2. Die kirchliche Handlung als Anknüpfungspunkt für den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus Eine Lösung des Problems der fehlenden staatlichen Widmung läßt sich finden, wenn man nicht in der kirchlichen Handlung eine Widmung, sondern in ihr nur den Anknüpfungspunkt für die Zuerkennung eines öffentlich-rechtlichen Sonderstatus sieht. Der öffentlich-rechtliche Sonderstatus entsteht dann nach katholischem Recht durch dedicatio oder benedictio constitutiva, ohne daß es der Annahme einer gleichzeitig verfügten Widmung bedürfte. Um der Sache einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus zu geben, genügt bereits die kirchliche Handlung, weil sie rechtsgestaltende Wirkung für den staatlichen Bereich hat. Der Staat gewährt den Kirchen den öffentlich-rechtlichen Schutz, ohne daß eine staatliche Widmung erforderlich ist. Wenn die Kirche die Sache nach ihrem Ritus für gottesdienstliche Zwecke bestimmt, kreiert sie einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus im Sinne des staatlichen Rechts. Der Staat erkennt die kirchliche Handlung als Kreationsakt an, dies natürlich nur dann, wenn die jeweilige Kirche den Willen zum Ausdruck bringt, die res sacrae unter einen speziellen Schutz, einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus zu stellen. Dieser Wille kommt bei der katholischen Kirche in can. 1171 des Codex Iuris Canonici von 1983 zum Ausdruck. 29 Müller-Yolbehr, ZevKR 33 (1988), S. 175. 30 In diese Richtung aber Forsthoff, AöR 31 (1939/40), S. 210.
IV. Verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus
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Die öffentlich-rechtliche Sonderstellung, die ihren Anknüpfungspunkt in der kirchlichen Handlung hat, ist gewohnheitsrechtlich anerkannt. „In allen Rechtskulturen findet man den res sacrae (den heiligen Gebäuden, Stätten und Geräten) eine Sonderstellung zugewiesen."31 Diese Sonderstellung war, wie eingangs bereits erwähnt, teilweise kodifiziert, etwa im Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis oder im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten, ist aber im wesentlichen gewohnheitsrechtlich aus dem römischen Recht entstanden. Die heutige Sonderstellung der res sacrae besteht somit kraft Gewohnheitsrecht 32. Gewohnheitsrechtlich kommt der öffentlich-rechtliche Sonderstatus aber nur den res sacrae zu, nicht hingegen dem sonstigen kirchlichen Verwaltungsvermögen. Der Kindergarten, das Alten- und Pflegeheim, die Schule, der Pfarrgarten oder das Gemeindehaus besaßen keinen den heiligen Sachen vergleichbaren besonderen Status. Sie waren Gegenstände des privaten Rechtsverkehrs und haben daher heute keinen Sonderstatus 33.
IV. Die verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus der res sacrae Die besondere Stellung der res sacrae ist nicht nur gewohnheitsrechtlich fundiert, sondern verfassungsrechtlich gewährleistet.
1. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV — der Körperschaftsstatus Der Körperschaftsstatus der Kirchen, der „etwas rätselhafte Ehrentitel" 34 , bildet die „Crux der staatskirchenrechtlichen Problematik der Gegenwart" 35 . Rechtsprechung und Literatur mühen sich seit langem um eine Klärung seines Inhalts, ohne daß es bisher gelungen wäre, die damit in Zusammenhang stehenden Fragen abschließend und zufriedenstellend zu beantworten 36. Übereinstimmung besteht 31 Forsthoff beginnt mit diesem Satz seinen Aufsatz über die heiligen Sachen, in: AöR 31 (1939/40), S. 209, und weist im folgenden die besondere Stellung der res sacrae nach. 32 Renck, DÖV 1990, S. 334; so auch Schlink, NVwZ 1987, S. 633. Inwieweit die Vorschriften des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis und des Allgemeinen Landrechts weitergelten, ist umstritten. Bejahend BayObLGZ 1980, S. 381 (386); verneinend Keihl, S. 142 ff. 33 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 33; Müller- Volbehr, ZevKR 33 (1988), S. 181 f.; Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 55 ff.; Schlink, NVwZ 1987, S. 638; Voll/ Storie, S. 221 f.; anderer Ansicht Muus, ZevKR 11 (1964/65), S. 138; Werner Weber, ZevKR 11 (1964/65), S. 115 f.; Hermann Weber, S. 124. 34 Smend, ZevKR 1 (1951), S. 9. 35 Hesse, ZevKR 11 (1964/65), S. 357. 36 Vgl. Friesenhahn, HdbStKirchR I, S. 545 ff.; Meyer-Teschendorf, AöR 103 (1978), S. 289 ff.; Hollerbach, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 138 Rn. 124 ff.; Hermann Weber, S. 108 ff.; Goerlich, GS Martens, S. 559 ff.; Renck, NVwZ 1990, S. 38 ff.; 14 Axer
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E. Die Widmung bei den res sacrae
nur darin, daß durch die Zuerkennung des Körperschaftsstatus die Kirche weder in den Staat organisch eingegliedert noch einer besonderen staatlichen Kirchenhoheit unterworfen wird. Vielmehr soll der Status die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirchen vom Staat sowie ihre originäre Kirchengewalt bekräftigen 37 . Welche Rechte mit dem Körperschaftsstatus im einzelnen verbunden sind, ist aber umstritten. Eine umfassende Behandlung dieser Problematik würde weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Im folgenden wird deshalb der Körperschaftsstatus nur im Hinblick darauf gewürdigt, ob er einen öffentlichrechtlichen Sonderstatus und damit eine Sonderbehandlung der für den Gottesdienst bestimmten Sachen verfassungsrechtlich garantiert. Im wesentlichen stehen sich, mit unterschiedlichen Begründungen im einzelnen, zwei Ansichten über Umfang und Inhalt der Körperschaftsgarantie gegenüber. Nach einer Meinung 38 ist der Körperschaftsstatus kein universaler publizistischer Gesamtstatus. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang die staatliche Rechtsordnung den Kirchen hoheitsrechtliche Befugnisse verliehen habe und die jeweilige korporierte Religionsgemeinschaft sie in Anspruch nehme. Dagegen nimmt eine andere Ansicht 39 an, daß durch die Verleihung des Körperschaftsstatus die Religionsgemeinschaft nicht nur punktuell in Einzelfällen, sondern umfassend öffentlich-rechtlich handele. Soweit die Betätigung eine typische Lebensäußerung der Religionsgemeinschaft darstelle, werde sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts öffentlich-rechtlich tätig. Beide Ansichten vermögen nicht die Anwendung des Rechts der öffentlichen Sachen für die res sacrae verfassungsrechtlich zu gewährleisten. Folgt man ersterer Ansicht, ergibt sich die Qualifikation der res sacrae als öffentliche Sache nicht aus Art. 137 Abs. 5 WRV, sondern nur aus Gewohnheitsrecht. Der Körperschaftsstatus legitimiert dann zwar die Qualifizierung, setzt sie aber nicht 40 . Geht man hingegen von einem öffentlich-rechtlichen Gesamtstatus aus, bedeutet dies noch nicht die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Unterstellung der res sacrae unter das Recht der öffentlichen Sachen. Vielmehr hat der Gesamtstatus nur zur Folge, daß die kirchliche Handlung, die die res sacrae entstehen läßt, öffentlich-rechtlich zu beurteilen ist, was aber nicht bedeutet, daß damit etwa zwangsläufig eine öffentliche Sachherrschaft entsteht. Der Körperschaftsstatus
ders., NVwZ 1991, S. 1038 ff.; Müller- Volbehr, NVwZ 1991, S. 142 ff.; kritisch zum Körperschaftsstatus Schmidt-Eichstaedt, S. 51 ff. 37 BVerfGE 30, 415 (428); 53, 366 (387); 66, 1 (19 f.). 38 Hermann Weber, S. 108 ff.; Stolleis, BayVBl 1972, S. 23; Rüfner, HdbStKirchR I, S. 767 f.; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 95 ff.; Ehlers, ZevKR 32 (1987), S. 165 ff.; Goerlich, JZ 1984, S. 221; Hollerbach, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 138 Rn. 130; in diese Richtung auch Müller-Volbehr, ZevKR 33 (1988), S. 157 ff. 39 Friesenhahn, HdbStKirchR I, S. 545 ff.; Werner Weber, ZevKR 11 (1964/65), S. 121 ff.; Renck, NVwZ 1991, S. 1038 ff.; ders., NVwZ 1990, S. 38 ff. 40 Schlink, NVwZ 1987, S. 637.
IV. Verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus
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sagt nichts über die anwendbaren öffentlich-rechtlichen Regeln und Vorschriften aus; die Geltung des Rechts der öffentlichen Sachen indiziert er nicht. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV bildet also keine verfassungsrechtliche Gewährleistung des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus der res sacrae. Das gilt unabhängig davon, für welche der konkurrierenden Deutungen des Körperschaftsstatus man sich entscheidet.
2. Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV — die Kirchengutsgarantie Die Kirchengutsgarantie gewährleistet das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichtsund Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen. Diese Vorschrift des Grundgesetzes hat eine lange historische Tradition 41 , die an § 63 Reichsdeputationshauptschluß von 1803 anknüpft, der „den Besitz und ungestörten Genuß" garantiert. Trotz dieser Tradition führt die Kirchengutsgarantie in Rechtsprechung und Literatur eher ein Schattendasein42. Im Zusammenhang mit den res sacrae findet sie zwar meist Erwähnung, eine ausführliche Darstellung, inwieweit Art. 138 Abs. 2 WRV die res sacrae als öffentliche Sache schützt und den Sonderstatus garantiert, fehlt jedoch. Selbst das Bundesverwaltungsgericht äußert sich in der St. Salvator- Entscheidung43 zu Art. 138 Abs. 2 WRV zwar ausführlich, zum Verhältnis der res sacrae und Kirchengutsgarantie sagt es indes nur wenig.
a) Die Bedeutung der Kirchengutsgarantie als Funktionsgarantie In der Weimarer Zeit sah man in Art. 138 Abs. 2 WRV nur ein Verbot der entschädigungslosen Enteignung von Kirchengut 44 . Diese Funktion der Kirchengutsgarantie gewann man aus einem Vergleich mit Art. 153 Abs. 2 S. 2 WRV,
Zur historischen Entwicklung Johannes He ekel, FS Smend, S. 103 ff. Das Bundesverwaltungsgericht bemerkt in seiner St. Salvator- Entscheidung treffend, daß der Sinn und Zweck dieser Vorschrift in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts noch nicht vertieft behandelt worden ist (JZ 1991, S. 616 (617)). — In der Literatur wird meist auf den Aufsatz von Johannes Heckel in der Festschrift für Smend, S. 103 ff. verwiesen. Ausührlichere Stellungnahmen zu Art. 138 Abs. 2 WRV finden sich selten, Ausnahmen bilden insoweit Hesse, ZevKR 5 (1956), S. 62 ff. und Scheuner, FS Flatten, S. 381 ff., die sich beide wiederum auf den Aufsatz von Johannes Heckel beziehen. 43 Siehe die Nachweise zur St. Salvator-Entscheidung in der Einleitung. 44 Vgl. etwa Anschütz, Art. 138 Anm. 7; Ebers, S. 213 ff. 42
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E. Die Widmung bei den res sacrae
der eine entschädigungslose Enteignung zuließ. Art. 138 Abs. 2 WRV wurde insoweit als Ausnahmeregelung zu Art. 153 Abs. 2 S. 2 WRV verstanden. Aber schon in der Weimarer Zeit gab es Kritik an der engen Sichtweise der Kirchengutsgarantie als Modifizierung der Eigentumsgarantie 45. Inhalt des Art. 138 Abs. 2 WRV sei nicht nur das Verbot einer Enteignung, sondern der Schutz vor Entzug von Kirchengut, das wegen seiner spezifisch öffentlichen Funktion eines besonderen Schutzes bedürfe. Die Vorschrift richte sich nicht nur gegen eine Enteignung, sondern gegen jede Art der Säkularisation. Die Interpretation der Kirchengutsgarantie unter der Geltung des Grundgesetzgebers knüpfte daran an und wurde maßgeblich von Johannes Heckel beeinflußt 46. Seiner Ansicht nach schützt Art. 138 Abs. 2 WRV die öffentliche Funktion des von ihr behüteten Gutes vor jeder Antastung durch die weltliche Gewalt und sichert so das Kirchenvermögen vor jeder Beeinträchtigung der freien kirchlichen Verfügungsmacht. Über den substanziellen und wertmäßigen Bestand des Kirchenguts hinaus gewährleiste die Kirchengutsgarantie die öffentliche Funktion kirchlichen Vermögens. „Der verfassungsrechtliche Schutz des Kirchenguts ist ein wesentlicher Bestandteil des geltenden kirchenpolitischen Systems.... Denn er bedeutet nicht weniger als die Anerkennung der öffentlichen Autorität, Selbstbestimmung und Unverletzlichkeit der Kirche nach der Seite ihres materiellen Substrats." 47 Die Interpretation des Art. 138 Abs. 2 WRV als Norm zum Schutz der öffentlichen Funktion der Kirchen hat nicht zwingend den Sonderstatus der res sacrae zur Folge. Bei den res sacrae gelangt zwar die Öffentlichkeitsfunktion in besonderer Weise zur Geltung; daß dies aber nur durch einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus gewährleistet werden kann, ist nicht nachweisbar. Die öffentliche Funktion kann verfassungsrechtlich auch bei einer privatrechtlichen Beurteilung der heiligen Sachen geschützt werden. Art. 138 Abs. 2 WRV würde in diesem Fall ebenfalls die res sacrae vor einer „Antastung durch die weltliche Gewalt" schützen.
b) Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV als Bestandsgarantie Eine verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus der res sacrae wäre nur gegeben, wenn die Kirchengutsgarantie die gewohnheitsrechtlich anerkannte Zuordnung gewährleistet. Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV müßte also nicht nur die res sacrae vor der Antastung durch die
45 Dazu vor allem E. R. Huber, S. 22 ff. 46 FS Smend, S. 103 ff. Vgl. zu dieser Funktion des Art. 138 Abs. 2 WRV und zum Verhältnis zu Art. 14 GG Marx, in: HdbStKirchR II, S. 118 ff.; Hollerbach, in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 139 Rn. 64 f. 47 Johannes Heckel, FS Smend, S. 104 f.
IV. Verfassungsrechtliche Garantie des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus
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weltliche Gewalt schützen, sondern auch eine besondere Rechtsform des Schutzes der res sacrae verfassungsrechtlich schützen. Art. 138 Abs. 2 WRV beruht auf einem von den Abgeordneten Gröber (Zentrum) und Kahl (Deutsche Volkspartei) im Verfassungsausschuß eingebrachten Antrag: „Religionsgesellschaften bleiben im Besitz und Genuß der für ihre Kultus·, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds." 48 Im Verfassungsausschuß brachten die Abgeordneten Meerfeld (SPD) und Naumann (DDP) später einen Änderungsantrag ein, welcher lautete: „Der Anspruch auf die bisher im Eigentum der Religionsgesellschaften befindlichen, für Kultus- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds bleibt bestehen."49 In der nachfolgenden Diskussion wurde betont, daß das sehr komplizierte kirchliche Vermögensrecht nicht, ohne den Dingen Gewalt anzutun, in das Privatrecht überführt werden könne 50 , und in der darauffolgenden Sitzung des Verfassungsausschusses wurde beschlossen, den Änderungsantrag zu berücksichtigen, so daß die Vorschrift den Inhalt erhielt: „Das Eigentum der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds bleibt hierdurch unberührt." 51 Später beantragte der Abgeordnete Beyerle (Zentrum), neben dem Eigentum auch die anderen Rechte der Religionsgesellschaften zu schützen. Neben dem Eigentum gebe es nämlich andere besondere kirchliche Nutzungsrechte und dingliche Rechte52. Weiterhin schlug er vor, statt „bleiben unberührt" die Formulierung „bleiben gewährleistet" zu verwenden. Mit der redaktionellen Änderung in „werden gewährleistet" brachte der Abgeordnete Mausbach (Zentrum) als Berichterstatter die Norm vor das Plenum der Nationalversammlung. In seiner Rede erklärte Mausbach53 unter anderem: „Noch klarer ergibt sich — ich möchte sagen, aus dem ganzen Geist der Verfassung —, daß das wohlerworbene Eigentum der Religionsgesellschaften an ihren Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitsanstalten und Vermögenswerten unangetastet bleibt." Die vom Verfassungsausschuß vorgeschlagene Formulierung wurde trotz kritischer Äußerungen von Naumann (DDP) 5 4 und Kunert (USPD) 55 ohne Änderung als Artikel 138 Abs. 2 WRV in die Weimarer Reichsverfassung aufgenommen.
48 Verhandlungen der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Stenographische Berichte, Bd. 336, S. 175. 49 Stenographische Berichte, Bd. 336, S. 199. so So der Abgeordnete Heinze(OWP), Stenographische Berichte, Bd. 336, S. 200. 51 Stenographische Berichte, Bd. 336, S. 208. 52 Stenographische Berichte, Bd. 336, S. 519 f. 53 Stenographische Berichte, Bd. 328, S. 1645. 54 Stenographische Berichte, Bd. 328, S. 1652 ff. 55 Stenographische Berichte, Bd. 328, S. 1658 ff.
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E. Die Widmung bei den res sacrae
Die Verhandlungen des Parlamentarischen Rats liefern für die genetische Interpretation des Art. 138 Abs. 2 WRV keine weiteren Erkenntnisse. Wegen der Schwierigkeiten, die Beziehung zwischen Staat und Kirche zu regeln, entschloß man sich, die Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung, von einigen Ausnahmen abgesehen, geschlossen in das Grundgesetz zu übernehmen. Art. 138 Abs. 2 WRV war nicht Gegenstand weiterer Auseinandersetzungen 56. Art. 140 GG nennt Art. 138 WRV als Bestandteil des Grundgesetzes, so daß die Kirchengutsgarantie damit als „vollgültiges Verfassungsrecht" 57 in das Grundgesetz inkorporiert worden ist 58 . Die Entstehungsgeschichte zeigt, daß durch Art. 138 Abs. 2 WRV die bestehenden kirchlichen Sonderrechte, so wie sie sich historisch entwickelt hatten, verfassungsrechtlich weiterhin gewährleistet werden sollen. Deutlich kommt dies in den Formulierungen „bleiben in Besitz und Genuß", „bleiben unberührt", „bleiben gewährleistet" und in der endgültigen Fassung „werden gewährleistet" zum Ausdruck. Art. 138 Abs. 2 WRV ist somit eine Bestandsgarantie, die die rechtliche Sonderstellung der Kirchen im Hinblick auf ihr Vermögen umfassend schützt. Nicht nur das Eigentum, sondern auch die anderen Rechte werden gewährleistet. Zu den anderen Rechten gehört vor allem die öffentliche Sachherrschaft der Kirchen, da der öffentlich-rechtliche Sonderstatus der res sacrae von alters her durch den Staat anerkannt wurde. Für die Interpretation des Art. 138 Abs. 2 WRV als Bestandsgarantie spricht auch der Vergleich mit Art. 138 Abs. 1 WRV. Art. 138 Abs. 1 WRV gewährleistet die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften bis zu ihrer Ablösung. Während Art. 138 Abs. 2 WRV die gesamten Vermögensrechte und Vermögenswerte der Kirchen schützt, nimmt Absatz 1 davon einen bestimmten Teil, nämlich die Staatsleistungen, heraus 59. Die aufgrund historischer Verflechtung von Staat und Kirche entstandenen Verpflichtungen des Staates, vor allem die Dotationen, können nur durch eine Ablösung beseitigt und aufgehoben werden. Ablösung bedeutet Aufhebung des Leistungsgrundes gegen gleichwertige Entschädigung60. Art. 138 Abs. 1 WRV erfaßt nur diejenigen Staatsleistungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Reichs Verfassung am 14.8. 1919 bestanden61. Zu den Staatsleistungen zählen nur die dauernden, regelmäßig oder unregelmäßig wiederkehrenden finanziellen Zuwendungen, die auch in Form einer gesetzlichen Steuer- und Gebührenbefreiung erfolgen können. Der öffentlich-rechtliche Son56 Siehe dazu JöR, N. F. 1 (1951), S. 899 ff. 57 BVerfGE 19, 206 (219). 58 Zur Inkorporation von Normen Gerhard Hoffmann, FS Obermayer, S. 33 ff. 59 Zur Funktion des Art. 138 Abs. 1 WRV Isensee, HdbStKirchR II, S. 51 ff.; Axer, AfkKR 156 (1987), S. 464 ff. 60 Isensee, HdbStKirchR II, S. 72 ff. mit weiteren Nachweisen. 61 Vgl. dazu Axer, AfkKR 156 (1987), S. 478 f.
V. Konsequenzen für die res sacrae
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derstatus der res sacrae ist durch Art. 138 Abs. 1 WRV nicht geschützt, denn es handelt sich bei der Qualifikation der res sacrae um keine geldwerte Leistung 62 . Die Regelung über die Staatsleistungen in Absatz 1 stellt eine Bestandsgarantie für die finanziellen Verpflichtungen des Staates bis zur Ablösung dar. Es entspricht daher der Systematik des Art. 138 WRV, den Absatz 2 als Bestandsgarantie für das Eigentum und die anderen Rechte der Kirchen anzusehen. Während Absatz 1 den Bestand der finanziellen Leistungen des Staates an die Kirchen gewährleistet, schützt Absatz 2 das kirchliche Eigentum und den Bestand anderer kirchlicher Rechte und damit die rechtliche Sonderstellung der res sacrae. Ergebnis: Verfassungsrechtliche Grundlage für die Qualifizierung der res sacrae als öffentliche Sache ist Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV. Die Kirchengutsgarantie gewährleistet die rechtliche Sonderbehandlung des kirchlichen Eigentums und der anderen Rechte, wozu der öffentlich-rechtliche Sonderstatus der res sacrae zählt. Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV ist insoweit eine Bestandsgarantie für die rechtliche Sonderbehandlung der res sacrae.
V. Konsequenzen für die res sacrae Res sacrae haben heute einen verfassungsrechtlich gewährleisteten öffentlichrechtlichen Sonderstatus, soweit er ihnen gewohnheitsrechtlich zusteht. In den meisten Fällen werden daher nur die Sachen der öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaften einen Sonderstatus haben können, denn in der historischen Entwicklung erfuhren nur diese eine rechtliche Sonderbehandlung 63. Die res sacrae unterliegen also insoweit einem öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, so wie er sich historisch entwickelt und im Straßen- und Wegerecht seine gesetzliche Grundlage gefunden hat. Dies hat zur Folge, daß die res sacrae, so wie es § 6 Abs. 6 StrWG NW formuliert, „durch privatrechtliche Verfügungen oder durch Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Enteignung" nicht berührt werden und ihre Zweckbestimmung weiterhin bestehen bleibt. Dies setzt allerdings die zivilrechtliche Verfügungsmöglichkeit der Kirchen über die res sacrae voraus, es sei denn, daß der privatrechtliche Eigentümer der kirchlichen Zweckbestimmung mit ihren staatlichen Rechtsfolgen zugestimmt hat. Das Institut der res sacrae bietet keine Möglichkeit, bei fehlender Zustimmung das zivilrechtliche Eigentum eines Dritten zu verdrängen, diesen zu „enteignen". Liegt eine Zustimmung des Eigentümers vor, so überlagert die durch kirchliche Handlung getroffene Zweckbestimmung das privatrechtliche Eigentum. Diese Unempfindlichkeit der res sacrae gegenüber privatrechtlichen Verfügungen 62 Mainusch, ZevKR 36 (1991), S. 72. 63 Nach dem Staatskirchenrecht des Königreichs Bayern hatten auch anerkannte private Religionsgemeinschaften einen öffentlich- rechtlichen Status und konnten daher Träger der res sacrae sein. Vgl. Renck, BayVBl 1988, S. 601.
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E. Die Widmung bei den res sacrae
unterscheidet sie von Sachen des bürgerlichen Rechts. Daher bedeutet die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Sonderstatus einen besseren Schutz als eine rein zivilrechtliche Betrachtung. Deutlich macht dies die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts im Fall der Klage auf Räumung und Herausgabe der Sakristei der Kirche St. Peter in Augsburg durch den Eigentümer 64. Hier stand die kirchliche Zweckbestimmung und damit der öffentlich-rechtliche Sonderstatus dem Begehren des Klägers entgegen, so daß die Klage abgewiesen wurde. Der Einwand, der Kläger hätte sein Ziel mit einer vorherigen Klage auf Entwidmung erreichen können, hilft in diesem Fall nicht weiter, da der frühere Eigentümer der kirchlichen Handlung zugestimmt hatte und der neue Eigentümer dies wußte. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Entwidmung wäre somit abgewiesen worden und die zivilrechtliche Herausgabeklage hätte gleichfalls keinen Erfolg gehabt. Hätte die Sakristei aber keinen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus besessen, wäre die zivilrechtliche Herausgabeklage begründet gewesen. Der öffentlich-rechtliche Sonderstatus der res sacrae führt aber nicht dazu, daß sie den Straßen und Wegen gleich behandelt werden, vielmehr ist ihre Funktion für die Kirchen vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Systems von Staat und Kirche bei ihrer rechtlichen Beurteilung zur berücksichtigen. Die res sacrae nehmen aufgrund ihrer kirchlichen, durch Kirchenrecht bestimmten Funktion eine Sonderstellung ein 65 . Sie unterliegen deshalb nicht, gleich Straßen und Wegen, dem Recht der öffentlichen Sachen. Sie lassen sich in die herkömmliche Gliederung der öffentlichen Sachen nicht einordnen, da sie weder Sachen im Anstaltsgebrauch noch Sachen im Verwaltungsgebrauch sind 66 . Die Nutzung richtet sich allein nach Kirchenrecht. Das für staatliche öffentliche Sachen aufgestellte Nutzungssystem läßt sich nicht übertragen.
VI. Zusammenfassung Die res sacrae unterliegen einem öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, der gewohnheitsrechtlich anerkannt ist und in diesem Umfang durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV verfassungsrechtlich gewährleistet ist. Den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus erlangen sie nicht durch eine Widmung nach staatlichem Recht, sondern durch kirchliche Zweckbestimmung, an die der Staat die Rechtsfolgen der Widmung im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus anknüpft. Für die Nutzung der res sacrae hat die staatliche Anerkennung einer Sonderstellung keine Konsequenzen, denn die Zulässigkeit der Nutzung
64 BayObLGZ 17, 93 ff. 65 Forsthoff; AöR 31 (1939/40), S. 220; Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II, S. 55 bezeichnet sie als eine „ganz eigenartige Gruppe von öffentlichen Sachen". 66 Eine Zuordnung der res sacrae nehmen allerdings Pappermann / Lohr / Andriske, S. 11 und Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 33 vor.
VI. Zusammenfassung
217
richtet sich allein nach Kirchenrecht. Recht der öffentlichen Sachen ist also auf die res sacrae nur soweit anwendbar, als es die öffentliche Sachherrschaft betrifft. Hinsichtlich des Kreationsaktes und der Nutzung der res sacrae bestehen Unterschiede zum Recht der öffentlichen Sachen. Die Bezeichnung der res sacrae als öffentliche Sachen ist somit irreführend. Die Prinzipien des Rechts der öffentlichen Sachen sind auf die res sacrae nur anwendbar, soweit sie das Verhältnis von öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft und zivilrechtlichem Eigentum betreffen. Ansonsten bestehen zwischen den Straßen und den res sacrae keine Gemeinsamkeiten, die es rechtfertigen würden, sie gemeinsam in einem Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Sachen" zusammenzufassen.
F. Abschied vom Recht der öffentlichen Sachen Die Untersuchung der Funktion und des Inhalts der Widmung bei einzelnen, nach allgemeiner Ansicht zu den öffentlichen Sachen zählenden Gegenständen hat gezeigt, daß die Widmung keine allen Sachen gemeinsamen Rechtsfolgen begründet. Die Widmung hat keine einheitliche rechtliche Behandlung der jeweiligen Sachen zur Folge; vielmehr unterliegen sie unterschiedlichen rechtlichen Regelungen und Prinzipien. Das von der Wissenschaft konzipierte Recht der öffentlichen Sachen stimmt mit der Realität der rechtlichen Behandlung einzelner Sachen durch den Gesetzgeber nicht überein. Die Funktionen, die das Recht der öffentlichen Sachen haben soll, hat es zwar bei den Straßen und Wegen, aber längst nicht bei allen anderen zu den öffentlichen Sachen gezählten Gegenständen.
I. Die Schutzfunktion Sinn und Zweck des von der Rechtswissenschaft geschaffenen Rechts der öffentlichen Sachen liegt vor allem darin, Sachen, die für die Allgemeinheit von zentraler Bedeutung sind, gegen Zweckentfremdung, etwa durch Veräußerung, zu schützen. Daher bleibt die Sache nach der Theorie des modifizierten Privateigentums weiterhin zwar privatrechtsfähig, soweit es der Widmungszweck aber erfordert, unterliegt sie einer durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft. Der Gesetzgeber hat diese Funktion der Widmung nicht für alle zu den öffentlichen Sachen gerechneten Gegenständen normiert. Eine durch Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft findet sich nur bei den Straßen und Wegen sowie den Gewässern1. Schon bei letzteren fehlt es allerdings an einer ausdrücklichen Normierung und die konstruktive Herleitung bereitet deshalb schon größere Schwierigkeiten als bei den Straßen und Wegen. Die Widmung erfolgt bei den Gewässern in der Mehrzahl der Fälle unmittelbar durch Gesetz, teilweise durch Rechtsverordnung 2. So erhält beispielsweise ein Gewässer die 1 Zu den Gewässern als öffentliche Sache Salzwedel, ZfW 1962, S. 73 ff.; Friesecke, Einl., Rn. 14 ff.; Breuer, Wasserrecht, Rn. 65 ff.; Petersen, Rn. 375 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 113 ff. 2 Nach Art. 2 Nr. 2 BayWaG erlangen Gewässer II. Ordnung den Status öffentlicher Sachen durch Aufnahme in ein von der obersten Wasserbehörde durch Rechtsverordnung aufgestelltes Verzeichnis.
I. Die Schutzfunktion
219
Widmung als Bundeswasserstraße durch § 1 Abs. 1 WaStrG 3 . Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG gelten die in der Anlage zum Bundeswasserstraßengesetz aufgeführten Gewässer als Bundeswasserstraßen und dienen damit dem allgemeinen Verkehr. Dies gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 WaStrG auch für die in Absatz 2 definierten Seewasserstraßen. Die gesetzliche Widmung überlagert das zivilrechtliche Eigentum und hindert insoweit den Eigentümer an der Ausübung seiner aus dem Privateigentum resultierenden Befugnisse. Nach § la Abs. 3 WHG berechtigt das Grundeigentum nicht zu einer Gewässerbenutzung, die einer Erlaubnis oder Bewilligung nach dem Wasserhaushaltsgesetz oder den Landeswassergesetzen bedarf. Gemäß § 13 LWG NW haben der Gewässereigentümer und der Nutzungsberechtigte die Gewässerbenutzung als solche unentgeltlich zu dulden, soweit eine Erlaubnis oder Bewilligung erteilt ist oder eine erlaubnisfreie Benutzung ausgeübt wird. Die Pflicht zur Duldung nach § 13 LWG NW besteht aber nicht für Gewässerbenutzung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 WHG und für die erlaubnispflichtige Benutzung von künstlichen Gewässern und Talsperren. Eine öffentliche Sachherrschaft ist damit im Wasserrecht zwar nicht ausdrücklich normiert, jedoch lassen die gesetzlichen Regelungen erkennen, daß der Gesetzgeber von der Existenz einer die privaten Befugnisse verdrängenden öffentlichen Sachherrschaft ausgeht. Nicht der private Eigentümer entscheidet über die Nutzung der Gewässer, sondern die zuständige Wasserbehörde 4. Während bei den Gewässern wie bei den Straßen und Wegen eine das Privateigentum verdrängende öffentliche Sachherrschaft existiert, fehlt diese bei den öffentlichen Einrichtungen und den Sachen im Verwaltungsgebrauch. Der Gesetzgeber hat eine solche Folge der Widmung nicht normiert, was aber erforderlich wäre, um eine Verletzung des Art. 14 GG und des Vorbehalts des Gesetzes zu verhindern. Der Gesetzgeber hat eine durch Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft aber nicht nur nicht normiert, sondern im Gegenteil: Er hat andere Regelungen getroffen, die dem Schutz der sächlichen Verwaltungsmittel dienen. Nach § 77 Abs. 1 GO NW darf die Gemeinde Vermögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit nicht braucht, veräußern, wobei die Veräußerung in der Regel nur zu ihrem vollen Wert erfolgen darf. Entsprechendes gilt nach Abs. 2 für die Überlassung der Nutzung eines Gegenstandes. Die Gemeinde kann also nur einen Vermögensgegenstand veräußern oder zur Nutzung überlassen, wenn er zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr notwendig ist und
3 In der Literatur wird oftmals § 5 WaStrG als Widmungsvorschrift genannt, so etwa Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 36; Peine, in: Achterberg / Püttner, Rn. 827; Friesecke, Einl., Rn. 14; Lagoni, in: Hoffmann-Riem / Koch, S. 622. — § 5 WaStrG regelt aber nur das Befahren der Gewässer mit Wasserfahrzeugen, er normiert damit nur eine Folge der Widmung, so richtig Petersen, Rn. 336; Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, S. 1028. 4 In Nordrhein-Westfalen ergibt sich die Zuständigkeit aus § 30 LWG.
220
F. Abschied vo
Recht der öffentlichen Sachen
sie den vollen Wert erzielen kann. Sowohl die Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung als auch die Erzielung des vollen Wertes unterliegen der Kontrolle der Aufsichtsbehörde 5. Darüber hinaus benötigt die Gemeinde gemäß § 77 Abs. 3 GO NW eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde, wenn sie Vermögensgegenstände unentgeltlich veräußert, Grundstück oder grundstücksgleiche Rechte kauft oder tauscht oder über Sachen, die einen besonderen wissenschaftlichen, geschichtlichen oder künstlerischen Wert haben, verfügt oder solche Sachen wesentlich verändert 6. Das Fehlen der notwendigen Genehmigung führt nach § 104 Abs. 1 GO NW zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts 7. Ähnliche Regelungen, die dem Schutz der sächlichen Verwaltungsgegenstände dienen, finden sich in den §§ 63,64 der Bundeshaushaltsordnung und den entsprechenden Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen (§§ 63,64 LHO NW). Nach § 63 Abs. 2 BHO ist eine Veräußerung bundeseigener Gegenstände nur zulässig, wenn sie zur Erfüllung von Bundesaufgaben in absehbarer Zeit nicht benötigt werden, für Grundstücke bedarf es zusätzlich noch nach § 64 Abs. 1 BHO der Einwilligung des Bundesfinanzministers und des für das Bundesvermögen zuständigen Bundesministers bzw. nach Absatz 2 in besonderen Fällen der Einwilligung des Bundestages und des Bundesrates8. Die Vorschriften der Gemeindeordnungen, der Landeshaushaltsordnungen und der Bundeshaushaltsordnung bezwecken zwar nicht ausschließlich und spezifisch den Schutz öffentlicher Sachen, da sie auch das Finanzvermögen erfassen 9. Die Vorschriften dienen der Erhaltung des gesamten staatlichen Vermögens und der Wirtschaftlichkeit staatlicher Vermögensverwaltung. Der Staat ist öffentlichrechtlich gebunden, und die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Verfügung über Vermögensgegenstände wird durch Aufgabenakzessorietät eingeschränkt. Die Verfügung über Staatsvermögen ist durch das Erfordernis der Entbehrlichkeit für die Aufgabenerfüllung beschränkt, was auch die zu den öffentlichen Sachen gezählten Gegenstände schützt. Dieser Schutz besteht aber nur hinsichtlich Sachen, an denen Eigentum oder sonstige privatrechtliche dingliche Rechte bestehen, nicht hingegen bei anderen Sachen, die im Eigentum Dritter stehen und an denen der Staat keine dinglichen Rechte besitzt. In diesen Fällen genießt der Staat nur den Schutz des Privatrechts, etwa den Schutz eines Mieters oder Pächters. 5 Vgl. dazu ausführlich mit weiteren Nachweisen Weiß, S. 99 ff. 6 Vgl. dazu die auf Grund § 77 Abs. 4 GO NW ergangene Verordnung über die Genehmigungsfreiheit von Rechtsgeschäften der Gemeinde vom 23. 4. 1974. 7 Zum Genehmigungsvorbehalt Weiß, S. 111 ff. s Dazu Piduch, § 64 Anm. 4 ff. 9 Meist wird in der Literatur die Bedeutung dieser Vorschriften nur für das Finanzvermögen betont, weil man von einem Schutz des Verwaltungsvermögens durch das Recht der öffentlichen Sachen ausgeht. Vgl. etwa Friauf, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 90 Rn. 44 ff. — Eine Beschränkung auf das Finanzvermögen läßt sich jedoch aus den Vorschriften nicht herleiten, bundeseigene Vermögensgegenstände sind solche des Finanz- wie auch des VerwaltungsVermögens.
I. Die Schutzfunktion
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Mag man das Ergebnis auch für unbillig halten, so kann es nicht durch die Konstruktion einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft vermieden werden. Bei einer näheren Untersuchung stellt man darüber hinaus auch fest, daß die Wissenschaft selbst nicht immer einen besonderen Schutz für alle öffentlichen Sachen verlangt. Nach § 304 Abs. 1 StGB wird derjenige, der Gegenstände, welche dem öffentlichen Nutzen dienen, beschädigt oder zerstört, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Wortlaut würde es ermöglichen, alle gewidmeten Sachen unter den Schutz des § 304 Abs. 1 StGB zu stellen 10 . Statt dessen differenziert aber die heutige Wissenschaft und Praxis. Geschützt seien nur die Sachen, die durch ihren Gebrauch oder in anderer Weise der Allgemeinheit unmittelbar nützen und dafür auch bestimmt seien. Dazu zählen aber nicht Gegenstände, die nur innerbehördlichen Zwecken dienen, etwa der Schreibtisch im Dienstzimmer eines Gemeindebeamten11. So entschied etwa der Bundesgerichtshof 12, daß die Beschädigung eines Polizeistreifenwagens keine gemeinschädliche Sachbeschädigung nach § 304 StGB sei, da das Fahrzeug nicht zum öffentlichen Nutzen diene. Sachen im Verwaltungsgebrauch werden also nicht in vollem Umfang dem Schutz des § 304 StGB unterstellt. Ein umfassender Schutz öffentlicher Sachen wird nicht als notwendig angesehen. An dieser Stelle könnte man einwenden, daß es sich insoweit nur um ein strafrechtliches Problem handele, hingegen im öffentlichen Recht von einer umfassenden öffentlich-rechtlichen Behandlung aller öffentlichen Sachen, von einem öffentlich-rechtlichen Schutz der gewidmeten Sachen ausgegangen werde. Aber dies ist nicht richtig, wie ein Blick in das öffentliche Nachbarrecht zeigt. Die überwiegende Ansicht beurteilt Störungen durch öffentliche Sachen nicht ausschließlich nach öffentlichem Recht 13 . Vielmehr wird die Störung des Nachbarn bei widmungsgemäßer Betätigung der Sache privatrechtlich qualifiziert, wenn io In diese Richtung tendierte die alte Rechtsprechung: RGSt 5, 318 ff.; 9, 26 ff. h Vgl. etwa Dreher / Tröndle, §304 Rn. 11; Stree, in: Schönke / Schröder, §304 Rn. 5; Lackner, § 304 Rn. 3; Samson, in: Systematischer Kommentar, § 304 Rn. 7; Wolff ', in: Leipziger Kommentar, § 304 Rn. 9. ι 2 BGHSt 31, 185 ff. — Der Bundesgerichtshof weist in der Entscheidung darauf hin, daß die Beschädigung des Streifenwagens eventuell nach § 316 b StGB strafbar sein könnte. § 316 b StGB, der die Störung öffentlicher Betriebe unter Strafe stellt, hat strengere Voraussetzungen als § 304 StGB. Inzwischen hat der Gesetzgeber die Zerstörung eines Kraftfahrzeuges der Polizei in § 305 a Abs. 1 Nr. 2 StGB besonders geregelt. 13 Pappermann I Lohr I Andriske, S. 171; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 132 ff.; Müller-Y olbehr, NVwZ 1991, S. 145; Uta Schmitz, NVwZ 1991, S. 1127; unklar Steinberg, I, Rn. 4: „Schwierigkeiten treten dort auf, wo der Staat nach h. A. ein Wahlrecht bezüglich der Organisationsform für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben besitzt. Sobald diese in Form des privaten Gesellschaftsrechts wahrgenommen werden (ζ. B. Verein, GmbH, AG) sind Nachbarrechtskonflikte grundsätzlich privatrechtlich zu beurteilen." Dagegen heißt es in II, Rn. 6: „Die Widmung entzieht die öffentliche Sache dem privaten Nachbarrecht und weist sie dem öffentlichen Nachbarrecht zu." — Da auch bei öffentlichen Einrichtungen in Privatrechtsform eine Widmung vorliegt, widersprechen sich beide Äußerungen. — Ablehnend gegenüber dieser Ansicht Peine, JuS 1987, S. 177 f.
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F. Abschied vorii Recht der öffentlichen Sachen
die Nutzung privatrechtlich erfolgt. Mit einem durch die Widmung begründeten öffentlich-rechtlichen Sonderstatus, der eine öffentllich-rechtliche Beurteilung der Sache im Umfang der Widmung zur Folge hat, läßt sich dies nicht vereinbaren. Deutlich wird, daß man zwar auf der einen Seite einen besonderen öffentlichrechtlichen Schutz fordert, auf der anderen Seite aber dies nicht konsequent durchführt, vielmehr in bestimmten Bereichen den Schutz des privatrechtlichen Nachbarrechts für ausreichend hält. Der Schutz öffentlicher Sachen erfolgt nicht bei allen Gegenständen, die zu den öffentlichen Sachen gerechnet werden, durch eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft. Der Gesetzgeber hat die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft als Folge der Widmung, wie sie das Recht der öffentlichen Sachen vorsieht, nicht für alle Sachen normiert.
I I . Die Verteilungsfunktion Nicht nur der Schutz, auch die Regelung der Nutzung öffentlicher Sachen, beruht nicht auf einheitlichen Prinzipien. Die Nutzung der zu den öffentlichen Sachen gezählten Gegenstände erfolgt unterschiedlich, so daß die Art und Weise der Nutzung nicht als verbindendes Element der Sachen in einem Recht der öffentlichen Sachen angesehen werden kann. Selbst die Straßen und Wege einerseits und Gewässer andererseits sind von der rechtlichen Ausgestaltung der Nutzung schon so verschieden, daß es schwer ist, gemeinsame Prinzipien zu entdecken. Im Wasserrecht beruht nämlich die Nutzung, von unbedeutenden Benutzungen abgesehen14, auf der Erlaubnis und Bewilligung 15 . Der Widmung als Instrument der Nutzungsregelung kommt im Wasserrecht keine große Bedeutung mehr zu. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, daß das Wasserrecht gerade im Hinblick auf die Gewässernutzung in jüngerer Zeit nicht mehr dem Recht der öffentlichen Sachen, sondern dem Umweltrecht zugeordnet wird 1 6 . Breuer 17 stellt für das Wasserhaushaltsgesetz fest: „War das Wasserhaushaltsgesetz ursprünglich noch von dem Systemgedanken des öffentlichen Sachenrechts beherrscht, so wurde es durch die nachfolgenden Novellen mehr und mehr zu einer Teilregelung des Umweltrechts umgestaltet." 14 Die aufgrund der Widmung ohne Erlaubnis oder Bewilligung zulässige Gewässerbenutzung beschränkt sich auf periphere Nutzungen, beispielsweise das Baden, Waschen, Viehtränken und Schöpfen mit Handgefäßen (§ 23 Abs. 1 WHG i. V. m. § 33 LWG NW). Nach § 33 Abs. 1 LWG NW zählt das Befahren mit Booten zum Gemeingebrauch auch nur soweit, als es sich um kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft handelt. 15 Vgl. zur Nutzung der Gewässer Breuer, Wasserrecht, Rn. 86 ff.; ders., in: v. Münch / Schmidt-Aßmann, Rn. 130 ff.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 115 ff.; Kloepfer / Brandner, NVwZ 1988, S. 117 ff. speziell zum Wassersport. 16 Beispielhaft sei das Lehrbuch von v. Münch I Schmidt-Aßmann genannt. In der achten Auflage wurde das Wasserrecht nach dem Straßenrecht behandelt; in der neunten Auflage ist es Teil der Darstellung des Umweltrechts. π NuR 1987, S. 49.
III. Konsequenzen für das „Recht der öffentlichen Sachen"
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Der Versuch, das Recht der öffentlichen Sachen durch die Nutzungsrechte zu definieren, bedeutet darüber hinaus bereits den Abschied vom traditionellen Recht der öffentlichen Sachen. Statt „Recht der öffentlichen Sachen" wird ein neues Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Nutzungen" kreiert. Ein solches Rechtsgebiet erfaßt auf der einen Seite nicht den traditionellen Bestand öffentlicher Sachen 18 , auf der anderen Seite muß es Rechtsgebiete einbeziehen, die nicht zum traditionellen Bestand öffentlicher Sachen gehören, denn öffentliche Nutzungsrechte sind nicht alleinige Kennzeichen öffentlicher Sachen19. Die Nutzung „öffentlicher Sachen" ist so unterschiedlich ausgestaltet, daß einheitliche Strukturen und Prinzipien nicht erkennbar sind. Schon die traditionelle Gruppierung öffentlicher Sachen nach solchen im Gemeingebrauch, Sondergebrauch, Anstaltsgebrauch und Verwaltungsgebrauch 20 veranschaulicht, daß die Nutzung zu verschieden ist, als daß sie das verbindende Element in einem Rechtsgebiet sein könnte.
I I I . Konsequenzen für das Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Sachen" Wann ein Rechtsgebiet vorliegt, ist keine gesetzlich zu beantwortende Frage, sondern die Frage ergibt sich erst aus der wissenschaftlichen Zweckmäßigkeit 21 . Wissenschaftlicher Zweck einer Rechtssystematisierung ist es vor allem, Grundstrukturen und Grundgedanken in verschiedenen Rechtsvorschriften zu verdeutlichen und so zu einer Weiterentwicklung und einer harmonischen Rechtsentwicklung beizutragen 22. Übergeordnete Sachzusammenhänge und Sachstrukturen prägen ein Rechtsgebiet, geben ihm die erforderliche Identität. Ein eigenständiges Rechtsgebiet beruht auf einer einheitlichen Systemidee, die sich aus übergreifenden Grundsätzen konstituieren läßt. 18 Merli , Die Verwaltung 22 (1989), S. 466 f. rechnet die privatrechtlich genutzten Sachen im Anstaltsgebrauch und die Sachen im Verwaltungsgebrauch insgesamt nicht mehr zu den öffentlichen Sachen. 19 So heißt es dann etwa auch bei Merli , Die Verwaltung 22 (1989), S.469: „Ein Modell der Verteilung von Nutzungsrechten ist auch über den Kreis der traditionellen öffentlichen Sachen hinaus verallgemeinerungsfähig." Das öffentliche Nutzungsrecht könne beispielsweise ein geeigneter Ansatz für die Erfassung der Nutzung von Funkfrequenzen sein.—Funkfrequenzen gehören aber nicht zum klassischen Bereich öffentlicher Sachen. 20 Oben Α. I. 21 Vgl. zu der Problematik der Bestimmung des Umfangs eines Rechtsgebietes und der Funktion einer Rechtssystematisierung die Diskussion um die Rechtsgebiete „Wirtschaftsrecht" und „Umweltrecht". Dazu etwa Brohm, DÖV 1979, S. 18 ff.; Reiner Schmidt, S. 37 ff.; Kloepfer, § 1 Rn. 42 ff.; ders., Systematisierung des Umweltrechts, S. 68 ff.; Kloepfer / Rehbinder / Schmidt-Aßmann / Kunig, S. 2 ff. — Allgemein zum Systemgedanken im Verwaltungsrecht Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 7 ff. 22 Kloepfer, § 1 Rn. 43.
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F. Abschied vo
Recht der öffentlichen Sachen
Das Recht der öffentlichen Sachen enthält keine für alle Sachen geltenden gemeinsamen Grundsätze. Die Straße, eine kommunale öffentliche Einrichtung, ein Behördenfahrzeug oder eine Monstranz unterliegen nicht denselben rechtlichen Regelungen, wie die Untersuchung der Widmung gezeigt hat. Die Widmung, die ihnen allen gemeinsam ist, und die das identitätstiftende Merkmal des wissenschaftlich konzipierten Rechts der öffentlichen Sachen ist, hat bei allen Sachen jeweils eine unterschiedliche Funktion. Das Recht der öffentlichen Sachen umfaßt somit ein Sammelsurium von Gegenständen, denen keine einheitliche, sie miteinander verbindende Regelungen zugrunde liegen. Ein Recht der öffentlichen Sachen als Rechtsgebiet gibt es nicht.
G. Thesen 1. Ein Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Sachen" gibt es nicht. Die zu den öffentlichen Sachen gezählten Gegenstände unterliegen keinen für sie alle geltenden gemeinsamen rechtlichen Prinzipien und Regelungen, die es rechtfertigen würden, von einem Recht der öffentlichen Sachen zu sprechen. 2. Das wissenschaftlich entwickelte und als solches nicht kodifizierte Recht der öffentlichen Sachen erfaßt ein weites Spektrum höchst unterschiedlicher Sachen, die nur der Begriff „Widmung" miteinander verbindet. 3. Der Begriff „Widmung" hat bei den einzelnen Gegenständen keine gemeinsame Funktion; die Widmung löst nicht dieselben Rechtsfolgen aus. Demgegenüber nimmt man allgemein an, daß die Widmung eine allen öffentlichen Sachen gemeinsame Bedeutung hat und sie so zum identitätstiftenden Merkmal eines Rechtsgebietes „Recht der öffentlichen Sache" wird. Als Kreationsakt aller öffentlichen Sachen begründe sie eine öffentliche Sachherrschaft in Form einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit, die das privatrechtliche Eigentum an der Sache überlagere und insoweit den Eigentümer an der Ausübung seiner ihm nach § 903 BGB zustehenden Befugnisse hindere. Darüber hinaus erweise sich die Widmung als Instrument der Nutzungsregelung, indem sie den Zweck festlege, dem die Sache dienen soll. Die Widmung schütze die Sache vor Verwendungsmißbrauch und zweckwidriger Nutzung. 4. Diese Funktionen besitzt die Widmung bei den Straßen und Wegen. Im Straßen- und Wegerecht findet sich auch die einzige gesetzliche Normierung der Widmung als Kreationsakt der öffentlichen Sache. Eine öffentliche Straße entsteht durch Widmung, die meist in Form eines Verwaltungsakts gemäß § 35 S. 2 VwVfG erfolgt. Die Bezeichnung als dinglicher Verwaltungsakt hat dabei keine rechtliche Konsequenzen für die Widmung. Die Diskussion um die „Dinglichkeit" der Widmung führte statt dessen zu einer mangelnden Auseinandersetzung mit anderen Problemen des Kreationsaktes der öffentlichen Straße. 5. Durch die straßenrechtliche Widmung entsteht eine öffentliche Sachherrschaft des Straßenbaulastträgers. Zwar ist die öffentliche Sachherrschaft nicht ausdrücklich in den Straßen- und Wegegesetzen normiert, jedoch zeigen die einzelnen Vorschriften, besonders § 6 Abs. 6 StrWG NW, daß der Gesetzgeber von der Existenz einer öffentlichen Sachherrschaft ausgeht. Diese besteht 15 Axer
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G. Thesen
aber nicht in Form einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit, sondern der öffentliche Sachherr hat, soweit es die Aufrechterhaltung des Widmungszwecks erfordert, die Rechte und Pflichten eines Eigentümers. Die Vorschriften über das Eigentum im Bürgerlichen Gesetzbuch sind deshalb auch analog anzuwenden, wenn spezialgesetzliche Regelungen fehlen. 6. Die straßenrechtliche Widmung legt fest, wer und in welchem Umfang die Straße zum Verkehr, d. h. zur Fortbewegung und Ortsveränderung, benutzen darf. Als Akt rechtsschöpferischer Selbstbindung und Selbstverpflichtung folgt damit bereits aus der Widmung der Anspruch des Einzelnen auf Benutzung der Straße, ohne daß es einer gesetzlichen Normierung bedarf. 7. Während im Straßenrecht die Widmung die Funktionen hat, die sie nach allgemeiner Ansicht kennzeichnen, begründet sie bei den öffentlichen Einrichtungen, die nach überwiegender Meinung zu den öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch gehören, keine öffentliche Sachherrschaft. Mangels gesetzlicher Regelung ist die Annahme einer öffentlichen Sachherrschaft aufgrund einer Widmung verfassungswidrig. Sie verletzt Art. 14 GG und den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. 8. Bei den öffentlichen Einrichtungen ist die Widmung nur ein Instrument der Nutzungsregelung. Die Widmung als Akt der Selbstbindung und Selbstverpflichtung begründet für den Einzelnen bereits den Anspruch auf Benutzung der öffentlichen Einrichtung; § 18 Abs. 2 GO NW bedarf es dafür nicht. 9. Bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch begründet die Widmung weder eine öffentliche Sachherrschaft noch erweist sie sich als Instrument der Nutzungsregelung. Die Annahme einer öffentlichen Sachherrschaft verstößt gegen Art. 14 GG und den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes. Auf die Benutzung der Sachen im Verwaltungsgebrauch hat weder der Bürger noch der Amtswalter einen Anspruch aus der Widmung. Die Funktion der Widmung beschränkt sich vielmehr darauf, als Anknüpfungspunkt für die Zuordnung der Sachen zu einem bestimmten Verwaltungsträger zu dienen. 10. Die res sacrae haben einen verfassungsrechtlich durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV gewährleisteten öffentlich-rechtlichen Sonderstatus. Den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus erlangen sie nicht durch eine Widmung nach staatlichem Recht, sondern durch kirchliche Zweckbestimmung, an die staatlicherseits die Rechtsfolgen einer Widmung im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Sonderstatus angeknüpft werden. Für die Nutzung der res sacrae hat die staatliche Anerkennung einer Sonderstellung keine Konsequenzen, denn die Nutzung richtet sich ausschließlich nach Kirchenrecht. 11. Die Bedeutung, die die Widmung nach allgemeiner Ansicht haben soll, besitzt sie nur bei den Straßen und Wegen sowie bei den Gewässern, bei
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denen allerdings die Tendenz in der Wissenschaft dahin geht, sie nicht mehr dem Recht der öffentlichen Sachen, sondern dem Umweltrecht zuzuordnen. Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen führt zu dem Ergebnis, daß es ein einheitliches Rechtsgebiet „Recht der öffentlichen Sachen" nicht gibt.
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