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German Pages 536 Year 2013
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 316
Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung Rechtliche Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung der prägenden Wahlgrundsätze und des Verhältnisses zu den anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen
Von
Till Sachadae
Duncker & Humblot · Berlin
TILL SACHADAE
Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn
Band 316
Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung Rechtliche Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung der prägenden Wahlgrundsätze und des Verhältnisses zu den anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen
Von
Till Sachadae
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft – Arbeitskreis Wirtschaft und Recht
Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-13916-3 (Print) ISBN 978-3-428-53916-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83916-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristenfakultät der Universität Leipzig im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen und mit dem Förderpreis der Dr. Feldbausch-Stiftung ausgezeichnet. Die Drucklegung wurde aus dem Programm „Arbeitskreis Wirtschaft und Recht“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft gefördert. Die Arbeit wurde dabei an den aktuellen Stand von Rechtsprechung und Literatur angepasst. Ganz herzlich bedanke ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Burkhard Boemke, dessen Tür für mich stets offen stand und der mich immer wieder in spannende Projekte einbezogen, mir aber gleichzeitig auch den nötigen Raum gegeben hat, um die Dissertation weiter voranzubringen. Herrn Prof. Dr. Cord Meyer danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Wolfhard Kohte, der mein Interesse für das Themenfeld der Schwerbehindertenvertretung überhaupt erst geweckt und mir den Einstieg in wissenschaftliches Arbeiten ermöglicht hat. Danken möchte ich weiterhin meinen Kollegen vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht der Universität Leipzig. Ganz besonderer Dank gilt dabei Herrn wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici, der mir – in einer keineswegs selbstverständlichen Weise – ein stets interessierter und geduldiger Ansprechpartner war und in vielen fruchtbaren Diskussionen immer wieder auch neue Anregungen lieferte. Danken möchte ich an dieser Stelle auch Herrn RA Andreas Franke, Herrn RiArbG René Schoob und Frau wiss. Mit. Anja Purrmann, die durch ihre großzügige Hilfs- und Diskussionsbereitschaft ebenfalls zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Ganz besonderer Dank gilt auch Frau Yvonne Apitz, die das Manuskript mit unermüdlichem Eifer auf seine orthographischen Schwächen hin korrekturgelesen hat. Herzlicher Dank gilt auch dem Vergabeausschuss des „Arbeitskreises Wirtschaft und Recht“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft für die großzügige Förderung sowie der Feldbausch-Stiftung für die Verleihung des Preises. Ebenfalls danken möchte ich in diesem Zusammenhang den Herausgebern der „Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht“ für die Aufnahme meiner Arbeit in das Programm. Der größte Dank gilt schließlich meiner Familie – vor allem meiner Frau Runa – die mir durch fortwährenden Zuspruch die nötige Kraft gegeben und mir unter zahlreichen Entbehrungen den Rücken freigehalten hat. Leipzig, im Februar 2013
Till Sachadae
Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einleitung § 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37
Kapitel 2 Allgemeine Grundlagen
50
§ 2 Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
§ 3 Wahlvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
§ 4 Wahlberechtigung und Wählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 § 5 Differenzierung nach Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Kapitel 3 Anstoß der Wahl
304
§ 6 Wahlinitiierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 § 7 Wahlbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Kapitel 4 Phasen der Wahl
398
§ 8 Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 § 9 Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 § 10 Nachbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Kapitel 5 Zusammenfassung
485
§ 11 Schlussfolgerungen und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung § 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung in die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sonderstellung der schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben . . . . 2. Die Schwerbehindertenvertretung in der betrieblichen Praxis . . . . . . . . a) Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellung im Geflecht der betrieblichen Interessenvertretungen . . . . . 3. Wahl der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung der Wahlvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus der Normentwicklung folgende Kodifizierungsdefizite . . . . . . . aa) Einfluss fortwährender Novellierungen anderer Interessenvertretungswahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handwerkliche Defizite bei der Normerstellung . . . . . . . . . . . . . c) Rechtswissenschaftliche Aufarbeitung der Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufarbeitung in wissenschaftlichen Monographien . . . . . . . . . . bb) Aufarbeitung in der Kommentar- und Aufsatzliteratur . . . . . . . . cc) Aufarbeitung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ziel der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fundierte Untersuchung der zentralen Problembereiche . . . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehung der Bedeutung der Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung des Kontextes der Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Themenabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 37 37 38 38 39 41 42 43 43 44 44 44 45 45 46 46 47 47 47 48 48 49
Kapitel 2 Allgemeine Grundlagen § 2 Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung der Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 50 50
12
Inhaltsverzeichnis II. Ausdrücklich normierte allgemeine Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der geheimen Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätze der Mehrheitswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sonderstellung im Hinblick auf das durchzuführende Wahlsystem . b) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . III. Mittelbar geltende allgemeine Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Freiheit der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der Gleichheit der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkung auf das Verbot der Erschwerung . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzung zu Beschränkungen der Wahlberechtigung . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . 4. Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . IV. Spezifische Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der obligatorischen Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der Simplizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . aa) Einfluss des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung . . . . . bb) Bedeutung des Repräsentations- und Legitimationsgedankens . .
51 51 51 52 53 53 54 55 55 56 56 57 57 58 59 60 60 60 62 63 63 63 64 65 65 66 67 67 68 68 69 69 70 70 72 72 73 73 73 74
Inhaltsverzeichnis
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c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsatz der Selbstorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundsatz der Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhaltliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnismäßigkeit der Kompensationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . aa) Repräsentation und Legitimation als Leitgedanke der Wahl . . . bb) Legitimationsdefizite bei bewusster Nichtausübung des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Legitimationsdefizite bei heteronom bedingter Nichtausübung des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Besonderheiten des zu repräsentierenden Personenkreises . . . . . (1) Korrelation zwischen Wahlrecht und Wahlausübungshemmnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Folge für das Wahlergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Wahlvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines zu den Wahlvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betrieb als Bezugspunkt des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition des Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelung des SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsbegriff des BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Maßgebliche Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gemeinschaftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkung von Betriebsfiktionen des BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsteile als selbstständige Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen der Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausstrahlung auf das SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgen der Ausstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bedeutung des Optionsrechts des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG . . . (1) Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . (b) Systematische Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84 84 85 85 85 85 86 86 87 87 87 88 88 88 89 90 90 90 91
80 81 82 82 82 83 83
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Inhaltsverzeichnis (c) Historisch-teleologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . (d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wirkung auf die Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . b) Abweichende Organisationsstruktur nach § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen der Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spezifische Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung . . . . (1) Zwingender Charakter der Organisationsvorschriften . . . . . (2) Kein Eingreifen einer Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausstrahlung auf das SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßgeblichkeit des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Widerspruch zu § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX . . . . . . . . dd) Folgen der Ausstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfall: Zusammenfassung von Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen der Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Räumliche Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sinn und Zweck des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedeutungslosigkeit von Gemeinde- oder Landesgrenzen . . . . . cc) Maßgeblichkeit der Verkehrsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Heranziehbarkeit von zu anderen Vorschriften entwickelten Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zu § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX entwickelte Grundsätze . . (2) Zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG entwickelte Grundsätze b) Unterschreitung des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schwellenwertsunterschreitung in sämtlichen Betrieben . . . . . . bb) Mindestzahlerfüllung in maximal einem Betrieb . . . . . . . . . . . . (1) Klarheit des Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sinn und Zweck der Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Ausschluss durch § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 SGB IX . . cc) Mindestzahlerfüllung in mehreren Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ambivalenz des Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teleologische und systematische Gesichtspunkte . . . . . . . . . (a) Systematik der Interessenvertretungsstruktur . . . . . . . . (b) Keine indirekte Dispositivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Benehmen des Integrationsamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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aa) Keine Pflicht zur Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wortlaut von § 94 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX . . . . . . . . . . (2) Systematische Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bedeutung der Benehmensherstellung . . . . . . . . . . . . . . (b) Grundsatz der obligatorischen Vertretung . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Form der Entscheidung und Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zeitpunkt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkung der Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mindestzahl von im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen . . 1. Kontext zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen . . . . . . . 2. Schwerbehinderter Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schweregrad der Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Maßgeblichkeit des tatsächlichen Vorliegens . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen der Gleichstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Berücksichtigung der Gleichgestellten bei § 94 Abs. 1 SGB IX 3. Im Betrieb beschäftigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Erfolgsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abhängigkeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschäftigungsbegriff des Sozialversicherungsrechts . . . . . . . . . (1) Definition des § 7 SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verhältnis zum Arbeitnehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anwendbarkeit der Definition auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Formelle Gesichtspunkte der Anwendbarkeit . . . . . . . . . (b) Materielle Gesichtspunkte der Anwendbarkeit . . . . . . . bb) Begriff der Beschäftigung im allgemeinen Arbeitsrecht . . . . . . (1) Begriffsdefinitionen in arbeitsrechtlichen Vorschriften . . . . (2) Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Definitionen . . . . . . . cc) Begriff des Beschäftigten im Recht der kollektiven Interessenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Definition des Beschäftigtenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendbarkeit der Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 111 112 112 112 113 113 114 116 117 118 118 119 119 119 120 120 121 121 122 123 123 123 124 125 125 125 126 126 128 128 129 129 130 130 131 131 132
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Inhaltsverzeichnis c) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schwellenwertregelungen bis 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) SchwerbeschädigtenG 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arbeitnehmereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Personengruppen i. S. d. § 5 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) In Heimarbeit Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) SchwerbeschädigtenG 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schwerbehindertengesetz 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wegfall der Anknüpfung an die Arbeitnehmer- bzw. Beamteneigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mutmaßlich fehlende Änderungsabsicht des Gesetzgebers (a) Schweigen der Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Intention der unveränderten Übernahme der Vorgängerregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Auflösung des Redaktionsversehens . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Mögliche Motivationen bei unterstellter Änderungsabsicht (a) Erweiterung des zu zählenden Personenkreises . . . . . . . (b) Streichung unnötiger Dopplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Spätere Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sinn und Zweck arbeitsrechtlicher Schwellenwerte . . . . . . . . . . bb) Schwellenwerte bei der Wahl kollektiver Interessenvertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Übertragbarkeit dieser Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rückschlüsse aus den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Generalzuständigkeit für schwerbehinderte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Beschränkung der Zuständigkeit auf Beschäftigte . . . (3) Zusammenarbeit mit anderen betrieblichen Interessenvertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Versuch einer eigenen Definition des Beschäftigtenbegriffs . . . . . . . aa) Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitnehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . (2) Privatrechtlicher Vertrag oder gleichgestelltes Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Persönliche Abhängigkeit bzw. Fremdbestimmung . . . . . . . (a) Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133 133 135 135 135 137 138 139 139 140 140 140 141 141 141 142 142 143 144 144 144 145 146 147 147 148 149 149 149 150 150 151 152
Inhaltsverzeichnis (b) Verteilung von Unternehmerrisiken und Unternehmerchancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Soziale Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zeitmoment der Dienstleistungserbringung . . . . . . . . . . cc) Erforderliche Modifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verpflichtung zu Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erforderlichkeit der Abgrenzung zu Werkunternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Normhistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Terminologische Modifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Privatrechtlicher Vertrag oder gleichgestelltes Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortlautgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Systematische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) § 73 Abs. 1 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) § 7 Abs. 1 SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) § 2 Abs. 2 ArbSchG; § 3 Abs. 11 BDSG . . . . . . . (dd) § 4 Abs. 1 BPersVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Normhistorische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Bezug auf Arbeitsplatzdefinition . . . . . . . . . . . . . . (bb) Wegfall der Bezugnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Keine Beschränkung auf privatrechtliche Verträge (bb) Erweitung nur um Sonderstatusverhältnisse . . . . . (cc) Einengung auf freiwillig eingegangene Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Persönliche Abhängigkeit und Fremdbestimmung . . . . . . . . (a) Wortlautgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Systematische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Beschäftigtenbegriffe in arbeitsrechtlichen Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) § 4 BPersVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) § 7 SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Normhistorische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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153 153 154 154 154 154 155 155 156 156 157 157 158 158 159 159 159 159 160 160 160 160 161 161 161 162 162 162 163 163 163 164 164 165 165 166
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Inhaltsverzeichnis (4) Maßgeblichkeit von Verpflichtung oder tatsächlicher Erbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) § 3 Nr. 12 GenDG und § 3 Abs. 11 BDSG . . . . . . (bb) § 7 Abs. 1 SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Anderweitige Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . (c) Normhistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eigene Definition des Beschäftigungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zusammenfassung der Auslegungsergebnisse . . . . . . . . . . . (2) Definition des Beschäftigtenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nicht nur vorübergehende Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Festgelegte Endlichkeit der Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Ausschluss aller Beschäftigungsverhältnisse mit Befristungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein zeitlich beschränkter Betrachtungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . d) Maßgeblichkeit der Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers . . . . . . aa) Sinn und Zweck des Schwellenwertkriteriums . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schwellenwertunabhängiger Bestand der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Untergang des Organs bei dauerhaftem Absinken der Beschäftigtenzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rückschlüsse aus der übertragenen Arbeitsaufgabe . . . . . . . . . . dd) Rückschlüsse aus Befristungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Stichtagsbezogenheit des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematische Atypik des § 94 Abs. 1 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegung im Hinblick auf die Stichtagsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . a) Normhistorische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Formulierung des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formulierung des § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . cc) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teleologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung der Dauerhaftigkeit des Bestands der Interessenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167 167 168 168 168 169 169 169 170 171 171 171 172 172 173 173 175 175 176 177 178 178 178 179 180 181 181 182 182 183 183 184 184 184 185
Inhaltsverzeichnis bb) Notwendigkeit der Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Prognosecharakter des Kriteriums der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grenzen der Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen bei rein stichtagsbezogener Handhabung des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Feststehende, erst zukünftige Schwellenwerterreichung (b) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unzureichende Planbarkeit der Beschäftigung Schwerbehinderter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kein Rückgriff auf die geltende Beschäftigungspflicht . . . . . . . (1) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Divergenz des Anknüpfungspunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßgeblicher Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahltagsbezogenheit des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konzentration der Stimmabgabehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anfälligkeit eines wahltagsbezogenen Stichtags . . . . . . . . . . . . . b) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahleinleitung . . . . . . . . . . . . . . c) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahlinitiierung . . . . . . . . . . . . . . aa) Zeitlicher Gleichlauf von Initiierung und Einleitung . . . . . . . . . bb) Systematische Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Wahlberechtigung und Wählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines zu Wahlberechtigung und Wählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorliegen einer Schwerbehinderung i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX . . . . b) Erforderlichkeit eines Nachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz der obligatorischen Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsatz der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Behördliche Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachweiswirkung des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX cc) Offensichtliche Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Offenkundige Schwerbehinderung im Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (2) Offensichtlichkeit i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX . . . . . . . . . . . (a) Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Offensichtlichkeit des Schweregrades . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Offensichtlichkeit des Schweregrades bei Wertspannen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Offensichtlichkeit bei Anknüpfung an die Ausprägungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Verhältnis von Offensichtlichkeit und GesamtGdB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gleichstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nachweis durch Gleichstellungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachweis durch Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX . . . . . . . 2. Im Betrieb beschäftigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unerheblichkeit der Beschäftigungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss der Geschäftsunfähigen i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB . . . . . . aa) Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) § 61 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) § 139 Abs. 1 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Legitimationscharakter der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vermittlung einer Vertrauensbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Grundsatz der obligatorischen Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . (a) Geschäftsfähigkeit als Anfechtbarkeitsrisiko . . . . . . . . . (aa) Unwirksamkeit der Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . (bb) Bestehen eines Anfechtbarkeitsrisikos . . . . . . . . . . (b) Lösungen zur Vermeidung dieses Anfechtbarkeitsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vorherige Aussonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Förmlicher Wahlrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhaltliche Bedenken: Prüfbarkeit der Geschäftsunfähigkeit . . .
203 203 204 204 205 206 206 207 208 208 209 210 210 210 211 211 212 212 213 213 214 214 214 214 215 216 216 217 217 217 218 219 220 220 220 221 221
Inhaltsverzeichnis (1) Erforderlichkeit verbindlicher Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bedeutungslosigkeit vorangegangener Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss des unter Betreuung stehenden Beschäftigten . . . . . . . . . aa) Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlende Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhaltliche Bedenken gegen diesen Lösungsansatz . . . . . . . . . . . (1) Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Betreuerbestellung (2) Konsequenzen der Betreuerbestellung für die Stimmabgabe (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigener Lösungsansatz: Stimmabgabe als Rechtsakt sui generis . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prüfung des aktiven Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfung der Wahlberechtigung im förmlichen Wahlverfahren . . . . . aa) Prüfung in der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO . . . . (1) Überprüfung anhand des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Individueller Nachweis nicht im Verzeichnis aufgeführter Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Prüfung der Wahlberechtigung durch den Wahlvorstand . . . . . . (1) Bedeutung der Liste für das aktive Wahlrecht . . . . . . . . . . . (a) Fehlende Normierung der Rechtswirkung der Liste . . . (b) Normhierarchische Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Normhierarchie hinsichtlich der Wahlberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Folgen für die SchwbVWO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Grundsatz: Keine Beeinträchtigung des materiellen Bestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Wahlrechtsvereitelungscharakter der Veränderungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Prüfung bei Listenerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Einbeziehung bei geheim gehaltenem Schwerbehindertenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Einspruch gegen die Richtigkeit der Liste der Wahlberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Erneute Prüfungs- und Korrekturpflicht bei Ablauf der Einspruchsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 221 222 222 222 223 223 223 224 224 224 225 226 227 227 228 229 229 229 230 230 231 231 231 232 232 232 233 233 234 235 235 236 237
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Inhaltsverzeichnis (6) Offenbarung des Schwerbehindertenstatus nach Ablauf der Einspruchsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Begrenzung der Korrekturmöglichkeit auf den Tag vor der Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Materieller Bestand des aktiven Wahlrechts . . . . . . . . . (b) Begründungsansätze der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruch auf Auskünfte und Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsgrundlage des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Inhalt der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prüfung der Wahlberechtigung im vereinfachten Wahlverfahren . . . aa) Prüfung vor der Wahl der Wahlleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erneute Prüfung durch die Wahlleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundlagen der Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Informationsanspruch des Wahlinitianten . . . . . . . . . . . . . . . (2) Informationsanspruch der Wahlleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen des passiven Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Volljährigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht nur vorübergehende Beschäftigung im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff der Beschäftigung im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht nur vorübergehender Charakter der Beschäftigung . . . . . . . . . aa) Besonderheiten des Nachrückverfahrens bei Ausscheiden aus dem Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schlussfolgerungen für das Verständnis des Merkmals . . . . . . . cc) Wählbarkeit gekündigter Beschäftigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mindestvorbeschäftigungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art der Vorbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorbeschäftigung in anderem Betrieb des Arbeitgebers oder Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorbeschäftigung in neuen Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorbeschäftigung im Betrieb bei Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wählbarkeit nach § 8 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen des § 8 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leiharbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entleiherbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verleiherbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238 238 239 239 239 240 240 241 242 242 242 243 244 245 245 246 246 247 248 248 248 248 250 250 252 252 252 253 253 254 254 254 255 255 255 256
Inhaltsverzeichnis cc) Nicht-Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Betriebszugehörigkeit des § 8 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . ee) Richterlicher Ausschluss der Wählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ämterpluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitgliedschaft im Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitgliedschaft in der Jugend- und Auszubildendenvertretung . . . . . c) Arbeitgeber-Beauftragter nach § 98 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Exklusivverhältnis der Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Amtsniederlegung durch Erklärung der Annahme der Wahl . . . cc) Ausschluss des passiven Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Keine Anknüpfung an das aktive Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Prüfung des passiven Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Förmliches Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prüfpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundlagen der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mitwirkung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Anspruch auf Gesamtliste wählbarer Personen . . . . . . . (b) Inhalt der Auskunftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Sprecherausschuss . . . (a) Heranziehbarkeit der Wählerlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine Bindungswirkung des Zuordnungsverfahrens nach § 18a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Gegenwartsbezogenheit des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Zielsetzung des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX . . . . (cc) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinfachtes Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prüfpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständiges Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundlagen der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Informationsanspruch nach § 2 Abs. 6 SchwbVWO analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Informationsanspruch nach § 28 Abs. 2 WO-BetrVG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 256 256 257 257 257 258 258 259 259 260 260 261 262 262 263 264 264 264 264 265 266 266 266 267 267 268 268 269 269 269 270 270 270
§ 5 Differenzierung nach Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Allgemeines zu den Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
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Inhaltsverzeichnis 1. Schwellenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subjekt des Schwellenwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingeschränkte Eignung des gewählten Schwellenwertsubjekts . . . c) Inflexibilität des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) „Sichtbarkeit“ der Schwellenwertsubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schwierigkeiten einer rein objektiven Betrachtungsweise . . . . . (1) Eingeschränkte Erkennbarkeit des Schwellenwertsubjektcharakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konsequenzen für einen rein objektiven Schwellenwert . . . (3) Ungeeignetheit einer rein objektiven Betrachtungsweise . . bb) Subjektive Betrachtung anhand der „Sichtbarkeit“ . . . . . . . . . . . cc) Rückgriff auf das Schwerbehindertenverzeichnis des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Räumliche Nähe der Betriebsteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammengefasste Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Räumlich weit auseinander liegend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Informationsflussorientierte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verständigung über Art und Inhalt der Wahl . . . . . . . . . . . . (2) Kenntnisse über die Wahlbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Inhaltliche Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zeitliche Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mittelbare Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Unterschiede bei der Freiwilligensuche . . . . . . . . . . . . . (e) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Wahlversammlungsbezogene Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sinn und Zweck des Kriteriums der räumlichen Nähe . . . . (2) Essentielle Bedeutung der Teilnahme an der Wahlversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ausgleich der Informationsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Wahlvorschlagsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Exklusivcharakter der persönlichen Stimmabgabe . . . . (d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Besonderheiten der Erreichbarkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . (a) Bezugspunkt der Erreichbarkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . (b) Kaum Entscheidungsspielraum für die Wahlinitianten . (c) Barrierefreiheit der Verkehrsanbindung . . . . . . . . . . . . . (d) Zumutbarkeit als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Berücksichtigung der Beschäftigungsorte der Wahlberechtigten
273 273 274 275 276 276 276 276 277 278 279 279 279 280 280 281 281 282 283 284 284 285 285 286 287 287 287 288 288 288 289 289 290 290 290 291 291 292
Inhaltsverzeichnis
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(1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teleologische Reduktion bei Sonderkonstellation . . . . . . . . III. Prüfung des anzuwendenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsbefugtes Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kompetenzkonflikte zwischen den Initianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßgeblicher Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahltagsbezogenheit der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahleinleitung . . . . . . . . . . . . . . c) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahlinitiierungshandlung . . . . . aa) Unterschiede zwischen den Zeitpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit des Abstellens auf die Wahlinitiierung . . . . . . . (1) Ruhen des Wahlprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Initiierungsbefugnis bei Anerkennung eines Abbruchsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verwerfungen durch Erforderlichkeit einer Prognose . . . . . (4) Vermeidbarkeit dieser Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verbindlichkeit der Wahlingangsetzung durch die Wahlinitiierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unmittelbare Bestellung des Wahlvorstands . . . . . . . . . . . . . (2) Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht . . . d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292 292 293 294 294 295 295 296 297 297 298 298 299 300 300 301 301 302 302 303
Kapitel 3 Anstoß der Wahl § 6 Wahlinitiierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines zur Wahlinitiierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff der Wahlinitiierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wahlinitiierungsberechtigte Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normierte Wahlinitiierungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtschwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahlinitiierung als überbetrieblich regelungsbedürftige Aufgabe . . . aa) Auf einen Betrieb beschränkter Wahlbezirk . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wahl in zusammengefassten Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erstmalige Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestehende gemeinsame Schwerbehindertenvertretung . . . (3) Untergang der gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung (4) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304 304 304 304 305 306 306 307 307 307 308 309 309 309
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Inhaltsverzeichnis b) Kommissarische Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konzernschwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Originäre Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommissarische Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesamtbetriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Originäre Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auf einen Betrieb beschränkter Wahlbezirk . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zusammengefasste Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit kraft Auftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuständigkeit nach § 17 Abs. 1 BetrVG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teleologische Vergleichbarkeit der Konstellationen . . . . . . . . . . cc) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konzernbetriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Originäre Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit kraft Auftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die einzelnen Wahlinitiierungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestellung des Wahlvorstands durch bisherigen Amtsinhaber . . . . . . . . a) Abstrakte Vornahmeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung der Personenauswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit einer Legitimationskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vornahmeberechtigung der Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vornahmevoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beginn der Bestellmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ende der Bestellmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vornahmeberechtigung nach Fristablauf . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausdrücklicher Wille des Normgebers . . . . . . . . . . . . . . (c) Grundsatz der obligatorischen Vertretung . . . . . . . . . . . (d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Begrenzung durch andere Initiierungshandlungen . . . . . . . . (3) Begrenzung durch anderweitige Einsetzung des Wahlvorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ende mit Ablauf der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besonderheiten bei Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309 310 311 311 312 312 312 313 313 314 314 315 315 316 317 317 318 318 318 319 319 320 320 321 321 322 323 323 323 324 324 324 325 325 325 326 327 327
Inhaltsverzeichnis c) Vornahmehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fixierung des Bestellentschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit einer Einverständniserklärung . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhaltliche Anforderungen an die Bestellentscheidung . . . . . . . (1) Als Wahlvorstandsmitglieder bestellbare Personen . . . . . . . (a) Beschäftigung im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Volljährigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Aktives und passives Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bestimmung des Wahlvorstandsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . d) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten . . . . a) Abstrakte Vornahmeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . cc) Gesamtbetriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vornahmevoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit der Einladung bei bestehender Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestehen eines Regelungsbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausschluss einer extensiven Auslegung des § 1 Abs. 2 SchwbVWO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Lückenschließung durch Analogiebildung . . . . . . . . . . . . . . . (a) Konstellation des § 1 Abs. 2 SchwbVWO . . . . . . . . . . . (b) Konstellation des § 16 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vergleich der erfassten Konstellationen . . . . . . . . . . . . . bb) Ausschluss bei bereits erfolgter Wahlvorstandseinsetzung . . . . . cc) Ausschluss bei Vorliegen einer anderweitigen Einladung . . . . . dd) Gleichrangigkeit der Initiierungsberechtigungen . . . . . . . . . . . . . c) Vornahmehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhaltliche Anforderungen an die Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelle Anforderungen an die Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einladung durch Aushang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einladung durch Rundschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Andere Formen der Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Umgang mit sehbehinderten Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . (a) Ausfertigung in Blindenschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Arbeitsassistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Individuelle Unterrichtung der Betroffenen . . . . . . . . . . (5) Rechtzeitigkeit der Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 327 328 329 330 330 330 331 332 333 334 335 335 336 336 337 337 337 338 338 339 340 341 341 342 343 343 344 345 345 345 346 348 348 349 349 350 350 351
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Inhaltsverzeichnis d) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einsetzung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen dieser Initiierungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Analogie zu § 16 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Analogie zu § 17 Abs. 4 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestehen einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergleichbarkeit der Rechtslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausschluss der Analogien durch § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX . . (1) Historische Entwicklung als Begründungsansatz . . . . . . . . . (2) Regelungszweck der Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Ausschluss regelungslückenfüllender Analogien . . . . b) Abstrakte Vornahmeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Antragsrecht der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften . . . . . (1) Rolle der Gewerkschaften im BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rolle der Gewerkschaften bei Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Systematische Widersprüchlichkeit eines Antragsrechts . . . bb) Antragsberechtigung von Betriebsrat und Integrationsamt . . . . (1) Nichterwähnung aus Sicht des BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Systematische Widersprüchlichkeit einer fehlenden Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Antragsberechtigung aus § 93 Satz 2, 2. Hs. SGB IX (4) Antragsberechtigung durch doppelte Analogie . . . . . . . . . . . (a) Konstellation des BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Konstellation des SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vornahmevoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen nach § 16 Abs. 2 BetrVG analog . . . . . . . . . . . (1) Zweiwöchige Nachfrist des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Nachfristgewährung bei Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen nach § 17 Abs. 4 BetrVG analog . . . . . . . . . . . d) Vornahmehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einladung zur Wahlversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abstrakte Vornahmeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . bb) Gesamtbetriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vornahmevoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
352 353 353 353 354 354 355 355 356 356 357 357 358 358 358 359 360 360 360 361 361 362 363 363 363 364 364 364 364 365 366 366 366 366 367 367 367
Inhaltsverzeichnis aa) Exklusivität des Einladungsrechts der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Generelle Einladungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschränkung auf einmalige Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vornahmehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Materielle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einladungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ort und Zeit der Stimmauszählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zulässigkeit einer späteren Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . (b) Bekanntgabe am Tag der Wahlversammlung . . . . . . . . . (c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine unmittelbare Anwendung des § 5 Abs. 2 SchwbVWO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Normzweckorientierte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unterrichtungscharakter als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erforderlichkeit der Unterrichtung sämtlicher Beschäftigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Aktives Wahlrecht der „nicht sichtbaren“ Schwerbehinderten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Beschneidung des passiven Wahlrechts . . . . . . . . . (c) Kenntniserlangung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . (3) Rechtzeitigkeit der Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Wahlbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines zum Wahlbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Von der Wahlinitiierung abweichender Wahlbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahlvorstandswahl durch die Versammlung der Schwerbehinderten . . . a) Formelle Anforderungen an die Wahlvorstandswahl . . . . . . . . . . . . . aa) Versammlungsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abstimmungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wortlautdivergenz zwischen den Vorschriften . . . . . . . . . . . (2) Erheblichkeit des potentiellen Legitimationsdefizits . . . . . . (3) Unterschiede im Hinblick auf den Prüfungsaufwand . . . . . . cc) Art und Weise der Durchführung der Wahlvorstandswahl . . . . . b) Inhaltliche Anforderungen an die Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . 2. Wahlvorstandseinsetzung durch das Arbeitsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Einschränkungen der gerichtlichen Wahlvorstandseinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufrechterhaltung des Antrags und Fortbestand der Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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367 368 369 369 369 370 370 371 371 372 372 372 373 373 374 374 375 375 376 377 378 378 378 379 379 379 380 381 381 381 382 383 384 384 384
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Inhaltsverzeichnis bb) Kein anderweitig eingetretener Wahlbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Anforderung an die Entscheidung des Arbeitsgerichts . . aa) Allgemeine personelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestellung betriebsexterner Personen nach § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausnahmecharakter der Bestellung Betriebsexterner . . . . . (2) Systematische Widersprüchlichkeit der Einbindung der Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bestimmung des Vorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahlbeginn im vereinfachten Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Anforderungen an die Wahl der Wahlleitung . . . . . . . . . . . aa) Leitung des Abstimmungsvorgangs und Stimmberechtigung . . . bb) Art und Weise der Durchführung der Wahlleitungswahl . . . . . . b) Inhaltliche Anforderungen an die Wahl der Wahlleitung . . . . . . . . . . aa) Wahlberechtigung als Voraussetzung der Einsetzung als Wahlleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschäftigung im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Systematische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sinn und Zweck der Wahlleitungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einschränkungen durch den Grundsatz der Selbstorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Volljährigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Systematischer Vergleich mit förmlichem Wahlverfahren . (2) Systematischer Vergleich mit Betriebsrats- und Sprecherausschusswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Systematischer Vergleich mit Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385 386 386 386 386 387 388 388 389 389 389 390 391 391 392 392 393 393 394 395 395 395 396 397
Kapitel 4 Phasen der Wahl § 8 Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines zur Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Problembereiche der Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erstellung der Liste der Wahlberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geburtsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
398 398 398 398 399 399 399 400
Inhaltsverzeichnis
2.
3.
4.
5.
cc) Angabe des Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Passiv Wahlberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Publizität der Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweck der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgerungen für den Ort der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anpassung der Liste bei Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vereinfachtes Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festlegung der Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder . . . a) Bedeutung und Inhalt der Festlegung der Stellvertreterzahl . . . . . . . b) Verantwortlichkeit für die Festlegung der Stellvertreterzahl . . . . . . . aa) Vereinfachtes Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Förmliches Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Versammlung als übergeordnetes Organ . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erörterungspflicht des Wahlvorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitwirkung anderer Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidung über schriftliche Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zielsetzung der generellen schriftlichen Stimmabgabe . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verantwortliches Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Förmliche Einleitung der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensspezifische Wahleinleitungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Barrierefreiheit der Aushangstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit der Aushangstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit mehrerer Aushänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Individuelle Unterrichtung blinder Beschäftigter . . . . . . . . . . . . . Behandlung von Wahlvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung von Wahlvorschlägen für die Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorschlagsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltliche Anforderungen an Wahlvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anzugebende Personendaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erkennbarkeit des Amtsbezugs des Wahlvorschlags . . . . . . . . . . cc) Doppelkandidatur für unterschiedliche Ämter . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kandidatur auf unterschiedliche Wahlvorschläge . . . . . . . . . . . . ee) Folgen unzulässiger Doppelkandidaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stützunterschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eigene Stützunterschrift des Wahlbewerbers . . . . . . . . . . . . . (2) Unterzeichnung mehrerer Wahlvorschläge . . . . . . . . . . . . . .
31 400 400 400 401 401 402 403 403 403 405 405 405 406 406 407 408 408 409 410 411 411 411 412 412 413 413 413 414 414 415 415 415 416 417 417 418 418 418 418 419
32
Inhaltsverzeichnis (3) Folgen unzulässiger Mehrfachunterstützung . . . . . . . . . . . . . cc) Einverständnis der vorgeschlagenen Kandidaten . . . . . . . . . . . . . dd) Einreichungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfrühter Eingang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachfristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Formelle Anforderungen im vereinfachten Wahlverfahren . . . . (1) Einverständnis der Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ermöglichung einer Diskussion über die Kandidaten . . . . . (3) Beendigung der Entgegennahme von Wahlvorschlägen . . . (4) Der Wahlversammlung vorausgegangene Wahlvorschläge . . e) Prüfung der Wahlvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestehen einer Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Durchführung der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mangelhaftigkeit von Wahlvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorliegen einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kein abschließender Charakter dezidierter Regelungen in der SchwbVWO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine Beschränkung der Prüfung auf expliziert normierte Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Analogien zu WO-BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unterrichtung des Vorschlagsvertreters . . . . . . . . . . . . . (b) Behebbarkeit von Mängeln der Wahlvorschläge . . . . . . (aa) Nachbesserungen im förmlichen Wahlverfahren (bb) Nachbesserungen im vereinfachten Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bekanntgabe der Namen der Wahlbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Organisatorische Vorbereitungen der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung des Textes der SchwbVWO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erstellung der Wahlunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erstellung von Wahlschablonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zulässigkeit des Wahlschabloneneinsatzes . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit der Wahlschablonenherstellung . . . . . . . . . (a) Konnex zwischen Schablone und Stimmzettel . . . . . . . (b) Schlussfolgerungen für die Zuständigkeit . . . . . . . . . . . (c) Einschränkung einer generellen Schablonenpflicht . . . bb) Wahlunterlagenerstellung im vereinfachten Verfahren . . . . . . . . c) Barrierefreiheit des Wahllokals bzw. der Wahlversammlung . . . . . . aa) Barrierefreiheit für gehbeeinträchtigte Menschen . . . . . . . . . . . . bb) Barrierefreiheit für Hör-/Sprachbehinderte . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorweggenommene schriftliche Informationen . . . . . . . . . . (2) Auswahl der Kompensationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
420 420 421 421 422 422 423 424 424 425 426 426 427 427 427 428 429 429 430 431 431 432 432 433 433 434 434 435 436 436 436 437 437 438 439 439 439 440
Inhaltsverzeichnis § 9 Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines zur Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Problembereiche der Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stimmabgabehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kennzeichnung des Stimmzettels und Verwendung von Wahlumschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umgang mit den Wahlumschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überwachung der ordnungsgemäßen Wahldurchführung . . . . . . . . . . d) Besonderheiten der schriftlichen Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzung der schriftlichen Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . (1) Persönliche Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) An der persönlichen Stimmabgabe verhindert . . . . . . . . (b) Antrag auf schriftliche Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . (2) Generelle schriftliche Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an die Gültigkeit bei schriftlicher Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erklärung über die Kennzeichnung des Stimmzettels . . . . . (2) Prüfung der Zulässigkeit der Hinzuziehung einer Hilfsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vereinbarkeit der schriftlichen Stimmabgabe mit den Wahlgrundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Durchbrechung von Wahlgrundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtfertigung der Durchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Schriftliche Stimmabgabe bei Verhinderung . . . . . . . . . (b) Generelle schriftliche Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Sinn und Zweck der generellen schriftlichen Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Amtsbezogene Trennung der Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollzug der Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erforderlichkeit einer zeitlich versetzten Abstimmung . . . . . . . . . . . aa) Angelegte Parallelität der Abstimmungen im förmlichen Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende Regelung für das vereinfachte Wahlverfahren . . . . . . . (1) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Infolge gleichzeitiger Abstimmungen entstehende Verwerfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Nachteilige Folgen einer zeitlich versetzten Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Bedeutung der Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 442 442 442 442 442 443 444 444 445 445 445 446 447 447 448 448 448 449 449 450 450 451 451 452 452 453 453 453 454 454 454 455 456
34
Inhaltsverzeichnis (aa) Grundsatz der Simplizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 (bb) Grundsätze der Mehrheitswahl und Grundsatz der Wahlgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 (cc) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 3. Ausschluss der Kumulierung bei der Stellvertreterwahl . . . . . . . . . . . . . 457 a) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 b) Teleologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 4. Hinzuziehung von Hilfspersonen bei der Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . . 459 a) Vereinbarkeit der Heranziehung mit den für die Wahl geltenden Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 aa) Rechtfertigung der Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 bb) Grenzen der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 b) Rahmenbedingungen der Heranziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 aa) Voraussetzungen der Heranziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 bb) Prüfung der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 cc) Auswahl der Hilfsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 c) Hinzuziehung im vereinfachten Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 464
§ 10 Nachbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 I. Allgemeines zur Nachbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 II. Problembereiche der Nachbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 1. Stimmauszählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 a) Unverzüglichkeit der Stimmauszählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 b) Öffentlichkeit der Stimmauszählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 aa) Zur Öffentlichkeit rechnende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 (1) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 (2) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 (3) Berücksichtigung der Arbeitgeberinteressen . . . . . . . . . . . . . 469 (4) Grundsatz der Selbstorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 (5) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 bb) Bekanntgabe von Ort, Tag und Zeit der Stimmauszählung . . . . 470 (1) Förmliches Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 (2) Vereinfachtes Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 c) Grundsatz der Mehrheitswahl als Maßstab der Ergebnisermittlung . . 471 aa) Beschränkung auf gültige Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 bb) Berücksichtigung der Trennung der Wahlgänge . . . . . . . . . . . . . 472 cc) Vereinbarkeit von Losentscheidung und Mehrheitswahl . . . . . . 472 dd) Zulässigkeit einer Stichwahl anstelle des Losentscheids . . . . . . 473
Inhaltsverzeichnis
2.
3.
4.
5.
(1) Erforderlichkeit einer erneuten Wahleinleitung . . . . . . . . . . (a) Ungeeignetheit einer mündlichen Bekanntgabe bei der Stimmauszählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unvermindertes Anforderungsniveau der Bekanntgabe (c) Folgen für den zeitlichen Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Feststellung des vorläufigen Wahlergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfertigung der Wahlniederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahlniederschrift im vereinfachten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Wahlniederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtung der Gewählten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schriftlichkeit der Benachrichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegen Empfangsbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bekanntgabe durch Aushang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhaltliche Anforderungen an die Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelle Anforderungen an die Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bekanntgabe im vereinfachten Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Bekanntgabe an andere Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtschwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Im Betrieb vertretene Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergabe der Wahlunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 474 474 475 475 476 476 476 477 477 478 478 479 480 480 480 480 481 481 482 482 483 483 484
Kapitel 5 Zusammenfassung § 11 Schlussfolgerungen und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rudimentärcharakter der Wahlvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erforderlichkeit einer gesetzgeberischen Problembehebung . . . . . . . b) Ursachenspektrum und Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einzelne Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geltung der einzelnen Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung der Grundsätze für die Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen . . . . . a) Bedeutung des Kontexts für die Schwerbehindertenvertretungswahl
485 485 485 485 486 486 487 488 488 488 489 490 490
36
Inhaltsverzeichnis b) Zu Abweichungen führende Spezifika der Schwerbehindertenvertretungswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Feststellungen und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahlvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschäftigtendefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht nur vorübergehende Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stichtagsbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahlberechtigung und Wählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Korrektur der Liste der Wahlberechtigten am Wahltag . . . . . . . . . . . c) Ämterpluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sichtbarkeit der Schwellenwertsubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Merkmal der räumlichen Entfernung zwischen den Betrieben . . . . . c) Maßgeblicher Stichtag: Wahlinitiierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anstoß der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Initiierungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Phasen der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parallelität der Stimmabgabe im vereinfachten Verfahren . . . . . . . . b) Stichwahl anstelle Losentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
490 491 491 492 492 492 493 493 493 494 494 494 495 495 495 496 496 496 497 497 497 497
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
Kapitel 1
Einleitung § 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung I. Einführung in die Problemstellung Der frühere Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm soll einmal gesagt haben: „Nichts ist wichtiger für die Behinderten, als durch ihrer Hände Arbeit zum eigenen Lebensunterhalt beizutragen“.1 Diese simpel anmutende Äußerung unterstreicht nicht nur die elementare Bedeutung der Beschäftigung behinderter Menschen für deren Selbstverständnis, sondern veranschaulicht zugleich die Zielrichtung der heutigen Behindertenpolitik in Deutschland. Neben den rein volkswirtschaftlichen und finanzpolitischen Beweggründen, dient eine dauerhafte Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt auch der Stärkung des Selbstvertrauens und schafft damit die Grundlage für eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.2 1. Sonderstellung der schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben Die Integration behinderter Menschen in die Arbeitswelt ist insofern ein durchaus erstrebenswertes Ziel. Gleichwohl ist sie aus heutiger Sicht zumeist mehr Wunschvorstellung und Vision als von Tatsachen getragene Wirklichkeit. Schließlich ist der Weg hin zu einer umfassenden und permanenten Einbindung behinderter Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit zahlreichen Hürden und Hindernissen gepflastert und muss für jeden zu Beschäftigenden neu und individuell beschritten werden. Die Gründe für die Schwierigkeiten bei der Arbeitsmarktintegration insbesondere schwerbehinderter3 Menschen sind dabei äußerst facettenreich. Zum Spektrum der Ursachen gehören die Sorgen vor Kosten durch individuellen Arbeitsplatzanpassungsbedarf, die Komplexität und Unüber1 Zitiert nach https://www.polizei-nrw.de/hsv/stepone/data/downloads/0b/03/00/zi tate-gesammelte-werke.pdf – abgerufen am 15.08.2011. 2 Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drs. 15/4575, S. 66. Vgl. auch Regenspurger, ZfPR 1998, 146, 146. 3 Siehe zum Begriff der Schwerbehinderung in Abgrenzung zum Begriff der Behinderung unten § 3 IV. 2. a).
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Kap. 1: Einleitung
sichtlichkeit der Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten4, Unsicherheiten hinsichtlich der Einschränkungen in der Flexibilität der Einsetzbarkeit schwerbehinderter Menschen, ungenaue Kenntnisse der rechtlichen Privilegierung bei Urlaub, Mehrarbeit und Kündigungsschutz5 und nicht zuletzt auch die nach wie vor bei vielen Bürgern ausgeprägte Voreingenommenheit gegenüber Menschen mit Behinderungen.6 2. Die Schwerbehindertenvertretung in der betrieblichen Praxis Selbstverständlich lassen sich nicht sämtliche dieser Hemmnisse abbauen oder überwinden. In der betrieblichen Praxis ist jedoch viel dadurch zu erreichen, dass Barrieren in den Köpfen durch gezielte innerbetriebliche Kommunikation abgebaut und zugleich tatsächliche Lösungsmöglichkeiten für auftretende Probleme aufgezeigt werden.7 Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber mit dem „Vertrauensmann der Schwerbeschädigten“ – dem Vorgänger der heutigen Schwerbehindertenvertretung – in den Betrieben bereits frühzeitig eine besondere Interessenvertretung etabliert. Diese führt entgegen der öffentlichen Wahrnehmung8 kein Schattendasein. Empirisch abgesicherten Hochrechnungen zufolge existieren in Deutschland weit mehr als 10.000 Schwerbehindertenvertretungen, wobei ein Wert zwischen 14.000 und 20.000 Vertretungen als realistisch eingeschätzt wird.9 Die Schwerbehindertenvertretung stellt damit eine inzwischen in der deutschen Arbeitswelt fest verankerte Institution dar. a) Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung Diese hat sich als spezifische Interessenvertretung für die besonderen Belange der beschäftigten schwerbehinderten Menschen einzusetzen und dadurch den innerbetrieblichen Integrationsprozess voranzutreiben. Dabei zählt § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX neben der Förderung der Eingliederung an sich auch die Vertretung der besonderen Interessen schwerbehinderter Beschäftigter sowie die indivi4
Vgl. Wilmerstadt/Schell, BArbBl. 2000, 5, 7. Vgl. Gravenhorst, NZA 2005, 803, 803. Vgl. auch Bauer/Powietzka, NZA-RR 2004, 505, 514 f. 6 Vgl. allgemein zum Vorurteilsproblem: Grüber, Zusammen leben ohne Barrieren, S. 28; Schimanski, BehR 2002, 121, 121; Splanemann, AiB 2002, 404, 406. Vgl. auch Jakubik, BehR 1982, 30, 30. 7 Vgl. Jakubik, BehR 1982, 30, 30 ff. und Regenspurger, ZfPR 1998, 146, 146 f. Vgl. auch Grüber, Zusammen leben ohne Barrieren, S. 28. 8 Vgl. Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 2. Vgl. auch die bei Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2012, 267 gewählte, insoweit bezeichnende Aufsatz-Überschrift: „Die Schwerbehindertenvertretung – das unbekannte Wesen?“ 9 Ausführlich dazu Kohte/Igl/Welti, Betriebliche Teilhabe (schwer-)behinderter Menschen am Arbeitsleben nach dem SGB IX, Kapitel D. II. und III. (demnächst im Nomos-Verlag). 5
§ 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung
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duelle Beratung10 und Unterstützung betroffener Personen zu den zentralen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung. Im Rahmen dessen hat sie Anregungen und Beschwerden von Beschäftigten aufzugreifen und sich um Abhilfe zu bemühen. Gleichzeitig hat sie aber auch bei zuständigen Stellen etwaige, schwerbehinderten Menschen dienende Maßnahmen zu beantragen und dadurch deren betriebliche Integration zu flankieren. Unabhängig davon hat sie die Einhaltung der zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Vorschriften durch den Arbeitgeber zu überwachen.11 Die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sind damit äußerst vielfältig und decken eine Spannbreite von sensibler Werbung um Verständnis12 über Aufklärung13 und die Vermittlung geeigneter Instrumente und Fördermittel bis hin zur konsequenten, auch konfrontativen Durchsetzung der Rechte der Gruppe der behinderten Beschäftigten ab. Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist die Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber mit umfassenden Unterrichtungs- und Anhörungsrechten ausgestattet, die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren eigenständig durchsetzbar sind.14 Gleichzeitig ist die Aufgabenerfüllung auch durch Freistellungs-, Ausstattungs- und Schulungsansprüche der Vertrauensperson abgesichert, die ihr die nötigen Möglichkeiten und Kenntnisse für die praktische Durchführung ihrer Aufgaben verschaffen. b) Stellung im Geflecht der betrieblichen Interessenvertretungen Bereits bei der Errichtung des Vertrauensmanns der Schwerbeschädigten im Jahre 1920 ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Schwerbehindertenvertretung von anderen betrieblichen Interessenvertretungsorganen, insbesondere im Verhältnis zu den seinerzeit ebenfalls neu errichteten Betriebsräten eigenständig und unabhängig sei.15 Diese Eigenständigkeit wird durch die eingeräumten origi10 Vgl. zu dieser zentralen auch psychologisch nötigen Unterstützung: Jakubik, BehR 1989, 76, 76 ff. und Jakubik, BehR 1982, 30, 30 ff. Vgl. auch Splanemann, AiB 2002, 404, 405. 11 Vgl. Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2012, 267; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 95 Rn. 7 f.; Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/ Hirsch/Ritz, SGB IX, § 95 Rn. 7; Rudolph, AiB 2011, 193, 193. 12 Vgl. Jakubik, BehR 1982, 30, 30 ff.; Splanemann, AiB 2002, 404, 405. 13 Ausführlich dazu Jakubik, BehR 1982, 30, 30 ff. 14 Vgl. BAG vom 21.09.1989, 1 AZR 465/88, AP Nr. 1 zu § 25 SchwbG 1986; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 11; Eichenhofer, ZTR 1994, 103, 104; Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2012, 267; Pahlen, in: Neumann/ Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 95 Rn. 8. 15 Vgl. Barnewitz, Merkblatt für die Vertrauensmänner der Schwerbeschädigten, S. 5 f.; Flatow, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 4. Vgl. auch Weigert, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 8; Weigert/Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 8, sowie Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Vorbemerkung. Vgl. auch Drs. der Nationalversammlung 1750, S. 1783 und Drs. der Nationalversammlung 2422, S. 2615, wonach die ursprünglich zwingende Personalunion bewusst aufgehoben wurde.
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Kap. 1: Einleitung
nären Beteiligungsrechte, die Unabhängigkeit der Amtszeiten sowie die in § 96 SGB IX normierte persönliche Rechtsstellung der Vertrauensperson ergänzend belegt.16 Aus diesem Grund ist die Schwerbehindertenvertretung inzwischen einhellig als selbstständiges Organ der Betriebsverfassung anerkannt17 und kann damit losgelöst von anderen Interessenvertretungen bestehen und ihre Rechte sowohl dem Arbeitgeber als auch anderen Betriebsverfassungsorganen gegenüber eigenständig durchsetzen.18 Zugleich ist die Schwerbehindertenvertretung aber auch zur engen Zusammenarbeit mit den anderen betrieblichen Interessenvertretungsorganen verpflichtet. Diese Pflicht ergibt sich nicht nur unmittelbar aus § 99 Abs. 1 SGB IX. Vielmehr ist die Schwerbehindertenvertretung bereits durch die Beschränkung der Mitbestimmungsrechte auf die allgemeinen Interessenvertretungen zur Kooperation mit diesen angewiesen, um ihre Aufgaben effektiv und nachhaltig wahrnehmen zu können.19 Das bedeutet jedoch nicht, dass die Schwerbehindertenvertretung demBetriebsrat oder anderen Interessenvertretungsorganen untergeordnet wäre.20
16 Vgl. Düwell, AuR 1993, 345, 345. Vgl. auch BAG vom 21.09.1989, 1 AZR 465/ 88, AP Nr. 1 zu § 25 SchwbG 1986; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 11; Edenfeld, NZA 2012, 713, 714; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 3; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 4; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 95 Rn. 1. 17 BAG vom 21.09.1989, 1 AZR 465/88, AP Nr. 1 zu § 25 SchwbG 1986; Christians, in: GK-SGB IX, § 93 Rn. 8; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 25 Rn. 2; Kohte, ZSR-Sonderheft 2005, 7, 13; Schareck, AuA 1991, 172, 174; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 3; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 95 Rn. 1. Noch ausdrücklich offen lassend: Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat, S. 99. Widersprüchlich: Rudolph, AiB 2011, 382, 382 und Rudolph, AiB 2011, 193, 193, der einerseits von einem eigenständigen Organ der Betriebsverfassung ausgeht und dies andererseits verneint, aber gleichwohl von einer über einem „Hilfsorgan“ des Betriebsrats stehenden „eigenständigen Vertretung“ ausgeht. 18 Vgl. BAG vom 21.09.1989, 1 AZR 465/88, AP Nr. 1 zu § 25 SchwbG 1986; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 11 f.; Düwell, AuR 1993, 345, 345; Eichenhofer, ZTR 1994, 103, 104; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 95 Rn. 8; Rudolph, AiB 2011, 382, 382; Thieler, Die Anerkennung als Schwerbehinderter, S. 54. Vgl. auch Welti, AuR 2003, 445, 451 sowie bereits Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Vorbemerkung. 19 Vgl. Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 13; Düwell, AuR 1993, 345, 348 ff.; Eichenhofer, ZTR 1994, 103, 105; Feldes, AiB 2011, 241, 242; Schwarzbach, AiB 2002, 621, 621; Splanemann, AiB 2006, 295, 295; Unterhinninghofen, AiB 1994, 48, 48. Vgl. auch Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 7/656, S. 34, sowie Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 6; Georgi, SuP 2009, 13, 13 und 21 f.; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 95 Rn. 9 und § 99 Rn. 1 f.; Rudolph, AiB 2011, 193, 193; Schmitz, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 93 Rn. 3; Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat, S. 100. 20 Vgl. Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 3; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 8; Rudolph, AiB 2011, 382, 382; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 95 Rn. 1.
§ 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung
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Vielmehr ist eine gleichrangige Kooperation auf Augenhöhe vorgesehen.21 Die Schwerbehindertenvertretung ist also nicht nur betrieblicher Lobbyist der Schwerbehinderten22 und Schaltstelle zwischen schwerbehinderten Beschäftigten und Arbeitgeber, sondern stellt zugleich ein wesentliches Teilelement der mitbestimmungsrechtlichen Interessenvertretungsstruktur dar. 3. Wahl der Schwerbehindertenvertretung Wenngleich die Schwerbehindertenvertretung keine originäre Normsetzungskompetenz besitzt,23 wirkt sie dennoch über ihre Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat mittelbar und hinsichtlich des Abschlusses von Integrationsvereinbarungen sogar unmittelbar an der Setzung betrieblicher Normen mit.24 Ebenso besitzt sie das Recht, auf individualrechtliche Entscheidungen durch Stellungnahmen Einfluss zu nehmen25 und hinsichtlich individueller wie auch gruppenbezogener integrationsfördernder Maßnahmen selbst initiativ zu werden.26 Diese umfassenden – unter Umständen auch zulasten Einzelner wirkenden – Kompetenzen bedingen jedoch nach heutigem Demokratieverständnis eine legitimierende Wahl. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Einsetzung der Schwerbehindertenvertretung einer demokratischen Abstimmung durch die zu vertretenden schwerbehinderten Beschäftigten unterstellt.27 Zugleich hat er mit der Einbindung in 21 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 2. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 6. Kritisch zur Kompetenzabgrenzung zwischen Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat: Edenfeld, NZA 2012, 713, 714. 22 Vgl. Thieler, Die Anerkennung als Schwerbehinderter, S. 54; Tremel, BehR 1982, 49, 50. 23 Vgl. Rudolph, AiB 2011, 193, 193. Vgl. zur fehlenden originären Abschlusskompetenz der Schwerbehindertenvertretung in Bezug auf Integrationsvereinbarungen nach § 83 SGB IX: LAG Bremen vom 09.09.2003, 1 Sa 77/03; Braasch, BehR 2001, 177, 182; Knittel, SGB IX, § 83 Rn. 19; Kohte, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IX, § 83 Rn. 16; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 83 Rn. 8; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 83 Rn. 16 f. A. A. Feldes, Handbuch Integrationsvereinbarung, S. 23; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 83 Rn. 8. Vgl. auch Düwell, AuR 1993, 345, 345. 24 Vgl. Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 4; Kohte, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IX, § 83 Rn. 16; Eichenhofer, ZTR 1994, 103, 105; Splanemann, AiB 2006, 295, 296. Vgl. auch Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 12; Schwarzbach, AiB 2002, 621, 622. 25 Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 12; Knittel, SGB IX, § 95 Rn. 39; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 95 Rn. 37; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 95 Rn. 11; Schareck, AuA 1991, 172, 172 f.; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 95 Rn. 19. Vgl. auch Schimanski, BehR 2002, 121, 126 und Tremel, BehR 1982, 49, 49 f. 26 Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 95 Rn. 8; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 95 Rn. 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 95 Rn. 6. 27 Vgl. zum Legitimationscharakter einer Wahl einer Interessenvertretung der Belegschaft: Bericht der Sachverständigenkommission, BT-Drs. VI/334, S. 65 ff.; Fitting,
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Kap. 1: Einleitung
den Auswahlprozess eine psychologisch vorteilhafte Ausgangsposition für die Bildung einer Vertrauensbasis zwischen Vertretungsorgan und Belegschaft geschaffen. a) Historische Entwicklung der Wahlvorschriften Betrachtet man die Geburtsstunde der Schwerbehindertenvertretung, dann erscheint eine originäre Wahl durch die Betroffenen nicht selbstverständlich. So war in § 11 SchwerbeschädigtenG 1920 noch vorgesehen, dass der Vertrauensmann durch die Vertretung der Arbeitnehmer „bestellt werde“. Der Bestellung sollte zwar eine Anhörung der Schwerbeschädigten Arbeitnehmer vorangehen, in welcher Form diese zu erfolgen hatte, war jedoch ebensowenig geregelt wie die Frage, welche Bindungswirkung sich aus der Anhörung ergab.28 Die Durchführung einer dem heutigen Demokratieverständnis entsprechende Abstimmung war also keineswegs obligatorisch. Erst wenige Jahre später wurde das Recht zur Bestellung des Vertrauensmanns auf die betroffenen Arbeitnehmer selbst übertragen und damit indirekt die Durchführung einer Wahl vorgegeben. Allerdings fehlten auch in § 12 SchwerbeschädigtenG 1923 nähere Regelungen über Art und Weise der Wahldurchführung.29 In der zeitgenössischen Kommentarliteratur ging man in der Folge davon aus, dass die vorzunehmende Abstimmung frei gestaltbar und nicht an demokratische Grundsätze gebunden sei.30 Im Verlauf der folgenden, großen Reformen des Schwerbeschädigten- bzw. des Schwerbehindertenrechts in den Jahren 1953, 1974 und 1986 wurde die Wahl der Vertrauenspersonen zunehmend detaillierter geregelt und dabei sukzessive der Betriebsratswahl angeglichen.31 Zeitweise fand sich in § 21 Abs. 5 Satz 2 SchwbG 1974 sogar eine unmittelbare Verweisung auf die Wahlverfahrensvorschriften des Betriebsverfassungs- bzw. des Personalvertretungsrechts. Als erkannt wurde, welche Schwierigkeiten sich durch einen unmittelbaren und unbedingten Rückgriff auf diese Vorschriften ergeben können, wurde der direkte Verweis durch den Gesetzgeber weitgehend32 aufgehoben und die bisher in Bezug BetrVG, § 1 Rn. 188 f.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363; v. Hoyningen-Huene, in: MüArbR, § 212 Rn. 12. 28 Vgl. Weigert, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 10; Weigert/Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 10. 29 Knaack, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 2; Richter, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 9; Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 11; Schoppen, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 6. 30 Vgl. Richter, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 9; Schoppen, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 6. 31 Vgl. Kohte, ZSR-Sonderheft 2005, 7, 13. 32 Beibehalten wurde jedoch die Bezugnahme auf die betriebsverfassungsrechtlichen bzw. personalvertretungsrechtlichen Regelungen zu Wahlanfechtung, Wahlschutz und Wahlkosten (vgl. § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX).
§ 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung
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genommenen Regelungen in einer eigenen Wahlordnung nachgebildet.33 Hierbei versuchten die Normgeber zugleich die Eigenheiten und spezifischen Bedürfnisse schwerbehinderter Beschäftigter und ihrer Interessenvertretung durch gesonderte Regelungen zu berücksichtigen und diese in die transformierten Wahlvorschriften zu integrieren. b) Aus der Normentwicklung folgende Kodifizierungsdefizite Die historische Entwicklung der Wahlvorschriften war damit durch zwei Grundlinien gekennzeichnet. Einerseits wurden die Regelungen zugunsten einer systematischen Einheitlichkeit immer mehr denen anderer betrieblicher Interessenvertretungswahlen angeglichen. Andererseits wurde gleichzeitig versucht, insbesondere der abweichenden Organsstruktur, der eingeschränkten Mobilität und Belastbarkeit der Wahlberechtigten sowie der Rolle der Integrationsämter Rechnung zu tragen und auf die besonderen Bedürfnisse der Schwerbehindertenvertretung angepasste Wahlvorschriften zu entwickeln. Diese beiden Zielrichtungen liefen jedoch in Teilen konträr, so dass durch deren parallele Umsetzung ein deutlich erhöhtes Risiko von Regelungswidersprüchen und Umsetzungsschwierigkeiten bestand. Gleichwohl haben die Normgeber bei der Erstellung und Fortentwicklung der Wahlvorschriften nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen und dadurch eine Reihe systematischer wie inhaltlicher Unstimmigkeiten und Regelungslücken hervorgerufen. Exemplarisch genannt seien etwa die aus der Verweisung des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX entstandene Streitfrage über die Wahlbeteiligung der Gewerkschaften und die im SGB IX aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht systemwidrig fehlende Möglichkeit der gerichtlichen Einsetzung eines Wahlvorstands. aa) Einfluss fortwährender Novellierungen anderer Interessenvertretungswahlen Zusätzlich verstärkt wird diese Widersprüchlichkeit durch die fortwährende Weiterentwicklung der Vorschriften zur Betriebsratswahl. So können etwa die nach § 3 BetrVG nunmehr möglichen Modifizierungen des jeweiligen Betriebsbegriffs zu Verwerfungen bei der Festlegung des Wahlbezirks der Schwerbehindertenvertretungswahl führen. Ferner führen auch die inzwischen für die Betriebsratswahlen vorgesehenen Möglichkeiten des Einsatzes von Informationsund Kommunikationstechnik zu ungeklärten Folgefragen für die Schwerbehindertenvertretungswahl.
33 Vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 10/5701, S. 11.
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Kap. 1: Einleitung
bb) Handwerkliche Defizite bei der Normerstellung Unabhängig von diesen Schwierigkeiten existieren auch eine Reihe „handwerklicher“ Kodifizierungsmängel. Beispielsweise war es offenbar beabsichtigt, die Liste der Wahlberechtigten auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl zur formellen Voraussetzung der Wahlrechtsausübung zu erheben (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO). Gleichwohl wurde es versäumt, eine § 2 Abs. 3 Satz 1 WO-BetrVG bzw. § 15 Abs. 1 BPersVWO entsprechende Vorschrift in die Wahlordnung zur Schwerbehindertenvertretungswahl aufzunehmen. Ebenso exemplarisch ist auch die Regelung des Inhalts der Wahlniederschrift. Anders als für alle anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen wurde in § 13 Abs. 4 SchwbVWO nicht kodifiziert, dass auch besondere Vorkommnisse bei der Wahl in der Niederschrift aufzuführen sind, ohne dass für deren Auslassung ein Grund bestehen würde. c) Rechtswissenschaftliche Aufarbeitung der Schwerbehindertenvertretungswahl Die aufgeführten Regelungsdefizite zeigen andeutungsweise, dass sich aus den kodifizierten Vorschriften zur Schwerbehindertenvertretungswahl eine Vielzahl rechtlich problematischer Fragestellungen ergeben. Deren Mannigfaltigkeit ist angesichts der Komplexität betrieblicher Interessenvertretungswahlen im Allgemeinen und den spezifischen Eigenheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl im Besonderen nur schwer zu überblicken und in ihrer Gesamtheit dogmatisch zu durchdringen. Infolgedessen wird die Schwerbehindertenvertretungswahl in der rechtswissenschaftlichen Aufarbeitung eher stiefmütterlich behandelt, was nicht unerheblich dazu beiträgt, dass deren praktischen Bedeutung bisweilen deutlich unterschätzt wird. aa) Aufarbeitung in wissenschaftlichen Monographien Angesichts der großen Zahl existierender Schwerbehindertenvertretungen und der damit einhergehenden Vielzahl durchzuführender Schwerbehindertenvertretungswahlen erscheint es verwunderlich, dass diese Thematik bisher kaum eingehend dogmatisch durchleuchtet wurde. Soweit ersichtlich befasste sich bisher lediglich eine Dissertation34 überhaupt mit der Schwerbehindertenvertretung im Allgemeinen. Deren inhaltlicher Ausrichtung geschuldet, enthielt diese jedoch keine intensivere Auseinandersetzung mit den Fragestellungen der Schwerbehindertenvertretungswahl, sondern beschränkte sich im Wesentlichen auf eine etwa 20-seitige Darstellung der Grundlagen der Wahl.35 34 35
Schmidt, Die Schwerbehindertenvertretung im Betrieb, Wehr 1991. Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 24–43.
§ 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung
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Die im Übrigen existierenden Monographien, die sich mit der Schwerbehindertenvertretungswahl befassen, lassen sich in zwei Kategorien unterteilen. Einen Teil dieser Monographien stellen die von unterschiedlichen Trägern und Verlagen herausgegeben Praxisleitfäden zur Schwerbehindertenvertretungswahl dar.36 Diese sind auf die Arbeit der wahlleitenden Organe zugeschnitten und weisen nur partiell rechtswissenschaftliche Untersuchungen einzelner umstrittener Fragen auf. Die zweite Gruppe von Monographien sind Arbeiten, deren Forschungsschwerpunkte auf anderen Themenkomplexen liegen und die nur am Rande einzelne Problemkreise der Schwerbehindertenvertretungswahl streifen.37 Beide Gruppen tragen somit nur sehr eingeschränkt zur fundierten rechtswissenschaftlichen Durchdringung der Schwerbehindertenvertretungswahl bei. bb) Aufarbeitung in der Kommentar- und Aufsatzliteratur Betrachtet man die einschlägige Kommentar-, Handbuch- und Aufsatzliteratur, ist dieser eine deutliche Praxisorientierung anzumerken. Format- und zielgruppenbedingt lassen diese nicht selten eine vertiefte Untersuchung und kritisch reflektierende Auseinandersetzung mit Problemfragen vermissen. Stattdessen beschränken sie sich häufig darauf, lediglich die Ergebnisse ihrer Gedanken wiederzugeben und anstelle einer eigenen Begründung auf andere Quelle zu verweisen. Fernerhin führt die intensive praktische Ausrichtung zu einem eher diffusen Spektrum partieller Einzellösungen, die bisweilen den Blick für eine Systemeinheitlichkeit und die Kompatibilität mit der Gesamtkonzeption der Wahl vermissen lassen. Eine solche auf Einzelfragen konzentrierte Herangehensweise kommt ohne Frage den Bedürfnissen der Praxis nach schnellen unkomplizierten Antworten entgegen. Allerdings birgt sie Risiken hinsichtlich der dogmatischen Tragfähigkeit der Auffassungen und leistet zugleich einen nur begrenzten Beitrag zur rechtswissenschaftlichen Durchdringung der Materie. cc) Aufarbeitung in der Rechtsprechung Schließlich ist auch die Bedeutung der Rechtsprechung bei der fundierten Aufarbeitung der Schwerbehindertenvertretungswahl als gering einzustufen. Zwar 36 Vgl. z. B. Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, 5. Aufl., Frankfurt a. M. 2010; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.), Wahl der Schwerbehindertenvertretung, Münster 2009; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung 2006, Berlin 2006. 37 Vgl. z. B. Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 141–143; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 298–302; Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 19; Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 217–219; Triemel, Minderheitenschutz in den Organisationsvorschriften der Betriebsverfassung, S. 279– 280.
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Kap. 1: Einleitung
mag durch die höchstrichterlichen Entscheidungen der letzten Jahre ein leicht verzerrtes Bild gefördert worden sein, jedoch existiert bis heute nur eine überschaubare Anzahl gerichtlicher Entscheidungen, die sich näher mit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung auseinander gesetzt hat.38 Ursächlich ist hierbei sicher nicht ein besonders hoher Grad allseits korrekter Wahldurchführungen. Ausschlagend dürfte vielmehr die im Bereich der Schwerbehindertenvertretungswahl wesentlich geringer ausgeprägte Bereitschaft sein, während oder im Anschluss an die Wahl Rechtsmittel zu ergreifen und damit fehlerhafte Abstimmungen anzugreifen. Infolgedessen konnte die Rechtsprechung bisher nur sehr punktuell zur rechtswissenschaftlichen Durchdringung der Schwerbehindertenvertretungswahl beitragen. Dies gilt umso mehr als sie schon aus ihrer Funktion heraus nur bedingt in der Lage ist, eine umfassende Auseinandersetzung mit sämtlichen relevanten Streitfragen einer Materie zu leisten. dd) Zusammenfassung Damit lässt sich manifestieren, dass die Schwerbehindertenvertretungswahl in ihrer Komplexität bisher weder durch die einschlägige Literatur noch durch die ergangene Rechtsprechung einer umfassenden, dogmatisch fundierten Untersuchung unterzogen worden ist.
II. Ziel der vorliegenden Arbeit Dieser Befund erscheint höchst unbefriedigend. Schließlich wäre eine fundierte rechtswissenschaftliche Betrachtung der Schwerbehindertenvertretungswahl dringend geboten, um die zahlreichen regelungstechnisch und historisch bedingten Unstimmigkeiten und offenen Rechtsfragen jeweils einer dogmatisch abgesicherten und im Einklang mit dem Gesamtkonzept der Wahl stehenden Lösung zuzuführen. Dieses Bedürfnis nimmt die vorliegende Arbeit zum Anlass, um die Schwerbehindertenvertretungswahl einer intensiven rechtlichen Durchleuchtung zu unterziehen und dadurch einen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser spezifischen Interessenvertretungswahl zu leisten.
38 Eine Juris-Recherche vom 15.08.2011 förderte gerade einmal knapp über 25 Entscheidungen zutage, die sich mit den Regelungen zur Schwerbehindertenvertretungswahl befassen. Nach erneuter Rechchere am 08.02.2012 war ein sprunghafter Anstieg um zwölf weitere (vorwiegend zweitinstanzliche) Entscheidung zu verzeichnen. Dieser Anstieg zeigt zwar eine gestiegene Aufmerksamkeit und Bedeutung der Wahlen in der gerichtlichen Praxis. Von einer signifikanten Durchdringung der Materie durch die Rechtsprechung ist die Schwerbehindertenvertretungswahl jedoch auch mit insgesamt nicht einmal 40 bei Juris dokumentierten Entscheidungen immer noch weit entfernt.
§ 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung
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1. Fundierte Untersuchung der zentralen Problembereiche Ziel der Arbeit ist es dabei, die zentralen Bereiche der Schwerbehindertenvertretungswahl mithilfe juristischer Methodik einer intensiven Betrachtung zu unterwerfen. Den Ausgangspunkt sollen dabei die maßgeblichen Wahlvorschriften des § 94 SGB IX und der SchwbVWO bilden, die auf ihre Vollständigkeit und ihre Systemeinheitlichkeit hin überprüft werden sollen. Hierbei wird es notwendig sein, sich auch mit den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten zu den betreffenden Regelungen auseinander zu setzen und diese auf ihre Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Im Rahmen dessen wird es erforderlich sein, eine Reihe von Normen nach rechtswissenschaftlichen Methoden auszulegen und ihre dogmatischen Grundlagen zu ermitteln, um deren inhaltliche Reichweite abschließend beurteilen und sie in das Gesamtbild der Wahlkonzeption einordnen zu können. Als Ergebnis dieser Untersuchung sollen etwaige Regelungslücken und systematische Widersprüche aufgezeigt werden, um so einerseits sachgerechte und problemorientierte Lösungsmöglichkeiten entwickeln und gleichzeitig verbleibenden gesetz- und verordnungsgeberischen Handlungsbedarf verdeutlichen zu können. 2. Einbeziehung der Bedeutung der Wahlgrundsätze Besonderes Augenmerk soll bei der Untersuchung auch auf die Bedeutung der für die Schwerbehindertenvertretungswahl geltenden Wahlgrundsätze gelenkt werden. Deren Dogmen und Wechselbeziehungen prägen die Wahl ganz entscheidend und können dadurch die wesentlichen Grundgedanken und Zielrichtungen einzelner Regelungen offenbaren. Hierdurch bieten die Wahlgrundsätze wertvolle Anhaltspunkte für eine den Intentionen der Normgeber entsprechende Auslegung und Schließung bestehender Regelungslücken. 3. Berücksichtigung des Kontextes der Schwerbehindertenvertretungswahl Gleichzeitig ist bei der Untersuchung der Kontext der Schwerbehindertenvertretungswahlen im Blick zu behalten. Schließlich ist die Schwerbehindertenvertretung trotz ihrer Eigenständigkeit fest integrierter Bestandteil der betrieblichen Interessenvertretungsorgane, deren Regelungen zunehmend einander angeglichen worden sind. Aus diesem Grund sollen unter normsystematischen Gesichtspunkten auch die Regelungen zu anderen betrieblichen Interessenvertretungen, insbesondere die der Betriebsratswahl in die Betrachtung einbezogen werden, um aus etwaigen Äquivalenzen oder Divergenzen entsprechende Rückschlüsse für die Schwerbehindertenvertretungswahl ziehen zu können.
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Kap. 1: Einleitung
4. Zusammenfassung Im Ergebnis verfolgt die Arbeit das Ziel, dogmatisch fundierte und systemeinheitliche Lösungen für die wesentlichen Problembereiche der Schwerbehindertenvertretungswahl zu liefern. Dabei sollen anhand der Struktur der Wahl als auch unter Berücksichtigung der dogmatischen Grundlagen belastbare Argumente für die zu rechtlich problematischen Fragestellungen vorliegend vertretenen Ansichten entwickelt werden.
III. Gang der Untersuchung Um diese Zielsetzung zu verwirklichen und eine fundierte Untersuchung der zentralen rechtlichen Fragenstellungen zu vollziehen, sollen im zweiten Kapitel zunächst eingehend die allgemeinen Grundlagen der Schwerbehindertenvertretungswahl betrachtet werden. Zu Beginn sind dabei die sich durch die gesamten Wahlvorschriften ziehenden Wahlgrundsätze herauszuarbeiten, um diese im weiteren Verlauf in teleologischer Hinsicht fruchtbar machen zu können. Anschließend gilt es, die spezifischen Voraussetzungen der Schwerbehindertenvertretungswahl zu untersuchen. Diese sind zwar denen der Betriebsratswahl nachgebildet, weisen jedoch gleichwohl nicht unerhebliche Abweichungen auf. In diesem Zusammenhang muss neben den Schwellenwertmerkmalen insbesondere auch auf die Schwierigkeiten eingegangen werden, die sich aus der Bezugnahme auf den Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsrechts ergeben. Sodann sind das aktive wie das passive Wahlrecht in den Blick zu nehmen, um die Vielzahl der insoweit umstrittenen Tatbestandsmerkmale kritisch zu hinterfragen. Schließlich wirft auch die Aufsplittung der Schwerbehindertenvertretungswahl in zwei unterschiedliche, nach strikten Kriterien getrennte Wahlverfahren wesentliche Rechtsfragen auf, die es zu durchleuchten gilt. In einem dritten Kapitel soll sodann der Fokus der Untersuchung auf den Anstoß der Wahl gelenkt werden, weil dieser für das Stattfinden der Wahl eine Schlüsselstellung einnimmt. Von besonderem Interesse sind dabei die sich um die Initiierung und den Beginn der Wahl rankenden Problemkreise. Denn diese sind nur rudimentär normiert, so dass sich zahlreiche Regelungslücken und Probleme ergeben. Abrundend ist in einem vierten Kapitel auf ausgewählte Problembereiche einzugehen, die im Rahmen der Vorbereitungs-, der Durchführung- und der Nachbereitungsphase eine zentrale Rolle spielen und dadurch wesentliche Rechtsfragen der Schwerbehindertenvertretungswahl aufwerfen. Nach der Untersuchung der zentralen Problembereiche der Schwerbehindertenvertretungswahl werden die gewonnenen Erkenntnisse sodann zusammengefasst und abschließend bewertet.
§ 1 Einführung, Ziel und Gang der Untersuchung
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IV. Themenabgrenzung Das umschriebene Vorhaben ist bereits durch die Vielzahl als wesentlich zu bewertender Problembereiche der Schwerbehindertenvertretungswahl sehr umfassend angelegt. Die Arbeit sprengte jedoch jeglichen Rahmen, wollte man sämtliche Fragen von Relevanz behandeln. Die vorliegende Untersuchung kann sich daher nur auf ausgewählte Themenkomplexe konzentrieren und soll deshalb auch keine vollumfängliche oder gar abschließende Betrachtung leisten. Neben dieser selektiven Einengung der Themenauswahl soll der Umfang dieser Arbeit auch dadurch begrenzt werden, dass bestimmte institutionelle Anwendungsbereiche des SGB IX vollständig ausgeblendet werden. Dies gilt zuvorderst für sämtliche Dienststellen39, Gerichte und Staatsanwaltschaften. Für solche sind zwar ebenfalls Schwerbehindertenvertretungen zu wählen, jedoch sehen die Wahlvorschriften für diese zahlreiche Sonderregelungen vor,40 deren Einbeziehung in die Untersuchung den gebotenen Rahmen deutlich überspannen würde. Auch Fragen der Geltung des § 94 SGB IX und der SchwbVWO in kirchlichen Einrichtungen41 sollen zur Begrenzung des Umfangs nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Stattdessen soll sich die Arbeit auf die Schwerbehindertenvertretungswahl in Betrieben der Privatwirtschaft konzentrieren und die Untersuchung damit auf das Spannungsfeld zum Betriebsverfassungsrecht beschränken.
39 Zu dem in § 94 Abs. 1 SGB IX verwendeten Begriff der Dienststellen: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 23 f.; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 22 ff.; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/ Welti, SGB IX, § 94 Rn. 8 f. 40 Vgl. zu den für Gerichte und Staatsanwaltschaften geltenden Sonderregelungen: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 98 ff. und 101 f.; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 15 ff.; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 14 ff. 41 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 7.
Kapitel 2
Allgemeine Grundlagen § 2 Wahlgrundsätze I. Bedeutung der Wahlgrundsätze Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung wird von einer Fülle von Grundsätzen und Maximen durchzogen, die das gesamte Wahlprozedere beeinflussen und dominieren. Hieran besitzen die ausdrücklich normierten Wahlgrundsätze1 nur einen vergleichsweise kleinen Anteil. Der überwiegende Teil der die Wahl prägenden Prinzipien lässt sich nur mittelbar aus den Wahlvorschriften und den Regelungszusammenhängen ableiten.2 Im Rahmen der nicht ausdrücklich normierten Wahlgrundsätze3 kann man ursprungsbezogen zwischen zwei Gruppen unterscheiden. Zum einen lassen sich eine Reihe der für die Schwerbehindertenvertretungswahl maßgeblichen Wahlmaximen den allgemeinen Grundprinzipien demokratischer Wahlen zuordnen. Zum anderen sind aber auch Grundprinzipien auszumachen, die der spezifischen Typik betrieblicher Interessenvertretungswahlen folgen oder gar ausschließlich den Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl Rechnung tragen. Die Bedeutung dieser allgemeinen und spezifischen Wahlgrundsätze geht über Etablierung bloßer Leitlinien weit hinaus. Bei näherer Betrachtung der Wahlvorschriften wird deutlich, dass sich eine Vielzahl der zentralen Normen auf die besagten Grundsätze zurückführen lässt. Damit liefern diese Wahlgrundsätze nicht nur wesentliche Anhaltspunkte für die dogmatische Begründung der jeweiligen Regelung. Vielmehr bilden sie zugleich auch die Grundpfeiler einer am Normzweck orientierten Auslegung. Fernerhin geben die Grundsätze vor, in welche Richtung eine ggf. bestehende Regelungslücke zu schließen ist, um eine an den Intentionen des Normgebers orientierte Anwendung der Wahlvorschriften zu gewährleisten. Im Folgenden sollen daher die allgemeine Bedeutung und Tragweite dieser Grundsätze dargestellt und ihr Einfluss auf die Ausgestaltung der Wahlvorschrif1
Siehe dazu sogleich unten § 2 II. 1. bis 3. In dieser Richtung in Bezug auf Betriebsratswahlen: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 10. 3 Siehe dazu unter § 2 III. und IV. 2
§ 2 Wahlgrundsätze
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ten aufgezeigt werden, um einerseits ihre Bedeutung für das Wahlverfahren belegen und zugleich für die Auslegung von Wahlvorschriften Rückschlüsse ziehen zu können.
II. Ausdrücklich normierte allgemeine Wahlgrundsätze Eine ausdrückliche Normierung allgemeiner Grundsätze der Schwerbehindertenvertretungswahl ist lediglich in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB IX erfolgt. Dort ist vorgeschrieben, dass die Wahl der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder in geheimer und unmittelbarer Abstimmung nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl zu erfolgen habe. 1. Grundsatz der geheimen Wahl Der Grundsatz der geheimen Wahl zählt zu den elementaren Prinzipien demokratischer Wahlen4. Insofern ist es konsequent, dass der Gesetzgeber diese Grundsätze auch für die anderen betrieblichen Interessenvertretungen ausdrücklich normiert hat (vgl. § 14 Abs. 1 BetrVG; § 63 Abs. 1 BetrVG; § 6 Abs. 1 SprAuG) und damit ein Gleichlauf der verschiedenen Wahlvorschriften gewährleistet ist. a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der geheimen Wahl gebietet, dass die Abstimmung so erfolgt, dass für keine andere Person erkennbar ist, welche Wahlentscheidung der Wahlberechtigte getroffen hat.5 Hierdurch sollen die Wähler vor Druck und Repressalien Anderer geschützt und dadurch eine unbeeinflusste Stimmabgabe ermöglicht werden.6 Der Grundsatz der geheimen Wahl stellt somit eine institutionelle Sicherung der Wahlfreiheit dar.7 4
LAG Hessen vom 01.12.2011, 9 TaBV 130/11. OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 23; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 28; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 181; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 28; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 65; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 80. Vgl. BVerfG vom 03.03.2009, 2 BvC 3, 4/07, NVwZ 2009, 708, 712; LAG Hessen vom 10.11.2011, 9 TaBV 104/11; LAG Hamm vom 14.09.2007, 13 TaBV 2/07; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 76; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 12; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14 Rn. 7; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 14 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 12; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 114; Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 5; Schiefer/Korte, NZA 2002, 57, 61. 6 OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 23; OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 149; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 28; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 65. Vgl. auch LAG Hessen vom 01.12.2011, 9 TaBV 130/11. In Bezug auf die Betriebsratswahl: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 12. 5
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
In dieser Funktion erfasst der Grundsatz der geheimen Wahl nicht nur den eigentlichen Akt der Stimmabgabe, sondern das gesamte Wahlprozedere.8 Daher muss sowohl im Vorfeld wie im Nachgang der Stimmabgabe sichergestellt werden, dass keine Rückschlüsse auf die Wahlentscheidung gezogen werden können. Schließlich wäre es nicht auszuschließen, dass sich Wähler auch durch ein nachträgliches Bekanntwerden ihres Stimmverhaltens in der Freiheit ihrer Entscheidung beeinträchtigt fühlen, weil sie insoweit einem durch Dritte im Vorfeld aufgebauten Druck ausgeliefert wären. Aus diesem Grund sind auch die Verwertung von freiwillig abgegebenen, eidesstattlichen Versicherungen über das Stimmverhalten oder diesbezügliche Vernehmung von Wählern ausgeschlossen.9 Darüber hinaus steht der Grundsatz der geheimen Wahl aber auch in einem Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit der Wahl. Dieses kommt vornehmlich dadurch zustande, dass zugunsten der Allgemeinheit und Barrierefreiheit eine Briefwahl an die Stelle der persönlichen Stimmabgabe treten kann10 oder bei der Kennzeichnung der Stimmzettel auch eine Hinzuziehung von Hilfspersonen zugelassen wird.11 In der Folge ist der Grundsatz der geheimen Wahl bestimmten Durchbrechungen unterworfen, die sich aus den genannten anderen Wahlgrundsätzen heraus rechtfertigen. b) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Grundsatz der geheimen Wahl hat in den Wahlvorschriften zahlreiche Konkretisierungen erfahren.12 Vor allem die in den §§ 9 und 10 SchwbVWO zu findenden Regelungen über Stimmabgabe und Wahlvorgang sind in besonderer Weise durch den Grundsatz der geheimen Wahl geprägt. Dies zeigt sich nicht nur 7 BVerfG vom 16.07.1998, 2 BvR 1953/95, NJW 1999, 43, 45; Butzer, in: Epping/ Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 76. Vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 23; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 28; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 65; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 114. A. A. aber offenbar LAG Hessen vom 27.09.2012, 16 Sa 1741/11, das eine Betriebsratswahl per Handzeichen als nicht schwerwiegenden Mangel einstufte. 8 Vgl. in Bezug auf die Schwerbehindertenvertretungswahl: OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 149; LAG Hessen vom 01.12.2011, 9 TaBV 130/11. Vgl. auch BVerwG vom 21.07.1975, VII P 1.74, NJW 1976, 259, 259; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 76; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 20. 9 LAG Hamm vom 19.09.2008, 10 TaBV 53/08. Für die Personal- und Betriebsratwahlen: BVerwG vom 21.07.1975, VII P 1.74, NJW 1976, 259, 259; LAG Hamm vom 05.08.2011, 10 TaBV 13/11; LAG Hamm vom 14.09.2007, 13 TaBV 2/07; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 15; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 20; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 15. 10 Siehe dazu unten § 9 II. 1. d) cc). 11 Siehe dazu unten § 9 II. 4. a). 12 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 80.
§ 2 Wahlgrundsätze
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in der Anordnung, dass die Stimmabgabe in der Weise zu erfolgen hat, dass die Stimmzettel in Wahlumschläge zu legen sind.13 Deutlich wird der Grundsatz der geheimen Wahl vielmehr auch in der vorgegebenen Gleichartigkeit der Wahlunterlagen,14 die vor allem im vereinfachten Wahlverfahren praktische Schwierigkeiten bereitet.15 Daneben sind auch die vorgeschriebenen Vorkehrungen zur unbeobachteten Kennzeichnung der Stimmzettel16 und die Verpflichtung zur Anwesenheit von Wahlvorstandsmitgliedern17 Ausdruck des Grundsatzes der geheimen Wahl. Schließlich dient auch die für das förmliche Wahlverfahren vorgeschriebene Verwendung von Wahlurnen der Gewährleistung der geheimen Wahl.18 Hierdurch stellt sich die Frage, welche Anforderungen an den „Behälter“ zu stellen sind, der im vereinfachten Verfahren anstelle einer Wahlurne vorgesehen ist.19 2. Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl Mit der Anordnung der Unmittelbarkeit der Wahl findet ein weiterer Grundsatz bei der Durchführung der Schwerbehindertenvertretungswahl Anwendung, der für betriebliche Interessenvertretungswahlen einheitlich normiert worden ist (vgl. § 14 Abs. 1 BetrVG; § 63 Abs. 1 BetrVG; § 6 Abs. 1 SprAuG). a) Inhalt und Bedeutung Durch den Grundsatz der Unmittelbarkeit ist vorgeschrieben, dass die Entscheidung über die Schwerbehindertenvertrauensperson und die stellvertretenden Mitglieder als Urwahl persönlich und direkt durch die Wahlberechtigten getroffen werden muss.20 Das Wahlverfahren muss damit so gestaltet sein, dass die Stimmen der Wahlberechtigten den alleinigen Ausschlag für die Wahlentscheidung geben und die auf den abgegebenen Stimmen basierende Ergebnisermittlung ausschließlich unter Zugrundlegung mathematischer und juristischer Gesichtspunkten erfolgt.21 Daher ist insbesondere eine mittelbare Abstimmung über Wahlmänner bzw. Delegierte – wie dies etwa in Teilbereichen des Unternehmens13
Siehe dazu unten § 9 II. 1. a). Siehe dazu unten § 8 II. 6. b). 15 Siehe dazu unten § 8 II. 6. b) bb). 16 Siehe dazu unten § 9 II. 1. a). 17 Siehe dazu unten § 9 II. 1. c). 18 Siehe dazu unten § 9 II. 1. b). 19 Siehe dazu unten § 9 II. 1. b). 20 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 180; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 68; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 36; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 81. 21 Vgl. für die Betriebsratswahl: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 24. 14
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
mitbestimmungsrechts vorgesehen ist22 – für die Schwerbehindertenvertretungswahl ausgeschlossen.23 Ebenso unzulässig ist grundsätzlich jedwede Form der Stellvertretung bei der Stimmabgabe.24 Auch diese würde nämlich dazu führen würde, dass nicht mehr die unmittelbare Willenäußerung des Wahlberechtigten Gegenstand des Abstimmungsergebnisses wäre, sondern eine dritte Person zwischengeschaltet werden würde. Dies würde infolge der fehlenden Personenidentität ein zusätzliches Risiko der Divergenz von Wählerwillen und tatsächlichem Inhalt des Stimmzettels bergen würde und ist daher durch den Grundsatz der Unmittelbarkeit ausgeschlossen. Auch zwischen dem Unmittelbarkeitsgrundsatz einerseits und den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit andererseits besteht ein rechtliches Spannungsverhältnis. Kernpunkt dessen sind dabei wiederum die aus der Briefwahl und der Hinzuziehung von Hilfspersonen folgenden Widersprüche.25 Auch insoweit kommt es zu gerechtfertigten Einschränkungen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes. b) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit ist fest in den Vorschriften zur Schwerbehindertenvertretungswahl verankert. Er zeigt sich insbesondere in der Ausgestaltung der Stimmabgabehandlung, die konsequent darauf ausgerichtet ist, dass der gesamte Akt der persönlichen Stimmabgabe ausschließlich durch den Wahlberechtigten selbst zu erfolgen hat. Gleichzeitig kommt der Unmittelbarkeitsgrundsatz in den Regelungen über die wählbaren Personen zum Ausdruck. In diesen ist normiert, dass sich die Wahl stets auf konkret vorgeschlagene Perso22 Vgl. Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, MitbestG, § 9 Rn. 1 f.; Oetker, in: ErfK, MitbestG, § 9 Rn. 2 und § 18 Rn. 2 ff.; Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, MitbestG, §§ 9–18 Rn. 2; Wißmann, in: Wißmann/Koberski/Kleinsorge/Freis, Mitbestimmungsrecht, MitbestG, Vor § 9 Rn. 150 f. Vgl. zum Verhältnis dieser Delegiertenwahl zum Demokratieprinzip der Unmittelbarkeit der Wahl: Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, MitbestG, § 9 Rn. 6. 23 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 13; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 28 Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 28; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 68; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 36; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 81; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 39; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 42. 24 Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 81. Ebenso für die Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 16; D. Heise, in: Heise/Lembke/v. Steinau-Steinrück, BetrVG, § 14 Rn. 5; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14 Rn. 13; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 17. 25 Siehe dazu unten § 9 II. 1. d) cc) und § 9 II. 4. a).
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nen beziehen muss und damit die Wahl flexibler Listen ebenso ausgeschlossen ist wie die nachträglichen Nominierungen von Ersatzpersonen.26 Der Grundsatz der Unmittelbarkeit wirkt letztlich auch entscheidend auf die Vorschriften zur Stimmauszählung ein. 3. Grundsätze der Mehrheitswahl Mit der in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB IX zu findenden Anordnung der Grundsätze der Mehrheitswahl wird kein allgemeiner Wahlgrundsatz im engeren Sinne statuiert. Vielmehr wird dadurch nur das für die Schwerbehindertenvertretungswahl durchzuführende Wahlsystem vorgegeben. a) Sonderstellung im Hinblick auf das durchzuführende Wahlsystem Für betriebliche Interessenvertretungswahlen ist im Regelfall eine Abstimmung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorgesehen. Eine Mehrheitswahl findet dort lediglich dann statt, wenn entweder nur ein Listenvorschlag eingereicht wurde oder ein vereinfachtes Wahlverfahren durchzuführen ist (§ 14 Abs. 2 BetrVG; § 63 Abs. 2 Satz 2 i.V. m. § 14 Abs. 2 BetrVG; § 6 Abs. 2 SprAuG). Im Gegensatz dazu wird die Schwerbehindertenvertretungswahl ausschließlich nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt. Im Hinblick auf das durchzuführende Wahlsystem nimmt sie somit eine Sonderstellung ein. Diese Sonderstellung folgt aus der im Gesetz angelegten, besonderen Organstruktur der Schwerbehindertenvertretung. Anders als die übrigen Interessenvertretungen ist die Schwerbehindertenvertretung nicht als Kollegialorgan, sondern als Ein-Personen-Vertretung konstruiert.27 Dass auch stellvertretende Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung gewählt werden, ändert an dieser strukturellen Besonderheit nichts. Dies gilt selbst dann, wenn nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX eine Heranziehung stellvertretender Mitglieder möglich ist.28 Die Schwerbehindertenvertretung besteht somit unabhängig von der Größe des Betriebs oder der Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten stets nur aus einer Person. Damit ist im Rahmen der Wahl der Schwerbehindertenvertretung grundsätzlich auch nur 26 Vgl. zu den insoweit geltenden Anforderungen an die starre Festlegung der Bewerber bei Listenwahl: BVerfG vom 15.02.1978, 2 BvR 134, 268/76, NJW 1978, 1967, 1969; BVerfG vom 11.11.1953, 1 BvL 67/52, BVerfGE 3, 45, 45 ff.; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 56. Vgl. dazu auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 25. 27 Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 60; Trenk-Hintergeber, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 95 Rn. 12. Vgl. auch LAG Köln vom 24.11.2011, 6 TaBV 67/11; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 8; Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 30. 28 Trenk-Hintergeber, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 95 Rn. 12. Vgl. auch Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 70.
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ein Amt zu besetzen. Die Durchführung einer Listenwahl wäre dafür wenig sinnvoll.29 Dementsprechend ist es in Bezug auf die Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson folgerichtig, dass der Gesetzgeber ausschließlich die Durchführung einer Mehrheitswahl als Wahlsystem zugelassen hat. Im Hinblick auf die Wahl der stellvertretenden Mitglieder wäre die Anordnung einer Mehrheitswahl hingegen nicht zwingend durch die besondere Organstruktur geboten gewesen. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB IX auch hierbei für die Mehrheitswahl als Wahlsystem entschieden. b) Inhalt und Bedeutung Infolge der Anordnung der Mehrheitswahl sind die Schwerbehindertenvertrauensperson und die stellvertretenden Mitglieder durch Personenwahl zu bestimmen. Auf den Grundsätzen der Verhältniswahl basierende Wahlsysteme sind dagegen ausgeschlossen.30 Die Wahlentscheidung wird somit allein davon abhängig gemacht, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann.31 Damit wird dem Legitimations- und Repräsentationsgedanken der Wahl in besonderer Weise Rechnung getragen. Anders als bei feststehenden Vorschlagslisten können die Wahlberechtigten nämlich bei der Mehrheitswahl frei entscheiden können, welchen Personen sie ihr Vertrauen schenken wollen.32 Mit der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Mehrheitswahl wurde zugleich auch die inhaltliche Reichweite des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl insoweit begrenzt, als bei diesem Wahlsystem der Stimmenerfolgswert nicht Bestandteil des Schutzbereichs des besagten Wahlgrundsatzes ist.33 Die Grundsätze der Mehrheitswahl stehen daher in engem Zusammenhang zum Grundsatz der Wahlgleichheit. c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Die Anwendung der Grundsätze der Mehrheitswahl hat in erster Linie Auswirkungen auf die Regelungen über die Art und Weise der Stimmabgabe und die Ermittlung der gewählten Personen. Insbesondere ergeben sich dadurch Vorgaben 29 Triemel, Minderheitenschutz in den Organisationsvorschriften der Betriebsverfassung, S. 280. 30 Vgl. Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 70. Vgl. auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 82. 31 Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 23. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 69; Malcher, SchwbG, S. 85; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 28. 32 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 82, der bewusst darauf hinweist, dass die Wähler Personen und gerade keine Listen wählen. 33 Siehe dazu ausführlich unten § 2 III. 2. a).
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für die Anzahl der den Wahlberechtigten zur Verfügung stehenden Stimmen.34 Außerdem beschränkt sich der Stimmenauszählungsmechanismus auf das einfache Mehrheitsprinzip.35 Aber auch bereits bei der Einreichung und Ausgestaltung der Wahlvorschläge besitzen die Grundsätze der Mehrheitswahl Relevanz und wirken bis hin zur Regelung der Nachrückens36 gewählter Kandidaten fort. Schließlich kommt den Grundsätzen der Mehrheitswahl auch hinsichtlich der Frage nach einer zeitlichen Trennung der Wahlgänge im vereinfachten Wahlverfahren eigenständige Bedeutung zu.37
III. Mittelbar geltende allgemeine Wahlgrundsätze Neben diesen ausdrücklich normierten Wahlmaximen wird die Schwerbehindertenvertretungswahl durch eine Reihe weiterer Wahlgrundsätze dominiert. Entscheidenden Einfluss auf Ausgestaltung und Umsetzung haben nämlich auch die Grundsätze der Freiheit, Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl sowie das Publizitätsprinzip.38 Diese unterstreichen die Ausrichtung der Schwerbehindertenvertretungswahl an allgemeinen demokratischen Wahlprinzipien.39 Im Folgenden sollen jeweils Inhalt und Bedeutung dieser Wahlgrundsätze dargestellt werden, um anschließend ihre Geltung für die Schwerbehindertenvertretung herleiten und ihre Wirkung auf die Wahlvorschriften aufzeigen zu können. 1. Grundsatz der Freiheit der Wahl Zu den zentralen demokratischen Wahlprinzipien gehört der Grundsatz der Freiheit der Wahl. Dieser beansprucht nicht nur für alle öffentlichen Wahlen Geltung,40 sondern ist nach allgemeiner Ansicht auch für sämtliche betriebliche Interessenvertretungswahlen maßgeblich.41 34
Siehe zur Festlegung der Anzahl der Stimmenzahl für die Stellvertreterwahl unten § 8 II. 2. a). 35 Siehe dazu unten § 10 II. 1. c). 36 Die Frage des Nachrückens bei Ausscheiden des Amtinhabers ist mangels unmittelbaren Wahlbezugs nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. 37 Siehe dazu unten § 9 II. 2. b). 38 Vgl. Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 28. 39 Vgl. Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 28 und Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 179. Vgl. für andere betriebliche Interessenvertretungswahlen: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363 und 393 f.; D. Heise, in: Heise/Lembke/v. SteinauSteinrück, BetrVG, § 14 Rn. 3 und 6. Vgl. auch schon in Bezug auf das BRG 1920 Umbreit, Gesetz über Betriebsräte, S. 27. 40 Vgl. zum Essentialcharakter der Wahlfreiheit für jede demokratische Wahl: Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 107. 41 Allgemein für Interessenvertretungswahlen: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363, 393 und 395; Jacobs, Wahlvorstände, S. 44 f. Für die Schwerbehindertenvertretungswahl: Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 28. Für die Betriebsratswahl: BAG vom
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a) Inhalt und Bedeutung Intention des Grundsatzes der Freiheit der Wahl ist es, dass jeder Wahlberechtigte in einem offenen, unbeeinflussten Prozess der Meinungsbildung zu einer Wahlentscheidung finden und diese unverfälscht zum Ausdruck bringen kann.42 Der Wähler muss also in allen Stadien des Wahlverfahrens vor körperlichem Zwang, psychischem Druck oder sonstigen ernstlichen Einflussnahmen auf seine Entschließungsfreiheit geschützt sein.43 Dieser Schutz bezieht sich inhaltlich nicht nur auf die Wahlentscheidung an sich, also die freie, unbeeinflusste Auswahl zwischen mehreren Kandidaten. Erfasst wird vielmehr auch die Entscheidung des Wahlberechtigten darüber, ob er an der Wahl aktiv teilnehmen will oder nicht.44 Auch im Hinblick auf die Entscheidung über Wahlteilnahme darf also weder Druck aufgebaut noch dürfen an die Teilnahmeentscheidung Vor- oder Nachteile geknüpft werden.45 Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Briefwahl und der Hinzuziehung von Hilfspersonen bei der Stimmabgabe steht auch der Grundsatz der Freiheit der Wahl in einem Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit.46 Auch insoweit sind Durchbrechungen des Grundsatzes der Wahlfreiheit zu verzeichnen, so dass deren Geltung partiellen Einschränkungen unterliegt. 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; LAG München vom 27.02.2007, 8 TaBV 89/06 Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 10 und 18; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 14 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 10 und 26 f.; Küchenhoff, BetrVG, § 14 Rn. 2; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 14 Rn. 15; Reichold, in: Henssler/Willemsen/ Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 7; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 20. Für die Jugend- und Auszubildendenvertretung: Fitting, BetrVG, § 63 Rn. 5; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 63 Rn. 3. Für die Sprecherausschusswahl: Joost, in: MüArbR, § 234 Rn. 25. 42 BVerfG vom 23.11.1988, 2 BvC 3/88, NJW 1989, 1347, 1347; BVerfG vom 02.03.1977, 2 BvE 1/76, NJW 1977, 751, 751; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 58. 43 BVerfG vom 15.02.1978, 2 BvR 134, 268/76, NJW 1978, 1967, 1969; BVerfG vom 03.07.1957, 2 BvR 9/56, NJW 1957, 1313, 1313; BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 58; Kreutz, GK-BetrVG, § 14 Rn. 26; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 14 Rn. 13. 44 BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 58; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 395; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 38 Rn. 9; Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 38 Rn. 108; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 26; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 14 Rn. 15; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 83; Trute, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 35; Thüsing, in: Richardi, BetrVG § 14 Rn. 20. 45 BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 395; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 26; Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 7. 46 Siehe dazu unten § 9 II. 1. d) cc) und § 9 II. 4. a).
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b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl Die Schwerbehindertenvertretungswahl wurde als demokratisch legitimierende Abstimmung konzipiert, bei der allen zu repräsentierenden Beschäftigten ein unabdingbares Wahlrecht zuerkannt wurde.47 Im Rahmen eines solchen Wahlprozesses bildet die Wahlfreiheit einen essentiellen Wesensbestandteil, ohne den andere Wahlgrundsätze bedeutungslos wären.48 Mit der Zuerkennung des individuellen Wahl- und Stimmrechts ist also zwingend die Gewährung der Wahlfreiheit indiziert.49 Fernerhin ist zu beachten, dass einer ohne Gewährung der Wahlfreiheit durchgeführten Abstimmung keinerlei Legitimationswirkung beikommen würde.50 Die mit der Schwerbehindertenvertretungswahl intendierte demokratische Legitimation des Repräsentationsorgans liefe folglich ohne Wahlfreiheit gänzlich leer. Die Ausgestaltung als demokratisch legitimierende Abstimmung erfordert somit schlechterdings eine auf den Gesamtprozess bezogene, umfassende Gewährleistung der Freiheit der Wahl. Mit der gesetzgeberischen Entscheidung die Schwerbehindertenvertretung durch Wahl zu bestimmen und ihr dadurch ihre demokratische Legitimation als Repräsentationsorgan zu verschaffen, wurde die Abstimmung also zugleich auch dem Grundsatz der Wahlfreiheit unterworfen. Ungeachtet dessen findet sich auch in § 94 Abs. 6 Satz 2 Var. 2 SGB IX eine deutliche Bestätigung der Geltung des Grundsatzes der Wahlfreiheit. Dort wird nämlich angeordnet, dass für den Schutz der Schwerbehindertenvertretungswahl die für die Betriebsratswahl maßgeblichen Vorschriften Anwendung finden. Damit sind die gerade zur Absicherung der Wahlfreiheit existierenden51 Regelungen des § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG entsprechend anzuwenden.52
47 Vgl. zur Unabdingbarkeit des Wahlrechts in Bezug auf Betriebsratswahlen: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 26. Vgl. zum Legitimationscharakter betrieblicher Interessenvertretungswahlen Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363; v. HoyningenHuene, in: MüArbR, § 212 Rn. 12. 48 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 107; Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, GG, Art. 38 Rn. 67. 49 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 10. 50 BVerfG vom 02.03.1977, 2 BvE 1/76, NJW 1977, 751, 751; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 107. 51 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 26 und § 20 Rn. 1. Vgl. auch Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 7 und Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 20 Rn. 8. 52 Infolge dieser Verweisung sind die Wahlschutzbestimmungen für die Schwerbehindertenvertretungswahl und die Betriebsratswahl im Grundsatz deckungsgleich. Dabei sind für die Schwerbehindertenvertretungswahl auch keine signifikanten Besonderheiten zu beachten. Daher soll auf eine gesonderte Darstellung der Regelungen über den Schutz der Wahl im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet werden.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Während der Grundsatz der freien Wahl in der gesetzlichen Vorschrift des § 94 Abs. 6 SGB IX klar verankert ist, hat er den Wahlvorschriften der SchwbVWO kaum eigenständige Prägung verliehen. Vielmehr kommt in den Regelungen der SchwbVWO vornehmlich der Grundsatz der geheimen Wahl als spezifische Ausformung der Wahlfreiheit zum Ausdruck.53 Spiegelbildlich dazu lässt sich allerdings auch die Regelungen des § 10 Abs. 2 SchwbVWO zur Anwesenheitspflicht wahlleitender Personen im Wahllokal insoweit auf den Grundsatz der freien Wahl zurückführen als deren Anwesenheit auch gewährleisten, dass stets nur eine Person die „Wahlkabine“ betritt und diese dadurch bei der Stimmabgabe nicht durch Dritte beeinflusst werden kann. 2. Grundsatz der Gleichheit der Wahl Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gehört ebenfalls zu den obersten Prinzipien demokratischer Wahlen. Auch er gilt daher sowohl für alle öffentlichen Wahlen54 wie auch für sämtliche betriebliche Interessenvertretungswahlen gleichermaßen.55 a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der gleichen Wahl wird im Unterschied zum allgemeinen Gleichheitssatz in einem streng formalen Sinne verstanden und verlangt, dass jede gültig abgegebene Wählerstimme – im Rahmen des gesetzgeberisch gewählten Wahlsystems – den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben muss.56 Die Stimme eines jeden Wahlberechtigten muss also den gleichen Zählwert und 53
Siehe dazu oben § 2 II. 1. b). Vgl. nur für die Bundestagswahl BVerfG vom 03.07.2008, 2 BvC 1/07, NVwZ 2008, 991, 993; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 48. 55 Allgemein für Interessenvertretungswahlen: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363, 393 und 395; Jacobs, Wahlvorstände, S. 45. Für die Schwerbehindertenvertretungswahl: Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 28. Vgl. für die Betriebsratswahl: BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; LAG München vom 27.02.2007, 8 TaBV 89/06; LAG Baden-Württemberg vom 29.11.1990, 4b TaBV 2/90, AiB 1991, 276, 276; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 10 und 18; D. Heise, in: Heise/Lembke/ v. Steinau-Steinrück, BetrVG, § 14 Rn. 6; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14 Rn. 14; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 14 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 10 und 28; Küchenhoff, BetrVG, § 14 Rn. 2; Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 8; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 18. Für die Jugend- und Auszubildendenvertretung: Fitting, BetrVG, § 63 Rn. 5; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 63 Rn. 3. Für die Sprecherausschusswahl: Joost, in: MüArbR, § 234 Rn. 25. 56 Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 63; Kreutz, in: GKBetrVG, § 14 Rn. 28. Vgl. auch Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14 Rn. 14; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 119 f. und Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 18. 54
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zumindest die gleichen rechtlichen Erfolgschancen besitzen.57 Inwieweit neben der Erfolgschancengleichheit auch eine Erfolgswertgleichheit erforderlich ist, hängt entscheidend vom maßgeblichen Wahlsystem ab. Für den Fall der Verhältniswahl bedeutet Wahlgleichheit neben der Zählwertgleichheit auch, dass jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Vertretung haben muss. In diesem Wahlsystem verlangt der Grundsatz der Wahlgleichheit damit auch, dass in Bezug auf den Erfolgswert Gleichheit besteht.58 Im Fall der Mehrheitswahl stellt der Grundsatz der Gleichheit der Wahl dagegen geringere Anforderungen. Über die Zählwertgleichheit hinaus verlangt er im Wesentlichen nur, dass die Wahlberechtigten die Möglichkeit haben, mit annähernd gleichem Stimmgewicht am Kreationsvorgang teilzunehmen. 59 Der Grundsatz der Wahlgleichheit steht damit immer auch in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz des bei der jeweiligen Wahl anzuwendenden Wahlverfahrens. Darüber hinaus erstreckt sich der Grundsatz der Wahlgleichheit auch auf das Wahlvorschlagsrecht und das passive Wahlrecht.60 Jedem passiv Wählbaren müssen daher die gleichen Möglichkeiten zur Kandidatur und zum Wettbewerb um Wählerstimmen eingeräumt werden.61 Mit dieser insoweit gebotenen Chancengleichheit der Wahlbewerber korrespondiert auch die Neutralität der wahlleitenden Organe und der Ausschluss von Wahlbeeinflussungen.62 Der Grundsatz der Wahlgleichheit steht damit auch in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Freiheit der Wahl.63
57 BVerfG vom 13.02.2008, 2 BvK 1/07, BVerfGE 120, 82, 102. Vgl. auch Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 63 und 65; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 119 f.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 28. 58 BVerfG vom 05.04.1952, 2 BvH 1/52, BVerfGE 1, 208, 246 f.; BVerfG vom 22.05.1963, 2 BvR 194/63, BVerfGE 16, 130, 139; BVerfG vom 10.04.1997, 2 BvF 1/ 95, BVerfGE 95, 335, 353; BVerfG vom 03.07.2008, 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07, BVerfGE 121, 266, 295; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 65. 59 BVerfG vom 03.07.2008, 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07, BVerfGE 121, 266, 295; BVerfG vom 10.04.1997, 2 BvF 1/95, BVerfGE 95, 335, 353; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 65. 60 Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 68 f.; Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 38 Rn. 118. Vgl. auch BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 18; Reichold, in: Henssler/Willemsen/ Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 8; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 18, die insoweit vom Grundsatz der Chancengleichheit als Unterform der Wahlgleichheit sprechen. 61 Vgl. BVerfG vom 19.07.1966, 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56, 116; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 68 f. 62 Vgl. BVerfG vom 02.03.1977, 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125, 138 ff.; BVerfG vom 08.02.2001, 2 BvF 1/00, BVerfGE 103, 111, 130; BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 69; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 18; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 18. 63 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 10.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Anders als etwa bei der Betriebsrat- oder Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl erfährt der Grundsatz der Gleichheit bei der Schwerbehindertenvertretungswahl jedoch keine Durchbrechung zugunsten eines Minderheitenschutzes nach dem Vorbild des § 15 Abs. 2 BetrVG bzw. des § 62 Abs. 3 BetrVG. Auch eine Soll-Vorschrift i. S. d. § 4 Abs. 2 SprAuG ist in den Wahlvorschriften zur Schwerbehindertenvertretungswahl nicht enthalten. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gilt also insoweit uneingeschränkt. b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Wahlgleichheitsgrundsatz lässt sich dem Wortlaut des § 94 SGB IX nicht unmittelbar entnehmen. Allerdings handelt es sich bei diesem Grundsatz um ein aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitetes, ungeschriebenes Verfassungsrecht, das über den Anwendungsbereich der Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 Abs. 1 GG hinaus Geltung beansprucht.64 Zwar existiert kein allgemeiner Verfassungssatz, der den formalen Charakter der gleichen Wahl für alle Wahlen aller Art durchsetzen würde.65 Jedoch findet der allgemein geltende Grundsatz der formalen Wahlgleichheit nur dann keine uneingeschränkte Anwendung, wenn die Natur des in Frage stehenden Sachbereichs entsprechende Einschränkungen bedingt.66 Eine Veranlassung zu einer solchen Reduktion des allgemein geltenden Grundsatzes der Gleichheit der Wahl ist jedoch weder in Bezug auf betriebliche Interessenvertretungswahlen im Allgemeinen67 noch im Hinblick auf Schwerbehindertenvertretungswahlen im Speziellen zu erkennen. Daher beansprucht der Grundsatz der Wahlgleichheit auch ohne ausdrückliche Erwähnung in § 94 SGB IX unmittelbare Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl.68 64 BVerfG vom 05.04.1952, 2 BvH 1/52, BVerfGE 1, 208, 247; BVerfG vom 23.01.1957, 2 BvE 2/56, BVerfGE 6, 84, 91; BVerfG vom 24.02.1971, 1 BvR 438/68, 1 BvR 456/68, 1 BvR 484/68, 1 BvL 40/69, BVerfGE 30, 227, 246; BVerfG vom 16.12.1975, 2 BvL 7/74, NJW 1976, 889, 890; BVerfG vom 22.05.1979, 2 BvR 193/79, 2 BvR 197/79, BVerfGE 51, 222, 234; BVerfG vom 23.03.1982, 2 BvL 1/81, NVwZ 1982, 673, 673; BVerfG vom 16.10.1984, 2 BvL 20/82, 2 BvL 21/82, NVwZ 1985, 179, 179; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 48; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 38 Rn. 10 f.; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 77. 65 BVerfG vom 16.12.1975, 2 BvL 7/74, NJW 1976, 889, 890. 66 BVerfG vom 23.03.1982, 2 BvL 1/81, NVwZ 1982, 673, 673 f.; BVerfG vom 16.10.1984, 2 BvL 20/82, 2 BvL 21/82, NVwZ 1985, 179, 179 f. 67 So in Bezug auf Personalratswahlen: BVerfG vom 23.03.1982, 2 BvL 1/81, NVwZ 1982, 673, 673 f.; BVerfG vom 16.10.1984, 2 BvL 20/82, 2 BvL 21/82, NVwZ 1985, 179, 179. 68 Ebenso, jedoch ohne Begründung: Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 28. Wohl auch: Schleicher, WO zum SchwbG, § 9 Rn. 2. Für die Geltung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl bei der Betriebsratswahl: BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972; LAG Baden-Württemberg vom 29.11.1990, 4b TaBV 2/90, AiB 1991, 276, 276; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 10 und 18; D. Heise, in: Heise/Lembke/
§ 2 Wahlgrundsätze
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c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl wirkt nicht nur durch seine Korrelation mit dem Grundsatz der Freiheit der Wahl und den vorliegend maßgeblichen Grundsätzen der Mehrheitswahl auf die Schwerbehindertenvertretungswahl ein. Prägung verleiht der Wahlgleichheitsgrundsatz vielmehr auch den Regelungen über die Stimmabgabe, bei denen jedem Wähler gleichermaßen nur so viele Stimmen zuerkannt werden, wie Ämter zu besetzen sind.69 Ebenfalls konsequente Folge des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl sind die Vorgaben für die Feststellung des Wahlergebnisses, nach denen sämtlichen gültig abgegebenen Stimmen das gleiche Gewicht zugemessen wird. Schließlich werden auch die Regelungen über das Wahlvorschlagsrecht insoweit vom Grundsatz der Gleichheit der Wahl dominiert, als die Möglichkeit zum Unterbreiten von Wahlvorschlägen grundsätzlich sämtlichen aktiv Wahlberechtigten zuerkannt wird.70 3. Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl Zu den obersten Prinzipien demokratischer Wahlen gehört weiterhin der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Auch er gilt daher sowohl für öffentliche Wahlen71 als auch für betriebliche Interessenvertretungswahlen.72 a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl gebietet, dass jeder Wahlberechtigte sein aktives und passives Wahlrecht in möglichst gleicher Weise soll ausv. Steinau-Steinrück, BetrVG, § 14 Rn. 6; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14 Rn. 14; Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 8; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 18. 69 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 28. 70 Vgl. zur Vereinbarkeit des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl mit Unterschriftsquoren: BVerfG vom 06.02.1956, 2 BvH 1/55, BVerfGE 4, 375, 381; BVerfG vom 23.01.1957, 2 BvE 2/56, BVerfGE 6, 84, 98 f.; BVerfG vom 09.03.1976, 2 BvR 89/74, BVerfGE 41, 399, 421; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 68; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 125. 71 Vgl. nur für die Bundestagswahl Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 48. 72 Allgemein für Interessenvertretungswahlen: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363, 393 und 395; Jacobs, Wahlvorstände, S. 45. Für die Schwerbehindertenvertretungswahl vormals noch: Dörner, SchwbG, 54. EL, § 24 Anm. V. 1. Für die Betriebsratswahl: LAG Baden-Württemberg vom 29.11.1990, 4b TaBV 2/90, AiB 1991, 276, 276; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 10 und 17; D. Heise, in: Heise/Lembke/v. SteinauSteinrück, BetrVG, § 14 Rn. 6; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14 Rn. 14; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 14 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 10 und 29; Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 8; Rudolph, AiB 1991, 277, 277; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 18. Für die Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl: Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 63 Rn. 3. Für die Sprecherausschusswahl: Joost, in: MüArbR, § 234 Rn. 25.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
üben können.73 Im Unterschied zum Grundsatz der Gleichheit der Wahl steht dabei nicht der möglichst gleichberechtigte Einfluss auf das Wahlergebnis im Fokus, sondern die jedem Wahlberechtigten gleichermaßen eingeräumte Möglichkeit, überhaupt an der Wahl teilzunehmen und die Stimme in gleicher Weise abgeben zu können. Der Grundsatz untersagt damit in erster Linie den unberechtigten Ausschluss Wahlberechtigter von der Teilnahme an der Wahl.74 Die Wahlrechtsausübung darf daher nicht von besonderen, nicht von jedem Wahlberechtigten erfüllbaren Voraussetzungen abhängig gemacht werden.75 aa) Beschränkung auf das Verbot der Erschwerung Während allgemein anerkannt ist, dass der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl es verbietet, den Wahlberechtigten den Zugang zur Wahl zu erschweren, wird eine aus dem Grundsatz folgende Verpflichtung zur Beseitigung bzw. Überwindung bestehender faktischer Erschwernisse bei der Wahlrechtsausübung weitgehend abgelehnt.76 Diese Auffassung geht im Wesentlichen auf zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1961 und 1962 zurück.77 In den Beschlüssen stellte das Gericht fest, dass der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl es verfassungsrechtlich nicht gebiete dafür zu sorgen, dass alle Wahlberechtigten, die aus einem in ihrer Person oder in der Ausübung ihres Berufs liegendem Grunde nicht in der Lage sind ihr Wahlrecht am Wahlort auszuüben, die Möglichkeit erhalten auf andere Weise von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.78 Angesichts der entschiedenen Sachverhalte79 ist nicht eindeutig erkennbar, ob das Bundesverfassungsgericht eine Verpflichtung zur Schaffung von 73 BVerfG vom 06.05.1970, 2 BvR 158/70, BVerfGE 28, 220, 225; BVerfG vom 23.10.1973, 2 BvC 3/73, BVerfGE 36, 139, 141; BVerfG vom 07.10.1981, 2 BvC 2/81, BVerfGE 58, 202, 205; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 49 und 52; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 17; D. Heise, in: Heise/Lembke/v. Steinau-Steinrück, BetrVG, § 14 Rn. 6; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 88; Kreutz, in: GKBetrVG, § 14 Rn. 29; Rudolph, AiB 1991, 277, 277. 74 BVerfG vom 07.10.1981, 2 BvC 2/81, BVerfGE 58, 202, 205; BVerfG vom 23.10.1973, 2 BvC 3/73, BVerfGE 36, 139, 141; Butzer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, Art. 38 Rn. 51; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 88; Kreutz, in: GKBetrVG, § 14 Rn. 29. 75 Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 51. 76 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 97; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 66; Trute, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 38, Rn. 20. Vgl. auch Butzer, in: Epping/ Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 52, der zumindest nicht jedwede Wahlerleichterung als geboten ansieht. 77 BVerfG vom 07.02.1961, 2 BvR 23/61, BVerfGE 12, 139, 139 ff.; BVerfG vom 29.11.1962, 2 BvR 587/62, BVerfGE 15, 165, 165 ff. 78 Vgl. BVerfG vom 07.02.1961, 2 BvR 23/61, BVerfGE 12, 139, 142; BVerfG vom 29.11.1962, 2 BvR 587/62, BVerfGE 15, 165, 167. 79 In den Entscheidungen waren die Beschwerdeführer jeweils nur aus beruflichen bzw. ausbildungsbedingten Gründen gehindert, ihre Stimme am Wahlort abzugeben.
§ 2 Wahlgrundsätze
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Alternativwahlmöglichkeiten auch für solche Fälle hat ablehnen wollen, in denen die Wahlberechtigten aus behinderungsbedingten Gründen nicht in der Lage sind, ihr Wahlrecht ausüben. Zweifelhaft ist auch, ob das Bundesverfassungsgericht nach wie vor an der damaligen Judikatur festhält. So hat sich das Gericht etwa zur Begründung der Zulässigkeit der Briefwahl unter anderem darauf gestützt, dass diese dem „Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl [. . .] in erhöhtem Maße Rechnung“ trage.80 Damit hat es indirekt auf einen umfassenderen Schutzbereich des Grundsatzes der Allgemeinheit abgestellt, der auch in der Person liegende Hindernisse bei der Wahlteilnahme in den Schutzbereich einschließt. Für die vorliegende Arbeit kommt diesem Gesichtspunkt der Reichweite des Grundsatzes der Allgemeinheit jedoch keine tragende Bedeutung zu, weil er insoweit durch den weitergehenden, spezifischen Grundsatz der Barrierefreiheit überlagert wird. bb) Abgrenzung zu Beschränkungen der Wahlberechtigung Zur Abgrenzung der Reichweite des Grundsatzes der Allgemeinheit ist danach zu unterscheiden, ob tatsächlich eine Einschränkung des Wahlrechts bzw. von dessen Ausübung vorliegt oder ob nicht eine Beschränkung des Kreises der Wahlberechtigten gegeben ist. In letzterem Fall liegt bereits definitionsgemäß keine Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit vor. Allerdings muss die Festlegung des Kreises der Wahlberechtigten dem betrieblichen Interessenvertretungswahlen immanenten Legitimations- und Repräsentationsgedanken Rechnung tragen, so dass auch dahingehende Beschränkungen Grenzen gesetzt sind. b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl Auch der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl folgt nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des § 94 SGB IX. Vielmehr handelt es sich auch hierbei um ungeschriebenes, sich aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitendes Verfassungsrecht, das über den Anwendungsbereich der Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 Abs. 1 GG hinaus Geltung beansprucht.81 Der Grundsatz der Allgemeinheit findet daher nur dann keine uneingeschränkte Anwendung, wenn die Natur des in Frage stehenden Sachbereichs entsprechende Einschränkungen bedingt.82 Gründe für eine solche Reduktion sind jedoch weder in Bezug auf betriebliche Interessenvertre80
BVerfG vom 24.11.1981, 2 BvC 1/81, NJW 1982, 869, 869. BVerfG vom 23.03.1982, 2 BvL 1/81, NVwZ 1982, 673, 673; BVerfG vom 16.10.1984, 2 BvL 20/82, 2 BvL 21/82, NVwZ 1985, 179, 179; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 48; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, GG, Art. 38 Rn. 10 f.; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 77. 82 BVerfG vom 23.03.1982, 2 BvL 1/81, NVwZ 1982, 673, 673; BVerfG vom 16.10.1984, 2 BvL 20/82, 2 BvL 21/82, NVwZ 1985, 179, 179; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 77. 81
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
tungswahlen im Allgemeinen83 noch im Hinblick auf Schwerbehindertenvertretungswahlen im Speziellen zu erkennen. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl besitzt daher auch für die Schwerbehindertenvertretungswahl unmittelbare Geltung.84 c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Einfluss des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl zeigt sich in verschiedenen Bereichen des Wahlprozederes. Zentrale Bedeutung kommt ihm im Hinblick auf die Regelungen über das aktive und das passive Wahlrecht und deren Ausübung zu. Dabei wird das aktive Wahlrecht in § 94 Abs. 2 SGB IX allen im Wahlbezirk beschäftigten schwerbehinderten Menschen gleichermaßen zuerkannt, ohne hierfür zusätzliche Anforderungen für die Wahlrechtsausübung aufzustellen. Damit offenbart sich ein Spannungsfeld des Grundsatzes der Allgemeinheit zu der in der SchwbVWO als formelle Voraussetzung der Wahlrechtsausübung verlangten Eintragung der Wähler in die Liste der Wahlberechtigten.85 Auch hinsichtlich des passiven Wahlrechts finden sich Einschränkungen, die sich an den Anforderungen des Grundsatzes der Allgemeinheit messen lassen müssen. Daneben wirkt der Grundsatz der Allgemeinheit auf das Recht zur Unterbreitung von Wahlvorschlägen ein. Anders als im vereinfachten Verfahren wird dieses Recht nicht allen aktiv Wahlberechtigten uneingeschränkt zugestanden. Vielmehr werden einerseits eine zeitliche Grenze und andererseits ein Unterschriftenquorum als Hürden aufgestellt, die als Durchbrechungen des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl rechtfertigungsbedürftig sind. Hinsichtlich der an Bekanntmachungen zu stellenden Anforderungen bezüglich deren Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit greift der Grundsatz der Allgemeinheit in seiner wie oben beschrieben eng verstandenen Ausprägung nicht ein. Gleiches gilt für Möglichkeiten der Kompensation unmittelbar behinderungsbedingter Hemmnisse bei der Wahlrechtsausübung. Für diese Bereiche ist jedoch der mit der Allgemeinheit verwandte Grundsatz der Barrierefreiheit einschlägig.86 83 So ausdrücklich in Bezug auf Personalratswahlen: BVerfG vom 23.03.1982, 2 BvL 1/81, NVwZ 1982, 673, 673; BVerfG vom 16.10.1984, 2 BvL 20/82, 2 BvL 21/82, NVwZ 1985, 179, 179. 84 So auch LAG Sachsen vom 14.02.2008, 6 TaBV 13/07. Ebenso, jedoch ohne Begründung noch: Dörner, SchwbG, 54. EL, § 24 Anm. V. 1. Für die Geltung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl bei der Betriebsratswahl: LAG Baden-Württemberg vom 29.11.1990, 4b TaBV 2/90, AiB 1991, 276, 276; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 10 und 17; D. Heise, in: Heise/Lembke/v. Steinau-Steinrück, BetrVG, § 14 Rn. 6; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14 Rn. 14; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 14 Rn. 1; Kreutz, in: GKBetrVG, § 14 Rn. 10 und 29; Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 14 Rn. 8; Rudolph, AiB 1991, 277, 277; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 18. Für die Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl: Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 63 Rn. 3. Für die Sprecherausschusswahl: Joost, in: MüArbR, § 234 Rn. 25. 85 Siehe dazu unter § 4 II. 4. a) bb). 86 Siehe allgemein dazu unten § 2 IV. 4. c).
§ 2 Wahlgrundsätze
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4. Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Neben den vorgenannten gehört auch der ungeschriebene Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl zu den allgemeinen Grundprinzipien demokratischer Wahlen.87 Er ist daher ebenfalls nicht nur bei öffentlichen Wahlen88, sondern auch bei betrieblichen Interessenvertretungswahlen zu beachten.89 a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl gebietet, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere gleichrangige Belange eine Ausnahme rechtfertigen.90 Hierdurch sollen sich die Wahlberechtigten selbst zuverlässig von der Rechtmäßigkeit des Wahlakts überzeugen können, damit Manipulationen ausgeschlossen oder korrigiert und unberechtigter Verdacht widerlegt werden kann.91 Der Öffentlichkeitsgrundsatz umfasst daher sämtliche Bereiche des Wahlprozederes und greift daher nicht nur im Hinblick auf die Stimmauszählung Platz, sondern ist grundsätzlich auch bei der Wahlhandlung an sich und beim Wahlvorschlagsverfahren zu beachten.92 Immanente Begrenzungen erfährt der Grundsatz der Öffentlichkeit allerdings dort, wo ihm der Grundsatz der geheimen Wahl entgegensteht.93 Letzter genießt
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Vgl. BVerfG vom 03.03.2009, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, NVwZ 2009, 708, 709 ff.; Boemke, jurisPR-ArbR 13/2012 Anm. 6; Schiedermair, JZ 2009, 572, 574; Will, NVwZ 2009, 700, 700. 88 Vgl. dazu nur Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 48. 89 Vgl. Bremke, MMR 2004, Heft 4, Seite IX, X; Schiedermair, JZ 2009, 572, 574. Ähnlich Buchmann/Rossnagel, K&R 2009, 543, 546, die jedoch gesetzgeberische Modifikationen ohne Einschränkungen zulassen. 90 BVerfG vom 03.03.2009, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, NVwZ 2009, 708, 710; Schreiber, BWahlG, § 10 Rn. 1; Will, NVwZ 2009, 700, 701. 91 BVerfG vom 03.03.2009, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, NVwZ 2009, 708, 710; Boemke, jurisPR-ArbR 13/2012 Anm. 6; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 79; Will, NVwZ 2009, 700, 701. Vgl. auch BVerfG vom 03.07.2008, 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07, NVwZ 2008, 991, 992; BVerfG vom 23.11.1993, 2 BvC 15/91, BVerfGE 89, 291, 303; Buchmann/Roßnagel, K&R 2009, 543, 544; Schiedermair, JZ 2009, 572, 574; Schreiber, BWahlG, § 10 Rn. 1; Zivier, Recht und Politik 2009, 146, 147. 92 BVerfG vom 03.03.2009, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, NVwZ 2009, 708, 709; Bremke, MMR 2004, Heft 4, Seite IX, IX; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 79; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 113; Schiedermair, JZ 2009, 572, 574; Schreiber, BWahlG, § 10 Rn. 1 und § 31 Rn. 1; Seifert, Bundeswahlrecht, Art. 38 Rn. 35. 93 Vgl. BVerfG vom 03.03.2009, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, NVwZ 2009, 708, 709; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 79; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 113; Schiedermair, JZ 2009, 572, 574. Vgl. auch Buchmann/Rossnagel, K&R 2009, 543, 545 und Seifert, Bundeswahlrecht, Art. 38 Rn. 35.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
als spezifische Ausprägung der Wahlfreiheit einen höheren Stellenwert und geht daher dem Transparenz- und Kontrollbedürfnis vor.94 b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl Für öffentliche Wahlen ergibt sich der Grundsatz der Öffentlichkeit aus dem verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Art. 20 GG.95 Durch die Gewährleistung der Kontrollfähigkeit und Transparenz der Wahl dient er nämlich unmittelbar der Absicherung des Legitimationscharakters der Wahl und ist als Grundanliegen im Rechtsstaat essentieller Wesensbestandteil eines demokratischen Wahlprozesses.96 Diese zentrale Bedeutung der Transparenz und Kontrollfähigkeit einer Wahl für deren legitimierende Wirkung zugunsten des oder der Repräsentanten beschränkt sich jedoch nicht allein auf öffentliche Wahlen. Vielmehr gilt sie in sämtlichen repräsentativ-demokratischen Wahlsystemen.97 Mithin beansprucht der Grundsatz der Öffentlichkeit auch im Rahmen der Wahlen betrieblicher Interessenvertretungen unmittelbare Geltung, so dass er bei Schwerbehindertenvertretungswahlen ebenfalls zu beachten ist.98 c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl spiegelt sich in zahlreichen Regelungen zur Schwerbehindertenvertretungswahl wider. Am deutlichsten tritt er 94 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 113; Schreiber, BWahlG, § 10 Rn. 1. Vgl. auch Seifert, Bundeswahlrecht, Art. 38 Rn. 35. 95 BVerfG vom 03.03.2009, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, NVwZ 2009, 708, 710; Bremke, MMR 2004, Heft 4, Seite IX, IX; Buchmann/Rossnagel, K&R 2009, 543, 544; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 79; Schiedermair, JZ 2009, 572, 573; Will, NVwZ 2009, 700, 700; Schreiber, BWahlG, § 10 Rn. 1. 96 Vgl. Bremke, MMR 2004, Heft 4, Seite IX, IX; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK-GG, Art. 38 Rn. 79; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rn. 32; Schreiber, BWahlG, § 10 Rn. 1; Will, NVwZ 2009, 700, 700. 97 Bremke, MMR 2004, Heft 4, Seite IX, X; Schiedermair, JZ 2009, 572, 574. Enger: Buchmann/Rossnagel, K&R 2009, 543, 545 f., die den Öffentlichkeitsgrundsatz bei anderen Wahlen bisweilen nur eingeschränkt anwenden oder zumindest gesetzgeberische Einschränkungen zulassen. Vgl. auch BT-Drs. VI/2729, S. 21. 98 So inzwischen für die Schwerbehindertenvertretungswahl ausdrücklich: Boemke, jurisPR-ArbR 13/2012 Anm. 6. Vgl. auch LAG München vom 12.10.2011, 11 TaBV 29/11, das zwar nicht explizit von diesem Grundsatz spricht, jedoch auf dessen zentrale Zielsetzung abstellt. Ausdrücklich für die Geltung des Grundsatzes der Öffentlichkeit bei der Personalvertretungs- und der Betriebsratswahl: Bremke, MMR 2004, Heft 4, Seite IX, X. Für die Betriebsratswahl wohl auch: Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 18 Rn. 9, der die Möglichkeiten einer computergestützen Wahl an den vom BVerfG zur Öffentlichkeit der Wahl aufgestellten Grundsätzen misst. Allgemein für „sonstige Abstimmungen“: Schiedermair, JZ 2009, 572, 574. Einschränkend dagegen: Buchmann/ Rossnagel, K&R 2009, 543, 546. Allgemein für „sonstige Abstimmungen“: Schiedermair, JZ 2009, 572, 574.
§ 2 Wahlgrundsätze
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dabei in den Vorschriften über die Öffentlichkeit der Stimmauszählung zu Tage.99 Daneben zeigt sich die Bedeutung des Grundsatzes in der verschiedentlich vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntgabe von Entscheidungen und Feststellungen des wahlleitenden Organs.100 Auch hinsichtlich der Anfertigung der Wahlniederschrift kommt dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl eigenständige Relevanz zu. Dies gilt insbesondere im vereinfachten Wahlverfahren für das in den Wahlvorschriften die Anfertigung einer Wahlniederschrift nicht explizit vorschrieben wurde.101 Bedeutsam ist der Grundsatz darüber hinaus für die Dokumentation der Entscheidung über die Einsetzung des Wahlvorstands durch die scheidende Schwerbehindertenvertretung.102 Schließlich wirkt der Öffentlichkeitsgrundsatz auch insoweit auf die Schwerbehindertenvertretungswahl ein, als für einzelne wahlrechtsbezogene Voraussetzungen das Vorliegen verlässlicher Nachweise erforderlich ist.103
IV. Spezifische Wahlgrundsätze Neben diesen für alle demokratischen Wahlen geltenden Grundsätzen werden die Wahlen betrieblicher Interessenvertretungen im Allgemeinen und die der Schwerbehindertenvertretung im Besonderen von weiteren spezifische Wahlgrundsätzen dominiert. Hierbei handelt es sich vornehmlich um aus den Demokratiegrundsätzen abgeleitete, jedoch für die betrieblichen Interessenvertretungswahlen dedizierte Wahlprinzipien. Teilweise folgen die spezifischen Grundsätze aber auch aus politischen Zielvorstellungen der Normgeber, die diese bei der Schaffung der Wahlvorschriften geleitet haben und nunmehr in Struktur und Gesamtzusammenhang der Normen zum Ausdruck kommen. 1. Grundsatz der obligatorischen Vertretung Der wesentlichste der spezifischen Grundsätze der Schwerbehindertenvertretungswahl ist der Grundsatz der obligatorischen Vertretung104, der auch bei anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen deutlich zum Tragen kommt.
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Siehe allgemein dazu unten § 10 II. 1. b). Siehe dazu unten § 8 II. 4. b), § 8 II. 1. b) und § 10 II. 4. 101 Siehe dazu unten § 10 II. 2. a). 102 Siehe dazu unten § 6 IV. 1. c) aa). 103 Siehe dazu in Bezug auf die Schwerbehinderteneigenschaft § 4 II. 1. b) bb) und in Bezug auf die Nachweisbarkeit der Geschäftsunfähigkeit § 4 II. 3. e) cc) (2). 104 Der Begriff geht zurück auf Jacobs, Wahlvorstände, S. 48 f., der in seiner Arbeit den „Grundsatz der obligatorischen Vertretung“ eigens herausgearbeitet hat. 100
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der obligatorischen Vertretung zielt darauf ab, dass es in möglichst allen, die Wahlvoraussetzungen erfüllenden Betrieben zu einer Wahl der betrieblichen Interessenvertretungen kommt und durch rechtzeitige Neuwahlen Unterbrechungen in der Vertretung der Belegschaft vermieden werden. Primärmaxime des Grundsatzes ist also die Gesamtzahl der betrieblichen Interessenvertretungen zu erhöhen und den bestehenden Organen zugleich Kontinuität zu verleihen, um hierdurch vertretungslose Zeiten zu verhindern. Während der Grundsatz der obligatorischen Vertretung in bisher vertretungslosen Betrieben aus faktischen Gründen wirkungslos bleibt, solange kein initiierender Wahlanstoß erfolgt, besitzt der Grundsatz für anstehende Neuwahlen einer bereits existierenden Interessenvertretung zentrale Bedeutung. Für letztere Fälle lässt sich seine maßgebliche Ausprägung leicht treffender auch als Grundsatz der Kontinuität beschreiben. Schließlich ist sein Augenmerk insoweit auf die reibungs- und unterbrechungslose Existenz der betrieblichen Interessenvertretung gerichtet, damit deren Arbeit kontinuierlich fortgesetzt werden kann. Ist bei einem bisher vertretungslosen Betrieb der stets nötige Initialfunken105 erfolgt, untersteht auch diese Wahl dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung. Allerdings ist hierbei das zeitliche Moment schwächer ausgeprägt, weil es mangels auslaufender Amtszeit an einem verbindlichen Enddatum einer Vertretung fehlt. b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl In Reinform existiert der Grundsatz der obligatorischen Vertretung im Bereich öffentlicher Wahlen, weil hier eine umfassende personelle Vakanz einer korporativen Selbstaufgabe gleichkäme.106 Gleichwohl liegt er auch den Wahlvorschriften der betrieblichen Interessenvertretungswahlen107 zugrunde. Zentraler Anknüpfungspunkt ist dabei der Wortlaut der Normen, die die jeweiligen Wahlvoraussetzungen aufstellen. Diese stellen die Errichtung der Interessenvertretung – bei Vorliegen der Voraussetzungen – nicht in das Belieben der Wählerschaft, sondern setzen diese als selbstverständlich voraus.108 Auch § 94 Abs. 1 SGB IX geht 105
Siehe dazu unten § 6 I. So plastisch: Jacobs, Wahlvorstände, S. 48. 107 Einschränkungen bestehen insoweit bei der Sprecherausschusswahl, deren erstmalige Durchführung von einer zustimmenden Entscheidung der Wählerschaft abhängig gemacht wird. Nach Errichtung eines Sprecherausschusses gilt der Grundsatz der obligatorischen Vertretung jedoch auch bei der Sprecherausschusswahl uneingeschränkt, weil die Wiederwahl nach herrschender Ansicht nicht von einer erneuten Zustimmung abhängig ist. Vgl. nur Borwardt/Fischer/Janert, SprAuG, § 7 Rn. 1; Hromadka/Sieg, SprAuG, § 7 Rn. 23; Löwisch, SprAuG, § 7 Rn. 4. 108 Argumentum e contrario bzgl. § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 SprAuG. Vgl. Jacobs, Wahlvorstände, S. 48 f. Vgl. auch Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 2; Löwisch/Kaiser, 106
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seinem Wortlaut nach davon aus, dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzung die Schwerbehindertenvertretungswahl durchgeführt wird.109 Der Gesetzgeber hat dadurch insoweit eine Verpflichtung zur Durchführung einer Wahl geschaffen,110 die jedoch im Ergebnis infolge ihrer Sanktionslosigkeit nicht erzwingbar ist.111 Diese bereits im Wortlaut des § 94 Abs. 1 SGB IX angelegte gesetzgeberische Intention zur obligatorischen Vertretung wird zusätzlich durch verschiedene Wahlvorschriften ergänzt.112 Im Mittelpunkt steht hierbei die umfassende Absicherung der Wahlinitiierung durch Zuweisung entsprechender Aufgaben an verschiedene, von einander unabhängige Organe. Durch das vorgesehene abgestufte System der Zuständigkeiten und Initiierungsbefugnisse soll gewährleistet werden, dass bei Fehlen oder Säumnis einzelner Organe Andere bereitstehen, die die jeweilige Wahlinitiierung betreiben. Die Normgeber haben also ersichtlich darauf großen Wert gelegt, dass das unterbrechungslose Bestehen bzw. das erstmalige Errichten einer entsprechenden Vertretung abzusichern. Gerade die Regelungen über die Wahlinitiierung sind also intensiv vom Grundsatz der obligatorischen Vertretung durchdrungen. Ausdruck des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung sind gleichzeitig aber auch die in § 97 Abs. 6 Satz 1 a. E. SGB IX zu findende Regelung über die kommissarische Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung in schwerbehindertenvertretungslosen Betrieben und die ergänzende Zuständigkeit des Betriebsrats nach § 93 Satz 1 und 2 Hs. 1 SGB IX. Diese sollen gewährleisten, dass bei Versagen der anderweitigen Wahlregelung zumindest ein Mindestmaß an spezifischer Vertretung der schwerbehinderten Beschäftigten sichergestellt ist. Diese zusätzliche Absicherung ist letztlich aber nur ein zusätzlicher Beleg für die gesetzgeberische Intention zur obligatorischen Vertretung. Insbesondere vor dem Hintergrund des Repräsentationsgedankens113 bildet sie jedoch keinen adäquaten Ersatz für die Wahl einer originären Vertretung.
BetrVG, § 1 Rn. 2; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 2, die zu Recht auf die fehlende Erzwingbarkeit hinweisen. 109 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 6; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 18; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 4. Vgl. auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 5. 110 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 18 und 48; Malcher, SchwbG, S. 82. Vgl. zur Betriebsratswahl: BT-Drs. VI/2729, S. 12. 111 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 48; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 4. Vgl. auch in Bezug auf § 1 BetrVG: Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 2; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 2. 112 Vgl. Süllwold, ZBVR 2002, 190, 190. 113 Vgl. zum Repräsentations- und Legitimationsgedanken: Bericht der Sachverständigenkommission, BT-Drs. VI/334, S. 65; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363; v. Hoyningen-Huene, in: MüArbR, § 212 Rn. 12.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Fernerhin zeigt sich der Grundsatz der obligatorischen Vertretung auch in der Möglichkeit zu Zusammenfassung mehrerer Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Diese Regelung zielt allgemein darauf ab, dass in möglichst vielen Betrieben die Wahlvoraussetzungen erfüllt und damit eine eigenständige Schwerbehindertenvertretung etabliert werden kann.114 Der Grundsatz der obligatorischen Vertretung ergibt sich somit sowohl aus der imperativen Anordnung der Wahl als auch aus einer Gesamtschau der Wahlvorschriften. Er ist daher als zentraler Wahlgrundsatz fester Bestandteil der Schwerbehindertenvertretungswahl.115 c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Wie bereits angesprochen tritt der Grundsatz der obligatorischen Vertretung schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit der Wahlinitiierung zu Tage. Insbesondere das fein abgestufte System der Initiierungsberechtigungen und die Mehrfachabsicherung durch unterschiedliche, parallel zuständige Organe116 sind Folge der normgeberischen Intention der obligatorischen Vertretung. Zum Tragen kommt der Grundsatz der obligatorischen Vertretung aber auch bei der Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren.117 2. Grundsatz der Simplizität Zu den spezifischen Grundsätzen der Schwerbehindertenvertretungswahl gehört auch der Grundsatz der Simplizität118, der ebenso wie der Grundsatz der obligatorischen Vertretung für alle betrieblichen Interessenvertretungswahlen Geltung beansprucht. 114 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 83; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 9; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 12. Vgl. auch BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, AP Nr. 1 zu § 24 SchwbG 1986 und Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28. 115 Im Ergebnis ähnlich BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Boch, SAE 2007, 151, 153; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31; Rudolph, AiB 2006, 449, 449; Süllwold, ZBVR 2002, 190, 190, die zwar nicht explizit auf einen derart bezeichneten Grundsatz abstellen, gleichwohl aber auf die dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung zugrunde liegenden Prämissen und Wertungen abstellen und dessen Geltung mittelbar bestätigen. Wohl auch Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31, der von einem Vertretungsvakuum spricht, das es zu vermeiden gilt. Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl Jacobs, Wahlvorstände, S. 48 f.; Reichhold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 16 Rn. 2 und 3; Rose, in: Hess, BetrVG, § 4 Rn. 58. 116 Siehe zu den initiierungsberechtigten Organen unten § 6 III. 117 Siehe dazu unten § 5 III. 3. c). 118 Auch dieser Begriff geht vorliegend zurück auf Jacobs, Wahlvorstände, S. 55 f., der insoweit von der „Maxime der Simplizität“ spricht.
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a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der Simplizität zielt darauf ab, die Wahl betrieblicher Interessenvertretungen nicht unnötig zu erschweren,119 um auf diese Weise psychologische Hemmnisse bezüglich der Errichtung zu vermeiden und zugleich einer erhöhten Fehleranfälligkeit der Wahl zu entgehen.120 Aus diesem Grund gebietet der Grundsatz der Simplizität Wahlvorschriften stets dergestalt auszulegen, dass unnötige Formalismen vermieden werden. Wahlvorschriften sind daher in Bezug auf ihren Zweck und ihre Rechtfertigung kritisch zu hinterfragen, soweit sie für die Wahldurchführung zusätzliche Hürden aufbauen oder signifikante Fehlerrisiken bergen. Im Einzelfall kann der Grundsatz der Simplizität sogar bedingen, dass eine ihrem Wortlaut nach eindeutige, jedoch unnötige und damit wahlerschwerende Regelung teleologisch zu reduzieren ist.121 Infolgedessen bedingt der Grundsatz der Simplizität regelmäßig einen angemessenen Ausgleich zwischen den sich aus anderen Wahlgrundsätzen ergebenden Erfordernissen einerseits und einer weitgehend einfachen Ausgestaltung des Wahlverfahrens andererseits. Das bedeutet nicht, dass der Grundsatz der Simplizität der Bildung von Analogien per se entgegenstünde. Allerdings gebietet er, dass eine derartige Schließung bestehender Regelungslücke auf Grund von Wahlgrundsätzen oder anderen mindestens gleichwertigen Gründen heraus erforderlich ist. b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Grundsatz der Simplizität ergibt sich nicht direkt aus den Wahlvorschriften selbst, sondern folgt mittelbar aus dem Repräsentations- und Legitimationsgedanken der Wahl und dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung. aa) Einfluss des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass sich mit der steigenden Komplexität eines (Wahl-)Verfahrens zugleich auch die Fehleranfälligkeit und damit das Risiko einer Unwirksamkeit erhöht. Ebenso kann eine zu umfassende Ausgestaltung des Wahlverfahrens im Ergebnis dazu führen, dass seitens der verantwortlichen Personen die Neigung sinkt, die Wahl der Interessenvertretung voran119 Vgl. BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Jacobs, Wahlvorstände, S. 55 f.; Neumann-Duesberg, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG. 120 Vgl. Jacobs, Wahlvorstände, S. 55 f. 121 Vgl. BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Jacobs, Wahlvorstände, S. 55. Vgl. auch Neumann-Duesberg, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Wenzel, DB Beilage Nr. 2/1975, S. 5; Wlotzke, ZGR 1977, 355, 372.
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zutreiben oder von vornherein Hemmungen bestehen, das Organ überhaupt zu errichten.122 Jede zusätzliche formelle oder materielle Hürde vermindert damit tendenziell die Chance einer tatsächlichen, wirksamen Wahl des betreffenden Organs und steht damit abstrakt betrachtet im Widerspruch zum Grundsatz der obligatorischen Vertretung.123 Selbstverständlich hat der Normgeber diese Wirkung dort hingenommen, wo entsprechende Regelungen zur Umsetzung der etablierten Wahlgrundsätze oder zur Schaffung eines durchführbaren Wahlverfahrens erforderlich waren. Soweit jedoch einzelne Regelungen einer Rechtfertigung entbehren und sie dadurch unnötige Formalismen darstellen, ist angesichts der gesetzgeberischen Intention zur obligatorischen Vertretung davon auszugehen, dass der Wille des Normgebers nicht auf eine unbedingte Aufrechterhaltung der Regelung abzielt. bb) Bedeutung des Repräsentations- und Legitimationsgedankens Ungeachtet dessen steigt mit dem Umfang des durchzuführenden Wahlverfahrens und den an die Wahlrechtsausübung gestellten Anforderungen das Risiko einer schwindenden Wahlteilnahme.124 Hierbei führt vor allem ein Rückgang der Beteiligung der aktiv Wahlberechtigten zur einer verminderten demokratischen Legitimation des letztlich Gewählten. Gleiches gilt für den Fall, dass rein formalistische, nicht materiell begründbare Voraussetzungen leicht als vorgeschobene Mittel zur Verfolgung unlauterer Motive wahrgenommen werden können.125 Beides liefe jedoch dem, jeder demokratischen Wahl innewohnenden Repräsentations- und Legitimationsgedanken konträr.126 Gerade die Legitimierungsfunktion der Wahl einer Interessenvertretung ist damit ein Plädoyer zugunsten ihrer Simplizität. Was insoweit für betriebliche Interessenvertretungswahlen allgemein gilt, erscheint in Bezug auf die Schwerbehindertenvertretungswahl in besonderem Maße tragend. Der Normgeber hat dort nämlich selbst erkannt, dass es schwerbehinderten Beschäftigten zum Teil deutlich schwerer fällt, an klassisch-formalen Wahlvorgängen teilzunehmen.127 Daher ist jedenfalls für die Schwerbehindertenvertretungswahl davon auszugehen, dass der Normgeber auch mit Blick auf den 122
In dieser Richtung auch Jacobs, Wahlvorstände, S. 56. So auch Jacobs, Wahlvorstände, S. 55 f. Vgl. auch Neumann-Duesberg, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Wlotzke, ZGR 1977, 355, 372. 124 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 367; Jacobs, Wahlvorstände, S. 56; Wlotzke, ZGR 1977, 355, 372. 125 Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 367. 126 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 367 f. Vgl. auch NeumannDuesberg, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Wlotzke, ZGR 1977, 355, 372. 127 Vgl. Amtl. Begr. zur SchwbVWO, BR-Drs. 147/90, S. 14 und Amtl. Begr. zu § 11 SchwbWO, BR-Drs. 290/75. 123
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Repräsentations- und Legitimationsgedanken nicht das Ziel verfolgte, sämtliche gesetzten Normen uneingeschränkt aufrecht zu erhalten. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Normgeber deren Anwendungsbereich primär auf die Fälle beschränken wollte, in denen die Regelungen zur Gewährleistung der etablierten Wahlgrundsätze oder zur Schaffung eines durchführbaren Wahlverfahrens geboten sind. c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Grundsatz der Simplizität wirkt sich an verschiedenen Punkten der Schwerbehindertenvertretungswahl aus. Augenscheinlich wird er etwa im Hinblick auf die an die Wirksamkeit der Einsetzung des Wahlvorstands zu stellenden Anforderungen.128 Bedeutung erlangt der Grundsatz daneben aber auch hinsichtlich der Trennung der Wahlgänge im vereinfachten Verfahren.129 3. Grundsatz der Selbstorganisation Auch der sich aus der Systematik der Wahlvorschriften ableitende Grundsatz der Selbstorganisation130 gehört zu den tragenden, spezifischen Wahlgrundsätzen der Schwerbehindertenvertretungswahl. a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der Selbstorganisation zielt darauf ab, dass möglichst jede die Wahl betreffende Handlung und Entscheidung unmittelbar von den zu vertretenden Personen ausgeht oder zumindest durch ein durch diese demokratisch legitimiertes Organ getroffen wird.131 Insbesondere die Auswahl des mit der Wahlleitung betrauten Organs soll zumindest über eine stringente Legitimationskette auf die verfasste Wählerschaft zurückgehen. Zugleich soll die Wirkung der Wahl als maßgeblich innerbetrieblicher Vorgang grundsätzlich auf den Wahlbezirk begrenzt bleiben132. Aus diesem Grund gebietet der Grundsatz der Selbstorganisation eine Einbindung betriebsexterner Personen in das Wahlgeschehen nur dort vorzusehen, wo dies aus mindestens gleichrangigen Gründen heraus geboten ist. Diese beiden Zielrichtungen sollen letztlich die Identifikation der Wählerschaft mit der Wahl an sich und mit dem zu wählenden Repräsentanten verstärken und 128
Siehe dazu beispielsweise unten § 6 IV. 1. c) cc) (3). Siehe dazu unten § 9 II. 2. b) bb) (2) (c) (aa). 130 Der Begriff geht zurück auf Jacobs, Wahlvorstände, S. 47 f., der in seiner Arbeit unter anderem das „spezifische Merkmal der Selbstorganisation“ herausgearbeitet hat. 131 Vgl. Jacobs, Wahlvorstände, S. 47. 132 Vgl. zur Bedeutung des innerbetrieblichen Charakters der Wahl im Zusammenhang mit der Beschränkung der Öffentlichkeit der Stimmauszählung: Fitting, BetrVG, § 18 Rn. 23. 129
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dadurch die Wahlbeteiligung sowie den damit korrespondierenden demokratischen Rückhalt erhöhen. Grenzen des Grundsatzes der Selbstorganisation ergeben sich jedoch dort, wo Beeinträchtigungen für andere Wahlgrundsätze zu besorgen sind. Einschränkungen zeigen sich insbesondere im Verhältnis zu den Grundsätzen der obligatorischen Vertretung und der Simplizität. Diesen wird bereits deshalb ein höheres Gewicht beigemessen, weil der Gesetzgeber die tatsächliche Errichtung der Interessenvertretung für bedeutsamer erachtet als dessen demokratische Legitimationsbasis.133 Im Verhältnis zu den übrigen Wahlgrundsätzen erscheint der Grundsatz der Selbstorganisation dadurch vergleichsweise schwach und tritt in weiten Teilen hinter anderen Grundsätzen zurück. Infolgedessen beschränkt sich seine Bedeutung weitgehend auf die Einsetzung des wahlleitenden Organs und einzelne Fragen der Einbindung betriebsexterner Personen in das Wahlgeschehen. b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl Mit der Entscheidung für eine repräsentativ-demokratische Wahl der Schwerbehindertenvertretung hat der Gesetzgeber zugleich auch eine Wertung gegen eine fremdbestimmte Bestellung des Interessenvertretungsorgans getroffen. Damit ist jedoch keineswegs determiniert, dass das Wahlprozedere durchgehend frei von äußeren Einflüssen sein müsste.134 Vielmehr lässt sich dieser Grundsatz in der oben dargestellten Ausprägung135 erst aus einer Gesamtschau der in den Wahlvorschriften angelegten Systematik ableiten. Insbesondere aus den Vorschriften über die Bestellung bzw. Einsetzung des wahlleitenden Organs folgt eine strikte Abstufung der initiierungsbefugten Organe. Hierbei wird der Bestellung durch die Wählerschaft selbst bzw. durch ein von ihr demokratisch legitimiertes Organ absoluter Vorrang eingeräumt.136 Soweit außerhalb der verfassten Wählerschaft stehenden Personen oder Organen Initiierungsbefugnisse zuerkannt werden, beschränken sich diese in der Regel137 auf die Einberufung einer Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten.138 133 Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass für die Wirksamkeit der Wahl keinerlei Mindestwahlbeteiligung vorgesehen wurde. Vgl. dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 365. 134 A. A. womöglich Jacobs, Wahlvorstände, S. 47, der das „Merkmal der Selbstorganisation“ unmittelbar auf Verfassungsgrundsätze zurückführen will. 135 Siehe dazu oben § 2 IV. 3. a). 136 Dass die primäre Bestellbefugnis der scheidenden Schwerbehindertenvertretung zukommt, steht hierzu nicht im Widerspruch. Zwar wäre dem Grundsatz der Selbstorganisation durch eine von der Wählerschaft unmittelbar ausgehenden Bestellung des wahlleitenden Organs in stärkerem Maße genüge getan, jedoch tritt dieser Grundsatz hier insoweit zugunsten der Simplizität zurück. 137 Eine Ausnahme bildet insoweit die über eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 2 BetrVG bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG mögliche Einsetzung durch das Arbeitsgericht. Diese
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Gleichzeitig sehen die Wahlvorschriften lediglich im Hinblick auf das Integrationsamt eine Einbindung Betriebsexterner in das Wahlprozedere vor. Weitere außerhalb des Wahlbezirks stehende Personen findende dagegen keine Erwähnung. Im Verhältnis zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen tritt diese Nichtbeteiligung Betriebsexterner besonders deutlich zu Tage. Im Unterschied zur Betriebsratswahl bleiben etwa die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften bei der Schwerbehindertenvertretungswahl völlig außen vor.139 Gleichzeitig werden auch die Aufgaben des Betriebsrats anders als bei der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl auf eine nur subsidiär mögliche Versammlungseinberufung beschränkt.140 In diesen Regelungen zeigt sich die gesetzgeberische Intention, dass nicht nur die Bestellung des Repräsentationsorgans an sich, sondern auch das hierfür vorgesehene Wahlprozedere weitgehend der Selbstorganisation der verfassten Wählerschaft überlassen bleiben soll.141 In der Summe formt sich hieraus ein in seiner Wirkung schwacher, jedoch nicht zu übergehender Grundsatz der Selbstorganisation, der sowohl bei betrieblichen Interessenvertretungswahlen im Allgemeinen wie bei der Schwerbehindertenvertretungswahl im Besonderen Geltung beansprucht. c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Grundsatz der Selbstorganisation tritt wegen der verdrängenden Wirkung anderer Wahlrechtsgrundsätze nur punktuell zu Tage und beeinflusst die Wahl daher nur an wenigen Stellen. Zentrale Bedeutung kommt ihm vornehmlich im Zusammenhang mit der Bestellung des wahlleitenden Organs zu.142 Daneben ist der Grundsatz der Selbstorganisation auch im Hinblick auf die Auswahl der für das Amt der Wahlleitung in Betracht kommenden Personen143 und beim Recht
ist jedoch im Verhältnis zur selbstorganisierten Einsetzung streng subsidiär. Vgl. dazu Jacobs, Wahlvorstände, S. 132 ff.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 54. 138 Siehe dazu § 6 IV. 2 a); § 6 IV. 4. a) und § 6 IV. 3. b). 139 Vgl. BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 25/08, NZA 2009, 1221, 1222; OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 22; VG Ansbach vom 04.09.1995, AN 8 P 94.02216, PersV 1995, 371, 372; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 94 Rn. 119; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3 und 5; Kohte, ZSR-Sonderheft 2005, 7, 13; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 164; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, § 94 Rn. 36; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 42. 140 Bei der JAV-Wahl ist dagegen primär der Betriebsrat für die Bestellung des Wahlvorstands zuständig, vgl. § 63 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. 141 Für andere Interessenvertretungswahlen im Ergebnis ebenso: Jacobs, Wahlvorstände, S. 47 f. 142 Siehe allgemein dazu § 6 IV. 143 Siehe dazu unten § 6 IV. 1. c) cc) (1) und § 7 II. 3. b).
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zur Teilnahme an wahlbezogenen Versammlungen144 bedeutsam. Im Kontext der Wahlvorschlagsberechtigung zeigt sich der Grundsatz der Selbstorganisation sogar in einer für betriebliche Interessenvertretungswahlen besonderen Ausprägung.145 4. Grundsatz der Barrierefreiheit Der Grundsatz der Barrierefreiheit stellt eine erweiternde Modifizierung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl dar und überlagert diesen in weiten Teilen. Er ist im Wesentlichen Ausdruck der Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl und gehört ebenso zu deren spezifischen, ungeschriebenen Wahlgrundsätzen. a) Inhalt und Bedeutung Der Grundsatz der Barrierefreiheit zielt darauf an, dass jeder Wahlberechtigte unabhängig von seiner Behinderung die Möglichkeit haben soll, in gleicher Weise an der Wahl teilzunehmen. Anders als der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl beschränkt sich der Grundsatz der Barrierefreiheit nicht auf ein Verbot der Erschwerung des Zugangs zur Wahl, sondern gebietet zugleich auch Möglichkeiten zur Überwindung bestehender behinderungsbedingter Erschwernisse zu schaffen. Die Wahl muss daher dergestalt vorbereitet und durchgeführt werden, dass Wahlberechtigte nicht allein deshalb an der Ausübung ihres aktiven oder passiven Wahlrechts gehindert werden, weil sie infolge ihrer Behinderung außerstande sind, die für die Wahlrechtsausübung maßgeblichen rechtlichen oder faktischen Voraussetzungen zu erfüllen. aa) Inhaltliche Reichweite Der Grundsatz gebietet damit einerseits darauf zu achten, dass unnötige Hürden oder Erschwernisse von vornherein vermieden werden. Andererseits verlangt er aber für den Fall unvermeidbare Hemmnisse, dass für die Wahlberechtigten Möglichkeiten bestehen, ihr Wahlrecht in adäquater oder zumindest zumutbarer Weise auszuüben. Aus diesen Anforderungen der Barrierefreiheit der Wahl folgt jedoch nicht, dass generell für jedwede denkbare Behinderung Lösungsmöglichkeiten bereitgehalten werden müssten. Vielmehr verlangt der Grundsatz zunächst nur, dass eine Vorsorge für diejenigen Gruppen von Behinderungen geschaffen wird, bei denen typischerweise behinderungsbedingte Einschränkungen der Wahlteilnahme zu befürchten sind. Zu diesen Behinderungsgruppen gehören neben 144
Siehe dazu unten § 7 II. 1. a) bb) und § 7 II. 3. a) aa). Das Vorschlagsrecht steht nämlich nur den aktiv Wahlberechtigten zu, obwohl diese mit den passiv Wahlberechtigten nur punktuell identisch sind. Siehe dazu § 8 II. 5. b). 145
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Geh-, Seh- und Hörbehinderten auch geistig behinderte Menschen. Nur für diese Personengruppen müssen daher Möglichkeiten zur Kompensation der behinderungsbedingten Erschwernisse vorgesehen sein. Hierbei gilt ein abstrakt zu bestimmendes Anforderungsniveau, bei dem nicht auf das konkrete Vorhandensein etwaiger Einschränkungen abzustellen ist. Das wahlleitende Organ kann daher nicht auf die Gewährleistung der Barrierefreiheit für einzelne dieser Behinderungsgruppe verzichten, weil nach seiner Ansicht keiner der Wahlberechtigten dahingehende Einschränkungen aufweist. Dies rechtfertigt sich bereits daraus, dass derartige Entscheidungen nur den aktuellen Kenntnisstand widerspiegeln können, aber zum Teil auch irreversibel in die Zukunft wirken. Infolgedessen ist es mitunter nicht möglich, die Barrierefreiheit für diejenigen Wahlberechtigten zu gewährleisten, die erst im Nachgang der Entscheidung eingestellt werden. Darüber hinaus sind insbesondere in großen Wahlbezirken nicht sämtliche behinderungsbedingten Einschränkungen aller potentiell Wahlberechtigten zwingend zu erkennen. Eine abschließende Beurteilung wäre daher nicht mit der nötigen Verlässigkeit möglich, so dass stets das Risiko bestünde, dass unerkannte, behinderungsbedingte Erschwernisse einzelner Wahlberechtigter nicht kompensiert werden und dadurch deren Wahlrechtsausübung erschwert oder unmöglich wird. Daher ist ein abstraktes Anforderungsniveau geboten. bb) Verhältnismäßigkeit der Kompensationsmittel Im Hinblick auf die Auswahl der einzusetzenden Kompensationsmittel ist jedoch eine Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse erforderlich. Bei der Frage, auf welche Weise unvermeidbare Hemmnisse bei der Wahlrechtsausübung überwunden werden sollen, muss daher ein angemessener, betriebsbezogener Ausgleich zwischen Aufwand und Nutzen gefunden werden. Der Grundsatz der Barrierefreiheit gebietet die Schaffung alternativer Möglichkeiten der Wahlrechtsausübung nämlich nur insoweit als diese den Wahlberechtigten unter den gegebenen Umständen zumutbar sind. Hingegen verlangt der Grundsatz nicht, dass eine stets mindestens gleichwertige Kompensationsmöglichkeit bestehen müsste. Aus diesem Grund ist bei der Auswahl der Kompensationsmittel eine Verhältnismäßigkeitsabwägung erforderlich. Hierbei ist insbesondere maßgeblich, wie viele Wahlberechtigte potentiell von den bestehenden Hemmnissen betroffen und auf Alternativmöglichkeiten angewiesen sind. Dass hierbei ebenfalls keine endgültig verbindliche Feststellung möglich ist, spielt angesichts des Prognose- und Abschätzungscharakters keine tragende Rolle. Neben der Zahl der potentiell Betroffenen hat auch die Zahl der voraussichtlich insgesamt Wahlberechtigten Einfluss auf die Zumutbarkeit, weil damit auch die Betriebsgröße und damit dessen Leistungsfähigkeit korreliert. Weiterhin sind die mit den avisierten Kompensationsmitteln verbundenen Abstiche in der Gleichwertigkeit der Wahlrechtsausübung in die Abwägungsentscheidung einzubeziehen. Diese Gesichts-
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punkte sind wiederum mit den aus den Alternativmöglichkeiten folgenden Kosten und dem erforderlichen zeitlichen Aufwand ins Verhältnis zu setzen. Auf diese Weise sind auch berechtigte Belange des für die Wahlkosten aufkommenden Arbeitgebers zu berücksichtigen. b) Geltung für die Schwerbehindertenvertretungswahl Ausgangspunkt der Geltung des Grundsatzes der Barrierefreiheit für die Schwerbehindertenvertretungswahl ist der ihr innewohnende Repräsentationsund Legitimationsgedanke. Dieser verdichtet sich infolge der spezifischen Besonderheiten des Wählerkreises jedenfalls bei der Schwerbehindertenvertretungswahl hin zu einem eigenständigen Wahlgrundsatz, der auch die Schaffung von Möglichkeiten zur Überwindung von behinderungsbedingten Hemmnissen bei der Wahlrechtsausübung gebietet. aa) Repräsentation und Legitimation als Leitgedanke der Wahl Wie jede betriebliche Interessenvertretung hat sich die Schwerbehindertenvertretung für die Belange der von ihr repräsentierten Beschäftigten einzusetzen und deren Interessen im Betrieb zu vertreten. Dem Repräsentations- und Legitimationsgedanken des Demokratieprinzips folgend soll die Schwerbehindertenvertretung für diese Aufgabe durch Wahlen legitimiert werden. Auf diese Weise soll sie über den für die Durchführung ihrer Aufgaben nötigen Rückhalt in der Belegschaft verfügen und ihr Wirken gleichzeitig auch die entsprechende Akzeptanz unter den Beschäftigten erlangen. Die zu repräsentierenden Beschäftigten sollen aus diesem Grund die Möglichkeit erhalten, durch Ausübung ihres Wahlrechts über die ihre Interessen vertretende Person zu disponieren. bb) Legitimationsdefizite bei bewusster Nichtausübung des Wahlrechts Die mit der Wahl intendierte demokratische Legitimation erleidet allerdings dann Defizite, wenn nicht sämtliche Wahlberechtigte von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Das Wahlergebnis bildet dann nämlich nicht mehr den Willen der Wählergesamtheit ab. Damit entstehen immer dann Legitimationsdefizite, wenn sich Wahlberechtigte bewusst gegen eine Wahlmitwirkung entscheiden oder zumindest infolge Gleichgültigkeit auf die Ausübung ihres Wahlrechts verzichten. In einer solchen bewussten Entscheidung, von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch zu machen, zeigt sich jedoch ein Desinteresse, auf das Ergebnis der Wahl und damit auf die Auswahl der Repräsentationsperson Einfluss zu nehmen. Diesen Wahlberechtigten kommt es somit gerade nicht auf eine von ihnen ausgehende Legitimation des sie vertretenden Organs an. Rein formell betrachtet besteht durch eine Nichtwahl somit zwar ein Legitimationsdefizit. Dieses ist bei
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bewusstem Verzicht auf die Wahlrechtsausübung jedoch gerade nicht mit einem Bedürfnis nach Legitimation hinterlegt, so dass der Legitimationscharakter der Wahl insoweit materiell nicht beeinträchtigt wird. Daher lässt eine autonom begründete Nichtbeteiligung die Rechtmäßigkeit der Repräsentantenwahl trotz ihrer verminderten Legitimierungswirkung unberührt.146 cc) Legitimationsdefizite bei heteronom bedingter Nichtausübung des Wahlrechts Anders gestaltet sich die Situation allerdings dann, wenn der Nichtausübung des Wahlrechts keine willensgetragene Entscheidung zugrunde liegt, sondern die Wahlberechtigten allein aus, in ihrer Person oder in äußeren Umständen liegenden Gründen gehindert sind, ihr Wahlrecht auszuüben. Im Unterschied zu einer bewussten Nichtausübung des Wahlrechts werden Wahlberechtigte in diesen Fällen ungeachtet eines bestehenden Mitwirkungsinteresses daran gehindert, auf die Auswahl des Repräsentationsorgans Einfluss zu nehmen. Bei einer heteronom bedingten Nichtwahl korrespondiert das formelle Legitimationsdefizit somit zugleich auch mit einen unerfüllt bleibenden, materiellen Legitimierungsbedürfnis der betreffenden Wahlberechtigten. Ein heteronom bedingtes, materielles Legitimationsdefizit stünde jedoch im Widerspruch zum Repräsentationsgedanken des allgemeinen Demokratieprinzips. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber klare Regeln zum Schutz der Wahl147 angeordnet, um eine außerhalb des Willens der Wahlberechtigten liegende Beeinflussung des Wahlergebnisses zu unterbinden.148 Ziel der Wahlschutzregelungen ist dabei auch zu verhindern, dass Wahlberechtigte entgegen ihrem Willen von der Ausübung ihres Wahlrechts abgehalten werden.149 Durch die Wahlschutzregelungen unterbindet der Gesetzgeber jedoch nur solche heteronomen Hemmnisse, die von Dritten ausgehen. In der Person der Wahlberechtigten liegende Hemmnisse werden dagegen nicht vermieden bzw. überwunden. Treten derartige Hinderungsgründe auf, die zur heteronom bedingten Nichtwahl führen, erleidet die Wahl somit nicht nur formelle, sondern auch materielle Legitimationsdefizite.
146 Vgl. dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 365, der darauf hinweist, dass die Wirksamkeit einer betrieblichen Interessenvertretungswahl (und damit der Legitimation des Repräsentationsorgans) nicht von einer Mindestwahlbeteiligung abhängig ist. 147 Siehe dazu oben § 2 III. 1. 148 Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 109. Vgl. auch Butzer, in: Epping/ Hillgruber, Beck-OK GG, Art. 38 Rn. 58 und Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 26 f. 149 Löwisch/Kaiser, BetrVG § 14 Rn. 15. Vgl. auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 26.
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dd) Besonderheiten des zu repräsentierenden Personenkreises Inwieweit derartige Legitimationsdefizite bei anderen Wahlen wegen der geringen praktischen Bedeutsamkeit zugunsten der Durchführbarkeit der Wahl gerechtfertigt sind, mag vorliegend dahinstehen. Jedenfalls für die Schwerbehindertenvertretungswahl besteht ein besonderes Bedürfnis, auch in der Person des Wahlberechtigten liegende, behinderungsbedingte Hemmnisse bei der Wahlrechtsausübung zu vermeiden bzw. zu überwinden. (1) Korrelation zwischen Wahlrecht und Wahlausübungshemmnissen Anders als bei sonstigen Wahlen ist der durch das Interessenvertretungsorgan zu repräsentierende Wählerkreis gerade dadurch gekennzeichnet, dass die betreffenden Personen unter signifikanten körperlichen, psychischen oder seelischen Einschränkungen in der Teilhabe am Gesellschaftsleben leiden. Schließlich wurde das aktive Wahlrecht zur Schwerbehindertenvertretungswahl nach § 94 Abs. 2 SGB IX bewusst davon abhängig gemacht, dass die Beschäftigten Behinderungen von erheblichem Schweregrad aufweisen.150 Schon in der Festlegung des aktiv wahlberechtigten Personenkreises ist damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür angelegt, dass bei den betreffenden Beschäftigten in der Behinderung liegende Gründe vorliegen, die die Ausübung des Wahlrechts maßgeblich erschweren. Zwar stellen die Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts nicht zwingend auf das Vorliegen entsprechender Hemmnisse ab. Umgekehrt sind jedoch bei Vorliegen erheblicher behinderungsbedingter Schwierigkeiten bei der Wahlrechtsausübung in der Regel die Anforderungen des § 94 Abs. 2 SGB IX erfüllt. Bei der Schwerbehindertenvertretungswahl korrelieren also die Wahlrechtsvoraussetzungen mit dem Vorliegen behinderungsbedingter Hemmnisse bei der Wahlrechtsausübung. (2) Folge für das Wahlergebnis Im Unterschied zu anderen Wahlen ist die Schwerbehindertenvertretungswahl also in besonderem Maße durch die Wahlberechtigung von Personen mit Einschränkungen in der Wahlrechtsausübung geprägt. Vor diesem Hintergrund erschiene es absurd, einerseits das Vorliegen erheblicher Einschränkung zur Voraussetzung des Wahlrechts zu machen, gleichzeitig aber hieraus resultierenden Hemmnissen bei der Wahlrechtsausübung nicht Rechnung zu tragen. Ließe man nämlich Hemmnisse bei der Wahlrechtsausübung unberücksichtigt und würde keine Möglichkeiten zu deren Kompensation schaffen, wäre es nur denjenigen schwerbehinderten Beschäftigten möglich, uneingeschränkt an der Wahl mitzuwirken, deren Behinderungen ihnen bei der Wahlrechtsausübung keine Schwie150 Siehe zu den Anforderungen durch den Begriff der Schwerbehinderung unten § 3 IV. 2. a) und § 4 II. 1. a).
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rigkeiten bereiten. Das Ergebnis der Schwerbehindertenvertretungswahl würde den Willen der schwerbehinderten Beschäftigten dadurch aber nur noch partiell widerspiegeln können und die Wahl damit in der Folge erhebliche materielle Legitimationsdefizite aufweisen. (3) Schlussfolgerungen Dies widerspräche jedoch der vom Gesetzgeber intendierten Legitimationsfunktion der Wahl. Dem mutmaßlichen gesetzgeberischen Willen entspricht es daher jedenfalls bei der Schwerbehindertenvertretungswahl, nicht nur die Einflussnahme durch Dritte zu vereiteln, sondern auch andere Formen heteronom bedingter Nichtwahl zu verhindern. Schließlich ließen sich nur auf diese Weise schwerwiegende materielle Legitimationsdefizite vermeiden und die Schwerbehindertenvertretung als Repräsentationsorgan aller schwerbehinderten Beschäftigten gleichermaßen etablieren. Die für die Schwerbehindertenvertretungswahl spezifische Sonderkonstellation des Wählerkreises bedingt daher nicht nur ein Verbot der Erschwerung des Zugangs zur Wahl, sondern gebietet zugleich auch die Schaffung von Möglichkeiten zur Überwindung bestehender behinderungsbedingter Erschwernisse. Im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl gilt daher ein spezifischer, den Grundsatz der Allgemeinheit überlagernder Grundsatz der Barrierefreiheit.151 c) Einfluss auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Der Grundsatz der Barrierefreiheit wirkt sich an zahlreichen Stellen auf die Schwerbehindertenvertretungswahl aus. Schwerpunkte seiner Wirkung bilden dabei die Gesamtakte der Ausübung des aktiven wie des passiven Wahlrechts. Dabei ist er nicht nur für die Stimmabgabe bzw. Kandidatur an sich maßgeblich, sondern erfasst auch sämtliche in deren Vorfeld zu durchlaufenden Schritte, wie die wirksame Ausschreibung der Wahl oder die Einreichung von Wahlvorschlägen. Er gilt daher grundsätzlich für jede von den aktiv oder passiv Wahlberechtigten ausgehende oder diesen gegenüber vorzunehmende Handlung im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl. 151 So wohl im Ergebnis auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19 und Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23, die die Gewährleistung der Barrierefreiheit der Wahl ganz selbstverständlich voraussetzen und die Barrierefreiheit teilweise auch als Rechtfertigung für die Durchbrechung anderer Wahlgrundsätze heranziehen (vgl. Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 36; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 28). Ebenso wohl auch Strehmel, AuA 2002, 418, 419, die die Barrierefreiheit der Wahl jedoch fälschlich aus dem jedenfalls für die Privatwirtschaft nicht anwendbaren Behindertengleichstellungsgesetz ableitet.
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§ 3 Wahlvoraussetzungen I. Allgemeines zu den Wahlvoraussetzungen Das SGB IX sieht keine generelle Wahl einer Schwerbehindertenvertretung vor, sondern macht diese davon abhängig, dass in dem betreffenden Betrieb wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Voraussetzung der Wahl einer Schwerbehindertenvertretung ist damit die Erreichung eines betriebsbezogenen Schwellenwerts. Die Etablierung eines derartigen Schwellenwerts ist im Bereich der Privatwirtschaft allgemein üblich1 und Ausdruck einer Verhältnismäßigkeitsabwägung des Gesetzgebers.2 Allerdings weist die Mindestzahlregelung des § 94 Abs. 1 SGB IX im Vergleich zu den Wahlvoraussetzungen anderer betrieblicher Interessenvertretungen nicht unbedeutende Divergenzen auf. Während etwa in § 1 Abs. 1 BetrVG der „Arbeitnehmer“ als Schwellenwertsubjekt fungiert, wird in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX darauf abgestellt, wie viele schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind. Auch im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit des Erreichens des Schwellenwerts ergeben sich signifikante Unterschiede zu den Wahlvoraussetzungen anderer betrieblicher Interessenvertretungen.3 Angesichts dieser systematischen Besonderheiten der Schwellenwertregelung erscheint es geboten, die Voraussetzung der Schwerbehindertenvertretungswahl einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Ausgangspunkt dieser Betrachtung soll der als Bezugspunkt des Schwellenwerts gewählte „Betrieb“ sein. Hierfür ist zunächst der für § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX maßgebliche Betriebsbegriff herauszuarbeiten und im Hinblick auf seine stringente Anwendbarkeit kritisch zu beleuchten (II.). Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang ist auch die in § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vorgesehene Möglichkeit der Zusammenfassung von Betrieben. Diese soll daher hinsichtlich der Voraussetzungen und der Verfahrensweise in die Betrachtung einbezogen werden (III.). Sodann ist der Blick auf das Schwellenwertsubjekt zu richten. Dabei muss den Fragen nachgegangen werden, welche Personen als „schwerbehinderte Menschen“ i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gelten (IV. 1.) und was unter dem Begriff der Beschäftigung zu verstehen ist (IV. 2.). Hieran anknüpfend muss auch auf die erforderliche Dauerhaftigkeit der Zuordnung zum Betrieb eingegangen werden (IV. 3). Schließlich ist zu untersuchen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass § 94 Abs. 1 SGB IX im Unterschied zu den anderen Mindestzahlregelungen nicht darauf abstellt, ob der Schwellenwert „in der Regel“ erreicht wird (V.). 1 Für die Betriebsratswahl: § 1 Abs. 1 BetrVG; für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung: § 60 Abs. 1 BetrVG; für die Sprecherausschusswahl: § 1 Abs. 1 SprAuG. 2 Siehe dazu unten § 3 IV. 3. d) aa). 3 Siehe dazu unten § 3 V.
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II. Betrieb als Bezugspunkt des Schwellenwerts Gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung von der Beschäftigung einer bestimmten Anzahl von schwerbehinderten Menschen abhängig. Dabei stellt dieser personelle Schwellenwert – anders als der Bezugspunkt der Beschäftigungspflicht nach § 69 SGB IX – nicht auf den „Arbeitgeber“ ab, sondern bezieht die Mindestzahl stattdessen auf den „Betrieb“. 1. Definition des Betriebsbegriffs Zur näheren Bestimmung der Wahlvoraussetzungen muss somit geklärt werden, wie der Begriff des Betriebs i. S. d. § 94 Abs. 1 SGB IX zu verstehen ist. Hierzu sollen zunächst die rechtlichen Grundlagen der heranzuziehenden Begriffsdefinition geklärt und anschließend die maßgebliche Definition des Betriebs dargestellt werden. a) Regelung des SGB IX Der Begriff des Betriebs wird weder in § 94 SGB IX noch in der die Wahl näher ausgestaltenden SchwbVWO definiert, sondern dort jeweils als gegeben vorausgesetzt.4 Auch die übrigen Vorschriften des SGB IX enthalten keine eigenständige Legaldefinition des Betriebsbegriffs. Allerdings findet sich in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Regelung, nach der sich der Begriff des Betriebs im zweiten Teil des SGB IX nach dem des Betriebsverfassungsgesetzes bestimme. Diese umfassende Verweisung auf das Betriebsverfassungsrecht erfährt auch im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl keine explizite Einschränkung. Der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff ist somit vollumfänglich auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX anzuwenden.5 b) Betriebsbegriff des BetrVG Dieser Rückgriff auf die Begriffsbestimmung des BetrVG erscheint insofern überraschend, als sich auch dort keine eigenständige Definition des Betriebsbe4
Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, Vorbemerkungen Rn. 3. Vgl. Adlhoch, BehR 2002, 161, 161; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 2; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 2; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 7; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/MajerskiPahlen, SGB IX, § 87 Rn. 3 und § 94 Rn. 2; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 6. Vgl. auch Bonanni, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen, S. 173; Schleicher, WO zum SchwbG, Vorbemerkungen Rn. 3. Im Ergebnis auch BAG vom 18.01.2012, 7 ABR 72/10, AP Nr. 33 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, das davon ausgeht, dass die Bildung der Schwerbehindertenvertretung an den Betriebsbegriff im Sinne der betrieblich vorgefundenen Strukturen anknüpfe. 5
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griffs findet und damit auf einen nicht normativ ausgefüllten Begriff verwiesen wird. Allerdings hatte sich in der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung bereits innerhalb der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ein weitgehend gefestigter Betriebsbegriff herausgebildet.6 Somit greift die Verweisung auf das Betriebsverfassungsrecht nicht ins Leere. Vielmehr folgt aus der in Kenntnis der fehlenden Legaldefinition aufgenommenen Verweisung, dass gerade dieser inzwischen etablierte7 Betriebsbegriff auch im Rahmen des SGB IX zur Anwendung gelangen soll.8 c) Maßgebliche Definitionen Über die Verweisung des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ist somit auch im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl die allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Begriffsdefinition maßgeblich. aa) Betrieb Unter Betrieb i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist daher die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.9 Aus der allgemeinen Verweisung folgt gleichzeitig, dass nicht nur die reine Begriffsbestimmung heranzuziehen ist, sondern auch auf die diesbezüglich von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien und Grundsätze zurückgegriffen werden kann. 6
Ausführlich dazu Boemke, in: FS Uni Leipzig, S. 203, 203 ff. Vgl. nur Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 98 f.; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 26 ff.; Löwisch, BB 2001, 1734, 1734; Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 50. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 14. 8 Vgl. Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 3; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 14; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 7; Pahlen, in: Neumann/ Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 2; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 18; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 24; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 13. 9 Adlhoch/Beyer/Ihme/Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 7; Adlhoch, BehR 2002, 161, 161; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 20; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 7; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 553; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 18; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 24; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 13. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 13 f.; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 3; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 14; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 12. Für das BetrVG: Boemke, in: FS Uni Leipzig, S. 203, 218 ff.; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 63; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 99; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 28; Löwisch, BB 2001, 1734, 1734. 7
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bb) Betriebsteil Folglich ist auch die im Hinblick auf sog. Betriebsteile entwickelte Definition im Rahmen des SGB IX anzuwenden.10 Unter Betriebsteilen versteht man daher auf den Zweck des Betriebs ausgerichtete und in die Gesamtorganisation des Betriebs eingegliederte Betriebsbereiche, die organisatorisch oder räumlich abgrenzbar und relativ verselbstständigt sind.11 cc) Gemeinschaftsbetrieb Über die Verweisung des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX erlangt auch die Vermutung des gemeinsamen Betriebs nach § 1 Abs. 2 BetrVG Bedeutung.12 Auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl sind damit Beschäftigte unterschiedlicher Unternehmen zusammenzurechnen, soweit sie nach betriebsverfassungsrechtlichen Maßstäben einen Gemeinschaftsbetrieb darstellen. Auf diese Weise erhöht sich zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass die Wahlvoraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorliegen und damit eine Schwerbehindertenvertretungswahl erfolgen kann. Die Einbeziehung des § 1 Abs. 2 BetrVG in den Betriebsbegriff des SGB IX trägt damit auch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung Rechnung. 2. Wirkung von Betriebsfiktionen des BetrVG Die betriebsverfassungsrechtlichen Wahl- und Vertretungsstrukturen richten sich jedoch nicht ausschließlich nach dieser allgemeinen Definition, sondern werden zusätzlich von Betriebsfiktionen geprägt, die das BetrVG für bestimmte Konstellationen vorsieht. Im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl stellt sich dementsprechend die Frage, ob auch derartige Fiktionen auf das SGB IX ausstrahlen und im Rahmen des § 94 Abs. 1 SGB IX zu beachten sind.
10 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 13 und 15; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 21; Kamm/Feldes, AiB 2002, 603; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 13; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 38. 11 BAG vom 12.08.2008, 9 AZR 620/07, NZA-RR 2009, 430, 435; BAG vom 21.07.2004, 7 ABR 57/03, AP Nr. 15 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 19.02.2002, 1 ABR 26/01, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 28.06.1995, 7 ABR 59/94, AP Nr. 8 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 25.09.1986, 6 ABR 68/84, AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972; Bonanni, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen, S. 173; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 4 Rn. 2; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 42. 12 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 14; Adlhoch/Beyer/ Ihme/Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 7; Adlhoch, BehR 2002, 161, 162; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 18b.
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a) Betriebsteile als selbstständige Betriebe Im Allgemeinen sind Betriebsteile bereits definitionsgemäß nicht als eigenständige Betriebe zu qualifizieren. Gleichwohl sieht § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor, dass Betriebsteile unter bestimmte Voraussetzungen als selbstständige Betriebe gelten können. Über § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wird also für bestimmte Organisationsteilbereiche das Vorliegen eines Betriebs fingiert,13 obwohl diese die Voraussetzungen der allgemeinen Definition per se nicht erfüllen.14 aa) Voraussetzungen der Fiktion Als Grundvoraussetzung für das Eintreten dieser Betriebsfiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG muss der betreffende Betriebsteil zunächst für sich genommen betriebsratsfähig sein, also eine entsprechende Personenstärke aufweisen. Zusätzlich muss der Betriebsteil entweder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sein. Liegen sowohl die Betriebsratsfähigkeit als auch eine der beiden in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BetrVG genannten Voraussetzungen vor, wird das Vorliegen eines selbstständigen Betriebs für den betreffenden Betriebsteil automatisch fingiert. Der allgemeine Betriebsbegriff wird also in derartigen Konstellationen durch die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG modifiziert. Das auf der allgemeinen Definition basierende Begriffsverständnis ist in diesem Fall nicht mehr heranzuziehen.15 bb) Ausstrahlung auf das SGB IX Auf Grund des Fiktionscharakters der Regelung wird allgemein davon ausgegangen, dass die über § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bewirkte Begriffsmodifikation auf das Betriebsverfassungsrecht beschränkt bleibe und keine präjudizierende Wirkung für andere Gesetze habe.16 Insofern könnte die Ausstrahlung der Betriebsfiktion auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zweifelhaft sein.
13 Zum Fiktionscharakter der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG: BAG vom 27.06.1995, 1 ABR 62/94, AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 4 Rn. 3; Fitting, BetrVG, § 4 Rn. 14; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 32; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 1 und 4. 14 Vgl. Eisemann, in: ErfK, 6. Aufl., BetrVG, § 4 Rn. 3. 15 Vgl. BAG vom 27.06.1995, 1 ABR 62/94, AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 19.02.2002, 1 ABR 26/01, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; Franzen, in: GKBetrVG, § 4 Rn. 18. 16 Vgl. BAG vom 21.06.1995, 2 AZR 693/94, AP Nr. 16 zu § 1 BetrVG 1972; BAG vom 03.06.2004, 2 AZR 577/03, AP Nr. 141 zu § 102 BetrVG 1972; Kiel, in: Ascheid/ Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, KSchG, § 1 Rn. 665; Deinert, in: Kittner/Däubler/ Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, KSchG, § 1 Rn. 17; Franzen, in: GK-BetrVG, § 4 Rn. 24.
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Allerdings findet sich in § 94 Abs. 1 SGB IX nicht nur der gleiche Begriff wie im BetrVG. Vielmehr wird über § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX bewusst und uneingeschränkt auf den dortigen Betriebsbegriff Bezug genommen. Der somit unmittelbar herangezogene betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff ist jedoch gerade auch den Modifikationen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unterworfen. Infolge der expliziten und uneingeschränkten Bezugnahme des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX erlangt die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG somit auch über das Betriebsverfassungsrecht im engeren Sinne hinaus Bedeutung.17 Folglich gelten die sog. qualifizierten Betriebsteile18 bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl als selbstständige Betriebe.19 cc) Folgen der Ausstrahlung Die Anwendung der Betriebsfiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat zur Folge, dass bei der Beurteilung des Schwellenwerts des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausschließlich auf den als selbstständigen Betrieb zu behandelnden Betriebsteil abzustellen ist.20 Bei der Ermittlung des Schwellenwerts im Hauptbetrieb müssen die in qualifizierten Betriebsteilen beschäftigten schwerbehinderten Menschen dagegen unberücksichtigt bleiben. Organisatorische Einheiten, die nach der allgemeinen Definition einen einheitlichen Betrieb darstellen würden, werden also durch die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in mehrere selbstständige Betriebe aufgespalten und dadurch die Gesamtzahl der schwerbehinderten Beschäftigten auf die jeweiligen Teileinheiten herunter gebrochen. Dies dürfte in der Praxis in aller Regel dazu führen, dass in den als selbstständige Betriebe geltenden Betriebsteilen mangels Erreichung des Schwellenwerts seltener eine Vertretung durch eine örtliche Schwerbehinderten17 In dieser Richtung auch Franzen, in: GK-BetrVG, § 4 Rn. 24. Vgl. auch Mückl, DB 2010, 2615, 2615 f. 18 Zu diesem Begriff: Fitting, BetrVG, § 4 Rn. 14. 19 Im Ergebnis ebenso: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, § 24 Anm. I. 1.; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 112; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 14; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 3; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 7; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 553; Pohl, in: Feldes/Kohte/ Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 25; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 14. Ebenso wohl auch Adlhoch, BehR 2002, 161, 162; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 15; Mückl, DB 2010, 2615, 2616. 20 So auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 21 und Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 7, die für die eigenständige Schwerbehindertenvertretungswahl explizit die Erreichung der Mindestzahl von fünf Schwerbehinderten fordern.
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vertretung möglich ist als dies ohne die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Fall wäre. dd) Bedeutung des Optionsrechts des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Um einer Atomisierung der betrieblichen Interessenvertretung entgegenzuwirken, wird der Belegschaft der betroffenen Betriebsteile über § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ein Optionsrecht eingeräumt.21 Durch dieses erhalten die Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich durch Mehrheitsbeschluss22 der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb anzuschließen. Angesichts dieser Regelung wird in der Literatur verbreitet die Auffassung vertreten, die Ausübung des Rechts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wirke auch auf die Schwerbehindertenvertretungswahl ein.23 Dahingehend ist jedoch festzuhalten, dass das Optionsrecht des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Wortlaut nach den (fingierten) Betriebsbegriff unberührt lässt.24 Daher stellt sich die Frage, inwieweit die Ausübung des Optionsrechts tatsächlich auch im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Wirkung entfalten kann. (1) Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Zur Klärung dieser Frage soll die Optionsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG einer näheren Auslegung unterzogen werden, um anschließend Rückschlüsse auf die Auswirkungen für die Schwerbehindertenvertretungswahl ziehen zu können. (a) Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Geht man zunächst vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aus, erscheint eine Auswirkung des Optionsrechts auf die Schwerbehindertenvertretungswahl 21 Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 8. Vgl. auch Franzen, in: GK-BetrVG, § 4 Rn. 19; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 34. 22 Zu den Anforderungen an eine solche Entscheidung: Fitting, BetrVG, § 4 Rn. 28 ff.; Franzen, in: GK-BetrVG, § 4 Rn. 19 ff.; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 35 ff.; Rose, in: Hess, BetrVG, § 4 Rn. 56 f.; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 112 ff. 23 Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 19; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 112; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 21; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 3; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 9. 24 So auch Adlhoch, BehR 2002, 161, 162; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 18, der eine Einwirkung der Optionsausübung auf die Schwerbehindertenvertretungswahl aus diesem Grund ablehnt. Vgl. auch Müller-Wenner, in: MüllerWenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 8 f., die zwar davon ausgeht, dass durch § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG der Betriebsbegriff nicht berührt werde, sich jedoch für „eine entsprechende Anwendung der Regelung auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung“ ausspricht.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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nicht gerechtfertigt. Ausdrücklich sieht die Vorschrift bei Ausübung des Optionsrechts nämlich lediglich den Anschluss an die Wahl im Hauptbetrieb vor. Dagegen ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen, dass durch die Optionsausübung der Betriebsbegriff selbst modifiziert werden solle.25 Die Wirkung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschränkt sich also dem unmittelbaren Wortlaut nach auf die Teilnahme der Arbeitnehmer des qualifizierten Betriebsteils an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb. Eine solche vom Betriebsbegriff unabhängige Wahlbeteiligung hätte jedoch mangels Bezugnahme im SGB IX keine Auswirkung auf die Schwerbehindertenvertretungswahl, so dass die Ausübung des Optionsrechts des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem reinen Wortlaut nach für die Schwerbehindertenvertretungswahl unbeachtlich wäre.26 (b) Systematische Stellung Betrachtet man das Optionsrecht im Hinblick auf seine systematische Stellung ist zu manifestieren, dass dieses in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsfiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG steht und auf die Beseitigung der durch diese Fiktion eintretenden Folgen gerichtet ist.27 Das Optionsrecht gibt den Arbeitnehmern somit aus systematischer Sicht ein der Selbstständigkeitsfiktion entgegenwirkendes Reaktionsmittel an die Hand und nimmt somit insoweit eine Konträrstellung ein. Diese legt es im Unterschied zum Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nahe, dass das Optionsrecht die Rückausnahme zur Betriebsfiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bildet. Als solche müsste das Optionsrecht jedoch in gleicher Weise auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Anwendung finden wie dies bei der Betriebsfiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Fall ist. (c) Historisch-teleologische Betrachtung Zu diesem Ergebnis gelangt man auch im Rahmen einer historisch-teleologischen Auslegung der Norm. Vor Etablierung des Optionsrechts führte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG a. F. nämlich zwingend zur Fiktion eines selbstständigen Betriebs. Damit war generell ausgeschlossen, dass die in diesem Betriebsteil tätigen Arbeitnehmer von dem im Hauptbetrieb gewählten Betriebsrat vertreten wurden. Dies galt selbst dann, wenn in dem betreffenden Betriebsteil überhaupt keine Wahl eines eigenen Betriebsrats stattgefunden hatte. Vielmehr konnte eine Vertretung der Arbeitnehmer in qualifizierten Betriebstei25 Adlhoch, BehR 2002, 161, 162; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 8. 26 So auch Adlhoch, BehR 2002, 161, 162; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 18, der jedoch die dem entgegen stehenden systematischen und historisch-teleologischen Argumente übersieht und allein auf den direkten Wortlaut abstellt. 27 Ähnlich: Hanau, NJW 2001, 2513, 2514.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
len ausschließlich durch eigene Betriebsräte erfolgen. Diesen Umstand hat der Gesetzgeber als nachteilig empfunden und zur Abhilfe das Optionsrecht des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eingeführt.28 Eine Verbesserung der Vertretungssituation tritt hierdurch jedoch nur dann ein, wenn sich die Wirkung des Optionsrechts nicht lediglich auf die Beteiligungen an der Wahl beschränkt, sondern auch eine vollumfängliche Vertretung der im qualifizierten Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer durch den gewählten Betriebsrat ermöglicht. Konsequenterweise ist anerkannt, dass die optierenden Arbeitnehmer eines qualifizierten Betriebsteils durch ihre Wahlteilnahme in vollem Umfang auch von der Zuständigkeit des im Hauptbetrieb gewählten Betriebsrats erfasst und von diesem vertreten werden.29 Bei historisch-teleologischer Betrachtung zielt ein Beschluss nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG also nicht allein auf eine bloße Wahlteilnahme ab, sondern soll sämtliche durch die Betriebsfiktion eintretenden Wirkungen revidieren.30 (d) Schlussfolgerungen Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass durch das Optionsrecht die Möglichkeit eröffnet wird, die mit der Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einhergehende Verselbstständigung des Betriebsteils umfassend rückgängig zu machen.31 Wird also von der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Gebrauch gemacht, wird der fingiert verselbstständigte Betriebsteil – der allgemeinen Begriffsdefinition folgend – wieder als „einfacher“ Betriebsteil dem Hauptbetrieb zugeordnet.32 Infolgedessen unterliegt der qualifizierte Betriebsteil dann nicht mehr der Betriebsfiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.33 Das Optionsrecht des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wirkt daher trotz des insoweit irreführenden Wortlauts im Fall seiner Ausübung auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ein. Schließlich bewirkt die Optionsausübung, dass die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beseitigt wird und somit wieder das allgemeine Begriffsverständnis zur Anwendung gelangt.
28 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 14/5741, S. 35. Vgl. auch Koch, in: ErfK, BetrVG, § 4 Rn. 5; Franzen, in: GK-BetrVG, § 4 Rn. 19; Trümner, in: Däubler, BetrVG, BetrVG, § 4 Rn. 101. 29 Vgl. Fitting, BetrVG, § 4 Rn. 27; Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Franzen, in: GK-BetrVG, § 4 Rn. 22; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 123 f. Vgl. auch Hanau, ZIP 2001, 1981, 1982, der darauf verweist, dass die betreffenden Arbeitnehmer dann auch mitzählen. 30 Ähnlich: Hanau, NJW 2001, 2513, 2514. 31 Vgl. Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 4 Rn. 5. 32 Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 4 Rn. 13. Vgl. auch Koch, in: ErfK, BetrVG, § 4 Rn. 5; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 123. 33 So ausdrücklich Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 123.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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(2) Wirkung auf die Schwerbehindertenvertretungswahl Das Optionsrecht beeinflusst damit auch den über § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX in Bezug genommenen Betriebsbegriff. Folglich ist die Ausübung des Optionsrechts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl zu berücksichtigen und in diesem Fall das allgemeine Verständnis des Betriebsbegriffs heranzuziehen.34 Wird also seitens der Arbeitnehmer vom Optionsrecht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Gebrauch gemacht, sind auch die schwerbehinderten Beschäftigten des sonst nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als selbstständig geltenden Betriebsteils dem Hauptbetrieb zuzurechnen. Eine eigenständige Schwerbehindertenvertretungswahl in diesem Betriebsteil ist damit nach Ausübung des Optionsrechts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausgeschlossen. Die Entscheidung der Arbeitnehmerschaft wirkt sich also unmittelbar auf den Wahlund Vertretungsbezirk der Schwerbehindertenvertretung aus, ohne dass die schwerbehinderten Beschäftigten hierbei gesondert beteiligt würden. b) Abweichende Organisationsstruktur nach § 3 BetrVG Seit der Novellierung des BetrVG im Jahre 2001 eröffnet § 3 BetrVG in umfassender Weise die Möglichkeit, die gesetzlich vorgezeichnete Organisationsstruktur der Betriebsverfassung abweichend zu gestalten. Dies kann durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder in engen Grenzen auch durch Beschluss der Arbeitnehmerschaft geschehen, ohne dass es hierfür einer staatlichen Genehmigung bedürfte.35 Im Rahmen des § 3 BetrVG können Spartenbetriebsräte, unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Betriebsräte oder sonstige gesetzlich unbestimmte Formen von Arbeitnehmervertretungen geschaffen werden,36 die dann an die Stelle der gesetzlich vorgesehenen Betriebsräte treten.37 Diese abweichend definierten Organisationseinheiten gelten gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ebenfalls als Betrieb im Sinne des Gesetzes, so dass das BetrVG auch insoweit eine Betriebsfiktion aufweist.38 Diese gilt es wiederum im Folgenden zu untersuchen. 34 So im Ergebnis auch: Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 19; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 112; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 21; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 3; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 9. Wohl auch Mückl, DB 2010, 2615, 2616. 35 Näher zum nunmehr weggefallenen Zustimmungsbedürfnis: Löwisch, BB 2001, 1734, 1736; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 5. 36 Besgen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-OK ArbR, BetrVG, § 3 Rn. 2; Däubler, AuR 2001, 1, 2; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 2; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 15. 37 Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 59; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 1; Löwisch, BB 2001, 1734, 1735; Plander, NZA 2002, 483, 488; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 3; Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 1, 4 und 16. 38 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 76; Giesen, BB 2002, 1480, 1483; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung,
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aa) Voraussetzungen der Fiktion Die Fiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG kann den Betriebsbegriff des BetrVG grundsätzlich auf unterschiedlichen Regelungsebenen modifizieren. Hierbei existiert ein abgestuftes Hierarchie- und Kompetenzsystem der möglichen Verhandlungspartner. Nach diesem obliegt es in erster Linie den Tarifpartnern, eine Änderung der Organisationsstruktur durch Tarifvertrag zu bewirken.39 Nur wenn in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG keinerlei Tarifvertrag gilt,40 kommt auch eine Modifikation der Organisationsstruktur durch Betriebsvereinbarung in Betracht. Abweichende Vertretungsstrukturen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG können dagegen nie durch die Betriebspartner vereinbart werden.41 Durch Beschluss der Arbeitnehmer ist eine Betriebsfiktion nach § 3 Abs. 5 BetrVG nur im Hinblick auf die Schaffung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats möglich. Dies setzt jedoch generell voraus, dass weder eine diesbezügliche tarifliche Regelung existiert, noch ein Betriebsrat vorhanden ist.42 Voraussetzung einer nach § 3 BetrVG modifizierten Organisationsstruktur ist zusätzlich, dass diese darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer zu verbessern. Diese Optimierungsfunktion muss je nach Modifikationsform unterschiedlich hohen Anforderungen genügen.43 Wird diese Zielrichtung bei der Festlegung abweichender Strukturen in grober Weise außer Acht gelassen, scheidet eine wirksame Abweichung von den gesetzlich vorgesehenen Organisationseinheiten generell aus.44
S. 287; Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 19; Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 214; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 195. 39 Vgl. Besgen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-OK ArbR, BetrVG, § 3 Rn. 2; Däubler, AuR 2001, 1, 2; Löwisch, BB 2001, 1734, 1736. 40 Zu diesbezüglich geltenden näheren Anforderungen: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 66 ff.; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 38; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 75; Rose, in: Hess, BetrVG, § 3 Rn. 88 ff.; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 161 ff. und 164 f. Zur Unzulässigkeit einer Delegation der Regelungskompetenz durch tarifliche Öffnungsklausel: Annuß, NZA 2002, 290, 293; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 39; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 76; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 159 f. A. A. in Bezug auf die Delegationsmöglichkeit: Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Plander, NZA 2002, 483, 488; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 3 Rn. 14. 41 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 67; Franzen, in: GKBetrVG, § 3 Rn. 39; Plander, NZA 2002, 483, 487; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 76; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 158 f. 42 Vgl. zu den näheren Anforderungen: Fitting, BetrVG § 3 Rn. 93 ff.; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 44 f.; Rose, in: Hess, BetrVG, § 3 Rn. 94 ff.; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 176 ff. 43 Friese, ZfA 2003, 237, 257; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 7; Plander, NZA 2002, 483, 487. Vgl. auch Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 8; Teusch, NZA 2007, 124, 126 f. 44 Vgl. Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 8; Plander, NZA 2002, 283, 487 f.; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 216.
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Schließlich ist für eine Betriebsfiktion nach § 3 Abs. 5 BetrVG auch erforderlich, dass die allgemeinen für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen geltenden Wirksamkeitsvoraussetzungen eingehalten sind. Im Fall einer Abstimmung über die unternehmenseinheitliche Wahl des Betriebsrats nach § 3 Abs. 3 BetrVG muss diese ordnungsgemäß erfolgt sein. bb) Spezifische Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung In der tariflichen Praxis vereinbaren die Tarifparteien im Rahmen der kollektiven Modifizierung der Struktur der Betriebsverfassung nach § 3 BetrVG bisweilen auch spezifische Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung.45 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit eine dahingehende tarifliche Regelung überhaupt zulässig ist. (1) Zwingender Charakter der Organisationsvorschriften Im Allgemeinen sind die organisatorischen Vorschriften von betrieblichen Interessenvertretungsorganen zwingend ausgestaltet. Abweichungen durch Tarifvertrag sind somit ausschließlich dann möglich, wenn das Gesetz dies ausdrücklich gestattet.46 (2) Kein Eingreifen einer Öffnungsklausel Allerdings enthalten weder das SGB IX noch das BetrVG Vorschriften, die die Modifikation der Struktur der Schwerbehindertenvertretung explizit gestatten würden. Während das SGB IX keinerlei Öffnungsklausel beinhaltet, beschränkt sich § 3 BetrVG auf Abweichungen der Organisationsstruktur des Betriebsrats und erstreckt sich daher gerade nicht auf unmittelbare Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung.47 Dies ergibt sich im Hinblick auf die Modifikationen nach 45 Vgl. dazu die bei Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 348 ff. wiedergegebenen Beispiele aus dem Tarifregister. Derartige Regelungen finden sich in Beispiel 8: Ziff. 9 der Vereinbarung (Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 365); Beispiel 10: § 6 der Vereinbarung (Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 371); Beispiel 11: § 5 der Vereinbarung (Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 373). 46 Für das BetrVG: BAG vom 10.02.1988, 1 ABR 70/86, AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972; BAG vom 10.11.2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972; Däubler, in: Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 81; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 2; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 343; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 1; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 3; Richardi, in: Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 131 und 134 ff.; Teusch, NZA 2007, 124, 124. Vgl. auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 13. 47 Vgl. Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 19 ff.
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§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG aus der bereits dem Wortlaut zu entnehmenden zielorientierten Ausrichtung auf Betriebsräte. Aber auch § 3 Abs. 1 Nr. 3 sieht nur abweichende „Arbeitnehmervertretungsstrukturen“ vor. Der Begriff der Arbeitnehmervertretungsstruktur ist jedoch sowohl begrifflich, als auch inhaltlich unmittelbar mit der allgemeinen, betrieblichen Interessenvertretung, also dem örtlichen Betriebsrat verknüpft.48 Auch die in § 3 Abs. 1 BetrVG jeweils geforderte Optimierungsfunktion spricht gegen die Zulässigkeit spezifischer Regelungen über die Struktur der Schwerbehindertenvertretung. Jegliche diesbezügliche Regelung kann nämlich nur der Optimierung der Interessen der schwerbehinderten Menschen und damit nur eines kleinen Teils der Arbeitnehmer, nicht aber der Gesamtheit der Arbeitnehmerschaft dienen.49 (3) Schlussfolgerungen Dementsprechend kommen originär auf die Schwerbehindertenvertretung ausgerichtete Regelungen zur Abänderung der Organisationsstruktur auch nach § 3 BetrVG nicht in Betracht. Derartige Normen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen verstoßen somit gegen zwingendes Recht und entfalten daher keine Wirkung.50 cc) Ausstrahlung auf das SGB IX Auf Grund des Fiktionscharakters wird auch bezüglich § 3 BetrVG davon ausgegangen, dass abweichende Organisationsstrukturen ausschließlich für das Betriebsverfassungsrecht Geltung beanspruchten und die Modifikationen für andere Gesetze bedeutungslos seien.51 Der Eindruck einer dergestalt beschränkten Wirkung wird zusätzlich durch den Wortlaut des § 3 Abs. 5 BetrVG verstärkt. Im Unterschied zu § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wird die Fiktion dort nämlich nur auf „Betriebe im Sinne dieses Gesetzes“ erstreckt und ihre Reichweite damit ausdrücklich auf das BetrVG beschränkt.52 48 Im Unterschied zum Betriebsrat ist es nicht die Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung, die Interessen der Arbeitnehmer im Allgemeinen, sondern die der beschäftigten schwerbehinderten Menschen zu vertreten. 49 Vgl. dazu Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 344. 50 Vgl. zur Unwirksamkeit gegen das Gesetz verstoßender Organisationsvorschriften: BAG vom 10.11.2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 13. 51 Däubler, AuR 2001, 285, 288; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 76; Giesen, BB 2002, 1480, 1483; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 12; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 59; Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 19; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 3 Rn. 17. Differenzierend:Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 195, 199 ff. 52 Däubler, AuR 2001, 285, 288; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 76; Giesen, BB 2002, 1480, 1483. Vgl. auch Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 218.
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(1) Maßgeblichkeit des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs Allerdings knüpft § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht an einen „allgemeinen“ arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff, sondern über § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX gerade explizit an den Betriebsbegriff des BetrVG an. Teil dieses spezifisch betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs sind jedoch auch die nach § 3 BetrVG möglichen Modifikationen der Organisationsstruktur. Damit erlangt die Betriebsfiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG als Teil des betriebsverfassungsrechtlichen Begriffsverständnisses indirekt auch für die Schwerbehindertenvertretungswahl Bedeutung. Auch im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gelten daher die nach § 3 BetrVG abweichend geregelten Organisationseinheiten als Betriebe.53 (2) Teleologische Gesichtspunkte Dieses Ergebnis entspricht auch Sinn und Zweck der in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX angelegten Anknüpfung an den Betriebsbegriff. Wie bereits dargelegt, sind die betrieblichen Interessenvertretungsorgane zur effektiven Arbeit auf ein enges kooperatives Zusammenwirken angewiesen.54 Derartigen Abstimmungen und Kooperationen stünde es jedoch im Wege, wenn die Vertretungsbezirke dieser Organe stark divergierten.55 Konsequenterweise wird daher über die §§ 94 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ganz bewusst an die gleiche Basiseinheit angeknüpft, um zu gewährleisten, dass die Wahl- und Vertretungsbezirke von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung parallel ausgestaltet sind.56 Der 53 BAG vom 10.11.2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 21; Adlhoch/Beyer/Ihme/Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 9; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 40; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 79; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 302; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 14; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 8; Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 59; Mückl, DB 2010, 2615, 2615 f.; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 2; Schimanski, BehR 2004, 74, 75 f.; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 18a; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 3 Rn. 205. A. A. dagegen: Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 19. Vgl. auch Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 218, der allein die ausdrückliche Bezugnahme auf den Betriebsbegriff des BetrVG nicht genügen lassen will und ergänzend auf teleologische Gesichtspunkte abstellt. Vgl. auch zu § 3 BetrVG a. F.: Begr. Reg.-Entw. 7/656, S. 30. 54 Siehe dazu oben § 1 I. 2. b). 55 Vgl. Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 301. Vgl. auch Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 19, der eine Auswirkung des § 3 BetrVG auf die Schwerbehindertenvertretungswahl jedoch auf Grund der Beschränkung der Fiktion auf das BetrVG ablehnt. 56 Vgl. Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 40; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 301. Vgl. auch Düwell, juris-PR-ArbR 7/2005, Anm. 3.
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Gesetzgeber verfolgte also das Ziel, die Strukturen der beiden Interessenvertretungsorgane gleichartig auszugestalten und ihnen identische Organisationseinheiten zu Grunde zu legen, um eine möglichst effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen.57 Dieser Zielsetzung entsprechend muss ein nach § 3 BetrVG modifizierter Betriebsbegriff auch für die Schwerbehindertenvertretungswahl maßgeblich sein, damit der nötige Gleichlauf der Organstrukturen in vollem Umfang gewährleistet bleibt. (3) Kein Widerspruch zu § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX Eine Übertragung der nach § 3 BetrVG abweichend geregelten Interessenvertretungsstruktur auf die Schwerbehindertenvertretung steht auch nicht im Widerspruch zu § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Zwar sieht diese Norm ihrerseits vom gesetzlichen Regelfall abweichende Wahl- und Vertretungsstrukturen vor,58 jedoch ist für diesen Fall – anders als in § 3 BetrVG – keine Betriebsfiktion vorgesehen. Der Begriff des Betriebs bleibt somit von der Zusammenfassungsmöglichkeit des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX völlig unberührt.59 Vielmehr knüpft die Vorschrift selbst an den Begriff des Betriebs i. S. d. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an und stellt damit in gleicher Weise auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ab.60 Folglich sind auch Modifikationen nach § 3 BetrVG im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu berücksichtigen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Vorschrift ein eigenständiger Anwendungsbereich verloren ginge. Schließlich können die Vereinbarungen beispielsweise auch eine nur teilweise Zusammenfassung von Betrieben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b) BetrVG vorsehen, so dass für eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX weiterhin Raum bestünde.61 Folglich besteht auch im Fall von Modifikationen nach § 3 BetrVG grundsätzlich die Möglichkeit der Zusammenfassung von Betrieben nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Diese Gestaltungsoption steht somit nicht im Widerspruch zur Betriebsfiktion des § 3 BetrVG. Vielmehr ergänzt sie insoweit die Möglichkeiten der Gestaltung des Wahl- und Vertretungsbezirks der Schwerbehindertenvertretung. 57 BAG vom 10.11.2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 17 und 24; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 301; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 8 f. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 22, der jedoch nur Modifikationen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG für auf die Schwerbehindertenvertretungswahl anwendbar erklärt. Wohl auch Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 218, der sich allgemein gegen eine Aufspaltung der Betriebsbegriffe in der betrieblichen Mitbestimmung ausspricht. 58 Siehe dazu ausführlich unten § 3 III. 59 BAG vom 10.11.2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 15; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 10. 60 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 21. Vgl. auch Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 300 f. und Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 15. 61 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 21.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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dd) Folgen der Ausstrahlung Eine Fiktion nach § 3 Abs. 5 BetrVG ist im Rahmen sämtlicher Wahlvorschriften zu beachten, so dass auch Schwellenwerte ausschließlich auf die fingierten Betriebe zu beziehen sind.62 Damit in diesen abweichenden Wahl- und Vertretungsbezirken eine Schwerbehindertenvertretungswahl stattfinden kann, muss also in diesen Struktureinheiten selbst der Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erreicht sein.63
III. Sonderfall: Zusammenfassung von Betrieben Liegen in einzelnen Betrieben die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht vor, bedeutet dies nicht zwingend, dass in diesen Organisationseinheiten keine Wahl der Schwerbehindertenvertretung stattfinden könnte. Vielmehr besteht gemäß § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Möglichkeit, mehrere Betriebe zusammenzufassen und dadurch einen von der Betriebszentrierung der Interessenvertretungen losgelösten, übergreifenden Wahlbezirk zu schaffen. Bei diesem ist dann hinsichtlich des Schwellenwerts auf die Gesamtzahl aller in den zusammengefassten Betrieben beschäftigten schwerbehinderten Menschen abzustellen. 1. Voraussetzungen der Zusammenfassung Die Zusammenfassung von Betrieben nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX setzt zunächst ein gewisses räumliches Näheverhältnis zwischen den zusammenzufassenden Betrieben voraus. Gleichzeitig kann eine Zusammenfassung aber nur dann stattfinden, wenn in zumindest einem der Betriebe der maßgebliche Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX unterschritten ist. Im Folgenden sollen nunmehr diese beiden Voraussetzungen der Schaffung eines betriebsübergreifenden Wahlbezirks eingehender untersucht werden. a) Räumliche Nähe Gemäß § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX darf eine Zusammenfassung generell nur mit räumlich nahe liegenden Betrieben des Arbeitgebers erfolgen. Wann Betriebe 62 Zum BetrVG: Franzen, in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 59; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 64; Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 225. Vgl. auch Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 14/5741, S. 35; Annuß, NZA 2002, 290, 292; Friese, ZfA 2003, 237, 251; Friese, RdA 2003, 92, 101; Heinkel, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtsetzung, S. 287. Vgl. zu den Schwierigkeiten bei unternehmensübergreifenden Betriebsfiktionen: Rolf, Unternehmensübergreifende Betriebsratsstruktur, S. 88 ff. 63 Schimanski, BehR 2004, 74, 75 f.; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 18a. Vgl. auch Adlhoch, BehR, 2002, 161, 163.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX räumlich nahe beieinander liegen, ist im SGB IX nicht näher definiert. aa) Sinn und Zweck des Kriteriums Ziel des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist es, durch eine Vergrößerung des Wahlbezirks die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu schaffen und dadurch zusätzlichen Betrieben zu einer Schwerbehindertenvertretung zu verhelfen. Hierbei ist es theoretisch möglich, für eine Vielzahl von Betrieben eine gemeinsame Schwerbehindertenvertretung zu wählen.64 Ohne ein räumlich begrenzendes Korrektiv wäre es damit auch denkbar, dass Betriebe zusammengefasst würden, die mehrere hundert Kilometer auseinander liegen. In einem solchen Fall läge es jedoch auf der Hand, dass eine sachgerechte, effektive Arbeit der Schwerbehindertenvertretung schon auf Grund der zwischen den Betrieben liegenden Wegstrecke kaum mehr möglich wäre. Derartige Missstände sollen jedoch gerade durch das Kriterium der räumlichen Nähe vermieden werden.65 Dieser Tatbestandsvoraussetzung liegt also die Zielsetzung zugrunde, dass eine abweichende Wahl- und Vertretungsstruktur nur dann möglich sein soll, wenn dabei die Arbeitsfähigkeit und persönliche Erreichbarkeit der zu wählenden Interessenvertretung erhalten bleibt. Das Kriterium der räumlichen Nähe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist daher stets unter dem Blickwinkel der Erreichbarkeit und Arbeitsfähigkeit der Schwerbehindertenvertretung zu betrachten.66 bb) Bedeutungslosigkeit von Gemeinde- oder Landesgrenzen Vereinzelt wird in der Literatur die Auffassung vertreten, eine räumliche Nähe i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX könne nur vorliegen, wenn sich die betreffenden Betriebe innerhalb des gleichen Ortes befänden.67 Ein solches Verständnis steht jedoch im Widerspruch zu dem mit diesem Kriterium verfolgten Zweck. Beispielsweise ist es denkbar, dass zwei zusammenzufassende Betrieb zwar durch eine Gemeinde- oder auch Landesgrenze getrennt werden, zwischen ihnen jedoch nur wenige hundert Meter Entfernung liegen und die dazwischen liegende Wegstrecke gut erschlossen ist. Inwieweit in derartigen Fällen die Arbeitsfähig64 Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 27; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 13. 65 Vgl. dazu auch BAG vom 17.01.2007, 7 ABR 63/05, AP Nr. 18 zu § 4 BetrVG 1972. 66 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 11; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 93 Rn. 36; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 85; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 10. 67 Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 34.
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keit und persönliche Erreichbarkeit der zu wählenden Schwerbehindertenvertretung derart erschwert sein soll, dass eine sachgerechte Arbeit und Aufgabenerfüllung nicht mehr möglich erscheint, ist nicht ersichtlich. Mit Blick auf den mit der „räumlichen Nähe“ verfolgten Zweck ist deshalb davon auszugehen, dass geografische Gemeinde- oder auch Landesgrenzen für § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bedeutungslos sind.68 cc) Maßgeblichkeit der Verkehrsverhältnisse Aus der Zielsetzung der Regelung folgt auch, dass es im Hinblick auf das Kriterium der räumlichen Nähe in erster Linie darum geht, inwieweit die tägliche Arbeit der Schwerbehindertenvertretung durch die Entfernung beeinträchtigt wäre. Dies lässt sich jedoch nicht allein anhand geografischer Abstände bestimmen, sondern muss stets auch im Kontext der konkreten Verkehrsverhältnisse ermittelt werden.69 Entscheidend ist daher, ob die zusammenzufassenden Betriebe sowohl für die Schwerbehindertenvertretung als auch für die Beschäftigten in zumutbarer Weise erreichbar sind.70 Im Rahmen dessen müssen zudem die für schwerbehinderte Menschen bestehenden Besonderheiten berücksichtigt werden. Insbesondere dürfen bei der Beurteilung grundsätzlich nur solche Wegstrecken und ÖPNV-Haltestellen Beachtung finden, die barrierefrei nutz- und erreichbar sind. Anderenfalls würde der mit dem Kriterium verfolgte Zweck verfehlt. Daher sind grundsätzlich nur solche Verbindungswege und Haltestellen in die Betrachtung einzubeziehen, die keine stark ansteigenden Höhenunterschiede oder Treppenstufen aufweisen. Gleichzeitig müssen sie wetterbeständig befestigt und taktil erfassbar sein. Angesichts der insgesamt bisher nur mäßigen, barrierefreien Ausgestaltung der Infrastruktur, dürfen hieran jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, damit die Regelung nicht ihren Anwendungsbereich verliert. Erforderlich ist daher nur ein Mindestmaß an Barrierefreiheit, damit eine Wegstrecke bzw. eine Verkehranbindung berücksichtigt werden kann. dd) Heranziehbarkeit von zu anderen Vorschriften entwickelten Grundsätzen In Teilen der Literatur wird die Auffassung vertreten, im Rahmen der Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX könne allgemein auf die zu § 94 Abs. 6 68 So im Ergebnis auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46. A. A. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 34. 69 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Düwell, in: Dau/Düwell/ Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 36; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 85; MüllerWenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 10; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 14. 70 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 85. Vgl. auch Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 14.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Satz 3 SGB IX oder zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze und Maßstäbe zurückgegriffen werden.71 Im Folgenden soll daher untersucht werden, inwieweit tatsächlich ein solcher Rückgriff möglich ist. (1) Zu § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX entwickelte Grundsätze Geht man von der Ähnlichkeit der Wortlaute72 aus, liegt es zunächst nahe, auf die zu § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX ergangene Rechtsprechung und Literatur zurückzugreifen und auf § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu übertragen. Betrachtet man hingegen die beiden Vorschriften zugrunde liegenden Regelungszwecke, ist eine erhebliche Divergenz festzustellen.73 Damit sind aber auch die zu diesen Normen entwickelten Grundsätze und Maßstäbe unter anderer Prämisse herausgearbeitet worden und lassen sich daher nicht wechselseitig heranziehen. (2) Zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG entwickelte Grundsätze Gegen eine Heranziehung der zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze und Maßstäbe könnte zunächst der unterschiedliche Wortlaut der beiden Vorschriften sprechen. Während sich in § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Formulierung „räumlich nahe liegend“ findet, ist in § 4 BetrVG von „räumlich weit [. . .] entfernt“ die Rede. Ihre sprachliche Gemeinsamkeit beschränkt sich insoweit auf einen Räumlichkeitsbezug. Die beiden Vorschriften weisen jedoch hinsichtlich des Kriteriums der räumlichen Lage inhaltliche Parallelen auf. In beiden Fällen geht es um die Frage, inwieweit die Arbeitsfähigkeit und persönliche Erreichbarkeit der zu wählenden Interessenvertretung angesichts der Entfernung gewährleistet ist.74 Entscheidend ist daher in beiden Vorschriften, dass die Vertretung 71 Für eine entsprechende Heranziehung der zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 11; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 36; Esser/ Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 14; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 85; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 10. Für eine entsprechende Heranziehung der zu § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX entwickelten Grundsätze: Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 19. Wohl auch Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 11, der neben § 4 Satz 1 Nr. 1 BetrVG a. F. auch § 24 Abs. 6 SchwbG nennt, jedoch gleichzeitig dahingehend auf die abweichende Zielsetzungen in den Vorschriften hinweist. 72 § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX spricht von „räumlich nahe liegend“, während sich in § 94 Abs. 6 Satz 3 die Formulierung „nicht [. . .] räumlich weit auseinander liegend“ findet. 73 Siehe dazu unten § 5 II. 2. 74 Im Hinblick auf § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX: Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 11; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 85; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 10. Vgl. auch Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 36. Im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG: BAG vom 24.02.1976, 1 ABR 62/75, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 19.02.2002, 1 ABR 26/01, AP Nr. 13
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der Interessen und die Ausübung der Befugnisse der jeweiligen Organe durch die räumliche Lage nicht wesentlich erschwert wäre. Beide Normen zielen somit im Hinblick auf das Kriterium der räumlichen Nähe auf den gleichen Regelungszweck ab. Den zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG entwickelten Grundsätzen und Maßstäben liegen damit im Wesentlichen die gleichen Prämissen zugrunde wie § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Daher erscheint ein Rückgriff auf die zu § 4 BetrVG ergangene Rechtsprechung und die diesbezüglich von der Literatur herausgearbeitete Kriterien trotz der Abweichungen im Wortlaut aus teleologischen Gesichtspunkten möglich.75 b) Unterschreitung des Schwellenwerts Neben der räumlichen Nähe verlangt § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch eine betriebsbezogene Unterschreitung des Schwellenwerts des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die Zusammenfassung muss also erforderlich sein, damit in allen betroffenen Organisationseinheiten eine Schwerbehindertenvertretungswahl durchgeführt werden kann.76 Nicht hinreichend geklärt ist jedoch, ob der Schwellenwert in sämtlichen Betrieben unterschritten sein muss oder ob auch solche Betriebe in die Zusammenfassung einbezogen werden können, in denen die Mindestzahl des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ohnehin erreicht ist. Im Hinblick auf diese Frage lassen sich drei Zusammenfassungskonstellationen unterscheiden, die im Folgenden jeweils separat beleuchtet werden sollen. aa) Schwellenwertsunterschreitung in sämtlichen Betrieben Unproblematisch gestaltet sich diese Voraussetzung in Fällen, in denen sämtliche zusammenzufassenden Betriebe die in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorgesehene Mindestzahl von schwerbehinderten Beschäftigten nicht erreichen. In derartigen Konstellationen ist eine Zusammenfassung generell zulässig, soweit hierdurch die Voraussetzungen des Schwellenwerts insgesamt erfüllt werden.77 zu § 4 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 4 Rn. 19; Franzen, in: GK-BetrVG, § 4 Rn. 10; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 17; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 55 f. 75 Ebenso: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 11; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 36; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 85; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 10. 76 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 82 f. Vgl. auch BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, NZA-RR 2000, 333, 336. 77 BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, NZA-RR 2000, 333, 336; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 26; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 33; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
bb) Mindestzahlerfüllung in maximal einem Betrieb Umstritten ist dagegen der Fall, in dem ein oder mehrere kleinere, den Schwellenwert nicht erfüllende Betriebe mit einem größeren Betrieb zusammengefasst werden sollen, in welchem die Mindestzahl auch ohne die Zusammenfassung erreicht ist.78 (1) Klarheit des Wortlauts Entgegen der teilweise vertretenen Auffassung ist der Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch für die oben dargestellte Konstellation eindeutig. Die Vorschrift sieht vor, dass „Betriebe [. . .], die die Voraussetzungen des Satz 1 nicht erfüllen“, mit anderen „Betrieben des Arbeitgebers“ zusammengefasst werden können. Dabei wird im Wortlaut nicht erwähnt, dass die zuletzt genannten Betriebe ebenfalls die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht erfüllen dürften. Die Nichterreichung der Mindestzahl gilt also bereits dem Wortlaut nach nicht für sämtliche in die Zusammenfassung einzubeziehenden Betriebe. Eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist dementsprechend auch dann möglich, wenn in einem der Betriebe mehr als fünf schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden.79
Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Heuser, BehR 1990, 25, 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 82 f.; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 12; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 32 f.; Treml, BehR 1986, 57, 57. 78 Für die Zulässigkeit einer Zusammenfassung: BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/ 98, NZA-RR 2000, 333, 336; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Dusel/Hoff, in: Bihr/ Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 14; Heuser, BehR 1990, 25, 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 83; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 12; Treml, BehR 1986, 57, 57. Wohl auch Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 32, der lediglich von einem Betrieb verlangt, dass dieser weniger als fünf schwerbehinderte Beschäftigte aufweist. Gegen eine Zusammenfassung in dieser Konstellation: von Seggern, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Hk-ArbR, SGB IX, § 94 Rn. 3. Differenzierend: Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 34. 79 Ebenso: BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, NZA-RR 2000, 333, 336; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Heuser, BehR 1990, 25, 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 83; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 12; Treml, BehR 1986, 57, 57. Wohl auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 32, der lediglich von einem Betrieb verlangt, dass dieser weniger als fünf schwerbehinderte Beschäftigte aufweist. A. A. Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28.
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(2) Sinn und Zweck der Zusammenfassung Zu diesem Ergebnis gelangt man auch bei einer teleologischen Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Mit der Schaffung der Zusammenfassungsmöglichkeit verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, dass auch in solchen Betrieben eine Schwerbehindertenvertretungswahl durchgeführt werden kann, die für sich genommen die Wahlvoraussetzungen nicht erfüllen.80 Verallgemeinernd wird hieraus abgeleitet, dass der Regelung die Intention zugrunde liegt, für möglichst viele oder gar alle Betriebe eine Vertretung der schwerbehinderten Menschen vorzusehen.81 Die Zusammenfassungsmöglichkeit ist damit Ausdruck des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung.82 Diesem Grundsatz widerspräche es jedoch, würde man eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nur dann zulassen, wenn sämtliche Betriebe den Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX unterschreiten. Insoweit sind nämlich Konstellationen denkbar, in denen eine umfassende Vertretung aller schwerbehinderten Beschäftigten allein deshalb ausschiede, weil einer der zusammenzufassenden Betriebe die Mindestzahl selbst erreicht. Beispielsweise könnte in einem Betrieb mit vier schwerbehinderten Beschäftigten auch im Wege einer Zusammenfassung keine Schwerbehindertenvertretungswahl ermöglicht werden, wenn beim selben Arbeitgeber zwar ein weiterer Betrieb existiert, mit dem eine Zusammenfassung erfolgen könnte, dieser jedoch seinerseits nicht nur vier, sondern fünf schwerbehinderte Beschäftigte aufweist und damit selbstständig die Wahlvoraussetzungen erfüllt. Ginge man davon aus, dass eine Zusammenfassung ausschließlich dann möglich wäre, wenn sämtliche Betriebe den Schwellenwert unterschreiten, würde dies im geschilderten Fall zu einem paradoxen Ergebnis führen. Eine eigene Schwerbehindertenvertretung dürfte dann nämlich ausschließlich durch die Beschäftigten des „größeren“ Betriebs gewählt werden. Würde aber die Zahl der im „größeren“ Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen um nur eine Person absinken, wäre eine Zusammenfassung und damit eine Wahl durch sämtliche Beschäftigten beider Betriebe möglich. Damit würde die Vertretungsdichte dadurch steigen, dass die Zahl der zu Vertretenden sinkt. Diese Folge widerspricht jedoch dem allgemeinen Grundverständnis derartiger Schwellenwerte. Nach diesem ist nämlich davon auszugehen, dass das Bedürfnis nach einer originären Interessenvertretung dadurch ansteigt, dass die Zahl der Betroffenen wächst. Ein zu enges 80
Vgl. nur Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 11. So etwa Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 83; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 12. Vgl. auch BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, AP Nr. 1 zu § 24 SchwbG 1986 und Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28. Vgl. auch BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, NZA-RR 2000, 333, 336. 82 Siehe näher zu diesem Grundsatz oben § 2 IV. 1. 81
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Verständnis des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX würde also dazu führen, dass sich die Grundausrichtung des Schwellenwerts ins Gegenteil verkehren kann. Auch unter teleologischen Gesichtspunkten ist daher davon auszugehen, dass eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch dann möglich ist, wenn in diese auch ein Betrieb einbezogen werden soll, der ohnehin die Mindestzahl erfüllt. (3) Kein Ausschluss durch § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 SGB IX Gegen die Einbeziehung von die Mindestzahl erreichenden Betrieben wird teilweise vorgebracht, dass eine Interessenvertretung der übrigen Betriebe bereits durch die Gesamtschwerbehindertenvertretung gewährleistet wäre.83 Diese ist nämlich gemäß § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 SGB IX berufen, die Aufgaben der örtlichen Schwerbehindertenvertretung in vertretungslosen Betrieben kommissarisch mit zu übernehmen. Aus diesem Grund sei ein pauschaler Verweis auf die Zielrichtung der Zusammenfassung nicht geeignet, um die Zulässigkeit der Einbeziehung „größerer“ Betriebe zu begründen.84 Allerdings wird insoweit verkannt, dass sich die Zulässigkeit der Einbeziehung größerer Betriebe in die Zusammenfassung bereits unmittelbar aus dem Wortlaut ergibt und es somit grundsätzlich keines Rückgriffs auf Sinn und Zweck des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bedürfte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung im Anwendungsbereich des § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 SGB IX nicht demokratisch legitimiert ist. Die insoweit bestehende, kommissarisch tätige Interessenvertretung ist somit einer selbst gewählten Schwerbehindertenvertretung nicht gleichwertig.85 Schließlich ist zu beachten, dass allein durch das Vorliegen der Wahlvoraussetzungen noch nicht gewährleistet ist, dass tatsächlich eine Schwerbehindertenvertretung gewählt wird.86 Damit ist auch bei Bestehen eines derartigen „größeren“ Betriebs nicht zwingend sichergestellt, dass überhaupt eine kommissarisch aktiv werdende Gesamtschwerbehindertenvertretung existiert. Die bloße Möglichkeit der kommissarischen Vertretung steht daher der Einbeziehung eines die Mindestzahl erreichenden Betriebs nicht entgegen.87 83
Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28. So Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28. 85 Dieses Legitimationsdefizit der Gesamtschwerbehindertenvertretung selbst einräumend: Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28. 86 Siehe dazu unten § 6 I. 87 So im Ergebnis auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/ Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Heuser, BehR 1990, 25, 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 83; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 12; Treml, BehR 1986, 57, 57. Ebenso wohl auch Düwell, in: Dau/ Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 34. Vgl. auch BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, AP Nr. 1 zu § 24 SchwbG 1986. 84
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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cc) Mindestzahlerfüllung in mehreren Betrieben Besonders problematisch ist die Frage, ob sich eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch auf mehrere Betriebe erstrecken kann, die jeweils die Wahlvoraussetzungen selbst erfüllen.88 Grundvoraussetzung ist dabei in jedem Fall, dass zumindest einer der zusammenzufassenden Betriebe die Mindestzahl des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht erreicht. Anderenfalls wäre für eine Zusammenfassung generell kein Raum. (1) Ambivalenz des Wortlauts Anders als im Hinblick auf die oben geschilderte Konstellation ist der Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX hinsichtlich der Zulässigkeit der Einbeziehung mehrerer die Wahlvoraussetzungen erfüllender Betriebe mehrdeutig. Für eine derartige Zulässigkeit spricht zunächst, dass die Vorschrift auch in Bezug auf die Organisationseinheiten, mit denen eine Zusammenfassung erfolgen kann, einen Plural verwendet. Ein den Schwellenwert unterschreitender Betrieb kann daher dem Wortlaut nach mit mehreren anderen Betrieben zusammengefasst werden. Hieraus kann allerdings nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass sich der Plural zwingend auf eine Mehrzahl von Betrieben beziehen würde, die Wahlvoraussetzungen jeweils selbst erfüllen. Vielmehr kann der Plural auch deshalb gewählt worden sein, damit eine Zusammenfassung mehrerer, den Schwellenwert nicht erreichender Betriebe möglich bleibt und eine solche nicht auf maximal zwei derartige Betriebe beschränkt wird. Der Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist somit im Hinblick auf die Zulässigkeit der Einbeziehung mehrerer die Wahlvoraussetzungen erfüllender Betriebe ambivalent. (2) Teleologische und systematische Gesichtspunkte Angesicht des insoweit uneindeutigen Wortlauts wird die Zulässigkeit der Einbeziehung mehrerer größerer Betriebe teilweise mit dem Regelungszweck des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX begründet. Die gesetzgeberischen Intention für möglichst viele Betriebe eine originäre Interessenvertretung zu etablieren, rechtfertige auch ein derart weites Verständnis der Zusammenfassungsmöglichkeit.89 Eine 88 Ausdrücklich dafür: Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 14; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 83; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 13. Ebenso wohl auch: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 94 Rn. 46. A. A. dagegen wohl: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Heuser, BehR 1990, 25, 27; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 10, die jeweils nur die Zusammenfassung mit einem – nicht jedoch mit mehreren – die Wahlvoraussetzungen selbst erfüllenden Betrieben erwähnen. 89 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 83; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 13.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
solche Argumentation verkennt jedoch, dass eine Einbeziehung mehrerer, die Wahlvoraussetzungen erfüllender Betriebe zur Erreichung dieses Ziels nicht zwingend erforderlich ist. (a) Systematik der Interessenvertretungsstruktur Stattdessen erscheint es aus systematisch-teleologischen Gründen geboten, die Zulässigkeit der Einbeziehung größerer Organisationseinheiten auf maximal einen Betrieb zu beschränken. Geht man zunächst von der strukturellen Gestaltung des § 94 Abs. 1 SGB IX aus, wird deutlich, dass der Gesetzgeber für den Regelfall eine betriebsbezogene und dadurch beschäftigtennahe Interessenvertretungsstruktur schaffen wollte90. Mit der Einführung des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, von diesem Grundprinzip dann abzuweichen, wenn anderenfalls einzelne Betriebe nicht in der Lage wären, eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen. Die Betriebsbezogenheit der Interessenvertretungsstruktur wird also insoweit vom Grundsatz der obligatorischen Vertretung verdrängt. Aus dem in § 94 Abs. 1 SGB IX angelegten Regel-AusnahmeVerhältnis zwischen Betriebsbezogenheit und Zusammenfassungsoption wird aber deutlich, dass diese Verdrängung nur so weit gehen soll, wie dies zur Erreichung des übergeordneten Ziels erforderlich ist. Der Gesetzgeber wollte also die Organisationsstruktur der Schwerbehindertenvertretung nicht allgemein zur Disposition stellen. Stattdessen hat er ausschließlich für die Fälle eine Zusammenfassung vorsehen, in denen eine solche zwingend notwendig ist, um allen Beschäftigen die Möglichkeit der Schwerbehindertenvertretungswahl zu bieten. Anderenfalls wäre es nicht nötig gewesen, die Nichterfüllung der Mindestzahl in § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zur Voraussetzung der Zusammenfassung zu erheben. Vielmehr hätte sich der Gesetzgeber darauf beschränken können, allgemein die Zusammenfassung von (räumlich nah beieinander liegenden) Betrieben zu gestatten. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Zusammenfassung bewusst von der betrieblichen Nichterfüllung der Wahlvoraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX abhängig gemacht. (b) Keine indirekte Dispositivität Aus dem Ausnahmecharakter der Zusammenfassung folgen zugleich auch Einschränkungen ihres Anwendungsbereichs. Insbesondere darf die Existenz eines einzelnen, den Schwellenwert nicht erreichenden Betriebs nicht zum Anlass genommen werden, die gesetzliche Grundregel der Betriebsbezogenheit bewusst zu unterlaufen. Dadurch würde nämlich das Bestehen eines Betriebs mit weniger als 90 Vgl. dazu BVerwG vom 08.12.1999, 6 P 11/98, NZA-RR 2000, 333, 336, das insoweit von der Zielsetzung möglichst „örtlicher Schwerbehindertenvertretungen“ spricht.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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fünf schwerbehinderten Beschäftigten zum Einfallstor einer Dispositivität der Interessenvertretungsstruktur. Eine solche ist vom Gesetzgeber jedoch gerade nicht gewollt gewesen. (c) Schlussfolgerung Eine Einbeziehung von Betrieben, die die Wahlvoraussetzungen selbst erfüllen, kann daher nur insoweit zulässig sein, als dies zur Erreichung einer möglichst umfassenden Verbreitung der Schwerbehindertenvertretung zwingend erforderlich ist. Die Einbeziehung von mehr als einem derartigen großen Betrieb in die Zusammenfassung scheidet daher generell aus. 2. Zusammenfassungsverfahren Liegen die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vor, tritt allein dadurch noch keine Veränderung der Wahl- und Vertretungsstruktur ein. Vielmehr ist erst nach ordnungsgemäßer Durchführung des in § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX festgeschriebenen Zusammenfassungsverfahrens ab der nächsten Wahl auf den neu geschaffenen, betriebsübergreifenden Wahl- und Vertretungsbezirk abzustellen. a) Benehmen des Integrationsamts Dieses Verfahren beginnt in der Regel damit, dass sich der Arbeitgeber mit dem zuständigen Integrationsamt ins Benehmen setzt. Diese Reihenfolge ist jedoch nicht zwingend. Vielmehr ist es auch möglich, dass das Integrationsamt beim Arbeitgeber die Zusammenfassung anregt und damit seine Stellungnahme bereits vorwegnimmt.91 Benehmen i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX bedeutet, dass der Arbeitgeber das Integrationsamt über sein Vorhaben zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat.92 Decken sich die Ansichten des Integrationsamts nicht mit denen des Arbeitgebers, ist dieser verpflichtet, die Frage mit der Behörde ergebnisoffen zu erörtern.93 Das Integrationsamt soll hierdurch die Mög91 Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 14. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 104; Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 6; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 38. 92 Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 33; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 14; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 17; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 34 Fn. 54; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 6. 93 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Düwell, in: Deinert/ Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 33; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 20; Pahlen, in:
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
lichkeit erhalten, mit sachlichen Argumenten auf den Arbeitgeber einzuwirken und so eine sachdienliche Entscheidung herbeizuführen.94 Dies setzt jedoch voraus, dass sich der Arbeitgeber überhaupt ernsthaft auf dessen Argumente einlässt. Das Benehmen kann somit nur dann ordnungsgemäß eingeholt werden, wenn die Gespräche seitens des Arbeitgebers auf eine gütliche Einigung ausgerichtet sind und er bereit ist, auf die Beweggründe des Integrationsamts einzugehen.95 Holt der Arbeitgeber nur formal die Stellungnahme des Intergrationsamts ein, ohne bereit zu sein, seine eigene Ansicht zu überdenken, fehlt es daher an einer ordnungsgemäßen Benehmensherstellung. Mit Blick auf die Grundsätze der Simplizität und der obligatorischen Vertretung und das ohnehin bestehende Endentscheidungsrecht des Arbeitgebers96 führt ein solcher formaler Fehler jedoch nicht dazu, dass die Entscheidung unwirksam wäre.97 Auch eine ohne ordnungsgemäße Benehmensherstellung vorgenommene Zusammenfassung entfaltet daher für die nächste anstehende Schwerbehindertenvertretungswahl Wirkung. b) Entscheidung des Arbeitgebers Ist das Benehmen mit dem Integrationsamt hergestellt, kann der Arbeitgeber selbstständig über die Zusammenfassung der Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX entscheiden. Lässt sich eine Einigung mit dem Integrationsamt nicht erzielen, ist der Arbeitgeber gleichwohl nicht an einer Entscheidung über die Zusammenfassung gehindert.98 Er ist nämlich nicht an dessen Stellungnahme gebunden.99 aa) Keine Pflicht zur Zusammenfassung In Teilen der Literatur wird die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verpflichtet, die Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 38; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 34 Fn. 54. 94 Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 14; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 11. Vgl. auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 38. 95 Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 33; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 38; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 34 Fn. 54. Vgl. auch Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 16; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 101; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 17. 96 Siehe dazu sogleich § 3 III. 2. b). 97 Vgl. dazu auch Franz, SchwbG, II. Rn. 247. 98 Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 16. Vgl. auch Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 6 und Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 11. 99 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 20; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 11; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 17; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 38.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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betreffenden Betriebe zusammenzufassen.100 Der überwiegende Teil des Schrifttums geht dagegen davon aus, der Arbeitgeber sei in seiner Entscheidung über die Zusammenfassung frei und lehnt deshalb eine derartige Verpflichtung ab.101 Im Folgenden soll dieser Streitfrage nachgegangen und durch Auslegung geklärt werden, inwieweit tatsächlich eine derartige Zusammenfassungspflicht besteht. (1) Wortlaut von § 94 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX Geht man zunächst vom Wortlaut des § 94 Abs. 1 SGB IX aus, ist eine Verpflichtung des Arbeitgebers nicht indiziert. Die Regelung des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sieht ausdrücklich vor, dass die Betriebe unter den genannten Voraussetzungen zusammengefasst werden „können“. Es wurde also gerade keinerlei imperative Formulierung verwendet, sondern stattdessen auf eine, Entscheidungsspielraum eröffnende, Kann-Regelung zurückgegriffen.102 Der in § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verwendete Wortlaut spricht also gegen eine Verpflichtung des Arbeitgebers.103 Das gleiche gilt auch für den Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX. Darin ist festgelegt, dass der Arbeitgeber über die Zusammenfassung „entscheidet“. Nach allgemeinem Sprachgebrauch meint „entscheiden“ die bewusste Wahl zwischen zwei Alternativen oder mehreren Varianten.104 Damit impliziert die Regelung des § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX, dass für den Arbeitgeber mindestens zwei Auswahloptionen existieren müssen. Geht man jedoch davon aus, der Arbeitgeber sei bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Zusammenfassung verpflichtet, fehlte es gerade an den für eine „Entscheidung“ nötigen Auswahlmöglichkeiten. 100 Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 13; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 34 f. Tendenziell wohl auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 99, der eine solche Pflicht „jedenfalls im Beamtenbereich“ für möglich hält. Ebenso von Seggern, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Hk-ArbR, SGB IX, § 94 Rn. 3, der gar der Auffassung ist, dass der Arbeitgeber eine Zusammenlegung gegen den Willen des Integrationsamts nicht verhindern könne und damit die im Gesetz angelegte Entscheidungskompetenzverteilung verkennt. Vgl. auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 8. 101 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Dusel/Hoff, in: Bihr/ Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 8; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 20; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 12; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 38; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 11; Treml, BehR 1986, 57, 57. Ebenso wohl auch: Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 30 f. 102 In dieser Richtung auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 99, der jedoch „im Beamtenbereich“ eine Ermessensreduktion auf Null annimmt. 103 So ausdrücklich Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47. 104 Bertelsmann – Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort: „entscheiden“, Nr. III; Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „entscheiden“ Nr. 3 a) und b); Wahrig – Deutsches Wörterbuch, Stichwort: „entscheiden“ Nr. I 2.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Somit spricht auch der Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gegen eine Zusammenfassungspflicht des Arbeitgebers. (2) Systematische Stellung In systematischer Hinsicht bietet sich ein Vergleich mit dem Betriebsverfassungsrecht an. Auch dort besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass in kleineren Organisationseinheiten keine Interessenvertretungswahl möglich ist, weil sie die nach § 1 Abs. 1 BetrVG maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreichen. Für derartige, sog. Kleinstbetriebe ist in § 4 Abs. 2 BetrVG eine automatische Zuordnung zum Hauptbetrieb vorgesehen, damit diese nicht vertretungslos bleiben.105 Allerdings ist dort für die Bildung eines betriebsübergreifenden Wahlbezirks keine Entscheidung des Arbeitgebers vorgesehen. Vielmehr ist diese allein vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abhängig. Aus dem Fehlen einer Entscheidungsabhängigkeit in § 4 Abs. 2 BetrVG lässt sich im Umkehrschluss ableiten, dass die Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht allein vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abhängen kann. Anderenfalls wäre die Regelung des § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX völlig überflüssig. Daher spricht gerade der systematische Vergleich mit § 4 Abs. 2 BetrVG gegen eine Zusammenfassungsverpflichtung des Arbeitgebers. (3) Teleologische Gesichtspunkte Da eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zusammenfassung auch nicht aus der historischen Entwicklung der Vorschrift abgeleitet werden kann, lässt sich eine solche allenfalls auf teleologische Gesichtspunkte stützen. (a) Bedeutung der Benehmensherstellung Allerdings sprechen auch teleologisch-systematische Gründe gegen eine Zusammenfassungspflicht des Arbeitgebers. Wie bereits dargelegt, zielt die in § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX vorgesehene Benehmensherstellung darauf ab, dem Integrationsamt die Möglichkeit zu geben, den Arbeitgeber sachlich-argumentativ bei seiner Entscheidung zu beeinflussen.106 Wäre die vom Arbeitgeber zu treffende Entscheidung jedoch bereits durch das Vorliegen der Voraussetzungen fest vorgegeben, liefen jegliche inhaltlichen Überzeugungsversuche fehl. Im Fall einer derartigen „gebundenen“ Entscheidung des Arbeitgebers wäre somit eine Benehmensherstellung völlig überflüssig. Folglich sprechen Sinn und Zweck der 105 Vgl. Fitting, BetrVG, § 4 Rn. 2; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 4 Rn. 6; Konzen, RdA 2001, 76, 82; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 45. 106 Siehe dazu oben § 3 III. 2. a).
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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Benehmensregelung des § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gegen eine Verpflichtung zur Zusammenfassung. (b) Grundsatz der obligatorischen Vertretung Denkbar erscheint es jedoch, insoweit auf den mit § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verfolgten Regelungszweck zurück zu greifen. Ziel des Gesetzgebers ist es, durch die Zusammenfassung in möglichst vielen Betrieben eine Interessenvertretung der schwerbehinderten Beschäftigten zu etablieren. Diese allgemeine Zielsetzung kann jedoch im konkreten Fall dann nicht durchgreifen, wenn sich ein Arbeitgeber trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX gegen eine Zusammenfassung entscheidet. Dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung würde insofern besser entsprochen, wenn dem Arbeitgeber kein Entscheidungsspielraum eingeräumt wäre, sondern er bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Zusammenfassung verpflichtet sein würde. Schließlich würde dadurch sichergestellt, dass in jedem Betrieb, der über eine Zusammenfassung die Voraussetzung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erfüllen könnte, auch tatsächlich eine Wahl zur Schwerbehindertenvertretung ermöglicht wird. Der allgemein mit der Zusammenfassungsregelung des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verfolgte Zweck könnte daher in teleologischer Hinsicht dafür sprechen, dass den Arbeitgeber eine entsprechende Pflicht trifft. (4) Zusammenfassung Nimmt man eine Gesamtschau der einzelnen Auslegungsergebnisse vor, erscheint es jedoch zweifelhaft, ob der Gesetzgeber tatsächlich den Grundsatz der obligatorischen Vertretung über den Willen des Arbeitgebers stellen wollte.107 Hätte er nämlich dieser Zielsetzung eine über dem Arbeitgeberwillen stehende Bedeutung beigemessen, hätte er in § 94 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX gerade keine Spielraum eröffnenden Formulierungen aufgenommen. Vielmehr hätte er die Möglichkeit gehabt, eine § 4 Abs. 2 BetrVG vergleichbare Regelung zu treffen oder den Beschäftigten ein entsprechendes Optionsrecht einzuräumen.108 Dementsprechend ist anzunehmen, dass es der Gesetzgeber trotz des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung nicht für notwendig erachtet hat, die Vergrößerung des Wahl- und Vertretungsbezirks auch gegen den Willen des Arbeitgebers durchzusetzen.109 Diese Annahme wird durch die in § 94 Abs. 1 Satz 5 SGB IX vorgesehene Benehmensherstellung bestätigt. Schließlich eröffnet die Regelung 107
Vgl. Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 6. Für eine derartige Regelung de lege ferenda: Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28. 109 Vgl. dazu auch Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 60, der auf das Nichtbestehen einer Vertretungslücke verweist. 108
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
dem Integrationsamt gerade die Möglichkeit, den Arbeitgeber durch argumentativen Druck zu einer Zusammenfassung zu bewegen und auf diesem Weg die durch die fehlende Verpflichtung bestehenden Schwächen zu kompensieren. Im Ergebnis ergibt sich daher bei Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX, dass für den Arbeitgeber de lege lata keine Verpflichtung zur Zusammenfassung von Betrieben besteht und er vielmehr frei entscheiden kann.110 bb) Form der Entscheidung und Bekanntmachung Grundsätzlich ist für die Zusammenfassungsentscheidung des Arbeitgebers keine bestimmte Form vorgeschrieben. Allerdings liegt es auf der Hand, dass eine nur gedanklich getroffene, aber nicht äußerlich erkennbar werdende Entscheidung keine Wirkung entfalten kann. Eine Modifikation des Wahlbezirks nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX setzt daher voraus, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung über die Zusammenfassung auch bekannt gibt.111 Adressat einer solchen Bekanntgabe müssen grundsätzlich diejenigen Personen und Organe sein, für deren Aufgaben und Rechte die Zusammenfassungsentscheidung Auswirkungen mit sich bringt. Die Modifikation des Wahlbezirks kann bereits für die Wahlinitiierung bedeutsam sein. Schließlich muss bereits zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren getroffen werden.112 Zudem kann eine Änderung des Wahlbezirks auch die Art und Weise der vorzunehmenden Initiierungshandlung beeinflussen.113 Daher ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung allen zur Wahlinitiierung befugten Organen zur Kenntnis gibt.114 Ist in einem der betroffenen Betriebe eine 110 Im Ergebnis ebenso: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 8; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 20; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Müller-Wenner, in: MüllerWenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 38; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 11; Treml, BehR 1986, 57, 57. Wohl auch: Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 30 f. 111 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 8; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 107; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 18; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 19; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 42. 112 Siehe dazu ausführlich unten § 5 III. 3. 113 Die Zusammenfassung kann insbesondere für die Art und Weise der Bekanntgabe einer Versammlungseinladung Relevanz besitzen. Siehe dazu etwa unten § 6 IV. 2. c) bb) (1). 114 Ebenso wohl auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 6; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 107; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 13 und Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 19, die zwar von Organen mit Berechtigung zur Wahleinleitung sprechen, anschließend jedoch inhaltlich
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Schwerbehindertenvertretung vorhanden oder ist im Unternehmen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung gewählt, muss der Arbeitgeber daher diesen Organen seine Entscheidung über die Zusammenfassung mitteilen. Parallel dazu hat er auch die in den zusammengefassten Betrieben beschäftigten schwerbehinderten Menschen115, die dort vorhandenen örtlichen Betriebsräte und den Gesamtbetriebsrat116 sowie das Integrationsamt zu informieren.117 In der Auswahl der Form der Bekanntgabe ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei.118 Sie muss allerdings in einer Art und Weise geschehen, die gewährleistet, dass sämtliche initiierungsbefugten Organe119 von der Zusammenfassungsentscheidung Kenntnis erlangen.120 Dies wirft jedoch im Hinblick auf die initiierungsbefugte Gruppe der schwerbehinderten Beschäftigten insoweit Schwierigkeiten auf, als nie auszuschließen ist, dass im Betrieb auch schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden, deren Schwerbehindertenstatus bisher im Betrieb (noch) nicht bekannt ist.121 Gleichwohl ist auch diesen „nicht sichtbaren“ Schwerbehinderten bei Erfüllung des Quorums eine Initiierungsbefugnis zuzugestehen. Grundsätzlich müssen also auch diese Personen über die Zusammenfassungsentscheidung in Kenntnis gesetzt werden. Gibt der Arbeitgeber die Zusammenfassungsentscheidung jedoch nur durch ein an die bekannten schwerbehinderten Beschäftigten gerichtetes Rundschreiben bekannt,122 werden die „nicht sichtbaren“ Schwerbehinderten gerade nicht unterrichtet. Eine ordnungsgemäße auf die Wahlinitiierungsberechtigung abstellen. Siehe zur Unterscheidung zwischen Wahleinleitung und Wahlinitiierung unten § 6 II. und § 8 II. 4. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47, der in zeitlicher Hinsicht letztlich auf die Wahlinitiierung abstellt. 115 Da im Vornherein nicht feststehen kann, welche Wahlberechtigten sich zur Wahlinitiierung zusammenfinden, ist grundsätzlich jeder einzelne schwerbehinderte Beschäftigte zu unterrichten. 116 Grundsätzlich ist im Fall der Zusammenfassung mehrerer Betriebe nur der Gesamtbetriebsrat für die Wahlinitiierung zuständig (siehe dazu unten § 6 III. 4.). Gleichwohl müssen auch die örtlichen Betriebsräte Kenntnis von der Zusammenfassung erhalten, damit diese wissen, dass sie nicht mehr für die Initiierung der Schwerbehindertenvertretungswahl verantwortlich sind und insbesondere keine auf ihren Betrieb beschränkte Wahl initiieren dürfen. 117 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 107; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 13; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 19; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 42. 118 Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 8. 119 Siehe zur Initiierungsberechtigung unten § 6 III. 120 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 19; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 42. 121 Siehe zu dieser Problematik ausführlich auch unten § 5 II. 1. d). 122 So der teilweise in der Literatur zu findende Vorschlag. Vgl. nur Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47 und Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 19.
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Bekanntgabe durch Rundschreiben kommt daher nur in Betracht, wenn dieses an sämtliche Beschäftigte der betroffenen Betriebe gerichtet wird.123 Sinnvoller erscheint eine Bekanntgabe der Zusammenfassungsentscheidung durch schriftlichen Aushang in den betroffenen Betrieben.124 cc) Zeitpunkt der Entscheidung Die Zusammenfassungsentscheidung kann generell nur mit Wirkung für eine noch bevorstehende Wahl getroffen werden125 und bedingt somit, dass sie den maßgeblichen Adressaten rechtzeitig im Voraus bekannt gegeben wurde.126 Angesichts der nicht unerheblichen Dauer des gesamten Wahlprozesses stellt sich die Frage, welchen zeitlichen Vorlauf eine Zusammenfassungsentscheidung einhalten muss, damit sie für eine anstehende Wahl noch Wirkung entfalten kann. Im Schrifttum wird mitunter pauschal geäußert, die Zusammenfassungsentscheidung müsse „der Wahlhandlung vorausgehen“.127 Soweit damit gemeint sein sollte, dass die Zusammenfassungsentscheidung bis zum Tag der Stimmabgabe möglich wäre, weil grundsätzlich erst zu diesem Zeitpunkt die Wahlhandlung vorgenommen wird,128 ist dies abzulehnen. Hierbei würde nämlich verkannt, dass der Kreis der wahlberechtigten Personen wegen der Liste der Wahlberechtigten bereits vor diesem Termin feststehen muss (vgl. § 3 SchwbVWO). Diesen Gesichtspunkt einbeziehend wird vereinzelt die Auffassung vertreten, eine Bekanntgabe der Zusammenfassungsentscheidung könne auch während einer bereits eingeleiteten Wahl erfolgen. Als zeitliche Grenze wird insoweit nur verlangt, dass die Bekanntgabe bis zur Auslegung der Liste der Wahlberechtig123 In dieser Richtung möglicher Weise auch: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 107; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 22; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 12; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 18, die nur allgemeine Rundschreiben vorschlagen, ohne diese auf die schwerbehinderten Beschäftigte beschränken zu wollen. 124 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 107; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 22; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 18. 125 Weber, SchwbG, § 24 Anm. 5. 126 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 108; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 14; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 9; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 13; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 19; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 42. 127 So etwa: Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 9 und Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 19. 128 Vgl. zum Vornahmezeitpunkt der Wahlhandlung im BetrVG: Kreutz, in: GKBetrVG, § 13 Rn. 12.
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ten129 oder zumindest noch während der Phase der Vorbereitung der Wahl durch den Wahlvorstand130 erfolgt. Allerdings ist auch dieser Auffassung nicht zu folgen und stattdessen die Rechtzeitigkeit einer Zusammenfassungsentscheidung bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu verneinen. Wie bereits angesprochen, kann sich die Zusammenfassung von Betrieben bereits auf die vorzunehmende Wahlinitiierungshandlung auswirken, so dass schon bei deren Vornahme feststehen muss, welche Betriebe an der Wahl teilnehmen werden.131 Folglich kann eine Zusammenfassungsentscheidung nur dann rechtzeitig erfolgt und damit für die anstehende Wahl bedeutsam sein, wenn noch keine Wahlinitiierung vorgenommen wurde.132 3. Wirkung der Zusammenfassung Der Begriff des Betriebs wird durch eine Zusammenfassung nicht berührt, so dass es formal beim Vorliegen unterschiedlicher Betriebe bleibt. Sind mehrere Betriebe wirksam nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammenfasst worden, ist damit eine Modifikation des Wahl- und Vertretungsbezirks verbunden. In den zusammengefassten Betrieben findet dann eine einheitliche Wahl einer gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung statt.133 Die betroffenen Betriebe werden somit im Rahmen der Wahlvorschriften so behandelt, als würden sie einen einheitlichen Betrieb darstellen. Das hat insbesondere auch zur Folge, dass sämtliche Schwellenwerte auf die zu einer Einheit zusammengefassten Betriebe zu beziehen und daher für alle gemeinsam zu bestimmen sind.134 Gleichzeitig hat eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX aber auch Auswirkungen auf die Wahlinitiierung. Während grundsätzlich auch der Betriebsrat zu den sekundär initiierungsberechtigen Organen zählt, verliert dieser mit der Zusammenfassungsentscheidung seine Zuständigkeit. An seine Stelle tritt 129
Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 108. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 18. Ebenso wohl auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 22, der eine rechtzeitige Bekanntgabe an den Wahlvorstand genügen lässt und damit einräumt, dass die Entscheidung auch nach der Einsetzung des Wahlvorstands noch möglich sei. 131 Siehe dazu auch unten § 5 III. 3. 132 So im Ergebnis auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 47. Wohl auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 42, der verlangt, dass die Entscheidung so rechtzeitig getroffen wird, dass die Wahl noch ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt werden kann. Vgl. auch Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 14; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 13, die allgemein verlangen, dass die Entscheidung vor der Wahl getroffen wird. 133 Schimanski, BehR 2004, 74, 75 f.; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 32. Vgl. auch Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 33; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 8. 134 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Schimanski, BehR 2004, 74, 75 f.; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 32. 130
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stattdessen der insoweit nach § 51 Abs. 5 BetrVG originär zuständige Gesamtbetriebsrat.135 In ähnlicher Weise hat eine Entscheidung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch Auswirkungen auf die Initiierungsberechtigung der Gesamtschwerbehindertenvertretung.136 Daneben können durch eine Zusammenfassung von Betrieben auch mehrere Integrationsämter gleichzeitig initiierungsberechtigt werden und damit theoretisch Kompetenzkonflikte entstehen.
IV. Mindestzahl von im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen Wie bereits angesprochen, verlangt § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX als Wahlvoraussetzung, dass in dem betreffenden Betrieb wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind. 1. Kontext zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen Die Festlegung einer Mindestzahl137 als Wahlvoraussetzung erfolgt in ähnlicher Weise auch für die Wahlen anderer betrieblicher Interessenvertretungen. So findet etwa eine Wahl zum Betriebsrat gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern statt. Für die Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl wird nach § 60 Abs. 1 BetrVG verlangt, dass in der Regel wenigstens fünf jugendliche Arbeitnehmer oder unter 25-jährige Auszubildende beschäftigt sind. Sprecherausschusswahlen finden gemäß § 1 SprAuG nur in Betrieben mit in der Regel mindestens zehn leitenden Angestellten statt. In all diesen Vorschriften wird also ein Schwellenwert etabliert, der erreicht sein muss, damit eine Wahl der jeweiligen Interessenvertretung möglich ist. Die Normen stellen dabei jeweils eine zu erreichende Mindestzahl von Personen auf und legen zugleich den für diesen Wert zu berücksichtigenden Personenkreis fest. Trotz dieser Parallelen ergeben sich im Detail zahlreiche Unterschiede in den Anforderungen der Wahlvoraussetzungen. Am deutlichsten werden diese durch die normierten Schwellenwertsubjekte. Während § 94 SGB IX darauf abstellt, ob eine Mindestzahl „schwerbehinderter Menschen im Betrieb beschäftigt“ wird, erfolgt bei den übrigen Schwellenwerten eine Anknüpfung an die Eigenschaft als Arbeitnehmer, leitender Angestellter oder Auszubildender. Auch in Bezug auf die Dauerhaftigkeit der „Zuordnung zum Betrieb“ unterscheidet sich § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX von den übrigen Schwellenwertregelungen. Im Rahmen der 135
Siehe dazu unten § 6 III. 4. a). Siehe dazu unten § 6 III. 2. a) bb). 137 Diese Bezeichnung verwendend: Jung/Cramer, SchwbG, 2. Aufl., § 21 Rn. 5; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 1. 136
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Schwerbehindertenvertretungswahl werden nämlich nur solche schwerbehinderten Menschen beim Schwellenwert berücksichtigt, die „nicht nur vorübergehend“ beschäftigt sind. Demgegenüber stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für die Betriebsratswahl darauf ab, dass es sich bei den Schwellenwertsubjekten um „ständige“ Arbeitnehmer handelt. Die Wahlvoraussetzungen der übrigen betrieblichen Interessenvertretungsorgane kennen dagegen keinerlei derartiges Dauerhaftigkeitskriterium. Angesichts dieser nicht unerheblichen Abweichungen soll im Folgenden eingehend untersucht werden, wie die einzelnen Kriterien des Schwellenwerts auszulegen sind. Hierbei ist zunächst auf die Schwerbehinderteneigenschaft einzugehen und sodann zu beleuchten, was unter einer Beschäftigung i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu verstehen ist. Anschließend soll der Frage nachgegangen werden, ab wann eine „nicht nur vorübergehende“ Beschäftigung vorliegt. 2. Schwerbehinderter Mensch Der Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX knüpft daran an, dass im Betrieb eine bestimmte Anzahl schwerbehinderter Menschen beschäftigt ist. Der Wortlaut der Norm lässt jedoch offen, welche Personen als „schwerbehinderte Menschen“ gelten und damit überhaupt bei der Berechnung der Mindestzahl berücksichtigt werden können. a) Schwerbehinderung Hinsichtlich der Frage, wann ein Mensch als schwerbehindert gilt, findet sich in § 2 Abs. 2 SGB IX eine für den gesamten zweiten Teil des SGB IX und damit auch für § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX geltende Definition.138 aa) Behinderung Anknüpfungspunkt der Schwerbehinderung ist zunächst das Vorliegen einer Behinderung i. S. d. § 2 Abs. 1 SGB IX.139 Danach ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seine seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
138 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 26; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 3. 139 Fuchs, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 2 Rn. 13; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 2 Rn. 23.
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bb) Schweregrad der Behinderung Hierauf aufbauend setzt § 2 Abs. 2 SGB IX zusätzlich eine erhebliche Schwere der Behinderung voraus.140 Die Schwere der Beeinträchtigung wird im SGB IX durch den Grad der Behinderung (GdB) beschrieben.141 Hierbei handelt es sich um eine in Zehnerschritten ausgedrückte, typisierende Einstufung der Auswirkung der gesundheitlichen Funktionsbeeinträchtigung im Berufs- und Alltagsleben (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX; § 30 BVG).142 Sie gibt damit in pauschalierender Weise das Maß der Teilhabebeeinträchtigung wider. Für die Beurteilung des einschlägigen GdB ist seit dem 01.01.2009 auf die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (VMG) der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 abzustellen.143 Diese entsprechen inhaltlich weitgehend den zuvor herangezogenen „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“.144 Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze beinhalten eine Vielzahl typischer Behinderungen und weisen diesen jeweils GdB-Werte zu, die die mit dieser Behinderung üblicherweise einhergehenden Teilhabebeeinträchtigungen widerspiegeln sollen.145 Dabei sehen die Versorgungsmedizinischen Grundsatz allerdings vielfach auch gewisse Wertspannen vor,146 die für die Begutachtung des Einzelfalls entsprechende Beurteilungsspielräume eröffnen sollen. cc) Maßgeblichkeit des tatsächlichen Vorliegens Liegt auf Grund der Beeinträchtigungen ein GdB von 50 vor, gilt der Betroffene kraft Gesetzes als schwerbehinderter Mensch.147 Maßgeblich ist dabei allein 140 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 14/5074, S. 98 f.; Fuchs, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/ Ritz, SGB IX, § 2 Rn. 13; Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 2 Rn. 42. 141 Vgl. zum früher anstelle des GdB gebräuchlichen und noch im Versorgungs- und Unfallversicherungsrecht nach wie vor synonym verwendeten Begriff der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“: Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 2 Rn. 24. 142 Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 2 Rn. 24; Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 2 Rn. 42 f.; Weyand/Schubert, Schwerbehindertenrecht, Rn. 66. 143 Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 69, Rn. 2; Winkler, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 69 Rn. 38. 144 Winkler, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 69 Rn. 38. Vgl. zur vormaligen Geltung dieser „Anhaltspunkte“: BSG vom 18.09.2003, B 9 SB 3/02 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 2; Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 69 Rn. 23; Cramer, NZA 2004, 698, 699. 145 Vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Teil A, 18. (3). 146 Z. B. GdB 20 bis 50 bei Teilverlust des Kehlkopfes je nach Sprechfähigkeit und Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil B, 7.8.
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das Bestehen einer entsprechend erheblichen Behinderung. Dagegen kommt es auf die behördliche Feststellung der (Schwer-)Behinderung nicht an. Diese hat somit keinen konstitutiven, sondern vielmehr rein deklaratorischen Charakter.148 b) Gleichstellung Personen, die nicht nach § 2 Abs. 2 SGB IX schwerbehindert sind, können gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 30 vorliegt. aa) Voraussetzungen der Gleichstellung Voraussetzung einer solchen Gleichstellung ist zunächst ein an die Agentur für Arbeit gerichteter Antrag. Notwendig ist daneben aber auch, dass die Betroffenen anderenfalls infolge ihrer Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz i. S. d. § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann die Gleichstellung nur in atypischen Fällen verweigert werden. Ansonsten besteht im Regelfall eine Pflicht zur Gleichstellung.149 Anders als die Feststellung der Schwerbehinderung wirkt die Feststellung der Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit nicht nur deklaratorisch, sondern hat konstitutiven Charakter.150 Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX allein genügt daher noch nicht, um die Rechtsfolgen der Gleichstellung eintreten zu lassen. Vielmehr muss der Antrag des Betroffenen bereits positiv beschieden worden sein.151 147 Westermann, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 2 Rn. 10. Vgl. auch Fuchs, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 2 Rn. 13. 148 BAG vom 20.01.2005, 2 AZR 675/03, AP Nr. 1 zu § 85 SGB IX; BAG vom 07.03.2002, 2 AZR 612/00, AP Nr. 11 zu § 15 SchwbG 1986; BAG vom 23.02.1978, 2 AZR 426/76, AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG; BAG vom 17.07.1977, 2 AZR 687/75, AP Nr. 1 zu § 12 SchwbG; Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 47; Vossen, in: Ascheid/ Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, SGB IX, § 85 Rn. 8. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 27; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 48. 149 Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 68 Rn. 21; Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 54; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 68 Rn. 7; Winkler, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 68 Rn. 19; Stähler/Bieritz-Harder, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 68 Rn. 8. 150 BAG vom 28.06.1995, 7 AZR 555/94, AP Nr. 6 zu § 59 BAT; BVerwG vom 15.12.1988, 5 C 67/85, NZA 1989, 554, 554; Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 68 Rn. 8; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 68 Rn. 9; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 68 Rn. 23; Stähler/Bieritz-Harder, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 68 Rn. 11. Vgl. auch Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 55. 151 Fuchs, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 2 Rn. 13; Welti, in: Lachwitz/ Schellhorn/Welti, SGB IX, § 2 Rn. 52. Vgl. auch Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 55.
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Die in § 68 Abs. 4 SGB IX vorgesehene, auch ohne behördliche Feststellung eintretende Gleichstellung Jugendlicher und junger Erwachsener in der Berufsausbildung ist insoweit ohne Belang. Diese Sonderregelung existiert nämlich nur, um für diese Personengruppe Leistungen nach § 102 Abs. 3 lit. c) SGB IX gewähren und hierdurch für Arbeitgeber stärker Einstellungsanreize schaffen zu können.152 Andere Wirkungen treten durch diese „Gleichstellung zweiter Klasse“153 daher nicht ein.154 Die nach § 68 Abs. 4 SGB IX automatisch Gleichgestellten sind somit nicht mit den Gleichgestellten i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB IX vergleichbar.155 bb) Berücksichtigung der Gleichgestellten bei § 94 Abs. 1 SGB IX In § 94 Abs. 1 SGB IX ist lediglich von „schwerbehinderte Menschen“ die Rede. Die den schwerbehinderten Menschen i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB IX Gleichgestellten sind hingegen nicht erwähnt. Dem Wortlaut nach ist diese Gruppe daher bei der Feststellung der Mindestzahl nach § 94 Abs. 1 SGB IX nicht zu berücksichtigen. Allerdings ordnen § 68 Abs. 1 und 3 SGB IX an, dass die im zweiten Teil des SGB IX enthaltenen besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen im Wesentlichen156 auch auf Gleichgestellte anzuwenden sind. Mangels explizitem Ausschluss erstreckt sich die Gleichstellungswirkung des § 68 SGB IX somit auch auf § 94 SGB IX. Auch Gleichgestellte i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB IX sind daher bei der Feststellung der Mindestzahl zu berücksichtigen.157 Dieses Ergebnis wird zusätzlich dadurch gestützt, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO hinsichtlich der Versammlung die Anwesenheit auch der Gleichge-
152 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 15/1783, S. 13; Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/ Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 68 Rn. 46 und 51; Cramer, NZA 2004, 698, 699; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 68 Rn. 28; Stähler/Bieritz-Harder, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 68 Rn. 14. 153 So Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 68 Rn. 52. 154 Stähler/Bieritz-Harder, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 68 Rn. 14. 155 Vgl. Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 68 Rn. 52. 156 Ausgenommen sind lediglich die Bestimmungen des 13. Kapitels und des § 125 SGB IX. 157 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 25 und 27; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 1 und 5; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 4; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 112; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 29; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 3; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 10; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6 und 14; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 3; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 1; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 15; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 1; TrenkHinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 9. Vgl. auch Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 4 und Sieg, NZA 2002, 1064, 1065, die Gleichgestellte zumindest im Hinblick auf die Wahlberechtigung einbeziehen.
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stellten als selbstverständlich voraussetzt.158 Allerdings darf der Erwähnung in der SchwbVWO schon aus gesetzessystematischen Gründen keine eigenständige konstitutive Bedeutung beigemessen werden. Vielmehr zeigt dies lediglich, dass auch der nicht mit dem Gesetzgeber identische Verordnungsgeber159 diese Rechtsauffassung ebenfalls zu vertreten scheint.160 Für die nach § 68 Abs. 4 SGB IX nur kraft Gesetzes gleichgestellten Jugendlichen und jungen Erwachsenen findet ausschließlich § 102 Abs. 3 lit. c) SGB IX Anwendung (§ 68 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Dementsprechend erfolgt für diese Personengruppe auch keine Gleichstellung im Rahmen des § 94 Abs. 1 SGB IX, so dass sie bei der Feststellung der Mindestzahl nicht zu berücksichtigen sind. 3. Im Betrieb beschäftigt In § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wird darauf abgestellt, dass mindestens fünf schwerbehinderte Menschen „im Betrieb beschäftigt“ sind. Die Norm knüpft also an die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen an. Der Begriff der Beschäftigung ist im SGB IX nicht näher definiert und inhaltlich recht unbestimmt. Zur Klärung der Fragen, was unter „beschäftigt“ i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu verstehen ist und welche Personen hiervon erfasst werden, bedarf es der Auslegung der Vorschrift. a) Wortlautauslegung Ausgangspunkt der Auslegung sollte dem allgemein üblichen Kanon nach der Wortlaut der Vorschrift sein. Hierbei ist auf das allgemeine Sprachverständnis und die grammatikalischen Zusammenhänge des in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX verwendeten Begriffs „beschäftigt“ abzustellen. aa) Beschäftigung Nach dem Duden versteht man unter „Beschäftigung“ eine bezahlte Tätigkeit bzw. berufliche Arbeit.161 Mit Beschäftigung kann nach Duden aber auch eine Tätigkeit gemeint sein, mit der man seine Arbeits- oder Freizeit ausfüllt.162 Nach 158 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 31; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 3. 159 Verordnungsgeber ist gemäß § 100 SGB IX die Bundesregierung und gerade nicht der Bundestag als Gesetzgeber des SGB IX. 160 Dies scheint jedoch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 31, zu verkennen, wenn er meint, die SchwbVWO könne die sich eigentlich abschließend aus § 94 Abs. 2 SGB IX ergebende Wahlberechtigung verbindlich festlegen. 161 Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „Beschäftigung“, Nr. 1 b). 162 Vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „Beschäftigung“, Nr. 1 a).
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Wahrig versteht man unter dem Begriff Beschäftigung „Arbeit, Betätigung, Tätigkeit, Zeitvertreib“.163 Ein ähnliches Verständnis dieses Begriffs findet sich auch im Bertelsmann-Wörterbuch: „Arbeit, Beruf, Tätigkeit“.164 Beschäftigung meint also im Allgemeinen eine zeitausfüllende Tätigkeit oder Betätigung. Arbeit stellt hierbei eine häufige – aber nicht die einzige Form dar.165 Vielmehr erfasst der Begriff der Beschäftigung noch weitere Tätigkeitsformen und ist daher umfassender zu verstehen als der Begriff Arbeit. Wird jemand „beschäftigt“ ist damit nach dem allgemeinen Sprachverständnis gemeint, dass ihm Arbeit oder etwas anderes zu tun gegeben wurde.166 In der reflexiven Form wird mit „beschäftigen“ nicht nur verbunden, dass jemand etwas zum Gegenstand seiner Tätigkeit macht,167 vielmehr kann dies sprachlich auch bedeuten, dass jemand seine Kenntnisse auf einem Gebiet erweitert oder sich über eine Sache Gedanken macht.168 In § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wurde der Begriff „beschäftigt“ zwar nicht reflexiv, sondern nur in der passiven Form verwendet.169 Jedoch handelt es sich beim gedanklichen Befassen mit einer Sache nur um eine nicht körperliche, aber geistige Tätigkeit. Mithin kann eine Person auch beschäftigt sein, wenn sie sich mit etwas lediglich gedanklich befasst.170 Nach dem Wortlaut ist daher jemand beschäftigt, wenn er mit einer irgendwie gearteten geistigen oder körperlichen Tätigkeit betraut ist und hierauf seine Zeit verwendet. bb) Keine Erfolgsbezogenheit Auffällig ist dabei, dass dem Begriff der Beschäftigung nach allgemeinem Sprachverständnis keine Erfolgsbezogenheit der Tätigkeit anhaftet. Geht man nämlich von der oben dargelegten Bedeutung des Begriffs aus, so trifft dieser in erster Linie eine Aussage über eine Aktivität und nicht über deren Resultat. Besonders deutlich wird dies daran, dass der „Beschäftigung“ sprachlich auch ein 163 164
Wahrig – Deutsches Wörterbuch, Stichwort: „Beschäftigung“, Nr. 1 und 2. Bertelsmann – Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort: „Beschäftigung“,
Nr. 2. 165 Vgl. auch BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 29; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 30; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22. 166 Bertelsmann – Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort: „beschäftigen“, Nr. I 1; Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „beschäftigen“, Nr. 3 a) und b). 167 Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „beschäftigen“, Nr. 1. 168 Bertelsmann – Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort: „beschäftigen“, Nr. II 2. a); Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „beschäftigen“, Nr. 2 a). 169 Siehe dazu sogleich § 3 IV. 3. a) cc). 170 Vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „denken“, Nr. 1: „woran denkst du? (was beschäftigt dich gerade?)“.
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zeitausfüllender Charakter zugemessen wird. Der inhaltliche Schwerpunkt des Begriffs liegt damit nach allgemeinem Sprachverständnis in der Durchführung einer bestimmten Tätigkeit an sich und weniger in dem mit ihr möglicherweise erstrebten Ziel. Ein etwaig mit der Tätigkeit verfolgter Zweck ist also, rein sprachlich betrachtet, nicht substanzieller Bestandteil des Begriffs der Beschäftigung. Vielmehr deutet die Verwendung des Begriff „beschäftigt“ darauf hin, dass die maßgebliche Tätigkeit nicht erfolgs-, sondern allein aktivitätsbezogen ist. cc) Abhängigkeitsverhältnis Zu beachten ist dahingehend, dass § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX darauf abstellt, dass die schwerbehinderten Menschen im Betrieb beschäftigt „sind“ und das Verb damit in einer passiven Form verwendet. Aus dieser passiven Ausrichtung ergibt sich dem allgemeinen Sprachverständnis nach, dass es nicht ausreicht, wenn sich die schwerbehinderten Menschen selbst beschäftigen, sondern dass die Beschäftigung fremdbestimmt sein muss. Die Zuweisung der geistigen bzw. körperlichen Tätigkeit muss also dem Wortlaut nach durch eine andere Person erfolgen. Der grammatikalischen Auslegung nach ist daher entscheidend, dass die Bestimmung der zu verrichtenden Tätigkeiten nicht allein der beschäftigten Person obliegt. Im Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist damit sprachlich eine Fremdbestimmtheit der Tätigkeit angelegt. b) Systematische Auslegung Im Rahmen der systematischen Auslegung ist zunächst eine exakte Verortung der hier maßgeblichen Bestimmung notwendig, um anschließend festzustellen, inwieweit sich aus deren systematischer Position im gesetzlichen Gefüge Anhaltpunkte für die Auslegung ableiten lassen. Insbesondere ist hierbei zu überprüfen, ob in anderen Bestimmungen zu findende Definitionen auf Grund des systematischen Zusammenhangs auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX anwendbar sind. aa) Beschäftigungsbegriff des Sozialversicherungsrechts Die Regelung über die Voraussetzungen der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung findet sich in § 94 SGB IX und somit im 5. Kapitel des zweiten Teils des Sozialgesetzbuch IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Die Norm ist damit Teil des sich über zwölf Bücher erstreckenden und das Sozialversicherungs- und Soziahilferecht regelnden Sozialgesetzbuchs.171 Insoweit wäre es 171 Auch vor der im Jahr 2001 erfolgten Neuerrichtung des SGB IX war das Schwerbehindertengesetz nach Art. II § 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) – Allgemeiner Teil (BGBl. I, 1975, S. 3025 f.) formell Bestandteil des Sozialgesetzbuchs (Braasch, BehR 2001, 177, 177; v. Maydell, in: Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, SGB AT, Art. II, § 1 Rn. 4).
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
denkbar, auf die darin enthaltenen Grundsätze und Begriffsbestimmungen zurückzugreifen. (1) Definition des § 7 SGB IV In § 7 SGB IV ist für den Begriff der Beschäftigung eine allgemeine Definition enthalten, die grundsätzlich Geltung für alle Sozialversicherungszweige beansprucht (vgl. § 1 Abs. 1 SGB IV).172 Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV meint „Beschäftigung“ die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Diese Definition lässt eine hinreichend scharfe Konturierung des Tatbestandes vermissen. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber hinsichtlich der Begriffsbeschreibung der Rechtsfigur des Typus bedient.173 Hierbei werden die erfassten Personen nicht im Detail definiert, sondern ausgehend vom Normalfall in Form eines Prototyps beschrieben, der in der Regel bestimmte idealtypische Merkmale aufweist, die dann für die Feststellung im jeweiligen Einzelfall herangezogen werden können.174 Als Ausgangspunkt dieser Typendefinition fungiert das Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne.175 (2) Verhältnis zum Arbeitnehmerbegriff In der Literatur ist umstritten, in welchem Verhältnis der sozialversicherungsrechtliche Begriff des Beschäftigten zu dem primär im Arbeitsrecht verwendeten Begriff des Arbeitnehmers steht. Überwiegend wird jedoch der auch von der Rechtsprechung vertretenen sog. Lehre vom sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gefolgt und danach „Arbeitnehmer“ und „Beschäftigter“ als zwei unabhängig voneinander existierende Begriffe verstanden, die zwar in 172 Vgl. BSG vom 19.08.2003, B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 1; Adelberg, in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwK-ArbR, SGB IV, § 7 Rn. 3; Knospe, in: Hauck/ Noftz, SGB IV, § 7 Rn. 1 und 69; Krause, in: v. Maydell, Lexikon des Rechts – Sozialrecht, Stichwort: „Beschäftigungsverhältnis“, S. 81; Rolfs, in: ErfK, SGB IV, § 7 Rn. 1; Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar SGB IV, § 7 Rn. 5. 173 BVerfG vom 20.05.1996, 1 BvR 21/96, NZA 1996, 1063, 1063; Fuchs, in: Gagel/Bieback/Knickrehm, SGB III, § 25 Rn. 3; Rolfs, in: ErfK, SGB IV, § 7 Rn. 4; Sommer, NZS 2000, 122, 123. 174 BVerfG vom 20.05.1996, 1 BvR 21/96, NZA 1996, 1063, 1063; Fuchs, in: Gagel/Bieback/Knickrehm, SGB III, § 25 Rn. 3. Kritisch hierzu Sommer, NZS 2000, 122, 123, der darauf hinweist, dass der ständige Wandel auf dem Arbeitsmarkt einer starren Zuordnung idealtypischer Merkmale entgegenstehe. Kritisch auch: Merten, in: GKSGB IV, § 7 Rn. 45. 175 Felix, NZS 2002, 225, 227; Fuchs, in: Gagel/Bieback/Knickrehm, SGB III, § 25 Rn. 3; Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 7 Rn. 25. Vgl. auch Merten, in: GKSGB IV, § 7 Rn. 43. Vgl. auch den Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV: „Insbesondere [. . .] Arbeitsverhältnis“.
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weiten Teilen deckungsgleich sind, in ihren Randbereichen jedoch auch Divergenzen aufweisen.176 Nach dieser Ansicht ist daher das Vorliegen einer Beschäftigung i. S. d. § 7 SGB IV losgelöst vom arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zu betrachten und ausschließlich nach den sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.177 Die Vertreter der Gegenansicht sind dagegen der Meinung, spätestens seit der Anerkennung des sog. faktischen Arbeitsverhältnisses gäbe es zwischen den Begriffen „Arbeitnehmer“ und „Beschäftigter“ keinen inhaltlichen Unterschied mehr.178 Ein selbstständiger neben dem arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff stehender Begriff des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigten sei daher überflüssig.179 Einigkeit besteht zwischen den einzelnen Vertretern dahingehend, dass der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff und der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigtenbegriff eine nicht unerhebliche Schnittmenge aufweisen. Diese Übereinstimmung ist logische Konsequenz der typologischen Ausrichtung des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, nach der das Arbeitsverhältnis das Idealbild einer Beschäftigung darstellt. Allerdings folgt aus der verwendeten Formulierung „insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ zugleich, dass eine Beschäftigung nach dem Wortlaut der Definition auch dann vorliegen kann, wenn kein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne gegeben ist.180 Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses geht somit schon definitionsgemäß über den des Arbeitsverhältnisses hinaus.181 Folglich sind auch die Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Beschäftigter“ i. S. v. § 7 SGB IV nicht deckungsgleich. Der für das Sozialversicherungsrecht definierte Beschäftigtenbegriff ist daher nicht mit dem arbeits176 Bauer/Diller/Lorenzen, NZA 1999, 169, 175; Felix, NZS 2002, 225, 227; Heußner, AuR 1975, 307, 310 und 312; Igl/Welti, Sozialrecht, § 10 Rn. 3 ff.; Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 7 Rn. 25 ff.; Löwisch, BB 1999, 102, 107; Lüdtke, in: Winkler, SGB IV, § 7 Rn. 9; Minn, in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, Kap. 2, S. 6; Raab, RdA 1999, 339, 339; Rieble, ZfA 1998, 327, 332; Rolfs, in: ErfK, 6. Aufl., SGB IV, § 7 Rn. 36 f.; Schneider-Danwitz, in: FS Entwicklung des Sozialrechts, S. 541, 546; Weimar/Goebel, ZIP 1999, 217, 222. Vgl. auch Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 9 und Wannagat, Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 204. 177 BSG vom 30.07.1981, 8/8a RU 48/80, BSGE 52, 76, 78; BSG vom 31.07.1963, 3 RK 46/59, BSGE 19, 265, 267; BSG vom 28.08.1961, 3 RK 57/57, BSGE 15, 65, 68 f. 178 Gitter, in: FS Wannagat, S. 141, 153 f.; Krejci, VSSR 1977, 301, 319 f.; Seiter, VSSR 1976, 179, 216; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 346. 179 Gitter, in: FS Wannagat, S. 141, 153 f.; Merten, in: GK-SGB IV, § 7 Rn. 42. Wohl auch Krejci, VSSR 1977, 301, 320; Seiter, VSSR 1976, 179, 216. In dieser Richtung wohl auch Krause, in: v. Maydell, Lexikon des Rechts – Sozialrecht, Stichwort: „Beschäftigungsverhältnis“, S. 82. 180 Minn, in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, Kap. 2, S. 6. Vgl. Felix, NZS 2002, 225, 227. Vgl. auch Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 127. 181 Vgl. Adelberg, in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwK-ArbR, SGB IV, § 7 Rn. 6; Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 7 Rn. 25.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
rechtlichen Begriff des Arbeitnehmers gleichzusetzen, sondern erfasst prinzipiell unterschiedliche Personengruppen. (3) Anwendbarkeit der Definition auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Im Folgenden soll nunmehr geklärt werden, ob die in § 7 SGB IV zu findende Definition des Begriffs der Beschäftigung auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX unmittelbar anwendbar ist und zumindest einen systematisch eindeutigen Zusammenhang aufweist, der es erlaubt, die Definition des § 7 SGB IV im Rahmen der Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX heranzuziehen. (a) Formelle Gesichtspunkte der Anwendbarkeit Mit der Einbettung der Beschäftigungsdefinition in das SGB IV gehört die Begriffsbestimmung zu den allgemeinen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts. Gemäß § 1 Abs. 1 SGB IV gelten die Vorschriften dieses Buches nämlich für die gesetzliche Kranken- Unfall- und Rentenversicherung182, sowie für die soziale Pflegeversicherung und die Arbeitsförderung. Damit finden die Regelungen des SGB IV in den Bereichen der SGB III, V, VI, VII und XI direkte Anwendung, soweit diese keine eigenständigen, abweichenden Vorschriften enthalten.183 Das SGB IX ist allerdings keinem dieser Sozialversicherungszweige unmittelbar zuzuordnen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Aufstellung allgemeiner Regeln, die im gegliederten System der Sozialversicherung für eine einheitliche Handhabung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen sorgen sollen.184 Das SGB IX ist daher sozialleistungsträgerübergreifend konzipiert und findet seinerseits auf das gesamte Leistungsrecht der Sozialversicherung185 unmittelbare Anwendung.186 Es handelt sich daher insoweit um einen auf den spezifischen Bereich des Behindertenrechts beschränkten „allgemeinen Teil“, der den SGB I, IV und X vergleichbar und gleichwertig ist.187 Mangels ausdrücklicher Erstreckung erscheint es somit bereits in formeller Hinsicht zweifelhaft, ob Regelungen des SGB IV auch für das SGB IX Geltung beanspruchen können oder ob nicht vielmehr beide Regelungen jeweils nur auf die einzelnen Leis182
Einschließlich der Alterssicherung der Landwirte. Vgl. Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 1 Rn. 2 und 6. 184 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 14/5074, 100; Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 7 Rn. 1. Vgl. auch Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drs. 15/4575, S. 21; Fuchs, in: Bihr/ Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, Einf. Rn. 48. 185 Darüber hinaus gilt das SGB IX auch für die Bereiche der sozialen Entschädigung, der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe. 186 Soweit die Leistungsgesetze speziellere, abweichende Vorschriften enthalten, gehen diese jedoch denen des SGB IX vor, vgl. § 7 SGB IX. 187 Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 7 Rn. 2. 183
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tungsgesetze einwirken und diesbezüglich in einem Konkurrenzverhältnis stehen.188 Unterstellt man, dass die Grundsätze und Definitionen des SGB IV in formeller Hinsicht unmittelbar auf das SGB IX anzuwenden seien, ist jedoch in materieller Hinsicht zu bedenken, dass die Vorschriften des SGB IV ausweislich des in § 1 SGB IV normierten Geltungsbereichs nur auf Regelungen einwirken können, die den Bereichen der Sozialversicherung zuzuordnen sind. Diese materielle Beschränkung der Anwendbarkeit des SGB IV auf sozialversicherungsrechtliche Normen zeigt sich auch an der ebenfalls im SGB geregelten Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Auf diese ist § 18h SGB IV nämlich nur anzuwenden, weil dies in § 1 Abs. 2 SGB IV ausdrücklich angeordnet wird.189 Auf nichtsozialversicherungsrechtliche Vorschriften findet das SGB IV daher nur dann Anwendung, wenn dies durch Gesetz formell angeordnet wird. (b) Materielle Gesichtspunkte der Anwendbarkeit Bei materieller Betrachtung der Regelungen ist nicht zu verkennen, dass der zweite Teil des SGB IX – wie auch das ehemalige Schwerbehindertengesetz – in nicht unerheblichem Umfang arbeitsrechtliche Vorschriften beinhaltet.190 Gerade die Kapitel 2 bis 5 betreffen in erster Linie arbeitsrechtliche Fragen und stehen in keinem vertieften sozialversicherungs- oder sozialhilferechtlichen Kontext. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es naheliegend, diese Bestimmungen systematisch weniger dem Sozial(versicherungs)recht als vielmehr dem Arbeitsrecht zuzuordnen. Eine derartige Zuordnung des § 94 SGB IX zum Arbeitsrecht steht allerdings einer Heranziehung der sozialversicherungsrechtsspezifischen Definition des § 7 SGB IV entscheidend entgegen. Trotz der formellen Integration des § 94 SGB IX in das Sozialgesetzbuch, lassen sich die sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze und Begriffsbestimmungen somit weder direkt noch mittelbar auf die allein arbeitsrechtlich geprägte Vorschrift des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX anwenden. bb) Begriff der Beschäftigung im allgemeinen Arbeitsrecht Angesichts der soeben aufgezeigten inhaltlichen Zuordnung des § 94 Abs. 1 SGB IX zum Arbeitsrecht erscheint es naheliegend zu prüfen, ob sich in arbeitsrechtlichen Vorschriften Definitionen zum Beschäftigtenbegriff finden, die sich 188 Vgl. hierzu Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 7 Rn. 10. Vgl. auch Mrozynski, SGB IX, 1. Aufl., § 7 Rn. 26; Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 7 Rn 11. 189 Vgl. Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 1 Rn. 5. 190 Vgl. Lachwitz/Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Einf. Rn. 1. Bereits für das SchwbG: v. Maydell, in: Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, SGB AT, Art. II, § 1 Rn. 4.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
unter systematischen Gesichtspunkten bei der Auslegung des § 94 SGB IX heranziehen lassen. (1) Begriffsdefinitionen in arbeitsrechtlichen Vorschriften In der Fülle der arbeitsrechtlichen Einzelgesetze finden sich gleich mehrere Definitionen des Begriffs des Beschäftigten. Beispielsweise enthält § 2 Abs. 2 ArbSchG eine Auflistung von Personengruppen, die als Beschäftigte i. S. d. ArbSchG anzusehen sind. Danach zählen neben Arbeitnehmern und den zur Berufsbildung Beschäftigten auch Beamte, Richter und Soldaten191 zu den Beschäftigten. Darüber hinaus erfasst die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 2 ArbSchG auch die in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten. Außerdem wird der Beschäftigtenbegriff über § 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG auch auf bestimmte arbeitnehmerähnliche Personen i. S. d. § 5 Abs. 1 ArbGG ausgedehnt. Ähnlich ausgestaltete Definitionen des Beschäftigtenbegriffs finden sich auch in § 6 Abs. 1 AGG und § 7 Abs. 1 PflegeZG. Darin werden ebenfalls neben den Arbeitnehmern und den zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten auch arbeitnehmerähnliche Personen der Gruppe der Beschäftigten zugeordnet.192 In § 3 Nr. 12 GenDG und § 3 Abs. 11 BDSG werden darüber hinaus auch Rehabilitanden, sowie Personen erfasst, die nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen tätig sind.193 (2) Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Definitionen Den vorstehend aufgeführten Definitionen ist allerdings zueigen, dass sie – bereits ihrem Wortlaut nach – lediglich für das jeweilige Gesetz geltenden Begriffbestimmungen liefern sollen. Der Formulierung lässt sich also gerade nicht entnehmen, dass die Definitionen auf weitere Vorschriften ausstrahlen sollen. Eine dahingehende Regelungsabsicht lässt sich auch den jeweiligen Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Soweit in der Begründung des Regierungsentwurfs zum ArbSchG davon ausgegangen wird, dass die Definition des § 2 Abs. 2 ArbSchG für alle Vorschriften des technischen Arbeitsschutzes einheitlich gelten 191 Die vom Beschäftigtenbegriff erfassten öffentlichen Dienstverhältnisse sollen an dieser Stelle nicht näher untersucht werden. 192 Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG werden zwar die zur Heimarbeit Beschäftigten und die diesen gleichgestellten Personen explizit aus dem Beschäftigtenbegriff des ArbSchG ausgeklammtert. Diese Einschränkung wurde damit begründet, dass der Arbeitsschutz für diese Personen wegen der anders gelagerten Verantwortlichkeiten weiterhin im HAG geregelt bleiben solle, Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 13/3540, S. 15. Die Herausnahme der in Heimarbeit Beschäftigten und der diesen gleichgestellten Personen ist also lediglich durch systematischen Erwägungen geschuldet. Eine divergierende gesetzgeberische Wertung lässt sich dem folglich nicht entnehmen. 193 Vgl. Richardi, NZA 2010, 1101, 1102.
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solle,194 ist festzuhalten, dass § 94 SGB IX gerade nicht dem spezifischen Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zuzuordnen ist. Die Definition kann daher trotz ihres über das ArbSchG hinausgehenden Anwendungsbereichs für § 94 SGB IX keine Geltung beanspruchen und lässt sich damit nicht unmittelbar heranziehen. cc) Begriff des Beschäftigten im Recht der kollektiven Interessenvertretung Stellt man auf die inhaltliche Ausrichtung des § 94 SGB IX ab, zeigt sich nicht nur ein allgemeiner arbeitsrechtlicher, sondern vor allem ein besonderer betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtlicher Bezug.195 Dieser ergibt sich nicht nur aus der bereits aufgezeigten Ähnlichkeit der Vorschriften über die Wahlvoraussetzungen,196 sondern daneben auch aus der unmittelbaren Bezugnahme in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX. Es erscheint somit auch denkbar, bei der systematischen Auslegung des Begriffs der Beschäftigung auf betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtliche Vorschriften zurückzugreifen. (1) Definition des Beschäftigtenbegriffs Das BetrVG stellt wie bereits angesprochen im Rahmen des Schwellenwerts nicht auf den Begriff des Beschäftigten, sondern auf den des Arbeitnehmers ab. Auch in den sonstigen Vorschriften des BetrVG wird nicht an das Vorliegen einer Beschäftigung als Voraussetzung angeknüpft. Dementsprechend liefert das Betriebsverfassungsrecht auch keine diesbezügliche Definition. Demgegenüber enthält das Personalvertretungsrecht des Bundes in § 4 Abs. 1 BPersVG eine Definition des „Beschäftigten im öffentlichen Dienst“. Als Beschäftigte zählen danach Beamte, abgeordnete Richter und Arbeitnehmer einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Durch § 4 Abs. 3 BPersVG wird der im Rahmen des Abs. 1 verwendete Begriff des Arbeitnehmers näher definiert. Dabei wird über § 4 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 BPersVG i.V. m. § 1 Abs. 1 des derzeit einschlägigen Tarifvertrags TVöD auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abgestellt.197 Mangels einer diesen Begriff näher ausgestaltenden Regelung im TVöD, ist nach den Grundsätzen der Tarifauslegung198 diesbezüglich auf die allgemeine von Literatur und Rechtsprechung entwickelte Defini194
Vgl. Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 13/3540, S. 15. Vgl. Sobotta, Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifverträge, S. 218 f. 196 Darüber hinaus weisen auch die Vorschriften über die persönliche Stellung der Mitglieder und die Rechte der Vertretung signifikante Parallelen zum Betriebsrat bzw. zur Personalvertretung auf. 197 Benecke, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, § 4 Rn. 24. 198 Vgl. dazu Boemke/Sachadae, PersV 2008, 324, 328 f. 195
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tion abzustellen.199 Somit gelangt die arbeitsrechtliche Arbeitnehmerdefinition auch im Rahmen des § 4 Abs. 3 BPersVG zur Anwendung.200 Im Wege der Ausschlusstatbestände in § 4 Abs. 5 BPersVG werden gleichzeitig mehrere Personengruppen aus dem Beschäftigtenbegriff ausgeklammert. (2) Anwendbarkeit der Definition Gegen eine Heranziehbarkeit der in § 4 Abs. 1 BPersVG zu findenden Begriffsbestimmung spricht zunächst, dass dem Wortlaut nach der Begriff des „Beschäftigten im öffentlichen Dienst“ definiert wird und damit schon terminologisch Unterschiede zu § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestehen. Gleichzeitig zielt aber auch die Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 1 BPersVG nur darauf ab, einen für das BPersVG einheitlichen Oberbegriff zu schaffen.201 Insbesondere lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass durch § 4 Abs. 1 BPersVG eine über das Personalvertretungsrecht hinausgehende Begriffsbestimmung erfolgen sollte. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich die Anwendungsbereiche der beiden Gesetze erheblich unterscheiden. Während das BPersVG nur einen Teil des öffentlichen Dienstes betrifft, werden vom SGB IX darüber hinaus sämtliche, dem Anwendungsbereich des BetrVG unterfallenden Betriebe der Privatwirtschaft erfasst.202 Im Geltungsbereich des SGB IX finden also unterschiedliche203 Regelungen über die örtliche Interessenvertretungen Anwendung, die hinsichtlich des zu vertretenden Personals auf divergierende Personengruppen abstellen.204 Konsequenter Weise hat der Gesetzgeber aus diesem Grund auch hinsichtlich des Bezugspunkts des Schwellenwerts in § 94 Abs. 1 SGB IX zwischen dem Anwendungsbereich des BetrVG („Betrieb“) und denen der Personalvertretungsgesetze („Dienststellen“) differenziert. Ihm war also die Unterscheidung zwischen den interessenvertretungsrechtlichen Anwendungsbereichen sehr wohl bewusst. Daher wäre es in gesetzessystematischer Hinsicht widersprüchlich, wenn man ein 199
Vgl. Lemcke, in: Altvater/Baden/Kröll/u. a., BPersVG, § 4 Rn. 19. Benecke, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, § 4 Rn. 26; Lemcke, in: Altvater/Baden/Kröll/u. a., BPersVG, § 4 Rn. 17. 201 Vgl. Faber, in: Etzel/Gerhold/Schlatmann/u. a., BPersVG, § 4 Rn. 2 und 4. 202 Siehe zur Beschränkung der vorliegenden Arbeit auf die Privatwirtschaft auch oben § 1 IV. 203 Zu beachten sind hierbei auch die den Personalvertretungsgesetzen der Länder unterfallenden Dienststellen. 204 Trotz der jüngst auch im Anwendungsbereich des BetrVG per Fiktion den Arbeitnehmern zugeordneten Beamten, Soldaten und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG n. F.) ist der Kreis der Arbeitnehmer i. S. d. § 5 BetrVG nicht mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst i. S. d. § 4 Abs. 1 BPersVG identisch. Unterschiede ergeben sich nicht nur hinsichtlich der abgeordneten Richter, sondern auch im Hinblick auf die nach § 4 Abs. 5 BPersVG bzw. § 5 Abs. 2 S. 3 BetrVG ausgeschlossenen Personen und den befristet Tätigen (vgl. dazu Benecke, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, § 4 Rn. 40). 200
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vom Gesetzgeber offenbar bewusst für den gesamten Anwendungsbereich des SGB IX einheitlich gewähltes Schwellenwertsubjekt („schwerbehinderter Beschäftigter“) durch eine nur für einen Teil des Anwendungsbereichs geschaffene Begriffsbestimmung näher ausgestalten ließe. Der Gesetzgeber ging daher mutmaßlich auch nicht davon aus, dass die Definition des § 4 Abs. 1 BPersVG für den gesamten Anwendungsbereich des Beschäftigtenbegriffs des § 94 Abs. 1 SGB IX Geltung beanspruchen solle. Die bundespersonalvertretungsrechtliche Definition lässt sich somit nicht unmittelbar anwenden, sondern kann allenfalls mittelbar in die Auslegung des Begriffs einfließen. c) Historische Auslegung Im Folgenden soll nunmehr eine historische Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorgenommen werden. Hierzu ist zunächst die chronologische Entwicklung der Schwellenwertregelung in groben Zügen nachzuzeichnen, um aus den maßgeblichen Änderungen an der Norm ggf. Schlussfolgerungen für das Verständnis des Begriffs der Beschäftigung ableiten zu können. aa) Schwellenwertregelungen bis 1953 Bei historischer Betrachtung fällt zunächst auf, dass bereits bei der erstmaligen Normierung der damals noch „Vertrauensmann der Schwerbeschädigten“ bezeichneten Schwerbehindertenvertretung im Rahmen des SchwerbeschädigtenG 1920205 ein Schwellenwert als Voraussetzung der Bestellung206 existierte. Dieser knüpfte jedoch noch nicht an die Zahl der im Betrieb tätigen Schwerbehinderten, sondern an eine, auf die Arbeitnehmerzahl abstellende, allgemeine Betriebsgröße an.207 Hinsichtlich der Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer wurde auf die Vorschriften des BRG von 1920208 zurückgegriffen und damit der dort maßgebliche Arbeitnehmerbegriff auch dem SchwerbeschädigtenG 1920 zu Grunde gelegt.209 205 Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 06.04.1920, RGBl., S. 458. 206 Gemäß § 11 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1920 war noch keine Wahl, sondern nur eine Bestellung des Vertrauensmannes durch die Arbeitnehmervertretung vorgesehen. Dieser hatte allerdings eine Anhörung der schwerbeschädigten Arbeitnehmer voranzugehen. Regelungen über die Art und Weise der Durchführung dieser Anhörung existierten jedoch nicht (Weigert, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 10). Verschiedentlich wurde jedoch von einem Wahlcharakter dieser Anhörung ausgegangen (Weigert/ Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 10). 207 Der maßgebliche Schwellenwert lag bei 100 Arbeitnehmern, § 11 Abs. 1 S. 1 SchwerbeschädigtenG 1920. 208 Gesetz über Betriebsräte vom 4. Februar 1920, RGBl., S. 147. 209 Vgl. Flatow, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 3; Weigert, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 6 und § 1 Anm. 2; Weigert/Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 6 und § 1 Anm. 2.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Im Rahmen des SchwerbeschädigtenG 1923210 wurde der Schwellenwert von der allgemeinen Betriebsgröße losgelöst211 und nunmehr an die Zahl der tatsächlich212 im Betrieb beschäftigten schwerbeschädigten Arbeitnehmer gekoppelt.213 Hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft war auch nach dem SchwerbeschädigtenG 1923 weiter der Arbeitnehmerbegriff des BRG 1920 maßgeblicher Anknüpfungspunkt.214 In der Zeit des Nationalsozialismus wurde im Wege der Gleichschaltung und der Ausrichtung am Führerprinzip zwar das BRG aufgehoben,215 jedoch blieb das SchwerbeschädigtenG 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs weiter in Kraft216 und blieb im Hinblick auf die Schwellenwertregelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1923 unverändert. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unterlag das damalige Schwerbeschädigtenrecht zwar zahlreichen Erweiterungen und Ergänzungen durch die Besatzungsmächte und die später neu gegründeten Länder.217 Jedoch wurden im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Bestellung des Vertrauensmannes keine Modifikationen vorgenommen.218
210 Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter wurde bereits am 23.12.1922 verabschiedet und am 30.12.1922 verkündet (RGBl. I, S. 972) und ist dann am 01.01.1923 in Kraft getreten. Auf Grund Art. II des Änderungsgesetzes wurde das novellierte Gesetz neu gefasst und am 12.01.1923 als Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter erneut verkündet (RGBl. I, S. 58). 211 Vgl. Richter, SchwerbeschädigtenG, 1. Aufl., § 12 Vorbemerkung; Schneider/ Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Vorbemerkung. 212 Vgl. Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 9. 213 Unter Zugrundlegung der den Arbeitgebern damals obliegenden Beschäftigungspflichten war ein Vertrauensmann regelmäßig erst in Betrieben mit mindestens 220 Arbeitnehmern zu bestellen (Richter, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 5; Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 7). Somit wurde der Schwellenwert nicht nur mit der tatsächlichen betrieblichen Beschäftigungsquote verknüpft, sondern zugleich auch faktisch angehoben, vgl. Mebes, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 3. Vgl. zu den Schwerpunkten der Novellierung: Weigert, NZfAR 1923, Sp. 145, 145 ff. 214 Vgl. Richter, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 5. Vgl. auch Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 7 und § 2 Anm. 7 und § 3 Anm. 1. Nicht heranzuziehen waren dagegen allgemein entwickelte oder individualrechtliche geprägte Arbeitnehmerbegriffe (z. B. Kaskel, Arbeitsrecht, § 11 I.), weil der Begriff des Arbeitnehmers nicht in allen gesetzlichen Bestimmungen der gleiche war und für jedes Gesetz selbstständig festgestellt werden musste, Hueck, Handbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, S. 25. 215 § 65 Nr. 1 des Gesetzes zur Ordnung des nationalen Arbeit vom 20.01.1934, RGBl. I. S. 45. 216 Becker, BArbBl. 1950, 48, 48. Vgl. auch Monjau, SchwerbeschädigtenG, Einleitung, S. 34. 217 Becker, BArbBl. 1950, 48, 48 ff.; Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, Einleitung Rn. 10, mit einer Auflistung der einzelnen Änderungsgesetze. 218 Vgl. Becker, BArbBl. 1950, 48, 48 ff.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
135
bb) SchwerbeschädigtenG 1953 Zur Vereinheitlichung des Schwerbeschädigtenrechts wurde dann im Jahr 1953 ein neues Schwerbeschädigtengesetz (SchwerbeschädigtenG 1953)219 verabschiedet.220 Bei der Ausarbeitung des Normtextes wurde im Wesentlichen auf die Vorschriften des SchwerbeschädigtenG 1923 zurückgegriffen.221 Insbesondere wurden auch die Regelungen über den Vertrauensmann der Schwerbeschädigten übernommen und teilweise erweitert. (1) Arbeitnehmereigenschaft Anders als im Gesetz von 1923 wurde im SchwerbeschädigtenG 1953 jedoch terminologisch nicht mehr unmittelbar daran angeknüpft, dass die zu berücksichtigenden Schwerbeschädigten Arbeitnehmer sein müssten. Vielmehr verlangte § 13 Abs. 1 SchwerbeschädigtenG 1953 nunmehr, dass „wenigstens fünf Schwerbeschädigte auf Arbeitsplätzen i. S. d. § 5 beschäftigt sind“.222 Im SchwerbeschädigtenG 1953 wurde somit zwar nicht mehr formell an den Arbeitnehmerbegriff angeknüpft, jedoch hat die gleichzeitige Kopplung an „Arbeitsplätze im Sinne des § 5“ faktisch zu einer weitgehenden Beibehaltung des bereits nach dem SchwerbeschädigtenG 1923 zu berücksichtigende Personenkreises223 geführt.224 Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Neufassung der Regelung über den Vertrauensmann im Wesentlichen auf der Bisherigen aufbauen sollte.225 Zu Gunsten einer korrekten Erfassung der im öffentlichen Dienst Tätigen wurden über die Bezugnahme auf die „Arbeitplätze i. S. d. § 5“ jedoch nunmehr auch Beamte ausdrücklich mit erfasst, so dass in dieser Hinsicht eine Erweiterung zu verzeichnen ist. (2) Personengruppen i. S. d. § 5 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1953 Der über § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 in Bezug genommen § 5 SchwerbeschädigtenG 1953 enthielt in Abs. 2 einen umfassenden Katalog 219
Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 16.06.1953, BGBl. I,
S. 48. 220
Becker, BArbBl. 1953, 325, 325. Vgl. nur Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 3430, S. 32 und Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, BT-Drs. 4292, S. 4. 222 Dieses Kriterium wurde in Teilen des Schrifttums übersehen bzw. ausgeblendet: Vgl. nur Leydhecker, Sonderarbeitsrecht der Schwerbeschädigten, § 13 Anm. zu Abs. 2– 4; Lücking, SozSich 1957, 87, 87. 223 Die durch das SchwerbeschädigtenG 1953 erfolgte Erweiterung der als schwerbeschädigt anzuerkennenden Personen ist im Hinblick auf die an dieser Stelle zu untersuchende Frage nicht maßgeblich. 224 Vgl. Monjau, SchwerbeschädigtenG, § 5 Anm. 1; f. Sellmann/Evermann, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 9; Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 15. 225 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 3430, S. 32. 221
136
Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
mit Personengruppen, deren Stellen generell nicht als Arbeitsplätze im Sinne des Schwerbeschädigtengesetzes gelten sollten. Infolge des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 war seinerzeit umstritten, ob hinsichtlich der Mindestzahl nur Schwerbeschädigte berücksichtigt werden durften, die auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 5 Abs. 1 beschäftigt wurden226 oder ob zusätzlich auch Schwerbeschädigte zu zählen waren, die unter einen Tatbestand des § 5 Abs. 2 fielen.227 Geht man davon aus, dass der damalige Gesetzgeber auf die Regelungen des SchwerbeschädigtenG 1923 zurückgegriffen hat, weil diese sich über Jahrzehnte bewährt hatten,228 erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber den damals erfassten Personenkreis nunmehr hätte einschränken wollen.229 Bedenkt man zudem, dass die Arbeitsplatzdefinition des § 5 in erster Linie im Hinblick auf die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers nach § 3 SchwerbeschädigtenG 1953 entwickelt worden ist,230 dürfte die insoweit unklare Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 als Versehen des Gesetzgebers einzustufen sein.231 Im Rahmen der in § 13 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1953 zu findenden Bezugnahme auf „Arbeitsplätze im Sinne des § 5“ war daher dem Ausschlusskatalog des § 5 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1953 keine eigenständige Bedeutung beizumessen.232 Daraus ließ sich jedoch nicht im Umkehrschluss ableiten, dass sämtliche in § 5 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1953 aufgeführten Personengruppen mitzuzählen gewesen wären. Vielmehr waren in dem Ausschlusskatalog genannte Personengruppen nur dann im Rahmen des § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 zu berücksichtigen, wenn diese ihrerseits überhaupt unter § 5 Abs. 1 SchwerbeschädigtenG 1953 zu subsumieren waren.233
226
So Sellmann/Evermann, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 9. So beispielsweise Gröninger, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 2. 228 Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 1. Vgl. auch Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, BT-Drs. 4292, S. 1. 229 Insbesondere finden sich hierfür keine Anhaltspunkte in der Gesetzesbegründung, sondern vielmehr die Aussage, dass die Vorschrift im Wesentlichen mit dem früheren § 12 SchwerbeschädigtenG übereinstimme, vgl. Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 3430, S. 32. 230 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 3430, S. 30; Monjau, SchwerbeschädigtenG, § 5 Anm. 1. Vgl. dazu auch Weigert/Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 1 Anm. 2. 231 Vgl. Rohwer-Kahlmann/Schroeder-Printzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 25. 232 Vgl. Becker, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 6; Gröninger, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 2; Rohwer-Kahlmann/Schroeder-Printzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 25; Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 15. A. A. Sellmann/Evermann, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 9. 233 Im Ergebnis ähnlich: Becker, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 6; Rohwer-Kahlmann/Schroeder-Printzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 25. Vgl. auch Monjau, SchwerbeschädigtenG, § 5 Anm. 3 f) und g) und Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 15. 227
§ 3 Wahlvoraussetzungen
137
(3) In Heimarbeit Beschäftigte In der Literatur war ferner umstritten, ob auch die in Heimarbeit beschäftigten Personen234 hinsichtlich des Schwellenwerts nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 zu berücksichtigen waren, wenn sie in der Hauptsache für den gleichen Auftraggeber arbeiteten.235 In Heimarbeit Beschäftigte waren genau genommen keine Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne236 und unterfielen somit auch nicht der Arbeitsplatzdefinition des § 5 Abs. 1 SchwerbeschädigteG 1953.237 Folglich wären sie grundsätzlich im Rahmen des § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 nicht zu berücksichtigen gewesen. Allerdings ordnete § 34 SchwerbeschädigtenG 1953 an, dass auch die Beschäftigungsverhältnisse der in Heimarbeit Beschäftigten und der diesen Gleichgestellten als Arbeitsplätze im Sinne des SchwerbeschädigtenG gelten sollten. Diese Vorschrift nahmen die Befürworter der Berücksichtigung der in Heimarbeit Beschäftigten zum Anknüpfungspunkt und stützen ihre Ansicht auf diese für das gesamte Gesetz geltende Gleichstellung.238 Allerdings konnte man auch argumentieren, dass § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 gerade nur auf die Arbeitsplatzdefinition des § 5 SchwerbeschädigtenG 1953 verweist und die Gleichstellung der Heimarbeitsbeschäftigungsverhältnisse nach § 34 SchwerbeschädigtenG 1953 unberücksichtigt lässt.239 Allerdings verkennt eine solche Argumentation die Entstehungsgeschichte des SchwerbeschädigtenG 1953. Im Regierungsentwurf240 war nämlich noch vorgesehen, die Gleichstellung der Beschäftigungsverhältnisse der in Heimarbeit Beschäftigten mit Arbeitsplätzen im Sinne des § 5 Abs. 1 SchwerbeschädigtenG 1953 unmittelbar im damaligen § 5 Abs. 2 zu regeln.241 Die „Auslagerung“ dieser Gleichstellung in § 34 SchwerbeschädigtenG 1953 erfolgte erst durch den
234 Im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 des Heimarbeitsgesetzes vom 14.03.1951, BGBl. I, S. 191. 235 Dafür: Gröninger, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 2; Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 15. Später auch dafür Rewolle, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. IV 1. Dagegen: Rohwer-Kahlmann/Schroeder-Printzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 24; Sellmann/Evermann, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 9. 236 Hierzu: Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. I, S. 55 ff.; Maus, Heimarbeitsgesetz, § 2 Rn. 17; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 136. 237 Vgl. Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 5 Rn. 6 und Rn. 23. 238 So wohl Gröninger, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 2; Wilrodt/Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 15. 239 So wohl Rohwer-Kahlmann/Schroeder-Printzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 24; Sellmann/Evermann, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 9. 240 BT-Drs. 3430. 241 Vgl. Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, BTDrs. 4292, S. 13.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Ausschuss für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen242 und sollte ausweislich der Gesetzesbegründung allein der besseren Lesbarkeit des Gesetzes dienen.243 Zum Zeitpunkt der Formulierung des Verweises des § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 auf § 5 SchwerbeschädigtenG 1953 enthielt dieser somit noch die Gleichstellung der in Heimarbeit beschäftigten Personen. Folglich stellte sich die spätere „Auslagerung“ der Regelung in § 34 SchwerbeschädigtenG 1953 nicht als bewusste Herausnahme der Heimarbeitsbeschäftigungsverhältnisse aus dem Kreis der von § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 erfassten Personen, sondern lediglich als Versehen des Gesetzgebers dar. Folglich waren nach dem SchwerbeschädigtenG 1953 auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten im Rahmen des § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 zu berücksichtigen.244 cc) SchwerbeschädigtenG 1961 Im SchwerbeschädigtenG 1961 wurden zwar die Regelungen über den Vertrauensmann der Schwerbeschädigten überarbeitet und erweitert,245 jedoch wurden hinsichtlich der Wahlvoraussetzungen, insbesondere der Mindestzahl und des zu berücksichtigenden Personenkreises keine Änderungen vorgenommen. Lediglich der in Bezug genommene § 5 wurde im Rahmen der Gesetzesnovelle überarbeitet. Nach dem SchwerbeschädigtenG 1961 galten demnach auch Stellen, auf denen Richter beschäftigt waren, als Arbeitsplätze im Sinne des SchwerbeschädigtenG 1961. Daneben ist auch der Ausschlusskatalog des § 5 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1961 auf Personen erweitert worden, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden. Diese Neuregelung zielte in erster Linie auf Stellen von Wahlbeamten ab, erfasste gleichzeitig aber auch freigestellte Betriebs- und Personalratsmitglieder.246 Ebenso wie schon im Gesetz von 1953 kam dem Ausschlusskatalog des § 5 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1961 im Rahmen des Schwellenwerts des § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1961 keine eigenständig Bedeutung bei, so dass im Hinblick auf die Berücksichtigungsfähigkeit nur auf § 5 Abs. 1 SchwerbeschädigtenG 1961 abzustellen war. Somit mussten hinsichtlich der Mindestzahl auch schwerbeschädigte Arbeitnehmer berücksich242 Vgl. Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, BTDrs. 4292, S. 13, 25 und 42 f. 243 Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, BT-Drs. 4292, S. 5. 244 Im Ergebnis ebenso: Gröninger, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. 2; Wilrodt/ Gotzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 15. Später in Bezug auf das SchwerbehindertenG 1961 ebenso Rewolle, SchwerbeschädigtenG, § 13 Anm. IV 1. 245 Vgl. dazu Reg.-Entw., BT-Drs. 3/2701, S. 3 und 11 ff.; Becker, BArbBl. 1961, 741, 742 f. 246 Monjau, Nachtrag SchwerbeschädigtenG, § 5 Anm. 2; Wilrodt/Neumann, SchwerbeschädigtenG, § 5 Rn. 52.
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tigt werden, die auf Stellen im Sinne des § 5 Abs. 2 j) SchwerbeschädigtenG 1961 beschäftigt waren.247 dd) Schwerbehindertengesetz 1974 Im Jahr 1974 wurde das bisherige SchwerbeschädigtenG umfassend reformiert248 und erhielt zugleich eine neue Bezeichnung.249 Zentrale Neuerung des SchwbG250 1974 war die Ausweitung des geschützten Personenkreises durch die Ersetzung des kausalgeprägten Begriffs der Schwerbeschädigung hin zum finalorientierten Begriff der Schwerbehinderung.251 Im Rahmen dieser Novellierung wurde auch die bisher in § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1961 und nunmehr in § 21 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1974 zu findende Vorschrift über die Voraussetzungen der Wahl des Vertrauensmannes geändert, wenngleich diese Änderung in der die Reform besprechenden Literatur kaum Beachtung gefunden hat.252 (1) Wegfall der Anknüpfung an die Arbeitnehmerbzw. Beamteneigenschaft Der Wortlaut des neuen § 21 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1974 verlangte hinsichtlich der Wahl des Vertrauensmannes nur noch, dass mindestens fünf Schwerbehinderte nicht nur vorübergehend im Betrieb beschäftigt werden. Nicht mehr vorgesehen war dagegen, dass die Beschäftigung auf „Arbeitsplätze(n) im Sinne des § 5253 “ erfolgen müsste. Die bisherige indirekte Anknüpfung an die Arbeitnehmer- bzw. Beamteneigenschaft 254 ist somit im Rahmen der Reform weggefallen. 247
So im Ergebnis wohl auch Becker/Mikoleit, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 6. Gesetz zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24.04.1974, BGBl. I., S. 981. 249 Aufgrund der Ermächtigung in Art. III § 1 wurde das Gesetz unter Berücksichtigung aller Änderungen am 29.04.1974 unter der Bezeichnung „Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft“ neu bekannt gemacht, BGBl. I, S. 1005. 250 So die übliche Abkürzung des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft. 251 Hierzu: Jung, RdA 1974, 161, 161 und 163 f.; Kohte, ZSR-Sonderheft 2005, 7, 8. 252 Wahrgenommen wurden diesbezüglich lediglich die neu geschaffene Möglichkeit der Zusammenfassung von Betrieben und die Regelungen zur Stellvertreterwahl. Die Änderung hinsichtlich der Bezugnahme auf bestimmte Arbeitsplätze (dazu sogleich) ist jedoch nicht weiter besprochen worden. Vgl. Ambos, PersV 1973, 137, 140 f.; Jung, DB 1974, 919, 921; Jung, BArbBl 1974, 177, 186 f.; Marienhagen, BB 1974, 743, 746 f. 253 Eine derartige Bezugnahme auf die Arbeitsplatzdefinition des früheren § 5 hätte auf Grund der geänderten Paragraphenfolge nunmehr „Arbeitsplätze im Sinne des § 6“ lauten müssen. Statt einer Änderung des in Bezug genommenen Paragraphen ist die Formulierung jedoch ganz weggefallen. 254 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. c) bb) (1). 248
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(2) Mutmaßlich fehlende Änderungsabsicht des Gesetzgebers Betrachtet man die Materialien zum Gesetzgebungsverfahren dieser Novellierung, kommen allerdings nicht unerhebliche Zweifel daran auf, ob der Wegfall einer solchen Bezugnahme auf die „Arbeitsplätze i. S. d. § 5“ überhaupt beabsichtigt war. (a) Schweigen der Gesetzesmaterialien Die Streichung der in Rede stehenden Voraussetzung wird weder in der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf255 noch im Bericht256 des federführenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung auch nur erwähnt. Ebenso wenig lassen sich diesbezügliche Diskussionen in den Plenarprotokollen257 des Bundestages finden. Dies verwundert insofern, als bei der Streichung eines Kernmerkmals der Wahlvoraussetzungen eine irgendwie geartete Begründung und Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren zu erwarten gewesen wäre. Das Fehlen derartiger Ausführungen legt damit die Vermutung nahe, dass das Fehlen der Worte „auf Arbeitsplätzen i. S. d. § 5“ möglicherweise auf einem Versehen beruhte und vom Gesetzgeber keine dahingehende Streichung dieses Kriteriums gewollt war. (b) Intention der unveränderten Übernahme der Vorgängerregelung Für das Fehlen einer solchen Änderungsabsicht spricht auch die in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zu findende Feststellung zu den Wahlvoraussetzungen. Darin wird davon ausgegangen, dass der in § 21 SchwbG 1974 neu gefasste „Abs. 1 Satz 1 [. . .] die Wahl des Vertrauensmannes entsprechend § 13 Abs. 2 Satz 1 des [bis dato] geltenden Gesetzes“ regele.258 Im Gesetzgebungsverfahren wurde somit augenscheinlich angenommen, die Regelungen über die Wahlvoraussetzungen blieben von den Änderungen der Reform unberührt. Diesen Aspekt übersehen das Bundesarbeitsgericht und ein Teil der Literatur, wenn sie meinen, dass Anhaltspunkte für ein dahingehendes Redaktionsversehen nicht ersichtlich seien.259 Angesichts dieser Umstände erschiene es nicht fern liegend, von einer lediglich versehentlichen Streichung der Bezugnahme auf die „Arbeitsplätze i. S. d. § 5“ auszugehen.260 255
Reg.-Entw., BT-Drs. 7/656, S. 1 ff. und 20 ff. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 7/1515, S. 6 f., 11 und 12 ff. 257 Vgl. BT-Pl.Pr. 7/2870, 7/4895, 7/4897 f. und 7/4899. 258 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 7/656, S. 31. 259 Vgl. dazu BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5. 260 So wohl auch Ritzer, SchwbG, § 21 Anm. 3, der nach dem SchwbG 1974 als Voraussetzung der Wahl weiterhin verlangte, dass die Schwerbehinderten oder Gleichge256
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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(c) Auflösung des Redaktionsversehens In diesem Fall stellte sich die Frage, wie sich die Divergenz zwischen objektiver Regelung und dem Willen des Gesetzgebers methodisch korrigieren ließe. Denkbar wäre es, die durch den Wegfall objektiv erweiterte Regelung wiederum teleologisch zu reduzieren und deshalb auch weiterhin zu verlangen, dass die Beschäftigung auf „Arbeitsplätzen i. S. d. § 5“ 261 erfolgen müsse.262 Denkbar wäre es allerdings auch, das Redaktionsversehen im Wege entsprechender Auslegung der verbliebenen Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen. Hierfür böte sich der Begriff der Beschäftigung an. Dieser müsste sodann im Lichte der versehentlich gestrichenen Regelung verstanden werden und deren Tatbestandsmerkmal indirekt Beachtung finden. In beiden Fällen würden somit im Rahmen der Wahlvoraussetzung nur solche Personen mitgezählt werden können, bei denen eine Arbeitnehmer- bzw. Beamteneigenschaft zu bejahen ist. (3) Mögliche Motivationen bei unterstellter Änderungsabsicht Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll dem Gesetzgeber jedoch so viel Sorgsamkeit unterstellt werden, dass eine derart offensichtliche Änderung in Form der Streichung eines zentralen Normbestandteils nicht unabsichtlich erfolgte. Vielmehr ist zu vermuten, dass dem Gesetzgeber die Streichung im Vergleich zu den sonstigen Änderungen so unbedeutend erschien, dass er eine separate diesbezügliche Begründung für unnötig hielt. Von diesem Paradigma ausgehend, ist jedoch zu klären, aus welchem Grund diese Voraussetzung gestrichen wurde. Insoweit erscheinen zwei Motivationen denkbar. (a) Erweiterung des zu zählenden Personenkreises Einerseits könnte der Gesetzgeber die Passage gestrichen haben, weil er die seiner Ansicht nach hiermit verbundenen zusätzlichen Anforderungen an den zu
stellten „auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 6 beschäftigt sind“. Ebenso wohl auch Malcher, SchwbG, S. 82 und Weber, SchwbG, § 24 Anm. 3, die im Hinblick auf das SchwbG 1986 ebenfalls noch verlangen, dass die Schwerbehinderten „auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 7 beschäftigt“ werden. Vgl. auch Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 4, die auch heute noch davon ausgehen, dass § 73 SGB IX den Arbeitsplatz für den Schwellenwert des § 94 SGB IX definiere, womit sie indirekt die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen Bezugnahme in dieser Norm verneinen. Vgl. auch Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 8, die einen solchen Bezug aus der gesetzlichen Zielsetzung herleiten wollen. A. A. wohl aber Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5. 261 In der Neufassung des SchwbG 1974 dann § 6. 262 So Ritzer, SchwbG, § 21 Anm. 3. Wohl auch Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 4. A. A. BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986. A. A. wohl auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
zählenden Personenkreis beseitigen wollte.263 Für die Frage, ob ein Schwerbehinderter hinsichtlich des Schwellenwerts des § 21 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1974 berücksichtigt werden musste, würde es in diesem Fall nur noch darauf angekommen, ob der jeweilige Schwerbehinderte im Betrieb beschäftigt war. (b) Streichung unnötiger Dopplungen Andererseits wäre aber auch denkbar, dass der Gesetzgeber die Passage deshalb gestrichen hat, weil er der Ansicht war, dass sich die Koppelung an den Arbeitnehmer- bzw. Beamtenbegriff bereits aus der Anforderung der Beschäftigung ergab und ihm die aus seiner Sicht somit nur klarstellende Bezugnahme auf „Arbeitsplätze im Sinne des § 5“ überflüssig erschien.264 In diesem Fall wären mit der Streichung keine materiellen Auswirkungen auf die Wahlvoraussetzungen beabsichtigt gewesen. (c) Bewertung Gerade der Gesichtspunkt mutmaßlich fehlender materieller Auswirkungen der Streichung könnte erklären, warum es der Gesetzgeber offenbar für nicht erforderlich erachtet hat, die Änderung in den Materialien zu erwähnen oder zu begründen. Demgegenüber wäre für den Fall einer bewussten Erweiterung des zu berücksichtigenden Personenkreises derart bedeutsam, dass in verstärktem Maße davon auszugehen wäre, dass der Gesetzgeber sich diesbezüglich erklärt hätte. Das Fehlen entsprechender Ausführungen spricht somit tendenziell dafür, dass sich der Gesetzgeber bei der Streichung auf eine rein sprachliche Vereinfachung beschränken und keine materiellen Änderungen bewirken wollte. Entscheidend hierfür spricht aber auch die bereits erwähnte, in der Regierungsbegründung zu findende Feststellung zu den Wahlvoraussetzungen.265 Wenn der Gesetzgeber dort nämlich davon ausgeht, die Neufassung der die Wahlvoraussetzung betreffenden Norm entspreche der bisherigen Regelung, stünde dies nämlich dann nicht im Widerspruch zur Streichung des Arbeitsplatzbezugs, wenn 263 So BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986. Ebenso wohl auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5; Neumann, SchwbG, 4. Aufl., § 21 Rn. 6. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10. Vgl. auch BAG vom 16.04.2003, 7 ABR 27/02, AP Nr. 1 zu § 95 SGB IX. 264 Diese zumindest theoretisch bestehende Möglichkeit verkennen allerdings Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5 und Neumann, SchwbG, 4. Aufl., § 21 Rn. 6, die wohl ausschließlich davon ausgehen, dass zusätzliche Hürden abgebaut wurden. Auch das BAG übersieht diese Möglichkeit: BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986. Vgl. auch Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 4, die davon ausgehen, § 73 SGB IX definiere auch heute noch den Arbeitsplatz für den Schwellenwert des § 94 SGB IX, womit sie indirekt die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen Bezugnahme in dieser Norm verneinen. 265 Vgl. dazu Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 7/656, S. 31.
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damit gerade keine materiellen Änderungen einhergehen sollten. Eine solche lediglich auf sprachliche Vereinfachungen abzielende Anpassung der Regelung würde somit die sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden scheinbaren Widersprüche erklären. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass starke Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Gesetzgeber im Fall einer bewussten Streichung des Bezugs auf „Arbeitsplätze i. S. d. § 5“ nur eine sprachliche Vereinfachung, jedoch keine materielle Ausweitung des erfassten Personenkreises erreichen wollte. Es ist daher davon auszugehen, dass im Rahmen der Reform von 1974 hinsichtlich der Wahlvoraussetzungen lediglich der status quo gewahrt werden sollte. ee) Spätere Reformen Durch die Novellierung des SchwbG im Jahre 1986266 wurde neben der Einführung des geschlechtsneutralen Begriffs der Schwerbehindertenvertretung auch die Paragraphenfolge erneut geändert, so dass sich die Regelung über die Wahl der Vertrauensperson nunmehr in § 24 SchwbG 1986 fand. Eine inhaltliche Änderung der Wahlvoraussetzungen ist jedoch unterblieben.267 Durch die Reform im Jahre 2000268 sind zwar wiederum die Rechte der Schwerbehindertenvertretung ausgebaut worden,269 jedoch hat der Gesetzgeber keine Änderungen an den Wahlvoraussetzungen vorgenommen. Die heutige Form erhielt die Vorschrift über die Voraussetzungen der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung durch die Novellierung im Jahre 2001.270 Hierbei wurde das bisherige Schwerbehindertengesetz in das neu geschaffene SGB IX integriert, so dass die Wahlvoraussetzungen seither in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu finden sind. Zugleich wurde der Wortlaut der Norm dem neuen Sprachgebrauch im SGB IX angepasst und der Begriff des „Schwerbehinderten“ durch den des „schwerbehinderten Menschen“ ersetzt. Inhaltliche Änderung der Wahlvoraussetzungen waren mit der Novellierung jedoch nicht verbunden.271 266 Erstes Gesetz zu Änderung des Schwerbehindertengesetzes vom 24.07.1986, BGBl. I, S. 1110. Am 26.08.1986 wurde das SchwbG unter Einschluss der Änderungen neu gefasst und im Bundesgesetzblatt neu bekannt gegeben, BGBl. I, S. 1421. Überblick über die Änderungen bei Cramer, NZA 1986, 555, 555 ff. 267 Auf die neu eingeführten Sonderregelungen über die Wahlen bei Staatsanwaltschaften soll im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. 268 Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29.09.2000, BGBl. I, S. 1394. Überblick über die Änderungen bei: Cramer, DB 2000, 2217, 2217 ff.; v. Seggern, AiB 2000, 717, 717 ff.; Stork, BehR 2001, 40, 40 ff. 269 Dazu: Cramer, DB 2000, 2217, 2219 f.; Düwell, BB 2000, 2570, 2570 ff. 270 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.06.2001, BGBl. I. S. 1046. Vgl. zu dieser Reform: Braasch, BehR 2001, 177, 177 ff.; Düwell, BB 2001, 1527, 1527 ff. 271 Vgl. nur Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 14/5074, S. 113.
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d) Teleologische Auslegung Schließlich soll die Verwendung des Begriffs des Beschäftigten in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch einer teleologischen Auslegung unterzogen werden. Hierbei soll zunächst die Zielrichtung des Schwellenwerts untersucht und anschließend geklärt werden, inwieweit sich aus Sinn und Zweck der Regelung Rückschlüsse auf das Verständnis des Begriffs des Beschäftigten ziehen lassen. aa) Sinn und Zweck arbeitsrechtlicher Schwellenwerte In Normen enthaltene Schwellenwerte dienen im Allgemeinen der Begrenzung der Anwendung der jeweiligen Vorschrift. Regelmäßig soll mit der Etablierung eines derartigen Quorums ein gewisser Grad an Verhältnismäßigkeit sichergestellt werden. Nur wenn sich der mit der Durchführung der Regelung verbundene Aufwand auch in einem Nutzen für eine Mehrzahl betroffener Personen niederschlägt, erachtet der Gesetzgeber die Auferlegung bestimmter Belastungen für angemessen und zumutbar. Daher wird eine Reihe mit erheblichen Belastungen für den Arbeitgeber verbundenen Regelungen davon abhängig gemacht, dass im jeweiligen Anwendungsbereich eine bestimmte Mindestpersonenzahl von der Regelung profitiert. Klein- oder Kleinstbetriebe sollen hingegen von diesen Regelungen und den mit diesen verbundenen Belastungen verschont bleiben.272 bb) Schwellenwerte bei der Wahl kollektiver Interessenvertretungen Diese Verhältnismäßigkeitserwägung273 zeigt sich im Besonderen auch bei den für die Wahl kollektiver, betrieblicher Interessenvertretungen zu findenden Schwellenwerten.274 Die Existenz betrieblicher Interessenvertretungen, insbesondere die eines Betriebsrats ist für den Arbeitgeber i. d. R. mit einer Reihe erheblicher Konsequenzen verbunden. Neben den vom Arbeitgebern zu beachtenden Beteiligung- und Mitwirkungsrechten der Interessenvertretung, muss er die Amtsinhaber regelmäßig für deren Arbeiten als Interessenvertretung von ihrer sonstigen Tätigkeit freistellen.275 Darüber hinaus entstehen dem Arbeitgeber Kosten für Räumlichkeiten, Ausstattung, Verbrauchmaterial und Schulung der Amtsträ272 In dieser Richtung Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 195 f.; Preis, RdA 2000, 257, 270. 273 Vgl. Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 125, die insoweit von einem „Gebot der Systemgerechtigkeit“ spricht. 274 Vgl. die Wahlvoraussetzungen den Betriebsrat: § 1 Abs. 1 BetrVG. Für die Jugend- und Auszubildendenvertretung: § 60 Abs. 1 BetrVG. Für den Wirtschaftsausschuss: § 106 Abs. 1 BetrVG; PersR: § 12 Abs. 1 BPersVG. 275 § 37 Abs. 2 BetrVG; § 65 Abs. 1 i.V. m. § 37 Abs. 2 BetrVG; § 96 Abs. 4 SGB IX.
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ger. Zudem sind auch die mit der Interessenvertretungswahl an sich entstehenden Kosten bisweilen beachtlich. Diese gesamten, nicht unerheblichen, auch finanziellen Belastungen sollen dem Arbeitgeber erst dann auferlegt werden, wenn die jeweils betroffene Organisationseinheit eine bestimmte Mindestgröße erreicht und somit eine entsprechende Personenzahl überhaupt von der Interessenvertretung profitieren kann.276 Darüber hinaus ist eine kollektive Vertretung gegenüber dem Arbeitgeber nur dort erforderlich, wo trotz der bestehenden tariflichen und gesetzlichen Regelungen noch ein Übergewicht des Arbeitgebers verbleibt, welches durch organisierte Interessenvertretung kompensiert werden muss. Für ein solches Übergewicht hat der Gesetzgeber durch die Etablierung der entsprechenden Schwellenwerte unwiderlegbare Vermutungen aufgestellt277 und über die Eröffnung der Wahlmöglichkeit zugleich die zugehörige Lösungsmöglichkeit geschaffen. Von diesem Regelungszweck ausgehend zeigt sich, dass der für den Schwellenwert maßgebliche Personenkreis in unmittelbarem Zusammenhang mit den von der Interessenvertretung repräsentieren Personen steht.278 Bereits für die Berücksichtigung beim Schwellenwert ist daher maßgeblich, wessen Interessen durch die zu wählende betriebliche Vertretung wahrgenommen werden sollen.279 Hierbei kommt es auf den der jeweiligen Interessenvertretung gesetzlich zugewiesen Aufgabenbereich an. Ist einer betrieblichen Interessenvertretung durch gesetzliche Aufgabenzuweisung aufgegeben, gerade auch die Interessen einer spezifischen Personengruppe wahrzunehmen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Gruppe generell von der Interessenvertretung repräsentiert und daher auch beim Schwellenwert berücksichtigt werden soll. cc) Übertragbarkeit dieser Grundsätze Dass das für Schwellenwerte bei der Wahl betrieblicher Interessenvertretung geltende „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ auch für § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gilt, zeigt sich bereits daran, dass der Gesetzgeber die Aufgaben der SBV subsidiär dem BR auferlegt, wenn im Betrieb nicht die nötige Mindestzahl erreicht
276 Vgl. Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 107 f. und 124 f.; Preis, RdA 2000, 257, 270; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 102. 277 Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 108. 278 Dieser enge Zusammenhang zeigt sich auch in der weitgehenden Identität der verwendeten Terminologien für Schwellenwert und Aufgabenzuweisung. Vgl. §§ 1, 80 BetrVG: „Arbeitnehmer“; §§ 60, 70 BetrVG: „jugendliche Arbeitnehmer und die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“; §§ 94 Abs. 1, 95 SGB IX: „schwerbehinderte Menschen im Betrieb“. 279 Vgl. zum Konnex von Interessenvertretung und Wahl: v. Hoyningen-Huene, in: MüArbR, 2. Aufl., § 299 Rn. 14.
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wird.280 Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber es immer dann für entbehrlich hält, eine eigenständige Vertretung der schwerbehinderten Menschen zu etablieren, wenn hiervon weniger als fünf im Betrieb beschäftigt sind.281 Diese Intention kommt auch in der Möglichkeit der Zusammenfassung mehrerer Betriebe zum Ausdruck.282 Auch im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretung zeigt sich somit ein enger Zusammenhang zwischen dem der Interessenvertretung hinsichtlich ihrer Aufgaben anvertrauten und dem beim Schwellenwert zu berücksichtigenden Personenkreis. Folglich erscheint es denkbar auch im Hinblick auf die Frage, welche Personen bei der Mindestzahl nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX mitzuzählen sind, auf die der Schwerbehindertenvertretung zugewiesen Aufgabengebiete abzustellen.283 dd) Rückschlüsse aus den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung Die Schwerbehindertenvertretung ist gemäß § 95 Abs. 1 SGB IX dafür zuständig, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb zu fördern, die Einhaltung der zugunsten der schwerbehinderten Menschen geltenden Vorschriften zu überwachen und den schwerbehinderten Menschen beratend und helfend zur Seite zu stehen. Geht man vom Wortlaut der Aufgabenzuweisungen in § 95 SGB IX aus, ist die Schwerbehindertenvertretung lediglich im Hinblick auf die Antragsunterstützung nach § 95 Abs. 1 Satz 3 in ihrer Zuständigkeit auf „Beschäftigte“ beschränkt. In Bezug auf alle anderen Aufgaben ist dagegen nur von „schwerbehinderten Menschen“ die Rede.284
280 Vgl. Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 93 Rn. 3; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 93 Rn. 4; Thieler, SchwbG, § 23 Rn. 4. Vgl. auch Ritzer, SchwbG, § 24 Anm. 2. 281 Vgl. Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 4. Vgl. auch Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 108 und 143. 282 Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143. Siehe zur Zusammenfassung mehrerer Betriebe ausführlich oben § 3 III. 283 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 33; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 39; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 6. Vgl. für die Heranziehung der Aufgabenzuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung bei der Beurteilung der Wahlberechtigung: BAG vom 16.04.2003, 7 ABR 27/02, AP Nr. 1 zu § 95 SGB IX; BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986; LAG Frankfurt a. M. vom 10.12.1992, 12 TaBVGa 199/92, BB 1993, 1284 (LS); Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 36; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/ Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 46. Zum Zusammenhang zwischen passivem Wahlrecht und Berücksichtigung bei der Mindestzahl: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 5. 284 Vgl. BAG vom 16.04.2003, 7 ABR 27/02, AP Nr. 1 zu § 95 SGB IX; BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986.
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(1) Keine Generalzuständigkeit für schwerbehinderte Menschen Das geht allerdings nicht so weit, dass die Schwerbehindertenvertretung auch für die Vertretung der Interessen von Kunden und Lieferanten des jeweiligen Betriebs zuständig wäre.285 Dies würde nämlich nicht nur dem Legitimations- und Repräsentationsgedanken der Wahl eklatant widersprechen, weil diese Personen selbst bei großzügigem Sprachverständnis nicht als „Beschäftigte“ zu qualifizieren wären und daher nie wahlberechtigt sein könnten. Vielmehr wäre eine solch extensive Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung mit ihrem Wesen als Interessenvertretung der Belegschaft286 und ihrer strukturellen Ausrichtung287 nicht vereinbar. (2) Keine Beschränkung der Zuständigkeit auf Beschäftigte Gleichwohl geht die Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung insoweit über den Kreis der im Betrieb tätigen schwerbehinderten Menschen hinaus, als sie im Zusammenhang mit Neueinstellungen auch die Interessen (noch) nicht im Betrieb tätiger, schwerbehinderter Bewerber zu vertreten und deren Eingliederung in den Betrieb zu fördern hat.288 Diese mitunter in die Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung fallenden (noch betriebsexternen) Bewerber sind im Vorfeld eines Vertragsschluss bzw. einer Tätigkeitsaufnahme keinesfalls als Beschäftigte zu qualifizieren, so dass deren Berücksichtigung im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX generell ausscheidet. Diese partiell durchaus gegebene überbetriebliche Zuständigkeit zeigt, dass sich aus der Aufgabenzuweisung keine zwingenden, positiven289 Rückschlüsse auf die beim Schwellenwert zu berücksichtigenden Personen schließen lassen.290 Die in Literatur und Rechtspre285 So aber Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 95 Rn. 4, Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 95 Rn. 31 und Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 95 Rn. 5, die beispielhaft auf behindertengerechte Kundenparkplätze und barrierefreie Verkaufsgelände verweisen. 286 Vgl. Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 95 Rn. 11. 287 Insbesondere sind die Möglichkeiten der Heranziehung von stellvertretenden Mitgliedern ausschließlich an eine bestimmte Zahl von Beschäftigten, nicht aber an eine Zahl sonstiger zu Vertretender gebunden (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). 288 Cramer, SchwbG, § 25 Rn. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 95 Rn. 29; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 95 Rn. 11; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 95 Rn. 4; Seel, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 95 Rn. 19; Thieler, SchwbG, § 25 Rn. 3; Zellner, BehR 1997, 29, 29 f. Vgl. auch BAG vom 14.11.1989, 1 ABR 88/88, AP Nr. 77 zu § 99 BetrVG 1972. 289 Personen, die eindeutig nicht in die Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung fallen, dürften hingegen generell auch von einer Berücksichtigung im Rahmen des § 94 Abs. 1 S. 1 SGB IX ausgeschlossen sein. 290 Die fehlende Eignung der Zuständigkeitsregelung für Rückschlüsse auf den Schwellenwert wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB IX auch die Aufgabe hat, Beschäftigte des Betriebs zu unterstützen, die (noch nicht) gleichgestellt sind (vgl. Braasch, BehR 2001,
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chung vielfach getroffene Feststellung, die Schwerbehindertenvertretung sei für sämtliche schwerbehinderten Menschen im Betrieb gleichermaßen zuständig,291 ist somit für allgemeine Schlussfolgerungen im Hinblick auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wenig erhellend. (3) Zusammenarbeit mit anderen betrieblichen Interessenvertretungen Aussichtsreicher erscheint es stattdessen, das Augenmerk auf die rechtliche Konstruktion der Umsetzung zugewiesener Aufgaben zu lenken. Dahingehend ist zunächst zwar festzustellen, dass die Schwerbehindertenvertretung mit eigenständigen Anhörungs- und Erörterungsrechten ausgestattet ist. Gleichwohl fehlen ihr echte Mitbestimmungsrechte, mit deren Hilfe sie Interessen und kollektive Rechte der schwerbehinderten Menschen auch konfrontativ durchsetzen könnte. Durch diese Beschränkung der Beteiligungsrechte sind die Schwerbehindertenvertretungen zur effektiven und nachhaltigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben über § 99 Abs. 1 SGB IX hinaus darauf angewiesen, mit den allgemeinen betrieblichen Interessenvertretungen eng zu kooperieren.292 Eine solche Zusammenarbeit kann aber nur dann gewinnbringend sein, wenn die allgemeine Interessenvertretung ihrerseits ebenfalls zuständig ist, weil sie schließlich nur in diesem Fall über echte Mitbestimmungsrechte verfügen kann. Die enge Einbindung der Schwerbehindertenvertretung in die betriebliche Interessenvertretungsstruktur legt es damit zumindest im Grundsatz nahe, dass ihre Zuständigkeit mit der Summe der einzelnen Zuständigkeiten der allgemeinen Interessenvertretungen deckungsgleich ist. Dies spricht dafür, dass jedenfalls Personen, die von keinen allgemeinen betrieblichen Interessenvertretungen vertreten werden, auch nicht in den Zuständigkeitsbereich der Schwerbehindertenvertretung fallen. Eine solche negative Abgrenzung hinsichtlich der Zuständigkeit dürfte dann auch zur Folge haben, dass die betreffenden Personen nicht als Beschäftigte i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu berücksichtigen wären. Schließlich können aus der Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung herausfallende Personen gerade keine Vermutung dafür begründen, dass das Bedürfnis einer eigenständigen spezifischen Interessenvertretung besteht.
177, 182) und sie damit für weitere, eindeutig nicht von § 94 Abs. 1 S. 1 SGB IX erfasste Personen zuständig ist. 291 Vgl. BAG vom 16.04.2003, 7 ABR 27/02, AP Nr. 1 zu § 95 SGB IX; BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 120; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 30. 292 Vgl. Düwell, AuR 1993, 345, 350; Splanemann, AiB 2005, 295, 295. Vgl. auch Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 7/656, S. 34; BAG vom 03.12.2002, 9 AZR 481/01, AP Nr. 2 zu § 81 SGB IX; Eichenhofer, ZTR 1994, 103, 105; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 95 Rn. 9 und § 99 Rn. 1; Schmitz, in: Feldes/Kohte/ Stevens-Bartol, SGB IX, § 93 Rn. 3; Schwarzbach, AiB 2002, 621, 621; Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat, S. 100.
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e) Versuch einer eigenen Definition des Beschäftigtenbegriffs Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich allein unter Heranziehung der allgemeinen Auslegungsmethoden keine klaren Erkenntnisse zum Begriff der Beschäftigung gewinnen lassen, die diesen praktisch handhabbar machen würden. Aus diesem Grund soll im Folgenden nunmehr der Versuch einer eigenen Begriffsbestimmung unternommen werden, um dadurch ein über bloße Kasuistik hinausgehendes, abstrakt geltendes Begriffsverständnis zu schaffen. aa) Vorgehen Als Ausgangpunkt soll dabei zunächst der allgemeine Arbeitnehmerbegriff dienen. Anhand dessen sind sodann die im Rahmen der vorstehenden Auslegung herausgearbeiteten Besonderheiten des Beschäftigtenbegriffs des § 94 Abs. 1 SGB IX im Verhältnis zum Arbeitnehmerbegriff zusammenzustellen. Schließlich sollen die insoweit notwendigen Modifikationen mit dem allgemeinen Arbeitnehmerbegriff zusammengeführt und dadurch eine eigenständige Definition für den Beschäftigtenbegriff des § 94 SGB IX gebildet werden. bb) Arbeitnehmerbegriff Ein allgemeiner Arbeitnehmerbegriff ist im Gesetz nicht definiert.293 Auch hat sich bisher noch kein einheitlich fest formulierter Arbeitnehmerbegriff etablieren können.294 Gleichwohl beschränken sich die Unterschiede der in Literatur und Rechtsprechung verwendeten Begriffsbestimmungen primär auf terminologische Abweichungen und stimmen in der Sache überein.295 Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung wird der Arbeitnehmer mit leichten sprachlichen Divergenzen wie folgt definiert: Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags oder eines gleichgestellten Rechtsverhältnisses zur Erbringung persönlich abhängiger, fremdbestimmter Arbeit verpflichtet ist.296 293 Hausch/Fandel, in: jurisPK-BGB, § 611 Rn. 5; Mohr, Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, S. 3. 294 Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 12; Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 1. Vgl. auch Hilger, RdA 1989, 1, 6. Vgl. auch Mohr, Arbeitnehmerbegriff im Arbeitsund Steuerrecht, S. 4 f. 295 Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 12; Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 12, Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 11. Vgl. auch Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 2 und 4. 296 BAG, 15.03.1978, 5 AZR 819/76, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 10.04.1991, 4 AZR 467/90, AP Nr 54 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 06.07.1995, 5 AZB 9/93, AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979; BAG vom 16.02.2000, 5 AZB 71/99, AP Nr. 70 zu § 2 ArbGG 1979; Beuthien/Wehler, RdA 1978, 2, 3; Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 12; Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 16; Germelmann/Müller-Glöge, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/u. a., ArbGG, § 5 Rn. 4; Hueck/Nipperdey, ArbR,
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Anhand dieser allgemeinen Arbeitnehmerdefinition allein lassen sich jedoch vom Normaltypus abweichende Problemfälle kaum lösen.297 Gerade für Abgrenzungen in Randbereichen sind die in der Definition verwendeten Merkmale zu unscharf und bedürfen daher einer weiteren Präzisierung.298 Die Definition lässt sich dabei im Wesentlichen auf drei Kernkriterien zurückführen.299 (1) Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit Erforderlich ist zunächst das Bestehen einer Verpflichtung zur Arbeit. Dieses Kriterium zielt in erster Linie darauf ab, Arbeitnehmer gegenüber Werkunternehmern abzugrenzen.300 Letztere können nach allgemeiner Ansicht niemals Arbeitnehmer sein, sondern allenfalls zur Gruppe der arbeitnehmerähnlichen Personen gehören.301 Entscheidend ist daher, dass kein bestimmter Arbeitserfolg, sondern lediglich die Erbringung von Diensten geschuldet ist.302 (2) Privatrechtlicher Vertrag oder gleichgestelltes Rechtsverhältnis Fernerhin verlangt die Definition grundsätzlich das Zugrundliegen eines privatrechtlichen Vertrages. Durch dieses Kriterium soll sichergestellt werden, dass nur solche Personen als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, die sich freiwillig und auf bürgerlichrechtlicher Ebene zur Diensterbringung verpflichtet haben.303 Damit sollen Arbeitnehmer gegenüber Personen abgegrenzt werden, die ihre Dienste auf Grund öffentlich-rechtlicher, familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher oder vereinsrechtlicher Verpflichtung leisten.304 Bd. I, S. 34 f.; Otto, Arbeitsrecht, § 3 Rn. 69; Preis, Individualarbeitsrecht, § 8 I; Preis, in: ErfK, BGB, § 611 Rn. 35; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 13; Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 12; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 IV. Vgl. auch Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 91 f. und Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 2 und 4. 297 Vgl. Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 13; Germelmann/Müller-Glöge, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/u. a., ArbGG, § 5 Rn. 4; Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht, § 1 Rn. 1. Vgl. auch Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 2. 298 Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 13. Vgl. auch Mohr, Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, S. 5. 299 Vgl. Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 13. 300 Vgl. Preis, Individualarbeitsrecht, § 8 II. 3. b) aa); Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 16; Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 14. 301 Statt vieler: Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 16; Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 14; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 2. 302 Preis, Individualarbeitsrecht, § 8 II. 3. b) aa); Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 17; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 2. 303 Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 92 ff. Vgl. auch Vogelsang, in: Schaub, ArbRHdb, § 8 Rn. 11 und 13. 304 Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 23 ff.; Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 21; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. I, S. 37 ff.; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 14; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 1. Vgl. auch Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 14 ff.
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Klarstellend wurde die ursprünglich entwickelte Arbeitnehmerdefinition insoweit ergänzt, als alternativ zum privatrechtlichen Vertrag auch diesem gleichgestellte Rechtsverhältnisse genügen sollen. Hierdurch wurde der Kritik Rechnung getragen, dass in Fällen rechtsunwirksamer Verträge eine Arbeitnehmerstellung ausgeschlossen sei, obwohl eine gleichrangige Interessenlage besteht.305 Außerdem gewährleistet diese ergänzte Definition, dass auch dann eine Arbeitnehmereigenschaft angenommen werden kann, wenn die Arbeitsverhältnisse ausnahmsweise auch durch einseitiges Rechtsgeschäft306, per Gesetz307 oder durch Verwaltungsakt308 begründet werden.309 (3) Persönliche Abhängigkeit bzw. Fremdbestimmung Das Kriterium der persönlichen Abhängigkeit respektive der Fremdbestimmtheit oder der Unselbstständigkeit ist das wesentlichste310 Merkmal der Arbeitnehmerdefinition und dient der Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses vom freien Dienstverhältnis.311 Für sich betrachtet ist dieses Kriterium zur Beurteilung von Abgrenzungsfragen in Randbereichen kaum geeignet. Vielmehr bedarf es zur Handhabbarkeit dieses Merkmals einer näheren Konkretisierung.312 Die Fragen, in welcher Weise diese Konkretisierung zu erfolgen hat und welche Unterkriterien hierbei aufzustellen sind, gehören zu den umstrittensten Problemen des deut-
305 Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. I, S. 37 ff.; Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 11. Vgl. auch Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, 91 ff. 306 Zu denken ist hier vornehmlich an die Regelungen des § 78a Abs. 1 Satz 1 BetrVG und des § 102 Abs. 5 BetrVG (vgl. Boemke, Arbeitsrecht, § 3 Rn. 34 ff. Vgl. auch Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 1, die in Bezug auf § 78a BetrVG ein Kraft Gesetz zustande kommendes Arbeitsverhältnis annehmen). 307 Zu denken ist hier insbesondere an die Regelungen des § 613a Abs. 1 Satz 1 und des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG (vgl. Boemke, Arbeitsrecht, § 3 Rn. 14 ff.; Raab, in: GKBetrVG, § 5 Rn. 15; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 1). 308 Zu denken ist hierbei an die landesgesetzlichen Regelungen zugunsten der Inhaber von Bergmannsversorgungsscheinen (vgl. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 1). 309 Vgl. Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 21; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 15. Vgl. auch Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. I, S. 40. 310 Vgl. BAG vom 12.12.2001, 5 AZR 253/00, AP Nr. 111 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Bauschke, RdA 1994, 209, 210; Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 17; Raab, in: GKBetrVG, § 5 Rn. 18; Richardi, DB 1999, 958, 961; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 5 Rn. 11; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 5. Vgl. auch Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht. § 1 Rn. 1. 311 BAG vom 12.12.2001, 5 AZR 253/00, AP Nr. 111 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 35; Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 36; Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 23; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 5. 312 Vgl. Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 20 und Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 5.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
schen Arbeitsrechts.313 Im Wesentlichen lassen sich dabei vier Grundpositionen unterscheiden.314 (a) Weisungsgebundenheit Der überwiegende Teil der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung will die persönliche Abhängigkeit eines Dienstverpflichteten vorrangig aus dessen Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation erkennen.315 Diese Eingliederung komme ihrerseits dadurch zum Ausdruck, dass der Dienstverpflichtete einem weitgehenden Weisungsrecht des Dienstherrn unterliege.316 Die Rechtsprechung beurteilt die persönliche Abhängigkeit bzw. Unselbstständigkeit daher primär anhand der Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten.317 Es handele sich insoweit jedoch nur um ein relatives Kriterium, welches nur unter Berücksichtigung einer Vielzahl tatbestandlicher Einzelmerkmale durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall beurteilt werden könne.318 Im Rahmen dessen wird vielfach auf die Merkmale des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB abgestellt,319 so dass neben der fachlichen Weisungsgebundenheit auch die Weisungsabhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung Relevanz besitzt.
313 Vgl. Boemke, ZfA 1998, 285, 285 ff.; Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 35 und 37; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 19. Vgl. auch Maschmann, NZA-Beilage 24/2001, 21, 22. 314 Auflistung nach: Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 37 ff. 315 Vgl. BAG vom 15.02.1965, 5 AZR 358/63, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAG vom 08.06.1967, 5 AZR 461/66, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 12.12.2001, 5 AZR 253/00, AP Nr. 111 zu § 611 BGB Abhängigkeit. Vgl. auch Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 19. 316 Vgl. BAG vom 25.03.1992, 7 ABR 52/91, AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG 1972; BAG vom 19.11.1992, 5 AZR 21/97, AP Nr. 133 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAG vom 30.11.1994, 5 AZR 704/93, AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 11.03. 1998, 5 AZR 522/96, AP Nr. 23 zu § 611 BGB Rundfunk. Vgl. auch Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 38; Preis, in: ErfK, BGB, § 611 Rn. 51; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 19; Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 22. 317 BAG vom 15.12.1999, 5 AZR 770/98, AP Nr. 6 zu § 92 HGB; BAG vom 20.09.2000, 5 AZR 271/99, AP Nr. 8 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung. Vgl. auch Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 38; Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 41; Raab, in: GKBetrVG, § 5 Rn. 19 f.; Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 22 f. 318 Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 38; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 20. 319 BAG vom 21.09.1977, 5 AZR 373/76, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 15.03.1978, 5 AZR 819/76, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 09.09.1981, 5 AZR 477/79, AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 13.01.1983, 5 AZR 149/82, AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 30.10. 1991, 7 ABR 19/91, AP Nr. 59 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 20.07.1994, 5 AZR 627/93, AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit; LAG Nürnberg vom 26.01.1999, 7 Sa 658/98, BB 1999, 793, 796; Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 37; Löwisch, Arbeitsrecht, § 1 Rn. 4; Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 29; Schliemann, RdA 1997, 322, 326. Vgl. auch Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 43; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 21.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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(b) Verteilung von Unternehmerrisiken und Unternehmerchancen Die sozialgerichtliche Rechtsprechung320 sowie ein Teil des arbeitsrechtlichen Schrifttums321 und einzelner Instanzgerichte322 stellen dagegen entscheidend auf die Verteilung von Unternehmerrisiken und Unternehmerchancen ab, um anhand dessen die Unselbstständigkeit der Diensterbringung zu beurteilen. Selbstständigkeit sei insoweit dadurch gekennzeichnet, dass der Handelnde freiwillig das Unternehmensrisiko übernehme, dem entsprechende Unternehmerchancen gegenüberstünden. Im Unterschied dazu stelle der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft den Zwecken des Unternehmens zur Verfügung und verzichte damit auf Unternehmerchancen.323 Für die Zuordnung soll daher maßgeblich sein, inwieweit der Dienstverpflichtete über eine eigene Unternehmensorganisation verfüge, er eigenständig am Markt auftrete und eine angemessene Verteilung von Chancen und Risiken gegeben ist.324 In Zweifelsfällen müsse zusätzlich berücksichtigt werden, ob der Handelnde das Unternehmerrisiko freiwillig übernommen habe.325 (c) Soziale Schutzbedürftigkeit In Teilen der arbeitsrechtlichen Literatur wird die Arbeitnehmereigenschaft bisweilen auch nach der sozialen Schutzbedürftigkeit der Dienstverpflichteten beurteilt.326 Nach dieser Ansicht ist entscheidend darauf abzustellen, ob der Dienstverpflichtete wirtschaftlich frei disponieren könne oder ob er dergestalt fest in den Wirtschaftsorganismus eingebunden sei, dass ihm die Verantwortung und Vorsorge für Gefahren und Risiken abgenommen werden müsste.327 320 Vgl. BSG vom 01.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, AP Nr. 27 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BSG vom 13.07.1978, 12 RK 14/78, AP Nr. 29 zu § 611 BGB Abhängigkeit; LSG Berlin vom 27.10.1993, L 9 Kr 35/92, NZA 1995, 139, 140 f. 321 Berning, Die Abhängigkeit des Franchise-Nehmers, S. 89 ff.; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 122 ff.; Lieb, RdA 1977, 210, 215 f.; Mohr, Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, S. 95 ff. und 114 ff.; Wank, NZA 1999, 225, 226; Wank, Arbeitnehmer und Selbstständige, S. 125 ff. und 134 ff.; Weber, Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, S. 214 ff. und 257 ff. 322 LAG Köln vom 30.06.1995, 4 Sa 63/95, AP Nr. 80 zu § 611 BGB Abhängigkeit; LAG Niedersachsen vom 07.09.1990, 3 (2) Sa 1791/89, LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 24; LAG Hamm vom 16.10.1989, 19 (13) Sa 1510/88, AuR 1990, 262, 262; ArbG Nürnberg vom 31.07.1996, 2 Ca 4546/95, NZA 1997, 37, 38 f. 323 So zusammenfassend Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 39. Vgl. Lieb, RdA 1977, 210, 215 f. Vgl. auch Mohr, Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, S. 114. 324 Wank, Arbeitnehmer und Selbstständige, S. 134 ff., 159 ff. und 165 ff. Vgl. auch Mohr, Arbeitnehmerbegriff im Arbeits- und Steuerrecht, S. 95 f. und 114 ff. 325 Wank, Arbeitnehmer und Selbstständige, S. 104 ff., 129 ff., 389 ff. Vgl. auch Wank, NZA 1999, 225, 227 und Fn. 35. 326 Beuthien/Wehler, RdA 1978, 1, 5; Rosenfelder, Der arbeitsrechtliche Status des freien Mitarbeiters, S. 182 ff.; Wiedemann, Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 14 ff. 327 Vgl. Wiedemann, Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 15 und 19. Vgl. auch Beuthien/Wehler, RdA 1978, 1, 5.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
(d) Zeitmoment der Dienstleistungserbringung Schließlich wird im Schrifttum328 vereinzelt auch vertreten, es müsse entscheidend auf das Zeitmoment bei der Erbringung der Dienstleistung abgestellt werden.329 Maßgeblich ist nach dieser Auffassung, ob der Dienstverpflichtete ein Leistungsversprechen abgegeben hat, nach dem er einem Anderen zeitlich zur Erbringung von nur der Art nach bestimmten Dienstleistungen zur Verfügung steht.330 cc) Erforderliche Modifikationen Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, in welcher Hinsicht die soeben dargestellte Begriffsbestimmung modifiziert werden muss, um als Definition des Begriffs des Beschäftigten i. S. d. § 94 Abs. 1 SGB IX fungieren zu können. Zu diesem Zweck sind die herausgearbeiteten Auslegungsergebnisse auf die einzelnen Kriterien der Arbeitnehmerdefinition zu beziehen. Hierdurch sollen Rückschlüsse auf etwaigen Modifikationsbedarf ermöglicht werden. (1) Verpflichtung zu Arbeit Zuerst soll das Augenmerk auf das Kriterium der Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit gelegt werden. Hierbei ist in Bezug auf die Zielrichtung dieses Abgrenzungskriteriums zu klären, inwieweit dieses auch im Rahmen des Begriffs der Beschäftigung erforderlich ist. Anschließend soll untersucht werden, ob hinsichtlich des vorliegenden Kriteriums eine leichte, terminologische Modifikation geboten erscheint. (a) Erforderlichkeit der Abgrenzung zu Werkunternehmern Wie dargelegt, zielt das Kriterium der Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit in erster Linie darauf ab, Arbeitnehmer von Werkunternehmern abzugrenzen.331 In Bezug auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt sich somit die Frage, ob Personen als Beschäftigte ausgeschlossen sind, wenn sie ihre Tätigkeit im Rahmen eines Werkvertrags erbringen, also einen konkreten Arbeitserfolg schulden.
328
Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 53. Vgl. auch Söllner, in: FS Zöllner, S. 949,
962 f. 329 330
Boemke, Arbeitsrecht, § 2 Rn. 41. Richardi, in: MüArbR, § 16 Rn. 53. Vgl. auch Söllner, in: FS Zöllner, S. 949,
962 f. 331
Siehe dazu oben § 3 IV. 3. e) bb) (1).
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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(aa) Wortlaut Geht man vom Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus, erscheinen Werkunternehmer als nicht erfasst. Kennzeichnend für den Begriff der Beschäftigung ist nämlich gerade die Durchführung einer Tätigkeit an sich und nicht die Erreichung einer mit ihr verfolgten Zielsetzung. Dem Terminus „beschäftigt“ haftet somit gerade keine Erfolgsbezogenheit an. Vielmehr ist er aktivitätsgeprägt.332 Das allgemeine Sprachverständnis legt es somit tendenziell nahe, dass die jeweils einen bestimmten Erfolg schuldenden Werkunternehmer nicht von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erfasst werden sollten. (bb) Systematik In systematischer Hinsicht lässt sich die Frage nach der Einbeziehung von Werkunternehmern weniger eindeutig klären. Für deren Erfassung könnte sprechen, dass eine Reihe arbeitsrechtlicher Gesetze Beschäftigungsbegriffe definieren, die unter anderem auch arbeitnehmerähnliche Personen einbeziehen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 AGG; § 3 Nr. 12 lit. f) GenDG; § 3 Abs. 11 Nr. 6 BDSG). Zu diesen arbeitnehmerähnlichen Personen können auch solche gehören, die auf Grund Werkvertrags tätig sind.333 Diese Normen zeigen somit, dass sich werkvertragliche Tätigkeiten und Beschäftigtenbegriff nicht zwangsläufig ausschließen. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass es sich bei den genannten Regelungen um spezielle Schutzgesetze handelt, deren personeller Anwendungsbereich nur deshalb auf die arbeitnehmerähnlichen Personen erstreckt wird, weil der Gesetzgeber in diesen Bereichen eine besondere Schutzbedürftigkeit auch wirtschaftlich abhängiger Personen annimmt.334 Deutlich wird diese Ausrichtung an der Schutzbedürftigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG. Danach werden nämlich nur diejenigen arbeitnehmerähnlichen Personen in den Beschäftigtenbegriff einbezogen, die keine Heimarbeiter oder diesen gleichgestellt sind. Die Herausnahme jener Personengruppen beruht darauf, dass der Gesetzgeber offenbar davon ausging, dass für diese mangels Organisationsbezug kein derartiger Schutz notwendig sei.335
332
Siehe dazu oben § 3 IV. 3. a) bb). Vgl. Kittner/Piper, ArbSchG, § 2 Rn. 17; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 6 Rn. 2; Seifert, in: Simitis, BDSG, § 3 Rn. 289. Vgl. auch Franzen, in: ErfK, TVG, § 12a Rn. 6; Löwisch/Rieble, TVG, § 12a Rn. 20. 334 Vgl. Kollmer/Vogl, Das neue Arbeitsschutzgesetz, Rn. 50 f. und 54; Schlachter, in: ErfK, AGG, § 6 Rn. 2; Seifert, in: Simitis, BDSG, § 3 Rn. 279; Thüsing, in: MüKoBGB, AGG, § 6 Rn. 8. 335 Vgl. Kittner/Piper, ArbSchG, § 2 Rn. 12, die generell nur solche Personen als „Beschäftigte“ i. S. d. § 2 ArbSchG ansehen die „durch Arbeitsschutzmaßnahmen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden sollen“. Vgl. zum Organisationsbezug Kohte, in: Kollmer/Klindt, ArbSchG, § 2 Rn. 84 und 86. 333
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Gesetzgeber nicht in sämtliche Definitionen des Beschäftigtenbegriffs arbeitnehmerähnliche Personen integriert hat. So werden diese Personengruppen etwa in § 4 Abs. 1 BPersVG nicht erfasst. Ebenso wenig gehören sie nach der Definition des § 7 Abs. 1 SGB IV zu den dortigen Beschäftigten. Vielmehr erfolgt über § 12 Abs. 2 SGB IV lediglich eine Gleichstellung der Heimarbeiter per Fiktion,336 wohingegen sonstige arbeitnehmerähnliche Personen ausgenommen bleiben.337 In systematischer Hinsicht lässt sich damit auch nicht feststellen, dass der Gesetzgeber durch den Begriff der Beschäftigung stets auch arbeitnehmerähnliche Personen erfassen und damit auch auf Werkvertragsbasis Tätige einziehen will. Vielmehr ist die Reichweite der verschiedenen Beschäftigtenbegriffe von der jeweiligen Schutzrichtung des betreffenden Gesetzes abhängig. In systematischer Hinsicht lassen sich daher keine eindeutigen Rückschlüsse ziehen. (cc) Normhistorie In normhistorischer Hinsicht ist zunächst festzuhalten, dass eine umfassende Einbeziehung von Werkunternehmern in der Vergangenheit nie vorgesehen war. Eine partielle Einbeziehung war lediglich im Hinblick auf die in Heimarbeit Beschäftigten vorgesehen.338 Dahingehend ist jedoch zu beachten, dass diese Personengruppe wiederum nur mittelbar im Wege einer Fiktion zum Kreis der zu berücksichtigenden Personen zu zählen war. Die geschichtliche Entwicklung der maßgeblichen Normen spricht dementsprechend dafür, dass auf werkvertraglicher Basis Tätige nicht oder allenfalls partiell hinsichtlich der in Heimarbeit Beschäftigten erfasst werden sollten. (dd) Sinn und Zweck Auch in teleologisch-systematischer Hinsicht ist eine Einbeziehung von Werkunternehmern nicht geboten, wenn man wegen des eng verflochtenen betriebsverfassungsrechtlichen Kooperationssystems auf die Zuständigkeit der allgemeinen Interessenvertretungen abstellt.339 Dann ist nämlich festzustellen, dass die allgemeinen Vertretungen im Grundsatz nicht für Personen zuständig sind, die auf werkvertraglicher Basis tätig werden.340 Eine Ausnahme bilden insoweit wie336 Berchthold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IV, § 12 Rn. 3; Marschner, in: Kreikebohm, SGB IV, § 12 Rn. 2; Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 12 Rn. 1. 337 Den Heimarbeitern gleichgestellt sind gemäß § 12 Abs. 5 SGB IV jedoch die in § 1 Abs. 2 Satz 1 Buchstaben a, c und d des HeimarbeitsG genannten Personen. 338 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. c) bb) (3). 339 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. d) dd) (4). 340 Vgl. dazu Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 17.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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derum lediglich die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den betreffenden Betrieb arbeiten. Diese Personen werden nämlich über § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG per Fiktion den Arbeitnehmern im Sinne des BetrVG gleichgestellt. Schließt man aus der Zuständigkeit der allgemeinen Interessenvertretung wiederum auf die der Schwerbehindertenvertretung, erscheint eine Einbeziehung von Werkunternehmern auch nach Sinn und Zweck der Schwellenwertregelung nicht bzw. allenfalls im Hinblick auf in Heimarbeit Beschäftigte geboten. (ee) Schlussfolgerungen Während der Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wegen der fehlenden Erfolgsbezogenheit des Begriffs „beschäftigen“ deutlich gegen eine Erfassung der Werkunternehmer spricht, ist das Ergebnis der systematischen Betrachtung ambivalent. Soweit dort allerdings über die teilweise einbezogenen arbeitnehmerähnlichen Personen punktuell auch auf werkvertraglicher Basis Tätige zu den Beschäftigten gezählt werden, kann dies seine alleinige Ursache auch in der Schutzrichtung der betreffenden Gesetze haben. Daher lassen sich in systematischer Hinsicht keine zwingenden Rückschlüsse ziehen. Demgegenüber wird wiederum aus Normentwicklung und Sinn und Zweck deutlich, dass eine generelle Einbeziehung von Werkunternehmern in den Beschäftigtenbegriff vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollt ist. Eine Ausnahme bilden hierbei lediglich die in Heimarbeit Beschäftigten, die sowohl bei historischer Betrachtung als auch mit Blick auf die Zuständigkeit der allgemeinen Interessenvertretungen, zusätzlich zu berücksichtigen sein dürften. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass eine Einbeziehung der in Heimarbeit Beschäftigten in § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, aber auch bereits nach der ursprünglichen gesetzgeberischen Konzeption zum SchwerbeschädigtenG 1953 nur per Fiktion erfolgte. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass Werkunternehmer im Generellen nicht beim Schwellenwert zu berücksichtigen sind. Besonderheiten gelten lediglich hinsichtlich der in Heimarbeit Beschäftigten, die insbesondere aus historischen Gründen jedoch nicht in den Beschäftigtenbegriff selbst einzubeziehen sind. Vielmehr dürfte hinsichtlich dieser Gruppe § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG analog anzuwenden sein. (b) Terminologische Modifikation Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings die Frage, ob eine leichte, lediglich sprachliche Modifikation dieses Kriterium geboten erscheint. In der allgemeinen Arbeitnehmerdefinition wird gemeinhin auf den Begriff der Arbeit abgestellt.341 Bemühungen, diesen Begriff handhabbar abzugrenzen, sind bisher gescheitert, weil kein erlaubtes und den guten Sitten entsprechendes menschliches 341
Vgl. dazu Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 8.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Verhalten denkbar ist, das nicht Gegenstand einer Arbeitsverpflichtung sein könnte.342 Aus diesem Grund wird bisweilen auch hinsichtlich der Arbeitnehmerdefinition anstelle des Begriffs der „Arbeit“ der Begriff der „Dienste“ verwendet.343 Eine solche rein terminologische Abwandlung der Definition ist angesichts des weiten Begriffs der Arbeit344 zwar nicht zwingend geboten, erscheint aber zur Förderung der Verständlichkeit hilfreich. (2) Privatrechtlicher Vertrag oder gleichgestelltes Rechtsverhältnis Das zweite Kernmerkmal der allgemeinen Arbeitnehmerdefinition ist das Zugrundeliegen eines privatrechtlichen Vertrages. Die verbreitet verwendete Ergänzung, dass an dessen Stelle auch ein gleichgestelltes Rechtsverhältnis genüge, zielt lediglich darauf ab, auch solche Arbeitsverhältnisse zu umschreiben, die nicht rechtsgeschäftlich zustande gekommen sind oder deren vertragliche Grundlage rechtsunwirksam ist.345 Die Ergänzung ändert somit nichts an der zentralen Zielrichtung des Merkmals, solche Dienstverpflichtungen auszugrenzen, die auf öffentlich-rechtlichen, familienrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen oder vereinsrechtlichen Grundlagen beruhen. Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, ob dieses Kriterium der Arbeitnehmerdefinition auch für die Abgrenzung des Beschäftigtenbegriffs nach § 94 Abs. 1 SGB IX erforderlich ist. (a) Wortlautgesichtspunkte Geht man vom Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus, ist ein solches Abgrenzungskriterium nicht erforderlich. Nach allgemeinem Sprachverständnis ist der Begriff der Beschäftigung nicht auf Tätigkeiten beschränkt, die auf Grund bürgerlich-rechtlicher Verpflichtung erfolgen.346 Eine Beschäftigung ist vielmehr von der ihr zugrunde liegenden Motivation losgelöst. Daher erscheint das Vorliegen eines privatrechtlichen Vertrags respektive eines gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Rahmen einer Beschäftigung nach § 94 SGB IX vom Wortlaut her nicht erforderlich.
342
Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 3. Vgl. BAG vom 09.05.1984, 5 AZR 195/82, AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 29.05.1991, 7 ABR 67/90, AP Nr. 2 zu § 9 BetrVG 1972; BAG vom 25.03.1992, 7 ABR 52/91, AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG; Otto, Arbeitsrecht, § 3 Rn. 69; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 13. Vgl. auch Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht I, § 1 Rn. 21. 344 Vgl. dazu Vogelsang, in: Schaub, ArbR-Hdb, § 8 Rn. 8 und Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 3. 345 Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. I, S. 37 ff. Vgl. auch Vogelsang, in: Schaub, ArbRHdb, § 8 Rn. 11. Siehe dazu auch oben § 3 IV. 3. e) bb) (2). 346 Siehe allgemein zum allgemeinen Begriffsverständnis § 3 IV. 3. a). 343
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(b) Systematische Gesichtspunkte Auch in systematischer Hinsicht erscheint ein solches Abgrenzungsmerkmal nicht geboten. Vielmehr legt eine Reihe von Vorschriften nahe, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der Beschäftigung gerade ganz bewusst eine Beschränkung auf privatvertragliche Dienstverhältnisse vermeiden wollte. (aa) § 73 Abs. 1 SGB IX Wie bereits dargelegt, wird schon aus § 73 Abs. 1 SGB IX deutlich, dass nicht nur solche Personen im Sinne des SGB IX „beschäftigt“ sind, die im Rahmen eines (zwingend privatrechtlichen) Arbeitsverhältnisses tätig werden. Vielmehr wird aus dieser Norm ersichtlich, dass auch auf öffentlich-rechtlicher Grundlage Tätige, wie Beamte oder Richter als Beschäftigte zu qualifizieren sind. (bb) § 7 Abs. 1 SGB IV Einen ähnlichen Befund fördert auch eine systematische Betrachtung des Beschäftigtenbegriffs des § 7 Abs. 1 SGB IV zutage. Die dort verwendete, jedoch nicht auf § 94 SGB IX anwendbare347 Definition geht schon ihrem Wortlaut nach über den des Arbeitnehmers hinaus.348 Dabei sollen über § 7 Abs. 1 SGB IV bewusst auch solche Personen in den Beschäftigtenbegriff einbezogen werden, die auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses tätig werden.349 Die Beschäftigtendefinition des § 7 Abs. 1 SGB IV beschränkt den erfassten Personenkreis somit nicht auf Dienstverpflichtete, die auf bürgerlich-rechtlicher Vertragsbasis tätig sind. (cc) § 2 Abs. 2 ArbSchG; § 3 Abs. 11 BDSG Ähnliches gilt auch für die in § 2 Abs. 2 ArbSchG enthaltene Bestimmung zum dortigen Beschäftigtenbegriff. Darin werden nämlich neben Arbeitnehmern auch Beamte und Soldaten als Beschäftigte definiert. Auch im Arbeitsschutzrecht wird der Begriff des Beschäftigten somit nicht auf Personen beschränkt, die auf privatvertraglicher Basis tätig sind, sondern bezieht auch solche ein, die auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses tätig werden. Gleiches gilt auch für die Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 11 BDSG.
347
Siehe dazu oben § 3 IV. 3. b) aa) (3). Siehe dazu oben § 3 IV. 3. b) aa) (2). 349 Vgl. BSG vom 12.12.1995, 5/4 RA 52/94, SozR 3-2200 § 1232 Nr. 6; BSG vom 22.02.1996, 12 RK 6/95, SozR 3-2940 § 2 Nr. 5; Berchtold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IV, § 7 Rn. 14; Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 125 – Stichwort: Notarassessor. 348
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(dd) § 4 Abs. 1 BPersVG Schließlich spricht auch die in § 4 Abs. 1 BPersVG zu findende Begriffbestimmung in systematischer Hinsicht dafür, dass eine privatrechtliche Grundlage allgemein keine Voraussetzung eines Beschäftigtenbegriffs sein soll. Nach dieser Vorschrift sind Beschäftigte i. S. d. BPersVG neben Arbeitnehmern auch Beamte und abgeordnete Richter. Damit werden nach dieser Regelung wiederum auch Personen als Beschäftigte definiert, die nicht auf privatvertraglicher Basis, sondern auf Grund eines Sonderstatusverhältnisses tätig sind. (c) Normhistorische Gesichtspunkte Ungeachtet dessen spricht auch die historische Entwicklung der Wahlvoraussetzungen gegen eine Beschränkung auf Personen, die auf privatvertraglicher Basis tätig sind. (aa) Bezug auf Arbeitsplatzdefinition Während die Schwerbeschädigtengesetze von 1920 und 1923 zunächst noch unmittelbar an den Begriff des Arbeitnehmers anknüpften, stellte § 13 Abs. 1 SchwerbeschädigtenG 1953 nur noch einen Bezug zu Arbeitsplätzen i. S. d. § 5 des SchwerbeschädigtenG 1953 her. Nach dieser Norm galten nicht nur solche Stellen als Arbeitsplätze, auf denen Arbeiter oder Angestellte beschäftigt waren, sondern auch alle Beamtenstellen. Damit fand zwar der allgemeine Arbeitnehmerbegriff weiterhin indirekte Anwendung, jedoch wurde der im Rahmen der Wahlvoraussetzungen zu berücksichtigende Personenkreis insoweit um Beamte erweitert.350 Mit der Novellierung von 1961 wurde die Regelung des § 5 Abs. 1 SchwerbeschädigtenG insoweit ergänzt, als zukünftig auch Richterstellen als Arbeitsplätze galten. Damit wurde der Kreis der bei den Wahlvoraussetzungen zu zählenden Schwerbehinderten um solche erweitert, die als Richter beschäftigt waren.351 Durch die Bezugnahme auf die Arbeitsplätze i. S. d. § 5 SchwerbeschädigtenG 1953 bzw. 1961 waren hinsichtlich der Voraussetzungen der Wahl also nicht nur solche Personen zu berücksichtigen, die auf Grund privatrechtlichen Vertrags tätig waren. Vielmehr waren zusätzlich auch Beamte und Richter einbezogen, so dass auch eine Tätigkeit auf Grund bestimmter öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse genügte. (bb) Wegfall der Bezugnahme Mit der Reform von 1974 war die frühere Bezugnahme auf „Arbeitsplätze i. S. d. § 5“ gestrichen geworden, so dass Beamte und Richter nicht mehr explizit 350 351
Siehe dazu oben § 3 IV. 3. c) bb) (1). Siehe dazu oben § 3 IV. 3. c) cc).
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einbezogen waren. Allerdings war mit dieser Änderung jedenfalls nicht beabsichtigt, den bisherigen Kreis der zu berücksichtigenden Personen einzuengen. Vielmehr spricht einiges dafür, dass mit der Streichung der Bezugnahme nur eine sprachliche Vereinfachung ohne materielle Auswirkungen bezweckt war.352 Normhistorisch ist daher davon auszugehen, dass der ab 1974 primär maßgebliche Begriff der Beschäftigung jedenfalls auch Beamte und Richter einbeziehen sollte. Die Entwicklung der Wahlvoraussetzungen spricht damit ebenfalls dafür, dass eine Beschäftigung i. S. d. § 94 Abs. 1 SGB IX nicht voraussetzt, dass die betreffende Person auf Basis eines privatrechtlichen Vertrags tätig ist, sondern auch auf Grund von Sonderstatusverhältnissen Tätige erfassen soll. (d) Teleologische Gesichtspunkte In teleologischer Hinsicht erscheint eine Beschränkung des Beschäftigtenbegriffs auf solche Personen, die auf Grund privatrechtlichen Vertrags tätig werden, ebenfalls nicht erforderlich. Vielmehr spricht gerade der breite Anwendungsbereich des § 94 SGB IX für ein dahingehend weiteres Begriffsverständnis. Stellt man nämlich wiederum auf die Zuständigkeit der allgemeinen Interessenvertretungen ab,353 ist festzustellen, dass es dort nicht zwangsläufig auf das Zugrundeliegen eines privatrechtlichen Vertrags ankommt. Im Bereich der Privatwirtschaft sind die allgemeinen Interessenvertretungen wegen § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nämlich inzwischen auch für Beamte und Soldaten zuständig. Zum Kreis der von den Betriebsräten zu Vertretenden gehören damit auch Personen, die auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Sonderstatusverhältnisses tätig sind.354 Bedenkt man zudem, dass § 94 SGB IX auch im Bereich des öffentlichen Dienstes Anwendung findet und die dortige Personalvertretung für Beamte und Arbeitnehmer gleichermaßen zuständig ist, erscheint auch in teleologisch-systematischer Hinsicht eine Erweiterung um Personen geboten, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse tätig sind. (e) Schlussfolgerungen (aa) Keine Beschränkung auf privatrechtliche Verträge Während weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Regelung eindeutige Rückschlüsse zulassen, sprechen Systematik und historische Entwicklung recht deutlich dafür, dass der Begriff des Beschäftigten nicht voraussetzt, dass die betreffende Person auf Grund privatrechtlichen Vertrags tätig ist. Vielmehr zeigt eine Reihe von Begriffsbestimmungen in anderen Gesetzen, dass der Gesetzge352
Siehe dazu oben § 3 IV. 3. c) dd). Siehe dazu oben § 3 IV. 3. d) dd) (4). 354 Vgl. Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 14; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 5 Rn. 113. 353
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ber durch die Verwendung des Terminus „Beschäftigung“ bewusst auch Personen erfassen will, die ihre Dienste auf Grund bestimmter anderer Rechtsverhältnisse erbringen. (bb) Erweitung nur um Sonderstatusverhältnisse Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die in anderen Vorschriften enthaltene Erweiterung jeweils nur auf Sonderstatusverhältnisse bezogen ist. Neben den auf privatvertraglicher Basis tätigen Personen werden nämlich weit überwiegend nur Beamte und ggf. Richter und Soldaten zusätzlich mit erfasst.355 Auch die Normhistorie bietet keinen Anhalt dafür, dass jegliches Rechtsverhältnis für eine Berücksichtigung im Rahmen der Wahlvoraussetzung genügen solle. Vielmehr beschränkte sich auch die Bezugnahme auf Arbeitsplätze i. S. d. § 5 SchwerbeschädigtenG 1953 bzw. 1961 auf eine Erweiterung um Personen, die auf Grund von Sonderstatusverhältnissen tätig waren. Unter diesen Gesichtspunkten lässt sich somit nicht vollständig auf eine rechtsverhältnisbezogene Einschränkung der Definition verzichten. Vielmehr erscheint es gerade aus systematischen, wie auch normhistorischen Gründen geboten, den Arbeitnehmerbegriff nur insoweit zu erweitern, als die Tätigkeit alternativ auch auf einem Sonderstatusverhältnis beruhen kann. (cc) Einengung auf freiwillig eingegangene Rechtsverhältnisse Ließe man allerdings jegliche Sonderstatusverhältnisse genügen, wären mitunter auch Straf- und Untersuchungsgefangene erfasst.356 Auslegungsmethodisch lässt sich jedoch kein Anknüpfungspunkt dafür finden, dass auch diese in den Beschäftigtenbegriff des § 94 Abs. 1 SGB IX einbezogen werden sollten. Vielmehr werden diese Personen in den nicht kasuistisch definierten Beschäftigtenbegriffen dadurch ausgegrenzt, dass eine freiwillige Eingehung des Rechtsverhältnisses verlangt wird.357 Angesichts der Tatsache, dass eine Erfassung Straf- und Untersuchungsgefangener weder in normhistorischer, noch in teleologischer Hinsicht geboten erscheint, ist vorliegend auf die systematisch parallele Handhabung bei § 7 SGB IV zurückzugreifen und im Rahmen des Beschäftigtenbegriffs eine freiwillige Eingehung des Rechtsverhältnisses zu verlangen. (3) Persönliche Abhängigkeit und Fremdbestimmung Das wesentlichste Merkmal der Arbeitnehmerdefinition ist das der persönlichen Abhängigkeit und Fremdbestimmtheit. Daher soll im Folgenden geklärt 355
Siehe dazu oben § 3 IV. 3. b) bb) (1) und § 3 IV. 3. b) cc) (1). Vgl. Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 14. 357 Berchthold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IV, § 7 Rn. 15. Vgl. auch Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 35 ff. 356
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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werden, ob dieses zentrale Abgrenzungskriterium auch im Rahmen des Begriffs der Beschäftigung in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX geboten erscheint. (a) Wortlautgesichtspunkte Geht man vom allgemeinen Sprachverständnis zu § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus, ist zunächst festzustellen, dass das Verb „beschäftigen“ dort in passiver Form verwendet wird. Der schwerbehinderte Mensch nimmt dabei von seiner semantischen Stellung her die Rolle des Patiens ein. Er ist damit hinsichtlich der Beschäftigung nicht aktiv Handelnder, sondern derjenige, der von der ausgedrückten Handlung betroffen ist und auf die er keinen Einfluss hat.358 Die grammatikalische Stellung des Verbs „beschäftigen“ deutet somit darauf hin, dass die verlangte Beschäftigung der schwerbehinderten Menschen nicht von Selbst-, sondern durch Fremdbestimmtheit geprägt sein muss. Darüber hinaus legt die Passivform nahe, dass zwischen den schwerbehinderten Menschen und dem Betriebsinhaber bzw. Arbeitgeber als ausgesparten Agens359 des Satzes eine auf Abhängigkeit basierende Beziehung besteht. In sprachlicher Hinsicht spricht somit einiges dafür, dass auch im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit und Fremdbestimmtheit erfüllt sein muss, damit die betreffende Person beim Schwellenwert berücksichtigt werden kann. (b) Systematische Gesichtspunkte In systematischer Hinsicht sind eindeutige Rückschlüsse schwieriger zu ziehen. Insbesondere führt die Verschiedenartigkeit der gesetzlich definierten Beschäftigtenbegriffe zu einer gewissen Ambivalenz der Systematik. (aa) Beschäftigtenbegriffe in arbeitsrechtlichen Gesetzen Stellt man etwa auf die Begriffsbestimmungen der arbeitsrechtlichen Gesetze, wie etwa in § 6 Abs. 1 AGG, § 3 Nr. 12 GenDG oder § 3 Abs. 11 BDSG ab, weist die dortige Einbeziehung arbeitnehmerähnlicher Personen darauf hin, dass das Leisten fremdbestimmter, persönlich abhängiger Arbeit keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer Beschäftigung ist. Schließlich sind arbeitnehmerähnliche Personen im Unterschied zu den „echten“ Arbeitnehmern gerade persönlich selbstständig und in der Art und Weise der Arbeitserledigung sowie 358 Vgl. Sitta, in: Duden – Grammatik, Rn. 1154 f.; Eisenberg, Grundriss der deutschen Grammatik, Bd. 1, S. 27. 359 Agens bezeichnet in der Grammatik grundsätzlich denjenigen, der in einem Satz die Rolle des aktiv Handelnden bzw. der treibenden Kraft einnimmt (vgl. Eisenberg, Grundriss der deutschen Grammatik, Bd. 1, S. 27; Gelhaus, in: Duden – Grammatik, Rn. 309 f.; Sitta, in: Duden – Grammatik, Rn. 1154; Zifonun/Hoffmann/Strecker/u. a., Grammatik der deutschen Sprache, Bd. 2, S. 1301).
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
der Bestimmung von Arbeitsort und Arbeitszeit weisungsfrei.360 Einem systematischen Rückgriff auf diese arbeitsrechtlichen Vorschriften könnte man jedoch auch hier entgegenhalten, dass die Einbeziehung der arbeitnehmerähnlichen Personen dort jeweils nur der besonderen Schutzrichtung der betreffenden Gesetze geschuldet ist.361 Als Beleg ließe sich wiederum § 2 Abs. 2 ArbSchG heranziehen, der gerade nicht sämtliche arbeitnehmerähnlichen Personen in den Anwendungsbereich einbezieht, sondern in Heimarbeit Beschäftigte explizit ausklammert. Diese Beschäftigtenbegriffe sind damit nur bedingt geeignet, belastbare Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit des hier zu untersuchenden Kriteriums zu ziehen.362 (bb) § 4 BPersVG Im Unterschied dazu werden nach der Definition des § 4 BPersVG ausschließlich Personen erfasst, die persönlich abhängige, fremdbestimmte Arbeit verrichten. Die personalvertretungsrechtliche Begriffsbestimmung spricht somit in systematischer Hinsicht deutlich für ein derartiges Kriterium beim Beschäftigtenbegriff des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. (cc) § 7 SGB IV Betrachtet man den in § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV definierten Beschäftigtenbegriff ist festzustellen, dass dieser eine „unselbständige“ Tätigkeit verlangt. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV stellen dabei die Weisungsgebundenheit des Betreffenden und dessen Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation maßgebliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschäftigung dar. Der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigtenbegriff knüpft demnach seinerseits unmittelbar an das Vorliegen einer persönlich abhängigen, fremdbestimmten Arbeit an.363 Klarstellend ist zwar darauf hinzuweisen, dass neben diesen Hauptanhaltspunkten weitere Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung berücksichtigt werden können.364 Dies ändert allerdings nichts an der zentralen Ausrichtung dieses Beschäftigtenbegriffs am Kernmerkmal der persönlichen Ab-
360 Vgl. BAG vom 09.06.1993, 5 AZR 123/92, AP Nr. 66 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Franzen, in: ErfK, TVG, § 12a Rn. 4; Koch, in: ErfK, ArbGG, § 5 Rn. 5; Schmidt/ Koberski/Tiemann/Wascher, Heimarbeitsgesetz, § 2 Rn. 7. 361 Siehe dazu auch oben § 3 IV. 3. b) bb) (2). 362 Vgl. dazu auch Kohte, ZSR-Sonderheft 2005, 7, 14. 363 Vgl. Marschner, in: Kreikebohm, SGB IV, § 7 Rn. 5 f.; Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 45 und 50. Vgl. auch Berchthold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IV, § 7 Rn. 23. 364 Vgl. Berchthold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IV, § 7 Rn. 23; Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 51 ff.
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hängigkeit.365 Essentieller Bestandteil der Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV ist damit ebenfalls das Merkmal der persönlich abhängigen, fremdbestimmten Arbeit. Die in § 12 Abs. 2 SGB IV vorgesehene Einbeziehung der in Heimarbeit Beschäftigten steht dem nicht entgegen, weil diese gerade nicht originär unter den Beschäftigtenbegriff fallen, sondern nur per Fiktion gleichgestellt werden.366 In systematischer Hinsicht spricht die Regelung des § 7 SGB IV somit deutlich für eine Maßgeblichkeit des Kriteriums der abhängigen, fremdbestimmten Arbeit in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. (c) Normhistorische Gesichtspunkte Im Hinblick auf die historische Entwicklung des Schwellenwerts ist wiederum festzuhalten, dass der Gesetzgeber grundsätzlich immer nur die Berücksichtigung solcher Personen vorgesehen hatte, die persönlich abhängige, fremdbestimmte Arbeit erbrachten. Eine Ausnahme dazu bildeten lediglich die in Heimarbeit Beschäftigten, die ursprünglich über eine Fiktion einbezogenen werden sollten.367 Gerade diese historische Fiktionslösung spricht allerdings auch dafür, dass die zur Schließung der entstandenen Regelungslücke gebotene Berücksichtung der in Heimarbeit Beschäftigten auch im Hinblick auf § 94 Abs. 1 SGB IX nicht durch eine unmittelbare Einbeziehung in den Beschäftigtenbegriff, sondern ebenfalls nur per Fiktion erfolgen sollte. Historisch-systematisch erscheint es daher nahe liegend, § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG analog anzuwenden. Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass die in Heimarbeit Beschäftigten wie gesetzgeberisch intendiert beim Schwellenwert mitgezählt werden. Gleichzeitig müssten sie aber nicht unter die Definition des Beschäftigtenbegriffs zu fassen sein, so dass die Berücksichtigung der in Heimarbeit Beschäftigten nicht im Widerspruch zu einem in der Beschäftigtendefinition zu findenden Kriterium der persönlich abhängigen und fremdbestimmten Arbeit stünde. (d) Teleologische Gesichtspunkte In teleologischer Hinsicht ist es aufschlussreich wiederum auf die Zuständigkeit der allgemeinen Interessenvertretungen abzustellen.368 Diese sind nämlich 365 Vgl. BSG vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; Berchthold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IV, § 7 Rn. 19; Marschner, in: Kreikebohm, SGB IV, § 7 Rn. 5; Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 50. 366 Vgl. dazu Berchthold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Sozialrecht, SGB IV, § 12 Rn. 3; Marschner, in: Kreikebohm, SGB IV, § 12 Rn. 2; Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 12 Rn. 1. 367 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. c) bb) (3). 368 Siehe zur teleologischen Bedeutung der Zuständigkeit für die Schwellenwertregelung oben § 3 IV. 3. d) dd) (4).
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grundsätzlich nur für die Vertretung solcher Personen zuständig, die persönlich abhängige, fremdbestimmte Arbeit erbringen.369 Dieser Gesichtspunkt spricht somit im Grundsatz dafür, dass auch im Hinblick auf eine Berücksichtigung bei § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX das Kriterium der persönlich abhängigen und fremdbestimmten Arbeit vorliegen muss. Zu beachten ist jedoch, dass den Arbeitnehmern im Betriebsverfassungsrecht über § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch in Heimarbeit Beschäftigte gleichgestellt sind, obwohl deren Tätigkeit durch persönliche Selbstständigkeit und Weisungsfreiheit geprägt ist. Die Einbeziehung der in Heimarbeit Beschäftigten steht damit grundsätzlich im Widerspruch zu einer Beschränkung des Beschäftigtenbegriffs auf persönlich abhängig und fremdbestimmt Tätige. Ein derartiger Widerspruch ließe sich jedoch dadurch vermeiden, dass man die in Heimarbeit Beschäftigten auch hinsichtlich § 94 Abs. 1 SGB IX nicht unmittelbar, sondern nur im Wege einer Fiktion einbezieht, wie dies auch die Normhistorie impliziert.370 Dann wäre nämlich einerseits gewährleistet, dass die partiell in den Zuständigkeitsbereich der allgemeinen Interessenvertretung fallenden in Heimarbeit Beschäftigten berücksichtigt werden, gleichzeitig würde aber auch dem übrigen Duktus der betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsanforderungen Rechnung getragen. Einem solchen Ansatz folgend sprechen somit auch teleologisch-systematische Gesichtspunkte dafür, nur solche Personen als Beschäftigte i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu erfassen, die persönlich abhängige, fremdbestimmte Arbeit zu erbringen haben. (e) Schlussfolgerungen Während sich aus parallelen Beschäftigtenbegriffen keine eindeutigen Rückschlüsse ziehen lassen, legt der Terminus „beschäftigt sind“ durchaus nahe, dass auch im Rahmen der Beschäftigung i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine persönlich abhängige, fremdbestimmte Arbeit maßgeblich ist. Entscheidend für ein solches Verständnis spricht auch die historische Entwicklung der Norm. Der Gesetzgeber wollte nämlich im Grundsatz stets solche nur Personen beim Schwellenwert berücksichtigen, die ihre Arbeit in persönlich abhängiger, fremdbestimmter Weise zu erbringen haben. Soweit er darüber hinaus auch die in Heimarbeit Beschäftigten erfassen wollte, sollte dies nur indirekt über eine Fiktion geschehen. Die dahingehend historisch entstandene Regelungslücke dürfte daher nicht durch eine unmittelbare Einbeziehung dieser Personengruppe in die Beschäftigtendefinition, sondern vielmehr 369 Vgl. Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 32 f.; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 7 ff.; Weber, in: GK-BetrVG, § 80 Rn. 4. 370 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. c) bb) (3).
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durch eine Analogie zur Fiktionsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zu schließen sein. Dementsprechend steht die Berücksichtigung der in Heimarbeit Beschäftigten nicht im Widerspruch zum Kriterium der persönlich abhängigen, fremdbestimmten Arbeit. Folgt man paradigmatisch dem Lösungsansatz, die in Heimarbeit Beschäftigten lediglich per Fiktion zu erfassen, wird die Erforderlichkeit des Kriteriums der persönlich abhängigen, fremdbestimmten Arbeit darüber hinaus auch in teleologisch-systematischer Hinsicht bestätigt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse der Auslegung überwiegend dafür sprechen, dass auch im Rahmen der Beschäftigung i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX das Merkmal der persönlich abhängigen, fremdbestimmten Arbeit vorliegen muss. Parallel dazu sind die in Heimarbeit Beschäftigten im Wege einer Analogie zu § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG als Beschäftigte (nur) zu fingieren. (4) Maßgeblichkeit von Verpflichtung oder tatsächlicher Erbringung In der schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Literatur wird verbreitet die Auffassung vertreten, im Rahmen des § 94 SGB IX sei ausschließlich maßgeblich, ob eine „tatsächliche Beschäftigung“ vorliege.371 Dies erweckt den Anschein, dass diese Autoren nicht auf eine Verpflichtung zur Arbeit, sondern nur auf deren tatsächliche Erbringung abstellen wollen. Dabei ist klarstellend festzuhalten, dass das Merkmal der tatsächlichen Erbringung von Arbeit nur alternativ und nicht kumulativ zum Merkmal der Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit gemeint sein kann. Alles andere widerspräche der von den Vertretern verfolgten Zielrichtung, dem Beschäftigtenbegriff ein möglichst weites Verständnis zugrunde zu legen.372 Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, ob sich unter Anwendung des Auslegungskanons Anhaltspunkte dafür finden lassen, die eine Maßgeblichkeit der tatsächlichen Erbringung anstelle der Verpflichtung implizieren. (a) Wortlaut Geht man vom reinen Wortlaut aus, erscheint es zunächst richtiger, nicht auf eine etwaige Verpflichtung, sondern allein auf die tatsächliche Erbringung von Arbeit abzustellen. Schließlich steht das Wort „beschäftigen“ nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht für die abstrakte Umschreiben von Pflichten, son371 So etwa Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 26; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 11; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 3. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 31 und 38. 372 Vgl. dazu Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 26 f.;Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 11 f. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 38 f.; Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 16.
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dern ist in erster Linie auf reale Aktivitäten bezogen.373 Dieser Aktivitätsbezug spricht also in sprachlicher Hinsicht für eine Maßgeblichkeit der tatsächlichen Erbringung von Arbeit. (b) Systematik In systematischer Hinsicht ergibt sich hinsichtlich der Maßgeblichkeit einer Verpflichtung zur Arbeit ein ambivalentes Bild, das keinen eindeutigen, belastbaren Rückschluss zulässt. (aa) § 3 Nr. 12 GenDG und § 3 Abs. 11 BDSG Die Begriffsbestimmungen in § 3 Nr. 12 GenDG und § 3 Abs. 11 BDSG sprechen grundsätzlich dafür, dass für eine Beschäftigung nicht das Vorliegen einer Verpflichtung zu Arbeit, sondern deren tatsächliche Erbringung maßgeblich ist. In den genannten Bestimmungen werden nämlich unter anderem auch Rehabilitanden erfasst, bei denen gerade keine Arbeitspflicht besteht.374 Allerdings ist dahingehend zu beachten, dass gerade das GenDG und das BDSG dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Menschen dienen, so dass sich die Einbeziehung pflichtlos Tätiger allein aus dem besonderen Schutzcharakter dieser Regelungen erklärt. Insofern ist ein Verweis auf diese Begriffsbestimmungen vorliegend nur sehr eingeschränkt als systematisches Argument dafür geeignet, dass es für eine Beschäftigung nicht auf das Bestehen einer Verpflichtung, sondern die tatsächliche Erbringung von Arbeit ankomme. (bb) § 7 Abs. 1 SGB IV Hierfür könnte in systematischer Hinsicht allerdings auf ersten Blick § 7 Abs. 1 SGB IV sprechen. Im Rahmen des dortigen Beschäftigtenbegriffs kommt der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung nämlich statusrechtliche Bedeutung zu.375 Gleichwohl wird dort nicht allein auf die tatsächliche Arbeitsleistung abgestellt, sondern auch dann eine Beschäftigung angenommen, wenn lediglich eine (ggf. auch zeitweise suspendierte) Arbeitspflicht bestand, ohne dass auf Grund 373 In dieser Richtung auch BAG vom 13.06.2006, 9 AZR 229/05, AP Nr. 12 zu § 81 SGB IX in Bezug auf den Beschäftigungsbegriff in § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX. 374 Vgl. zur Arbeitspflicht in Bezug auf die zu den Rehabilitanden i. S. dieser Vorschriften zählen Personen in Wiedereingliederungsverhältnissen: BAG vom 29.01.1992, 5 AZR 37/91, AP Nr. 1 zu § 74 SGB V; v. Hoyningen-Huene, NZA 1992, 49, 52; Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 28 Rn. 4 f.; Stähler, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 28 Rn. 13. 375 Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 11. Vgl. auch Marschner, in: Kreikebohm, SGB IV, § 7 Rn. 14; Rittweger, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-OK Sozialrecht, SGB IV, § 7 Rn. 7.
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dieser eine tatsächliche Leistung erbracht worden wäre.376 Damit lässt § 7 Abs. 1 SGB IV ebenfalls keinen klaren Rückschluss darauf zu, ob für eine „Beschäftigung“ im Allgemeinen das Bestehen einer Verpflichtung zu Arbeit oder deren tatsächliche Erbringung maßgeblich sein soll. (cc) Anderweitige Begriffsbestimmungen Demgegenüber spricht eine Reihe anderer Begriffsbestimmungen für eine Maßgeblichkeit des Vorliegens einer entsprechenden Verpflichtung. Gerade die übrigen, kasuistisch aufgebauten, arbeitsrechtlichen Beschäftigtenbegriffe beziehen nämlich nur solche Personengruppen ein, bei denen es gerade nicht auf die tatsächliche Erbringung der Arbeit, sondern lediglich auf eine diesbezügliche Pflicht ankommt (vgl. § 2 Abs. 2 ArbSchG, § 6 Abs. 1 AGG, § 7 Abs. 3 PflegeZG). Gleiches gilt für die Begriffsbestimmung des § 4 BPersVG. (c) Normhistorie In Bezug auf die geschichtliche Entwicklung der Regelung ist festzuhalten, dass vom Gesetzgeber nie explizit beabsichtigt war, beim Schwellenwert auch solche Personen zu berücksichtigen, die nicht zur Erbringung der Arbeit verpflichtet sind. Vielmehr waren nach der früheren Bezugnahme auf „Arbeitsplätze i. S. d. § 5“ ausdrücklich nur solche Personengruppen erfasst, bei denen eine derartige Pflicht bestand. Die Bezugnahme auf die Arbeitsplatzdefinition ist zwar mit der Novelle von 1974 weggefallen, jedoch legen es die Gesetzesmaterialien eher nahe, dass damit keine inhaltliche Änderungen des Schwellenwerts beabsichtigt waren. Vielmehr spricht einiges dafür, dass bei der Mindestzahl auch zukünftig nur die bis dato erfassten Personen berücksichtigt werden sollten.377 Folglich hätte sich nach dem Willen des historischen Gesetzgebers auch an der bis dahin bestehenden Maßgeblichkeit einer Verpflichtung zur Arbeit nichts geändert. Daher lässt sich der Normhistorie nicht entnehmen, dass für den Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX anstelle einer Verpflichtung zur Arbeit deren tatsächliche Erbringung maßgeblich sein soll. (d) Sinn und Zweck Fernerhin ergeben sich auch aus Sinn und Zweck des Schwellenwerts keine nachhaltigen Argumente dafür, dass es im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1
376 Seewald, in: Leitherer, Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7 Rn. 12 ff. Vgl. auch Rittweger, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-OK Sozialrecht, SGB IV, § 7 Rn. 7a. 377 Siehe dazu ausführlicher oben § 3 IV. 3. c) dd).
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SGB IX nicht auf eine Verpflichtung, sondern die tatsächliche Erbringung von Arbeit ankommen soll. Stellt man nämlich wiederum auf die unmittelbare Zuständigkeit der allgemeinen Interessenvertretungen ab, ist festzuhalten, dass sich diese nur auf solche Personen bezieht, die eine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit trifft.378 Das legt es in teleologisch-systematischer Hinsicht nahe, dass auch im Rahmen des Schwellenwerts des § 94 Abs. 1 Satz 1 nur zur Arbeit verpflichtete Personen zu berücksichtigen sind. Eine solche Beschränkung auf zur Arbeit Verpflichtete erscheint auch insofern nach Sinn und Zweck geboten, als sich diese dem im Arbeitsleben asymmetrischen Kräfteverhältnis zum Dienstgeber379 nicht durch bloße Nichtarbeit entziehen können. Nur sie unterliegen damit unausweichlich dem Ungleichgewicht zwischen Betriebsinhaber und Belegschaft, dass das Betriebsverfassungsrecht durch die kollektive Interessenvertretung zu kompensieren versucht.380 Auch unter diesem Gesichtspunkt sprechen somit teleologische Gründe gegen eine Maßgeblichkeit der bloßen tatsächlichen Erbringung von Arbeit. (e) Schlussfolgerungen Während die Systematik keine eindeutigen Schlüsse zulässt, spricht der Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX grundsätzlich dafür, nicht auf das Bestehen einer Verpflichtung, sondern allein auf die tatsächliche Erbringung von Arbeit abzustellen. Dem steht jedoch entgegen, dass der Gesetzgeber historisch betrachtet nicht die Absicht hatte, über den Kreis der in der Arbeitsplatzdefinition Genannten hinaus weitere Personen zu erfassen. Daher erscheint eine Abkehr von der ursprünglichen Maßgeblichkeit der Verpflichtung zur Arbeit normhistorisch zweifelhaft. Darüber hinaus sprechen auch teleologische Aspekte für eine Beschränkung auf Personen, denen eine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit obliegt. Entgegen der teilweise in der schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Literatur zu findenden Auffassung kommt es daher im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht darauf an, ob tatsächlich Arbeit erbracht wird. Entscheidend ist vielmehr, ob eine entsprechende Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit besteht. In dieser Hinsicht ist somit ebenfalls keine Abweichung von der Arbeitnehmerdefinition geboten.
378 Vgl. Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 32 f.; Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 7 ff.; Weber, in: GK-BetrVG, § 80 Rn. 4. 379 Vgl. dazu Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 155 f.; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 1 f. Vgl. auch Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 357 f. 380 Vgl. Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 32 f.; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 108; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 1 f.; Keim/Unger, Kooperation statt Konfrontation, S. 14. Vgl. auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 5.
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dd) Eigene Definition des Beschäftigungsbegriffs Anhand der oben getroffenen Feststellungen soll nunmehr der Versuch unternommen werden, eine eigenständige Definition zum Begriff des Beschäftigten i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu entwickeln. Dazu sollen zunächst die einzelnen Auslegungsergebnisse zusammengefasst werden, um anhand dieser sodann eine Beschäftigtendefinition zu bilden. (1) Zusammenfassung der Auslegungsergebnisse Die vorstehenden Untersuchungen zeigen, dass die allgemeine Definition zum Arbeitnehmerbegriff einen tauglichen Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Definition zum Begriff des Beschäftigten i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX darstellt. Mit Blick auf die Kernmerkmale der Arbeitnehmerdefinition ist auch festzuhalten, dass die Auslegung der vorliegenden Schwellenwertregelung nur wenige Modifikationen gebietet. Insbesondere erscheinen die Merkmale der Verpflichtung zur Erbringung von Arbeit und der persönlichen Abhängigkeit und Fremdbestimmtheit der Arbeit auch für den Beschäftigtenbegriff in § 94 SGB IX maßgeblich. Diesbezüglich ist allein zugunsten der Verständlichkeit eine terminologische Änderung dahingehend vorzunehmen, dass anstelle von „Arbeit“ der Begriff „Dienste“ verwendet wird. Abwandlungsbedürftig ist demgegenüber das in der Arbeitnehmerdefinition zu findende Kriterium, dass die Verpflichtung zur Arbeit zwingend auf einem privatrechtlichen Vertrag bzw. einem gleichgestellten Rechtsverhältnis beruhen müsse. Vielmehr gebietet die Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hier eine zusätzliche Einbeziehung solcher Personen, die auf Grund von freiwillig eingegangenen Sonderstatusverhältnissen tätig werden. Gleichzeitig dürfte hinsichtlich des Schwellenwerts eine Berücksichtigung der in Heimarbeit Beschäftigten notwendig sein. Aus normhistorischen, wie auch systematisch-teleologischen Gründen erscheint jedoch keine unmittelbare Einbeziehung in den Beschäftigtenbegriff geboten, sondern stattdessen eine Analogie zur Fiktionsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sachgerechter. (2) Definition des Beschäftigtenbegriffs Nach alledem erscheint es plausibel, im Hinblick auf den Beschäftigtenbegriff von folgender Definition auszugehen: Im Sinne des § 94 SGB IX beschäftigt ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags, auf Grund eines freiwillig eingegangenen Sonderstatusverhältnisses oder auf Grund eines diesen beiden Formen gleichgestellten Rechtsverhältnisses verpflichtet ist, persönlich abhängige, fremdbestimmte Dienste zu erbringen. Für in Heimarbeit Beschäftigte findet § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG analoge Anwendung, so dass diese nicht unmittelbar als Beschäftigte i. S. d. § 94 Abs. 1
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Satz 1 SGB IX zu qualifizieren sind, sie diesen jedoch per Fiktion gleichgestellt werden. 4. Nicht nur vorübergehende Beschäftigung In § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wird als Wahlvoraussetzung weiterhin verlangt, dass die fünf schwerhinderten Menschen „nicht nur vorübergehend“ beschäftigt sind. Hinsichtlich der Mindestzahl wird also auch eine gewisse Dauerhaftigkeit der Beschäftigungen verlangt. Dahingehend ist jedoch klarstellend darauf hinzuweisen, dass der „nicht nur vorübergehende“ Charakter der Beschäftigung für jeden zu berücksichtigenden schwerbehinderten Menschen separat zu bestimmen ist.381 Allerdings ist auch hinsichtlich dieses Kriteriums festzuhalten, dass das SGB IX keine eigenständige Definition des Begriffs „nicht nur vorübergehend“ enthält.382 Auch dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal bedarf daher einer Auslegung. a) Festgelegte Endlichkeit der Beschäftigung Zunächst ist vom Wortlaut des Merkmals auszugehen. Durch die Formulierung „nicht nur vorübergehend“ wird eine negative Abgrenzung derjenigen schwerbehinderten Menschen vorgenommen, die „nur vorübergehend“ beschäftigt sind. Eine Berücksichtigung im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX setzt also eine mehr als „nur vorübergehende“ Beschäftigung voraus. „Vorübergehend“ wird nach dem Allgemeinen Sprachgebrauch als nur „zeitweilig“, „zeitlich begrenzt“, „momentan“ bzw. „nur eine gewisse Zeit dauernd“ verstanden.383 Dem lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass eine Beschäftigung auf Dauer ausgerichtet sein muss, um im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX berücksichtigt werden zu können.384 Eine Berücksichtigung scheidet also dem reinen Wortlaut nach dagegen aus, wenn die Beschäftigung nur auf begrenzte Zeit angelegt ist. Abgrenzungskriterium wäre danach die von Anbeginn festgelegte Endlichkeit der Beschäftigung.385
381 Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit bei den Wahlvoraussetzungen nicht anstelle einer einzelpersonenbezogenen Prüfung der Tatbestandsmerkmale darauf abzustellen ist, ob im Betrieb üblicherweise eine entsprechende Anzahl zu berücksichtigender Personen tätig wird. Siehe zu dieser Frage ausführlich § 3 V. 382 Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 7; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 2. 383 Bertelsmann – Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort: „vorübergehend“; Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „vorübergehend“; Wahrig – Deutsches Wörterbuch, Stichwort: „vorübergehend“. 384 Vgl. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 7. 385 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 55.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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b) Kein Ausschluss aller Beschäftigungsverhältnisse mit Befristungsabrede Problematisch ist insoweit jedoch, dass eine Endlichkeit auch für einen sehr weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt vereinbart werden kann. Hierbei ist neben den Befristungsmöglichkeiten des TzBfG oder gar des WissZeitVG auch an die Befristung auf das Renteneintrittsalter zu denken. Schließlich ist auch in diesen Fällen die Endlichkeit der Beschäftigung von Anbeginn festgelegt und somit keine unbegrenzt dauernde Beschäftigung gegeben. Ein derart weit reichendes Verständnis würde allerdings dazu führen, dass eine Wahl nur noch in solchen Betrieben möglich wäre, in denen wenigstens fünf Schwerbehinderte beschäftigt werden, in deren Beschäftigungsverträgen keinerlei Befristungen vorgesehen sind. Dies hätte zur Folge, dass kaum noch Betriebe die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erfüllen würden und die Schwerbehindertenvertretung an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt wäre. Dies widerspräche jedoch evident dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung. Ein derart umfassender Ausschluss sämtlicher Beschäftigungsverhältnisse mit Befristungsabreden kann daher vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein.386 Trotz des insoweit ungünstig gewählten Wortlauts ist § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX daher kein derart weit reichendes Verständnis des Merkmals der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung zu Grunde zu legen. c) Kein zeitlich beschränkter Betrachtungszeitraum Wohl aus diesem Grunde bemüht sich das Schrifttum verbreitet darum, das Kriterium der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung in seiner ausschließenden Wirkung dadurch zu begrenzen, dass der vorübergehende Charakter einer Beschäftigung auf einen eng gefassten Betrachtungszeitraum bezogen wird. Hierzu wird in der Literatur auf unterschiedliche Vorschriften des SGB IX zurückgegriffen387 und das diesen Normen zugrunde liegende Verständnis auf die
386 So wohl auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5; Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 1. 387 Für einen Rückgriff auf § 2 Abs. 1: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 3; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 7. Für einen Rückgriff auf § 73 Abs. 3 SGB IX: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 30; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 5; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 32; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 16; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/ Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 14; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 2; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 12. Für einen Rückgriff auf § 90 Abs. 1 SGB IX: Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 7. Wohl auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5. Für einen Rückgriff auf § 94 Abs. 3 SGB IX: Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 32 i.V. m. Rn. 56.
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Schwellenwertregelung übertragen. Als „nur vorübergehend“ seien solche Beschäftigungsverhältnisse anzusehen, die auf weniger als acht Wochen388 bzw. auf weniger als sechs Monate389 angelegt sind. Hierbei wird jeweils unzureichend berücksichtigt, dass in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gerade kein fester zeitlich begrenzter Betrachtungszeitraum vorgesehen ist.390 Zudem wird mitunter übersehen, dass die herangezogenen Normen – zumindest in ihrer jetzigen Fassung – nicht mehr den Begriff „vorübergehend“ verwenden. Es erscheint daher inzwischen problematisch, diese Vorschriften mit der Begründung heranzuziehen, der Gesetzgeber habe den Begriff „vorübergehend“ im Gesetz einheitlich verwenden wollen.391 Darüber hinaus wird mitunter auch die Gesetzeshistorie verkannt. Ein Teil392 der herangezogenen Vorschriften wur388 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 30; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 5; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 32; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 16; Kunstein/Seel/Fischer, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 7; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 14; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 2; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 12. Ähnlich jedoch unter Bezugnahme auf die personalvertretungsrechtliche Rechtsprechung auf einen Zeitraum von zwei Monaten abstellend: Pohl, in: Feldes/Kohte/StevensBartol, SGB IX, § 94 Rn. 25; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23. 389 Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 12; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 3; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 7; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 7; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 32 und 56. Noch zu den Vorgängerregelungen des § 2 Abs. 1 SGB IX: Dörner, SchwbG, 54. EL, § 24 Anm. I. 2; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5; Malcher, SchwbG, S. 82; Neubert/Becke, SchwbG, § 21 Rn. 1; Neumann, SchwbG, 4. Aufl., § 1 Rn. 30 und § 21 Rn. 7. 390 Vgl. dazu Dörner, SchwbG, § 24 Anm. 8; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 2 und Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 12, die die Annahme eines festen Zeitraum wegen des vom Gesetzgeber bewusst verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffs grundsätzlich ablehnen, aber gleichwohl auf die Vorgängerregelung zu § 73 Abs. 3 SGB IX zurückgreifen. 391 In dieser Richtung: Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 14. A. A. noch Dörner, SchwbG, 54. EL, § 24 Anm. I. 2, der noch auf die alte Formulierung des Schwerbehindertenbegriffs abstellt. 392 Die gilt insbesondere für die Vorgängerregelungen zu § 94 Abs. 3 SGB IX, § 73 Abs. 3 SGB IX und § 2 Abs. 1 SGB IX. Lediglich § 90 Abs. 1 SGB IX hat einen bereits 1923 die Formulierung „vorübergehend“ verwendenden Vorgänger. Der damalige § 17 SchwerbeschädigtenG 1923 sah vor, dass der Kündigungsschutz für „nur zur vorübergehenden Aushilfe“ oder „für einen vorübergehenden Zweck“ eingestellte Personen eingeschränkt wird, soweit „das Arbeitsverhältnis nicht über drei Monate hinaus fortgesetzt wird.“ Dieser Regelung ließ sich jedoch nicht entnehmen, dass bei einem länger als drei Monate andauernden Arbeitsverhältnis kein vorübergehender Charakter der Beschäftigung mehr bestehen würde. Vielmehr wird darin die Aussage getroffen, dass auch eine vorübergehende Beschäftigung Kündigungsschutz genießt, die länger als drei Monate andauert (vgl. Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 17 Anm. 12). Durch die Regelung des § 17 SchwerbeschädigtenG 1923 wurde also die Dauer einer nur vorübergehenden Beschäftigung zeitlich nicht begrenzt.
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de nämlich erst normiert, nachdem das Kriterium der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung bereits längst in der damaligen Schwellenwertregelung verankert war.393 Entscheidend gegen einen Rückgriff auf die bisweilen herangezogenen Vorschriften spricht jedoch, dass die dortigen Zeitbegrenzungen von völlig anderen Zielsetzungen des Gesetzgebers394 geprägt werden, als diejenigen, die für § 94 Abs. 1 SGB IX tragend waren und sind.395 Eine Begrenzung des Betrachtungszeitraums bei der Feststellung des vorübergehenden Charakters einer Beschäftigung ist daher weder aus systematisch-terminologischen Gründen geboten, noch vor dem Hintergrund der divergierenden Regelungszwecke der herangezogenen Vorschriften gerechtfertigt.396 d) Maßgeblichkeit der Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers Stattdessen zeigt sich bei näherer Betrachtung von Sinn und Zweck des Schwellenwerts im Allgemeinen und des Kriteriums der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung im Speziellen, dass es bei der Anwendung des Merkmals auf die Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers ankommt. aa) Sinn und Zweck des Schwellenwertkriteriums Wie bereits dargelegt soll durch den Schwellenwert sichergestellt werden, dass lediglich in solchen Betrieben eine Wahl stattfindet, in denen die Anzahl der zu vertretenden Personen so groß ist, dass eine eigenständige Interessenvertretung geboten und dem Arbeitgeber zumutbar erscheint.397 Die Regelung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist also Ausdruck einer vom Gesetzgeber getroffenen Ver-
393 Vgl. zum damaligen Verständnis des § 12 SchwerbeschädigtenG: Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 8 und Schoppen, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 4. 394 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 33; Müller-Wenner, in: MüllerWenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 14. Vgl. zu den Zielsetzungen des Gesetzgebers in Bezug auf § 90 Abs. 1 SGB IX: Kuhlmann, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 90 Rn. 6. Vgl. in Bezug auf § 73 Abs. 3 SGB IX: Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 73 Rn. 29. Vgl. in Bezug auf § 2 Abs. 1 SGB IX: Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 2 Rn. 27. 395 Im Hinblick auf Rückgriffe auf § 2 Abs. 1 SGB IX und § 90 Abs. 1 SGB IX ähnlich: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 33 und Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 14, die jedoch jeweils übersehen, dass auch mit dem Zeitkriterium des von ihnen favorisierten § 73 Abs. 3 SGB IX andere Regelungszwecke verfolgt werden. 396 Vgl. dazu Dörner, SchwbG, § 24 Anm. 8, der die Annahme eines festen Zeitraumes wegen des vom Gesetzgeber bewusst verwendeten, unbestimmten Rechtsbegriffs grundsätzlich ablehnt, aber gleichwohl auf die Vorgängerregelung zu § 73 Abs. 3 SGB IX zurückgreift. 397 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. d) bb) und cc).
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
hältnismäßigkeitabwägung hinsichtlich der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit einer originären Vertretung.398 In diesem Zusammenhang spielt auch die Dauerhaftigkeit des Bestands der zu wählenden Interessenvertretung eine nicht unerhebliche Bedeutung. Würde nämlich bereits bei der Wahl feststehen, dass die Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten in absehbarer Zeit wieder dauerhaft unter den maßgeblichen Schwellenwert absinken wird, könnte die damit nur temporäre Schwellenwerterreichung gerade nicht die Erforderlichkeit einer eigenständigen Interessenvertretung indizieren. Schließlich hat der Gesetzgeber nach Maßgabe seiner Verhältnismäßigkeitsabwägung für „kleinere“ Betriebe ganz bewusst keine eigenständige Interessenvertretung vorgesehen. Vielmehr hat er die Aufgabe der Vertretung der Interessen nur weniger dauerhaft beschäftigter Schwerbehinderten dem subsidiär zuständigen Betriebsrat auferlegt.399 In engem Zusammenhang mit der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit steht aber auch die Frage, ob eine gewählte Interessenvertretung auch dann bestehen bleibt, wenn die Zahl der zu vertretenden später wieder dauerhaft unter den Schwellenwert sinkt. Während bei den übrigen betrieblichen Interessenvertretungen einhellig davon ausgegangen wird, dass ein dauerhaftes Absinken der betreffenden Personenzahl zum Untergang des Organs führt,400 ist dies hinsichtlich der Schwerbehindertenvertretung umstritten. Eine ausführliche inhaltlich Auseinandersetzung mit dieser in Streit stehenden Frage würde sich jedoch zu weit vom Kern der vorliegenden Arbeit entfernen und dadurch deren ohnehin angespannten Rahmen sprengen. Daher sollen vorliegend nur jeweils die Auswirkungen der beiden Ansichten für das teleologische Verständnis des hier zu untersuchenden Schwellenwertkriteriums untersucht werden. (1) Schwellenwertunabhängiger Bestand der Schwerbehindertenvertretung Nach der ganz herrschenden Ansicht in der heutigen Literatur soll eine einmal gewählte Schwerbehindertenvertretung ihr Amt auch dann nicht verlieren, wenn die Zahl der im Betrieb beschäftigten Schwerbehinderten nach der Wahl dauer398 Vgl. dazu auch Dörner, SchwbG, 54. EL, § 24 Anm. I. 2, der darauf verweist, dass bei nur vorübergehender Beschäftigung das Interesse für eine (eigenständige) Vertretung fehle. 399 Vgl. Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 93 Rn. 6. Vgl. auch Esser, in: Kreithner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 93 Rn. 10 und Knittel, SGB IX, § 93 Rn. 8. 400 Vgl. nur Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 102; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 130; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 257. Vgl. in Bezug auf die Jugendund Auszubildendenvertretung: Oetker, in: GK-BetrVG, § 60 Rn. 42; Weiss/Weyand, BetrVG, § 60 Rn. 5. Vgl. auch in Bezug auf den Wirtschaftsausschuss: BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 41/03, AP Nr. 17 zu § 106 BetrVG 1972.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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haft unter fünf absinkt.401 Mit der positiven Feststellung des Schwellenwerts und einer hieraufhin durchgeführten Wahl wird also nach dieser Ansicht eine vier Jahre in die Zukunft reichende Grundentscheidung über die Etablierung einer eigenständigen Interessenvertretung getroffen. Die Schwellenwerterreichung kann in diesem Fall aber nur dann hinreichend die Erforderlichkeit und Zumutbarkeit einer Interessenvertretung indizieren, wenn diese auf die Gesamtdauer oder zumindest einen erheblichen Teil der Amtszeit bezogen ist. Folgt man der Ansicht zum schwellenwertunabhängigen Fortbestand, setzt die mit der Mindestzahlerreichung einhergehende Indizwirkung also voraus, dass die Schwerbehindertenzahl einen entsprechenden, auf die gesamte Amtdauer bezogenen Aussagewert besitzt. (2) Untergang des Organs bei dauerhaftem Absinken der Beschäftigtenzahl Nach einer in Teilen der früheren Literatur402 und der jüngeren Rechtsprechung403 vertretenen Auffassung, soll demgegenüber ein dauerhaftes Absinken der Zahl der Beschäftigten Schwerbehinderten unter den Schwellenwert zum Untergang des Organs der Schwerbehindertenvertretung führen. Folgt man dieser Ansicht, ist nicht zwingend notwendig, dass sich die mit der Schwellenwerterreichung indizierte Erforderlichkeit der eigenständigen Interessenvertretung auf den gesamten Zeitraum der vierjährigen Amtszeit erstreckt. Schließlich würde im Fall einer dauerhaften Unterschreitung der Mindestzahl nicht nur die Erforderlichkeit der eigenständigen Vertretung, sondern zugleich auch deren Organfähigkeit entfallen. Gleichwohl ist die Dauerhaftigkeit des Bestands der Schwerbehindertenvertretung auch in diesem Fall für das Verständnis der Wahlvoraussetzung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bedeutsam. Die Durchführung der Schwerbehindertenvertretungswahl ist nämlich für den Arbeitgeber mit nicht unerheblichen Kosten verbunden.404 Gerade auch diese Kosten dürften aus Sicht des Gesetzgebers für die 401 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 58c; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 5; Dörner, SchwbG, § 24 Anm. 43; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 176; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 39; Malcher, SchwbG, S. 87; Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 17; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 43; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 33; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 158; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 26; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 40; Zanker, BehR 1978, 31, 32. Vgl. auch Monjau, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 2. Differenzierend: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 268. Neuerdings offen lassend: Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 73. 402 Becke, BehR 1977, 58, 59; Teichert, BehR 1976, 11, 12. 403 LAG Niedersachsen vom 20.08.2008, 15 TaBV 145/07; ArbG Braunschweig vom 30.10.2007, 8 BV 87/07. 404 Zu denken ist hierbei insbesondere an die Kosten der Freistellung der Wahlvorstandsmitglieder und der Wahlberechtigten, die Kosten für die Schulung des Wahlvor-
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getroffene Verhältnismäßigkeitsabwägung zur Etablierung einer eigenständigen Schwerbehindertenvertretung maßgeblich gewesen sein.405 Angesichts einer solchen Wertentscheidung ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dem Arbeitgeber die Kosten einer Wahl auch dann zugemutet werden sollten, wenn von vornherein feststeht, dass das zu wählende Organ nur eine verhältnismäßig kurze Zeit bestehen wird. Die mit dem Schwellenwert verbundene Indizwirkung kann folglich auch nach dieser Ansicht nur eintreten, wenn der Erreichung der Mindestzahl eine Aussagekraft von verhältnismäßig langer Dauer zukommt. (3) Schlussfolgerungen Nach beiden Ansichten setzt die mit der Schwellenwerterreichung indizierte Erforderlichkeit der eigenständigen Vertretung voraus, dass die Mindestzahl nicht nur temporär, sondern für eine, gemessen an der Regelamtsdauer, verhältnismäßig lange Zeit erreicht sein wird. bb) Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers Im Rahmen des Schwellenwerts ist daher maßgeblich, ob die betreffenden Personen für die gesamte oder zumindest eine nicht unwesentliche Zeit der vierjährigen Amtsdauer im Betrieb beschäftigen sein werden. Hierbei sind etwaige Befristungen von Beschäftigungsverhältnissen nicht unmittelbar ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr, ob eine auf längere Zeit in die Zukunft gerichtete Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers besteht. cc) Rückschlüsse aus der übertragenen Arbeitsaufgabe Zur objektiven Feststellung einer derartigen Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers erscheint es nahe liegend, auf die Dauerhaftigkeit der dem Beschäftigten übertragen Arbeitsaufgabe abzustellen.406 Allerdings kann die Arbeitsaufgabe insoweit nur Indizwirkung haben. Aus dem Bestehen einer entsprechend dauerhaften Arbeitsaufgabe lässt sich nämlich nur schlussfolgern, dass die betreffende stands, sowie die Kosten für die Erstellung der Wahlunterlagen (vgl. dazu Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 135 ff.). 405 Vgl. dazu auch Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 108, 124 f. und 142 f. 406 So wohl Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 34; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 12. Ebenso im Hinblick auf das Merkmal „ständig“ in § 1 BetrVG: Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 276; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 112. Wohl auch von Seggern, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Hk-ArbR, SGB IX, § 94 Rn. 1, der das Merkmal der „nicht nur vorübergehenden“ Beschäftigung als Hohlbild des Merkmals „ständig“ aus § 1 BetrVG begreift und deshalb die diesbezügliche Rechtsprechung heranziehen will.
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Tätigkeit auch zukünftig von Beschäftigten durchgeführt werden wird. Dagegen lässt sich daraus nicht zwingend ableiten, dass die Tätigkeit auch perspektivisch durch den derzeit eingesetzten schwerbehinderten Menschen übernommen werden wird. Vielmehr erscheint es auch denkbar, dass der Arbeitgeber die betreffende Tätigkeit in naher Zukunft durch einen nicht schwerbehinderten Beschäftigten verrichten lässt. Während eine solche Planungsentscheidung zum Austausch der die Arbeitsaufgabe erfüllenden Beschäftigten für den Schwellenwert des § 1 BetrVG unerheblich wäre,407 kann diese im Hinblick auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX durchaus relevant sein. Aus der Übertragung einer längerfristigen Arbeitsaufgabe lässt sich daher nur eine widerlegbare Vermutung, nicht jedoch ein zwingender Rückschluss auf eine entsprechende Beschäftigungsabsicht ableiten. Damit sind die übertragenen Aufgaben nur bedingt geeignet, die Dauerhaftigkeit einer Beschäftigung eines Schwerbehinderten festzustellen. dd) Rückschlüsse aus Befristungen Mitunter geeigneter erscheint eine Feststellung etwaiger Befristungsabreden. Bei unbefristet eingestellten schwerbehinderten Beschäftigten ist nämlich allgemeinen von einer auf Dauer gerichteten Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers auszugehen. Unbefristet beschäftigte schwerbehinderte Menschen sind somit beim Schwellenwert stets zu berücksichtigen.408 Daneben kann eine auf Dauer gerichtete, i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausreichende Beschäftigungsabsicht auch dann vorliegen, wenn schwerbehinderte Menschen mit Befristungsabrede eingestellt wurden.409 Insbesondere in Fällen des § 14 Abs. 2 TzBfG ist die Befristung nämlich häufig nur einer späteren unbefristeten Beschäftigung vorgeschaltet, um die Option einer erleichterten Lösung vom Beschäftigungsverhältnis offen zu halten.410 Ohne das Vorliegen abweichender Anhaltspunkte ist daher auch bei sachgrundloser Befristung von einer auf Dauer gerichteten Beschäftigung auszugehen. Auch derartig befristet eingestellte schwerbehinderte Menschen sind also im Rahmen des Schwellenwerts zu berücksichtigen. 407
Vgl. Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 112. Vgl. Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 1; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 240; Rohwer-Kahlmann/Schroeder-Printzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 25; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 3. Wohl auch Zigan, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 10, der von „Dauerarbeitsplätzen“ spricht. Vgl. darüber hinaus Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5. Ebenso im Hinblick auf das Merkmal „ständig“ in § 1 BetrVG: Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 96; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 113. 409 Vgl. Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5. Vgl. auch Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 1. 410 Ähnlich für Probezeitbeschäftigungen Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 12. Ähnlich in Bezug auf das Merkmal „ständig“ in § 1 BetrVG: Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 96; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 240; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 114; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 243. 408
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Im Unterschied dazu spricht bei einer Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG zunächst eine Vermutung für einen nur vorübergehenden Charakter der Beschäftigung. Im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist allerdings auch in Bezug auf mit Sachgrund befristete Schwerbehinderte nicht generell ausgeschlossen, dass diese im Rahmen des Schwellenwerts zu berücksichtigen sind. Vielmehr sind auch nach § 14 Abs. 1 TzBfG Befristete mitzuzählen, wenn das Beschäftigungsverhältnis angesichts des Befristungsgrundes auf einen in Bezug auf die vierjährige Amtsdauer erheblichen Zeitraum angelegt ist.411 Auf längere Beschäftigungsdauer angelegte Befristungen stehen daher einer Berücksichtigung der betreffenden Personen beim Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht entgegen. e) Zusammenfassung Entgegen dem missverständlichen Wortlaut schließt das Kriterium der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung nicht jegliches Beschäftigungsverhältnis aus, dessen Endlichkeit von Anbeginn feststeht. Entgegen der vielfach in der neueren Literatur vertretenen Auffassung lässt sich die Reichweite des Kriteriums aber auch nicht durch Heranziehung anderer Vorschriften des SGB IX begrenzen. Insbesondere ist nach Sinn und Zweck des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht vorgesehen, dass der vorübergehende Charakter der Beschäftigung nur für einen zeitlich eng gefassten Betrachtungszeitraum geprüft wird. Vielmehr ist das Kriterium der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck so auszulegen, dass auf die Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers abzustellen ist. Beschäftigte sind somit nur dann zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, diese dauerhaft oder zumindest für einen im Hinblick auf die vierjährige Amtsdauer erheblichen Zeitraum zu beschäftigen.412 Nur dann kann nämlich der Mindestzahlerreichung die vom Gesetzgeber intendierte Indizwirkung hinsichtlich der Erforderlichkeit einer eigenständigen Interessenvertretung zukommen. Bei der insoweit erforderlichen Einzelfallbetrachtung kommen sowohl der übertragenen Arbeitsaufgabe als auch etwaigen Befristungsabreden lediglich widerlegbare Vermutungswirkungen zu.
411 Vgl. Sellmann/Evermann, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 9. Vgl. in Bezug auf das Merkmal „ständig“ in § 1 BetrVG: Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 276; Franzen, in: GKBetrVG, § 1 Rn. 96; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 240; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 112 f.; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 242. 412 Im Ergebnis ähnlich: Sellmann/Evermann, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 9. Vgl. in Bezug auf das Merkmal „ständig“ in § 1 BetrVG: Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 276; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 96; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 112 f.; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 242.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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V. Stichtagsbezogenheit des Schwellenwerts Personalbezogenen Schwellenwerten wohnt stets eine gewisse, fluktuationsbedingte Schwankungsanfälligkeit inne. Hieraus können sich in der praktischen Handhabung nicht unerhebliche Schwierigkeiten ergeben, wenn sich die Personalstärke im Grenzbereich der maßgeblichen Mindestzahl bewegt. Zur Vermeidung derartiger Schwankungen stellt ein erheblicher Teil der personalbezogenen Schwellenwertregelungen ausdrücklich darauf ab, dass der Schwellenwert „in der Regel“ erreicht bzw. unterschritten wird.413 Dadurch wird gewährleistet, dass temporäre Veränderungen der Personaldecke unberücksichtigt bleiben und stattdessen auf den Normalzustand abzustellen ist.414 Für einen solchen Schwellenwert ist also die Personenzahl maßgeblich, die im Allgemeinen für den Betrieb bzw. das Unternehmen kennzeichnend ist,415 wobei auch künftige Entwicklungen Berücksichtigung finden können.416 1. Systematische Atypik des § 94 Abs. 1 SGB IX Vergleicht man die Schwellenwertregelung der Schwerbehindertenvertretungswahl mit denen der Betriebsrats-, der Jugend- und Auszubildendenvertretungsoder der Sprecherausschusswahl, ist ein systematischer Bruch auffällig. Anders als bei den übrigen Regelungen kommt es in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht darauf an, ob der Schwellenwert „in der Regel“ erreicht wird. Dem Wortlaut nach werden hier also temporäre Personalschwankungen im Rahmen der Wahlvoraussetzungen nicht ausgeblendet. Stattdessen soll es nach ganz herrschender Auffassung allein darauf ankommen, dass die erforderliche Mindestzahl am Tag der Wahl erreicht wird.417 Diese Abweichung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX 413
Vgl. Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 66. Vgl. BAG vom 16.04.2003, 7 ABR 53/02, AP Nr. 7 zu § 9 BetrVG 1972; BAG vom 29.05.1991, 7 ABR 27/90, AP Nr. 1 zu § 17 BPersVG; Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 60 Rn. 6; Annuß/Girlich, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, SprAuG, § 1 Rn. 9; Blanke, AiB 1982, 36, 36; Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 437; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 68; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 271 f. und § 60 Rn. 12; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 99; Kreutz, in: GKBetrVG, § 9 Rn. 9; Oetker, in: GK-BetrVG, § 60 Rn. 36; Oetker, in: ErfK, SprAuG, § 1 Rn. 4; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 116; Schwab, NZA 1988, 687, 688. 415 BAG vom 16.11.2004, 1 AZR 642/03, AP Nr. 58 zu § 111 BetrVG 1972; BAG vom 22.03.1983, 1 AZR 260/81, AP Nr. 7 zu § 113 BetrVG 1972; Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, S. 437; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 67; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 271; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 99. 416 Vgl. BAG vom 16.11.2004, 1 AZR 642/03, AP Nr. 58 zu § 111 BetrVG 1972; BAG vom 16.04.2003, 7 ABR 53/02, AP Nr. 7 zu § 9 BetrVG 1972; BAG vom 22.03. 1983, 1 AZR 260/81, AP Nr. 7 zu § 113 BetrVG 1972; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 68; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 272; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 99. 417 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 26; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 5; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, 414
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
von den Schwellenwertregelungen der übrigen betrieblichen Interessenvertretungen wird in der Literatur weitgehend unreflektiert hingenommen.418 Angesichts der offensichtlichen systematischen Widersprüchlichkeit erscheint es jedoch geboten zu untersuchen, ob das Fehlen der Formulierung „in der Regel“ auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung beruht oder ob ein Versehen des Gesetzgebers vorliegt. In letzterem Fall wäre die Vorschrift trotz der fehlenden Formulierung dergestalt auszulegen,419 dass auf die regelmäßige Zahl schwerbehinderter Beschäftigter abgehoben werden muss. 2. Auslegung im Hinblick auf die Stichtagsbezogenheit Im Folgenden soll die Schwellenwertregelung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX daher im Hinblick auf deren Stichtagsbezogenheit hin ausgelegt werden. a) Normhistorische Betrachtung Betrachtet man den Wortlaut der Wahlvoraussetzung von seiner historischen Entstehung her, ist festzustellen, dass die Formulierung „in der Regel“ in keiner der Vorgängerregelungen zu § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu finden war (vgl. nur § 11 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1920 und § 12 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1923). Demgegenüber stellten bereits §§ 1 und 2 Abs. 1 BRG 1920 auf die Zahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer ab. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs der Entstehung der Schwellenwertregelungen des BRG 1920 einerseits und des SchwerbeschädigtenG 1920 andererseits liegt die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber diese insoweit bewusst unterschiedlich ausgestaltet hat. Dies gilt umso mehr, als im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum SchwerbeschädigtenG 1920 eine intensive Diskussion um das Verhältnis zwischen dem Schwerbeschädigtenvertrauensmann und SGB IX, § 94 Rn. 5; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 46; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 16; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 6; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 4; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 4; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 16; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 28; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 4. Vgl. auch BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX und Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143. A. A. Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6, die stattdessen auf den Tag der Einleitung der Wahl abstellen will. 418 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 26; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 16; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 28; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 4. Diese Atypik kurz ansprechend lediglich Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6. 419 Vgl. zur Zulässigkeit einer solchen, sich nicht unmittelbar auf den Wortlaut stützenden Auslegung von Schwellenwertregelungen: Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 67 f.
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den nach dem BRG 1920 zu wählenden Arbeitnehmervertretungen stattgefunden hatte.420 Allerdings findet sich in den Gesetzesmaterialien kein konkreter Beleg dafür, dass der Gesetzgeber gerade auch in Bezug auf das Nichtverwenden der Formulierung „in der Regel“ eine bewusste Entscheidung getroffen hat. Eine normhistorische Betrachtung des Schwellenwerts lässt daher keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Stichtagsbezogenheit des Schwellenwerts zu. b) Systematische Betrachtung Wie bereits dargelegt, nimmt die Formulierung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX im Kontext der Schwellenwerte der betrieblichen Interessenvertretungen eine systematisch auffällige Sonderstellung ein. Diese legt es nahe, dass dem Gesetzgeber insoweit lediglich ein Fehler unterlaufen ist und er für die Schwerbehindertenvertretung insoweit keine abweichende Schwellenwertregelung schaffen wollte. aa) Formulierung des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX Betrachtet man dagegen die Regelung des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX erscheint es nahe liegend, der Gesetzgeber habe in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bewusst darauf verzichtet, die Formulierung „in der Regel“ aufzunehmen. Allerdings ist diese Regelung erst deutlich später als die Schwellenwertregelung in das Gesetz aufgenommen worden. Denkbar wäre es daher auch, dass sich der Gesetzgeber bei der Aufnahme der Formulierung „in der Regel“ keinerlei Gedanken darüber machte, dass diese in systematischer Hinsicht auf das Verständnis der Wahlvorschriften ausstrahlen könnte. Insbesondere finden sich in den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Vorgängerregelung des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bewusst anders fassen wollte als die bestehende Schwellenwertregelung der Wahlvoraussetzungen. Gegen eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung hinsichtlich der Formulierung „in der Regel“ spricht zudem die wenige Jahre später aufgenommene Möglichkeit der Hinzuziehung eines zweiten stellvertretenden Mitglieds. In der diesbezüglichen Normierung hat die Formulierung „in der Regel“ nämlich gerade keinen Eingang gefunden. Dass der Gesetzgeber dahingehend eine unterschiedliche Handhabung der Schwellenwerte für die Heranziehung des ersten und des zweiten Stellvertreters beabsichtigte, erscheint abwegig und durch nichts begründet.421 Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber im Hin420 Vgl. nur Drs. der Nationalversammlung 1750, S. 1783 und Drs. der Nationalversammlung 2422, S. 2615. Vgl. auch Weigert/Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 8. 421 Vgl. Knittel, SGB IX, § 95 Rn. 26 f. Vgl. dazu auch Düwell, BB 2000, 2570, 2573, der den terminologischen Unterschied konsequent übergeht und gerade nicht zwischen den beiden Schwellenwerten unterscheidet.
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blick auf die Unterscheidung zwischen der in der Regel maßgeblichen und einer stichtagsbezogenen Schwellenwertregelung keine Gedanken gemacht hat.422 bb) Formulierung des § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB IX Auch § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB IX enthält einen Schwellenwert, der die Formulierung „in der Regel“ verwendet. Allerdings lässt sich aus dieser Normierung ebenfalls nicht zwingend schlussfolgern, dass der Gesetzgeber in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auf die Verwendung einer derartigen Formulierung bewusst verzichtet hätte. Auch hinsichtlich dieser Regelung lässt sich den Gesetzesmaterialien nämlich nicht entnehmen, dass eine unterschiedliche Handhabung der Schwellenwerte erreicht werden sollte. Vielmehr legt die Begründung zum Regierungsentwurf die Vermutung nahe, dass sich die Urheber der Novellierung nicht über die Bedeutung der Verwendung der Formulierung „in der Regel“ bewusst waren.423 cc) Schlussfolgerungen Bei näherer Betrachtung zeigt sich somit, dass aus der in §§ 95 und 96 SGB IX teilweise zu findenden Verwendung der Formulierung „in der Regel“ keine zwingenden Rückschlüsse gezogen werden können. Insbesondere lässt sich nicht belegen, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung dieser Formulierung in andere Regelungen zugleich auch die Handhabung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ändern oder verfestigen wollte. Vielmehr wird aus den zugehörigen Gesetzesmaterialien und der historischen Entwicklung des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX deutlich, dass sich der Gesetzgeber hinsichtlich der dortigen Verwendung der Formulierung „in der Regel“ offenbar keine näheren Gedanken gemacht hat. c) Teleologische Betrachtung Um teleologische Schlussfolgerungen ziehen zu können, ist wiederum vom Sinn und Zweck der Schwellenwertregelung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auszugehen. Wie bereits dargelegt, ist die Norm Ausdruck einer vom Gesetzgeber getroffenen Wertung, in welchen Betrieben von der Erforderlichkeit und Zumut-
422 Dies zeigt sich auch in der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 15/ 1783, S. 16), in der ebenfalls nicht zwischen der Handhabung der beiden Schwellenwerte differenziert wird. 423 Im Rahmen der Begründung wird die Formulierung „in der Regel“ nämlich gerade nicht aufgegriffen. Stattdessen wird dort lediglich darauf abgestellt, dass in den Betrieben „wenigstens 200 Schwerbehinderte“ beschäftigt werden, vgl. Begr. Reg.Entw., BT-Drs. 14/3372, S. 20.
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barkeit der Wahl eines eigenständigen Interessenvertretungsorgans der Schwerbehinderten auszugehen ist.424 aa) Bedeutung der Dauerhaftigkeit des Bestands der Interessenvertretung Wie bereits dargelegt, kommt der Dauerhaftigkeit des Bestands des zu wählenden Organs auch wegen der Erforderlichkeits- und Zumutbarkeitsvermutung nicht unerhebliche Bedeutung zu. Vor allem kann die Erreichung der maßgeblichen Mindestzahl nur dann eine entsprechende Indizwirkung entfalten, wenn diese eine, gemessen an der Regelamtsdauer von vier Jahren, verhältnismäßig lange Zeit vorliegen wird.425 bb) Notwendigkeit der Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen Das macht es grundsätzlich erforderlich, dass auch absehbare zukünftige Personalentwicklungen in die Betrachtung einfließen können. Schließlich kann die Schwellenwerterreichung die Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Wahl nicht indizieren, wenn von Anbeginn feststeht, dass die maßgebliche Beschäftigtenzahl in absehbarer Zeit wieder dauerhaft unter den Schwellenwert sinken wird. Umgekehrt erscheint es schwer nachvollziehbar, warum eine lediglich kurzzeitige, aber den Wahltag betreffende Unterschreitung der Mindestzahl die Notwendigkeit und Zumutbarkeit einer eigenständigen Interessenvertretung entfallen lassen soll.426 (1) Prognosecharakter des Kriteriums der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung In diesem Zusammenhang kommt bereits dem Kriterium der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung tragende Bedeutung zu. Stellt man nämlich mit der hier vertretenen Auffassung427 auf die Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers ab, können bei Ermittlung der beim Schwellenwert zu berücksichtigenden Personen bereits konkrete Personalplanungen Berücksichtigung finden. Dies gilt anders als nach den in der Literatur verbreitet vertretenen Ansichten selbst dann, wenn die Planungen erst nach mehr als acht Wochen bzw. sechs Monaten Wirkung zeigen werden.428
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Siehe dazu oben § 3 IV. 3. d) bb) und cc). Siehe dazu oben § 3 IV. 3. d) bb) und cc) und § 3 IV. 4. d) aa). 426 Wohl gerade aus diesem Grund wird auch in § 1 BetrVG auf die Zahl der „in der Regel“ tätigen Arbeitnehmer abgestellt. Vgl. dazu Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 271 und 273; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 99; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 116. 427 Siehe dazu oben § 3 IV. 4. d). 428 Siehe näher dazu oben § 3 IV. 4. 425
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
(2) Grenzen der Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen bei rein stichtagsbezogener Handhabung des Schwellenwerts Allerdings können über dieses Kriterium nicht sämtliche absehbaren Personalentwicklungen in die Ermittlung der Erreichung der Mindestzahl einbezogen werden. (a) Feststehende, erst zukünftige Schwellenwerterreichung Augenscheinlich wird dies etwa in dem Fall, dass die Mindestzahl zunächst nicht erreicht wird, aber gleichzeitig feststeht, dass erst kurz nach dem avisierten Wahltermin weitere Schwerbehinderte eingestellt werden. Bei einer rein stichtagsbezogenen Handhabung des Schwellenwerts könnten diese nämlich auch nach dem hier vertretenen Verständnis des Merkmals der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung keine Berücksichtigung finden. Die Wahlvoraussetzungen müssten in diesem Fall also verneint werden, obwohl absehbar ist, dass die mit der Erreichung der Mindestzahl indizierte Erforderlichkeit einer eigenständigen Interessenvertretung in naher Zukunft gegeben sein wird. Eine rein stichtagsbezogene Handhabung des Schwellenwerts kann also zu Folge haben, dass eine nur kurzzeitige, aber den avisierten Wahltermin betreffende Unterschreitung der Mindestzahl zur zeitweisen Vertretungslosigkeit des betreffenden Betriebs führt. (b) Schlussfolgerungen Beides stünde jedoch im Widerspruch zum Grundsatz der obligatorischen Vertretung. Unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint es daher geboten, die Schwellenwertregelung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dergestalt auszulegen, dass es nicht auf eine stichtagsbezogene Erreichung der Mindestzahl ankommt. Stattdessen müsste zugunsten des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung insoweit auf die regelmäßige Zahl der nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Menschen abgestellt werden. Auf diese Weise wäre es theoretisch möglich, auch absehbare künftige Personalentwicklungen in die Feststellung der Erreichung der Mindestzahl einfließen zu lassen. cc) Unzureichende Planbarkeit der Beschäftigung Schwerbehinderter Allerdings stellt sich insofern das Problem, dass die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nur bedingt einer konkreten arbeitgeberseitigen Personalplanung unterliegen kann.429 Zunächst einmal ist es dem Arbeitgeber auf Grund der 429 Vgl. BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX. Vgl. auch Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31.
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Diskriminierungsverbote des § 7 i.V. m. § 1 AGG und des § 81 Abs. 2 SGB IX untersagt, die (Schwer-)Behinderteneigenschaft zum Anknüpfungspunkt einer benachteiligenden Handlung zu machen. Das Merkmal der Behinderung muss daher insbesondere bei benachteiligenden Entscheidungen über der Einstellung von Bewerbern oder der Versetzung von Beschäftigten unberücksichtigt bleiben.430 Von bevorzugenden Maßnahmen431 abgesehen, muss eine Personalplanungsentscheidung daher schon aus rechtlichen Gründen von der Schwerbehinderteneigenschaft der jeweiligen Beschäftigten losgelöst erfolgen. Sie kann daher nur eingeschränkt Gegenstand einer spezifisch auf schwerbehinderte Beschäftigte bezogene Personalentwicklungsprognose sein. Auch im Fall eines beabsichtigten Personalabbaus lässt sich eine Prognose im Allgemeinen auch nur im Hinblick auf die gesamte Beschäftigtenzahl und nicht hinsichtlich des zukünftigen Anteils schwerbehinderter Beschäftigter aufstellen. Angesichts der dem Arbeitgeber obliegenden Gewichtung der Sozialauswahlkriterien,432 lässt sich selbst bei Feststehen der vom Wegfall betroffenen Arbeitsplätze noch nicht sicher prognostizieren, inwieweit sich auch die Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten reduziert. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine speziell auf Schwerbehinderte bezogene Prognose der Beschäftigtenzahl nur eingeschränkt möglich.433 Der Zahl der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann daher, anders als etwa die allgemeine Arbeitnehmerzahl i. S. d. § 1 BetrVG, schon aus rechtlichen, aber auch aus tatsächlichen Gründen nur bedingt Gegenstand einer Personalentwicklungsplanung sein.434
430 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 81 Rn. 60 und 62; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 81 Rn. 16; Neumann, in: Neumann/Pahle/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 81 Rn. 12. 431 Zu denken ist hier etwa an die Entscheidung, bestimmte Arbeitsplätze bewusst nur mit schwerbehinderten Personen zu besetzen (z. B. bei speziell eingerichteten Schwerbehindertenarbeitsplätzen). Eine solche Maßnahme dürfte nämlich in der Regel durch § 5 AGG gerechtfertigt sein. 432 Vgl. dazu BAG vom 06.07.2006, 2 AZR 442/05, AP Nr. 82 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Deinert, in: Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, KSchG, § 1 Rn. 667 ff.; Eylert, in: Schwarze/Eylert/Schrader, KSchG, § 1 Rn. 421 f.; Preis, in: Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 1100. 433 Dass in den Regelungen des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX und des § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB IX gleichwohl die Zahl der „in der Regel“ Beschäftigten maßgeblich sein soll, steht dem nur auf ersten Blick entgegen: Wie bereits dargelegt, hat sich der Gesetzgeber bei der Verwendung dieser Formulierung keine vertieften Gedanken über deren Tragweite gemacht und daher offenbar die eingeschränkte Umsetzbarkeit einer solchen Formulierung übersehen. Noch enger Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31, die keine Prognose für möglich hält. 434 Vgl. auch BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX, das im Hinblick auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt.
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dd) Kein Rückgriff auf die geltende Beschäftigungspflicht Angesichts dieser tatsächlichen Schwierigkeiten in der konkreten Planbarkeit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen erscheint es grundsätzlich denkbar, für eine Prognose auf die für den Arbeitgeber geltende Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX zurückzugreifen. Theoretisch wäre es dabei möglich, entweder allein die Zahl der zu beschäftigten schwerbehinderten Menschen heranzuziehen. Denkbar wäre es aber auch, bei der Prognose zunächst auf die aktuelle Zahl schwerbehinderter Beschäftigter abzustellen und im Hinblick auf eine pflichtgemäße Erfüllung der Beschäftigungsquote, jedenfalls bei unterschreitenden Arbeitgebern, zu vermuten, dass die derzeitige Beschäftigtenzahl zumindest nicht abgesenkt werde. In beiden Varianten würde dies dazu führen, dass es für die Zukunftsprognose letztlich nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse, sondern auf eine fiktive Soll-Beschäftigung ankäme. Dies erscheint jedoch in verschiedener Hinsicht problematisch. (1) Wortlaut und Systematik Schon der Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX spricht gegen eine Anknüpfung an die Beschäftigungspflicht. Schließlich stellt er nicht darauf ab, wie viele schwerbehinderte Menschen „nach § 71 SGB IX zu beschäftigen sind“ oder „beschäftigt werden müssen“, sondern beschränkt sich darauf, wie viele schwerbehinderte Menschen tatsächlich „beschäftigt sind“. Angesichts des Umstands, dass sich etwaige Prognosen bei anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen stets an den tatsächlichen Verhältnissen orientieren,435 spricht auch ein systematischer Vergleich gegen einen Rückgriff auf die gesetzlich vorgegebene Beschäftigungsquote. (2) Teleologische Gesichtspunkte In teleologischer Hinsicht ist zu bedenken, dass eine von den realen Verhältnissen los gekoppelte, fiktive Beschäftigtenzahl, nicht mehr geeignet erschiene, die tatsächliche Notwendigkeit einer spezifischen Interessenvertretung zu implizieren.436 Dagegen ließe sich zwar anführen, dass es einem die Beschäftigungspflicht nicht erfüllenden Arbeitgeber möglicherweise verwehrt sei, sich auf die fehlende Indizwirkung der fingierten Beschäftigtenzahl zu berufen. Damit würde man der Schwellenwertregelung allerdings zugleich einen zusätzlichen Sanktionierungseffekt beimessen. Ein solcher dürfte vom Gesetzgeber jedoch nicht gewollt gewesen sein, weil er die Nichterfüllung der Pflichtquote über die Aus435 Vgl. Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 99; Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 116. 436 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. d) bb) und cc).
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gleichabgabe nach § 77 SGB IX und die Bußgeldandrohung nach § 156 Abs. 2 i.V. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB IX bereits doppelt sanktioniert hat. (3) Historische Entwicklung Wesentlich gegen einen Rückgriff auf die Beschäftigungspflicht spricht auch die historische Entwicklung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Ursprünglich war in § 11 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1920 als Voraussetzung der Etablierung einer Schwerbehindertenvertretung437 noch vorgesehen, dass 100 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden. Die Wahlvoraussetzung knüpfte also damals an die Gesamtbeschäftigtenzahl und damit an eine abstrakte Betriebsgröße an, die von der Zahl der tatsächlich beschäftigten Schwerbeschädigten unabhängig war.438 Dieser Umstand wurde vom Gesetzgeber als misslich empfunden und die Regelung deshalb bei der Reform von 1923 dergestalt modifiziert, dass von da an die Zahl der Schwerbeschädigten maßgeblich sein sollte.439 Der Gesetzgeber hat sich somit in der Vergangenheit bewusst gegen eine von der tatsächlichen Schwerbehindertenzahl unabhängige Betriebsgröße als Wahlvoraussetzung entschieden. Stellte man jedoch im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auf die Pflichtbeschäftigung ab, machte man wiederum eine von der tatsächlichen Zahl der Schwerbehinderten unabhängige Größe zum Anknüpfungspunkt. Die Zahl der zu beschäftigenden schwerbehinderten Menschen richtet sich nämlich entsprechend § 71 Abs. 1 SGB IX nach der Zahl der Arbeitsplätze des Arbeitgebers. Durch die Anknüpfung an die Pflichtquote würde damit indirekt eine Zahl von 100 Arbeitsplätzen440 und damit eine abstrakte Größe des Arbeitgebers zur Wahlvoraussetzung erhoben. Dies würde jedoch dem aus der historischen Entwicklung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX folgenden Willen des Gesetzgebers widersprechen. Auch die Normhistorie spricht damit wesentlich gegen ein Abstellen auf die Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX. (4) Divergenz des Anknüpfungspunkts Entscheidend gegen einen Rückgriff auf § 71 SGB IX spricht vor allem der divergierende Anküpfungspunkt der beiden Regelungen. Während § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wie bereits dargelegt auf den Betrieb abstellt,441 bezieht sich die 437 Seinerzeit wurde die Schwerbehindertenvertretung noch als Vertrauensmann der Schwerbeschädigten bezeichnet. 438 Vgl. Weigert/Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 6. 439 Vgl. Richter, SchwerbeschädigtenG, 1. Aufl., § 12 Vorbemerkung; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 9; Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Vorbemerkung. 440 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 15. 441 Siehe dazu oben § 3 II.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX gerade nicht auf die einzelnen Betriebe, sondern auf den Arbeitgeber.442 Damit ergäben sich immer dann erhebliche Widersprüche, wenn ein Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Betriebe unterhält. Auch liefe die in § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vorgesehene Möglichkeit zur Zusammenfassung mehrere Betriebe desselben Arbeitgebers bei einer solchen Betrachtungsweise vollständig leer. (5) Schlussfolgerungen Angesichts all dieser Gesichtspunkte ist nicht davon auszugehen, dass im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auf die Zahl der nach § 71 SGB IX zu beschäftigenden schwerbehinderten Menschen zurückgegriffen werden kann.443 Dementsprechend lassen sich die im Hinblick auf die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen bestehenden Schwierigkeiten bei der Personalentwicklungsplanung auch nicht dadurch kompensieren, dass für die Prognose an die für den jeweiligen Arbeitgeber geltende Pflichtplatzzahl angeknüpft wird. d) Zusammenfassende Bewertung Weder eine normhistorische Betrachtung noch die Verwendung der Formulierung „in der Regel“ in den §§ 95 und 96 SGB IX lassen für die Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zwingende Rückschlüsse zu. Im Unterschied dazu sprechen sowohl der systematische Vergleich mit den Wahlvoraussetzungen der übrigen betrieblichen Interessenvertretungen als auch Sinn und Zweck der Schwellenwertregelung gegen eine stichtagsbezogene Handhabung des Schwellenwerts. Vielmehr liegt es danach nahe, hinsichtlich der Mindestzahl auf die regelmäßige Zahl der im Betrieb nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Menschen abzustellen. Einer solchen Handhabung steht jedoch entgegen, dass eine Personalplanung grundsätzlich schon aus rechtlichen Gründen nur bedingt an die Schwerbehinderteneigenschaft anknüpfen kann. Zudem erscheint es schwerlich möglich, eine Personalentwicklungsprognose hinsichtlich der für einen Betrieb kennzeichnenden Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten aufzustellen. Auf Grund der unzureichenden Praktikabilität scheidet daher eine den Wahlvoraussetzungen der übrigen Interessenvertretungen entsprechende Handhabung des Schwellenwerts aus. Ebenso kommt auch ein Rückgriff auf die Zahl der nach § 71 SGB IX zu beschäftigenden schwerbehinderten Menschen nicht in Betracht. Stattdessen ist im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausschließlich eine stichtagsbezogene Feststellung der Mindestzahl vorzunehmen. 442 Dopatka/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 71 Rn. 10. Vgl. auch Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 71 Rn. 12. 443 Vgl. dazu auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 5; Malcher, SchwbG, S. 82; Monjau, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 2. Vgl. auch Weber, SchwbG, § 24 Anm. 1.
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3. Maßgeblicher Stichtag Geht man von dieser Stichtagsbezogenheit der Schwellenwerterreichung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus, stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt hierbei abzustellen ist.444 Im Folgenden soll daher geklärt werden, welcher Stichtag für die Erreichung der Mindestzahl des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausschlaggebend ist. a) Wahltagsbezogenheit des Schwellenwerts In Bezug auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX geht die ganz herrschende Ansicht des Schrifttums und wohl auch die Rechtsprechung davon aus, dass auf den Wahltag abzustellen ist.445 aa) Konzentration der Stimmabgabehandlungen Für diesen Zeitpunkt spricht, dass dieser Tag von der Stimmabgabe und damit vom Kernbestandteil der Wahl geprägt ist.446 Allerdings ist zu bedenken, dass im Wege der schriftlichen Stimmabgabe im förmlichen Wahlverfahren auch schon deutlich vor dem eigentlichen Wahltag Abstimmungshandlungen erfolgen.447 Im Fall der nach § 11 Abs. 2 SchwbVWO möglichen generellen Briefwahl ist die Stimmabgabe gar vollständig auf einen längeren Zeitabschnitt ausgedehnt.448 Eine Konzentration der Stimmabgabehandlungen auf einen bestimmten Wahltag ist hier nicht mehr auszumachen. Stellte man auf den letzten Tag der Frist für den Eingang der schriftlichen Stimmen ab, wäre für diesen Zeitpunkt ebenfalls nicht gewährleistet, dass dieser durch die Abstimmungshandlungen und damit vom 444
Siehe zu einem insoweit bestehenden Parallelproblem unten § 5 III. 3. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 26; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 5; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 5; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 46; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 16; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 6; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 4; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 4; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 14; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 16; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 28; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 4; Triemel, Minderheitenschutz in den Organisationsvorschriften der Betriebsverfassung, S. 279. Vgl. auch BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX und Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70. A. A. bisher nur Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6. 446 In dieser Richtung wohl BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX, das der Ansicht ist, dass grundsätzlich alle Voraussetzungen für eine wirksame Wahl am Wahltag vorliegen müssten, aber dann in Bezug auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX eine andere Auffassung vertritt. 447 Siehe allgemein zu den Besonderheiten der schriftlichen Stimmabgabe § 9 II. 1. d). 448 Siehe zur Anordnung der generellen Briefwahl § 8 II. 3. und § 9 II. 1. d) aa) (2) und cc) (2) (b). 445
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Kernbestandteil der Wahl gekennzeichnet ist. Dies macht vielmehr deutlich, dass sich die Schwerbehindertenvertretungswahl an sich nicht auf den „Wahltag“ beschränkt, sondern einen über einen längeren Zeitraum gestreckten Prozess darstellt. Daher ist der Zeitpunkt der Stimmabgabehandlungen nicht zwingend als ausschlaggebend anzusehen. Stattdessen sind auch andere zentrale Eckpfeiler des gesamten Wahlprozederes als zeitliche Anknüpfungspunkte denkbar.449 bb) Anfälligkeit eines wahltagsbezogenen Stichtags Ein „Abrücken“ vom Wahltagsbezug des Schwellenwerts könnte insbesondere angesichts der Fehleranfälligkeit dieses Stichtags durch den Grundsatz der obligatorischen Vertretung angezeigt sein. Auf Grund der für die beiden vorgesehenen Wahlverfahren450 divergierenden Wahlinitiierungshandlungen451 würde ein solcher Stichtag nämlich dazu führen, dass eine auf den Wahltag gerichtet Prognose aufgestellt werden müsste. Hierbei stünde den mit der Entscheidung betrauten Personen selbst in solchen Betrieben keinerlei Beurteilungsspielraum452 zu, in denen sich die Zahl der Wahlberechtigten zum Prognosezeitpunkt im Grenzbereich des Schwellenwerts bewegt. Damit könnten nicht nur unvorhergesehene Arbeitgeberentscheidungen, sondern auch nicht beeinflussbare Änderungen des jeweiligen Schwerbehindertenstatus453 der Beschäftigten dazu führen, dass sich eine zunächst für zulässig erachtete Wahl einer Schwerbehindertenvertretung am Wahltag als nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX unzulässig darstellt. Dies hätte zur Folge, dass die Wahl noch am Wahltag abgebrochen werden müsste454 und eine neue Wahl erst dann wieder stattfinden könnte, wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Prognose mehr Erfolg verspricht. In der Konsequenz würde es 449 So letztlich auch in Bezug auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX: BAG vom 16.11. 2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Boch, SAE 2007, 151, 153; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 245; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 43. Ebenso unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Auffassung: Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 1. 450 Siehe näher dazu unten § 5 I. 451 Siehe zu den einzelnen Initiierungshandlungen und deren Voraussetzungen ausführlich unten § 6 IV. 452 Siehe dazu oben § 3 V. 2. c) bb) (2), sowie unten § 5 II. 1. c). Vgl. auch Boch, SAE 2007, 151, 152. 453 Zu denken ist hierbei etwa an die Aberkennung oder Nichtverlängerung einer Gleichstellung oder auch das Wegfallen einer Schwerbehinderung. 454 Zanker, WO zum SchwbG, S. 16. Vgl. in Bezug auf den Schwellenwert des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auch BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 1.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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also mitunter vom Zufall abhängen, ob die getroffene Prognose tatsächlich eintritt und die eingeleitete Wahl bis zum Ende durchgeführt werden kann.455 Dies gilt umso mehr wenn man bedenkt, mit welch erheblichen praktischen Schwierigkeiten eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verbunden ist.456 Die erfolgreiche Durchführung der Wahl stünde demnach besonders in Grenzfällen permanent unter dem Risiko einer schwellenwertrelevanten Änderung der maßgeblichen Personenzahl. Dies ist mit dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung jedoch nicht zu vereinbaren.457 Zudem ist zu beachten, dass bei einer solch zufallsabhängigen Wahldurchführung in erhöhtem Maße mit einer zunehmenden Wahlverdrossenheit zu rechnen wäre. Diese könnte nicht nur in eine verminderte Wahlbeteiligung münden, sondern zugleich auch das Risiko bergen, dass generell die Bereitschaft sinkt, überhaupt eine solche Wahl durchzuführen. Dies stünde jedoch in eklatantem Widerspruch zur Konzeption der Schwerbehindertenvertretungswahl. Angesichts dieser Umstände erscheint der Wahltag nicht als geeigneter Stichtag für die Erreichung des Schwellenwerts des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.458 b) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahleinleitung Angesichts dieser Verwerfungen mit dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung wird im Schrifttum nunmehr vereinzelt die Auffassung vertreten, auch für den Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sei nicht auf den Wahltag, sondern auf den Zeitpunkt der Einleitung der Wahl abzustellen.459 Durch einen 455 Vgl. zur zufallsausschließenden Wirkung eines Schwellenwerts, der auf die „in der Regel“ Beschäftigten abstellt: Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 68. 456 Siehe dazu bereits oben § 3 V. 2. c) cc). 457 In dieser Richtung auch Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6. In Bezug auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX letztlich auch: BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Boch, SAE 2007, 151, 153; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 1; Rudolph, AiB 2006, 449, 449. 458 So im Ergebnis auch Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6. Vgl. in Bezug auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX letztlich auch: BAG vom 16.11. 2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Boch, SAE 2007, 151, 153; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 245; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 1; Rudolph, AiB 2006, 449; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 43. 459 So Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6. Ebenso im Hinblick auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX: BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
solchen zeitlich vorgelagerten Stichtag wird vermieden, dass später im Laufe des Wahlprozederes auftretende, fluktuationsbedingte personelle Schwankungen, die Durchführung der Wahl beeinflussen können und damit ein Scheitern der Wahl zu befürchten stünde. Zugunsten des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung wird damit nicht nur für Rechtssicherheit hinsichtlich einer bereits in Gang gesetzten Schwerbehindertenvertretungswahl gesorgt,460 sondern zugleich auch das Risiko zwischenzeitlicher Beeinflussung des Schwellenwerts durch den Arbeitgeber beseitigt. Die bei einer Wahltagsbezogenheit des Stichtags auftretenden Verwerfungen mit den allgemeinen Grundsätzen der Wahl lassen sich somit im Wege einer solche „Vorverlagerung“ des maßgeblichen Zeitpunkts der Schwellenwerterreichung vermeiden. Dieser neu im Schrifttum vertretenen Ansicht, dass für die Schwellenwerterreichung im vereinfachten Verfahren auf den Zeitpunkt der Einladung zur Wahlversammlung461 abgestellt werden muss, ist daher im Ergebnis462 zuzustimmen.463 c) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahlinitiierung Letztlich nicht zu folgen ist jedoch dem hierfür zugrunde gelegten Ansatz, dass Anknüpfungspunkt hierfür die Wahleinleitung sei.464 Vielmehr muss dabei konsequenterweise auf den Zeitpunkt der Initiierung der Wahl abgestellt werden.
zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Boch, SAE 2007, 151, 153; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 245; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 1; Rudolph, AiB 2006, 449; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 43. 460 Vgl. dazu Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6. 461 So explizit Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6. 462 Siehe jedoch zur vorliegend vertretenen Ausrichtung am – hier zeitlich identischen – Zeitpunkt der Wahlinitiierung sogleich unten § 3 V. 3. c). 463 Soweit Müller-Wenner (in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6) im Rahmen ihrer Ausführungen darauf hinweist, dass eine Wahl nicht stattfinden könne, wenn zum Zeitpunkt der Wahlleitung absehbar sei, dass ein schwerbehinderter Mensch bis zum Wahltag aus dem Betrieb ausscheide und dadurch der Schwellenwert nicht mehr erreicht werde, hat dies nichts mit einer Prognose der Personalentwicklung im Sinne einer Feststellung der „in der Regel“ Beschäftigten zu tun. Vielmehr scheidet eine Wahl in diesem Fall richtigerweise deshalb aus, weil der zum Stichtag zu berücksichtigende, aber kurz darauf ausscheidende schwerbehinderte Beschäftigte das in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX verlangte Kriterium der „nicht nur vorübergehenden Beschäftigung“ (siehe dazu oben § 3 IV. 4.) nicht erfüllt (dies übersieht Müller-Wenner, die fälschlich davon ausgeht bei § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sei „auch [eine] nur vorübergehende Beschäftigungssituation“ maßgeblich). 464 So aber Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6.
§ 3 Wahlvoraussetzungen
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aa) Zeitlicher Gleichlauf von Initiierung und Einleitung Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Unterscheidung zwischen Wahleinleitung und Wahlinitiierung in Bezug auf den Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX weitgehend akademischer Natur ist.465 In Fällen in denen Zweifel bestehen, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt mindestens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt werden, wird nämlich in aller Regel ein vereinfachtes Wahlverfahren durchzuführen sein. Bei diesem fallen jedoch Initiierung und förmliche Einleitung der Wahl gleichermaßen auf den Zeitpunkt der Einladung zur Wahlversammlung.466 Damit können sich hier weder zeitliche noch inhaltliche Divergenzen ergeben, so dass es hier materiell nicht auf eine Unterscheidung ankäme. bb) Systematische Einheitlichkeit Allerdings darf dabei die systematische Einheitlichkeit der Wahlregelungen nicht aus den Augen verloren werden. Im Hinblick auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX kann sich die Unterscheidung zwischen Wahlinitiierung und Wahleinleitung nämlich bisweilen erheblich auswirken.467 Aus diesem Grund muss nach der hier vertretenen Auffassung in Bezug auf den Schwellenwert des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX gerade nicht auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung, sondern auf den der Wahlinitiierung abgestellt werden.468 Würde man vor diesem Hintergrund hinsichtlich des für § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX maßgeblichen Stichtags auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung abheben, wären für zwei in Grundsatz gleichartige Schwellenwerte der Schwerbehindertenvertretungswahl unterschiedliche Stichtage ausschlaggebend. Dies wäre jedoch ein deutlicher systematischer Bruch. Daher ist es zugunsten einer einheitlichen Systematik der Wahl geboten, auch in Bezug auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht auf die Wahleinleitung, sondern auf den materiell gleichermaßen geeigneten Zeitpunkt der Wahlinitiierung abzustellen.
465
Siehe aber zu den Unterschieden und deren Auswirkungen unten § 5 II. 3. b) und
c). 466 467 468
Siehe dazu unten § 5 II. 3. c) aa). Siehe dazu unten § 5 III. 3. c) aa) sowie bb) (1) und (2). Siehe dazu § 5 III. 3. d).
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
§ 4 Wahlberechtigung und Wählbarkeit I. Allgemeines zu Wahlberechtigung und Wählbarkeit Im Rahmen einer betrieblichen Interessenvertretungswahl besitzt das Wahlrecht eine zentrale Bedeutung. Nicht nur, dass durch Festlegung der aktiv und passiv Wahlberechtigen der Kreis der an der Wahl Beteiligten umrissen wird, vielmehr knüpfen die elementaren Mitwirkungsrechte unmittelbar an das Wahlrecht an. Neben dem Recht zur Teilnahme an den eigentlichen Abstimmungshandlungen1 ist beispielsweise auch das Recht zum Unterbreiten von Wahlvorschlägen ausschließlich aktiv Wahlberechtigten vorbehalten.2 Daneben wird auch hinsichtlich des anzuwendenden Wahlverfahrens an die Wahlberechtigung der im Betrieb beschäftigten Personen angeknüpft.3 Im Folgenden sollen daher die für das aktive und das passive Wahlrecht erforderlichen Voraussetzungen herausgearbeitet und auf ihre im Verhältnis zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen bestehenden Besonderheiten hin untersucht werden.
II. Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts Das aktive Wahlrecht für die Schwerbehindertenvertretungswahl ist in § 94 Abs. 2 SGB IX geregelt. Danach sind sämtliche in dem betreffenden Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen wahlberechtigt. Für das aktive Wahlrecht ist also dem Wortlaut nach maßgeblich, dass die betreffenden Personen schwerbehindert sind und im Betrieb beschäftigt werden. In sprachlicher Hinsicht besteht also eine deutliche Ähnlichkeit zwischen den von § 94 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB IX erfassten Personenkreisen.4 Im Folgenden sollen zunächst die beiden zentralen Tatbestandsmerkmale des § 94 Abs. 2 SGB IX, namentlich die „Schwerbehinderung“ und die „Beschäftigung im Betrieb“ näher beleuchtet werden, um insoweit bestehende Probleme herauszuarbeiten. Sodann soll der Frage nachgegangen werden, ob das aktive Wahlrecht Geschäftsfähigkeit voraussetzt. Im Anschluss an die Darstellung der einzelnen Merkmale ist zu untersuchen, auf welche Weise und durch wen das Vorliegen der Wahlberechtigung geprüft wird.
1
Siehe dazu unten § 9 II. 1. b) und § 7 II. 1. a) bb). Siehe dazu unten § 8 II. 5. b). 3 Siehe zu den sich heraus ergebenden Problemen unten § 5 II. 1. a). 4 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 25; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 5; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 9; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24. 2
§ 4 Wahlberechtigung und Wählbarkeit
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1. Schwerbehinderung Wie bereits dargelegt, beansprucht die in § 2 Abs. 2 SGB IX zu findende Legaldefinition der Schwerbehinderung für den gesamten zweiten Teil des SGB IX gleichermaßen Geltung.5 Daher ist der Begriff der Schwerbehinderung in § 94 Abs. 2 SGB IX grundsätzlich ebenso zu verstehen wie in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. a) Vorliegen einer Schwerbehinderung i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX Bei einem Menschen liegt danach eine Schwerbehinderung i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX vor, wenn er eine Behinderung aufweist, also seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seine seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und dadurch seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist und diese Behinderung derart schwerwiegende Teilhabebeeinträchtigungen bewirkt, dass dies einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 entspricht.6 Hinsichtlich des Vorliegens einer solchen Schwerbehinderung kommt es nicht darauf an, ob die Beeinträchtigungen behördlich festgestellt oder die Schwerbehinderung förmlich anerkannt worden ist. Für eine Schwerbehinderung i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX ist vielmehr allein das tatsächliche Vorliegen einer entsprechend schweren Behinderung maßgeblich.7 b) Erforderlichkeit eines Nachweises Diese Unabhängigkeit des Schwerbehindertenstatus von behördlichen Feststellungen führt für die Schwerbehindertenvertretungswahl zu nicht unbedeutenden Schwierigkeiten. Für eine mit der Überprüfung der Wahlberechtigung betraute Person ist nämlich nicht ohne weiteres erkenn- bzw. überprüfbar, welche der im Betrieb beschäftigten Menschen tatsächlich schwerbehindert sind. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die Zuerkennung oder die Ausübung des Wahlrechts nach § 94 Abs. 2 SGB IX vom Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft abhängig gemacht werden kann.
5
Siehe dazu oben § 3 IV. 2. a). Siehe dazu ausführlich oben § 3 IV. 2. a) aa) und bb). 7 Vgl. BAG vom 20.01.2005, 2 AZR 675/03, AP Nr. 1 zu § 85 SGB IX; BAG vom 07.03.2002, 2 AZR 612/00, AP Nr. 11 zu § 15 SchwbG 1986; BAG vom 23.02.1978, 2 AZR 426/76, AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG; BAG vom 17.07.1977, 2 AZR 687/75, AP Nr. 1 zu § 12 SchwbG; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 27; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 48; Vossen, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, SGB IX, § 85 Rn. 8. 6
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
aa) Grundsatz der obligatorischen Vertretung Geht man vom Grundsatz der obligatorischen Vertretung aus, erscheint es für die Ausübung des aktiven Wahlrechts nicht ausreichend, dass der betreffende Beschäftigte die Schwerbehinderteneigenschaft lediglich behauptet.8 Wäre nämlich die Behauptung ausreichend, um das Wahlrecht auszuüben, wäre faktisch jeder Beschäftigte in der Lage, an der Wahl der Schwerbehindertenvertretung aktiv teilzunehmen. Damit bestünde grundsätzlich bei jeder Wahl ein nicht unerhebliches Risiko der Teilnahme nicht wahlberechtigter Personen.9 Somit würde über jeder Wahl das Damoklesschwert der Anfechtbarkeit schweben10 und folglich die Möglichkeit vertretungsloser Zeiten bestehen. Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung. Daher erscheint bereits aus diesem Grund die Notwendigkeit eines Nachweises für die Schwerbehinderteneigenschaft geboten. bb) Grundsatz der Öffentlichkeit Zugleich verlangt der Grundsatz der Öffentlichkeit eine Kontrollfähigkeit und Transparenz der Schwerbehindertenvertretungswahl. Hierzu gehört auch, dass überprüfbar sein muss, dass ausschließlich aktiv Wahlberechtigte am Abstimmungsvorgang teilnehmen. Eine Kontrolle der Schwerbehinderteneigenschaft durch die Betriebsöffentlichkeit ist ohne geeigneten Nachweis jedoch kaum möglich. Eine allein auf die Behauptung des Schwerbehindertenstatus gestützte Zuerkennung des aktiven Wahlrechts würde somit die Überprüfbarkeit der Wahl beeinträchtigen. Insofern ist es auch angesichts des Öffentlichkeitsgrundsatzes ein Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft erforderlich, um das aktive Wahlrecht ausüben zu können. cc) Schlussfolgerungen Die Grundsätze der Öffentlichkeit und der obligatorischen Vertretung verlangen somit, dass bei der Ausübung des aktiven Wahlrechts hinsichtlich des schwerbehindertenrechtlichen Status der betreffenden Person Gewissheit besteht.11 Daher kann zur Ausübung des aktiven Wahlrechts nur zugelassen wer8
In dieser Richtung auch Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 11. Insbesondere wäre nicht auszuschließen, dass bestimmte, in tatsächlicher Hinsicht nicht wahlberechtigte Beschäftigte – etwa auf Veranlassung des Arbeitgebers – durch Behauptung der Schwerbehinderteneigenschaft bewusst an der Wahl teilnehmen, um diese anfechtbar werden zu lassen. 10 Vgl. Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 61; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 8. 11 Im Ergebnis ebenso: BayVGH vom 01.07.1987, 18 C 87.00852, PersV 1988, 278, 278 (LS); Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 33; Malcher, SchwbG, S. 86. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 113 f.; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 49; 9
§ 4 Wahlberechtigung und Wählbarkeit
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den, wer nachweislich i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX schwerbehindert ist.12 Die Nachweisbarkeit der Schwerbehinderteneigenschaft ist damit formelle Voraussetzung des aktiven Wahlrechts. Die genannten Grundsätze führen also insoweit zu einer gewissen Formalisierung der Schwerbehindertenvertretungswahl.13 Dies steht jedoch nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Simplizität. Vielmehr ist dessen Durchbrechung gerade zugunsten des Publizitätsprinzips und des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung geboten. c) Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft Verlangt man eine entsprechende Nachweisbarkeit der Schwerbehinderteneigenschaft, ergibt sich zugleich die Frage, auf welche Art und Weise ein derartiger Nachweis über den Schwerbehindertenstatus möglich ist. aa) Behördliche Feststellung Als Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft kommt in erster Linie der Schwerbehindertenausweis der betreffenden Beschäftigten in Betracht.14 Daneben ist ein Nachweis auch über einen Feststellungsbescheid nach § 69 Abs. 1 SGB IX möglich,15 soweit aus diesem ein GdB von wenigstens 50 hervorgeht. Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24 und 10; Zanker, WO zum SchwbG, S. 27. Letztlich wohl ebenso Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 61; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 8. 12 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 113 f.; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 11; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 61; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/ Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24 und 10; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 8, die sich vordergründig auf die strenge Förmlichkeit der Wahl stützen. Im Ergebnis wohl ebenso, jedoch ohne nähere Begründung: LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 20; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 48 f. 13 Vgl. zur strengen Förmlichkeit der Wahl und dem hieraus folgenden Erfordernis eines Nachweises der Schwerbehinderteneigenschaft: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 61; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 10; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 8. Ähnlich Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10. Vgl. auch Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 11, der aus Gründen der Rechtssicherheit eine bloße Behauptung des Vorliegens der Voraussetzungen nicht genügen lassen will, um am Wahlverfahren teilnehmen zu können. 14 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 114; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 20; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 61; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24 und 10. Vgl. auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 48. 15 So auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 114.
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Auch eine Feststellung i. S. d. § 69 Abs. 2 SGB IX genügt den Anforderung an die Gewissheit des Status des Betroffenen.16 Schließlich gilt sie gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als gleichwertige Feststellung des GdB, so dass eine geringe Festsetzung durch das Versorgungsamt ausscheidet.17 bb) Nachweiswirkung des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX Daneben erscheint es denkbar, bei der Prüfung der Wahlberechtigung auf das nach § 80 Abs. 1 SGB IX zu führende Schwerbehindertenverzeichnis zurückzugreifen und die Nennung im Verzeichnis als Nachweis genügen zu lassen. Auch wenn die Anzeige nach § 80 Abs. 2 SGB IX nur einmal jährlich zu erfolgen hat, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dass Verzeichnis fortlaufend zu führen. Dementsprechend muss es stets auf aktuellem Stand sein18 und stellt folglich nicht nur eine Momentaufnahme zum Meldezeitpunkt dar. Aus den entsprechenden Angaben in den nach § 80 Abs. 6 SGB IX zwingend vorgeschriebenen19 Formularen ergeben sich auch bestehende Befristungen der Schwerbehindertennachweise.20 Dadurch ist aus den Verzeichnissen auch der für die nähere Zukunft voraussichtliche Schwerbehindertenstatus der Beschäftigten erkennbar. Auf Grund der Bußgeldvorschrift des § 156 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX und der bestehenden Kontrollmöglichkeiten,21 ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber das Verzeichnis mit der nötigen Gewissenhaftigkeit führt und ein darin verzeichneter Schwerbehindertenstatus korrekt eingetragen ist. Somit vermittelt auch das Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX die für die Wahlberechtigung nötige Gewissheit über das Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaft. Vor diesem Hintergrund erschiene es als unnötige Hürde, wenn auch dann ein behördlicher Nachweis über die Schwerbehinderteneigenschaft gefordert würde, obwohl der Betreffende im Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX als Schwerbe16 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 10. Vgl. auch Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 49. 17 Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 69 Rn. 27; Winkler, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 69 Rn. 40. 18 Dau/Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 80 Rn. 4; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 80 Rn. 5; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 80 Rn. 2; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 80 Rn. 6. 19 Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 80 Rn. 4; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 80 Rn. 1; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 80 Rn. 5. 20 Vgl. Feld 16 des Verzeichnis-Vordrucks. Der Vordruck ist unter: http://www.reha dat-elan.de/rehadatelan10/re10_service/re10_form_pdf/Verzeichnis_2010.pdf abrufbar (Stand: 15.08.2011). 21 Vgl. dazu Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 80 Rn. 18 f.; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 80 Rn. 21 ff.
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hinderter aufgeführt ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Auflistung ersichtlich sind. Nach Maßgabe des Grundsatzes der Simplizität sind jedoch Hürden für die Schwerbehindertenvertretungswahl zu vermeiden, die nicht zur Gewährleistung anderer Wahlgrundsätze oder zur Ermöglichung eines durchführbaren Wahlprozederes geboten erscheinen.22 Führt das Verzeichnis Personen als Schwerbehinderte oder Gleichgestellte auf und deutet nichts auf Fehler in der Auflistung hin, ist kein Grund erkennbar, der einen zusätzlichen Nachweis durch behördliche Unterlagen rechtfertigen würde. Der Grundsatz der Simplizität gebietet daher eine Verzichtbarkeit anderweitiger Nachweise, wenn die betreffenden Beschäftigten im Schwerbehindertenverzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX genannt sind. cc) Offensichtliche Schwerbehinderung Gewissheit über den von Gesetzes wegen eintretenden schwerbehindertenrechtlichen Status eines Beschäftigten kann allerdings auch ohne eine behördliche Feststellung des GdB und ohne Aufführung im Schwerbehindertenverzeichnis des Arbeitgebers bestehen. Ist die Schwerbehinderung nämlich offensichtlich, verbleiben keine Zweifel über den Status des Beschäftigten, so dass ein anderweitiger Nachweis nicht erforderlich ist.23 Bisher nicht geklärt ist jedoch, welche Anforderungen an die Offensichtlichkeit der Schwerbehinderung zu stellen sind, damit das aktive Wahlrecht auch ohne Vorlage eines behördlichen Nachweis ausgeübt werden kann. (1) Offenkundige Schwerbehinderung im Sonderkündigungsschutz Im Zusammenhang mit dem Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen nach § 85 ff. SGB IX ist anerkannt, dass die Offenkundigkeit einer Schwerbehinderung einen anderweitigen Nachweis obsolet macht.24 Offenkun22
Siehe dazu oben § 2 IV. 2. a). Im Ergebnis ebenso: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 114; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 20; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 49; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24 und 10. Vgl. auch Heuser, BehR 1990, 25, 28 und Sieg NZA 2002, 1064, 1065. 24 BVerfG vom 09.04.1987, 1 BvR 1406/86, NZA 1987, 563, 563; BAG vom 13.02.2008, 2 AZR 864/06, AP Nr. 5 zu § 85 SGB IX; BAG vom 07.03.2002, 2 AZR 612/00, AP Nr. 11 zu § 15 SchwbG 1986; BAG vom 28.06.1995, 7 AZR 555/94, AP Nr. 6 zu § 59 BAT; BAG vom 23.02.1978, 2 AZR 426/76, AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG; OVG Koblenz vom 07.03.2006, 7 A 11298/05, NZA 2006, 1108, 1110; Bauer/ Powietzka, NZA-RR 2004, 505, 506 f.; Brock/Windeln, ArbRB 2008, 21, 22; Cramer, NZA 2004, 698, 704; Dopatka, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 85 Rn. 5; Düwell, BB 2004, 2811, 2812; Düwell in: Düwell/Weyand, Agenda 2010, Rn. 128; Großmann, AuR 2007, 70, 74; Großmann, NZA 1992, 241, 242; Kossens, in: Kossens/ 23
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digkeit ist hierbei nicht i. S. d. § 291 ZPO, sondern untechnisch als „offensichtlich“ zu verstehen.25 Maßgeblich ist daher, dass die Behinderung von so vielen wahrgenommen wird bzw. jederzeit wahrgenommen werden kann, dass die tatsächliche individuelle Wahrnehmung des Einzelnen und ihre Unsicherheit außer Betracht bleiben.26 Auf die positive Wahrnehmung durch den Arbeitgeber kommt es demnach nicht an. Jedoch muss die Behinderung so offensichtlich sein, dass er diese ohne besonderen Aufwand hätte erkennen können.27 Maßstab ist damit auch die theoretische Erkennbarkeit für den Arbeitgeber.28 Nicht ausreichend ist daher im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes, wenn die Behinderung nur dann erkennbar ist, wenn der Betroffene dies ermöglicht29 und er hiervon nicht oder nur gegenüber wenigen ausgewählten Personen Gebrauch macht. Da das Vorliegen einer Schwerbehinderung auch einen gewissen Schweregrad der Beeinträchtigung voraussetzt,30 genügt allein die Erkennbarkeit einer Behinderung noch nicht, um eine den Nachweis ersetzende Offenkundigkeit anzunehmen. Vielmehr muss sich die Offenkundigkeit auch auf die Schwere der Behinderung beziehen. Es muss also auch offenkundig sein, dass der GdB mit mindestens 50 anzusetzen ist.31 Hierbei sind allein die offen erkennbaren Behinvon der Heide/Maaß, SGB IX, § 90 Rn. 21; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 85 Rn. 22; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 85 Rn. 34, sowie § 90 Rn. 23; Kuhlmann, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 85 Rn. 27; Rolfs, in: ErfK, SGB IX, § 85 Rn. 4, sowie § 90 Rn. 6; Rolfs/Barg, BB 2005, 1678, 1680; Schlewing, NZA 2005, 1218, 1219 und 1221; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 85 Rn. 10 und 12, sowie § 90 Rn. 25; Vossen, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, SGB IX, § 90 Rn. 10a. Vgl. auch BAG vom 20.10.1977, 2 AZR 688/76, AP Nr. 1 zu § 19 SchwbG; BAG vom 17.02.1977, 2 AZR 687/75, AP Nr. 1 zu § 12 SchwbG; BAG vom 18.10.2000, 2 AZR 380/99, AP Nr. 59 zu § 123 BGB. Vgl. auch zu § 90 Abs. 2a: Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 15/2357, S. 28. 25 Rolfs/Barg, BB 2005, 1678, 1680. Vgl. BAG vom 18.10.2000, 2 AZR 380/99, AP Nr. 59 zu § 123 BGB. A. A.: Cramer, NZA 2004, 698, 704. 26 Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 90 Rn. 25. Vgl. auch BAG vom 18.10.2000, 2 AZR 380/99, AP Nr. 59 zu § 123 BGB; Großmann, AuR 2007, 70, 74; Lampe, Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer, Rn. 151. 27 Vgl. Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 85 Rn. 34 und 35. Vgl. Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 90 Rn. 25. 28 Vgl. Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 85 Rn. 10: „für den Arbeitgeber offenkundig“. 29 Zu denken ist hier beispielsweise an durch Hosen verdeckte Beinprothesen. 30 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 14/5074, S. 98 f.; Fuchs, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/ Ritz, SGB IX, § 2 Rn. 13; Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 2 Rn. 42. Siehe dazu auch oben § 3 IV. 2. a) bb). 31 BAG vom 05.07.1990, 2 AZR 8/90, AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG 1986; BAG vom 30.06.1983, 2 AZR 10/82, AP Nr. 11 zu § 12 SchwbG; Düwell, BB 2004, 2811, 2812; Großmann, AuR 2007, 70, 74; Großmann, NZA 1992, 241, 242; Lampe, Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer, Rn. 151; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 85 Rn. 23; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 85 Rn. 34; Rolfs/Barg, BB 2005, 1678, 1680; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 90 Rn. 25.
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derungen maßgeblich. Soweit gleichzeitig, weitere nicht offensichtliche Behinderungen vorliegen, bleiben diese unberücksichtigt. Allein die offensichtlich erkennbaren Behinderungen müssen somit auf einen GdB von mindestens 50 schließen lassen.32 Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf die Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze33 abzustellen.34 Lassen diese den eindeutigen Schluss zu, dass die offensichtliche Behinderung einem GdB von wenigstens 50 entspricht, ist ein eigenständiger behördlicher Nachweis der Schwerbehinderung nicht mehr erforderlich. (2) Offensichtlichkeit i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX In diesem Zusammenhang bestehen zwischen dem Sonderkündigungsschutz und der Ausübung des Wahlrechts deutliche Parallelen. In beiden Fällen geht es darum, bei von außen klar und zweifelsfrei erkennbaren Schwerbehinderungen keine zusätzlichen, formalistischen Hürden dadurch aufzubauen, dass behördliche Nachweise gefordert werden. Allerdings zeigen sich in der Zielrichtung auch Unterschiede: Hinsichtlich des aktiven Wahlrechts geht es allein darum, dass die Schwerbehinderung auf irgendeine Art nachgewiesen wird und damit Gewissheit über den jeweiligen Status der Personen besteht.35 Beim Sonderkündigungsschutz werden dagegen zusätzlich auch Interessen des Arbeitgebers zum Anknüpfungspunkt gemacht.36 Eine Orientierung an der theoretischen Wahrnehmbarkeit für den Arbeitgeber ist hinsichtlich § 94 Abs. 2 SGB IX jedoch nicht nötig. Um Gewissheit über den Schwerbehindertenstatus einer Person zu haben genügt es deshalb, wenn ein Betroffener eine grundsätzlich verdeckte, jedoch signifikante Behinderung aufweist und er diese nur zum Nachweis der Wahlberechtigung offen legt. An die Erkennbarkeit der Behinderung von außen sind also bei § 94 Abs. 2 SGB IX insoweit geringere Anforderungen zu stellen. (a) Beurteilungsmaßstab Generell können allerdings nur solche Behinderungen offensichtlich sein, die von einer durchschnittlichen, medizinisch nicht gebildeten Person wahrgenommen werden können. Sind die Behinderungen dagegen erst mit Hilfe gesonderter 32 Vgl. Großmann, NZA 1992, 241, 242; Lampe, Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer, Rn. 151. 33 Siehe dazu bereits oben § 3 IV. 1. a) bb). 34 Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 90 Rn. 29. Ebenso wohl auch Lampe, Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer, Rn. 152 f. Ebenso, jedoch noch in Bezug auf die von den VGM abgelösten „Anhaltspunkte(n) für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ des BMAS: Großmann, NZA 1992, 241, 242; Rolfs/Barg, BB 2005, 1678, 1680. Vgl. auch Düwell in: Düwell/Weyand, Agenda 2010, Rn. 128. 35 Siehe dazu oben § 4 II. 1. b) cc). 36 Siehe dazu oben § 4 II. 1. c) cc) (1).
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medizinischer Apparaturen oder labortechnischer Untersuchungen feststellbar, kann nicht von einer Offensichtlichkeit ausgegangen werden. Schließlich rechtfertigt sich die Nachweiswirkung offensichtlicher Schwerbehinderungen gerade dadurch, dass der Schwerbehindertenstatus auch ohne medizinische Begutachtung feststeht. Ein solcher Verzicht auf medizinischen Sachverstand ist jedoch gerade nur dann möglich, wenn dieser auf Grund der Evidenz der Schwerbehinderung überflüssig ist. Offensichtlich kann eine Behinderung daher grundsätzlich nur dann sein, wenn sie durch einen objektiven Dritten ohne medizinischen Sachverstand und insbesondere ohne labortechnische Untersuchung und ohne gesonderte Diagnosegeräte erkennbar ist. (b) Offensichtlichkeit des Schweregrades Ebenso wie beim Sonderkündigungsschutz kann die Nachweiswirkung einer offensichtlichen Schwerbehinderung nur eintreten, wenn von der äußerlich erkennbaren Behinderung zugleich auch auf einen GdB von mindestens 50 geschlossen werden kann. Es muss also auch offen erkennbar feststehen, dass die von § 2 Abs. 2 SGB IX verlangte Schwere der Behinderung vorliegt.37 Hinsichtlich dieser Frage kann wiederum auf die Versorgungsmedizinischen Grundsätze zurückgegriffen und deren GdB-Werte als maßgebliche Orientierungspunkte gewählt werden. Sehen diese für die erkennbare Behinderung einen festen GdBWert von mindestens 50 vor, ist auch im Rahmen des § 94 SGB IX von einer offensichtlichen Schwerbehinderung auszugehen. Allerdings können sich hinsichtlich der Offensichtlichkeit des Schweregrades in bestimmten Konstellationen Schwierigkeiten ergeben: (aa) Offensichtlichkeit des Schweregrades bei Wertspannen Enthalten beispielsweise die Versorgungsmedizinischen Grundsätze hinsichtlich des GdB-Werts eine Beurteilungsspanne,38 kann gerade kein eindeutiger Rückschluss auf den vorliegenden GdB gezogen werden. Vielmehr erfolgt eine genaue Beurteilung des konkreten GdB in derartigen Fällen gerade erst durch die gutachterliche Einschätzung der im Einzelfall vorliegenden Beeinträchtigungen.39 Eine solche nach spezifischen medizinisch-soziologischen Kriterien zu treffende Beurteilung ist für einen Laien i. d. R. nicht möglich.40 Der nach § 2 37
Siehe dazu oben § 4 II. 1. c) cc) (1). Siehe dazu bereits oben § 3 IV. 1. a) bb). 39 Vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A, 1. a). 40 Vgl. zu den Anforderungen an den Gutachter: Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Teil A, 2. 38
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Abs. 2 SGB IX maßgebliche Schweregrad tritt folglich bei Beurteilungsspannen nur dann eindeutig zutage, wenn der unterste Wert der Spanne mindestens 50 beträgt.41 Kann der GdB nach der Wertspanne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sowohl über als auch unter 50 liegen,42 ist hingegen gerade nicht sicher erkennbar, dass die Behinderung die entsprechende Schwere aufweist. Beträgt der untere Rahmen der Beurteilungsspanne somit weniger als 50, scheidet eine Offensichtlichkeit der Schwerbehinderung regelmäßig aus. (bb) Offensichtlichkeit bei Anknüpfung an die Ausprägungsintensität Das Problem der Einzelfallbezogenheit der GdB-Einschätzung stellt sich auch dann, wenn die Versorgungsmedizinischen Grundsätze bei der Zuweisung der GdB-Werte an bestimmte medizinisch definierte Abstufungen der Ausprägungsintensität anknüpfen. Im Fall einer Aphasie (Hirnschadenbedingte Sprechstörung) unterscheiden sich die vorgesehenen GdB-Werte beispielsweise in Abhängigkeit davon, ob es sich um eine leichte, mittelgradige oder schwere Ausprägungsform handelt.43 Für den medizinischen Laien mag insoweit allenfalls noch erkennbar sein, ob überhaupt eine Sprechstörung vorliegt.44 Mangels handhabbarer Abgrenzungskriterien ist es ihnen jedoch regelmäßig nicht mehr möglich, sicher einzuschätzen, in welche dieser Kategorien die Aphasie jeweils einzuordnen ist. Im Fall derartiger Abstufungen kann somit nur dann von einer Offensichtlichkeit der Schwerbehinderung ausgegangen werden, wenn die Behinderung bereits in ihrer „leichtesten“ Form einen GdB von 50 begründet.45 Ist ein GdB von mindestens 50 hingegen davon abhängig, dass die Ausprägungsintensität der Behinderung einer bestimmten Kategorie zugeordnet wird, scheidet eine Offensichtlichkeit der Schwerbehinderung jedenfalls dann aus, wenn für die Einstufung medizinisches Fach- oder Erfahrungswissen erforderlich ist.46
41 So z. B. bei Versteifung beider Hüftgelenke (GdB 80–100), Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil B, 18.14. 42 Beispielsweise bei Klumpfuß beiderseits (GdB 30–60), Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil B, 18.14. 43 Die GdB-Spanne reicht hier von 30–40 bei einer leichten Hirnschädigung (z. B. Restaphasie) bis hin zu 90–100 bei schweren Hirnschädigungen (z. B. globale Aphasie), Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil B, 3.1.2. 44 Zweifelhaft kann aber bereits die laienhafte Erkennbarkeit der medizinischen bzw. behinderungsrechtlichen Relevanz der Sprechstörung sein. 45 Dies stellt jedoch den absoluten Ausnahmefall dar, weil die leichteste Form nahezu immer einen Mindest-GdB-Wert unterhalb von 50 vorsieht. Die wenigen verbleibenden Ausnahmen (z. B. Autistische Syndrome) sind jedoch regelmäßig schon für sich genommen nicht ohne medizinische Fachkenntnis zu erkennen und scheiden daher ebenfalls als offensichtliche Schwerbehinderung aus. 46 Dies verkennt Großmann, NZA 1992, 241, 242, der auch eine mittelgradige Aphasie als Beispiel offensichtlicher Schwerbehinderungen aufführt.
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(cc) Verhältnis von Offensichtlichkeit und Gesamt-GdB Die Offensichtlichkeit der Schwerbehinderteneigenschaft ist weiterhin dann problematisch, wenn zwar mehrere offensichtliche Behinderungen vorliegen, jedoch keine für sich allein genommen einen GdB von 50 erreicht. In einem solchen Fall muss grundsätzlich ein sog. Gesamt-GdB gebildet werden. Die Bildung des Gesamt-GdB beschränkt sich jedoch nicht in der Addition der Einzelwerte.47 Vielmehr ist zu berücksichtigten, inwieweit das gleichzeitige Vorhandensein mehrere Behinderungen zusätzliche, über die Einzelbeeinträchtigung hinausgehende Teilhabeeinschränkungen nach sich zieht.48 Bei der Bildung des GesamtGdB muss daher auf die sich aus dem wechselseitigen Zusammenspiel der einzelnen Behinderungen ergebende „Gesamtbeeinträchtigung“ abgestellt werden.49 Inwieweit sich unterschiedliche Behinderungen in ihrer beeinträchtigenden Wirkung gegenseitig beeinflussen und in welcher Weise dies bei der Beurteilung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist, kann durch den Laien jedoch kaum realistisch abgeschätzt werden.50 Ergibt sich der maßgebliche Schweregrad nicht bereits aus den entsprechenden Einzel-GdBs, scheidet die Annahme einer offensichtlichen Schwerbehinderung daher aus. d) Gleichstellung Ebenso wie in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden die den schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Personen i. S. d. des § 2 Abs. 3 SGB IX auch im Wortlaut des § 94 Abs. 2 SGB IX nicht erwähnt.51 Aus der Regelung des § 68 Abs. 1 und 3 SGB IX folgt jedoch, dass die i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellten Personen genauso zu behandeln sind wie Schwerbehinderte i. S. d. § 2 Abs. 2 SGB IX. Daher sind generell auch die nach § 68 Abs. 2 SGB IX gleichgestellten Personen bei der Schwerbehindertenvertretungswahl aktiv wahlberechtigt.52 47 Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A, 3. a). Vgl. auch BSG vom 15.03. 1979, 9 RVs 6/77, SozR 3870 § 3 Nr. 4; Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 51. 48 Vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A, 3. c) und d). 49 Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A, 3. d). Vgl. BSG vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77, SozR 3870 § 3 Nr. 4; LSG NRW vom 02.09.1993, L 7 Vs 22/93, SGb 1994, 239, 239 f.; Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 51. 50 Selbst im Hinblick auf erfahrene Sachverständige zweifelnd: Schorn in: MüllerWenner/Schorn, SGB IX, 1. Aufl., § 69 Rn. 56. Allgemein zur Komplexität der Beurteilung des Gesamt-GdB: Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 69 Rn. 31 ff. 51 Siehe dazu bereits oben § 3 IV. 2. b) bb). 52 BayVGH vom 01.07.1987, 18 C 87.00852, PersV 1988, 278, 278 (LS); Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 18; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 11; Dusel/Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 4; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 113; Heuser, BehR 1990,
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Auch im Hinblick auf die Ausübung des aktiven Wahlrechts durch Gleichgestellten i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB IX gilt angesichts der Grundsätze der Öffentlichkeit und der obligatorischen Vertretung eine Förmlichkeit der Wahl. Schließlich muss auch über den Status der Gleichstellung Gewissheit bestehen, so dass entsprechende Nachweise erforderlich sind.53 aa) Nachweis durch Gleichstellungsbescheid Als Nachweis kommt grundsätzlich der Gleichstellungsbescheid der Agentur für Arbeit in Betracht.54 Dieser bestätigt nicht nur das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX, sondern bewirkt durch seinen konstitutiven Charakter überhaupt erst die Gleichstellung.55 Der Gleichstellungsbescheid ist somit zugleich Voraussetzung und Nachweis für das Bestehen des aktiven Wahlrechts nach § 94 Abs. 2 SGB IX. Aus dem konstitutiven Charakter des Gleichstellungsbescheides ergibt sich auch, dass der bloße Gleichstellungsantrag noch nicht genügen kann, weil zu diesem Zeitpunkt gerade noch keine Gewissheit über den Status des Betroffenen besteht.56 Im Fall eines noch nicht oder anfechtbar abschlägig beschiedenen Gleichstellungsantrages ist daher grundsätzlich kein aktives Wahlrecht gegeben.57 25, 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 115; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 33; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 20; Masuch, in: Hauck/ Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 10; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 6 und 14; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 3; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 12; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 43; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Thieler, SchwbG, § 24 Rn. 1; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24; Zanker, WO zum SchwbG, S. 16. Vgl. auch § 1 Abs. 2 SchwbVWO in der der Verordnungsgeber die Gleichgestellten als Teil der Wahlberechtigten aufgeführt hat. 53 Vgl. LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 33. Siehe allgemein zur Erforderlichkeit entsprechender Nachweise oben § 4 II. 1. b). 54 LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 9. Vgl. Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/ Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22. 55 BAG vom 28.06.1995, 7 AZR 555/94, AP Nr. 6 zu § 59 BAT; BVerwG vom 15.12.1988, 5 C 67/85, NZA 1989, 554, 554; Backendorf/Ritz, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 68 Rn. 8; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 68 Rn. 9; Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 55; Stähler/Bieritz-Harder, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 68 Rn. 11. 56 Vgl. Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 33; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 68 Rn. 24; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22. 57 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Heuser, BehR 1990, 25, 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 116 f.; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Ma-
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Hieran ändert sich auch durch die in § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX vorgesehene Rückwirkung des Gleichstellungsbescheides nichts.58 Nach dieser Vorschrift soll die förmliche Feststellung der Gleichstellung auf das Antragsdatum zurückwirken.59 Zu beachten ist hierbei jedoch, dass diese ex-tunc-Wirkung mit der Zielrichtung eingeführt wurde, den Sonderkündigungsschutz auch für Gleichgestellte nicht erst mit der Antragsbescheidung beginnen zu lassen.60 Eine rückwirkende Änderung des aktiven Wahlrechts war hingegen nicht beabsichtigt. Zudem bedingt schon der Grundsatz der obligatorischen Vertretung im Interesse der Rechtssicherheit, dass die Wirksamkeit der Wahl nicht dadurch berührt wird, dass erst nachträglich die Voraussetzungen für die Wahlberechtigung geschaffen werden.61 bb) Nachweis durch Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX Unabhängig vom Gleichstellungsbescheid kann die für die Ausübung des aktiven Wahlrechts nötige Gewissheit über den Schwerbehindertenstatus eines Beschäftigten auch aus der Eintragung im Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX folgen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm sind nämlich auch die Gleichgestellten in das Verzeichnis aufzunehmen. Angesichts der verwaltungsund ordnungswidrigkeitsrechtlich abgesicherten Pflicht zur sorgfältigen Führung des Verzeichnisses ist auch im Hinblick auf die Gleichgestellten davon auszugehen, dass der dort vermerkte Status korrekt und aktuell ist. 2. Im Betrieb beschäftigt Wie bereits angesprochen, besteht auch im Hinblick auf die Beschäftigung im Betrieb eine deutliche sprachliche Ähnlichkeit zwischen § 94 Abs. 1 SGB IX und § 94 Abs. 2 SGB IX. In Bezug darauf soll nunmehr geklärt werden, ob die Bejerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 23; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/ Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24 und 10. Vgl. auch BayVGH vom 01.07.1987, 18 C 87.00852, PersV 1988, 278, 278 (LS); Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 33; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 48. 58 Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 33. 59 Vgl. Mrozynski/Jabben, SGB IX, § 2 Rn. 55; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 68 Rn. 24; Winkler, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 68 Rn. 21. 60 Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 10/3138, S. 16. 61 Vgl. BVerfG vom 07.07.1994, 1 BvR 1481/92; BSG vom 15.03.1994, 11 BAr 139/93; BayVGH vom 01.07.1987 – 18 C 87.00852 – PersV 1988, 278, 278 (Ls.); Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 117; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 33; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 48. Unklar dagegen Heuser, BehR 1990, 25, 27 f., der offenbar dem wahlleitenden Organ das Recht einräumen will, die Erfolgsaussichten des Gleichstellungsantrags zu prüfen.
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griffe des Betriebs und der Beschäftigung tatsächlich den gleichen Bedeutungsgehalt haben. Hierdurch soll gezeigt werden, dass der Gesetzgeber insoweit bewusst eine Parallele zwischen dem Kreis der aktiv Wahlberechtigten und dem bei den Wahlvoraussetzungen zu berücksichtigenden Personenkreis geschaffen hat. Hierdurch wird zugleich verdeutlicht, dass durch der Gleichlauf zwischen den wählenden und den repräsentierten Personen dem Legitimations- und Repräsentationsgedanken62 der Wahl Rechnung trägt. a) Betriebsbegriff Angesichts der umfassenden Verweisung des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff, ist dieser auch der Regelung des § 94 Abs. 2 SGB IX zugrunde zu legen.63 Besonderheiten ergeben sich jedoch dann, wenn eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX stattgefunden hat.64 Wie bereits dargelegt, wird der Begriff des Betriebs durch eine solche Zusammenfassung formal nicht berührt.65 Grundsätzlich wäre somit weiterhin auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff zurückzugreifen. Allerdings widerspräche es dem Repräsentationsund Legitimationsgedanken der Interessenvertretungswahl, wenn durch die Zusammenfassung zwar der Bezugspunkt des Schwellenwerts erweitert würde, den zusätzlich berücksichtigten Personen jedoch ein aktives Wahlrecht verwehrt bliebe. Zudem würde sich die Vertretung der dann nicht wahlberechtigten Beschäftigten durch die im zusammengefassten Betrieb gewählten Schwerbehindertenvertretung nicht von einer kommissarischen Vertretung nach § 97 Abs. 6 Satz 1, 1. Hs. a. E. i.V. m. Abs. 1 Satz 2 SGB IX unterscheiden. Sowohl unter systematischen, als auch unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint es daher geboten, § 94 Abs. 2 SGB IX dergestalt auszulegen, dass sich der Betriebsbegriff im Fall der Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht allein nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff bestimmt. Vielmehr ist dann auf einen sämtliche, in die Zusammenfassung einbezo62 Vgl. allgemein zu diesem Gedanken: Bericht der Sachverständigenkommission, BT-Drs. VI/334, S. 65; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363. Vgl. auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 9, die von einer Deckungsgleiche der erfasst Personen ausgehen und betonen, dass mit Blick auf den Gesetzeszweck eine möglichst große Zahl schwerbehinderter Menschen an der Wahl teilnehmen sollen. 63 Vgl. Adlhoch, BehR 2002, 161, 161; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 2; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 2; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 7; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/MajerskiPahlen, SGB IX, § 87 Rn. 3 und § 94 Rn. 2; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 6. Vgl. auch Bonanni, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen, S. 173; Schleicher, WO zum SchwbG, Vorbemerkungen Rn. 3. 64 Siehe dazu ausführlich oben § 3 III. 65 Siehe dazu oben § 3 III. 3.
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genen Betriebe einschließenden, erweiterten Wahlbezirk abzustellen.66 Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen sind daher die Beschäftigten aller zu diesem erweiterten Wahl- und Vertretungsbezirk gehörenden Betriebe aktiv wahlberechtigt. b) Beschäftigung Als wesentliche Voraussetzung für das aktive Wahlrecht verlangt § 94 Abs. 2 SGB IX darüber hinaus, dass der betreffende schwerbehinderte Mensch im Betrieb beschäftigt ist. Ebenso wie im Hinblick auf § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist gesetzlich nicht näher definiert, was unter Beschäftigung in diesem Sinne zu verstehen ist. Im Folgenden soll daher durch Auslegung ermittelt werden, ob für § 94 Abs. 2 SGB IX ein gesonderter Beschäftigtenbegriff maßgeblich ist oder ob hier auf die oben entwickelte Definition67 zurückgegriffen werden kann. aa) Wortlaut Vergleicht man den Wortlaut zwischen § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 94 Abs. 2 SGB IX, sind keine signifikanten Unterschiede festzustellen. Insbesondere wird in beiden Regelungen der Begriff „beschäftigt“ verwendet und dieser jeweils in seiner passiven Form gebraucht. Daher sind gerade die oben hieraus in sprachlicher Hinsicht abgeleiteten Argumente für beide Vorschriften identisch. Der Wortlaut des § 94 Abs. 2 SGB IX spricht daher für ein mit § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX deckungsgleiches Verständnis des Beschäftigtenbegriffs. bb) Systematik In systematischer Hinsicht spricht auch der enge regelungstechnische Zusammenhang der beiden Vorschriften für ein identisches Begriffsverständnis zwischen § 94 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX. Insbesondere die Tatsachen, dass der Begriff „beschäftigt“ im selben Paragraphen parallel verwendet wird und beide Vorschriften die Wahl der Schwerbehindertenvertretung und damit den gleichen Regelungskomplex betreffen, legen eine gleichlaufende Verwendung des Beschäftigtenbegriffs nahe. Zudem sind keine systematischen Anhaltspunkte für ein zwischen diesen Vorschriften divergierendes Begriffsverständnis ersichtlich. Die Systematik spricht somit entscheidend dafür, dass auch im Rahmen des § 94 Abs. 2 SGB IX die zu § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX entwickelte Beschäftigtendefinition herangezogen werden kann.
66 Schimanski, BehR 2004, 74, 75 f. Vgl. Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 17 und 33; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 32. 67 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. e) dd) (2).
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cc) Historische Entwicklung Auch die historische Entwicklung der Wahlrechtsregelung spricht deutlich für ein deckungsgleiches Verständnis des Beschäftigungsbegriffs. Bis zur Novellierung des Schwerbehindertenrechts im Jahre 1974 existierte nämlich keine eigenständige Regelung des aktiven Wahlrechts. Stattdessen waren Wahlvoraussetzung und Wahlberechtigung in einem gemeinsamen Satz geregelt, wobei das aktive Wahlrecht hierbei unmittelbar an den Personenkreis anknüpfte, der beim Schwellenwert zu berücksichtigen war (vgl. § 12 Abs. 2 SchwerbeschädigtenG 1923; § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1953 und § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1961). Die im Rahmen der Wahlvoraussetzung mitzuzählenden und die aktiv wahlberechtigten Personen waren somit in der Vergangenheit identisch. Diese grundsätzliche Identität der beiden Personenkreise sollte auch durch die Neuregelung des § 21 SchwbG 1974 nicht aufgehoben werden.68 Vielmehr zielte diese – ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf – lediglich darauf ab, die zeitliche Mindestzugehörigkeit als Anforderung des Wahlrechts abzuschaffen und die Regelung dadurch dem Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht anzugleichen.69 Die Novellierung von 1974 bewirkte damit zwar eine leichte Divergenz zwischen den beim Schwellenwert mitzuzählenden und den wahlberechtigten Personen, jedoch bezieht sich diese nicht auf die Beschäftigung, sondern beschränkt sich auf das Merkmal „nicht nur vorübergehend“. Dementsprechend weist auch die geschichtliche Entwicklung der Norm deutlich darauf hin, dass das Verständnis des Begriffs der Beschäftigung identisch sein soll. dd) Sinn und Zweck Schließlich folgt auch aus Sinn und Zweck des § 94 Abs. 2 SGB IX, dass der dortige Beschäftigungsbegriff mit dem des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX deckungsgleich ist. Ebenso wie die Wahlvoraussetzung ist auch § 94 Abs. 2 SGB IX durch einen inhaltlichen Konnex zwischen der Wahl der Schwerbehindertenvertretung und deren späterer Tätigkeit geprägt. Dem allgemeinen Legitimations- und Repräsentationsgedanken der Wahl folgend sollen schließlich der Kreis der wahlberechtigten und der der zu vertretenden Personen im Grundsatz identisch sein.70 Nur dann nämlich kann die Schwerbehindertenvertretung für ihre Tätigkeit eine entsprechend umfassende demokratische Legitimation und damit den nötigen Rückhalt aus der von ihr zu vertretenden Belegschaft erhalten. Eine solche enge 68 Vgl. Ritzer, SchwbG, Anm. 2 f. und 4. Vgl. auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 9. 69 Vgl. Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. 7/656, S. 32. 70 Vgl. allgemein zum Legitimationscharakter einer Wahl einer Interessenvertretung der Belegschaft: Bericht der Sachverständigenkommission, BT-Drs. VI/334, S. 65; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363. Vgl. auch Rotermund, Interessenwahrnehmung durch Jugendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 51.
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Anbindung an den Kreis der Repräsentierten weist in letztlich gleicher Weise auch § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auf, so dass auch dieser Gesichtspunkt auf eine Deckungsgleiche der beiden Beschäftigtenbegriffe hindeutet. ee) Schlussfolgerungen Nach allen üblichen Auslegungsmethoden gelangt man gleichermaßen zu dem Ergebnis, dass der Begriff der Beschäftigung in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und in § 94 Abs. 2 SGB IX identisch zu verstehen ist.71 Daher kann auch hinsichtlich des aktiven Wahlrechts auf die oben entwickelte Definition zum Begriff der Beschäftigung i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zurückgegriffen werden.72 c) Unerheblichkeit der Beschäftigungsdauer Für das aktive Wahlrecht ist dabei die Dauer der Beschäftigung ohne Bedeutung. Nach § 94 Abs. 2 SGB IX ist insbesondere nicht erforderlich, dass der betreffende schwerbehinderte Mensch bereits eine bestimmte Zeit im Betrieb beschäftigt ist.73 Ebenso wie bei anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen74 sind daher auch solche Personen wahlberechtigt, die erst kurz vor der Wahl eingestellt wurden.75 Ebenso wenig ist für das aktive Wahlrecht notwendig, dass der betreffende Schwerbehinderte für eine bestimmte Dauer beschäftigt werden soll.76 Anders
71 So im Ergebnis auch: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 25; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 9; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/ Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24. Vgl. auch Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 22. 72 Siehe dazu oben § 3 IV. 3. e) dd) (2). 73 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 18; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 28; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 36; Zanker, WO zum SchwbG, S. 16. 74 Vgl. Fitting, BetrVG, § 7 Rn. 22; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 20. Vgl. auch Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 78 ff. 75 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 26; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 18; Düwell, in: Dau/ Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 13; Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPKSGB IX, § 94 Rn. 17; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 28; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/ Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 23; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 43; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 62; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065. 76 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 30; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 114; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 118; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 62 und S. 36; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 24. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 28; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 43. Unklar dagegen Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 25, der offenbar die Voraussetzungen des aktiven Wahl-
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als im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist eine nur vorübergehende Beschäftigung somit für die Wahlberechtigung unschädlich. Diese Divergenz der Personenkreise erklärt sich aus der besonderen Zielrichtung des Schwellenwerts.77 3. Geschäftsfähigkeit In der Literatur zur Schwerbehindertenvertretung ist umstritten, ob die Wahlberechtigung bei der Schwerbehindertenvertretungswahl zusätzlich voraussetzt, dass der jeweilige Beschäftigte geschäftsfähig ist.78 Im Rahmen dieses Streits werden Für und Wider eines Ausschlusses Geschäftsunfähiger vom aktiven Wahlrecht kaum argumentativ unterlegt. Die Befürworter der Einbeziehung geschäftsunfähiger Beschäftigter beschränken sich weitgehend auf die Schutzbedürftigkeit dieser Personengruppe, ohne darzulegen, inwieweit hieraus ein aktives Wahlrecht abzuleiten ist.79 Demgegenüber lassen die Fürsprecher einer generellen Herausnahme geschäftsunfähiger Beschäftigter nahezu jegliche dogmatische Herleitung des präferierten Wahlrechtsausschlusses vermissen.80 Im Folgenden soll daher eingehend untersucht werden, inwieweit die Geschäftsfähigkeit im Hinblick auf die Wahlberechtigung bei der Schwerbehindertenvertretungswahl Maßgeblichkeit besitzt. a) Ausschluss der Geschäftsunfähigen i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB Ein Teil des einschlägigen Schrifttums geht davon aus, dass Geschäftsunfähige i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB bei der Schwerbehindertenvertretungswahl vom aktiven rechts mit denen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vermengt und deshalb auch für die Wahlberechtigung eine nicht nur vorübergehende Beschäftigung verlangt. 77 Siehe allgemein dazu oben § 3 IV. 3. d) bb) und cc). 78 Dafür: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 16. Dagegen: Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 11; Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 19; Fuchs/Stähler, SchwbG, § 24 Anm. 3; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 120; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 40; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 25; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 7. Dagegen wohl auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 9, die darauf verweisen, dass keine sonstigen Wahlrechtsbeschränkungen vorgeschrieben seien. Nunmehr auch gegen eine derartige Voraussetzung: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 28, der seine bisherige Auffassung explizit aufgibt. 79 Vgl. Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 120; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 40; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22. 80 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 16.
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Wahlrecht ausgeschlossen seien.81 Im Folgenden soll daher geprüft werden, ob sich ein solcher genereller Ausschluss Geschäftsunfähiger vom aktiven Wahlrecht dogmatisch begründen lässt. Anschließend wird auf inhaltliche Bedenken gegen einen solchen Ausschluss einzugehen sein. aa) Dogmatische Herleitung Ein genereller Ausschluss geschäftsunfähiger Beschäftigter ist grundsätzlich nur dann dogmatisch tragfähig, wenn ein solcher nach Auslegung des § 94 Abs. 2 SGB IX erforderlich erscheint.82 (1) Wortlaut Geht man vom Wortlaut des § 94 Abs. 2 SGB IX aus, erscheint eine Ausklammerung geschäftsunfähiger Beschäftigter vom aktiven Wahlrecht fernliegend. Die insoweit einschränkungslose Formulierung der Norm legt vielmehr die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber keine bestimmten Beschäftigten vom Wahlrecht ausschließen, sondern allen gleichermaßen die Stimmabgabe ermöglichen wollte.83 (2) Systematik In systematischer Hinsicht erscheinen für die Auslegungen zweierlei Normen bedeutsam: Die Regelung des § 61 Abs. 1 BetrVG und die des § 139 Abs. 1 SGB IX. (a) § 61 Abs. 1 BetrVG Durch § 61 Abs. 1 BetrVG werden per Verweis auf den in § 60 Abs. 1 BetrVG festgelegten Beschäftigtenkreis die personellen Voraussetzungen des aktiven 81 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 16. Vgl. auch in Bezug auf die Betriebsratwahl: Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 7 Rn. 39; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 7 Rn. 19. 82 Eine Rechtsfortbildung im Wege einer Analogie kommt mangels heranziehbarer Vorschrift vorliegend nicht in Betracht. 83 Vgl. Heuser, BehR 1990, 25, 28; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 555; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 25 und 24. Vgl. zu der vergleichbaren Regelung des § 61 Abs. 1 BetrVG auch: Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 10. Für § 7 BetrVG wohl auch Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 4; Weiss/Weyand, BetrVG, § 7 Rn. 2, die jeweils ohne nähere Ausführungen klarstellen, dass die Geschäftsfähigkeit für die Wahlberechtigung keine Voraussetzung darstelle.
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Wahlrechts für die Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl bestimmt. Nach diesen Regelungen sind explizit auch minderjährige Arbeitnehmer wahlberechtigt.84 Das aktive Wahlrecht zu betrieblichen Interessenvertretungswahlen setzt somit volle Geschäftsfähigkeit der betreffenden Personen also nicht zwingend voraus.85 Dies streitet dafür, dass auch im Hinblick auf § 94 SGB IX der Geschäftsfähigkeit keine eigenständige Bedeutung zugemessen werden sollte.86 (b) § 139 Abs. 1 SGB IX Im Unterschied dazu könnte die Vorschrift des § 139 Abs. 1 SGB IX gegen ein aktives Wahlrecht geschäftsunfähiger Beschäftigter sprechen. In dieser Norm ist geregelt, dass in Werkstätten für behinderte Menschen tätige behinderte Menschen „unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit durch Werkstatträte in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten der Werkstatt“ mitwirken. Diese explizit betonte Bedeutungslosigkeit der Geschäftsfähigkeit ließe sich dergestalt interpretieren, dass die Geschäftsfähigkeit in allen anderen Fällen gerade nicht ohne Belang sein solle.87 Allerdings ist dieser Schluss nicht zwingend. Zum einen ist nicht auszuschließen, dass die in § 139 Abs. 1 SGB IX zu findende Formulierung zur Geschäftsfähigkeit lediglich klarstellenden Charakter haben sollte. Zum anderen spricht der systematische Standort in § 139 Abs. 1 SGB IX dafür, dass sich dieser auf das Mitwirkungsrecht des Werkstattrats als Vertretungsorgan und nicht auf die in § 139 Abs. 3 SGB IX geregelte Wahlberechtigung bezieht.88 Somit lassen sich aus der ausdrücklich erwähnten Bedeutungslosigkeit der Geschäftsfähigkeit in § 139 Abs. 1 SGB IX keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit der Geschäftsfähigkeit für das Wahlrecht bei der Schwerbehindertenvertretungswahl ziehen.
84 Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 61 Rn. 2; Fitting, BetrVG, § 61 Rn. 5; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 70 Rn. 2; Schrader, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 61 Rn. 2. Vgl. auch Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 5 f. und § 60 Rn. 22 ff. 85 Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 61 Rn. 2. Vgl. auch Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 9 ff.; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 61 Rn. 5. 86 Vgl. aber Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62, die in anderem Zusammenhang darauf hinweisen, dass aus einem Verzicht auf eine volle Geschäftsfähigkeit nicht zwingend geschlussfolgert werden könne, dass der Geschäftsfähigkeit keinerlei Bedeutung zukomme. 87 In dieser Richtung früher noch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, 10. EL, Stand Juli 2006, § 94 Rn. 28. 88 Vgl. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 139 Rn. 4. A. A. Vater, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 139 Rn. 2.
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(3) Teleologische Gesichtspunkte In teleologischer Hinsicht sind sowohl der allgemeine Legitimationscharakter der Wahl als auch die mit der Wahl einhergehende Vermittlung einer Vertrauensbasis zwischen Beschäftigtem und Repräsentationsorgan bedeutsam. (a) Legitimationscharakter der Wahl Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Durchführung einer betrieblichen Interessenvertretungswahl dazu dient, das Interessenvertretungsorgan durch die zu repräsentierende Belegschaft demokratisch zu legitimieren.89 Der Gesetzgeber verfolgt daher grundsätzlich das Ziel, einen Gleichlauf zwischen den zu vertretenden und den wahlberechtigten Personen herzustellen. Im Hinblick auf das aktive Wahlrecht ist somit gerade darauf abzustellen, welche Personen in die Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung fallen.90 Im Hinblick auf die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung wird jedoch nicht zwischen verschiedenen Gruppen von Beschäftigten und insbesondere nicht nach der Geschäftsfähigkeit unterschieden. Vielmehr hat die Schwerbehindertenvertretung die Interessen sämtlicher Beschäftigter gleichermaßen zu vertreten.91 Auch geschäftsunfähige Beschäftigte fallen somit in den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Schwerbehindertenvertretung.92 Mit Blick auf den Legitimationsgedanken der Wahl spricht somit in teleologischer Hinsicht einiges dafür, dass geschäftsunfähige Beschäftigte gleichermaßen wie Geschäftsfähige wahlberechtigt sind. 89 Vgl. zum Repräsentations- und Legitimationsgedanken: Bericht der Sachverständigenkommission, BT-Drs. VI/334, S. 65; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 189; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 363; v. Hoyningen-Huene, in: MüArbR, § 212 Rn. 12. 90 In dieser Richtung auch Heuser, BehR 1990, 25, 28; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 555; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/ Welti, SGB IX, § 94 Rn. 25 und 24, die jeweils unmittelbar auf die Schutzbedürftigkeit geschäftsunfähiger Beschäftigter verweisen. Vgl. allgemein zum Konnex zwischen Interessenvertretung und Wahl v. Hoyningen-Huene, in: MüArbR, 2. Aufl., § 299 Rn. 14. Siehe dazu auch § 3 IV. 3. d). Vgl. zur legitimationssteigernden Wirkung einer Herabsetzung des Wahlalters bei der Betriebsratswahl: Grote, Novellierungsvorschläge zu den Vorschriften über die Zusammensetzung und die Wahl des Betriebsrats, S. 13 f. 91 BAG vom 16.04.2003 – 7 ABR 27/02 – AP Nr. 1 zu § 95 SGB IX; BAG vom 27.06.2001 – 7 ABR 50/99 – AP Nr. 2 zu § 24 SchwbG 1986; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 120; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 30. Vgl. auch Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 9. Vgl. auch in Bezug auf den Betriebsrat: Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 188 ff.; Wedde, in: Däubler, BetrVG, Einleitung Rn. 127 und 133. 92 Vgl. Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 120; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 40; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22. Vgl. zur Erstreckung der Zuständigkeit auf (noch) nicht im Betrieb beschäftigte schwerbehinderte Menschen: Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 95 Rn. 7. Siehe dazu zur Heranziehbarkeit der Aufgabenzuständigkeit aber auch § 3 IV. 3. d).
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(b) Vermittlung einer Vertrauensbasis Vor diesem Hintergrund ist in teleologischer Hinsicht zusätzlich zu berücksichtigen, dass geschäftsunfähige Beschäftigte in besonderer Weise auf Unterstützung angewiesen sind.93 Zwar könnte diesem besonderen Unterstützungs- und Schutzbedürfnis auch durch eine nicht von den Geschäftsunfähigen mitgewählte Schwerbehindertenvertretung Rechnung getragen werden. Der Vertrauensperson fehlte in diesem Fall allerdings nicht nur die mit der Wahl gerade bezweckte demokratische Legitimation, sondern vor allem auch die durch eine Mitwirkung an der Abstimmung vermittelte Vertrauensbasis.94 Folglich erscheint es auch unter diesem Gesichtspunkt naheliegend, dass Geschäftsunfähige gerade nicht vom aktiven Wahlrecht ausgeklammert sein sollen. Vielmehr ist von deren Einbeziehung in den Kreis der Wahlberechtigten auszugehen, damit auch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zur Schwerbehindertenvertretung entstehen kann. Schließlich ist ein solches gerade für die Gruppe der Geschäftsunfähigen in besonderer Weise von Nöten.95 (4) Grundsatz der obligatorischen Vertretung Denkbar erscheint es jedoch zu dem in der Literatur bisweilen vertretenen Auslegungsergebnis zu gelangen, indem man § 94 SGB IX im Lichte des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung betrachtet. Schließlich ist dieser auch auf eine Anfechtbarkeitsrisiken minimierende Durchführung der Wahl gerichtet, weil nur dann eine unterbrechungsfreie Fortsetzung der Arbeit der Interessenvertretung gewährleistet werden kann.96 (a) Geschäftsfähigkeit als Anfechtbarkeitsrisiko Im Widerspruch zu dieser Prämisse würde es stehen, wenn an der Wahl auch Personen teilnehmen dürften, deren Stimmen bei der nachträglichen Auszählung zwingend unberücksichtigt bleiben müssten und infolgedessen ein eindeutiges Ergebnis der Wahl nicht mehr sicher feststellbar wäre. An derartigen Mängeln leidende Wahlergebnisse könnten nämlich leicht eine Anfechtbarkeit der gesam93 Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 19; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 120; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 40; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22. 94 Vgl. zum Näheverhältnis zwischen Schwerbehindertenvertretung und den vertretenen schwerbehinderten Beschäftigten unter psychologischem Aspekt: Jakubik, BehR 1982, 30, 30 ff. 95 Vgl. dazu auch Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 19; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 120; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 40; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22, die allgemein von einem besonderen Schutzbedürfnis dieser Personen ausgehen. 96 Siehe dazu bereits oben § 2 IV. 1. a).
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ten Wahl nach sich ziehen und hierdurch die Kontinuität der Interessenvertretung vereiteln. Zur Wahrung des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung erschiene vor diesem Hintergrund deshalb ein genereller Wahlrechtsausschluss geschäftsunfähiger Beschäftigter denkbar. Voraussetzung dafür wäre jedoch einerseits, dass eine Berücksichtigung der Stimmen geschäftsunfähiger Beschäftigter rechtlich ausgeschlossen ist. Andererseits müsste durch die aktive Wahlteilnahme der Geschäftsunfähigen auch tatsächlich ein Anfechtbarkeitsrisiko entstehen. (aa) Unwirksamkeit der Stimmabgabe Eine Unzulässigkeit der Berücksichtigung der Stimmen von geschäftsunfähigen Beschäftigten könnte sich aus § 105 Abs. 1 i.V. m. § 104 Nr. 2 BGB ergeben, wenn diese Regelungen auf die Stimmabgabe bei der Schwerbehindertenvertretungswahl anwendbar wären. Dies wäre dann der Fall, wenn die Stimmabgabe rechtsdogmatisch als Willenserklärung zu qualifizieren ist.97 Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, die auf Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist, die deshalb eintritt, weil sie gewollt und von der Rechtsordnung anerkannt ist.98 Bei der Stimmabgabe zur Schwerbehindertenvertretungswahl entäußert sich der Abstimmende seines Willens über die von ihm als Vertrauensperson bzw. als stellvertretendes Mitglied gewollten Personen. Er gibt dabei seine Stimme gerade deshalb ab, um hierdurch auf das Wahlergebnis und damit auf den durch die Gesamtheit der abgegebenen Stimmen zum Ausdruck kommenden Gemeinschaftswillen Einfluss zu nehmen.99 Die Stimmabgabe erfüllt daher grundsätzlich die Tatbestandmerkmale der Definition, so dass es nachvollziehbar erscheint, die Stimmabgabe als Willenserklärung zu qualifizieren.100
97
Vgl. Schmitt, in: MüKo-BGB, Vorbemerkungen zu §§ 104 ff. Rn. 11. BGH vom 17.10.2000, X ZR 97/99, NJW 2001, 289, 290; Boemke/Ulrici, BGB AT, § 5 Rn. 1; Medicus, BGB AT, Rn. 175. 99 Ähnlich für die Stimmabgabe bei der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl: Rotermund, Die Interessenwahrnehmung durch Jugendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 52. Vgl. zur Stimmabgabe bei der Mitgliederversammlung im Verein: Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 203 und zur Stimmabgabe der Aktionäre bei der Hauptversammlung: Hüffer, AktG, § 133 Rn. 18. 100 So für die Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl: Grote, Novellierungsvorschläge zu den Vorschriften über die Zusammensetzung und die Wahl des Betriebsrats, S. 9; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62; Küchenhoff, BetrVG, § 7 Rn. 3. Für die Stimmabgabe bei der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl: Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 9; Rotermund, Die Interessenwahrnehmung durch Jugendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 52. Für die Stimmabgabe bei der Mitgliederversammlung eines Vereins; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 205a m.w. N. Für die Stimmabgabe bei der Eigentümerversammlung nach dem WEG: BGH vom 19.09.2002, V ZB 37/02, NJW 2002, 3629, 3630, m.w. N. Vgl. zur Stimmabgabe im Rahmen von Betriebsratsbeschlüssen: Reitze, Der Betriebsratsbeschluss, S. 61 m.w. N. 98
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Ordnete man die Stimmabgabe rechtsdogmatisch als Willenserklärung ein, wäre auf diese auch die Nichtigkeitsanordnung des § 105 Abs. 1 BGB anwendbar.101 Infolgedessen wäre eine Stimmabgabe durch einen Geschäftsunfähigen i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB stets nichtig.102 Eine nichtige Stimme kann jedoch nicht in die Stimmauszählung einbezogen, sondern muss als nicht abgegeben behandelt werden.103 (bb) Bestehen eines Anfechtbarkeitsrisikos Dies führte jedoch dann zu erheblichen Problemen, wenn die Wahlumschläge der geschäftsunfähigen Personen bereits in die Wahlurne geworfen wurden. In diesem Fall ließen sich die nichtigen und damit unberücksichtigt zu lassenden Stimmzettel nicht mehr ermitteln. Infolgedessen wäre das Wahlergebnis – von einstimmigen Entscheidungen abgesehen – nicht mehr exakt feststellbar. Dies kann jedoch nur dann folgenlos bleiben, wenn das Wahlergebnis sowohl unter Einbeziehung als auch unter Weglassung der von Geschäftsunfähigen abgegebenen Stimmen identisch ausfällt.104 Dies ist allerdings nur der Fall, wenn der obsiegende Kandidat auch dann noch mehr Stimmen als die Nächstplatzierten erhalten hätte, wenn sämtliche durch Geschäftsunfähige abgegebenen Stimmen auf den Obsiegenden entfallen wären. Sollte es also denkbar sein, dass das unter Einbeziehung sämtlicher Stimmen ermittelte Wahlergebnis anders ausfallen könnte, als ein unter Abzug sämtlicher von Geschäftsunfähigen abgegeben Stimmen ermitteltes Ergebnis, wäre eine gesicherte Feststellung der tatsächlich Gewählten nicht mehr möglich und die Wahl dadurch anfechtbar.105
101 So ausdrücklich für die Stimmabgabe bei der Gesellschafterversammlung einer GmbH: BayObLG vom 04.02.1993, 3Z BR 6/93, BB 1993, 525, 526. 102 So wohl auch: Homburg, in: Däubler, § 7 Rn. 47; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62. Im Hinblick auf § 94 SGB IX wohl auch: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Ritz/Dopatka, in: Cramer/ Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 16. Ebenso für die Stimmabgabe bei der Gesellschafterversammlung einer GmbH: BayObLG vom 04.02.1993, 3Z BR 6/93, BB 1993, 525, 526. Für die Stimmabgabe im Rahmen eines Betriebsratsbeschlusses: Reitze, Der Betriebsratsbeschluss, S. 61 m.w. N. 103 Vgl. BayObLG vom 04.02.1993, 3Z BR 6/93, BB 1993, 525, 525 f. Im Ergebnis wohl auch Homburg, in: Däubler, § 7 Rn. 47; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62. 104 Vgl. LAG Hamm vom 19.09.2008, 10 TaBV 53/08; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 19 Rn. 6; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rn. 46; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 31. 105 Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl BAG vom 21.02.2001, 7 ABR 41/99, AP Nr. 49 zu § 19 BetrVG 1972; BAG vom 14.09.1988, 7 ABR 93/87, AP Nr. 1 zu § 16 BetrVG 1972; BAG vom 29.03.1974, 1 ABR 27/73, AP Nr. 2 zu § 19 BetrVG 1972; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rn. 50; Müller, in: FS Schnorr von Carolsfeld, S. 367, 387; Schlömp-Röder, AuR 1989, 159, 159. Vgl. auch BGH vom 19.09.2002, V ZB 37/ 02, NJW 2002, 3629, 3631; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, Rn. 205a.
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(b) Lösungen zur Vermeidung dieses Anfechtbarkeitsrisikos Geht man paradigmatisch davon aus, dass die Stimmabgabe als Willenserklärung zu qualifizieren und dadurch die Stimmzettel geschäftsunfähiger Beschäftigter unberücksichtigt zu lassen sind, besteht bei Teilnahme Geschäftsunfähiger an der Stimmabgabe somit immer ein potentielles Anfechtbarkeitsrisiko. Jede unter Mitwirkung geschäftsunfähiger Beschäftigter durchgeführte Wahl stünde damit abstrakt unter dem Damoklesschwert der Unwirksamkeit, so dass vertretungslose Zeiten möglich wären. Dies widerspräche jedoch gerade dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung. (aa) Vorherige Aussonderung Daher erschiene es geboten, die von Geschäftsunfähigen abgegebenen Stimmen bereits vor dem Einwurf in die Wahlurne auszusondern. Damit ließen sich jedoch deren Stimmzettel und in der Folge auch die von den geschäftunfähigen Beschäftigten getroffenen Wahlentscheidungen personell zuordnen. Dadurch würde jedoch wiederum der Grundsatz der geheimen Wahl verletzt.106 Daher scheidet eine Aussonderung der betreffenden Stimmzettel nach erfolgter Kennzeichnung generell aus. (bb) Förmlicher Wahlrechtsausschluss Zur gleichzeitigen Gewährleistung des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung und des Grundsatzes der geheimen Wahl käme es daher nur in Betracht, bereits den Akt der Stimmabgabe durch geschäftsunfähige Beschäftigte zu unterbinden. Durch eine solche Vorgehensweise würden die betreffenden Personen jedoch vom aktiven Wahlrecht faktisch ausgeschlossen, so dass ergebnisbezogen keine Unterschiede zu einem förmlichen Wahlrechtsausschluss auszumachen wären. Dementsprechend erschiene es schon zur Vereinfachung des Wahlprozederes und damit auch zur Vermeidung etwaiger bei der Aussonderung auftretender Wahlfehler gerechtfertigt,107 Geschäftsunfähigen nicht erst den unmittelbaren Akt der Stimmabgabe, sondern bereits das aktive Wahlrecht an sich zu versagen und insoweit von einem Wahlrechtsausschluss auszugehen.108
106
Siehe dazu oben § 2 II. 1. a). Vgl. zum insoweit maßgeblichen Grundsatz der Simplizität § 2 IV. 2. a). 108 So wohl Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10. Für die Betriebsratwahl wohl auch Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 7 Rn. 47; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62. 107
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(5) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Untersuchung des § 94 Abs. 2 SGB IX nach dem klassischen Auslegungskanon keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass geschäftsunfähige Beschäftigte vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen sein sollen. Rechtstechnisch ließe sich ein derartiger Wahlrechtsausschluss somit nur mit der Gewährleistung des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung rechtfertigen. bb) Inhaltliche Bedenken: Prüfbarkeit der Geschäftsunfähigkeit Ein derartiger Ausschluss Geschäftsunfähiger würde voraussetzen, dass die Geschäfts(un)fähigkeit des betreffenden Beschäftigten durch das wahlleitende Organ geprüft würde.109 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass angesichts des Ausnahmecharakters des § 104 Nr. 2 BGB in der Regel von der Geschäftsfähigkeit einer volljährigen Person auszugehen wäre.110 An die Annahme einer Geschäftsunfähigkeit müssten daher hohe beweisrechtliche Anforderungen gestellt werden.111 Ein genereller Ausschluss Geschäftsunfähiger vom aktiven Wahlrecht kommt daher nur in Betracht, wenn das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB unzweifelhaft feststeht. (1) Erforderlichkeit verbindlicher Nachweise Nach Maßgabe des Grundsatzes der Öffentlichkeit112 wäre zudem erforderlich, dass die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit anhand überprüfbarer Nachweise erfolgt. Schließlich kann es nicht der freien, unverifizierten Entscheidung des wahlleitenden Organs obliegen, ob einer Person das aktive Wahlrecht zuerkannt oder verwehrt wird.113 Vielmehr muss dies anhand objektiver Kriterien und kontrollfähiger Befunde erfolgen. Ein entsprechender Nachweis der Geschäftsunfähigkeit kann jedoch auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nur unter Heranziehung eines für den Einzelfall erstellten fachärztlichen 114 Sachverständi109 Eine solche Prüfung würde im Übrigen auch dann erforderlich werden, wenn Geschäftsunfähigen nicht das Wahlrecht an sich, sondern nur der Einwurf des Wahlumschlags in die Wahlurne versagt werden solle. 110 Jürgens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, BGB, § 104 Rn. 1; Knothe, in: Staudinger, BGB, § 104 Rn. 18. 111 Knothe, in: Staudinger, BGB, § 104 Rn. 16 und 18. Vgl. auch BAG vom 28.05.2009, 6 AZN 17/09, NZA 2009, 1109, 1111 und Lange, in: juris-PK-BGB, § 104 Rn. 22. 112 Siehe dazu oben § 2 III. 4. a). 113 Vgl. dazu Schreiber, BWahlG, § 13 Rn. 3 und Jekewitz, GA 1977, 161, 169, die in Bezug auf öffentliche Wahlen zu Recht darauf hinweisen, dass ein Ausschluss vom Wahlrecht nur auf Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung erfolgen kann. 114 Lange, in: Juris-PK-BGB, § 104 Rn. 22.
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gengutachtens erbracht werden.115 Zur Prüfung der Geschäftsunfähigkeit einzelner Beschäftigter müsste der Wahlvorstand also jeweils medizinische Gutachten in Auftrag geben, um das aktive Wahlrecht feststellen zu können. Ein derartiges Vorgehen stünde jedoch wiederum in eklatantem Widerspruch zu den Grundsätzen der Simplizität und der obligatorischen Vertretung. Schließlich wäre damit nicht nur ein hoher organisatorischer, sondern auch ein erheblicher zeitlicher Aufwand verbunden, der eine Wahldurchführung innerhalb der vom Normgeber vorgesehenen Fristen in der Regel verhindern dürfte. (2) Bedeutungslosigkeit vorangegangener Gerichtsentscheidungen Anstelle eines medizinischen Gutachtens kann zum Nachweis einer Geschäftsunfähigkeit regelmäßig auch nicht auf vorangegangene Gerichtsentscheidungen zurückgegriffen werden. Eine gerichtliche Feststellung der Geschäftunfähigkeit einer Person findet im allgemeinen Rechtsverkehr nämlich in der Regel nur rückblickend in Bezug auf konkrete Rechtsgeschäfte statt. Eine in die Zukunft gerichtete Feststellung der Geschäftsunfähigkeit wird jedoch selbst in der Entscheidung über die Betreuerbestellung nicht getroffen,116 zumal nicht ausgeschlossen werden könnte, dass eine zukünftige Handlung in einem lucidum intervallum stattfindet und sie damit den Rechtsfolgen des § 105 Abs. 1 BGB entzogen wäre.117 (3) Schlussfolgerungen Angesichts der hohen Anforderungen an die Prüfung der natürlichen Geschäftsunfähigkeit i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB scheidet eine diesbezügliche Feststellung im Vorfeld der Stimmabgabe regelmäßig aus. Das paradigmatisch angenommene Anfechtbarkeitsrisiko lässt sich somit nicht durch einen aus dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung abgeleiteten generellen Wahlrechtsausschluss geschäftsunfähiger Beschäftigter beseitigen. cc) Zwischenergebnis Ein genereller Ausschluss geschäftsunfähiger Beschäftigter vom aktiven Wahlrecht weist damit nicht nur eine dogmatisch dünne Basis auf, sondern wäre auch mit erheblichen praktischen Umsetzungsschwierigkeiten und daraus resultieren115 Vgl. BayObLG vom 12.06.2002, 1 Z BRH 1/02, ZEV 2003, 287, 287 f.; Lange, in: juris-PK-BGB, § 104 Rn. 22; Knothe, in: Staudinger, BGB, § 104 Rn. 16 und 18. In anderem Zusammenhang ebenfalls auf die erheblichen (Beweis-)Schwierigkeiten bei der Feststellung der Geschäftsfähigkeit hinweisend: Cypionka, NJW 1992, 207, 209. 116 Vgl. Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, § 1896 Rn. 32; Klüsener/Rausch, NJW 1993, 617, 617 f. 117 Vgl. Knothe, in: Staudinger, BGB, § 104 Rn. 13; Schmitt, in: MüKo-BGB, § 104 Rn. 13.
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den Verstößen gegen andere tragende Wahlgrundsätze verbunden. Ein derartiger Wahlrechtsausschluss Geschäftsunfähiger ist daher mit den Wahlvorschriften nicht zu vereinbaren. b) Ausschluss des unter Betreuung stehenden Beschäftigten Wohl auf Grund dieser praktischen Schwierigkeiten wird in Bezug auf die bei der Betriebsratwahl parallel diskutierte Frage der Bedeutung der Geschäftsunfähigkeit für das aktive Wahlrecht118 ein anderer Lösungsansatz verfolgt. Anknüpfungspunkt eines allgemeinen Wahlrechtsausschlusses soll danach nämlich nicht die Geschäftsunfähigkeit i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB sein. Stattdessen wird vielmehr darauf abgehoben, ob für den Beschäftigten zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten nicht nur vorläufig ein Betreuer bestellt worden ist.119 Dogmatisch wird diese Form des Wahlrechtsausschlusses auf eine Analogie zu § 13 Nr. 2 BWahlG gestützt.120 Auch die Tragfähigkeit dieser dogmatischen Herleitung soll zunächst untersucht werden, bevor auf inhaltliche Bedenken gegen diesen Lösungsweg einzugehen ist. aa) Dogmatische Herleitung Eine Analogie setzt nach allgemeinen Grundsatzen neben einer planwidrigen Regelungslücke voraus, dass die durch die analoge Anwendung gleich zu behandelnden Sachverhalte unter teleologischen Gesichtspunkten als wesensgleich anzusehen sind.121 (1) Fehlende Planwidrigkeit Während es noch nachvollziehbar erscheint, in dem paradigmatisch angenommenen Anfechtbarkeitsrisiko der Wahlberechtigung Geschäftsunfähiger eine Regelungslücke zu erkennen,122 begegnet deren Planwidrigkeit erheblichen Bedenken. Im Rahmen der Reform des Pflegschafts- und Vormundschaftsrechts durch 118 Vg. zum dortigen Streitstand einerseits Fitting, BetrVG, § 7 Rn. 89; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 4; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 7 Rn. 12 und andererseits: Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 7 Rn. 47; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8; Kreutz/ Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 7 Rn. 19. Vgl. auch Brors, in: Düwell, BetrVG, § 7 Rn. 3; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 7 Rn. 30. 119 Fitting, BetrVG, § 7 Rn. 89; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 4; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 7 Rn. 12. A. A. Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 7 Rn. 47; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62; Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 12; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 7 Rn. 19. A. A. wohl auch Brors, in: Düwell, BetrVG, § 7 Rn. 3. 120 So ausdrücklich Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 4. Wohl auch Fitting, BetrVG, § 7 Rn. 89, die insoweit einen allgemeinen Rechtsgrundsatz erkennen wollen. 121 Vgl. Honsell, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, Teil B Rn. 61; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff. 122 So wohl für die Betriebsratwahl Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 7 Rn. 18.
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das Betreuungsgesetz (BtG) vom 12.09.1990123 wurden über dessen Art. 7 für verschiedene Wahlen ein Wahlrechtsausschluss für unter Betreuung stehende Personen etabliert (vgl. Art. 7, § 1 und § 44 BtG). Hätte der Gesetzgeber auch für die Schwerbehindertenvertretungswahlen einen derartigen Ausschluss vom aktiven Wahlrecht anordnen wollen, hätte er dies vermutlich explizit in Art. 7 BtG geregelt. Die fehlende Erwähnung der Schwerbehindertenvertretungswahlen in Art. 7 BtG spricht somit tendenziell gegen eine Planwidrigkeit der Regelungslücke.124 (2) Fehlende Vergleichbarkeit Ungeachtet dessen ist zu beachten, dass die Regelung des § 13 Nr. 2 BWahlG gerade keine im Privatrecht angesiedelten, sondern rein öffentlich-rechtliche Wahlen betrifft.125 Diese sind mit betrieblichen Interessenvertretungswahlen jedoch nicht automatisch gleichzusetzen.126 Vielmehr weisen die Wahlen sowohl in ihre Folgewirkung als auch hinsichtlich der sie prägenden Normen bedeutende Unterschiede auf.127 Daher ist auch die Wesensgleichheit der durch die Analogie gleich zu behandelnden Sachverhalte zumindest zweifelhaft.128 bb) Inhaltliche Bedenken gegen diesen Lösungsansatz Sieht man von diesen dogmatischen Unwägbarkeiten hinsichtlich der Zulässigkeit einer Analogiebildung zu § 13 Nr. 2 BWahlG ab, bestehen gleichwohl erhebliche inhaltliche Bedenken, wenn man sich die rechtlichen Voraussetzungen und Konsequenzen einer Betreuerbestellung vergegenwärtigt. (1) Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Betreuerbestellung Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers ist, dass der betreffende Volljährige auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Vergleicht man diese Anforderungen mit denen der Geschäftsunfähigkeit ist festzustellen, dass sich diese decken können, jedoch nicht 123
BGBl. I, S. 2002 ff. Vgl. Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62. Vgl. auch Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8, der auch ausdrücklich verneint, dass den § 13 Nr. 2 BWahlG bzw. § 50 Abs. 2 SGB IV ein allgemeiner Rechtsgrundsatz inne wohnen würde. 125 Vgl. zum Wahlrechtsausschluss durch Betreuerbestellung bei anderen öffentlichen Wahlen: Quambusch, Das Recht der Geistigbehinderten, Rn. 293 ff. 126 Vgl. dazu Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 12. Wohl auch Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62. 127 Vgl. dazu auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 11. 128 Strenger Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 12, der eine Analogie zur öffentlichrechtlichen Regelung des § 13 Nr. 2 BWahlG für nicht mit dem privatrechtlichen Charakter der Betriebsratwahl vereinbar hält. Vgl. auch Koch, in: ErfK, BetrVG, § 7 Rn. 8. 124
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zwangsläufig müssen.129 Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit einerseits und der Betreuerbestellung andererseits weisen also nicht unerhebliche Divergenzen auf. Auch die Rechtsfolgen unterscheiden sich signifikant. Zunächst einmal bewirkt die Betreuerbestellung im Grundsatz eine Doppelzuständigkeit von Betreuer und Betreutem.130 Die Geschäftsfähigkeit des Betreuten wird daher durch die Betreuerbestellung an sich nicht berührt.131 Einschränkungen ergeben sich für den Betreuten folglich erst dann, wenn zusätzlich auch ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB angeordnet wurde. In diesem Fall bedarf der Betreute für Rechtsgeschäfte, die für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind, einer Zustimmung seines Betreuers. (2) Konsequenzen der Betreuerbestellung für die Stimmabgabe Bezieht man diese Rechtsfolgen auf die Stimmabgabe bei der Schwerbehindertenvertretungswahl ist zunächst festzustellen, dass sich aus der Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB an sich noch keine Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit im Allgemeinen und der wirksamen Stimmabgabe im Besonderen ergeben. Dies gilt selbst dann, wenn zusätzlich zur Betreuung ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB angeordnet worden ist. Zwar nimmt § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB dem Wortlaut nach lediglich rechtlich vorteilhafte Rechtsgeschäfte vom Zustimmungserfordernis aus. Jedoch ist anerkannt, dass diese Regelung ebenso wie § 107 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist, dass auch rechtlich neutrale Rechtsgeschäfte zustimmungsfrei möglich bleiben.132 Damit sich der Einwilligungsvorbehalt einschränkend auf die Stimmabgabe auswirken kann, müsste die Stimmabgabe für den Betroffenen also rechtlich nachteilig sein.133
129 Jürgens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, BGB, § 1896 Rn. 42; Klüsener/Rausch, NJW 1993, 617, 617. 130 Cypionka, NJW 1992, 207, 209. Vgl. auch Jürgens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, BGB, § 1902 Rn. 4. Vgl. auch Jürgens/Lesting/Marschner/Winterstein, Betreuungsrecht kompakt, Rn. 161. 131 Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann/Bienwald, Betreuungsrecht, BGB, § 1896 Rn. 17; Cypionka, NJW 1992, 207, 208; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, § 1896 Rn. 29; Jürgens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, BGB, § 104 Rn. 6 und § 1896 Rn. 10 und 42; Jürgens/Lesting/Marschner/Winterstein; Betreuungsrecht kompakt, Rn. 160; Klüsener/Rausch, NJW 1993, 617, 617. 132 Jürgens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, BGB, § 1903 Rn. 23; Kieß, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, § 1903 Rn. 44. Vgl. auch Schwab, in: MüKo-BGB, § 1903 Rn. 43. Kritisch: Bienwald, in: Staudinger, BGB, § 1903, Rn. 83. 133 Vgl. dazu Grote, Novellierungsvorschläge zu den Vorschriften über die Zusammensetzung und die Wahl des Betriebsrats, S. 10, der zu Recht darauf hinweist, dass es auf möglicherweise nachteilige Folgen der späteren Amtsführung nicht ankommt.
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Entscheidend gegen eine rechtliche Nachteiligkeit der Stimmabgabe spricht jedoch, dass die aus der Wahl folgende Amtseinsetzung der Schwerbehindertenvertretung auch dann eintritt, wenn die unter Einwilligungsvorbehalt stehenden Beschäftigten an dieser Wahl nicht durch eigene Stimmabgabe mitwirken. Beteiligen sich einzelne Beschäftigte nicht an der Wahl ändert dies nämlich nichts an der Zuständigkeit des gewählten Organs für diese Personen.134 Die für die rechtliche Vor- bzw. Nachteiligkeit maßgeblichen Konsequenzen der Wahl treten also unabhängig von der Wahlbeteiligung ein, so dass die Teilnahme an der Stimmabgabe als rechtlich neutral zu qualifizieren ist.135 Dementsprechend wirkt sich die Betreuerbestellung nach § 1896 BGB sowohl mit als auch ohne Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB nicht einschränkend auf die Stimmabgabe bei der Schwerbehindertenvertretungswahl aus. (3) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bestellung eines Betreuers nach §§ 1896 ff. BGB und das Vorliegen einer sog. natürlichen Geschäftsunfähigkeit i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB strikt von einander zu unterscheiden sind. Insbesondere ist festzuhalten, dass sich aus der Bestellung eines Betreuers keinerlei zwingenden Rückschlüsse auf das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB ziehen lassen. Ebenso wenig folgt aus der Betreuerbestellung, dass die Willenserklärungen der betreffenden Personen das gleiche Schicksal ereilt wie die von Geschäftsunfähigen Abgegebenen. Vielmehr ist in Bezug auf die Schwerbehindertenvertretungswahl festzustellen, dass die Stimmabgabe eines Betreuten selbst von der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht berührt wird, wohingegen die Stimmabgabe eines Geschäftsunfähigen – bei unterstellter Einstufung als Willenserklärung – nach § 105 Abs. 1 i.V. m. § 104 Nr. 2 BGB nichtig und damit unwirksam wäre. Aus der Bestellung eines Betreuers lassen sich daher keinerlei Rückschlüsse auf die Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen oder die Unwirksamkeit der von ihnen abgegebenen Stimmen ziehen. Dementsprechend kann die Betreuerbestellung weder Nachweis noch Indiz einer Geschäftsunfähigkeit i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB sein, so dass Beschäftigte nicht allein deshalb vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen werden dürfen, weil für sie eine Betreuung (ggf. mit Einwilligungs-
134 So in Bezug auf den Betriebsrat Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 188 f. Vgl. auch BAG vom 03.12.1985, 1 ABR 29/84, AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972 und Bachner, in: Däubler, BetrVG, § 102 Rn. 140. 135 Vgl. dazu Kreutz, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 62; Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 12. Vgl. auch Grote, Novellierungsvorschläge zu den Vorschriften über die Zusammensetzung und die Wahl des Betriebsrats, S. 9 f.
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vorbehalt) angeordnet worden ist.136 Vielmehr würde durch ein solches Ausschlusskriterium auch solchen Beschäftigten das aktive Wahlrecht verwehrt, von denen an sich keinerlei Anfechtbarkeitsrisiko ausginge. Dies würde jedoch erhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl137 bewirken und mitunter zu neuen Anfechtbarkeitsrisiken führen.138 Damit würde ein solcher Lösungsweg seine eigentliche Zielrichtung kolportieren. Ein genereller Ausschluss von unter Betreuung stehenden Beschäftigten vom aktiven Wahlrecht ist daher abzulehnen. cc) Zwischenergebnis Auch der Lösungsweg über den Ausschluss unter Betreuung stehender Beschäftigter ist daher nicht geeignet, das aus der dogmatischen Einordnung der Stimmabgabe als Willenserklärung folgende Problem des erhöhten Anfechtbarkeitsrisikos zu bewältigen. Vielmehr ist zu manifestieren, dass sowohl die uneingeschränkte Teilnahme als auch Modelle zum Ausschluss geschäftsunfähiger Beschäftigter nach dem von der Literatur allgemein verfolgten Ansatz zu erheblichen Verwerfungen hinsichtlich der geltenden Wahlgrundsätze führt. c) Eigener Lösungsansatz: Stimmabgabe als Rechtsakt sui generis Dieses – nach hiesiger Ansicht nur scheinbare – Spannungsverhältnis lässt sich vermeiden, wenn man sich von dem Paradigma löst, die Stimmabgabe bei der Schwerbehindertenvertretung sei dogmatisch als Willenserklärung zu qualifizieren. Schließlich beruht die vorstehend dargestellte Konfliktsituation gerade erst auf der hieraus mittelbar resultierenden Rechtsfolge des § 105 Abs. 1 BGB. Begreift man die Stimmabgabe hingegen als Rechtsakt sui generis, auf den § 105 Abs. 1 BGB gerade keine Anwendung findet, wäre die Geschäftsfähigkeit für die Wirksamkeit der abgegebenen Stimmen unerheblich.139 In der Konsequenz eines 136 Im Ergebnis ebenso, jedoch mit unzutreffender Begründung: Adlhoch, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 16 und Adlhoch/Beyer/Ihme/Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 20. 137 Siehe dazu oben § 2 III. 3. a). 138 Etwas anderes wäre nur anzunehmen, wenn man die Notwendigkeit des Ausschlusses Geschäftsunfähiger als so bedeutsam einstufen würde, dass die Beeinträchtigung des Wahlrechts anderer, die Wirksamkeit der Wahl überhaupt nicht gefährdender Personen dahinter zurückstehen müsste. Angesichts der zentralen Bedeutung des Repräsentations- und Legitimationsgedankens einerseits und der gerade im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretung notwendigen Vertrauensbildung andererseits, erscheint eine solche Wertung jedoch als nicht mit der Wahlkonzeption im Einklang stehend. 139 Vgl. dazu auch ArbG Bielefeld vom 16.05.1973, 3 BV 26/72, DB 1973, 1754, 1754; Eisemann, in: ErfK, 6. Aufl., BetrVG, § 61 Rn. 3; Moritz, Die Stellung der Jugendvertretung im Rahmen der Betriebsverfassung, S. 39 ff. und S. 49; Oetker, in: GKBetrVG, § 61 Rn. 10, 13 und 28 f.; Rotermund, Die Interessenwahrnehmung durch Ju-
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solchen Ansatzes würden die „befürchteten“ Anfechtbarkeitsrisiken gerade nicht auftreten, so dass auch keine Widersprüche zum Grundsatz der obligatorischen Vertretung oder anderen die Schwerbehindertenvertretungswahl prägenden Grundsätzen zu verzeichnen wären. Der hiesige Lösungsweg schafft es damit, die aus der Beteiligung Geschäftsunfähiger abgeleitete Problematik zu entschärfen und als Einziger mit einer im Einklang mit den Wahlgrundsätzen stehende Regelung aufzuwarten. Bedenkt man vor diesem Hintergrund, dass die allgemeinen und spezifischen Wahlgrundsätze im Rahmen der Auslegung der Wahlvorschriften stets zu berücksichtigen sind,140 drängt sich der hier vertretene Ansatz geradezu auf. In Anbetracht der dogmatischen wie inhaltlichen Bedenken zu den im Schrifttum vertretenen Lösungswegen und unter Einbeziehung einer Gesamtschau der Wahlgrundsätze ist die Stimmabgabe somit nicht als Willenserklärung, sondern als Rechtsakt sui generis zu qualifizieren. d) Fazit Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die Literatur den von ihr forcierten Wahlrechtsausschluss der geschäftunfähigen bzw. der unter Betreuung stehenden Beschäftigten gerade deshalb für notwendig erachtet, weil sie die Stimmabgabe als Willenserklärung qualifiziert. Dabei lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die angebotenen Lösungswege sowohl hinsichtlich ihrer dogmatischen Herleitung als auch in inhaltlicher Hinsicht deutliche Schwächen aufweisen. Vor allem aber führt die Betrachtungsweise des Schrifttums dazu, dass sowohl bei uneingeschränkter Beteiligung wie auch bei Ausschluss der betreffenden Beschäftigten erhebliche Verwerfungen mit zentralen Wahlgrundsätzen auftreten würden. Daher erscheint es zur Vermeidung dieser Konfliktsituation geboten, die Stimmabgabe bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht als Willenserklärung, sondern als Rechtsakt sui generis zu begreifen, auf den § 105 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet. Hiervon ausgehend ergeben sich aus der Wahlteilnahme geschäftsunfähiger Beschäftigter keine Anfechtbarkeitsrisiken, so dass auch nach dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung kein genereller Ausschluss Geschäftsunfähiger geboten erscheint. Vielmehr ist nach der hier vertretenen Auffassung davon ausgehen, dass die Geschäftsfähigkeit keine Voraussetzung des aktiven Wahlrechts bei der Schwerbehindertenvertretungswahl ist.
gendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 54 ff., die im Hinblick auf die Jugend- und Auszubildendenvertretung von einer das allgemeine Privatrecht durchbrechenden betriebsverfassungsrechtlichen Geschäftsfähigkeit ausgehen. 140 Siehe dazu oben § 2 I.
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4. Prüfung des aktiven Wahlrechts Damit sichergestellt ist, dass bei der Schwerbehindertenvertretungswahl ausschließlich solche Personen abstimmen, die die Voraussetzungen des § 94 Abs. 2 SGB IX erfüllen, muss die Wahlberechtigung der aktiv Teilnehmenden einer Prüfung unterliegen.141 Diese Prüfung ist in den beiden für die Schwerbehindertenvertretungswahl vorgesehenen Wahlverfahren jedoch unterschiedlich ausgestaltet und soll daher auch getrennt untersucht werden. a) Prüfung der Wahlberechtigung im förmlichen Wahlverfahren Die Wahlberechtigung ist in erster Linie erforderlich, um an der eigentlichen Stimmabgabehandlung zur Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder aktiv mitwirken zu können. Dem vorgelagert ist die Wahlberechtigung jedoch auch im Fall der Einberufung einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO Voraussetzung, um bei der Wahl des Wahlvorstands stimmberechtigt zu sein.142 Die jeweils vor der Abstimmungshandlung erforderliche Prüfung des aktiven Wahlrechts obliegt jedoch unterschiedlichen Organen. aa) Prüfung in der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO Wie bereits dargelegt, wird die Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten durch die einladenden Initianten eröffnet. Spätestens im Anschluss hieran obliegt es den Einladenden, die Wahlberechtigung der Anwesenden zu prüfen, damit gewährleistet ist, dass bei der Wahl des Wahlvorstands nur aktiv Wahlberechtigte i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX abstimmen. Eine Überprüfung der Wahlberechtigung durch die einladenden Initianten ist auch dann erforderlich, wenn die weitere Versammlung durch einen eigens hierfür zu wählenden Versammlungsleiter geleitet werden soll. Schließlich kann auch dessen Wahl nur durch die tatsächlich Wahlberechtigten erfolgen. Anstelle einer sich an die Eröffnung anschließenden Wahlberechtigungsprüfung ist es allerdings auch möglich, das aktive Wahlrecht im Wege einer „Einlasskontrolle“ zu überprüfen. Die Prüfung muss allerdings in beiden Fällen auf sämtliche an der Abstimmung teilnehmenden Personen bezogen sein und alle Tatbestandsmerkmale des aktiven Wahlrechts einschließen. 141 So inzwischen ebenso LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11. Im Ergebnis auch Heuser, BehR 1990, 25, 27; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 26, die jedoch das hierfür im vereinfachten Verfahren zuständige Organ falsch bestimmen. Ebenso wohl auch Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 20, der von der Erforderlichkeit von Nachweisen und damit indirekt auch von deren Prüfung ausgeht. Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl nur Schröder, DB 1965, 1009, 1011. 142 Siehe dazu unten § 7 II. 1. a) bb).
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(1) Überprüfung anhand des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX Als Ausgangspunkt der Prüfung kann hierbei das nach § 80 Abs. 1 SGB IX in jedem Betrieb zu führende Verzeichnis der schwerbehinderten Beschäftigten fungieren. Anhand dessen können sich die Einladenden relativ leicht einen Überblick über die im Betrieb tätigen schwerbehinderten Menschen verschaffen. Insbesondere können sie aus dem Verzeichnis sowohl die Beschäftigten- als auch die Schwerbehinderteneigenschaft der aufgelisteten Personen ableiten. Dieses Verzeichnis ist jedoch nicht mit einer Wahlberechtigtenliste gleichzusetzen. Insbesondere enthält das Verzeichnis weder eine abschließende Auflistung der aktiv wahlberechtigten Personen, noch wirkt sich eine Nennung konstitutiv auf die Wahlberechtigung aus. Vielmehr kann das Verzeichnis nur als Bestätigung der Beschäftigteneigenschaft und des Vorliegens einer Schwerbehinderung i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX dienen und damit anderweitige Nachweise entbehrlich machen.143 Ist eine Person im Verzeichnis aufgeführt, kann das wahlleitende Organ daher von deren Wahlberechtigung ausgehen, soweit nicht Anhaltpunkte vorliegen, die für eine Fehlerhaftigkeit der Auflistung sprechen. (2) Individueller Nachweis nicht im Verzeichnis aufgeführter Personen Sind objektiv schwerbehinderte Beschäftigte nicht im Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX aufgeführt – etwa, weil sie ihre nicht offensichtliche Schwerbehinderteneigenschaft bisher im Betrieb geheim gehalten hatten – müssen diese einen anderweitigen Nachweis für die Erfüllung der Schwerbehinderteneigenschaft erbringen. Das Abverlangen entsprechender Nachweise für die Ausübung des aktiven Wahlrechts schränkt dieses nicht in unzulässiger Weise ein. Vielmehr leite sich die Erforderlichkeit belastbarer Nachweise über die Schwerbehinderteneigenschaft aus den Grundsätzen der Öffentlichkeit und der obligatorischen Vertretung ab. Zudem wohnt es der Geltendmachung aus der Schwerbehinderteneigenschaft abgeleiteter Rechte im Allgemeinen inne, dass das tatsächliche Vorliegen einer Schwerbehinderung nachgewiesen werden muss.144 Für die Inanspruchnahme des aktiven Wahlrechts kann insoweit nichts anderes gelten. Daher ist im Zweifelsfall derjenige für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 94 Abs. 2 SGB IX nachweispflichtig, der die Wahlberechtigung für sich in Anspruch nehmen 143
Siehe dazu auch oben § 4 II. 1. c) bb). Vgl. vor allem in Bezug auf die Beanspruchung des Sonderkündigungsschutzes Knittel, SGB IX § 90 Rn. 36; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 90 Rn. 23; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 90 Rn. 27. Vgl. zur Nachweiswirkung des Schwerbehindertenausweises Winkler, in: Müller-Wenner/Winkler, § 69 Rn. 7. 144
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will.145 Es ist daher im Rahmen der Prüfung des aktiven Wahlrechts zulässig, von denjenigen Personen einen Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft zu verlangen, deren Schwerbehinderteneigenschaft nicht schon durch ihre Nennung im Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX belegt ist. bb) Prüfung der Wahlberechtigung durch den Wahlvorstand Ist ein Wahlvorstand wirksam eingesetzt, obliegt es im weiteren Verlauf der Wahl im Wesentlichen diesem, die Wahlberechtigung zu prüfen. Anders als bei der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO findet diese Prüfung jedoch nicht erst am Abstimmungstag statt, sondern erfolgt bereits im Rahmen der Erstellung der Liste der Wahlberechtigten. (1) Bedeutung der Liste für das aktive Wahlrecht In der Literatur wird ohne nähere Begründung allgemein davon ausgegangen, dass die Nennung in der Liste der Wahlberechtigten formelle Voraussetzung für die Ausübung des aktiven Wahlrechts sei.146 Dies ist jedoch unter zweierlei Gesichtspunkten nicht unproblematisch. (a) Fehlende Normierung der Rechtswirkung der Liste Zunächst einmal ist festzuhalten, dass sich in den Wahlvorschriften, insbesondere in § 3 SchwbVWO, keine Regelung findet, die der Liste eine derartige Funktion zuordnet. Zwar lässt sich aus den §§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 10 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO eine dahingehende Regelungsabsicht erkennen, jedoch hat es der Verordnungsgeber versäumt, eine § 2 Abs. 3 WO-BetrVG vergleichbare Norm in die SchwbVWO aufzunehmen. Damit stellt sich die Frage, ob die Ausübung des aktiven Wahlrechts auch ohne explizite Normierung in den Wahlvorschriften von der Aufnahme in die Liste der Wahlberechtigten abhängig gemacht werden kann. Dagegen spricht zunächst, dass Wahlvorschriften, gerade wenn sie Einschränkungen der Wahlrechte vorsehen, in besonderer Weise klarer 145 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 113. Wohl auch LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11, dass sich in der betreffenden Entscheidung jedoch nur mit den Nachweisen im vereinfachten Wahlverfahren zu befassen hatte. 146 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 82; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 3 Rn. 1; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 132; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 3 Rn. 5; Huber, dbr 7/2006, S. 32, 33; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 24 und 37; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 3; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 3 Rn. 1; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 88; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 2; Treml, BehR 1986, 57, 59.
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Regelungen bedürfen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass durch § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO sichergestellt ist, dass die Wahlberechtigten über die Bedeutung und Tragweite der Liste der Wahlberechtigten hinreichend informiert sind. Daher steht bei ordnungsgemäßem Erlass des Wahlausschreibens nicht zu befürchten, dass einzelne Wahlberechtigte mangels Kenntnis über die Bedeutung darauf verzichten, ihre Aufnahme in die Wählerliste zu überprüfen oder beim Wahlvorstand auf eine Fehlerkorrektur zu drängen. Zudem ist zu berücksichtigten, dass das nach § 4 SchwbVWO vorgesehene Einspruchsrecht ohne eine derartige Funktion der Liste der Wahlberechtigten weitgehend bedeutungslos wäre. Angesichts dieser Umstände ist trotz Fehlens einer expliziten Regelung in den Wahlvorschriften davon auszugehen, dass der Liste der Wahlberechtigten eine derartige Funktion als formelle Voraussetzung der Wahlrechtsausübung zukommen sollte. (b) Normhierarchische Zulässigkeit In zweiter Hinsicht ist fraglich, ob der Normgeber der SchwbVWO überhaupt die notwendige Kompetenz besaß, eine derartige formelle Wahlrechtsvoraussetzung aufzustellen. (aa) Normhierarchie hinsichtlich der Wahlberechtigung Betrachtet man die Normhierarchie der Wahlvorschriften ist festzuhalten, dass das aktive Wahlrecht in § 94 Abs. 2 SGB IX und damit in einem förmlichen Gesetz geregelt ist. Demgegenüber findet die Liste der Wahlberechtigten ausschließlich in der SchwbVWO und damit in einer Rechtverordnung i. S. d. Art. 80 Abs. 1 GG Erwähnung. Eine solche Rechtsverordnung steht jedoch im Rang unterhalb eines förmlichen Gesetzes und kann daher Einschränkungen oder Erweiterungen gegenüber der gesetzlichen Regelung nur vorsehen, soweit dies im betreffenden Gesetz zugelassen ist.147 (bb) Folgen für die SchwbVWO Auch die Regelungen der SchwbVWO können damit nur dann einschränkende Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts aufstellen, wenn eine solche Modifikation im SGB IX angelegt ist.148 Allerdings ist § 94 Abs. 2 SGB IX gerade nicht 147 Vgl. zum Rangverhältnis von Gesetz und Rechtsverordnung: Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. I, § 21 Rn. 340; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 103 Rn. 17 und 27. 148 Vgl. im Hinblick auf das betriebsverfassungsrechtliche Parallelproblem des Rangverhältnisses von § 7 BetrVG und §§ 2 und 4 WO-BetrVG: Boemke/Luke/Ulrici, Fallsammlung zum Schwerpunktbereich Arbeitsrecht, S. 141; Gnade, in: FS Herschel, S. 137, 145; Homburg, in: Däubler, BetrVG § 19 Rn. 6; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 80; Müller, in: FS Schnorr von Carolsfeld, S. 367, 386; Schröder, DB 1965,
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zu entnehmen, dass in der Wahlordnung zusätzliche Wahlrechtsvoraussetzungen verlangt werden dürften. Vielmehr ist die Regelung als abschließende Auflistung zu verstehen. Auch die Verordnungsermächtigung des § 100 SGB IX sieht eine derartige Einschränkungsmöglichkeit nicht vor, sondern gestattet nur „nähere Vorschriften über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl“. Dies gewährt aber grundsätzlich nur die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften zur Ausgestaltung der Wahl.149 Dass von der Ermächtigungsnorm auch Regelungen erfasst wären, die in den materiellen Bestand des aktiven Wahlrechts eingreifen, erscheint dagegen sehr zweifelhaft.150 Die über die SchwbVWO aufgestellte Voraussetzung der Eintragung in der Liste der Wahlberechtigten könnte damit wegen Verstoß gegen höherrangiges Recht unwirksam sein, wenn diese auch materiell das aktive Wahlrecht beeinträchtigt. (cc) Grundsatz: Keine Beeinträchtigung des materiellen Bestands Stellt man – wie vorliegend vertreten151 – darauf ab, dass die in Vorbereitung der Wahl aufgestellte Liste auch nach Ablauf der Einspruchsfrist noch um fehlende Wahlberechtigte ergänzt werden kann, lässt sich ihr grundsätzlich kein endgültiger, materiell auf das Wahlrecht einwirkender Charakter zumessen. Insbesondere wird durch eine lediglich im Vorfeld der Stimmabgabe förmlich vorzunehmende Ergänzung der Liste weder der materielle Bestand des Wahlrechts an sich berührt, noch dessen Ausübung faktisch ausgeschlossen. Dementsprechend wäre in einer lediglich formell verlangten, vorherigen Eintragung der Wahlberechtigten im Grundsatz keine normhierarchisch unzulässige Regelung zu sehen.152 (dd) Wahlrechtsvereitelungscharakter der Veränderungssperre Geht man allerdings mit der herrschenden Ansicht in der Literatur153 davon aus, dass eine Änderung der Liste der Wahlberechtigten letztmalig am Tag vor der 1009, 1009. Vgl. auch BAG vom 29.06.1965, 1 ABR 2/65, DB 1965, 1253, 1253 und LAG Köln vom 04.05.2000, 10 TaBV 56/99. 149 Vgl. Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 100 Rn. 1. 150 Im Hinblick auf das betriebsverfassungsrechtliche Parallelproblem ist zu beachten, die sich die jeweiligen Ermächtigungsnormen (§ 126 BetrVG und § 100 SGB IX) in Wortlaut und Ausgestaltung nicht unerheblich unterscheiden. 151 Siehe dazu § 4 II. 4. a) bb) (7). 152 Vgl. dazu Gnade, in: FS Herschel, S. 137, 145; Homburg, in: Däubler, BetrVG § 19 Rn. 6; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 80; Müller, in: FS Schnorr von Carolsfeld, S. 367, 386; Schröder, DB 1965, 1009, 1009. Vgl. auch BAG vom 29.06.1965, 1 ABR 2/65, DB 1965, 1253, 1253; LAG Köln vom 04.05.2000, 10 TaBV 56/99; Boemke/Luke/Ulrici, Fallsammlung zum Schwerpunktbereich Arbeitsrecht, S. 141. 153 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 84; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 4 Rn. 3; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 133; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 80; Maaß, in: Kossens/von der
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Stimmabgabe möglich sei,154 lässt sich diese Feststellung nicht uneingeschränkt aufrechterhalten. Nimmt man nämlich für den Tag der Stimmabgabe eine solche Veränderungssperre an, werden dadurch auch solche objektiv wahlberechtigten Beschäftigten von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen, die ihren Schwerbehindertenstatus erst an diesem Tag offenbaren. Die sonst durch nachträgliche Ergänzung zu überwindende formelle Hürde erwächst somit nach dieser Ansicht am Wahltag zu einer unabänderlichen Exklusion der Wahlrechtsausübung. Davon bliebe zwar das Wahlrecht an sich unberührt, jedoch führte dieser endgültige Wahlrechtsausübungsausschluss dazu, dass das objektiv fortbestehende, aktive Wahlrecht auch in seinem materiellen Gehalt vollständig entwertet würde. Schließlich wird dem aktiven Wahlrecht mit der endgültigen Untersagung der Stimmabgabe dessen Kernbedeutung genommen. Folgte man also der Ansicht zur Veränderungssperre, dann beeinträchtigte die „formelle“ Voraussetzung der Eintragung in die Liste der Wahlberechtigten jedenfalls am Wahltag auch den materiellen Gehalt des aktiven Wahlrechts.155 Dadurch würden die materiellen Regelungen des § 94 Abs. 2 SGB IX jedoch eingeschränkt und damit gegen höherrangiges Recht verstoßen. Soweit man eine derartige Veränderungssperre annehmen will, müsste man somit einräumen, dass damit die Regelungskompetenz des Verordnungsgebers überschritten wäre. Nach der hier vertretenen Auffassung156 ist jedoch auch noch am Tag der Stimmabgabe eine Ergänzung der Liste der Wahlberechtigten möglich. Durch das Fehlen einer Veränderungssperre bleibt der materielle Gehalt des aktiven Wahlrechts somit auch am Wahltag erhalten. (c) Schlussfolgerungen Nach der hier vertretenen Auffassung greifen also weder die Bedenken hinsichtlich der fehlenden Normierung der Wirkung der Liste, noch die normhierarchischen Bedenken durch. Die Eintragung in der Liste der Wahlberechtigten stellt daher eine zulässige, formelle Voraussetzung der Ausübung des aktiven Wahlrechts dar.157 Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 4; Schleicher, WO zum SchwbG, § 4 Rn. 7; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 27. 154 Siehe näher zu diesem Problem § 4 II. 4. a) bb) (7). 155 Vgl. im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Satz 2 WO-BetrVG für erst am Wahltag in den Betrieb eintretende Arbeitnehmer: Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 81. 156 Siehe dazu unten § 4 II. 4. a) bb) (7). 157 So im Ergebnis auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 82; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 3 Rn. 1; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 209; Huber, dbr 7/2006, S. 32, 33; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 24 und 37; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 3; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 3 Rn. 2; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 88; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 2; Treml, BehR 1986, 57, 59.
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(2) Prüfung bei Listenerstellung Damit ist es aber zwingend erforderlich, dass im Rahmen der Erstellung der Liste eine sorgfältige Prüfung der Wahlberechtigung durch den Wahlvorstand erfolgt. Ausgangspunkt dieser Prüfung kann wiederum das Verzeichnis der schwerbehinderten Beschäftigten nach § 80 Abs. 1 SGB IX sein. Allerdings kann sich der Wahlvorstand auch bei der Erstellung der Liste der Wahlberechtigten nicht darauf beschränken, sämtliche im Verzeichnis aufgeführten Personen unreflektiert in die Liste der Wahlberechtigten zu übertragen. Vielmehr muss er einerseits zwischen den tatsächlich i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX schwerbehinderten Beschäftigten und den lediglich anrechnungsfähigen Personen differenzieren. Andererseits ist er aber auch verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts für jeden einzeln aufgeführten Beschäftigten kritisch zu prüfen. Fernerhin hat der Wahlvorstand zu prüfen, ob (noch) nicht im Verzeichnis aufgeführte Personen zwischenzeitlich ihre Wahlberechtigung nachgewiesen haben. Ist dies der Fall, müssen diese nunmehr auch betriebsöffentlich als schwerbehindert bekannte Beschäftigte in die Liste der Wahlberechtigten aufgenommen werden. (3) Keine Einbeziehung bei geheim gehaltenem Schwerbehindertenstatus Demgegenüber darf der Wahlvorstand keinen Beschäftigten von Amts wegen in die Liste aufnehmen, deren Schwerbehindertenstatus ihm nur durch Sonderwissen seiner Mitglieder158 bekannt ist. Dies folgt nicht nur aus der für entsprechende Amtsträger geltenden Geheimhaltungspflicht,159 sondern resultiert auch aus dem den Beschäftigten insoweit zustehenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Schwerbehinderte sind nämlich grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Schwerbehindertenstatus gegenüber dem Arbeitgeber oder gar allgemein im Betrieb zu offenbaren.160 Dem würde es widersprechen, wenn schwerbehin158 Dies ist insbesondere bei Wahlvorstandsmitgliedern denkbar, die gleichzeitig das Amt der bisherigen Schwerbehindertenvertretung bekleiden oder dem Betriebsrat angehören. 159 Für die Schwerbehindertenvertretung ist dies ausdrücklich in § 96 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX normiert. Für Mitglieder von Betriebsrat und Jugend- und Auszubildendenvertretung wird eine Geheimhaltungspflicht bzgl. der persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 82 Abs. 2, 83 Abs. 3, 99 Abs. 1 und 102 Abs. 2 S. 5 BetrVG (vgl. Fitting, BetrVG, § 79 Rn. 34; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 79 Rn. 31 f.) bzw. aus § 75 Abs. 2 BetrVG (Buschmann, in: Däubler, BetrVG, § 79 Rn. 40 f.; Hitzfeld, Geheimnisschutz im Betriebsverfassungsrecht, S. 137 ff.; Weber, Die Schweigepflicht des Betriebsrats, S. 192 ff.) hergeleitet. Für Mitglieder des Sprecherausschusses wird dies – soweit nicht bereits die §§ 26 Abs. 2 oder 31 Abs. 3 SprAuG einschlägig sind – aus § 27 Abs. 2 SprAuG abgeleitet (vgl. Bauer, SprAuG, § 27 Anm. IV; Löwisch, SprAuG, § 29 Rn. 6. Vgl. auch Hitzfeld, Geheimnisschutz im Betriebsverfassungsrecht, S. 70). 160 Ausführlich dazu in Bezug auf den Arbeitgeber Schulz, Berücksichtigung schwerbehinderter Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl, S. 104 ff., m.w. N. Vgl. auch
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derte Beschäftigte auch dann zwingend in die Liste der Wahlberechtigten aufzunehmen wären, wenn sie ihren Schwerbehindertenstatus ganz bewusst nur einzelnen Personen offenbart haben. Durch die Publizität der Liste nach § 3 Abs. 2 SchwbVWO161 würde die Aufnahme derartiger Beschäftigter nämlich zwangsläufig dazu führen, dass diese Information betriebsöffentlich werden würde. Der Wahlvorstand hat in einer solchen Situation daher lediglich die Möglichkeit, die betreffenden Schwerbehinderten in vertraulicher Weise anzusprechen und eine Offenbarung des Schwerbehindertenstatus anzuregen. Sind die betreffenden Beschäftigten hierzu nicht bereit, darf eine Aufnahme in die Liste nicht erfolgen. Sind die angesprochenen Beschäftigten dagegen einverstanden, müssen sie einen Nachweis ihrer Schwerbehinderung vorlegen, damit die für die Wahlberechtigung erforderliche Gewissheit über den Schwerbehindertenstatus besteht.162 Die Liste der Wahlberechtigten ist damit zum Zeitpunkt ihrer Erstellung zunächst nur ein Verzeichnis der im Betrieb bekannten Schwerbehinderten und kein Abbild der tatsächlich aktiv Wahlberechtigten. Insoweit unterscheidet sich die Liste der Wahlberechtigten bei der Schwerbehindertenvertretungswahl von den Wählerlisten bei anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen. Schließlich sind bei diesen sämtliche Wahlberechtigten unabhängig von ihrem Willen in die Wählerliste aufzunehmen.163 (4) Einspruch gegen die Richtigkeit der Liste der Wahlberechtigten Entschließt sich ein Beschäftigter nach Erstellung der Liste seine bisher geheim gehaltene Schwerbehinderung zu offenbaren, um sein aktives Wahlrecht auszuüben, steht ihm das Einspruchsrecht nach § 4 Abs. 1 SchwbVWO offen. Danach kann er gegen die Richtigkeit der Liste der Wahlberechtigten formell Einspruch einlegen und den Wahlvorstand dadurch zur entsprechenden Korrektur der Liste bewegen. Das Recht zum Einspruch steht gleichzeitig aber auch allen anderen aktiv und passiv wahlberechtigten164 Beschäftigten sowie den betrieblichen InteressenverBAG vom 01.08.1985, 2 AZR 101/83, AP Nr. 30 zu § 123 BGB; LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Großmann, NZA 1989, 702, 704 f. und 707 ff.; Joussen, NZA 2007, 174, 175; Lampe, Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer, Rn. 44; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 85 Rn. 36. 161 Siehe dazu unten § 8 II. 1. b). 162 Siehe dazu oben § 4 II. 1. b) cc). 163 Vgl. dazu Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 2 Rn. 3; Löwisch, SprAuG, § 3 Rn. 4. 164 Während die aktiv Wahlberechtigten in § 4 Abs. 1 SchwbVWO explizit als Einspruchsberechtigte genannt werden, wird das Einspruchsrecht hinsichtlich der erwähnten sonstigen Beschäftigten nicht explizit auf die nach § 94 Abs. 3 SGB IX wählbaren
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tretungen zu.165 Auf diese Weise wird die Liste der Wahlberechtigten einer gesonderten Kontrolle durch die Wahlbeteiligten unterworfen und erlangt damit eine zusätzliche Richtigkeitsgewähr. Das Einspruchsrecht ist somit eng mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz verbunden. Gleichzeitig ist das Einspruchsrecht aber auch notwendiges Korrektiv der das aktive Wahlrecht einschränkenden Wirkung der Liste als formelle Voraussetzung der Wahlberechtigung.166 In dieser Hinsicht deckt sich die Regelung der Schwerbehindertenvertretungswahl wiederum mit den Wahlvorschriften der anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen.167 (5) Erneute Prüfungs- und Korrekturpflicht bei Ablauf der Einspruchsfrist Nach Ablauf dieser Einspruchsfrist ist der Wahlvorstand gemäß § 4 Abs. 3 SchwbVWO verpflichtet, die Liste der Wahlberechtigten nochmals auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen und ggf. zu ergänzen.168 Diese nochmalige Überprüfungs- und Korrekturpflicht trägt wiederum der präjudizierenden Wirkung der Liste Rechnung. Vor allem soll sie zugunsten des Grundsatzes der Allgemeinheit gewährleisten, dass bei der Stimmabgabe keine tatsächlich Wahlberechtigten wegen der fehlenden Nennung in der Liste von der Ausübung ihres aktiven Wahlrechts ausgeschlossen sind.169
Personen beschränkt. Andere Beschäftigte werden jedoch nicht das für den Einspruch erforderliche berechtigte Interesse an der ordnungsgemäßen Wahl glaubhaft machen können, so dass beispielsweise nicht schwerbehinderten Minderjährigen bzw. leitenden Angestellten kein Einspruchsrecht nach § 4 Abs. 1 SchwbVWO zusteht. 165 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 4 Rn. 1; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 27; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/ Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 5 Rn. 1. 166 Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl: Boemke, Handbuch zur Betriebsratswahl, § 3 Rn. 269; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 4 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 2 Rn. 15 f. Vgl. auch Schröder, DB 1965, 1009, 1009. 167 Vgl. zum Einspruchsrecht bei der Betriebsratswahl: § 4 WO-BetrVG; bei der Jugend- und Auszubildendenvertretung: § 38 Satz 1 i.V. m. § 4 WO-BetrVG; bei der Sprecherausschusswahl: § 4 WO-SprAuG. 168 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 4 Anm. 4; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 133; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 4 Rn. 31; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 4. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 84 und Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 4 Rn. 3. Zum Pflichtcharakter einer derartigen als Soll-Bestimmung formulierten Regelung in Bezug auf § 4 Abs. 3 Satz 1 WO-BetrVG: BAG vom 27.01.1993, 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952; Fitting, BetrVG, WO, § 4 Rn. 15; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 4 Rn. 22; Kreutz, in: GKBetrVG, WO, § 4 Rn. 16. Zu eng dagegen: Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 27, die verkennt, dass die Einschränkungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO nur „im Übrigen“ Anwendung finden. 169 Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, WO, § 4 Rn. 15.
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(6) Offenbarung des Schwerbehindertenstatus nach Ablauf der Einspruchsfrist Nach dieser erneuten Überprüfung sind spätere Änderungen der Liste gemäß § 4 Abs. 3 SchwbVWO grundsätzlich nur noch bei Schreibfehlern, offenbaren Unrichtigkeiten, zur Erledigung rechtzeitig eingelegter Einsprüche und bei späterem Eintritt oder Ausscheiden von Wahlberechtigten zulässig.170 Damit ist eine Korrektur der ursprünglich getroffenen Entscheidung über die Aufnahme in die Liste nach Ablauf der Einspruchsfrist formal deutlich eingeschränkt.171 Eine zur Korrektur der Liste berechtigende und verpflichtende offenbare Unrichtigkeit liegt allerdings auch vor, wenn ein bisher nicht verzeichneter Beschäftigter das Vorliegen einer Schwerbehinderung nachweist und damit seine Wahlberechtigung i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX klar erkennbar172 wird.173 Auch eine erst nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgenommene Bekanntgabe der Schwerbehinderteneigenschaft kann daher zur Aufnahme in die Liste der Wahlberechtigten führen. Anderenfalls würde dem betreffenden Wahlberechtigten die Möglichkeit zur Ausübung seines Wahlrechts genommen und damit der Grundsatz der Allgemeinheit verletzt. (7) Begrenzung der Korrekturmöglichkeit auf den Tag vor der Stimmabgabe Ebenso wie im Hinblick auf andere betriebliche Interessenvertretungen174 wird aus der Regelung des § 4 Abs. 3 a. E. SchwbVWO gefolgert, dass eine Korrektur der Liste der Wahlberechtigten letztmalig am Tag vor der Stimmabgabe vorgenommen werden könne.175 170 Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 27; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 80 f.; Schleicher, WO zum SchwbG, § 4 Rn. 7; Sieg, NZA 2002, 1064, 1066; Treml, BehR 1986, 57, 59; Zanker, WO zum SchwbG, S. 33. 171 Schleicher, WO zum SchwbG, § 4 Rn. 7. 172 Vgl. zur Bedeutung der klaren Erkennbarkeit im Hinblick auf das Kriterium der offenbaren Unrichtigkeit bei der Betriebsratswahl: BAG vom 27.01.1993, 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952; Fitting, BetrVG, WO, § 4 Rn. 15; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 4 Rn. 25; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 4 Rn. 18. 173 Vgl. Fitting, BetrVG, WO, § 4 Rn. 15; Kreutz/Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 81; Schröder, DB 1965, 1009, 1010, die die Aufnahme übersehener wahlberechtigter Arbeitnehmer ohne Weiteres als Anwendungsfall des § 4 Abs. 3 Satz 1 WO-BetrVG ansehen. 174 Im Hinblick auf die Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, WO, § 4 Rn. 15; Kreutz/ Raab, in: GK-BetrVG, § 7 Rn. 81; Galperin//Marienhagen, BetrVG, WO, § 4 Rn. 8; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 4 Rn. 28. Im Hinblick auf die Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl: Schierle, JAV-Wahl, S. 65. Im Hinblick auf die Sprecherausschusswahl: Engels, Die Wahl von Sprecherausschüssen der leitenden Angestellten, S. 15; Nipperdey, Leitfaden für die Sprecherausschußwahl, S. 33. 175 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 84; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 4 Rn. 3; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 133; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 80; Maaß, in: Kossens/von der Hei-
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(a) Materieller Bestand des aktiven Wahlrechts Wie oben bereits dargelegt, würde dies dazu führen, dass der materielle Gehalt des aktiven Wahlrechts solcher objektiv wahlberechtigten Beschäftigten beeinträchtigt wäre, die ihren Schwerbehindertenstatus erst am Tag der Wahl nachweisen. Eine solche auch materiell wirkende Einengung des in § 94 Abs. 2 SGB IX uneingeschränkt gewährten aktiven Wahlrechts erscheint jedoch nicht nur in normhierarchischer Hinsicht,176 sondern auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl problematisch. (b) Begründungsansätze der Literatur Im Hinblick auf den mit § 4 Abs. 3 a. E. SchwbVWO insoweit inhaltsgleichen § 4 Abs. 3 Satz 2 WO-BetrVG wird der Ausschluss von Korrekturen am Wahltag vorwiegend damit begründet, dass hierdurch Wahlmanipulationen verhindert werden sollen.177 Gleichzeitig diene diese Veränderungssperre auch der Transparenz, weil für den gesamten Abstimmungszeitraum klar feststehen müsse, wer mitwählen darf und wer nicht.178 Zur Begründung der Veränderungssperre wird damit indirekt auf den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl abgestellt. (c) Kritik Diese Argumentation vermag zumindest in Bezug auf die Schwerbehindertenvertretungswahl nicht zu überzeugen. Anders als etwa bei der Betriebsrats- oder der Sprecherausschusswahl ist das Vorliegen der Wahlberechtigung nicht von komplexen rechtlichen und tatbestandlichen Bewertungen,179 sondern von objektiv klar feststell- und kontrollierbaren Kriterien abhängig. Damit unterliegt die Schwerbehindertenvertretungswahl schon an sich einer geringeren, auf die Wahlberechtigung bezogenen Manipulationsanfälligkeit. Insbesondere vor dem Hintergrund der für das aktive Wahlrecht erforderlichen Nachweise erscheint eine dahingehende Argumentation zugunsten der Veränderungssperre jedenfalls für die Schwerbehindertenvertretung wenig tragfähig. Hinzu kommt, dass die Liste der Wahlberechtigten im Unterschied zu anderen betrieblichen Interessenvertretungsde/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 4; Schleicher, WO zum SchwbG, § 4 Rn. 7; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 27. A. A. wohl Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 4 Rn. 32. 176 Siehe dazu bereits oben § 4 II. 4. a) bb) (1) (b). 177 In Bezug auf § 4 Abs. 3 Satz 2 WO-BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 4 Rn. 19; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 4 Rn. 13. 178 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 4 Rn. 19. 179 Hierbei ist vor allem an die Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft bzw. Zuordnung leitender Angestellter und das hierfür nach § 18a BetrVG vorgesehene Verfahren zu denken.
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wahlen durch ein besonderes Maß objektiver Unvollständigkeit geprägt ist. Der Grundsatz der Allgemeinheit gebietet daher gerade für die Schwerbehindertenvertretungswahl die Möglichkeit, auch bei kurzfristigem Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft das aktive Wahlrecht ausüben zu können. Entscheidend gegen eine Veränderungssperre der Liste am Wahltag spricht jedoch die Ausgestaltung des vereinfachten Wahlverfahrens. Daraus wird nämlich deutlich, dass der Verordnungsgeber das Risiko etwaiger, auf die Wahlberechtigung bezogener Manipulationen bei der Schwerbehindertenvertretungswahl offenbar für so bedeutungslos hält, dass er in den Wahlvorschriften zum vereinfachten Verfahren vorsieht, dass die Wahlberechtigung sämtlicher an der Wahlversammlung teilnehmender Personen erst am Wahltag selbst geprüft wird. (d) Schlussfolgerungen In Anbetracht all dieser Besonderheiten ist jedenfalls für die Schwerbehindertenvertretungswahl davon auszugehen, dass für die Liste der Wahlberechtigten auch am Wahltag keine Veränderungssperre gilt. Vielmehr ist der Wahlvorstand trotz des § 4 Abs. 3 a. E. SchwbVWO verpflichtet, die Liste der Wahlberechtigten auch dann noch anzupassen und objektiv wahlberechtigte Beschäftigte aufzunehmen, wenn diese ihre Wahlberechtigung erst am Wahltag nachweisen180. Die Verneinung einer Veränderungssperre ändert allerdings nichts daran, dass die Ausübung des Wahlrechts in formeller Hinsicht auch dann eine Eintragung in die Liste erfordert, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft erst am Wahltag bekannt wird. Schließlich verlangt der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, dass auch die Wahlberechtigung der an der Stimmabgabe teilnehmenden Personen überprüfbar ist.181 Dafür ist jedoch zwingend erforderlich, dass sämtliche ihr aktives Wahlrecht ausübenden Personen dokumentiert werden. Somit muss auch bei kurzfristig ihre Wahlberechtigung nachweisenden Personen zunächst eine Aufnahme in die Liste der Wahlberechtigten erfolgen, bevor diese ihr aktives Wahlrecht ausüben dürfen. cc) Anspruch auf Auskünfte und Unterlagen Damit eine Überprüfung der Wahlberechtigung möglich ist, sind die hierfür zuständigen Organe darauf angewiesen, die für das aktive Wahlrecht maßgeblichen Informationen zu erlangen. Im Folgenden soll daher geklärt werden, auf welcher rechtlichen Basis die betreffenden Organe die nötigen Informationen beanspruchen können. 180 181
So wohl auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 4 Rn. 32. Siehe dazu oben § 4 II. 1. b) bb).
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(1) Rechtsgrundlage des Anspruchs Für die Wahlberechtigungsprüfung durch den Wahlvorstand ist der Informationsanspruch eindeutig in § 2 Abs. 6 SchwbVWO geregelt. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Wahlvorstand bei dessen Aufgaben zu unterstützen und ihm insbesondere die für die Erstellung der Wählerliste nötigen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Demgegenüber findet sich in den Wahlvorschriften keine Regelung, die dem zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO einladenden Wahlinitianten182 einen entsprechenden Informationsanspruch zuweist. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung des § 2 Abs. 6 SchwbVWO ergibt sich nämlich, dass der dort normierten Anspruch unmittelbar nur auf den Wahlvorstand gerichtet ist. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet daher aus. Angesichts des bereits dargelegten Prüfungserfordernisses und der gleichzeitigen Informationsabhängigkeit ist in der fehlenden Normierung des Informationsanspruchs eine Regelungslücke zu sehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Normgeber insoweit bewusst auf Normierung eines Anspruchs verzichtet hat, sind nicht ersichtlich, so dass auch von einer Planwidrigkeit der Regelungslücke auszugehen ist. Unter teleologischen Gesichtspunkten ist die in der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO durchzuführende Prüfung der Wahlberechtigung als der Wahlberechtigungsprüfung durch den Wahlvorstand gleichwertig anzusehen. Immerhin soll in beiden Fällen sichergestellt werden, dass ausschließlich Personen mit aktivem Wahlrecht an der jeweiligen Abstimmung teilnehmen, wobei jeweils verlässliche Informationen erforderlich sind. Im Hinblick auf die Rechtslage ist die von § 2 Abs. 6 SchwbVWO erfasste Konstellation also mit der Ungeregelten vergleichbar. Damit sind die Voraussetzungen einer Analogiebildung gegeben. Der Informationsanspruch des zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO einladenden Wahlintitianten lässt sich somit auf § 2 Abs. 6 SchwbVWO analog stützen. Ein solcher Anspruch entsteht nicht erst mit Durchführung der Versammlung, sondern bereits mit wirksamer Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO. Bereits zu diesem Zeitpunkt steht nämlich das Bedürfnis zur Zusammenstellung der für Wahlberechtigungsprüfung erforderlichen Unterlagen verbindlich fest. Beide mit der Prüfung der Wahlberechtigung betrauten Organe verfügen dementsprechend über einen eigenständigen Anspruch gegen den Arbeitgeber, um von diesem die notwendigen Auskünfte und Unterlagen zu erlangen. Somit ist sichergestellt, dass die zuständigen Organe Zugriff auf die maßgeblichen Informationen und Unterlagen haben, die für Prüfung erforderlich sind.
182 Siehe zur diesbezüglichen Wahlberechtigungsprüfung durch den einladenden Initianten unten § 7 II. 1. a) bb).
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(2) Inhalt der Ansprüche Die Informationsansprüche sind in inhaltlicher Hinsicht auf sämtliche für die Prüfung der Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts erforderlichen Auskünfte und Unterlagen gerichtet. Zur Ermöglichung der koordinierten Prüfung der Schwerbehinderteneigenschaft hat der Arbeitgeber daher in erster Linie das Verzeichnis der schwerbehinderten Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Daneben ist für die Prüfung der Wahlberechtigung auch eine gesonderte Liste sämtlicher im Betrieb tätigen Personen erforderlich, damit anhand dieser die Beschäftigteneigenschaft festgestellt werden kann. Zwar ergibt sich die Beschäftigteneigenschaft regelmäßig schon aus der Nennung im Verzeichnis nach § 80 SGB IX, jedoch fehlen in diesem Verzeichnis gerade diejenigen Wahlberechtigten, deren Schwerbehindertenstatus bisher nicht im Betrieb bekannt war. Somit ist hinsichtlich dieser Personen keine Kontrolle der Beschäftigteneigenschaft möglich. Angesichts der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Beschäftigung im Betrieb vermag auch die Vorlage eines Arbeitsvertrags den Beschäftigtenstatus nicht verbindlich nachzuweisen. Gerade für einen nicht mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Wahlinitianten, wie etwa dem Integrationsamt, wäre somit eine sorgfältige Kontrolle der Wahlberechtigung ohne eine gesonderte Liste der im Betrieb tätigen Personen nicht möglich. Daher ist der Arbeitgeber nicht nur zum Überlassen des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX, sondern auch zur Erstellung und Übermittlung einer Liste der im Betrieb beschäftigten Personen verpflichtet. b) Prüfung der Wahlberechtigung im vereinfachten Wahlverfahren Die Wahlberechtigung i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX ist auch im vereinfachten Wahlverfahren nicht nur für die eigentliche Wahlhandlung erforderlich, sondern zugleich auch Voraussetzung der Mitwirkung an der Wahl der Wahlleitung. Im vereinfachten Wahlverfahren ist daher generell eine doppelte Überprüfung der Voraussetzungen des aktiven Wahlrechts erforderlich. aa) Prüfung vor der Wahl der Wahlleitung Nach Maßgabe des Grundsatzes der Selbstorganisation muss die für die ordnungsgemäße Wahldurchführung verantwortliche Wahlleitung in einem demokratischen Prozedere durch die Wahlberechtigten bestimmt werden. Diese in § 20 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO vorgesehene Wahl soll damit die Legitimation des mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteten wahlleitenden Organs bewirken. Dafür muss aber ebenso wie bei der Wahl des Wahlvorstands nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO gewährleistet sein, dass an der Abstimmung ausschließlich Wahlberechtigte i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX teilnehmen.
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Somit bedarf es bereits vor der Wahl des Wahlleiters einer Prüfung des aktiven Wahlrechts der abstimmenden Personen. Ebenso wie bei der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO obliegt diese Prüfung wiederum dem zur (Wahl-)Versammlung einladenden Wahlinitianten.183 Ausgangspunkt dieser Prüfung kann auch hier das Verzeichnis der schwerbehinderten Beschäftigten nach § 80 Abs. 1 SGB IX sein.184 Sind anwesende Personen hierin nicht verzeichnet, müssen diese einen anderweitigen Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 94 Abs. 2 SGB IX erbringen.185 Soweit die Wahlberechtigungskontrolle bereits beim Einlass in den Versammlungsraum erfolgt, darf die Verneinung des aktiven Wahlrechts nicht zur Versagung der Anwesenheit in der Versammlung führen. Hierdurch hätte es das wahlinitiierende Organ nämlich in der Hand, zugleich auch über die Berechtigung zur Mitwirkung an der eigentlichen Wahlhandlung zu entscheiden. Eine diesbezügliche Prüfung des aktiven Wahlrechts ist jedoch schon angesichts des Grundsatzes der Selbstorganisation der Wahlleitung vorbehalten.186 Eine Überprüfung der Abstimmberechtigung im Hinblick auf die Wahl der Wahlleitung kann daher im Fall einer Einlasskontrolle nur im Wege der Ausgabe von Stimmkarten erfolgen. Eine Entscheidung über das Anwesenheitsrecht steht den Wahlinitianten dagegen nicht zu. bb) Erneute Prüfung durch die Wahlleitung Ist die Wahlleitung gewählt, muss diese vor der jeweiligen Abstimmungshandlung erneut das aktive Wahlrecht der Anwesenden prüfen. Das wahlleitende Organ darf sich dabei insbesondere nicht auf die im Vorfeld durch die Wahlinitianten vorgenommene Überprüfung verlassen. Vielmehr hat sie sich als originär 183
Siehe dazu oben § 7 II. 3. a) aa). Zu eng dagegen Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10, der offenbar nur behördliche Nachweise gelten lassen will, hierfür jedoch keine Begründung liefert. 185 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 113; Pohl, in: Feldes/Kohte/ Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 20. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 11; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 48 f.; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 35 Fn. 61, die jeweils entsprechende Nachweise für die Schwerbehinderteneigenschaft fordern. Vgl. auch LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11. 186 Vgl. zur Prüfung der Wahlberechtigung durch die Wahlleitung: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10. A. A. dagegen Heuser, BehR 1990, 25, 27 und Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/ Welti, SGB IX, § 94 Rn. 26, die die Prüfung im vereinfachten Verfahren der Wahlversammlung überlassen wollen und dabei verkennen, dass diese als Gesamtheit der Wahlberechtigten über ihre eigene Abstimmungsberechtigung entscheiden würde, obwohl zum Zeitpunkt dieser Abstimmung gerade noch nicht entschieden ist, dass die an der Entscheidung Mitwirkenden überhaupt mitwirkungsberechtigt sind. 184
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
hierfür zuständiges Organ selbst von der jeweiligen Wahlberechtigung zu überzeugen187. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Wahlrecht durch Personen geltend gemacht wird, die nicht im Verzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX aufgeführt sind. Die betreffenden Personen müssen dann erneut einen Nachweis für ihre Schwerbehinderteneigenschaft erbringen.188 Zwar mag eine solche erneute Prüfung einen unnötig wirkenden Formalismus darstellen, jedoch kann nur auf diesem Wege gewährleistet werden, dass die Prüfung des aktiven Wahlrechts durch ein von den Wahlberechtigten demokratisch legitimiertes Organ erfolgt.189 Der Grundsatz der Selbstorganisation erfordert daher eine gesonderte, dem wahlleitenden Organ übertragene Prüfung der Wahlberechtigung, so dass der Grundsatz der Simplizität insoweit zurücktreten muss. cc) Grundlagen der Prüfungen Auch im vereinfachten Wahlverfahren sind die für die Prüfung der Wahlberechtigung zuständigen Organe darauf angewiesen, dass ihnen die nötigen Informationen zur Verfügung stehen. In inhaltlicher Hinsicht sind dabei die gleichen Auskünfte und Unterlagen erforderlich, wie im förmlichen Wahlverfahren.190 Allerdings ist für das vereinfachte Verfahren keinerlei Informationsanspruch der an der Wahl mitwirkenden Organe normiert. Insbesondere fehlt eine § 2 Abs. 6 SchwbVWO entsprechende Regelung. Gleichwohl ist das Erfordernis einer Prüfung der Wahlberechtigung im vereinfachten Verfahren nicht minder ausgeprägt, so dass insoweit eine Regelungslücke besteht. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Normgeber für das vereinfachte Verfahren bewusst auf die Etablierung eines Informationsanspruchs verzichtet hätte. Insbesondere zeigt § 28 Abs. 2 WO-BetrVG, dass der Normgeber derartige arbeitgeberseitige Informationen auch dann nicht für entbehrlich hält, wenn die Zahl der Wahlberechtigten auf maximal 50 Personen begrenzt ist und diese in einer Wahlversammlung zusammentreten. Daher ist im Hinblick die fehlende Normierung eines Informationsanspruchs im vereinfachten Verfahren der Schwerbehindertenvertretungswahl von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. 187
Vgl. LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11. Vgl. dazu Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 10; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 113; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 20. Vgl. auch Zanker, WO zum SchwbG, S. 27. Wohl auch LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11, das jedoch die Überprüfung von Zweifeln an der fortdauernden Gültigkeit älterer Nachweise allein der Wahlleitung aufbürdet, obwohl dies in der Praxis wohl am eingreifenden Daten- und Persönlichkeitsschutz der betreffenden Personen scheitern dürfte. 189 Eine solche Legitimation würde sowohl dem Integrationsamt, als auch den zur Versammlung einladenden Wahlberechtigten fehlen. 190 Siehe dazu oben § 4 II. 4. a) cc). 188
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(1) Informationsanspruch des Wahlinitianten Im Hinblick auf die dem Initianten obliegende Pflicht zur Prüfung des aktiven Wahlrechts ist die Rechtslage mit der Wahlberechtigungsprüfung in der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO vergleichbar. Der dort über eine Analogie zu § 2 Abs. 6 SchwbVWO hergeleitete Informationsanspruch lässt sich daher im Wege einer doppelten Analogie auch auf das vereinfachte Wahlverfahren erstrecken. Der mit einer Wahlberechtigungsprüfung betraute Wahlinitiant hat somit im vereinfachten Verfahren einen auf § 2 Abs. 6 SchwbVWO doppelt analog gestützten Anspruch auf Erteilung der für die Prüfung des aktiven Wahlrechts maßgeblichen Auskünfte und Unterlagen. (2) Informationsanspruch der Wahlleitung Ein solcher aus § 2 Abs. 6 SchwbVWO abgeleiteter Informationsanspruch hilft der ebenfalls mit der Wahlberechtigungsprüfung betrauten Wahlleitung jedoch wenig weiter. Da die Wahlleitung im Rahmen der Wahlversammlung gewählt wird und somit erst zu diesem Zeitpunkt überhaupt entsteht, könnte sie den Informationsanspruch auch frühestens zum Zeitpunkt ihrer Wahl geltend machen. Angesichts der dem Arbeitgeber dann für die Zusammenstellung der Informationen zuzubilligenden Zeit würde der Fortgang der Wahlversammlung für nicht unerhebliche Dauer unterbrochen, so denn sie überhaupt noch am selben Tag fortgesetzt werden könnte.191 Zweckdienlicher erscheint daher eine analoge Anwendung des § 28 Abs. 2 WO-BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber im zweistufigen, vereinfachten Verfahren der Betriebsratswahl unverzüglich nach Einladung zur Wahlversammlung die für die Anfertigung der Wählerlisten erforderlichen Unterlagen zusammenzustellen. Sodann hat er sie der einladenden Stelle in einem versiegelten Umschlag auszuhändigen. Diese hat schließlich die übergebenen Informationen dem gewählten Wahlvorstand zur Verfügung zu stellen, damit dieser die Unterlagen für die Aufstellung der Wählerliste heranziehen kann.192 Die Regelung des § 28 Abs. 2 WO-BetrVG dient im Wesentlichen der Vermeidung zeitlicher Verzögerung. Insbesondere soll verhindert werden, dass der Fortgang der Wahl dadurch gehemmt wird, dass das zur Prüfung der Wahlberechtigung verpflichtete Organ erst noch entsteht und seinen Informationsanspruch folglich erst dann geltend machen könnte, wenn bereits die eigentliche Prüfung der Wahlberechtigung erforderlich wäre.193 Zieht man einen Vergleich zum ver191 Dies verkennt das LAG Köln in seinem Beschluss vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/ 11 das insoweit einen Anspruch der Wahlleitung offenbar aus einer Analogie zu § 2 Abs. 6 SchwbVWO ableiten will. 192 Vgl. Berg, AiB 2002, 17, 20; Fitting, BetrVG, WO, § 28 Rn. 7; Kreutz, in: GKBetrVG, WO, § 28 Rn. 7; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 28 Rn. 8 und 11. 193 Vgl. dazu Berg, AiB 2002, 17, 20; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 28 Rn. 7.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
einfachten Verfahren der Schwerbehindertenvertretungswahl zeigt sich, dass die Rechtslagen beider Konstellationen in teleologischer Hinsicht gleichartig sind. Dementsprechend wären im Hinblick auf die Wahlberechtigungsprüfung durch die Wahlleitung die Voraussetzungen einer Analogie zu § 28 Abs. 2 WO-BetrVG gegeben. Anders als bei einer Analogie zu § 2 Abs. 6 SchwbVWO wäre hierdurch auch gewährleistet, dass die Wahlleitung die Prüfung des aktiven Wahlrechts ohne eine für die Informationsbeschaffung notwendige Unterbrechung der Wahlversammlung vornehmen könnte. Im vereinfachten Verfahren der Schwerbehindertenvertretungswahl ist somit § 28 Abs. 2 WO-BetrVG analog anzuwenden. Der Arbeitgeber ist daher verpflichtet, unverzüglich nach Einladung zur Wahlversammlung alle für die Prüfung der Wahlberechtigung erforderlichen Informationen und Unterlagen zusammenzustellen und dem wahlinitiierenden Organ zu übergeben.194 Der Wahlinitiant wiederum ist verpflichtet, diese der gewählten Wahlleitung auszuhändigen.
III. Voraussetzungen des passiven Wahlrechts Das passive Wahlrecht bei der Schwerbehindertenvertretungswahl ist in § 94 Abs. 3 SGB IX geregelt. Danach setzt die Wählbarkeit zur Schwerbehindertenvertrauensperson neben der Volljährigkeit und einer nicht nur vorübergehenden Beschäftigung im Betrieb auch eine Mindestvorbeschäftigungszeit und eine Wählbarkeit zum Betriebsrat voraus. Diese Kriterien sollen im Folgenden näher beleuchtet und in den Kontext betrieblicher Interessenvertretungswahlen gestellt werden. Anschließend soll auf die im Gesetz nicht geklärte, jedoch aus systematischer Sicht relevante Frage der Möglichkeit einer Ämterpluralität eingegangen werden. 1. Volljährigkeit Ebenso wie bei der Betriebsratswahl (vgl. § 8 Abs. 1 BetrVG i.V. m. § 7 Satz 1 BetrVG) ist für die Schwerbehindertenvertretungswahl nach § 94 Abs. 3 SGB IX vorgeschrieben, dass nur wählbar ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Im Hinblick auf die Sprecherausschusswahl ist die Volljährigkeit dagegen de lege lata nicht Voraussetzung der Wählbarkeit. Allerdings ist durch die Beschränkung des passiven Wahlrechts auf leitende Angestellte de facto ausgeschlossen, dass Minderjährige als Mitglieder eines Sprecherausschusses gewählt werden.195
194 In dieser Richtung, jedoch ohne nähere Begründung Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23. 195 Vgl. Bauer, SprAuG, § 3 Anm. III; Romer, Das Sprecherausschussgesetz und die analoge Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes, S. 73.
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Im Unterschied dazu ist bei der Jugend- und Auszubildendenvertretung die Wählbarkeit eines Minderjährigen weder rechtlich noch faktisch ausgeschlossen.196 Vielmehr wird die Wählbarkeit Minderjähriger teilweise bereits aus deren aktivem Wahlrecht gefolgert.197 Insofern drängt sich die Frage auf, ob angesichts der Wahlberechtigung minderjähriger Schwerbehinderter diesen nicht auch ein passives Wahlrecht zuzugestehen wäre.198 Allerdings ist angesichts des klaren Wortlauts des § 94 Abs. 3 SGB IX keinerlei Raum für eine insoweit einschränkende Auslegung.199 Auch eine teleologische Reduktion des Merkmals scheidet insoweit aus, weil diese angesichts der fehlenden Möglichkeit der partiellen Aufrechterhaltung des Merkmals auf eine teleologische Restriktion200 hinauslaufe.201 Die Frage der systematischen Konsequenz und der materiellen Notwendigkeit der Volljährigkeit als Voraussetzung des passiven Wahlrechts ist daher rein rechtspolitisch zu klären und soll daher als de lege ferenda nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein. Nach geltendem Recht ist daher davon auszugehen, dass im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl ausschließlich volljährige Personen wählbar sind. 2. Nicht nur vorübergehende Beschäftigung im Betrieb Die Wählbarkeit bei der Schwerbehindertenvertretungswahl setzt nach § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX weiterhin voraus, dass die betreffende Person im Betrieb nicht nur vorübergehend beschäftigt wird. 196 Vgl. Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 61 Rn. 7; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 70 Rn. 2; Fitting, BetrVG, § 61 Rn. 9; Schierle, JAV-Wahl, S. 75; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 61 Rn. 8. 197 So ausdrücklich Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 61 Rn. 7. 198 Vgl. dazu Moritz, Die Stellung der Jugendvertretung im Rahmen der Betriebsverfassung, S. 49; Rotermund, Die Interessenwahrnehmung durch Jugendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 56 f., die im Hinblick auf die Jugend- und Auszubildendenvertretung darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber bei bestehender Reife gehalten ist, Minderjährigen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung zu gewähren. 199 Vgl. zu den durch den Wortsinn vorgegebenen Grenzen der Auslegung: BVerfG vom 11.06.1980, 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 299; BVerfG vom 26.04.1994, 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263, 275; BVerfG vom 24.05.1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 81; BAG vom 05.03.1996, 1 AZR 590/92, AP Nr. 226 zu Art. 3 GG; BAG vom 18.02.2003, 1 ABR 2/03, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft; Coing/Honsell, in: Staudinger, BGB, Einleitung zum Bürgerlichen Gesetzbuch Rn. 139 und 157; Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 275 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 163 f.; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 501; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 614 ff.; Schlachter, Auslegungsmethoden im Arbeitsrecht, S. 8. 200 Vgl. zur Unterscheidung von teleologischer Reduktion und teleologischer Restriktion: Honsell, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, Teil B Rn. 64. 201 Vgl. zur Unzulässigkeit einer teleologischen Restriktion auf Grund des Demokratieprinzips der Gewaltenteilung: Honsell, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, Teil B Rn. 64.
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a) Betriebsbegriff Der Begriff des Betriebs wird infolge der Verweisung des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX wiederum durch den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ausgefüllt. Allerdings ergeben sich dann Besonderheiten, wenn eine Zusammenfassung mehrerer Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX stattgefunden hat. In diesem Fall erscheint es – ebenso wie im Hinblick auf die Erreichung des Schwellenwerts nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX – unter systematischen wie auch unter teleologischen Gesichtspunkten geboten, auf den insoweit vergrößerten Wahl- und Vertretungsbezirk abzustellen.202 b) Begriff der Beschäftigung im Betrieb Weder in systematischer noch in teleologischer Hinsicht erscheint es dagegen notwendig, den Begriff der Beschäftigung im Betrieb in § 94 Abs. 3 SGB IX anders zu verstehen als in den übrigen Regelungen des § 94 SGB IX. Es kann daher hier auf die oben entwickelte Definition zurückgegriffen werden.203 Die Voraussetzung der Beschäftigung wird jedoch durch die für die Wählbarkeit über § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX204 ebenfalls erforderliche Arbeitnehmereigenschaft überlagert. Letztere ist in ihrem Anwendungsbereich deutlich enger, so dass der Voraussetzung der Beschäftigung im Hinblick auf das passive Wahlrecht keine eigenständige Bedeutung zukommt. c) Nicht nur vorübergehender Charakter der Beschäftigung Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Kriterium der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung zu. Anders als bei den anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen wird das passive Wahlrecht – ungeachtet205 der ebenfalls verlangten Mindestvorbeschäftigungszeit206 – von einer in die Zukunft gerichteten Beschäftigungsdauer abhängig gemacht. aa) Besonderheiten des Nachrückverfahrens bei Ausscheiden aus dem Amt Diese zusätzliche Voraussetzung der Wählbarkeit lässt sich auf die für die Schwerbehindertenvertretung geltenden Besonderheiten des Nachrückverfahrens 202
Siehe dazu bereits oben § 3 III. 3. Siehe dazu oben § 3 IV. 3. e) dd) (2). 204 Siehe dazu sogleich unter § 4 III. 3. 205 Zwischen den Merkmalen der vergangenheitsbezogenen Mindestvorbeschäftigungszeit und der zukunftsorientierten nicht nur vorübergehenden Beschäftigung ist strikt zu unterscheiden, vgl. Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 19; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 130; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 25. Vgl. demgegenüber Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 36 Fn. 66. 206 Siehe dazu sogleich unter § 4 III. 3. 203
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bei Ausscheiden der Amtsinhaber zurückführen. Bei den übrigen betrieblichen Interessenvertretungswahlen kann eine grundsätzlich unbegrenzte Zahl von Ersatzmitgliedern aufgestellt und mitgewählt werden, die im Fall des Ausscheidens von Amtsinhabern an deren Stelle nachrücken können.207 Im Fall der Schwerbehindertenvertretung ist die Zahl der möglichen Nachrücker jedoch durch die Festlegung der Stellvertreterzahl208 nach § 2 Abs. 4 bzw. § 20 Abs. 2 SchwbVWO klar begrenzt.209 An die Stelle einer aus dem Amt scheidenden Schwerbehindertenvertrauensperson können nämlich nur als stellvertretende Mitglieder gewählte Personen nachrücken.210 Sind keine als stellvertretende Mitglieder gewählte Personen mehr vorhanden, kann niemand in das Amt der Schwerbehindertenvertrauensperson nachrücken.211 Stattdessen muss in diesem Fall erneut gewählt werden.212 Durch diese Begrenzung des Nachrückverfahrens kann es damit auch leicht zu vertretungslosen Zeiten kommen, wenn die gewählten Beschäftigten nur kurzzeitig das Amt bekleiden.213 Angesichts dieser Risiken für den Fortbestand die Kontinuität der Interessenvertretung ist es konsistent, dass der Gesetzgeber für die Wählbarkeit eine nicht nur vorübergehende Beschäftigung verlangt.214 Hierdurch wird nämlich dem Grunde nach vermieden, dass die Amtsführung ei-
207 Zum Nachrücken der Ersatzmitglieder bei der Betriebsratwahl: BAG vom 29.07. 2009, 7 ABR 91/07, NZA-RR 2010, 76, 77. 208 Siehe allgemein dazu unten § 8 II. 2. 209 Vgl. Grimme, AiB 2011, 520, 521. Vgl. auch zu den essentiellen Unterschieden zwischen den Ersatzmitgliedern bei der Betriebsratswahl und den stellvertretenden Mitgliedern bei der Schwerbehindertenvertretungswahl: BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 91/ 07, NZA-RR 2010, 76, 77. 210 Dies folgt nicht nur aus den Regelungen über die isolierte Stellvertreternachwahl der §§ 17 bzw. 21 SchwbVWO, sondern auch aus dem Erfordernis der Festlegung der Stellvertreterzahl an sich. Würde nämlich auch ein Nachrücken in die Stellvertreterposition durch Personen mit geringerer Stimmenzahl möglich sein, wäre das Bestimmen einer zu wählenden Stellvertreterzahl überflüssig. Vgl. LAG Hamm vom 13.08.1980, 3 TaBV 2/80, BehR 1983, 76, 76 (LS); Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 9; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 10; Heuser, BehR 1983, 73, 76; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 78. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 8; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbVWO, § 14 Rn. 2; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 68; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 57; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 41. 211 So ausdrücklich auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 71. Ebenso Grimme, AiB 2011, 520, 521. 212 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 50 und 57; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 41. 213 Daher wird bei zu befürchtender hoher Fluktuation die Festlegung einer entsprechend großen Zahl von stellvertretenden Mitgliedern nötig sein. Siehe dazu auch unten § 8 II. 2. a). 214 Vgl. auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 44; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/ Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 23; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 25, die insoweit zutreffend darauf hinweisen, dass die Wahl nur noch kurzzeitig Beschäftigter wenig sinnvoll sei.
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nes gewählten Schwerbehindertenvertreters allein deshalb frühzeitig endet, weil dessen Beschäftigung generell nur kurzfristig angelegt war. bb) Schlussfolgerungen für das Verständnis des Merkmals Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Merkmal der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung eine in die Zukunft reichende Beschäftigungsdauer erfordert. Diese muss sich – wie auch im Rahmen des § 94 Abs. 1 SGB IX – auf einen zumindest erheblichen Teil der vierjährigen Regelamtszeit beziehen.215 Maßgeblich ist insoweit ebenso die Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers,216 wobei übertragenen Arbeitsaufgaben und etwaigen Befristungen wiederum eine mögliche Indizwirkung zukommen kann.217 cc) Wählbarkeit gekündigter Beschäftigter Stellt man beim Merkmal der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung auf die in die Zukunft gerichtete Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers ab, folgt daraus konsequenterweise auch, dass gekündigte Beschäftigte bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht wählbar sind.218 Dies stünde im Gegensatz zu der von der herrschenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung zur Wählbarkeit bei anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen.219 Nach dieser sollen auch gekündigte 215 Vgl. auch Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, § 24 Rn. 11; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 19; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 130; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 27; Zanker, WO zum SchwbG, S. 17, die das Merkmal der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung in § 94 Abs. 3 SGB IX ebenso in der gleichen Weise verstanden wissen wollen, wie in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. 216 Siehe dazu oben § 3 IV. 4. d). 217 Vgl. dazu auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 55 f. 218 A. A. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 48; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 142. A. A. wohl auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 55. 219 Für die Betriebsratswahl: BAG vom 10.11.2004, 7 ABR 12/04, AP Nr. 11 zu § 8 BetrVG; BAG vom 14.05.1997, 7 ABR 26/96, AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972; LAG Hamm vom 06.05.2002, 10 TaBV 53/02, NZA-RR 2003, 480, 481; Brecht, BetrVG, § 8 Rn. 3; Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 89 f.; Fitting, BetrVG, § 8 Rn. 18 ff.; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 8 Rn. 25; v. Hoyningen-Huene, SAE, 1998, 91, 91 f.; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. II/2, S. 1132 Fn. 7; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 8 Rn. 3; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 8 Rn. 5; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 8 Rn. 18; Weiss/ Weyand, BetrVG, § 8 Rn. 5; Stege/Weispach/Schiefer, BetrVG, § 8 Rn. 2; Wlotzke, in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 8 Rn. 5. A. A. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 8 Rn. 18; Küchenhoff, BetrVG, § 8 Rn. 2; Joost, in: MüArbR, § 214 Rn. 72. Für die Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl: Blank, Die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung, S. 15; Pulte, Die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung, S. 20 f. Für die Sprecherausschusswahl: Löwisch, SprAusG, § 3 Rn. 25; Nipperdey, Leitfaden für die Sprecherausschusswahl, S. 15 f.
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Arbeitnehmer noch nach § 8 BetrVG passiv wahlberechtigt sein, wenn sie Kündigungsschutzklage erhoben haben. Diesbezüglich ist jedoch zu bedenken, dass im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl ausschließlich Personenwahlen durchgeführt werden. Wird die Kündigung eines gewählten Kandidaten gerichtlich bestätigt, kann dieser sein Amt niemals ausüben.220 Das hat zur Folge, dass die auf ihn entfallenen Stimmen ins Leere gehen. Stattdessen treten Kandidaten an seine Stelle, die im Rahmen der Wahl weniger Stimmen auf sich vereinigen konnten. Ließe man also auch gekündigte Wahlbewerber zu, würde dies insbesondere bei der Schwerbehindertenvertretungswahl zu erheblichen Verwerfungen im Hinblick auf die Stimmenerfolgswerte führen. Entscheidend gegen eine Wählbarkeit gekündigter Beschäftigter sprechen jedoch die Besonderheiten des Nachrückverfahrens bei der Schwerbehindertenvertretung. Anders als bei der Betriebsratswahl ließe sich nämlich nicht einfach darauf verweisen, dass bei rechtskräftiger Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung ein bisher vertretendes Ersatzmitglied endgültig nachrücke.221 Vielmehr ergäbe sich durch die Begrenzung der Nachrückmöglichkeiten ein erhöhtes Risiko, dass die gewählte Schwerbehindertenvertretung entweder nie wirksam ihr Amt antreten kann oder zumindest vorzeitig Neu- oder Nachwahlen stattfinden müssen.222 Diese Risiken widersprächen jedoch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung.223 Insofern rechtfertigen die Besonderheiten des Nachrückverfahrens nicht nur das Merkmal der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung, sondern bedingen auch die sich aus diesem Merkmal heraus ergebende Abweichung hinsichtlich des passiven Wahlrechts gekündigter Beschäftigter. Zudem ist zu beachten, dass die bei der Betriebsratswahl als Rechtfertigung herangezogene Flexibilität des Vertretungs- und Nachrücksystems bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht greift. Die vom Normgeber bewusst vorgesehene Trennung der Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson einerseits und der stellvertretenden Mitglieder andererseits würde nämlich ad absurdum geführt werden, wenn zwischen diesen Ämtern – in Abhängigkeit vom Stand des Kündigungsschutzverfahrens – ein variabler Wechsel stattfinden könnte.
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So ausdrücklich für die Betriebsratswahl auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 8 Rn. 18. So aber Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 48, der bei seinen Ausführungen die Unterschiede zwischen Betriebsrats- und Schwerbehindertenvertretungswahl übersieht. 222 Vgl. dazu Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 55, der die Wahl gekündigter Beschäftigter für zumindest wenig sinnvoll hält. In Bezug auf die Sprecherausschusswahl ebenfalls die Zweckmäßigkeit bezweifelnd: Borgwardt/Fischer/Janert, SprAuG, § 3 Rn. 2; Nipperdey, Leitfaden für die Sprecherausschusswahl, S. 16. 223 Dieser Gesichtspunkt wird von Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 48 und Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 142 jedoch nicht in de Betrachtung einbezogen. 221
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3. Mindestvorbeschäftigungszeit In § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX wird für die Wählbarkeit weiterhin verlangt, dass die betreffende Person dem Betrieb seit mindestens sechs Monaten angehört. Neben einer zukunftsbezogenen Mindestbeschäftigungsdauer ist somit zusätzlich auch eine vergangenheitsbezogene Vorbeschäftigung erforderlich. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass nur solche Personen gewählt werden können, die bereits einen für das Amt erforderlichen Überblick über die betrieblichen Verhältnisse erworben haben.224 a) Art der Vorbeschäftigung Hinsichtlich dieser vorherigen Mindestbeschäftigungszeit kommt es nicht darauf an, welche Art von Beschäftigung ausgeübt wurde. Insbesondere genügen hierfür auch Zeiten, in denen die betreffende Person in einem die Wählbarkeit nach § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX ausschließenden Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.225 Im Hinblick auf Sinn und Zweck des Kriteriums sind auch kürzere Unterbrechungen der Tätigkeit unschädlich. Schließlich kann der geforderte Überblick über die betrieblichen Verhältnisse auch dann erworben werden, wenn zwischen mehreren zeitlich gestaffelten Beschäftigungsverhältnissen ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.226 b) Vorbeschäftigung in anderem Betrieb des Arbeitgebers oder Konzerns Eine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten, die in anderen, nicht zum Wahlbezirk zählenden Betrieben desselben Arbeitgebers oder aber in anderen Unternehmen desselben Konzerns erfolgten, können dagegen nicht angerechnet werden. In diesen Fällen erwirbt die betreffende Person nämlich gerade keine auf den betreffenden Vertretungsbezirk bezogenen Kenntnisse über die betrieblichen 224 So in Bezug auf die für die Betriebsratswahl erforderliche sechsmonatige Betriebszugehörigkeit: Begr. Reg.-Entw., BT-Drs. VI/1786, S. 37; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 8 Rn. 23. Für die Sprecherausschusswahl: Bauer, SprAuG, § 3 Anm. III; Löwisch, SprAuG, § 3 Rn. 22. 225 So ausdrücklich auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 49; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 58. Ebenso für die Sprecherausschusswahl: Bauer, SprAuG, § 3 Anm. III. Vgl. im Hinblick auf die Betriebsratswahl: BAG vom 10.10.2012, 7 ABR 53/11, BB 2013, 243 (Ls.). 226 So im Ergebnis auch: Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 19; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 5. Ähnlich auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 49; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 135; Kossens, in: Kossen/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 23; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 13; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 23 und Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 48, die ohne nähere Begründung auch einen inneren Zusammenhang der Beschäftigungsverhältnisse verlangen.
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Verhältnisse.227 Daher scheidet auch eine in der Literatur228 teilweise vorgeschlagene entsprechende oder analoge Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aus.229 c) Vorbeschäftigung in neuen Betrieben Auf das Kriterium der mindestens sechsmonatigen Vorbeschäftigung im Betrieb wird nach § 94 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 SGB IX lediglich dann verzichtet, wenn der betreffende Betrieb bisher weniger als ein Jahr besteht. In diesen Fällen ist damit keinerlei Vorbeschäftigungszeit erforderlich.230 Insbesondere ist anders als bei der Betriebsrats- und der Sprecherausschusswahl231 nicht erforderlich, dass die betreffende Person zumindest zum Zeitpunkt der Einleitung der Wahl im Betrieb beschäftigt war. Diese besondere Erleichterung der Wählbarkeit rechtfertigt sich aus dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung. d) Vorbeschäftigung im Betrieb bei Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX Sind mehrere Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammengefasst worden, kommt es darauf an, dass die Mindestvorbeschäftigung in Bezug auf einen der zum neuen Wahl- und Vertretungsbezirk gehörenden Betrieb gegeben ist. Nach Sinn und Zweck des Kriteriums genügt es aber auch, wenn die sechsmonatige Vorbeschäftigung in unterschiedlichen Betrieben des nunmehr nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammengefassten Wahlbezirks erfolgte. Dagegen stellt eine Zusammenfassung mehrerer Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch dann keinen Anwendungsfall des § 94 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 SGB IX dar, wenn die Zusammenfassung noch kein Jahr zurückliegt.232 Schließ227 Zur dahingehenden Kritik in Bezug auf § 8 Abs. 1 Satz 2 BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 8 Rn. 23. 228 So etwa Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 47 und Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 58. 229 So wohl auch Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 19 und Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 148, die § 94 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 SGB IX auch dann anwenden wollen, wenn mehrere Betriebe zu einem neuen Betrieb in der Form vereinigt worden sind, dass dieser neue Betrieb mit keinem der bisherigen Betriebe identisch ist. 230 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 148; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 26. 231 Bei der Sprecherausschusswahl wird § 8 Abs. 2 BetrVG analog angewendet: Hromadka/Sieg, SprAuG, § 3 Rn. 18; Joost, MüArbR, § 234 Rn. 16. A. A. Löwisch, SprAuG, § 3 Rn. 23. 232 Unklar insoweit: Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 19 und Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 148, die nicht ausreichend klarstellen, ob sich ihre Ausführungen zu „zusammengefassten Betrieben“ auch auf Zusammenfassungen i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX beziehen sollen oder lediglich auf materielle Umstrukturierungen abzielen.
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lich bleibt die formale Struktur der Betriebe von einer solchen Zusammenfassung unberührt,233 so dass auf diese Weise auch kein neuer Betrieb i. S. d. § 94 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 SGB IX entstehen kann. 4. Wählbarkeit nach § 8 BetrVG Wesentliche Einschränkungen des passiven Wahlrechts sieht § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX vor. Danach ist bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht wählbar, wer nicht zum Betriebsrat gewählt werden kann. Damit finden die für die Wählbarkeit bei der Betriebsratswahl geltenden Voraussetzungen auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl Anwendung. a) Verhältnis zu § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX Allerdings wird durch § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX lediglich ein zusätzlicher Ausschluss von Personen bewirkt. Hingegen soll über die Bezugnahme auf Regelungen bei der Betriebsratswahl niemand das passive Wahlrecht erhalten, dem dieses nicht schon nach § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX zusteht. Dies ergibt sich nicht nur aus der in § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX gewählten Formulierung, sondern auch aus der systematischen Struktur der Regelung. Hätte nämlich die Wählbarkeit bei der Betriebsratswahl konstitutive Wirkung haben sollen, hätte es der Regelung des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht bedurft und eine schlichte Bezugnahme auf die Wählbarkeit nach § 8 BetrVG genügt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Regelung des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX lediglich eine das passive Wahlrecht einschränkende, nicht jedoch dieses erweiternde Bedeutung zukommen kann. Daher sind die nach § 8 BetrVG genannten Voraussetzungen zusätzlich zu den vorstehend untersuchten Kriterien erforderlich, um bei der Schwerbehindertenvertretungswahl gewählt werden zu können. b) Voraussetzungen des § 8 BetrVG Für das passive Wahlrecht bei der Schwerbehindertenvertretungswahl ist daher zunächst erforderlich, dass die betreffende Person bei der Betriebsratswahl nach § 7 Satz 1 BetrVG234 aktiv wahlberechtigt wäre (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Es muss sich daher um Arbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 BetrVG235 handeln.236 233
Siehe dazu oben § 3 III. 3. Vgl. zur Beschränkung des passiven Wahlrechts bei der Betriebsratswahl auf die in § 7 Satz 1 BetrVG genannten aktiv Wahlberechtigten: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 8 Rn. 16. 235 Auf die umfassende Diskussion zum Begriff des Arbeitnehmers soll im Folgenden nicht eingegangen werden, weil sich insoweit keine Besonderheiten für die Schwerbehindertenvertretungswahl ergeben. Vgl. zu dieser Diskussion: Raab, in: GK-BetrVG, § 5 Rn. 11 ff. m.w. N. 234
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aa) Leitende Angestellte Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind damit insbesondere leitende Angestellte i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG.237 Anderenfalls wäre im Zusammenhang mit dem in § 95 Abs. 4 Satz 1 SGB IX normierten Recht zur Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats mit Loyalitätskonflikten zu rechnen.238 Außerdem könnte dadurch das in § 99 SGB IX verlangte kooperative Zusammenwirken mit dem Betriebsrat gehemmt werden. bb) Leiharbeitnehmer Hinsichtlich der Wählbarkeit von Leiharbeitnehmern ist zwischen dem Verleiherbetrieb und dem Entleiherbetrieb zu unterscheiden. Ihre passive Wahlberechtigung soll daher im Folgenden getrennt beleuchtet werden. (1) Entleiherbetrieb Leiharbeitnehmer, die im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verleihers überlassen werden, sind im Regelfall239 im Entleiherbetrieb vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen,240 weil ihnen die Wählbarkeit zum Betriebsrat nach § 14 236 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 48; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 11; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 15; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 152; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 51; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 28; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 28; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 27. 237 ArbG Kaiserslautern vom 26.06.1984, 2 BV 11/84, NZA 1984, 331, 331; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 51; Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, § 24 Rn. 11; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 15; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 116; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 149; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 50; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 28; Schipp, Die Stellung des leitenden Angestellten, S. 163; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 17; Zanker, WO zum SchwbG, S. 17. A. A. noch LAG Hessen, 23.10.1973, Ta BV 13/73, DB 1974, 244, 244. 238 So Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 16; Düwell, in: Deinert/ Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 116. Vgl. auch LAG Hessen vom 23.10.1973, Ta BV 13/73, DB 1974, 244, 244 f. und Riebe, BehR 1995, 183, 190 f. 239 Vgl. zur Sonderproblematik der Wählbarkeit bei dauerhafter Überlassung ohne Rückkehrperspektive nach der bis zum 30.11.2011 geltenden Rechtslage: LAG Schleswig-Holstein vom 25.05.2007, 1 TaBV 64/06; LAG Hamburg vom 03.09.2007, 8 TaBV 17/06; Böhm, in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwK-ArbR, AÜG, § 14 Rn. 9; Boemke, Handbuch zur Betriebsratswahl, § 2 Rn. 236. Vgl. dazu auch BAG vom 10.03.2004, 7 ABR 49/03, AP Nr. 8 zu § 7 BetrVG 1972. Vgl. zu dieser Problematik im Hinblick auf die Neuregelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG: ArbG Elmshorn vom 16.02.2012, 3 BV 43 d/11, AiB 2012, 398, 398 ff.; Garweg, AiB 2012, 400, 400 ff. 240 So im Ergebnis auch Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 24.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Abs. 2 Satz 1 AÜG versagt ist.241 Auf die Frage, ob der dort normierte Wählbarkeitsausschluss für die „Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen“ unmittelbar auf die Schwerbehindertenvertretungswahl anwendbar ist, kommt es wegen § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nicht an. (2) Verleiherbetrieb Demgegenüber wird im Hinblick auf die Betriebsratswahl allgemein von der Wählbarkeit der Leiharbeitnehmer im Verleiherbetrieb ausgegangen.242 Einer Wählbarkeit von Leiharbeitnehmern bei der Schwerbehindertenvertretungswahl im Verleiherbetrieb steht § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX daher nicht entgegen.243 Leiharbeitnehmer sind damit im Verleiherbetrieb unter den übrigen Voraussetzungen des § 94 Abs. 3 SGB IX wählbar.244 cc) Nicht-Arbeitnehmer Über die Bezugnahme auf die Wählbarkeit zum Betriebsrat wird des Weiteren auch solchen Personen das passive Wahlrecht für die Schwerbehindertenvertretungswahl versagt, die nach § 5 Abs. 2 BetrVG nicht als Arbeitnehmer gelten.245 Somit sind insbesondere solche Beschäftigte als Wahlbewerber ausgeschlossen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie dem Erwerb dient, sondern vorwiegend zu ihrer Heilung oder Wiedereingewöhnung erfolgt. dd) Betriebszugehörigkeit des § 8 Abs. 1 BetrVG Mit der einschränkungslosen Bezugnahme auf die Wählbarkeit zum Betriebsrat findet im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl grundsätzlich auch die nach § 8 Abs. 1 BetrVG erforderliche Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten Anwendung. Diese hat jedoch im Hinblick auf die in § 94 Abs. 3 241 BAG vom 10.03.2004, 7 ABR 49/03, AP Nr. 8 zu § 7 BetrVG 1972; Böhm, in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwK-ArbR, AÜG, § 14 Rn. 9; Boemke, Handbuch zur Betriebsratswahl, § 2 Rn. 236; Boemke/Lembke, AÜG, § 14 Rn. 64; Hamann, in: Schüren, AÜG, § 14 Rn. 62; Schirmer, in: FS 50 Jahre BAG, S. 1063, 1075. 242 Boemke/Lembke, AÜG, § 14 Rn. 15; Hamann, in: Schüren, AÜG, § 14 Rn. 115. 243 So im Ergebnis auch Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 12. 244 Zu beachten ist zwar, dass § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX auch verlangt, dass es sich bei den Wahlbewerbern um Beschäftigte des Betriebs handelt. Geht man jedoch von der oben unter § 3 IV. 3. e) dd) (2) entwickelten Definition aus, sind im Rahmen gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung eingesetzte Leiharbeitnehmer im Verleihbetrieb durchaus als Beschäftigte zu qualifizieren (dem im Ergebnis zustimmend Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 22). 245 Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 11; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 152; Zanker, WO zum SchwbG, S. 17. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 51.
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Satz 1 SGB IX verlangte Mindestvorbeschäftigungszeit kaum eigenständige Bedeutung. ee) Richterlicher Ausschluss der Wählbarkeit Schließlich ist über § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX vom passiven Wahlrecht auch ausgeschlossen, wer infolge Richterspruchs nicht die Fähigkeit besitzt, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 8 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).246 Dieser Ausschluss dehnt die grundsätzlich nur für öffentliche Wahlen geltende Folge der Verurteilung auf die Schwerbehindertenvertretungswahl aus, so dass er für sämtliche betriebliche Interessenvertretungen gilt. 5. Ämterpluralität Bei der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl ist die Wählbarkeit nach § 61 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ausgeschlossen, wenn die betreffende Person dem Betriebsrat angehört. Einen solchen Ausschluss des passiven Wahlrechts bei drohender Ämterpluralität sieht § 94 Abs. 3 SGB IX dagegen nicht vor. Dies ist sowohl in systematischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die aus einer solchen Personalunion resultierenden Interessenkonflikte verwunderlich. Daher soll im Folgenden geprüft werden, ob das passive Wahlrecht nicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn der betreffende Beschäftigte bereits ein anderes, mit der Rolle als Schwerbehindertenvertrauensperson unvereinbares Amt inne hat. a) Mitgliedschaft im Betriebsrat In Teilen der Literatur wird zutreffend erkannt, dass sich bei gleichzeitiger Zugehörigkeit zu Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat nicht unerhebliche Interessenkonflikte ergeben können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die spezifischen Gruppeninteressen der schwerbehinderten Beschäftigten denen der übrigen Belegschaft entgegenstehen.247 Ähnliche Interessenkonflikte wären auch bei einer Doppelmitgliedschaft in Betriebsrat und Jugend- und Auszubildendenvertretung zu befürchten.248 Daher könnte man versucht sein, in dem fehlenden Aus246 Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 21; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 156 f.; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 64; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 37 Fn. 70. 247 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 48; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 37; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 32. Vgl. auch Grimme, AiB 2011, 520, 522, die zwar die Möglichkeit divergierender Interessenpole erkennt, hierin jedoch eher eine Bereicherung sieht. 248 Körner, Die Mitwirkung der Jugendvertretung bei der Mitbestimmung im Betrieb, S. 13; Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 35; Rotermund, Interessenwahrnehmung durch Jugendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 58; Weiss/Weyand, BetrVG, § 61 Rn. 3. Vgl. auch Engels/Natter, BB 1988, 1453, 1456; Rudolph, AuA
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schluss der Ämterpluralität eine gleichheitswidrige Regelungslücke zu erblicken und diese durch einen Analogie zu § 61 Abs. 2 Satz 2 BetrVG schließen zu wollen. aa) Keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Schwerbehindertenvertretungswahl würde jedoch verkennen, dass der Primärzweck dieser Norm nicht in der Vermeidung von Interessenkonflikten an sich zu sehen ist.249 Vielmehr zielt der Ausschluss in erster Linie darauf ab, die Eigenständigkeit des der Jugendund Auszubildendenvertretung nach § 67 Abs. 2 BetrVG in bestimmten Fragen zustehenden originären Stimmrechts zu gewährleisten.250 Zugunsten der Schwerbehindertenvertretung ist ein derartiges Stimmrecht bei Betriebsratssitzungen jedoch nicht vorgesehen. Die mit einer Ämterhäufung einhergehenden Schwierigkeiten würden sich somit im Wesentlichen auf etwaige Interessenkonflikte beschränken. Diesen lässt sich jedoch durch Stimmenthaltung251, Erklärung der Nichtteilnahme252 oder nötigenfalls durch Amtsniederlegung begegnen. Etwaige Interessenkonflikte schließen daher Doppelmandate nicht per se aus. Angesichts dieser Unterschiede in der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, insbesondere im Hinblick auf die stimmrechtsbezogene Einbindung in die Beschlussfassung, dürfte es an der für eine Analogie nötigen Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlen. bb) Fehlende Planwidrigkeit Betrachtet man zudem die Entstehung der Vorgängerregelungen des § 94 SGB IX, erscheint auch die Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke zwei1992, 105, 106, sowie Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. VI/2729, S. 27. 249 Wegen der fehlenden Ergebnisrelevanz nicht näher differenzierend: Rotermund, Interessenwahrnehmung durch Jugendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 58 f. 250 Vgl. Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 61 Rn. 10; Körner, Die Mitwirkung der Jugendvertretung bei der Mitbestimmung im Betrieb, S. 13; Schneider, AiB 1982, 18, 19; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 61 Rn. 14. Vgl. auch Oetker, in. GK-BetrVG, § 61 Rn. 35. Zweifelhaft ist insoweit jedoch die für das Personalvertretungsrecht allgemein vertretene Ansicht (Kröll, in: Altvater/Baden/Kröll/u. a., BPersVG, § 58 Rn. 6; Gerhold, in: Etzel/Gerhold/Schlatmann/u. a., BPersVG, § 58 Rn. 25; Gräfl, in: Richardi/ Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, § 58 Rn. 17), dass trotz der dort gegebenen Stimmmöglichkeit (§ 40 Abs. 1 Satz 2 BPersVG) eine Doppelmitgliedschaft nicht ausgeschlossen ist. 251 Zur Zulässigkeit der Stimmenthaltung bei Abstimmungen im Betriebsrat: Fitting, BetrVG, § 33 Rn. 33; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 33 Rn. 3; Raab, in: GK-BetrVG, § 33 Rn. 15; Wedde, in: Däubler, BetrVG, § 33 Rn. 21. Vgl. auch Löwisch, BB 1996, 1006, 1006; Reitze, Der Betriebsratsbeschluss, S. 53. 252 Vgl. allgemein dazu Koch, in: ErfK, BetrVG, § 33 Rn. 3; Fitting, BetrVG, § 33 Rn. 13a; Raab, in: GK-BetrVG, § 33 Rn. 16; Wedde, in: Däubler, BetrVG, § 33 Rn. 21. Vgl. auch Reitze, Der Betriebsratsbeschluss, S. 59.
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felhaft. Der Gesetzgeber des SchwerbeschädigtenG 1920 ging nämlich noch selbstverständlich davon aus, dass der Vertrauensmann seine Durchsetzungskraft schlicht dadurch verstärken könne, dass er sich parallel in den Betriebsrat wählen lässt.253 Aus diesem Grunde wurde auch in amtlichen Hinweisblättern der Regierung ausdrücklich eine solche Doppelkandidatur empfohlen.254 An der damals für die Empfehlung maßgeblichen Abhängigkeit von der kooperativen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat255 hat sich auch trotz der inzwischen in § 95 SGB IX normierten Rechte wenig geändert.256 Die damals vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung hat ihre Bedeutung somit nicht verloren, so dass hinsichtlich des fehlenden Ausschlusses der Wählbarkeit für Betriebsratsmitglieder auch heutzutage nicht von einer Planwidrigkeit auszugehen ist. cc) Schlussfolgerungen Dementsprechend kommt eine analoge Anwendung des § 61 Abs. 2 Satz 2 BetrVG im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht in Betracht. Daher ist das passive Wahlrecht nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Arbeitnehmer Mitglied des Betriebsrats ist.257 b) Mitgliedschaft in der Jugend- und Auszubildendenvertretung Grundsätzlich denkbar ist auch eine Doppelzugehörigkeit zu Schwerbehindertenvertretung einerseits und der Jugend- und Auszubildendenvertretung anderer253 Vgl. Barnewitz, Merkblatt für die Vertrauensmänner der Schwerbeschädigten, S. 6; Flatow, SchwerbeschädigtenG. § 11 Anm. 4. Vgl. auch Weigert, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 8; Weigert/Wölz, SchwerbeschädigtenG, § 11 Anm. 8 sowie Schneider/ Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 11. 254 Vgl. Barnewitz, Merkblatt für die Vertrauensmänner der Schwerbeschädigten, S. 6. 255 Vgl. dazu Flatow, SchwerbeschädigtenG, Vorbemerkungen S. 66; Schneider/Günther, SchwerbeschädigtenG, § 12 Anm. 11. 256 Vgl. Düwell, AuR 1993, 345, 350; Eichenhofer, ZTR 1994, 103, 105; Georgi, SuP 2009, 13, 13 und 21 f.; Schwarzbach, AiB 2002, 621, 621 f.; Splanemann, AiB 2006, 295, 295; Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat, S. 100. 257 So im Ergebnis auch: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 48; Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 3; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 37; Splanemann, AiB 2002, 404, 406; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 32. Ebenso Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, § 24 Rn. 11; Grimme, AiB 2011, 520, 520; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 10; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 140; Kossens, in: Kossen/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 24; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 94 Rn. 13; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 30; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 28; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 52; Zanker, WO zum SchwbG, S. 17, die jedoch nicht auf die Möglichkeit von Interessenkonflikten eingehen.
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seits.258 Eine derartige Ämterpluralität ist weder in § 94 Abs. 3 SGB IX noch in § 61 Abs. 2 BetrVG ausgeschlossen, obwohl auch hier Interessenkonflikte hinsichtlich der gleichrangigen Vertretung der Belange beider Gruppen auftreten können. Da jedoch aus der Doppelzugehörigkeit auch hier kein doppeltes Stimmrecht resultiert, kann für die Ämterpluralität im Hinblick auf die Jugend- und Auszubildendenvertretung nichts anderes gelten als hinsichtlich des Betriebsrats.259 Ein Arbeitnehmer ist daher auch nicht allein deshalb von der Wählbarkeit zur Schwerbehindertenvertretung ausgeschlossen, weil er bereits Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist. c) Arbeitgeber-Beauftragter nach § 98 SGB IX Bedenken gegen eine Ämterpluralität bestehen auch hinsichtlich des vom Arbeitgeber nach § 98 SGB IX Beauftragten.260 Anders als hinsichtlich der Doppelzugehörigkeit zu anderen betrieblichen Interessenvertretungsorganen sind bei einer Personalunion zwischen Schwerbehindertenvertretung und Beauftragtem nicht nur im Einzelfall konkret auftretende Interessenkonflikte zu befürchten. aa) Exklusivverhältnis der Ämter Vielmehr stehen die beiden Ämtern innewohnenden Aufgaben schon ihrer Ausrichtung nach in einem natürlichen Gegensatz zueinander.261 Während die Schwerbehindertenvertretung insbesondere gewählt wird, damit sie die Interessen schwerbehinderter Beschäftigter gegenüber dem Arbeitgeber vertritt,262 obliegt 258 Demgegenüber ist eine Doppelzugehörigkeit zu Schwerbehindertenvertretung und Sprecherausschuss wegen der Anknüpfung an die Eigenschaft als leitender Angestellter generell ausgeschlossen, so dass sich auch im Hinblick auf eine Ämterpluralität keine Probleme ergeben können. 259 Siehe dazu oben § 4 III. 5. a) cc). 260 Vgl. VG Aachen vom 25.11.1999, 16 K 371/99.PVL, PersR 2000, 131, 131; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 50; Adlhoch/Beyer/Ihme/Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 16; Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 21; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 151; Kaiser, BehR 1997, 34, 35; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 37; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/ Welti, SGB IX, § 94 Rn. 31. Wohl auch: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 50; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 24, die die Wählbarkeit des Beauftragten ohne nähere Begründung ablehnen. 261 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 50; Adlhoch/Beyer/Ihme/ Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/ Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 31. Vgl. auch Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 11; Kaiser, BehR 1997, 34, 35; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 37. 262 Kaiser, BehR 1997, 34, 35. Vgl. auch Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 95 Rn. 3; Neubert/Becke, SchwbG, § 25 Rn. 1; Rohwer-Kahlmann/Schroeder-Printzen, SchwerbeschädigtenG, § 13 Rn. 22; Thieler, SchwbG, § 25 Rn. 1.
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es dem nach § 98 SGB IX Beauftragten, in Schwerbehindertenangelegenheiten den Arbeitgeber zu vertreten. Der Beauftragte kann dabei an Weisungen des Arbeitgebers gebunden werden263 und hat in seinem Zuständigkeitsbereich eine Arbeitgeberposition inne.264 Im Fall einer Personalunion von Schwerbehindertenvertretung und Beauftragtem nach § 98 SGB IX müssten die betreffende Person damit sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Beschäftigtenseite gleichermaßen eintreten. Die Schwerbehindertenvertrauensperson wäre als Beauftragter somit zugleich ihr eigener Ansprech- und Verhandlungspartner.265 Dies widerspräche jedoch dem Grundkonzept der betrieblichen Interessenvertretungen, weshalb zugunsten der Arbeitgeberseite auftretende Verhandlungspartner generell von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind (vgl. §§ 7 und 8 bzw. § 61 Abs. 2 i.V. m. § 5 Abs. 2 – 4 BetrVG und § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SprAuG). Daher kann ein als Beauftragter nach § 98 SGB IX bestellter Arbeitnehmer nicht gleichzeitig der Schwerbehindertenvertretung zugehören,266 so dass beide Ämter in einem Exklusivverhältnis zueinander stehen. bb) Amtsniederlegung durch Erklärung der Annahme der Wahl Denkbar erscheint es, diesem Exklusivverhältnis der beiden Ämter dadurch Rechnung zu tragen, dass die Zustimmungserklärungen zur Übernahme des Schwerbehindertenvertreteramtes dergestalt auszulegen ist, dass damit zugleich die Niederlegung des Amts des Beauftragten erklärt wird. Allerdings ergibt sich in diesem Zusammenhang das Problem, dass die Erklärung zur Niederlegung des Amts des Beauftragten empfangsbedürftig ist267 und damit erst dann wirksam werden kann, wenn sie dem Arbeitgeber zugeht. Demgegenüber ist die Erklärung über die Annahme der Wahl an das wahlleitende 263 Zur Bindung des Beauftragten an Weisungen des Arbeitgebers: Kaiser, BehR 1997, 34, 35; Knittel, SGB IX, § 98 Rn. 18; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 98 Rn. 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 98 Rn. 3. 264 Ausführlich dazu Sauer, BehR 1998, 81, 81 ff. Vgl. VG Aachen vom 25.11.1999, 16 K 371/99.PVL, PersR 2000, 131, 131; Kaiser, BehR 1997, 34, 35. 265 Kaiser, BehR 1997, 34, 36; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 98 Rn. 9; Malcher, SchwbG, S. 105; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 98 Rn. 5. 266 So auch VG Aachen vom 25.11.1999, 16 K 371/99.PVL, PersR 2000, 131, 131 f.; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 50; Adlhoch/Beyer/Ihme/Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 16; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 151; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 31. Wohl auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 50. Unklar insoweit Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 24 und § 98 Rn. 5, der einerseits keine Bedenken gegen die Wählbarkeit des Beauftragten hat, gleichzeitig aber die Bestellung der Schwerbehindertenvertrauensperson zum Beauftragten ablehnt, ohne diese Unterschiede zu erläutern. 267 Düwell, AuA 2002, 254, 255.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Organ zu richten, damit dieses das endgültige Wahlergebnis bekannt geben kann. Damit sind die Adressaten der Erklärungen nicht identisch, so dass diese auch nicht gleichzeitig wirksam werden können. Zudem scheidet eine die Amtsniederlegung einschließende Auslegung der Erklärung der Annahme der Wahl dann aus, wenn die Annahme durch Ablauf der Erklärungsfrist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO gesetzlich fingiert wird. Eine Ämterpluralität lässt sich damit nicht zwingend durch eine entsprechende Auslegung der Erklärung über die Annahme der Wahl vermeiden. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Exklusivcharakter der Ämter auf anderem Wege gewährt wird. cc) Ausschluss des passiven Wahlrechts Aus diesem Grunde ist die Regelung des § 94 Abs. 3 SGB IX aus teleologischen Gründen einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein im Amt befindlicher Beauftragter i. S. d. § 98 SGB IX vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen ist.268 Ein Beauftragter kann daher nur dann wirksam als Wahlbewerber vorgeschlagen werden, wenn er zuvor sein Amt als Beauftragter niedergelegt hat. Wird ein als Kandidat für die Schwerbehindertenvertretung vorgeschlagener Beschäftigter vom Arbeitgeber zum Beauftragten bestellt und nimmt er die Bestellung an,269 erlischt damit seine Wählbarkeit. In der Folge darf ein solcher Kandidat nicht als Wahlbewerber auf die Stimmzettel aufgenommen werden, so dass diese ggf. neu gedruckt werden müssen. 6. Keine Anknüpfung an das aktive Wahlrecht Anders als im Hinblick auf die Betriebsrats- und die Sprecherausschusswahl wird das passive Wahlrecht bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht auf 268 So auch VG Aachen vom 25.11.1999, 16 K 371/99.PVL, PersR 2000, 131, 131; Adlhoch/Beyer/Ihme/Göbel, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 16; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 115; Esser/Isenhardt, in: Kreitner/Luthe, jurisPK-SGB IX, § 94 Rn. 21; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 151; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 50; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 24; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 31. Ebenso auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 50, der jedoch davon ausgeht, dass der der Arbeitgeber verpflichtet sei, seinen Beauftragte vom Amt zu entbinden, wenn dieser kandidieren wolle. A. A. Cramer, SchwbG, § 24 Rn. 11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 11; Kaiser, BehR 1997, 34, 35; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 37, die zwar Bedenken äußern, aber die Wählbarkeit gleichwohl bejahen. A. A. auch Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 24 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 30. 269 Vgl. dazu Düwell, AuA 2002, 254, 255; Kossens, in: Kossens/von der Heide/ Maaß, SGB IX, § 98 Rn. 6.
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aktiv Wahlberechtigte beschränkt. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Kandidaten für das Amt der Schwerbehindertenvertretung selbst schwerbehindert bzw. gleichgestellt sind.270 Der Kreis der wählbaren Personen ist also – ebenso wie bei der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl271 – gegenüber dem der aktiv Wahlberechtigten deutlich erweitert.272 Hierdurch soll zugunsten des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung sichergestellt werden, dass sich ausreichend Kandidaten finden lassen, die zur Übernahme des Amtes der Schwerbehindertenvertretung bereits sind. Mehr noch als bei der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl,273 fehlt bei den Wahlberechtigten der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht selten die Bereitschaft sich offen für die Belange der Schwerbehinderten einzusetzen.274 Aus diesem Grund ist die in den früheren Gesetzesfassungen noch vorhandene Empfehlung, dass der „Vertrauensmann (tunlichst) ein Schwerbeschädigter sein“ solle (vgl. nur § 11 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1920 und § 13 Abs. 2 Satz 1 SchwerbeschädigtenG 1961), bewusst gestrichen worden, um etwaige Hemmungen abzubauen.275 Im Rahmen spezifischer Interessenvertretungen wird somit der Grundsatz der Selbstorganisation wiederum zugunsten des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung gelockert, um die ohnehin schon schwierige Kandidatenlage zu verbessern. 7. Prüfung des passiven Wahlrechts Ebenso wie beim aktiven Wahlrecht muss auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 94 Abs. 3 SGB IX im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl geprüft werden. Allerdings wird nur im Hinblick auf die Wählbarkeit in das Amt der Schwerbehindertenvertretung und als stellvertretendes Mitglied an das passive Wahlrecht und damit an die Voraussetzungen des § 94 Abs. 3 SGB IX geknüpft. Eine mehrfache Prüfung276 ist daher hinsichtlich der Wählbarkeit nicht erforderlich.
270 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 48; Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 20; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 129; Knittel, SGB IX , § 94 Rn. 41; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 27; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 52; Schmidt, Schwerbehindertenvertretung, S. 36. 271 Vgl. dazu Oetker, in: GK-BetrVG, § 61 Rn. 25; Rotermund, Die Interessenwahrnehmung durch Jugendliche und Auszubildende in der Betriebsverfassung, S. 54. 272 Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 15; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 41. 273 Vgl. dazu Fuchs, BlStSozArbR 1976, 113, 114. 274 Vgl. Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 20; Kamm/Heimeroth/Poth/Praedel, Die Schwerbehindertenvertretung im öffentlichen Dienst, S. 24. 275 Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 41; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 27. 276 Eine kritische Kontrolle im Hinblick auf wegfallende Voraussetzungen wird damit jedoch nicht entbehrlich.
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a) Förmliches Wahlverfahren Im förmlichen Wahlverfahren obliegt es dem Wahlvorstand, die Voraussetzungen des § 94 Abs. 3 SGB IX zu prüfen. Anders als bei der Betriebsratswahl ist jedoch keine Liste der wählbaren Personen zu erstellen.277 Damit kann eine generelle Überprüfung sämtlicher Beschäftigter des Wahlbezirks auf ihre Wählbarkeit hin unterbleiben. Der Verzicht auf eine solch umfassende Prüfpflicht lässt sich auf den Grundsatz der Simplizität zurückführen. Schließlich wäre es angesichts der erheblichen Diskrepanz zwischen dem Kreis der aktiv und der passiv wahlberechtigten Personen wenig sinnvoll eine von tatsächlichen Kandidaturen unabhängige Prüfung der Wählbarkeit durchzuführen. Stattdessen sind die Voraussetzungen des passiven Wahlrechts nur im Hinblick auf solche Personen zu prüfen, die in zulässiger Weise im Wege eines Wahlvorschlags als Wahlbewerber vorgeschlagen worden sind.278 aa) Prüfpflicht Eine Pflicht zur Prüfung der Wahlvorschläge ist in den Wahlvorschriften nicht explizit vorgesehen. Allerdings folgt aus den allen demokratischen Wahlen innewohnenden Grundprinzipien, dass keine Wahlvorschläge zur Abstimmung gestellt werden dürfen, die offensichtlich gegen essentielle Wahlvorschriften, wie die Regelung der Wählbarkeit, verstoßen.279 Dies findet in § 8 SchwbVWO eine mittelbare Bestätigung.280 Der Wahlvorstand muss also vor der Bekanntgabe der als gültig anerkannten Wahlvorschläge auch die materiellen Voraussetzungen des passiven Wahlrechts prüfen.281 bb) Grundlagen der Prüfung Um diese Prüfung der Wählbarkeit vornehmen zu können, ist der Wahlvorstand darauf angewiesen, dass er die nötigen Auskünfte erhält und ihm erforderliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Anderenfalls wäre er nicht in der Lage, die Voraussetzungen verlässlich zu kontrollieren. (1) Mitwirkung des Arbeitgebers Primärer Ansprechpartner des Wahlvorstands ist dabei der Arbeitgeber. Dieser ist nämlich gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 SchwbVWO verpflichtet, den Wahlvorstand 277
Siehe dazu unten § 8 II. 1. a) dd). Siehe zu Wahlvorschlägen ausführlich unten § 8 II. 5. 279 Vgl. BVerwG vom 13.03.1973, VII P 1.72, AP Nr. 1 zu § 22 PersVG RheinlandPfalz; BVerwG vom 27.05.1960, VII P 13.59, AP Nr. 5 zu § 10 PersVG; Küchenhoff, AP Nr. 2 zu § 10 WahlO z. PersVG; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 11. 280 Siehe dazu oben § 8 II. 5. e) aa). 281 Siehe ausführlicher zum Bestehen einer entsprechenden Prüfpflicht unten § 8 II. 5. e) aa). 278
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bei dessen Aufgabenerfüllung zu unterstützen. Dass sich diese Unterstützungspflicht nicht auf die Erstellung der Liste der Wahlberechtigten nach § 3 SchwbVWO beschränkt, ergibt sich bereits aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 2 Abs. 6 Satz 2 SchwbVWO. Dadurch wird nämlich der nicht abschließende Charakter der Regelung unterstrichen. Der Arbeitgeber muss daher auch über potentiell passiv wahlberechtigte Personen Auskünfte erteilen. (a) Anspruch auf Gesamtliste wählbarer Personen In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Auskünfte über die Wählbarkeit sämtlicher Beschäftigter des Wahlbezirks zu erteilen oder sich die Auskunftspflicht auf als Wahlbewerber vorgeschlagene Person beschränkt. Grundsätzlich ließe sich die Prüfung der Wählbarkeit durch eine Vorab-Anforderung von Informationen über sämtliche Beschäftigte in zeitlicher Hinsicht verkürzen. Allerdings ist zu berücksichtigten, dass bei der Schwerbehindertenvertretungswahl eine Liste der wählbaren Personen nicht vorgeschrieben ist und eine Prüfpflicht des Wahlvorstands nur hinsichtlich konkret benannter Kandidaten besteht. Zudem ist zu beachten, dass die zu erteilenden Auskünfte durch das Merkmal der nicht nur vorübergehenden Beschäftigung umfassender ausfallen als bei anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen. Gleichzeitig würden sich die Auskünfte in diesem Fall auf einen den Anteil der aktiv Wahlberechtigten weit übersteigenden Personenkreis beziehen,282 obwohl sich von diesem erfahrungsgemäß nur wenige Einzelpersonen überhaupt zur Kandidatur bereit erklären. Aufwand und Nutzen solcher pauschalen Auskünfte stünden damit in einem groben Missverhältnis zueinander. Die Erforderlichkeit einer solchen Gesamtliste aller Beschäftigten des Betriebs ist daher zu verneinen und eine solche deshalb als nicht mehr von der Unterstützungspflicht des Arbeitgebers erfasst zu qualifizieren.283 Zudem ist zu berücksichtigten, dass das den Beschäftigten zustehende Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur insoweit hinter den Informationsrechten der wahlleitenden Organe zurücksteht, wie dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist.284 Wegen der auf konkrete Kandidaten beschränkten Prüfpflicht fehlt es jedoch gerade an der Erforderlichkeit einer solchen Gesamtliste. Dementsprechend hat der Wahlvorstand nicht die Möglich282 Im Anwendungsbereich des förmlichen Wahlverfahrens ist bei vollständiger Erfüllung der Beschäftigungsquote von mindestens 1000 Arbeitnehmern auszugehen. 283 Vgl. zur Begrenzung der Unterstützungspflicht des Arbeitgebers durch die Erforderlichkeit: Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 2 Rn. 11. 284 Vgl. zur Abwägung zwischen der Erteilung von Auskünften über personenbezogenen Daten der Wahlberechtigten und der Wahrung von deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Betriebsratswahl: LAG Baden-Württemberg vom 30.10. 1992, 1 TaBV 2/92; ArbG Leipzig vom 24.02.2006, 3 BVGa 5/06; Boemke, Handbuch zur Betriebsratswahl, § 3 Rn. 423.
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keit, zusätzlich zu den für die Prüfung des aktiven Wahlrechts erforderlichen Informationen, beim Arbeitgeber zugleich Unterlagen und Auskünfte über sämtliche passiv Wählbaren anzufordern. Vielmehr besteht der Anspruch auf Unterstützung bei der Prüfung des passiven Wahlrechts im förmlichen Verfahren nur in Bezug auf formell ordnungsgemäß vorgeschlagene Wahlbewerber. (b) Inhalt der Auskunftspflichten Wird der Arbeitgeber vom Wahlvorstand hinsichtlich formell korrekt benannter Kandidaten um Unterstützung bei der Prüfung des passiven Wahlrechts ersucht, muss er sämtliche für die Feststellung der Wählbarkeit dieser Personen maßgeblichen Informationen erteilen. Erforderlich sind insoweit Angaben über das Geburtsdatum, die bisherigen Beschäftigungszeiten, die zukunftsbezogene Beschäftigungsabsicht, etwaige Befristungen oder Kündigungen, ggf. die Bestellung zum Beauftragten nach § 98 SGB IX, sowie die für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft i. S. d. § 5 BetrVG notwendigen Informationen. (2) Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Sprecherausschuss Bei der Prüfung der Wählbarkeitsvoraussetzungen erscheint auch eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und/oder dem Sprecherausschuss denkbar. Diese Organe sind nämlich verpflichtet, die im Rahmen ihrer Wahl entstandenen und vom Wahlvorstand zusammengetragenen Wahlunterlagen während ihrer gesamten Amtszeit sorgsam aufzubewahren (vgl. § 19 WO-BetrVG; § 17 WO-SprAuG). (a) Heranziehbarkeit der Wählerlisten Zu diesen Wahlunterlagen gehören auch die nach § 2 WO-BetrVG bzw. § 2 WO-SprAuG anzufertigenden Wählerlisten.285 Diese enthalten jeweils Aussagen über die Zuordnung der Beschäftigten zur Gruppe der Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 BetrVG bzw. zur Gruppe der leitenden Angestellten.286 Betriebsrat und Sprecherausschuss verfügen also über Unterlagen, die die Prüfung des passiven Wahlrechts erleichtern könnten. Zu beachten ist jedoch, dass bei terminsgerechter Durchführung zwischen den Wahlen ein Zeitraum von mindestens vier Monaten liegt.287 In dieser Zwischenzeit können daher Veränderungen des Wahlrechts 285
Vgl. Boemke, Handbuch zur Betriebsratswahl, § 3 Rn. 648. Die bei der Sprecherausschusswahl anzufertigende Wählerliste kann für einen Umkehrschluss zur Wählbarkeit bei der Schwerbehindertenvertretungswahl herangezogen werden. 287 Für die zeitgleich durchzuführenden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BetrVG; § 5 Abs. 1 Satz 2 SprAuG) regelmäßigen Betriebsrats- und Sprecherausschusswahlen ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und § 5 Abs. 1 Satz 1 SprAuG der Zeitraum zwischen 01.03. und 31.05. vorgesehen, während die regelmäßigen Schwerbehindertenvertretungswahlen in 286
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des aufgeführten Personenkreises eingetreten und neue wählbare Personen hinzugekommen sein. Der Wahlvorstand kann daher bei der Prüfung des passiven Wahlrechts nicht uneingeschränkt auf die zur Betriebs- bzw. Sprecherausschusswahl erstellten Wählerlisten zurückgreifen. Insbesondere entbinden ihn diese Listen nicht von einer eigenständigen, sorgfältigen Prüfung der Wählbarkeit, so dass die Listen lediglich als Ausgangspunkt dienen können. (b) Keine Bindungswirkung des Zuordnungsverfahrens nach § 18a BetrVG Angesichts der zeitlichen Versetzung der Wahlen liegt es nahe, dass den im Zuordnungsverfahren nach § 18a BetrVG getroffenen Feststellungen keine bindende Wirkung für die Schwerbehindertenvertretungswahl zukommen kann.288 Eine zwingende Ausstrahlung der Zuordnung würde nämlich dazu führen, dass bei der Feststellung der Wählbarkeit auf mitunter überholte und mehrere Monate zurückliegende Entscheidungen zurückgegriffen werden müsste. Im Rahmen des § 94 Abs. 3 SGB IX ist jedoch kein in der Vergangenheit liegender Stichtag vorgesehen, sondern der Zeitpunkt der Stimmabgabe maßgeblich.289 Eine Bindungswirkung würde also dazu führen, dass das wahlleitende Organ gehindert wäre, anhand der aktuellen, zwischenzeitlichen Änderungen unterlegenen Sachlage, eigenständig über die Zuordnung von Arbeitnehmern zu befinden. Stattdessen müsste das wahlleitende Organ auf möglicherweise veraltete Feststellungen zurückgreifen. (aa) Gegenwartsbezogenheit des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX Dies widerspräche jedoch der Regelung des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX. Diese stellt nämlich nicht vergangenheitsbezogen darauf ab, wer bei der letzten Wahl dem Betriebsrat nicht angehören konnte und deshalb nicht wählbar war. Vielmehr hebt sie gegenwartsbezogen darauf ab, wer aktuell nicht zum Betriebsrat wählbar ist. Eine nach § 18a BetrVG getroffene Zuordnungsentscheidung bezieht sich dagegen stets auf den Zeitpunkt der Betriebsrats- bzw. Sprecherausschusswahl, der aus der Perspektive der Schwerbehindertenvertretungswahl bereits mehrere Monate zurück und damit in der Vergangenheit liegt. Bereits dem Wortlaut der Zeit vom 01.10. bis zum 30.11. des gleichen Jahres durchzuführen sind. Vgl. zur zeitlichen Versetzung der Wahlen Süllwold, ZBVR 2003, 23, 23 f. 288 Vgl. zur Begrenzung der Bedeutung der Zuordnungsentscheidung auf die jeweils anstehende Betriebsrats- und die Sprecherausschusswahl: Engels/Natter, BB 1989, Beilage Nr. 8, S. 1, 13; Fitting, BetrVG, § 18a Rn. 6 und 63; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18a Rn. 4 f.; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 18a Rn. 14; Wlotzke, DB 1989, 111, 125. Vgl. aber auch Martens, RdA 1989, 73, 87, der eine analoge Anwendung des § 18a auf die Wahl nach dem DrittelbG für gerechtfertigt hält. 289 Vgl. Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 9; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 25.
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des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nach kann daher keine zwingende Bindungswirkung der im Zuordnungsverfahren nach § 18a BetrVG getroffenen Entscheidung gewollt sein. (bb) Zielsetzung des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX Auch nach Sinn und Zweck des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX kommt eine zwingende Wirkung der Zuordnungsentscheidung nicht in Betracht. Ziel der Regelung ist es insbesondere auszuschließen, dass bei der Wahl Kandidaten antreten und gewählt werden, bei deren Amtsübernahme schwerwiegende Loyalitäts- und Interessenkonflikte zu befürchten wären.290 Mit dieser Zielsetzung wäre ein zwingender Charakter der Zuordnungsentscheidung nach § 18a BetrVG nicht zu vereinbaren. Deutlich wird dies, wenn einzelne Arbeitnehmer in der Zeit der Betriebsrat- und Sprecherausschusswahl zutreffend als nichtleitende Arbeitnehmer eingeordnet worden waren, ihnen aber inzwischen Kompetenzen zugewiesen wurden, derer zufolge sie nunmehr eindeutig als leitenden Angestellte zu qualifizieren wären. Im Fall einer Bindungswirkung der Zuordnungsentscheidung müsste das wahlleitende Organ nämlich auch diesen Personen das passive Wahlrecht zuerkennen, obwohl die Voraussetzungen inzwischen nicht mehr gegeben sind. Ein absolut zwingender Charakter der Zuordnungsentscheidung würde also die Wahl leitender Angestellter möglich machen und damit die Zielsetzung des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX konterkarieren.291 (cc) Schlussfolgerung Trotz der Bezugnahme des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX auf die Wählbarkeit bei der Betriebsratswahl haben die im Rahmen des Zuordnungsverfahrens nach § 18a BetrVG getroffenen Feststellungen daher keinen zwingenden Charakter. Das wahlleitende Organ ist daher nicht gehindert, die Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft eigenständig zu prüfen und dabei von im Verfahren nach § 18a BetrVG getroffenen Feststellungen abzuweichen. Vielmehr ist das wahlleitende Organ angesichts des zeitlichen Abstands zwischen den Wahlen verpflichtet, kritisch zu prüfen, ob die jeweils für maßgeblich erachteten Umstände aller Voraussicht nach auch noch am Wahltag gegeben sein werden. Dementsprechend fungieren auch die nach § 18a BetrVG getroffenen Feststellungen lediglich als Anhaltspunkt einer durch das wahlleitende Organ durchzuführenden eigenständigen Prüfung des passiven Wahlrechts. Eine dahingehende Zusammenarbeit mit diesen Interessenvertretungsorganen kann daher zwar die Prüfung erleichtern, je290 Vgl. Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 16; Düwell, in: Deinert/ Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 116. Vgl. auch Riebe, BehR 1995, 183, 190 f. 291 Vgl. dazu auch Engels/Natter, BB 1989, Beilage Nr. 8, S. 1, 13; Wlotzke, DB 1989, 111, 125, die auf eine Reihe weiterer Folgeprobleme auf Dauer wirkender StatusFeststellungen hinweisen.
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doch nicht die nach § 2 Abs. 6 Satz 1 SchwbVWO vorgeschriebene Unterstützung durch den Arbeitgeber ersetzen. b) Vereinfachtes Wahlverfahren Anders als im förmlichen Verfahren kann eine Prüfung des passiven Wahlrechts zwangsläufig erst am Tag der Stimmabgabe erfolgen, weil erst in der Wahlversammlung selbst wirksam Wahlvorschläge unterbreitet werden können.292 Das führt insbesondere im Hinblick auf die Beschaffung der für die Prüfung erforderlichen Unterlagen zu erheblichen Schwierigkeiten, auf die näher eingegangen werden soll. Im Vorfeld sollen jedoch zunächst das Bestehen einer entsprechenden Prüfpflicht untersucht und geklärt werden, welches Organ für die Prüfung zuständig ist. aa) Prüfpflicht Auch für das vereinfachte Wahlverfahren ist eine Pflicht zur Prüfung der materiellen Voraussetzungen des passiven Wahlrechts nicht explizit normiert. Allerdings sind auch im vereinfachten Verfahren die allen demokratischen Wahlen innewohnenden Grundprinzipien maßgeblich. Daher dürfen auch hier keine offensichtlich gegen die Regelung der Wählbarkeit verstoßenden Wahlvorschläge zur Abstimmung gestellt werden.293 Daher ist auch im Rahmen der Wahlversammlung eine Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Wählbarkeit erforderlich. bb) Zuständiges Organ In der Literatur wird teilweise vertreten, im vereinfachten Wahlverfahren obliege die Prüfung des passiven Wahlrechts der „Wahlversammlung“.294 Allerdings erfordert diese Prüfung die rechtliche Wertung einer Reihe von Einzelfaktoren, die mitunter erst nach gewissenhafter Würdigung entsprechender Unterlagen über die betreffende Person möglich wird. Eine solche Prüfung dürfte jedoch durch eine bis zu 50-köpfige Versammlung kaum mit der nötigen Sorgfalt zu bewerkstelligen sein und die Wahldurchführung erheblich verzögern. Zudem ist zu bedenken, dass eine von der Wahlversammlung durchgeführte Abstimmung über die Wählbarkeit einzelner Personen mitunter präjudizierende Wirkung hätte. Damit bestünde auch das Risiko, dass zumindest aus Sicht der Wahlberechtigten die Grenzen zwischen der Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen des § 94 292
Siehe dazu unten § 8 II. 5. d) ee) (4). Vgl. BVerwG vom 13.03.1973, VII P 1.72, AP Nr. 1 zu § 22 PersVG RheinlandPfalz; BVerwG vom 27.05.1960, VII P 13.59, AP Nr. 5 zu § 10 PersVG; Küchenhoff, AP Nr. 2 zu § 10 WahlO z. PersVG; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 11. 294 So etwa Heuser, BehR 1990, 25, 27 und Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 26. 293
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Abs. 3 SGB IX und einer tatsächlichen Abstimmung über die potentielle Vertrauensperson verwischen. In Anbetracht all dieser Gesichtspunkte kann die Prüfung der Wählbarkeit sowohl aus praktischen wie auch aus teleologischen Gründen heraus nicht der Wahlversammlung obliegen. Stattdessen muss diese Prüfung – im Einklang mit der Systematik der Schwerbehindertenvertretungswahl – auch im vereinfachten Verfahren dem mit der Wahlleitung betrauten Organ obliegen. Im Fall des vereinfachten Wahlverfahrens ist daher die Wahlleitung i. S. d. § 20 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO für die Prüfung des passiven Wahlrechts zuständig. cc) Grundlagen der Prüfung Eine auf Unterlagen gestützte Prüfung der Voraussetzungen des § 94 Abs. 3 SGB IX setzt voraus, dass diese Unterlagen überhaupt zur Verfügung stehen. Wie bereits im Hinblick auf die Prüfung des aktiven Wahlrechts festgestellt, fehlt es in den Wahlvorschriften des vereinfachten Verfahrens an der Normierung eines Informationsanspruchs des mit der Prüfung des Wahlrechts betrauten Organs.295 Auch insoweit besteht somit eine Regelungslücke, hinsichtlich welcher ebenfalls von einer Planwidrigkeit auszugehen ist. Damit stellt sich auch in Bezug auf die Prüfung der Wählbarkeit durch die Wahlleitung die Frage nach einer Analogie zu § 2 Abs. 6 SchwbVWO bzw. zu § 28 Abs. 2 WO-BetrVG. (1) Informationsanspruch nach § 2 Abs. 6 SchwbVWO analog Im Fall einer analogen Anwendung des § 2 Abs. 6 SchwbVWO ergibt sich wiederum das Problem, dass ein Informationsanspruch durch die Wahlleitung erst nach deren Wahl in der Wahlversammlung geltend gemacht werden könnte. Dementsprechend wären mit der Anforderung der zur Prüfung der Wählbarkeit notwendigen Informationen zwangsläufig Unterbrechungen des Fortgangs der Wahlversammlung verbunden. Dies gilt umso mehr, wenn man die Auskunftsund Unterstützungspflicht wie im förmlichen Wahlverfahren auf diejenigen Personen begrenzt, die konkret als Wahlbewerber vorgeschlagen worden sind.296 (2) Informationsanspruch nach § 28 Abs. 2 WO-BetrVG analog Insofern erscheint es nahe liegender, eine doppelte Analogie zu § 28 Abs. 2 WO-BetrVG zu bilden. Auf Grund dieser hätte der Arbeitgeber neben den für das aktive Wahlrecht maßgeblichen Informationen auch solche zu den potentiell wählbaren Personen zusammenzustellen und diese dem Wahlinitianten zu übermitteln. In diesem Fall stellte sich allerdings das Problem, dass die Zahl der 295 296
Siehe dazu oben § 4 II. 4. a) cc) (1). Siehe dazu oben § 4 III. 7. a) bb) (1).
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potentiell wählbaren Personen – anders als beim vereinfachten zweistufigen Verfahren der Betriebsratswahl – nicht auf maximal 50 begrenzt ist. Vielmehr könnte die Zahl der wählbaren Arbeitnehmer bei unterstellter ordnungsgemäßer Erfüllung der Beschäftigungsquote bis zu 1000 betragen.297 Gleichzeitig wäre erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass sich nur ein kleiner Teil der potentiell Wählbaren überhaupt zur Kandidatur bereit erklären wird. Angesichts der erhöhten inhaltlichen Anforderungen an die zusammenzustellenden Informationen298 stellt sich die Frage, ob im Hinblick auf das Verhältnis von Aufwand und Nutzen von der Erforderlichkeit einer solchen Vorab-Gesamtliste auszugehen ist.299 Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass im vereinfachten Verfahren durch dessen Wahltagszentrierung ein signifikant verkürzter zeitlicher Rahmen besteht. Anders als im förmlichen Wahlverfahren besteht für die Prüfung der Wählbarkeitsvoraussetzung vorgeschlagener Kandidaten kein mehrwöchiger Puffer.300 Vielmehr muss die Prüfung des passiven Wahlrechts zeitnah nach der Unterbreitung des Wahlvorschlags erfolgen. Anderenfalls würden nicht unerhebliche Verzögerungen des Wahlprozederes eintreten. Im Unterschied zum förmlichen Verfahren ist eine kandidaturunabhängige Zusammenstellung der maßgeblichen Informationen hinsichtlich sämtlicher potentieller Wahlbewerber nicht nur hilfreich, sondern zur unterbrechungsfreien Durchführung der Wahlversammlung notwendig. Zugunsten des Grundsatzes der Simplizität und der obligatorischen Vertretung ist es dem Arbeitgeber daher trotz des nicht unbedeutenden Aufwands zuzumuten, eine pauschale Auflistung aller potentiell wahlberechtigten Beschäftigten des Wahlbezirks anzufertigen. Die Regelung des § 28 Abs. 2 WO-BetrVG ist daher im vereinfachten Verfahren hinsichtlich der für die Prüfung des passiven Wahlrechts erforderlichen Informationen im Wege doppelter Analogie anzuwenden. Der Arbeitgeber ist daher verpflichtet, unverzüglich nach Kenntnis von der Einladung zur Wahlversammlung auch die für die Wählbarkeit maßgeblichen Auskünfte und Unterlagen zusammenzustellen und diese dem Wahlinitianten in einem verschlossenen Umschlag zu übermitteln. Dabei müssen sich die Informationen über die Wählbarkeit auf sämtliche potentiell wählbaren Personen des Betriebs beziehen, so dass der Arbeitgeber insoweit vorab eine Gesamtübersicht zu erstellen hat.
297 Wird die gesetzliche Pflichtquote unterschritten, sind noch deutlich mehr potentiell wählbare Beschäftigte möglich. Vgl. zur durchschnittlichen (Nicht-)Erfüllung in der Praxis: Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drs. 16/13829, S. 5. 298 Siehe dazu oben § 4 III. 7. a) bb) (1) (b). 299 Siehe dazu auch oben § 4 III. 7. a) bb) (1) (a). 300 Infolge der Fristenregelungen der §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO liegen zwischen dem Ende der regulären Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen und dem Wahltag mindestens vier Wochen. Im Fall einer Nachfristsetzung nach § 7 Abs. 1 SchwbVWO verbleibt ein Zeitraum von mindestens drei Wochen.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
§ 5 Differenzierung nach Wahlverfahren I. Allgemeines zu den Wahlverfahren Das SGB IX kennt für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung zwei verschiedene Wahlverfahren. Zwar ist im Gesetzestext ausdrücklich nur das vereinfachte Wahlverfahren erwähnt. Jedoch ergibt sich sowohl aus der sprachlichen Formulierung1 als auch aus der Bindung dieses Wahlverfahrens an klare Anwendungsvoraussetzungen (vgl. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX),2 dass ein weiteres Wahlverfahren existieren muss. Konsequenter Weise differenziert auch die auf Grundlage des § 100 SGB IX erlassene Wahlordnung (SchwbVWO) zwischen zwei inhaltlich unterschiedlich ausgestalteten Wahlverfahren. Die beiden für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung vorgesehenen Wahlverfahren weisen erhebliche inhaltliche Unterschiede auf. Sie divergieren nicht nur im Hinblick auf die Einzelheiten der Vorbereitung und Durchführung der Wahl, sondern bereits in der Art und Weise der die Wahl initiierenden Handlung.3 Sie stehen daher in einem exklusiven Regel-Ausnahmeverhältnis zueinander, bei dem das förmliche Wahlverfahren den Regel- und das vereinfachte Verfahren den Ausnahmefall darstellt. Die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens kommt daher ausschließlich bei Vorliegen der in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX genannten Voraussetzungen in Betracht. Daher soll im Folgenden zunächst geklärt werden, auf welche Kriterien für die Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren abzustellen ist und wie diese im Detail auszulegen sind. Anschließend ist zu untersuchen, wer über das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu befinden hat und nach welchen Regeln etwaige Kompetenzkonflikte zu lösen sind. In diesem Kontext ist auch zu klären, wann die Prüfung erfolgt und welcher Zeitpunkt insoweit als Stichtag maßgeblich ist.
II. Anwendungsvoraussetzungen Bei den Anwendungsvoraussetzungen des vereinfachten Wahlverfahrens lassen sich zwei Kriterien unterscheiden. Zum einen bindet § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX die Anwendung des vereinfachten Verfahrens an die Erreichung eines betriebsbezogenen Schwellenwertes. Zum anderen ist ein vereinfachtes Wahlverfahren nach dieser Norm nur zulässig, wenn ein gewisses räumliches Näheverhältnis zwischen den einzelnen Betriebsteilen besteht.
1 Die Verwendung der vergleichenden Formulierung „vereinfacht“ in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX indiziert das Vorhandensein eines anderweitigen Verfahrens demgegenüber eine Vereinfachung bezweckt wird. 2 Siehe dazu sogleich ausführlich § 5 II. 3 Ausführlicher dazu siehe unten § 6 IV.
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1. Schwellenwert Das vereinfachte Wahlverfahren kommt gemäß § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX nur in „Betrieben mit weniger als 50 wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen“ in Betracht. Bezugspunkt dieses Schwellenwertes ist somit ebenso wie im Rahmen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX der Betrieb und nicht der Arbeitgeber. a) Subjekt des Schwellenwertes Im Vergleich zur Wahlvoraussetzung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX etablierte Schwellenwert in sprachlicher Hinsicht auf ein anderes Schwellenwertsubjekt ab. Maßgeblich ist danach nicht die Zahl der im Betrieb nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Menschen,4 sondern die Zahl der Wahlberechtigten5 (vgl. auch § 18 SchwbVWO). Ausgehend von der in § 94 Abs. 2 SGB IX enthaltenen Definition beschränken sich die Unterschiede jedoch auf die voraussichtliche Beschäftigungsdauer der Schwellenwertsubjekte. Anders als in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX nämlich auch diejenigen schwerbehinderten Beschäftigten zu berücksichtigen, deren Beschäftigung nur vorübergehender Natur ist.6 Die Verwendung eines insoweit abweichenden Schwellenwertsubjekts rechtfertigt sich aus den unterschiedlich gelagerten Regelungszwecken. Durch § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX soll ein (Mindest-)Grenzwert festgelegt werden, bei dessen Erreichung eine unwiderlegliche Vermutung für die Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Etablierung einer gesonderten Interessenvertretung gesetzt wird. Über die von § 94 Abs. 1 SGB IX abhängige Entscheidung zugunsten einer Wahl wird somit eine lange Zeit in die Zukunft reichende Grundentscheidung getroffen. Für den Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist damit nur von Belang, wie viele der schwerbehinderten Menschen dauerhaft beschäftigt werden. Im Unterschied dazu geht es beim Schwellenwert des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX darum, die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens auf kleinere Betriebe zu beschränken. Dem liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass in kleineren Betrieben die Durchführung des eine höhere Kontrolldichte7 bietenden förmlichen Wahlverfahrens verzichtbar sei.8 Ob eine Formalisierung des Wahlverfahrens erforderlich oder entbehrlich ist, hängt jedoch in entschei-
4 Zum Begriff des schwerbehinderten Menschen und zur generellen Erfassung der Gleichgestellten i. S. d. § 2 Abs. 3 SGB IX siehe § 3 IV. 2. 5 Zu den Anforderungen an die Wahlberechtigung siehe oben § 4 II. 6 Siehe zu diesem Kriterium oben § 3 IV. 4. 7 Boch, SAE 2007, 151, 153. 8 Vgl. dazu BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX.
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dendem Maße von der Überschaubarkeit des Wahlgeschehens ab.9 Maßgeblich ist damit insbesondere die Zahl der am Wahlverfahren beteiligten Personen. Hinsichtlich des aktiven Wahlrechts kommt es jedoch nicht auf die Dauerhaftigkeit der Beschäftigung an. Vielmehr sind auch solche Personen zur Wahlteilnahme berechtigt, die nur vorübergehend beschäftigt werden.10 Damit ist für die Überschaubarkeit des Wahlgeschehens auch die Zahl der nur vorübergehend Beschäftigten entscheidend. Folglich ist es konsequent, insoweit auf ein von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX abweichendes Schwellenwertsubjekt abzustellen. b) Eingeschränkte Eignung des gewählten Schwellenwertsubjekts Zu beachten ist jedoch, dass eine ausschließliche Anknüpfung an die Zahl der aktiv Wahlberechtigten keineswegs gewährleistet, dass die vereinfachte Wahl tatsächlich in überschaubaren Bahnen abläuft. Der Kreis der aktiv Wahlberechtigten ist nämlich nur in geringem Umfang mit dem Kreis der potentiellen Wahlbewerber identisch, weil das passive Wahlrecht nicht voraussetzt, dass der Kandidat selbst schwerbehindert ist.11 Folglich kommen als Wahlbewerber theoretisch fast12 sämtliche Arbeitnehmer eines Betriebs in Betracht. Dies führt dazu, dass in einem Betrieb mit 49 schwerbehinderten Beschäftigten, der die Schwerbehindertenbeschäftigungsquote i. H. v. 5% voll erfüllt, von fast 1000 passiv Wahlberechtigten auszugehen ist. Liegt die Beschäftigungsquote – wie dies in der Praxis der Regelfall ist13 – noch unterhalb von 5%, ist die Anzahl der potentiellen Wahlbewerber noch ungleich höher. Anders als im Rahmen des vereinfachten Verfahrens bei der Betriebsratswahl kann es somit passieren, dass der begrenzten Zahl aktiv Wahlberechtigter eine ungleich größere Anzahl potentieller Wahlbewerber gegenübersteht. Von „überschaubaren betrieblichen Verhältnissen“ kann in derartigen Betrieben nur noch bedingt gesprochen werden. In aller Regel dürfte zwar davon auszugehen sein, dass sich nur wenige passiv Wahlberechtigte finden werden, die zur Übernahme des Amtes bereit sind, so dass die Zahl der tatsächlich für das Wahlgeschehen relevanten Personen begrenzt bleibt. Gleichwohl kann in solch großen Betrieben in der Regel nicht mehr davon ausgegangen werden, dass den Wahlberechtigten alle im Betrieb täti-
9 LAG Baden-Württemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 241; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 106. Vgl. auch Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 38. 10 Siehe dazu ausführlich oben § 3 IV. 4. 11 Siehe dazu oben § 4 II. 6. 12 Einschränkungen ergeben sich aus § 94 Abs. 3 Satz 2 i.V. m. § 8 BetrVG. 13 Vgl. Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drs. 16/13829, S. 5, in dem – bezogen auf das Jahr 2006 – eine tatsächliche Quotenerfüllung von 4,3% in der Privatwirtschaft als positiver Anstieg gewertet wird.
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gen Arbeitnehmer namentlich oder gar persönlich bekannt sind. Das führt aber mittelbar zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten im Hinblick auf die im vereinfachten Wahlverfahren zeitlich geraffte Aufstellung von Wahlvorschlägen.14 Daher erscheint die in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX gewählte Anknüpfung an das aktive Wahlrecht als nur bedingt geeignet, die Anwendung des entformalisierten, vereinfachten Wahlverfahrens auf überschaubare betriebliche Verhältnisse zu begrenzen. Eine Eindämmung dieses Problem ließe sich jedoch nur durch eine unmittelbare Herabsetzung des Grenzwertes oder eine Ausrichtung des Schwellenwertes an den passiv Wahlberechtigten erreichen. Beide Lösungswege bedürften jedoch einer Anpassung des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX durch den Gesetzgeber. Damit sind die Fragen, inwieweit eine solche Eindämmung erforderlich erscheint oder ob die auftretenden Schwierigkeiten hinzunehmen sind, nicht auf juristischer, sondern politischer Ebene zu klären. Bis zu einer gesetzgeberischen Änderung bleibt es daher bei der ausschließlichen Anknüpfung des Schwellenwerts an die aktive Wahlberechtigung. c) Inflexibilität des Schwellenwerts Auffällig an diesem Schwellenwert ist auch, dass er dem Wortlaut nach ebenfalls stichtagsbezogen15 an eine fixe Personenzahl anknüpft und somit schwankungsanfällig ist. Anders als etwa der in § 14a BetrVG zu findende Schwellenwert für das vereinfachte Betriebsratswahlverfahren stellt die Norm nämlich nicht auf die Zahl der „in der Regel“ beschäftigten Wahlberechtigten ab. Dementsprechend wird der mit der Entscheidung über das durchzuführende Wahlverfahren betrauten Person keinerlei prognostischer Beurteilungsspielraum eingeräumt.16 Folglich ergibt sich insbesondere in Grenzfällen das Risiko, dass bei der Entscheidung über das Wahlverfahren von einer Personenzahl ausgegangen wird, die nicht mit der Zahl der am Stichtag Wahlberechtigten identisch ist. Nach den hier vertretenen Auffassungen zum maßgeblichen Stichtag17 und zur Beschränkung der Schwellenwertbetrachtung auf die „sichtbaren“ Wahlberechtigten18 kann sich dieses Risiko jedoch in der Regel nur bei bewussten Fehlinformationen realisieren. Eine solche ist jedoch als Wahlbehinderung untersagt. Folglich ergeben sich aus der Inflexibilität des Schwellenwerts keine maßgeblichen negativen Folgen für die Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren. 14
Siehe dazu unten § 8 II. 5. d) ee). Siehe dazu auch oben § 3 V. 16 Vgl. zu dem im Rahmen des § 14a BetrVG für den Wahlvorstand bestehenden Spielraum: Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14a Rn. 2; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 14a Rn. 1; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14a Rn. 2. 17 Siehe dazu unten § 5 III. 3. d). 18 Siehe dazu sogleich § 5 II. 1. d). 15
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d) „Sichtbarkeit“ der Schwellenwertsubjekte Über die Wahlberechtigung wird hinsichtlich der Schwellenwertsubjekte auch an deren Schwerbehindertenstatus angeknüpft. Bei rein objektiver Betrachtungsweise können sich hierdurch Schwierigkeiten bei der korrekten Ermittlung der maßgeblichen Personenzahl ergeben. Diese sollen im Folgenden zunächst dargestellt und anschließend Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. aa) Schwierigkeiten einer rein objektiven Betrachtungsweise Ebenso wie in § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX kommt es für den Schwerbehindertenstatus grundsätzlich allein auf das Vorliegen der in § 2 Abs. 2 SGB IX genannten Voraussetzungen und nicht auf deren behördliche Anerkennung an.19 Im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX müssten daher bei rein objektiver Betrachtung auch solche Personen berücksichtigt werden, die ihren Schwerbehindertenstatus bisher im Betrieb geheim gehalten haben oder diese nie offiziell haben feststellen lassen. (1) Eingeschränkte Erkennbarkeit des Schwellenwertsubjektcharakters Soweit nicht gerade eine für jedermann erkennbare, offensichtliche Schwerbehinderung vorliegt, dürften derartige Personen in der betrieblichen Praxis jedoch kaum als solche identifizierbar sein.20 Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen wird nämlich gefolgert, dass ein schwerbehinderter Mensch jedenfalls nicht generell verpflichtet ist, seinem Arbeitgeber das Vorliegen einer Schwerbehinderung zu offenbaren.21 In einem Betrieb können also ohne weiteres schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden, ohne dass deren Schwerbehinderteneigenschaft im Betrieb bekannt oder erkennbar ist. (2) Konsequenzen für einen rein objektiven Schwellenwert Ohne Offenbarung ihres Status können sich solche „nicht sichtbaren“ Schwerbehinderten grundsätzlich nicht auf die zu ihren Gunsten bestehenden Schutz19
Siehe dazu oben § 3 IV. 2. a) cc). Selbst das Integrationsamt hätte in diesem Fall keine Kenntnis vom Schwerbehindertenstatus derartiger Personen. 21 Vgl. LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Großmann, NZA 1989, 702, 707 ff.; Schulz, Berücksichtigung schwerbehinderter Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl, S. 104 ff., m.w. N. Vgl. zur Offenbarungspflicht bei konkreter Beeinträchtigung der Leistungserbringung BAG vom 01.08.1985, 2 AZR 101/83, AP Nr. 30 zu § 123 BGB; Großmann, NZA 1989, 702, 704 f.; Joussen, NZA 2007, 174, 175; Lampe, Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer, Rn. 44; Trenk–Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 85 Rn. 36. 20
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und Privilegierungsvorschriften berufen. Insbesondere können sie auch ihre im Zusammenhang mit der Wahl bestehenden Rechte nicht ausüben. Gleichwohl handelt es sich bei ihnen objektiv betrachtet um schwerbehinderte Menschen i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX. Auch diese müssten somit bei rein objektiver Betrachtungsweise im Rahmen des Schwellenwerts berücksichtigt werden, obwohl sie selbst für eine mit den betrieblichen Verhältnissen gut vertraute Person nicht generell als schwerbehinderte Menschen zu identifizieren wären. Dies ist im Hinblick auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX insoweit besonders problematisch, als dort nicht nur eine Mindestzahl für das förmliche, sondern zugleich auch eine Höchstzahl für das vereinfachte Wahlverfahren festgelegt ist. Anders als bei § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX22 würde die unterbliebene Berücksichtigung „nicht sichtbarer“ Schwerbehinderter im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX mitunter schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Soweit nämlich dadurch der Schwellenwert objektiv überschritten würde, wäre die somit im falschen Verfahren durchgeführte Wahl anfechtbar.23 Unabhängig davon ist zu bedenken, dass auch im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung der Schwellenwerterreichung nie mit endgültiger Sicherheit festgestellt werden könnte, ob nicht objektiv noch weitere, lediglich nicht als solche erkennbare Schwerbehinderte im Betrieb beschäftigt sind. (3) Ungeeignetheit einer rein objektiven Betrachtungsweise Jede im vereinfachten Verfahren durchgeführte Wahl stünde daher latent unter dem Risiko, dass im Betrieb noch weitere, bisher nicht „sichtbare“ Schwerbehinderte beschäftigt sind, die im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX Berücksichtigung hätten finden müssen. Bei einem rein objektiven Betrachtungsmaßstab wäre die Schwellenwertregelung des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX somit nicht rechtssicher handhabbar, sondern stets mit einem gewissen, in praktischer Hinsicht nicht unbedeutenden Unwägbarkeitsrisiko verbunden. Gerade diese latente Anfechtbarkeit der Wahl stünde jedoch im Widerspruch zum Grundsatz der ob22 Nicht vermeidbar ist dagegen, dass eine Schwerbehindertenvertretungswahl unterbleibt, weil infolge der fehlenden „Sichtbarkeit“ nicht bekannt ist, dass der Schwellenwert des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erreicht ist. Allerdings können sich diejenigen Schwerbehinderten, die ihren Status geheim halten auch nicht auf die gegenüber Schwerbehinderten eingeräumten Rechte berufen und damit auch keine spezifische Interessenvertretung für sich in Anspruch nehmen. Daher beschränkt sich das Vertretungsbedürfnis auch auf die „bekannten“ Schwerbehinderten, deren Anzahl jedoch nicht ausreicht, um eine eigenständige Interessenvertretung zu rechtfertigen. Sobald jedoch bisher nicht als solche erkennbare Schwerbehinderte ihren Status offenbaren, kann dann auch außerhalb der regelmäßigen Wahlzeiträume eine Wahl durchgeführt werden. 23 Vgl. BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 250; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 113; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 2.
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ligatorischen Vertretung. Vor diesem Hintergrund erscheint ein rein objektives Verständnis des Schwellenwerts als Tatbestandsvoraussetzung einer für die Wahldurchführung mit weitreichenden Folgen verbundenen Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren nicht geeignet. bb) Subjektive Betrachtung anhand der „Sichtbarkeit“ Angesichts der Ungeeignetheit eines rein objektiven Verständnisses des Schwellenwerts erscheint es nötig, stattdessen auf einen verlässlich ermittelbaren und gerichtlich überprüfbaren Personenkreis abzustellen. Erforderlich ist daher ein subjektiver Schwellenwert, bei dem nur solche schwerbehinderten Wahlberechtigten erfasst werden, deren Schwerbehindertenstatus im Betrieb „sichtbar“ ist. Eine solche „Sichtbarkeit“ ist jedoch nur gegeben, wenn die Schwerbehinderung entweder für jedermann offenkundig oder gegenüber dem Arbeitgeber offiziell bekannt gegeben worden ist. Nicht erfasst werden dagegen solche Beschäftigten, die ihren Schwerbehindertenstatus entweder überhaupt nicht oder nur auf Grund der Verschwiegenheitspflicht des betreffenden Organ offenbart haben.24 Bei dieser subjektiven Betrachtung bleiben folglich diejenigen Schwerbehinderten unberücksichtigt, die gerade nicht wollen, dass der Arbeitgeber von ihrer Schwerbehinderteneigenschaft erfährt. Dies könnte natürlich dazu führen, dass bei der Wahl mehr Wahlberechtigte auftreten, als im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX berücksichtigt wurden. Allerdings dürfte in aller Regel davon auszugehen sein, dass Beschäftigte, die ihren Schwerbehindertenstatus bisher bewusst geheim gehalten haben, auch die Wahl nicht zum Anlass nehmen werden, ihren Status nunmehr bekannt werden zu lassen. Zudem sind nach der hier vertretenen Auffassung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Schwellenwerterreichung spätere Änderungen der Beschäftigtenzahlen unbeachtlich.25 Ein subjektives Verständnis des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX trägt damit einerseits dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung hinreichend Rechnung und genügt andererseits auch der Zielsetzung des Schwellenwerts. Ein subjektiver Betrachtungswinkel ist daher einer rein objektiven Beurteilung des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX vorzugswürdig.
24 Müsste Sonderwissen hingegen berücksichtigt werden, wäre der Wahlinitiant ggf. gezwungen, anstelle des aus Arbeitgebersicht gebotenen vereinfachten ein förmliches Wahlverfahren einzuleiten. Damit würde aber eine gerichtliche Überprüfung dieser Verfahrensentscheidung provoziert und in deren Verlauf der Schwerbehindertenstatus der betreffenden Personen offenbart werden müsste. Dies wäre jedoch weder mit dem Persönlichkeitsrecht dieser Beschäftigten noch mit Sinn und Zweck der Verschwiegenheitsregelungen vereinbar. 25 Siehe dazu unten § 5 III. 3. c) und d).
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cc) Rückgriff auf das Schwerbehindertenverzeichnis des Arbeitgebers Für die Feststellung des anzuwendenden Verfahrens ist daher nur auf diejenigen schwerbehinderten Beschäftigten abzustellen, deren Schwerbehindertenstatus im oben dargestellten Sinne „sichtbar“ ist. Bei der Ermittlung der maßgeblichen Personenzahl bietet sich ein Rückgriff auf das Schwerbehindertenverzeichnis nach § 80 Abs. 1 SGB IX an.26 Dieses gewährt einen grundsätzlich validen und tagesaktuellen27 Überblick hinsichtlich der im Betrieb offiziell bekannten Schwerbehinderten. Damit vermittelt das Verzeichnis eine verlässliche Datenbasis für die Wahlverfahrensentscheidung und kann somit als Grundlage der Prüfung des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX herangezogen werden. Etwaiges einer Verschwiegenheitspflicht unterliegendes Sonderwissen des Wahlinitianten hat bei der Prüfung dagegen unberücksichtigt zu bleiben. 2. Räumliche Nähe der Betriebsteile Neben der Erfüllung des Schwellenwertes verlangt § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX für die Anwendbarkeit des vereinfachten Wahlverfahrens, dass der Betrieb nicht aus räumlich weit auseinander liegenden Teilen besteht. Angesichts der in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX niedergelegten Verweisung auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ist hier von einem mit § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX deckungsgleichen Betriebsbegriff28 auszugehen.29 a) Betriebsteile Das in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX verlangte räumliche Näheverhältnis bezieht sich jedoch nicht auf den Betrieb als solches, sondern auf die ihm zugehörigen (Betriebs-)Teile. Eigenständige Bedeutung erlangt dieses Kriterium damit in der Regel nur in solchen Betrieben, die überhaupt aus verschiedenen Betriebsteilen bestehen. Liegt dagegen nur ein einheitlicher Betrieb vor, der nicht in mehrere Betriebsteile untergliedert ist, läuft das Kriterium ins Leere. Damit ist eine nähere Prüfung des Kriteriums des räumlichen Näheverhältnisses generell nur erforderlich, soweit der Betrieb überhaupt aus verschiedenen Betriebsteilen besteht. Was unter einem Betriebsteil zu verstehen ist, ergibt sich grundsätzlich aus dem Begriffsverständnis des Betriebsverfassungsrechts.30 Danach sind Betriebs26
So wohl auch Friedrich, dbr 9/2006, 37, 37. Siehe zur Verlässlichkeit des Verzeichnisses oben § 4 II. 1. b). 28 Siehe dazu bereits ausführlich § 3 II. und III. 29 Vgl. auch LAG Baden-Württemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02. 30 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 13 und 15; Kamm/Feldes, AiB 2002, 603; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 38. 27
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teile auf den Zweck des Betriebs ausgerichtete und in die Gesamtorganisation des Betriebs eingegliederte Betriebsbereiche, die organisatorisch oder räumlich abgrenzbar und relativ verselbstständigt sind.31 Existieren mehrere derartige Betriebsteile oder zusammengefasste Betriebe, muss das Vorliegen des räumlichen Näheverhältnisses i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX für jeden Betriebsteil separat beurteilt werden. Entgegen dem insoweit irreführenden Wortlaut bedeutet dies jedoch nicht, dass für die betreffenden Betriebsteile immer jeweils auch die Entfernung zu sämtlichen anderen Betriebsteilen überprüft werden müsste. Nach der hier vertretenen wahlversammlungsorientierten Auslegung ist vielmehr nur zu prüfen, wie weit der jeweilige Betriebsteil von dem Betriebsteil entfernt ist, in dem die Wahlversammlung stattfinden soll.32 b) Zusammengefasste Betriebe Einen Sonderfall bilden solche Wahlbezirke, bei denen eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX erfolgt ist. Dem Wortlaut nach ist zwischen mehreren zusammenfassten Betrieb nämlich kein räumliches Näheverhältnis i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX erforderlich. Auf ersten Blick scheint dies angesichts der Zusammenfassungsvoraussetzungen auch nicht geboten. Insbesondere das in § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX enthaltene Kriterium „räumlich nahe liegend“ erweckt den Anschein, dass eine Prüfung des in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX verlangten Näheverhältnisses im Hinblick auf zusammengefasste Betriebe nicht erforderlich wäre. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass den Normen unterschiedliche Regelungszwecke zugrunde liegen.33 Damit ist deren Verständnis nicht zwangsläufig identisch. Unter teleologischen Gesichtspunkten ist daher im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auch in Bezug auf zusammengefasste, nicht aus mehreren Betriebsteilen bestehenden Betrieben eine Prüfung des räumlichen Näheverhältnisses erforderlich. c) Räumlich weit auseinander liegend Wann Betriebsteile räumlich weit auseinander liegen, wird im SGB IX nicht näher definiert. Es handelt es sich daher insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff,34 dessen Auslegung im Einzelnen umstritten ist. 31 BAG vom 12.08.2008, 9 AZR 620/07, NZA-RR 2009, 430, 435; BAG vom 21.07.2004, 7 ABR 57/03, AP Nr. 15 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 19.02.2002, 1 ABR 26/01, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 28.06.1995, 7 ABR 59/94, AP Nr. 8 zu § 4 BetrVG 1972; BAG vom 25.09.1986, 6 ABR 68/84, AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 4 Rn. 2; Trümner, in: Däubler, BetrVG, § 4 Rn. 42. 32 Siehe dazu ausführlich unten § 5 II. 2. c) dd). 33 Siehe dazu sogleich § 5 II. 2. c) bb).
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Einigkeit besteht lediglich insoweit, als für die Bestimmung des erforderlichen räumlichen Näheverhältnisses keine festen Entfernungszahlen maßgeblich sein können, sondern auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzustellen ist.35 Umstritten ist dagegen, ob bei dieser Beurteilung auf Rechtsprechung und Literatur zu anderen, ähnlich strukturierten Vorschriften zurückgegriffen werden kann. aa) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG In der Literatur wurde in der Vergangenheit zum Teil die Auffassung vertreten, im Rahmen der Auslegung des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX könne auf die zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze und Maßstäbe zurückgegriffen werden.36 Hierbei wurde jedoch verkannt, dass die beiden Vorschriften nicht nur einen divergierenden Wortlaut aufweisen, sondern auch unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen.37 Inzwischen wurde diese Auffassung von den bisherigen Vertretern weitgehend38 aufgegeben.39 Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage kann daher unterbleiben. bb) § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX Teilweise werden in der Literatur die zu § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX entwickelten Grundsätze und Maßstäbe entsprechend herangezogen.40 Im Unterschied 34 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 109; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 38. 35 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG BadenWürttemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02; Heuser, BehR 1990, 25, 25 f.; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 109; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 42; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 38. 36 Vgl. dazu Adlhoch, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 18; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 18 Anm. 3 a). 37 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG BadenWürttemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 110. 38 Unklar insoweit Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31, der nach wie vor darauf abstellt, ob eine interessengerechte Arbeit der Vertretungsorgane möglich ist und damit Argumentationen heranzieht, die primär auf die Größe des Wahlbezirks ausgerichtet sind. 39 So ausdrücklich: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76. 40 In dieser Richtung wohl Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31, der insoweit auf die Möglichkeit der „sinnvollen, interessengerechten Arbeit der Vertretungsorgane“ abstellt. Früher auch noch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, Lief. 2/ 08, Stand: März 2008, § 94 Rn. 181, der diese Ansicht jedoch mit der Lieferung 02/09 (Stand: Sept. 2009) inzwischen wegen des abweichenden Wortlauts und der unterschiedlichen aufgegeben hat und einen Rückgriff nunmehr explizit ablehnt (Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 240). Unklar: Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 31a, der das für das vereinfachte Wahlverfahren geltende Kriterium der räumlichen Nähe innerhalb der Kommentierung zur Zusammenfassung von Betrieben erläutert.
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zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG findet sich in dieser Vorschrift ein weitgehend gleichartiger Wortlaut.41 Zwar ist einerseits von „räumlich nahe liegend“ und anderseits von „räumlich weit auseinander liegend“ die Rede, jedoch lässt sich diese sprachliche Divergenz mit der gegensätzlichen Ausrichtung der in den beiden Normen etablierten Voraussetzungen begründen. Sie ist damit kein zwingendes Indiz gegen eine Heranziehung des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX.42 Allerdings ist auch diese Norm auf einen anderen Regelungszweck ausgerichtet als § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX. Die Vorschrift des § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zielt auf eine von der gesetzlichen Grundregel abweichende Wahlbezirks- und Vertretungsstruktur ab. Dementsprechend ist für das Verständnis der dahingehend erforderlichen räumlichen Nähe maßgeblich, dass auch trotz der abweichenden Struktur die Arbeitsfähigkeit und persönliche Erreichbarkeit der gewählten Interessenvertretung gewährleistet bleibt.43 Im Unterschied dazu ist das Erfordernis der räumlichen Nähe in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX von einem anderen Leitbild geprägt. Zielrichtung ist dabei sicherzustellen, dass nur in solchen Betrieben ein vereinfachtes Wahlverfahren durchgeführt wird, in denen die für das förmliche Verfahren niedergelegten Wahlgrundsätze auch ohne formalisiertes Wahlprozedere gewährleistet sind.44 Die Regelungszwecke der beiden Vorschriften sind somit nicht deckungsgleich. Dementsprechend sind auch die zu § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX entwickelten Grundsätze und Maßstäbe unter anderen Prämissen entstanden. Ein uneingeschränkter Rückgriff auf die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung und Literatur ist deshalb nicht möglich.45 cc) Informationsflussorientierte Auslegung Inzwischen gehen Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon aus, dass dem in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX verlangten räumlichen Näheverhältnis ein eigenständiges, von anderen Normen unabhängiges Verständnis zugrunde gelegt werden muss.46 Insoweit wird verbreitet die Auffassung vertreten, bei der Ausle41
Vgl. dazu Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 11. Strenger inzwischen Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 240. 43 Im Hinblick auf § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 85; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 10. Siehe dazu auch oben § 3 III. 1. a) aa). 44 Vgl. dazu LAG Baden-Württemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143. 45 So inzwischen Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 240. Zum Ausschluss eines Rückgriffs bei unterschiedlicher Zwecksetzung am Beispiel des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG: Vgl. BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG Baden-Württemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02. 46 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG BadenWürttemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 110. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 240 f. 42
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gung des Kriteriums ginge es um die Bewertung, ob trotz des Auseinanderfallens der Betriebsgemeinschaft die Informationsflüsse zwischen den Wahlberechtigten noch hinreichend gewährleistet seien. Maßgeblich sei insbesondere, dass die Wahlberechtigten die ansonsten im förmlichen Wahlverfahren vermittelten Kenntnisse über die Wahlbewerber erlangen könnten und trotz der erheblich kürzeren Vorbereitungszeit eine Verständigung der Wahlberechtigten über Art und Inhalt der Wahl möglich bliebe.47 Ein auf die wahlbezogenen Informationsflüsse ausgerichteter Auslegungsansatz erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar und sachgerecht. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass ein so ausgerichtetes Verständnis des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX nur in bedingtem Maße dem Sinn und Zweck des verlangten räumlichen Näheverhältnisses Rechnung zu tragen geeignet ist. (1) Verständigung über Art und Inhalt der Wahl Die Vertreter der informationsflussorientierten Auslegung heben in ihren Ausführungen unter anderem auf eine Verständigung der Wahlberechtigten über Art und Inhalt der Wahl ab.48 Hierbei legen sie jedoch nicht näher dar, worauf sich diese Verständigung im Detail beziehen soll und inwieweit eine solche überhaupt zur Durchführung der Wahl erforderlich ist. Am naheliegendsten erscheint es, dass sich die für erforderlich gehaltene „Verständigung [. . .] über Art und Inhalt der Wahl“ auf die informatorischen Defizite der Wahlberechtigten bezieht, die aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Wahlverfahren resultieren. Verminderte Kenntnisstände der Wahlberechtigten ergeben sich im vereinfachten Verfahren vornehmlich aus dem dortigen Verzicht auf ein Wahlausschreiben. Von den inhaltlichen Vorgaben des § 5 SchwbVWO ausgehend, zeigen sich Unterschiede vor allem in der Kenntnis über die Wahlvorschlagsberechtigung, die Voraussetzungen der Wählbarkeit und die Durchführung von Stellvertreterwahlen. Insoweit bestehen für die Wahlberechtigten im vereinfachten Wahlverfahren bis zum Wahltag nicht unerhebliche Wissensdefizite, die durchaus Verständigungsbedarf auslösen können. Diesbezügliche Diskussionen oder Gespräche sind sicherlich auch in solchen Betrieben einfacher zu führen, die sich nicht in mehrere Betriebsteile untergliedern oder deren Betriebsteile 47 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG Köln vom 19.10.2011, 3 TaBV 51/11; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 241; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 111; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 38. In dieser Richtung auch LAG Baden-Württemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02, das auf „im Betrieb ablaufende Meinungsbildungsprozesse“ abhebt. Ähnlich auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76 und Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143. 48 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG Köln vom 19.10.2011, 3 TaBV 51/11; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 241.
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räumlich nah beieinander liegen. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass diese Besprechungs- und Diskussionsmöglichkeiten zwischen den Wahlberechtigten zur indirekten Voraussetzung für die Anwendbarkeit des vereinfachten Wahlverfahrens erhoben werden könnten. Derartige Gespräche zwischen den Wahlberechtigten über Art und Inhalt der Wahl sind nämlich nicht davor gefeit, auf falschen oder irreführenden Informationen zu basieren oder diese erst entstehen zu lassen. Schon aus diesem Grunde besitzen solche „Verständigungen“ zwischen den Wahlberechtigten keinerlei verbindlichen Charakter. Für die Durchführung der Wahl im vereinfachten Verfahren sind vielmehr ausschließlich die von den Wahlinitianten und der Wahlleitung ausgehenden „offiziellen“ Informationen von Bedeutung. Dementsprechend kann die Möglichkeit unverbindlicher, informeller Gespräche und Verständigungen zwischen den Wahlberechtigten keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Auslegung des räumlichen Näheverhältnisses i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX bieten. (2) Kenntnisse über die Wahlbewerber Die Vertreter der informationsflussorientierten Auslegung stellen daneben darauf ab, ob trotz räumlicher Trennung gewährleistet ist, dass die Wahlberechtigten die sonst im förmlichen Wahlverfahren vermittelten Informationen über Wahlbewerber erlangen können.49 Im Folgenden soll daher untersucht werden, inwieweit sich aus den Verfahrensregelungen tatsächlich Informationsunterschiede ergeben. Zudem soll geklärt werden, ob diese ggf. geeignet sind, die informationsflussorientierte Auslegung zu begründen. (a) Inhaltliche Unterschiede Ginge man vom reinen Wortlaut der Wahlvorschriften aus, müsste nur im förmlichen Wahlverfahren eine Bekanntgabe der Namen der Wahlbewerber erfolgen. Im vereinfachten Wahlverfahren findet allerdings ebenfalls eine zwar nur mittelbar vorgesehene, aber gleichsam zwingende Bekanntgabe der Namen der Kandidaten statt.50 Soweit es zur sicheren Identifizierbarkeit erforderlich ist, sind darüber hinaus in beiden Verfahren auch Geburtdaten oder ggf. die beschäftigenden Betriebe bekannt zu geben. Eine Bekanntgabe der Beschäftigungsart ist dabei jeweils empfehlenswert, aber nicht obligatorisch.51 49 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG Köln vom 19.10.2011, 3 TaBV 51/11; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 241; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 111; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 38. In dieser Richtung teilweise auch Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, WO, § 18 Rn. 4. 50 Siehe dazu § 8 II. 5. f). 51 Siehe auch dazu § 8 II. 5. f).
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Dementsprechend zeigen sich zwischen vereinfachtem und förmlichem Wahlverfahren keine inhaltlichen Unterschiede über die wahlbewerberbezogenen Informationen. Dieser Gesichtspunkt kann daher auch nicht Grundlage einer Differenzierung nach der Entfernung zwischen verschiedenen Betriebsteilen sein. (b) Zeitliche Unterschiede Betrachtet man allerdings den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Angaben über die sich zur Wahl stellenden Kandidaten, lassen sich durchaus Unterschiede zwischen den beiden Wahlverfahren ausmachen. Im förmlichen Wahlverfahren sind die im Vorfeld der Wahl schriftlich eingereichten Wahlvorschläge gemäß § 8 SchwbVWO spätestens eine Woche vor der Stimmabgabe in geeigneter Weise bekannt zu geben. Im vereinfachten Wahlverfahren ist dagegen eine formlose Unterbreitung von Wahlvorschlägen noch innerhalb der Wahlversammlung möglich.52 Dementsprechend erlangen die Wahlberechtigten im Rahmen des vereinfachten Verfahrens mitunter erst kurze Zeit vor der Stimmabgabe Kenntnis von den als Wahlbewerber auftretenden Personen. Dadurch wird den Wahlberechtigten mitunter die Chance genommen, sich bereits im Vorfeld intensiver über die zur Wahl antretenden Kandidaten zu informieren und Recherchen über dessen Eignung für das Amt durchzuführen. Von dieser sich aus der kurzfristigen Aufstellung der Wahlbewerber ergebenen Beschränkung der Informationssammlungsmöglichkeiten sind jedoch sämtliche Wahlberechtigten gleichermaßen betroffen. Für die in der Wahlversammlung anwesenden schwerbehinderten Menschen ergibt sich insoweit kein Unterschied, ob sie aus einem in direkter Nähe befindlichen Betriebsteil stammen oder in einem räumlich weit entfernten Betriebsteil beschäftigt sind. Vielmehr bietet das vereinfachte Wahlverfahren durch die gemeinsame Wahlversammlung sogar zusätzliche Möglichkeiten der persönlichen Verständigung und Diskussion zwischen den Wahlberechtigten. Gerade für Beschäftigten räumlich weit entfernter Betriebteile bringt das vereinfachte Verfahren somit sogar deutliche Erleichterungen für eine wahlbewerberbezogene Kommunikation. Die zeitliche Beschränkung der Möglichkeit der Informationensammlung ist damit kaum geeignet, eine auf unzureichende Informationsflüsse bezogene Auslegung zu rechtfertigen. (c) Mittelbare Unterschiede Geht man von der Annahme aus, dass mit steigender Entfernung zwischen einzelnen Betriebsteilen die Kenntnis über die in den jeweils anderen Betriebsteilen beschäftigten Personen abnimmt, lassen sich daraus mittelbare Unterschiede in 52 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 106; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 4.
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der Kenntnis über die Wahlbewerber ableiten. Insbesondere dürfte anzunehmen sein, dass die Chancen, dass ein in der Wahlversammlung vorgeschlagener Kandidat in anderen Betriebsteilen bekannt ist, umso geringer ausfallen, je weiter die Betriebsteile auseinander liegen. Vor diesem Hintergrund erschiene es denkbar, das vereinfachte Wahlverfahren daran zu koppeln, dass die Beschäftigten trotz der räumlichen Entfernung in der Lage sein müssen, Kenntnis über die potentiellen Wahlbewerber zu besitzen. Ein solches Verständnis der räumlichen Nähe in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX würde jedoch zu nicht unbedeutenden Wertungswidersprüchen führen. Wie bereits dargelegt, kann auch in solchen Betrieben das vereinfachte Verfahren durchzuführen sein, in denen eine Vielzahl passiv wählbarer Personen beschäftigt ist.53 Im Fall solcher schwer „überschaubaren betrieblichen Verhältnisse“ kann jedoch in der Regel nicht mehr davon ausgegangen werden, dass den Wahlberechtigten sämtliche im Betrieb tätigen Arbeitnehmer und damit alle potentiellen Wahlbewerber bekannt sind. Dieser fehlende persönliche Bezug zwischen den Wahlberechtigten und den potentiellen Wahlbewerbern besteht in derartigen Betrieben jedoch völlig unabhängig davon, ob der Betrieb aus räumlich nahe oder weit auseinander liegenden Betriebsteilen besteht. Würde man nunmehr für das räumliche Näheverhältnis verlangen, dass trotz der Entfernung ein persönlicher Bezug zu den potentiellen Wahlbewerber bestehen kann, würde man diesem Gesichtspunkt eine Bedeutung beimessen, obwohl dieser im Rahmen des Schwellenwerts gerade nicht maßgeblich ist. Eine solche divergierende Relevanz des persönlichen Bezugs zu den Kandidaten wäre jedoch weder systematisch nachvollziehbar noch durch einen rechtfertigenden Grund getragen. Die informationsflussorientierte Auslegung lässt sich somit auch nicht auf die mittelbar eintretenden Unterschiede stützen. (d) Unterschiede bei der Freiwilligensuche Unterschiede im Hinblick auf die wahlbewerberbezogene Kenntnisse können sich jedoch in einem den Wahlvorschlägen deutlich vorgelagerten Stadium ergeben. Auch im vereinfachten Verfahren ist für einen Wahlvorschlag in formeller Hinsicht ein Einverständnis des Kandidaten mit der Aufstellung als Wahlbewerber erforderlich.54 In der Regel ist es daher sinnvoll, dass sich die Wahlberechtigten bereits im Vorfeld der Wahlversammlung mit den ins Auge gefassten Kandidaten in Verbindung setzen und deren Bereitschaft zur Übernahme des jeweiligen Amtes abklären.55 Dies setzt selbstverständlich die Möglichkeit einer Kontakt53
Siehe dazu oben § 5 II. 1. b). Siehe dazu unten § 8 II. 5. d) ee) (1). 55 Dies ist insbesondere erforderlich, wenn als Wahlbewerber ein nicht schwerbehinderter Beschäftigter als Kandidat vorschlagen werden soll. 54
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aufnahme voraus. Eine persönliche Kontaktaufnahme zwischen den Wahlvorschlagsberechtigten und den ins Auge gefassten Kandidaten wird jedoch dann erschwert, wenn der Betrieb aus räumlich weit entfernten Betriebsteilen besteht. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass allein zur Abklärung dieser Bereitschaft eine persönliche Kontaktaufnahme nicht zwingend erforderlich ist. Vielmehr lässt sich die Bereitschaft ohne weiteres auch auf telefonischem oder elektronischem Wege klären. Zwar mag ein persönliches Gespräch die Chancen auf die Bereitschaft erhöhen, jedoch kann allein diese theoretische Möglichkeit der Bereitschaftssteigerung nicht für die Auslegung des Kriteriums der räumlichen Nähe maßgeblich sein. (e) Schlussfolgerungen Im Rahmen der Auslegung des Kriteriums der räumlichen Nähe i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX kommt der Gewährleistung von wahlbezogenen Informationsflüssen somit keine tragende Bedeutung zu. Wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird, sind stattdessen andere Gesichtspunkte ausschlaggebend. Daher kann die informationsflussorientierte Auslegung im Hinblick auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX nicht maßgeblich sein. dd) Wahlversammlungsbezogene Auslegung Teilweise wurde in der Literatur auch die Ansicht vertreten, bei der Beurteilung der räumlichen Nähe i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX sei auf die Erreichbarkeit der Wahlversammlung abzustellen.56 Allerdings lassen die diesbezüglichen Ausführungen jegliche Begründung der vertretenen Auffassung vermissen. Gleichwohl zeigt sich bei näherer Untersuchung, dass dieser Ansatz am besten geeignet ist, dem Sinn und Zweck dieses Kriteriums Rechnung zu tragen. (1) Sinn und Zweck des Kriteriums der räumlichen Nähe Wie bereits dargelegt, zielt § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX darauf ab, das vereinfachte Wahlverfahren auf solche Betriebe zu beschränken, in denen ein Verzicht auf ein formalisiertes Wahlverfahren ohne Nachteile möglich erscheint.57 Das vorliegend zu untersuchende Kriterium soll dabei ausschließen, dass sich die Unterschiede der beiden Wahlverfahren gerade durch die räumliche Entfernung negativ auswirken. Ausgangspunkt einer am Regelungszweck orientierten Aus-
56 Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 29; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, WO, § 18 Rn. 4. 57 Vgl. dazu LAG Baden-Württemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02; Endres, Schwellenwertregelungen im Arbeitsrecht, S. 143.
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legung müssen daher zunächst die zwischen beiden Wahlverfahren bestehenden Divergenzen in der Ausgestaltung des Wahlprozederes sein. (2) Essentielle Bedeutung der Teilnahme an der Wahlversammlung Im Rahmen eines Vergleichs wird deutlich, dass sich die Unterschiede zwischen den Verfahren im Wesentlichen darauf zurückführen lassen, dass in den §§ 18 – 21 SchwbVWO die Wahldurchführung auf die Wahlversammlung gebündelt wurde. Die Wahlversammlung erlangt durch diese zeitliche wie räumliche Konzentrierung einen besonders hohen Stellenwert. Infolgedessen ist es im vereinfachten Wahlverfahren von essentieller Bedeutung, dass alle Wahlberechtigten gleichermaßen und in zumutbarer Weise die Möglichkeit haben, an der Wahlversammlung teilzunehmen. Anderenfalls ließen sich die für die Schwerbehindertenvertretungswahl geltenden Grundsätze sowie die Rechte der Wahlbeteiligten nicht hinreichend gewährleisten. (a) Ausgleich der Informationsdefizite Diese herausragende Bedeutung der Wahlversammlung zeigt sich bereits im Zusammenhang mit den im Vorfeld der Stimmabgabe bei den Wahlberechtigten bestehenden Informationsdefiziten. Sowohl die sonst im Wahlausschreiben enthaltenen Angaben über Art und Inhalt der Wahl als auch die bekannt zu gebenden Informationen über die antretenden Wahlbewerber werden im vereinfachten Verfahren erst in der Wahlversammlung vermittelt.58 Der Ausgleich der im Vorfeld der Stimmabgabe bestehenden Wissensdefizite hängt damit entscheidend von der Teilnahme an der Wahlversammlung ab. Ohne persönliche Anwesenheit in der Wahlversammlung erlangen die Wahlberechtigten im vereinfachten Verfahren somit keinen dem förmlichen Wahlverfahren gleichwertigen Informationsstand. (b) Wahlvorschlagsrecht Das ausschließlich den Wahlberechtigten eingeräumte Wahlvorschlagsrecht59 unterstreicht ebenfalls die besondere Bedeutung der Wahlversammlung im vereinfachten Wahlverfahren. Im Rahmen der Auslegung des § 20 Abs. 2 SchwbVWO ergibt sich nämlich, dass lediglich die in der Wahlversammlung anwesenden Wahlberechtigten die Möglichkeit haben, wirksam Wahlvorschläge zu unterbreiten.60 Damit hängt auch die Ausübung des Wahlvorschlagsrechts zwingend 58 59 60
Siehe dazu auch unten § 8 II. 5. f) und § 8 II. 6. c) bb). Siehe dazu unten § 8 II. 5. b). Siehe dazu unten § 8 II. 5. d) ee) (4).
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von der Anwesenheit der jeweiligen Wahlberechtigten in der Wahlversammlung ab. (c) Exklusivcharakter der persönlichen Stimmabgabe Schließlich zeigt sich die herausgehobene Stellung der Wahlversammlung auch im Hinblick auf die Ausübung des aktiven Wahlrechts. Während im förmlichen Wahlverfahren neben der persönlichen Stimmabgabe auch die Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe (sog. Briefwahl) gegeben ist (§ 11 SchwbVWO), ist eine solche im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens generell ausgeschlossen.61 Dieser Exklusivcharakter der persönlichen Stimmabgabe hat aber zwingend zur Folge, dass das aktive Wahlrecht ausschließlich bei persönlicher Anwesenheit in der Wahlversammlung ausgeübt werden kann. Ist ein Wahlberechtigter – aus welchem Grund auch immer – gehindert, an der Wahlversammlung teilzunehmen, ist für ihn eine Stimmabgabe und damit die Ausübung seines aktiven Wahlrechts ausgeschlossen.62 Damit wird auch das aktive Wahlrecht zwingend an die persönliche Teilnahme an der Wahlversammlung gekoppelt. (d) Schlussfolgerungen Es zeigt sich daher, dass die Wahlversammlung im vereinfachten Wahlverfahren einen herausragenden Stellenwert inne hat und essentielle Rechte der Wahlmitwirkung zwingend von einer persönlichen Teilnahme an dieser Wahlversammlung abhängig sind. Damit kann nur dann von einer gleichwertigen Durchführung der Wahl im vereinfachten Verfahren ausgegangen werden, wenn sichergestellt ist, dass alle Wahlberechtigten in gleicher und zumutbarer Weise die Möglichkeit haben, an der Wahlversammlung teilzunehmen. Folglich ist für das hier zu untersuchende Kriterium von entscheidender Bedeutung, inwieweit trotz einer räumlichen Trennung der Betriebsgemeinschaft gewährleistet ist, dass alle Wahlberechtigten gleichermaßen in der Lage sind, die Wahlversammlung in zumutbarer Weise zu erreichen.63
61 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 248; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 46; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 26. 62 Heuser, BehR 1990, 25, 28; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 26. Vgl. auch Kamm, AiB 2006, 498, 499; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 46; Kunstein/Seel/Fischer, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 22. 63 Im Ergebnis ähnlich, jedoch ohne Begründung: Dörner, SchwbG, § 24 Rn. 29; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 18 Anm. 3 b); Pahlen, in: Neumann/Pahlen/MajerskiPahlen, SGB IX, WO, § 18 Rn. 4.
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(3) Besonderheiten der Erreichbarkeitsprüfung Im Rahmen der Prüfung des Kriteriums der räumlichen Nähe ist somit vornehmlich auf die Erreichbarkeit der Wahlversammlung abzustellen. Hierbei ergeben sich allerdings einige Besonderheiten, die im Folgenden näher untersucht werden sollen. (a) Bezugspunkt der Erreichbarkeitsprüfung Aus dem dargelegten Verständnis des Kriteriums der räumlichen Nähe folgt zunächst, dass stets nur die Entfernung der einzelnen Betriebsteile zu demjenigen Betriebsteil zu beurteilen ist, in dem die Wahlversammlung durchgeführt werden soll. Dagegen spielt die räumliche Entfernung zwischen zwei nicht für die Durchführung der Wahlversammlung vorgesehenen Betriebsteilen für die Beurteilung des räumlichen Näheverhältnisses i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX keine Rolle. Bei der Prüfung der räumlichen Nähe i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX ist vielmehr zunächst zu klären, in welchem Betriebsteil die im vereinfachten Verfahren durchzuführende Wahlversammlung potentiell erfolgen würde. Anschließend ist dann ausschließlich dieser Betriebsteil als Bezugspunkt der Erreichbarkeitsprüfung zu verwenden. Zu überprüfen wäre sodann immer nur die räumliche Entfernung der übrigen Betriebsteile zu der für die Wahlversammlung avisierten Betriebsstätte. (b) Kaum Entscheidungsspielraum für die Wahlinitianten Mit dieser Beschränkung der Erreichbarkeitsprüfung besteht für die Wahlinitianten theoretisch die Möglichkeit, durch eine gezielte Auswahl des für die Wahlversammlung avisierten Betriebsteils zu beeinflussen, welches Wahlverfahren durchzuführen ist. Allerdings unterliegen die Wahlinitianten bei der Auswahl des Wahlversammlungsortes strengen Anforderungen.64 Insbesondere sind sie gehalten, für die Wahlversammlung in der Regel65 einen räumlich möglichst zentral innerhalb des Betriebs liegenden Ort auszuwählen. Vor allem aber hat der avisierte Ort die sich aus dem Grundsatz der Barrierefreiheit ergebenden Anforderungen zu erfüllen.66 Dementsprechend verbleibt für die Wahlinitianten faktisch 64
Siehe dazu etwa § 8 II. 6. c) aa). Grundvoraussetzung ist selbstverständlich, dass die Gebäude- und Raumstruktur dieses Ortes überhaupt eine solche Versammlung zulässt. 66 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 94. Vgl. auch Kamm/ Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23. 65
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kaum eigenständiger Gestaltungsspielraum. Soweit ein solcher bestehen bleibt, ist dieser nach billigem Ermessen auszuüben. (c) Barrierefreiheit der Verkehrsanbindung Angesichts der Orientierung an der Erreichbarkeit kommt es nicht allein auf die geographische Entfernung zwischen den jeweiligen Betriebsteilen und dem Ort der Wahlversammlung an. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang vorrangig auf die verkehrstechnische Verbindung zwischen den Orten abzustellen.67 In Rahmen dieser Betrachtung sind stets auch die für schwerbehinderte Menschen bestehenden Besonderheiten zu berücksichtigen.68 Daher dürfen grundsätzlich nur solche Wegstrecken und ÖPNV-Haltestellen in die Prüfung einbezogen werden, die barrierefrei nutz- und erreichbar sind. Ausgeschlossen sind damit in der Regel vor allem Wege mit stark ansteigenden Höheunterschieden oder mit Treppenstufen und solche Strecken und Haltepunkte, die nicht wetterbeständig befestigt oder nicht taktil erfassbar sind. (d) Zumutbarkeit als Maßstab Bei der Beurteilung der Erreichbarkeit der Wahlversammlung kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit besteht, auf irgendeine Weise zum Versammlungsort zu gelangen. Entscheidend ist vielmehr, ob es den Wahlberechtigten des räumlich entfernt liegenden Betriebs angesichts der bestehenden Verkehrsanbindung noch zumutbar ist, an der Wahlversammlung teilzunehmen. Die Beurteilung der Erreichbarkeit gestaltet sich daher als Zumutbarkeitsprüfung. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass schwerbehinderte Menschen im Allgemeinen größere Schwierigkeiten haben, längere Wegstrecken zu bewältigen, als nicht behinderte Menschen.69 Daher ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer (barrierefreien) Wegstrecke ein deutlich strengerer Maßstab anzulegen als allgemein üblich.70 Dies kann dazu führen, dass bereits 67 Fuchs/Stähler, SchwbG, § 24 Anm. 1; Heuser, BehR 1990, 25, 25; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 17; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/ Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 30; Schmidt, Die Schwerbehindertenvertretung, S. 40 Fn. 65; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 21. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 244. 68 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 18 Anm. 3 und Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19. 69 Vgl. die amtl. Begr. zur allgemeinen Briefwahlregelung in der SchwbWO vom 21.02.1990, BR-Drs. 147/90, S. 14. Vgl. auch Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 18 Anm. 3 a). 70 A. A. OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 148 f.; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 17, die vielmehr einen großzügigeren
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bei rein objektiv betrachtet geringen Entfernungen von „räumlich weit auseinander“ liegenden Betriebsteilen im Sinne des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auszugehen ist.71 ee) Berücksichtigung der Beschäftigungsorte der Wahlberechtigten In Rechtsprechung und Teilen der Literatur wird die Auffassung vertreten, bei der Beurteilung des räumlichen Näheverhältnisses sei nicht von Bedeutung, in welchen Betriebsteilen wie viele Wahlberechtigte beschäftigt seien. Vielmehr komme es allein auf die räumliche Lage aller Betriebsteile an.72 (1) Grundsatz Dieser Ansicht ist angesichts des Wortlauts grundsätzlich zuzustimmen. Dieser stellt nämlich gerade nicht auf die Beschäftigungsorte der Wahlberechtigten, sondern nur auf die räumliche Lage der Betriebsteile im Allgemeinen ab. Zudem kann es nicht darauf ankommen, wie viele Wahlberechtigte von einer größeren räumlichen Entfernung betroffen wären. Vielmehr ist im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX eine für sämtliche Wahlberechtigten gleiche und objektive Prüfung der Zumutbarkeit der Teilnahme an der Wahlversammlung geboten. (2) Teleologische Reduktion bei Sonderkonstellation Eine Berücksichtigung der tatsächlichen Beschäftigungsorte der Wahlberechtigten wäre jedoch in Ausnahmekonstellationen denkbar. Gehören einem Betrieb etwa Betriebsteile an, die grundsätzlich räumlich weit vom avisierten Wahlversammlungsort entfernt liegen, wäre ein vereinfachtes Verfahren auch dann ausgeschlossen, wenn in den entfernt liegenden Betriebsteilen keine aktiv Wahlberechtigten beschäftigt werden. Für einen solchen Ausschluss besteht in teleologischer Hinsicht jedoch kein Bedürfnis. Schließlich soll § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX nur sicherstellen, dass keine Wahlberechtigten dadurch in ihren Rechte beschnitten werden, dass sie an der für das vereinfachte Verfahren zentralen WahlversammMaßstab anlegen wollen und dabei die mit der Nichtteilnahme an der Wahlversammlung verbundenen erheblichen Beschneidungen der Mitwirkungsmöglichkeiten verkennen. 71 Vgl. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, WO, § 18 Rn. 4, der ohne nähere Begründung ebenfalls davon ausgeht, dass bereits bei wenigen Kilometern Entfernung die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens zu verneinen sein kann. Vgl. auch Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 18 Anm. 3. 72 BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX; LAG BadenWürttemberg vom 10.04.2003, 21 TaBV 4/02; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 242; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 112; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 38. A. A. OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/ 99.PVB, BehR 2001, 147, 148 f., das das Verhältnis der Beschäftigten an den einzelnen Beschäftigungsorten mit in seine Erwägungen einbezieht. Offenlassend: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76, der auf die Besonderheiten dieser Entscheidung hinweist, hierzu jedoch keine wertende Position bezieht.
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lung infolge der räumlichen Entfernung nicht in zumutbarer Weise teilnehmen können. Eine solche die Interessen der Wahlberechtigten schützende Regelung läuft jedoch leer, wenn in dem ausschlaggebenden Betriebsteil überhaupt keine schwerbehinderten Menschen und damit keine aktiv Wahlberechtigten beschäftigt werden. In derartigen Konstellationen erschiene daher eine teleologische Reduktion des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX geboten. Nach dieser wären bei der Prüfung der räumlichen Nähe ausnahmsweise diejenigen Betriebsteile auszusparen, die keinerlei schwerbehinderten Beschäftigten aufweisen. Im Fall einer derartigen teleologischen Reduktion könnten jedoch sowohl nach der herrschenden Ansicht als auch nach der hier vertretenen Auffassung zum maßgeblichen Stichtag73 erhebliche Verwerfungen mit den einzuhaltenden Wahlgrundsätzen eintreten. In einem solchen Fall ließe sich nämlich nicht ausschließen, dass am Wahltag – anders als zum Zeitpunkt der Entscheidung – auch in den unberücksichtigt gebliebenen Betriebsteilen Wahlberechtigte beschäftigt werden. Dies wäre jedoch dann problematisch, wenn das vereinfachte Wahlverfahren eingeleitet worden ist. Die „neuen“ Wahlberechtigten müssten nämlich sowohl nach Sinn und Zweck des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX als auch wegen der Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit bzw. des Grundsatzes der Barrierefreiheit gleichermaßen die Möglichkeit haben, an der Wahlversammlung teilzunehmen.74 Auf Grund der räumlichen Entfernung des betreffenden Betriebsteils und der damit verbundenen Unzumutbarkeit der Teilnahme wäre dies jedoch gerade nicht gewährleistet. Eine teleologische Reduktion des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX könnte daher dazu führen, dass neu in Erscheinung tretende Wahlberechtigte faktisch ihrer gesetzlich bestehenden Mitwirkungsmöglichkeiten beraubt würden. Derartige Einschränkungen lassen sich jedoch nicht dadurch rechtfertigen, dass das vereinfachte Wahlverfahren auch in den genannten Sonderkonstellationen anwendbar ist. Auch in Ausnahmefällen ist daher nicht auf die tatsächlichen Beschäftigungsorte der Wahlberechtigten abzustellen. Stattdessen ist die auf die Wahlversammlung bezogene Erreichbarkeitsprüfung stets auf sämtliche Betriebsteile des Betriebs zu erstrecken.
III. Prüfung des anzuwendenden Verfahrens Für die Schwerbehindertenvertretungswahl ist eine Prüfung der Voraussetzungen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX nicht explizit vorgesehen. Angesichts des zwingenden Exklusivverhältnisses der beiden Wahlverfahren ist eine Prüfung dennoch stets erforderlich. Diese Notwendigkeit zeigt sich bereits im Hinblick auf die vorzunehmende Wahlinitiierungshandlung. Im förmlichen Verfahren kann 73
Siehe dazu sogleich § 5 III. 3. c). Siehe dazu auch § 4 II. 4. a) bb) (7), sowie allgemein zu den Grundsätzen § 2 III. 2. a), § 2 III. 3. a) und § 2 IV. 4. a). 74
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eine Initiierung durch Bestellung des Wahlvorstands, durch Einladung zu einer Versammlung zur Wahl des Wahlvorstands oder durch einen Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands erfolgen. Im Unterschied dazu ist im vereinfachten Verfahren keinerlei Wahlvorstand vorgesehen. Stattdessen erfolgt eine Wahlinitiierung dort stets durch Einladung zu einer, nicht mit der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO zu verwechselnden Wahlversammlung. Im Folgenden ist daher zu klären, durch wen eine entsprechende Prüfung vorzunehmen ist. 1. Prüfungsbefugtes Organ Für die Frage der Befugnis ist zunächst darauf abzustellen, wodurch die Entscheidung über das Wahlverfahren erstmals in einer auf den Wahlprozess einwirkenden Weise zu Tage tritt. Wie gerade aufgezeigt unterscheiden sich die beiden Wahlverfahren bereits im Hinblick auf die Art und Weise der Wahlinitiierung. Dementsprechend lässt sich schon aus der gewählten Wahlinitiierungshandlung unmittelbar ableiten, welches Wahlverfahren durchgeführt werden soll. Somit muss bereits zu diesem Zeitpunkt eine Beurteilung der Voraussetzungen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX stattgefunden haben und eine entsprechende Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren getroffen worden sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wahlinitianten in autonomer Weise über die Vornahme einer Wahlinitiierung befinden und auch hinsichtlich der Auswahl der Initiierungshandlung nicht an Weisungen Anderer gebunden sind. Hieraus wird deutlich, dass die in der gewählten Initiierungshandlung zum Ausdruck kommende Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren auch nur durch den jeweiligen Wahlinitianten getroffen werden kann. Dementsprechend sind die zur Wahlinitiierung berechtigten Personen zugleich auch dazu berufen, über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX zu befinden. Ihnen obliegt es folglich, mit der Auswahl der Initiierungshandlung auch eine indirekte Entscheidung über das durchzuführende Wahlverfahren zu treffen. 2. Kompetenzkonflikte zwischen den Initianten Durch die unmittelbare Verknüpfung der Entscheidung über das Wahlverfahren mit der Wahlinitiierung können sich allerdings auch Kompetenzkonflikte ergeben. Dem Grunde nach ist nämlich nicht nur einem einzelnen Organ, sondern sämtlichen zur Wahlinitiierung berechtigten Personen die Entscheidungsbefugnis über das Wahlverfahren eingeräumt. Zwar ist die Entscheidung über das Wahlverfahren zwingend an das Vorliegen der Voraussetzungen gebunden, jedoch kann das nach Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Kriterium der räumlichen Nähe zu unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen führen.75 Daneben 75
Vgl. zu den Maßstäben: Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70.
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kann das Vorliegen der Voraussetzungen auch in Abhängigkeit von dem für die Wahlinitiierungshandlung beabsichtigten Zeitpunkt verschieden zu beurteilen sein. Dementsprechend besteht im Ausnahmefall die Möglichkeit, dass die zur Wahlinitiierung befugten Personen die Durchführung unterschiedlicher Wahlverfahren für geboten halten. Allerdings folgt aus der unmittelbaren Verbindung zwischen Wahlinitiierungshandlung einerseits und Entscheidung über das Wahlverfahren anderseits, dass etwaige Konfliktlösungsmechanismen nicht nur für eine der beiden Materien gelten können. Vielmehr muss sich die auf das Wahlverfahren bezogene Entscheidungsbefugnis nach den gleichen Maßstäben richten wie die Wahlinitiierungsberechtigung. Dementsprechend gilt auch für die Entscheidung über das Wahlverfahren ein nach Organexistenz und Organaktivität gestuftes Kompetenzsystem, nach dem auch etwaige Konflikte zu beurteilen sind.76 3. Maßgeblicher Stichtag Im Hinblick auf die Anwendungskriterien des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX ist festzustellen, dass insbesondere der auf die Zahl der Wahlberechtigten bezogene Schwellenwert Schwankungen unterworfen ist. Dementsprechend kann das Vorliegen der Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich zu beurteilen sein. Daraus ergibt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Anwendungskriterien maßgeblich ist. a) Wahltagsbezogenheit der Voraussetzungen In Bezug auf § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX wird noch vereinzelt vertreten, dass dessen Voraussetzungen am Wahltag vorliegen müssten.77 Wie bereits dargelegt, würde ein solcher Stichtag jedoch eine mitunter mehrere Wochen78 in die Zu-
76
Siehe dazu ausführlich unten § 6 III. und IV. Cramer, SchwbG, WO, § 18 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 18 Anm. 3 b); Kamm, AiB 2006, 498, 499; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 18. Mißverständlich: Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 37, der einerseits auf die Anzahl der Beschäftigen am Wahltag abstellt und andererseits seit der 2. Aufl. in Rn. 45 auf den Zeitpunkt der Einleitung der Wahl verweist. 78 Im förmlichen Wahlverfahren muss das Wahlausschreiben gemäß § 5 SchwbVWO spätestens sechs Wochen vor dem Wahltag bekannt gemacht werden. Darüber hinaus ist ein bestimmter Zeitraum für die vorbereitenden Handlungen des Wahlvorstands einzuplanen, so dass angesichts der in § 1 Abs. 1 SchwbVWO zu findenden Wertung im förmlichen Verfahren in der Regel von einem Zeitraum von acht Wochen auszugehen ist. Dieser Zeitraum verlängert sich nochmals erheblich, wenn die Initiierung der Wahl durch Einladung zu einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder durch einen vorliegend für zulässig erachteten Antrag auf gerichtliche Einsetzung eines Wahlvorstands erfolgt (siehe dazu § 6 IV. 2. und 3.). 77
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
kunft reichende Prognose der Zahl der Beschäftigten schwerbehinderten Menschen notwendig machen. Eine solche wäre jedoch mit einer erheblichen Fehleranfälligkeit verbunden und stünde daher im Widerspruch zum Grundsatz der obligatorischen Vertretung.79 Im Hinblick auf die Kriterien des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX kann der Wahltag somit nicht als maßgeblicher Stichtag herangezogen werden.80 b) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahleinleitung Angesichts der angesprochenen Verwerfungen gehen Rechtsprechung und ein erheblicher Teil der Literatur inzwischen davon aus, dass im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auf die Einleitung der Wahl abzustellen sei.81 Als Grund hierfür wird angeführt, dass die Wahl zu diesem Zeitpunkt gegenüber den Wahlberechtigten verbindlich in Gang gesetzt und damit ein nach außen erkennbarer Akt der Wahlvorbereitung bestehen würde.82 Für die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens sei deshalb entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Einladung zur Wahlversammlung die Voraussetzungen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX gegeben waren. Für das förmliche Wahlverfahren komme es dagegen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens an.83 79
Siehe dazu bereits oben § 3 V. 3. a) bb). BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Boch, SAE 2007, 151, 153; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 245; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Müller-Wenner, in: MüllerWenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31; Rudolph, AiB 2006, 449, 449; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 43. Ebenso unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Auffassung: Pahlen, in: Neumann/ Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 1. Unklar: Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 37 und 45, in der zweiten Auflage inzwischen den Zeitpunkt der Wahleinleitung für maßgeblich hält (Rn. 45), aber bisweilen weiterhin auf die Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten am Wahltag abstellt (Rn. 37). A. A. wohl auch: Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 46, die eine Anfechtbarkeit der Wahl annehmen, wenn eine oder beide der Voraussetzungen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX am Wahltag nicht erfüllt sind. 81 BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; LAG Köln vom 19.10.2011, 3 TaBV 51/11; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Boch, SAE 2007, 151, 153; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 245; Kossens, in: Kossens/von der Heide/ Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 18 Rn. 1; Rudolph, AiB 2006, 449, 449; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 43. 82 Vgl. BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; LAG Hamm vom 17.12.2004, 13 TaBV 10/04. 83 Vgl. BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 80
§ 5 Differenzierung nach Wahlverfahren
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c) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Wahlinitiierungshandlung Die im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung abstellende Ansicht weist richtige und nachvollziehbare Ansätze auf. Zuzustimmen ist der Ansicht vor allem dahingehend, dass als vorgelagerter Stichtag nur ein solcher Zeitpunkt in Betracht kommen soll, zu dem der Wahlprozess bereits in verbindlicher Weise in Gang gesetzt wird.84 Anders als von der dargestellten Ansicht vertreten, kommt es hierbei jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung, sondern auf den der Wahlinitiierung85 an. Zur Begründung der Maßgeblichkeit dieses Stichtags sollen zunächst die Unterschiede zwischen den beiden Zeitpunkten dargestellt und sodann auf die Mängel einer auf die Wahleinleitung abstellenden Stichtagsregelung eingegangen werden. aa) Unterschiede zwischen den Zeitpunkten Im vereinfachten Wahlverfahren erfolgen Wahlinitiierung und Wahleinleitung in einem gemeinsamen Akt durch die Einladung zur Wahlversammlung und fallen damit zeitlich zusammen. Insoweit ergeben sich im Fall des vereinfachten Verfahrens keine unmittelbaren Unterschiede aus der Anknüpfung an den Zeitpunkt der Wahlinitiierung. Im förmlichen Verfahren zeigt sich dagegen eine deutliche zeitliche Zäsur zwischen Wahlinitiierung und Wahleinleitung. In Abhängigkeit vom tätig werdenden Organ kann die Wahlinitiierung durch die Bestellung des Wahlvorstands, eine Einladung zur Versammlung der Schwerbehinderten i. S. d. § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder durch Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands erfolgen.86 Dagegen findet die förmliche Einleitung der Wahl in diesem Verfahren erst durch den Erlass des Wahlausschreibens nach § 5 SchwbVWO statt.87 Im § 94 Rn. 70; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 31; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Marquardt, ArbRB 2006, 108; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101. Unklar: Kohte/Pick, jurisPR-ArbR 12/2006, Anm. 1, die der referierten BAG-Entscheidung vom 16.11.2005 zustimmen, jedoch fälschlich meinen, das Gericht hätte für das förmliche Wahlverfahren auf den Zeitpunkt der Bestellung des Wahlvorstands abgehoben. 84 Vgl. dazu BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; LAG Hamm vom 17.12.2004, 13 TaBV 10/04. In dieser Richtung auch LAG Köln vom 25.04.2012, 9 TaBV 96/11, ArbG Köln vom 29.03.2011, 14 BV 256/10 und Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 245, die davon ausgingen, dass nach der ersten Übermittlung der Liste der Schwerbehinderten, aber im Vorfeld der ersten Ingangsetzung der Wahl eingetretene Änderungen der Anzahl noch zu berücksichtigen seien. 85 Siehe zu diesem Begriff unten § 6 II. 86 Siehe dazu ausführlich unten § 6 IV. 1. bis 3. 87 Siehe dazu unten § 8 II. 4. a). Vgl. auch BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Müller-Wenner, in: Mül-
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
Vorfeld des Erlasses sind dabei eine Reihe von Vorbereitungshandlungen vorzunehmen. Erforderlich sind insbesondere die durch den Wahlvorstand zu treffenden Entscheidungen,88 die Erstellung des Textes für das Wahlausschreiben und die Aufstellung der Liste der Wahlberechtigten.89 In der Regel ist daher nicht davon auszugehen, dass Wahlinitiierung und förmliche Wahleinleitung am gleichen Tag erfolgen. Vielmehr zeigen die in der SchwbVWO festgelegten Fristen, dass dem Wahlvorstand für diese Vorbereitungshandlungen in der Regel ein Zeitraum von einer Woche zur Verfügung steht.90 Evident ist das Auseinanderfallen von Wahlinitiierung und Wahleinleitung, wenn sich erstere nicht durch unmittelbare Bestellung des Wahlvorstands vollzieht. Erfolgt die Wahlinitiierung nämlich im Wege einer Einladung zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder per Antrag auf gerichtliche Einsetzung, ist eine zeitliche Zäsur zur förmlichen Wahleinleitung unausweichlich. bb) Erforderlichkeit des Abstellens auf die Wahlinitiierung Infolge der zeitlichen Divergenz kann es passieren, dass zunächst eine Initiierung des förmlichen Verfahrens erfolgt und der Wahlvorstand kurz vor Erlass des Wahlausschreibens feststellt, dass sich die betrieblichen Verhältnisse geändert haben und nunmehr das vereinfachte Verfahren durchgeführt werden müsste. Stellte man als maßgeblichen Zeitpunkt des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX tatsächlich auf den Erlass des Wahlausschreibens ab, träte für den Wahlvorstand eine rechtlich nur schwer aufzulösende Pattsituation ein.91 (1) Ruhen des Wahlprozesses Einerseits wäre der Wahlvorstand bei einem an die Wahleinleitung anküpfenden Verständnis des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX gehindert, das bisher eingeleitete förmliche Wahlverfahren weiter zu betreiben. Andererseits wäre er jedoch auch nicht befugt, die bereits in die Wege geleitete Wahl abzubrechen. Das Fehlen einer derartigen Kompetenz folgt aus der in Bezug auf Wahlvorstände allge-
ler-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 31; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101; Schleicher, WO zum SchwbG, § 2 Rn. 5. 88 Siehe dazu unten § 8 II. 2. und 3. 89 Siehe zu Aufstellung der Liste unten § 8 II. 1. 90 Vgl. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 2 Rn. 4; Schleicher, WO zum SchwbG, § 2 Rn. 5. 91 Im Rahmen anderer betrieblicher Interessenvertretungswahlen tritt dieses Problem nicht auf, weil dort hinsichtlich des Schwellenwerts eine Prognosemöglichkeit besteht. Eine Prognose ist bei der Schwerbehindertenvertretung jedoch wegen der erheblichen praktischen Schwierigkeiten ausgeschlossen. Siehe allgemein zu diesem Problem oben § 3 V. 2. c) cc).
§ 5 Differenzierung nach Wahlverfahren
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mein anerkannten Unzulässigkeit der Selbstauflösung.92 Dementsprechend wird ein Wahlvorstand bei einem auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung ausgerichteten Schwellenwert in der geschilderten Konstellation handlungsunfähig. Er könnte erst wieder aktiv werden, wenn sich die betrieblichen Verhältnisse erneut dergestalt ändern, dass wieder das förmliche Wahlverfahren zulässig ist. In der Zwischenzeit stünde der Wahlprozess still. Angesichts des zwischen den beiden Wahlverfahren bestehenden Exklusivcharakters93 wäre es aber auch nicht möglich, während eines insoweit „ruhenden“ förmlichen Wahlverfahrens eine Wahl im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Dementsprechend könnte die Wahl der Schwerbehindertenvertretung in einer derartigen Konstellation entgegen dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung nicht zur Einsetzung einer (neuen) Interessenvertretung führen. (2) Fehlende Initiierungsbefugnis bei Anerkennung eines Abbruchsrechts Diese Problematik würde aber selbst dann nur bedingt entschärft, wenn man dem Wahlvorstand für den geschilderten Fall ein „Wahlabbruchsrecht“ zuerkennen würde. Zwar könnte der Wahlvorstand auf diese Weise den Weg für die Durchführung der Wahl im vereinfachten Verfahren frei machen, jedoch müsste die Wahl hierfür erst erneut in Gang gesetzt werden. Es wäre daher eine erneute Wahlinitiierung in Form einer Einladung zur Wahlversammlung erforderlich. Eine solche Initiierung durch den Wahlvorstand ist jedoch in § 19 SchwbVWO nicht vorgesehen. Stattdessen müsste grundsätzlich eine erneute Wahlinitiierung durch eine hierzu befugte Person erfolgen. Hiermit wären jedoch zusätzliche Hürden und zeitliche Verzögerungen verbunden. Insofern widerspricht eine auf die Wahleinleitung abstellende Auslegung des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX den Grundsätzen der Simplizität und der obligatorischen Vertretung. Dem ließe sich auch nicht hinreichend dadurch begegnen, dass man dem Wahlvorstand im Wege der Rechtsfortbildung eine Initiierungsbefugnis für das vereinfachte Wahlverfahren zuerkennt. Hierbei ergäben sich nämlich bereits erhebliche dogmatische Begründungsprobleme, inwieweit ein infolge des Wahlabbruchs aufgelöstes Gremium noch rechterhebliche Handlungen vollziehen kann. Schließlich hätte der Wahlvorstand nicht nur die Initiierungshandlung selbst, sondern auch die für die Vorbereitung der Wahlleitungswahl erforderliche Prüfung der Wahlberechtigung vorzunehmen. Fernerhin ergäben sich Schwierigkeiten hin92 Vgl. allgemein für Wahlvorstände: Jacobs, Wahlvorstände, S. 190. Vgl. auch für das BetrVG: LAG Düsseldorf vom 26.3.1975, 12 TaBV 29/75, DB 1975, 840, 840; Brors, in: Düwell, BetrVG, § 16 Rn. 15; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 85; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 19; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 16 Rn. 10; Kreutz, in: GKBetrVG, § 16 Rn. 79; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 59. 93 Siehe dazu oben § 5 I.
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
sichtlich der in den §§ 1 und 19 SchwbVWO normierten Fristen. In der geschilderten Konstellation wäre nämlich auch die noch im Amt befindliche Schwerbehindertenvertretung nach erfolgtem Wahlabbruch verpflichtet, das vereinfachte Verfahren nach § 19 SchwbVWO zu initiieren. Damit entstünden bei zuerkannter Initiierungsbefugnis des Wahlvorstands auch potentielle Kompetenzkonflikte. Daneben träten nicht einfach zu lösende Folgefragen hinsichtlich des dem Wahlvorstand und den Initiatoren nach § 15 Abs. 3 und 3a KschG zu gewährenden Sonderkündigungsschutzes auf. Vor allem aber ist nicht auszuschließen, dass durch Wahlabbruch und Neuinitiierung auf Seiten der Belegschaft Irritationen entstehen, die sich negativ auf deren Wahlbeteiligung und die Bereitschaft auswirken, das Wahlprozedere aktiv voranzutreiben. Dies wäre jedoch im Hinblick auf den Legitimationsgedanken zumindest nicht unproblematisch. (3) Verwerfungen durch Erforderlichkeit einer Prognose Ungeachtet dessen ist zu bedenken, dass auch bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung durch die im förmlichen Verfahren regelmäßig eintretende zeitliche Zäsur zur Wahlinitiierung eine (zumindest kurzfristige) Prognose nötig würde. Eine solche ist jedoch gerade mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden.94 Gänzlich unmöglich wird eine verlässliche Prognose vor allem dann, wenn die Initiierung der Wahl durch Einladung zu einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder durch Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands erfolgt. In diesem Fall ist bei der das Wahlverfahren bereits präjudizierende Initiierungshandlung nämlich noch gar nicht absehbar, wann der – noch nicht einmal eingesetzte – Wahlvorstand die Wahleinleitung durch Bekanntgabe des Wahlausschreibens vornehmen wird. Die Prognose müsste somit für einen unbekannten Zeitpunkt in der Zukunft aufgestellt werden, wobei zu beachten ist, dass sich gerade das Verfahren der gerichtlichen Einsetzung auch über Wochen oder auch Monate hinziehen kann. Eine sichere Prognose ist somit auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung nicht zwingend möglich. Daher würde ein solcher Stichtag ebenfalls zu Verwerfungen in Bezug auf den Grundsatz der obligatorischen Vertretung führen. (4) Vermeidbarkeit dieser Schwierigkeiten Die Zahl der in der geschilderten Konstellation auftretenden Schwierigkeiten zeigt die Schwächen einer Anknüpfung an den Zeitpunkt der förmlichen Wahleinleitung. Diese ließen sich jedoch dadurch vermeiden, dass man im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auf die Wahlinitiierung abstellt. Der Vorteil dieses Anknüpfungszeitpunkts besteht darin, dass mit der Auswahl der Wahlinitiie94
Siehe dazu bereits oben § 3 V. 2. c) cc) und § 3 V. 3. a) bb).
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rungshandlung zugleich auch die Entscheidung über das Wahlverfahren getroffen wird. Damit kann die Entscheidung – anders als bei den anderen dargestellten Ansichten – nicht bereits vor dem Stichtag Konsequenzen zeitigen. Vielmehr fallen bei einer derartigen Auslegung Entscheidung und maßgeblicher Zeitpunkt zusammen. Damit können die geschilderten, gerade durch die zeitliche Verschiebung eintretenden Verwerfungen gar nicht erst entstehen. cc) Verbindlichkeit der Wahlingangsetzung durch die Wahlinitiierung Wie eingangs erwähnt, kann ein vorgelagerter Zeitpunkt jedoch nur dann als Stichtag in Betracht kommen, wenn die Wahl zu diesem bereits in verbindlicher Weise in Gang gesetzt ist.95 Anders als von der oben dargestellten Auffassung offenbar angenommen, ist diese Verbindlichkeit der Ingangsetzung der Wahl auch förmlichen Verfahren nicht erst bei Wahleinleitung, sondern bereits bei Initiierung der Wahl gegeben. (1) Unmittelbare Bestellung des Wahlvorstands Erfolgt die Wahlinitiierung durch unmittelbare Bestellung des Wahlvorstands, wird der Wahlprozess auf diesem Wege in Gang gesetzt, ohne dass er bei ordnungsgemäßer Tätigkeit des Wahlvorstands noch aufgehalten werden könnte.96 Insbesondere ist zur Wahrung von dessen Unabhängigkeit97 eine Abberufung des Wahlvorstands durch die Wahlinitianten generell ausgeschlossen.98 Der verzögerungsfreie Fortgang des Wahlprozesses wird dadurch gewährleistet, dass der Wahlvorstand mit seiner Einsetzung gemäß § 2 Abs. 3 SchwbVWO verpflichtet ist, die Wahl unverzüglich einzuleiten. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird nach der hier vertretenen Auffassung zusätzlich durch die Möglichkeit der gerichtlichen Ersetzung eines pflichtwidrig handelnden Wahlvorstands abgesichert.99 Dementsprechend wird bereits mit der Bestellung des Wahlvorstands der Wahlprozess insgesamt in grundsätzlich irreversibler Weise in Gang gesetzt. 95
Siehe dazu oben § 5 III. 3. c). Zum Sonderfall der Nichteinreichung von Wahlvorschlägen sogleich. 97 Vgl. Jacobs, Wahlvorstände, S. 191 und 195. 98 Treml, BehR 1986, 57, 58. Ausdrücklich im Hinblick die Wahlvorstände bei anderen betrieblichen Interessenvertretungen: Jacobs, Wahlvorstände, S. 191, 195 und 200. Ausdrücklich für das BetrVG: Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 84; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 18; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 16 Rn. 10; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 79; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 59. 99 Vgl. dazu Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 6 und Pahlen, in: Neumann/ Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 7, die lediglich von der Möglichkeit der Ersetzung des Wahlvorstands sprechen und diese zusätzlich davon abhängig machen, dass dieser seine Pflichten verletzt oder dessen Mitglieder ihre Ämter niederlegen oder gar nicht erst nicht annehmen. 96
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Kap. 2: Allgemeine Grundlagen
(2) Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten Ist keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden, kann die Wahl im förmlichen Verfahren durch Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten i. S. d. § 1 Abs. 2 SchwbVWO initiiert werden. Im Hinblick auf die Verbindlichkeit der Wahlingangsetzung ist festzuhalten, dass der zur unverzüglichen Wahleinleitung verpflichtete Wahlvorstand zum Zeitpunkt der Initiierungshandlung gerade noch nicht ins Amt berufen wurde. Vielmehr muss dieser erst durch die in der Versammlung anwesenden schwerbehinderten Beschäftigten gewählt werden. Damit ist bei dieser Art der Wahlinitiierung ein zusätzlicher Zwischenschritt erforderlich, den man grundsätzlich zum Anlass nehmen könnte, eine verbindliche Ingangsetzung der Wahl zu diesem Zeitpunkt zu verneinen. Allerdings ist zu berücksichtigten, dass die Wahl der Schwerbehindertenvertretung selbst nach formeller Wahleinleitung durch Erlass des Wahlausschreibens keinen so verbindlichen Charakter besitzt, dass die Wahl nicht doch scheitern könnte. Die aktiv und passiv Wahlberechtigten haben es nämlich auch noch nach diesem Zeitpunkt in der Hand, den bisher durchgeführten Wahlprozess obsolet werden zu lassen. So können sie etwa davon absehen, innerhalb der maßgeblichen Fristen gültige Wahlvorschläge einzureichen.100 Denkbar wäre es auch, dass sämtliche gewählten Kandidaten die Annahme ihrer Wahl ablehnen. Diese allein von der Mitwirkung der Wahlberechtigten abhängigen Wahlabbruchsrisiken sind von der oben dargestellten Ansicht jedoch gerade nicht zum Anlass genommen worden, eine Verbindlichkeit der Ingangsetzung zu verneinen. Für die ebenfalls allein in der Verantwortung der Wahlberechtigten liegende Wahl des Wahlvorstands nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO kann daher konsequenterweise nichts anderes gelten. Das durch den Zwischenschritt der Wahlvorstandswahl bestehende Wahlabbruchsrisiko kann daher nicht für das Fehlen einer Verbindlichkeit der Wahlingangsetzung maßgeblich sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Wahlprozess auch bereits zum Zeitpunkt der Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO so verbindlich in Gang gesetzt ist, dass die Wahl im Wesentlichen nur noch durch die Wahlberechtigten selbst konterkariert werden kann. Dieses Risiko kann jedoch in jeder Phase des Wahlprozesses bestehen und somit nicht maßgeblich sein. Folglich liegt auch im Fall einer Einladung zur Schwerbehindertenversammlung eine verbindliche Ingangsetzung der Wahl vor. (3) Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht Auch wenn die Wahlinitiierung durch einen Antrag nach § 16 Abs. 2 bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog erfolgt, ist der Wahlprozess bereits so in Gang gesetzt, 100 Vgl. dazu Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 7 Anm. 2; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 7 Rn. 3.
§ 5 Differenzierung nach Wahlverfahren
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ohne dass er in der Regel zum Abschluss der Wahl führt. Wird nämlich der Antrag ordnungsgemäß beim Arbeitsgericht eingereicht,101 ist dieses verpflichtet, einen Wahlvorstand einzusetzen, der dann seinerseits zur unverzüglichen Wahleinleitung verpflichtet ist.102 Eine Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht unterbleibt im Regelfall103 lediglich dann, wenn ein solcher zwischenzeitlich auf anderer Weise eingesetzt worden ist.104 Allerdings ist in diesem Fall ebenfalls ein zur unverzüglichen Wahleinleitung verpflichteter Wahlvorstand im Amt. Somit ist die Wahl auch bei Initiierung durch Antrag nach § 16 Abs. 2 bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog bereits verbindlich angestoßen, so dass der Zeitpunkt auch insoweit als Stichtag des Schwellenwerts fungieren kann. d) Schlussfolgerungen Sowohl ein auf den Wahltag wie auch ein auf den Zeitpunkt der Wahleinleitung abstellender Schwellenwert führt somit zu nachhaltigen Risiken und Unstimmigkeiten. Daher muss im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX stattdessen auf den Zeitpunkt der Wahlinitiierung zurückgegriffen werden. Zwar ist dieser Zeitpunkt der eigentlichen Wahl noch weiter vorgelagert, jedoch ist die Wahl bereits in diesem frühen Stadium in verbindlicher Weise in Gang gesetzt worden. Dementsprechend kommt es für die Entscheidung über das anzuwendende Wahlverfahren darauf an, ob der Schwellenwert des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX im Zeitpunkt der Wahlinitiierung erfüllt ist oder nicht.
101
Siehe zum Antrag als Initiierungshandlung unten § 6 IV. 3. d). Siehe dazu bereits oben § 5 III. 3. c) cc) (1). 103 Eine Antragsrücknahme würde in der Regel einen Verstoß gegen die Initiierungspflicht der betreffenden Organe darstellen oder wäre als von den Wahlberechtigten ausgehend unbeachtlich. 104 Siehe dazu unten § 7 II. 2. a) bb). 102
Kapitel 3
Anstoß der Wahl § 6 Wahlinitiierung I. Allgemeines zur Wahlinitiierung Der imperative Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX legt zunächst die Annahme nahe, mit dem Vorliegen der Voraussetzungen würde automatisch eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung in die Wege geleitet. In tatsächlicher Hinsicht ist allein dadurch jedoch noch keineswegs gewährleistet, dass eine derartige Wahl überhaupt stattfindet.1 Vielmehr ist – ebenso wie bei den übrigen Interessenvertretungswahlen – zusätzlich eine den Wahlprozess anstoßende Handlung erforderlich, um die Wahl in Gang zu setzen. Trotz einer Reihe von Parallelen insbesondere zur Betriebsratswahl, weist die Schwerbehindertenvertretungswahl hinsichtlich dieser Initiierungshandlung einige Besonderheiten auf. Gleichzeitig offenbaren sich bei näherer Betrachtung jedoch auch zahlreiche Regelungslücken und Auslegungsschwierigkeiten. Angesichts der essentiellen Bedeutung für den Wahlprozess insgesamt soll die Wahlinitiierung daher im Folgenden einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden.
II. Begriff der Wahlinitiierung Für die verschiedenen, die Wahl anstoßenden Handlungen haben die Normgeber keinen vereinheitlichenden Begriff verwendet. Auch in der einschlägigen Literatur hat sich dazu bisher keine feste Terminologie etablieren können. Zur Vereinfachung der vorliegenden Untersuchung sollen die die Wahl in Gang setzenden Akte gleichwohl in einem gemeinsamen Begriff zusammengefasst werden. Hierbei bietet es sich angesichts des initiatorischen Charakters dieser Handlung an, von „Wahlinitiierung“ zu sprechen.2 1 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, § 23 Rn. 18. Vgl. auch Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2012, 267. 2 Der Begriff des Initiierens bzw. der Initiative wird beispielsweise auch von Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2012, 267; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/ Winkler, SGB IX, § 93 Rn. 9 verwendet. Ebenso Schmitz, in: Feldes/Kohte/StevensBartol, SGB IX, § 93 Rn. 5. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Knittel, SGB IX, § 93 Rn. 9; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 93 Rn. 17, die sporadisch von Initiative bzw. Intitiativrecht sprechen.
§ 6 Wahlinitiierung
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Unter Wahlinitiierung soll im Folgenden jener Akt zu verstehen sein, der den Wahlprozess dergestalt in Gang setzt, dass dieser bei ordnungsgemäßer Einhaltung der Wahlvorschriften und entsprechender Mitwirkung der Wahlberechtigten in der Regel ohne verfahrensfremde Verzögerungen zum erfolgreichen Abschluss der Wahl führt. Der so verstandene Begriff der Wahlinitiierung beschreibt somit einen grundsätzlich irreversiblen Anstoß des Wahlprozesses der im Regelfall erst mit der Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses endet. Allerdings kann eine Wahlinitiierung schon aus strukturellen Gründen keine Garantie für eine erfolgreiche Wahldurchführung bieten. Schließlich kann eine betriebliche Interessenvertretungswahl nicht nur an – zwar rechtlich unzulässigen, jedoch tatsächlich nie auszuschließenden – Wahlbehinderungen scheitern. Vielmehr kann sie auch durch unzureichende Mitwirkung der aktiv und passiv Wahlberechtigten oder Pflichtverletzungen der wahlleitenden Organe zum Erliegen kommen. Insofern kann eine Wahlinitiierung nie zwingend, sondern stets nur für den Regelfall eine tatsächliche Wahldurchführung nach sich ziehen. Nicht von diesem Begriffsverständnis erfasst werden sollen hingegen bloße, wahlvorbereitende Handlung, wie etwa die Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX oder die Anforderung von Arbeitgeberunterlagen zur Prüfung von Schwellenwerten. Ebenfalls nicht mit der Wahlinitiierung gleichzusetzen sind die förmliche Einleitung3 und der Beginn4 der Wahl.
III. Wahlinitiierungsberechtigte Organe Eine aktive Beteiligung am Wahlprozess der Schwerbehindertenvertretungswahl ist generell nicht für jedermann möglich, sondern auf bestimmte, in der Regel in den Wahlvorschriften benannte, Personen und Organe beschränkt. Diese Einengung des Personenkreises hat seine Wurzel im Wesentlichen im Grundsatz der Selbstorganisation und gilt selbstverständlich auch für den Akt der Wahlinitiierung. Im Folgenden soll daher geklärt werden, welche Organe zur Initiierung der Schwerbehindertenvertretungswahl berechtigt sind. Hierbei sind zunächst die ausdrücklich normierten Wahlinitiierungsberechtigten zu benennen und kurz auf etwaige Kompetenzkonflikte einzugehen. Anschließend ist auf solche Organe einzugehen, denen von der Literatur bisweilen eine Initiierungsbefugnis zuerkannt wird. Nicht Gegenstand der Untersuchung sollen dagegen solche Organe sein, deren Nichtberechtigung zur Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl zu Recht allgemein anerkannt ist. Auf gesonderte Ausführungen zur fehlenden Ini3 4
Siehe dazu unten § 8 II. 4. Siehe dazu unten § 7 I.
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
tiierungsberechtigung des Arbeitgebers, wie auch der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften5 wird daher im Folgenden verzichtet. 1. Normierte Wahlinitiierungsberechtigte Die SchwbVWO nennt in den §§ 1 und 19 lediglich vier Organe, denen ausdrücklich das Recht zur Vornahme von Wahlinitiierungshandlungen eingeräumt ist.6 Neben der amtierenden Schwerbehindertenvertretung besitzen danach auch der Betriebsrat, eine Gruppe von mindestens drei aktiv7 Wahlberechtigten und das örtliche zuständige Integrationsamt8 eine Wahlinitiierungsbefugnis. 2. Gesamtschwerbehindertenvertretung In der Literatur wird verschiedentlich die Auffassung vertreten, neben diesen genannten Organen sei mitunter auch die Gesamtschwerbehindertenvertretung zur Wahlinitiierung befugt. Dies wird jedenfalls für den Fall angenommen, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung in dem betreffenden Betrieb nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 2 SGB IX anstelle der nicht vorhandenen Schwerbehindertenvertretung tätig wird.9 Daneben erscheint es denkbar, dass eine etwaige Gesamtschwerbehindertenvertretung generell auch dann initiierungsbefugt ist, 5 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 203; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 32; Kamm/ Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 74; Kohte, ZSR-Sonderheft 2005, 7, 13; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/MajerskiPahlen, SGB IX, § 94 Rn. 35 und SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23; Süllwold, ZBVR 2002, 190, 191. Vgl. BAG vom 29.07. 2009, 7 ABR 25/08, NZA 2009, 1221, 1222; OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04. 2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 22; VG Ansbach vom 04.09.1995, AN 8 P 94.02216, PersV 1995, 371, 372. 6 Siehe zu den verschiedenen Wahlinitiierungshandlungen unten § 6 IV. 1. bis 4. 7 Der Wortlaut der §§ 1 und 19 SchwbVWO spricht zwar lediglich von „Wahlberechtigten“ ohne zu spezifizieren, ob damit aktiv und/oder passiv Wahlberechtigte gemeint sind, jedoch ist angesichts der in § 94 SGB IX klar durchgehaltenen Trennung in „wahlberechtigte“ (vgl. § 94 Abs. 2 SGB IX) und „wählbare“ (vgl. § 94 Abs. 3 SGB IX) Personen ist davon auszugehen, dass mit den in §§ 1 und 19 SchwbVWO genannten „Wahlberechtigten“ lediglich die aktiv wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen gemeint sein dürften. 8 Für das förmliche Wahlverfahren enthält § 1 SchwbVWO keine eigenständige Einräumung der Wahlinitiierungsbefugnis für das Integrationsamt, sondern stellt in § 1 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO lediglich klar, dass das bereits aus § 94 Abs. 6 Satz 4 SGB IX resultierende Wahlinitiierungsrecht unberührt bleibt. 9 Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 34 und § 97 Rn. 12; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 85. Ebenso wohl auch: Düwell, in: Dau/ Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 62, der die Gesamtschwerbehindertenvertretung als
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wenn mehrere Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX neu zusammengefasst wurden. Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob der Gesamtschwerbehindertenvertretung tatsächlich eine Initiierungsbefugnis zusteht. Dabei soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob bereits eine originäre Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung besteht, aus der sich eine Initiierungsbefugnis ableiten lässt. Anschließend ist die kommissarische Aufgabenwahrnehmung nach § 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob sich aus dieser auch eine Berechtigung zur Wahlinitiierung ergibt. a) Wahlinitiierung als überbetrieblich regelungsbedürftige Aufgabe Ausgangspunkt einer originären Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung für die Wahlinitiierung wäre die Aufgabenzuweisung des § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 SGB IX. Danach hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung die Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten in solchen Angelegenheiten wahrzunehmen, die das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe des Arbeitgebers betreffen. Zuständigkeitsvoraussetzung ist daneben, dass diese Angelegenheiten von den örtlichen Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe nicht selbst geregelt werden können. Für eine Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung für die Wahlinitiierung wäre somit eine Überbetrieblichkeit dieser Angelegenheit erforderlich. aa) Auf einen Betrieb beschränkter Wahlbezirk Schwerbehindertenvertretungswahlen sind aber grundsätzlich hinsichtlich ihres Wahlbezirks auf den jeweiligen Betrieb beschränkt. Folglich handelt es sich auch im Fall einer diesbezüglichen Wahlinitiierung nicht um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe oder gar den Gesamtbetrieb beträfe. Für den Regelfall einer auf einen Betrieb beschränkten Wahl kann daher keine originäre Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 SGB IX gegeben sein. bb) Wahl in zusammengefassten Betrieben Anders gestaltet sich die Situation dagegen in solchen Betrieben, die nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu einem gemeinsamen Wahl- und Vertretungsbezirk zusammengefasst worden sind. Wie bereits dargestellt, lässt die Zusammenfassungsentscheidung den Begriff des Betriebs formal unberührt.10 Die Initiierung Wahlinitiant jedoch nur im Zusammenhang mit dem vereinfachten Wahlverfahren erwähnt. 10 Siehe dazu oben § 3 III. 3.
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einer Schwerbehindertenvertretungswahl in zusammengefassten Betrieben betrifft also in tatsächlicher Hinsicht eine Mehrzahl von Betrieben. Damit stellt die Wahlinitiierung insoweit eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit i. S. d. § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 U-Alt. 1 SGB IX dar. Voraussetzung einer originären Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 SGB IX wäre des Weiteren, dass die betreffende Angelegenheit nicht von den Schwerbehindertenvertretungen der Betriebe geregelt werden könnte. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist danach zu unterscheiden, ob in dem zusammengefassten Wahl- und Vertretungsbezirk eine gemeinsam gewählte Schwerbehindertenvertretung existiert oder eine erstmalige Wahl noch aussteht. (1) Erstmalige Wahl Im Fall einer erstmals durchzuführenden Wahl in einem neu zusammengefassten Betrieb dürften häufig keinerlei örtliche Schwerbehindertenvertretungen existieren. Schließlich soll die Wahl einer derartigen, spezifischen Interessenvertretung überhaupt erst durch die Zusammenfassung ermöglicht werden. Eine Wahlinitiierung durch nichtexistente örtliche Schwerbehindertenvertretungen ist jedoch in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Eine örtliche Regelbarkeit i. S. d. § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 U-Alt. 2 SGB IX scheidet in diesen Fällen somit aus. Existiert dagegen in den nunmehr zusammengefassten Betrieben eine örtliche Schwerbehindertenvertretung, weil deren Betrieb bereits vor der Zusammenfassung die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erfüllte, ist dieser gleichwohl eine Regelung der Angelegenheit unmöglich. Einer solchen Schwerbehindertenvertretung fehlte nämlich das Recht, Handlungen zu vollziehen, die sich auf die Schwerbehinderten anderer Betriebe auswirken.11 Die im Wege der Zusammenfassung auf mehrere Betriebe ausgedehnte Vertretungsbefugnis kann nämlich nur für sich beanspruchen, wer auch von den Wahlberechtigten des vergrößerten Wahl- und Vertretungsbezirk gewählt wurde. Eine gemeinsame Zuständigkeit für mehrere Betriebe besteht somit auch bei einer Zusammenfassung erst im Fall einer hiernach durchgeführten Wahl. Einer noch bestehende örtliche Schwerbehindertenvertretung wäre es somit in rechtlicher Hinsicht unmöglich, eine über ihren Vertretungsbezirk hinaus Wirkung entfaltende Handlung wie die Wahlinitiierung zu vollziehen. Auch insoweit wäre somit eine örtliche Regelbarkeit i. S. d. § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 U-Alt. 2 SGB IX zu verneinen. 11 Hiervon zu trennen ist die Möglichkeit, dass die einzig existierende örtliche Schwerbehindertenvertretung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 SGB IX zugleich auch als Gesamtschwerbehindertenvertretung fungiert. Wird sie jedoch insoweit auch in anderen Betrieben nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 2 kommissarisch tätig, geschieht dies gerade in ihrer Funktion als Gesamtschwerbehindertenvertretung und gerade nicht als örtliche Interessenvertretung.
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Damit wären in diesen Fällen einer erstmalig durchzuführenden Schwerbehindertenvertretungswahl im neuen Wahlbezirk eine Überbetrieblichkeit und eine überbetriebliche Regelungsbedürftigkeit der Wahlinitiierung gegeben. Somit wäre für diese eine originäre Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 SGB IX zu bejahen. (2) Bestehende gemeinsame Schwerbehindertenvertretung Anders verhält es sich demgegenüber, wenn in einem durch Zusammenfassung entstandenen Wahlbezirk bereits eine Wahl erfolgreich durchgeführt und eine gemeinsame Schwerbehindertenvertretung etabliert worden ist. In diesem Fall würde zwar weiterhin eine Überbetrieblichkeit der Wahlinitiierung bestehen, jedoch wäre diese Angelegenheit dann auch durch die gewählte gemeinsame Schwerbehindertenvertretung regelbar. Insbesondere wäre diese berechtigt, eine für alle zum Wahl- und Vertretungsbezirk gehörenden Betriebe wirkende Wahlinitiierung vorzunehmen. Die Voraussetzung des § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 U-Alt. 2 SGB IX wäre somit nicht erfüllt, so dass eine Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung in diesen Fällen nicht gegeben wäre. (3) Untergang der gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung Ist die gemeinsame Schwerbehindertenvertretung dagegen zwischenzeitlich untergegangen, ist also etwa die Amtszeit abgelaufen, entfällt wiederum die örtliche Regelbarkeit der Angelegenheit. Auch in diesen Fällen wäre somit eine Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung gegeben. (4) Schlussfolgerungen Hat nach einer Zusammenfassung bisher noch keine Wahl stattgefunden oder ist eine gewählte gemeinsame Schwerbehindertenvertretung wieder untergegangen, liegt eine originäre Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 SGB IX vor. Die Gesamtschwerbehindertenvertretung hat damit die Aufgabe und darüber zugleich auch die Berechtigung, anstelle der theoretisch zuständigen örtlichen Schwerbehindertenvertretung aktiv zu werden und die Wahl zu initiieren.12 b) Kommissarische Aufgabenwahrnehmung Gemäß § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 2 SGB IX sind Gesamtschwerbehindertenvertretungen auch dazu berufen, die örtlich regelbaren Interessen derjenigen 12 Zur Begrenzung der der Gesamtschwerbehindertenvertretung offen stehenden Initiierungshandlungen siehe unten § 6 IV. 1. a).
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Schwerbehinderten zu vertreten, die in Betrieben beschäftigt sind, in denen keine Schwerbehindertenvertretung gewählt ist. Sie übt also in vertretungslosen Betrieben kommissarisch auch die Interessenvertretungsfunktion der örtlichen Schwerbehindertenvertretung aus und tritt faktisch in deren Rechte und Pflichten ein.13 Damit hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung grundsätzlich auch die Berechtigung, anstelle der nicht vorhandenen örtlichen Schwerbehindertenvertretung deren Wahl zu initiieren.14 Daraus folgt aber nicht, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung stets initiierungsbefugt wäre, wenn sie in vertretungslosen Betrieben kommissarisch tätig ist. Vielmehr ist eine auf § 97 Abs. 6 Satz 1, 1. Hs. a. E. SGB IX gestützte Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung für die Wahlinitiierung dann abzulehnen, wenn der betreffende Betrieb inzwischen mit anderen Betrieben zusammengefasst worden ist. Als kommissarisch tätige Gesamtschwerbehindertenvertretung kann sie nämlich jeweils nur anstelle der (nicht bestehenden) örtlichen Schwerbehindertenvertretung auftreten. Diese könnten ihrerseits jedoch gerade keine Wahlinitiierung vornehmen, deren Wirkung über ihren Betrieb und damit ihren Vertretungsbezirk hinausreicht. Würde man hingegen der kommissarisch tätigen Gesamtschwerbehindertenvertretung eine derartige Berechtigung zusprechen, gingen ihre Rechte deutlich über die der örtlichen Interessenvertretungen hinaus. Ein solch erweiterndes Aufgabenspektrum ist jedoch weder in § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 a. E. SGB IX angelegt noch nach Sinn und Zweck erforderlich. Über die originäre Zuständigkeit nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 SGB IX existiert schließlich im Fall zusammengefasster Betriebe bereits eine hinreichende Befugnis der Gesamtschwerbehindertenvertretung zur Initiierung der Wahl. Daher ist eine auf § 97 Abs. 6 Satz 1, 1. Hs. a. E. SGB IX gestützte Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung dann zu verneinen, wenn die betreffenden Betriebe einer Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unterfallen. c) Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung entsprechend ihrer Aufgabenzuweisungen nicht generell für die Wahl13 Vgl. Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 97 Rn. 19; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 97 Rn. 12; Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/ Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 97 Rn. 13. 14 So auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 34 und § 97 Rn. 12; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 85. Ebenso wohl auch: Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 62, der die Gesamtschwerbehindertenvertretung als Wahlinitiant jedoch nur im Zusammenhang mit dem vereinfachten Wahlverfahren erwähnt. A. A. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1. A. A. wohl auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 23, der insoweit einen Vorrang der untergesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 2 SchwbVWO im Verhältnis zu § 97 Abs. 6 SGB IX annehmen will.
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initiierung zuständig ist.15 Vielmehr besteht eine originäre Zuständigkeit nur dann, wenn in einem nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammengefassten Wahlbezirk bisher noch keine Wahl stattgefunden hat oder eine gewählte gemeinsame Schwerbehindertenvertretung wieder untergegangen ist. Daneben ist die Gesamtschwerbehindertenvertretung ausnahmsweise auch dann für die Initiierung der örtlichen Schwerbehindertenvertretungswahl zuständig, wenn sie nach § 97 Abs. 6 Satz 1, 1. Hs. a. E. SGB IX kommissarisch tätig ist.16 3. Konzernschwerbehindertenvertretung Auch der Konzernschwerbehindertenvertretung wird in der Literatur vereinzelt eine Wahlinitiierungsbefugnis zuerkannt.17 Im Folgenden soll daher geklärt werden, ob eine solche Berechtigung tatsächlich gegeben ist. Ausgangspunkt der Untersuchung soll dabei wiederum die aus der Aufgabenzuweisung folgende Zuständigkeit sein. a) Originäre Zuständigkeit Für eine originäre Zuständigkeit der Konzernschwerbehindertenvertretung gelten über § 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX die für die Gesamtschwerbehindertenvertretung maßgeblichen Anforderungen entsprechend. Erforderlich ist daher, dass es sich um eine den gesamten Konzern betreffende oder zumindest unternehmensübergreifende Angelegenheit handelt, die nicht durch die Gesamtschwerbehindertenvertretungen der jeweils betroffenen Unternehmen geregelt werden können.18 Soll eine Wahl in einem einzelnen Betrieb initiiert werden, handelt sich generell um eine nur diese Organisationseinheit betreffende und damit gerade nicht um eine unternehmensübergreifende Angelegenheit i. S. d. § 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i.V. m. Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 U-Alt. 1 SGB IX. Im Fall einer Zusammenfassung mehrerer Betriebe ist auch der neu geschaffene Wahlbezirk auf Organisa15 Zu weitgehend: Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 62, der die Gesamtschwerbehindertenvertretung offenbar für generell initiierungsbefugt hält. 16 Für die kommissarische Zuständigkeit auch: Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 34 und § 97 Rn. 12; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 85. Im Ergebnis ebenso: Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 62, der die Gesamtschwerbehindertenvertretung als Wahlinitiant jedoch nur im Zusammenhang mit dem vereinfachten Wahlverfahren erwähnt und bzgl. der Zuständigkeit keinerlei Einschränkungen vorsieht. A. A. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1. A. A. wohl auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 23. 17 So etwa Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 62, der die Konzernschwerbehindertenvertretung als Wahlinitiant jedoch nur im Zusammenhang mit dem vereinfachten Wahlverfahren erwähnt. 18 Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 97 Rn. 155. Vgl. auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 34 und § 97 Rn. 11.
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tionseinheiten des gleichen Arbeitgebers beschränkt.19 Daher kann auch im Fall einer Wahl in zusammengefassten Betrieben keine unternehmensübergreifende Angelegenheit liegen. Eine originäre Zuständigkeit der Konzernschwerbehindertenvertretung für die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl ist daher nicht gegeben. b) Kommissarische Zuständigkeit Über § 97 Abs. 6 Satz 2 i.V. m. Satz 1 Hs. 1 a. E. SGB IX hat die Konzernschwerbehindertenvertretung auch die Aufgabe, örtlich regelbare Interessen der Schwerbehinderten solcher Betriebe zu vertreten, in denen weder eine Schwerbehindertenvertretung, noch eine Gesamtschwerbehindertenvertretung besteht.20 Die Konzernschwerbehindertenvertretung kann daher auch kommissarisch als örtliche Schwerbehindertenvertretung fungieren und tritt insoweit ebenfalls in deren Rechte und Pflichten ein. Auch die Konzernschwerbehindertenvertretung kann daher ausnahmsweise befugt sein, die Wahl der örtlichen Interessenvertretung zu initiieren.21 c) Zusammenfassung Anders als bei der Gesamtschwerbehindertenvertretung besteht auf der unternehmensübergreifenden Vertretungsebene keine originäre Zuständigkeit der Konzernschwerbehindertenvertretung. Allerdings kann diese über § 97 Abs. 6 Satz 2 i.V. m. Satz 1 Hs. 1 a. E. SGB IX ausnahmsweise dann initiierungsbefugt sein, wenn für diesen Betrieb weder eine örtliche Schwerbehindertenvertretung noch eine Gesamtschwerbehindertenvertretung zuständig ist. 4. Gesamtbetriebsrat Wenngleich auch der Gesamtbetriebsrat nicht in den Wahlvorschriften des SGB IX und der SchwbVWO erwähnt ist, wird in der Literatur weitgehend die Ansicht vertreten, auch dieser sei zur Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl befugt.22 Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob dem Gesamtbetriebsrat tatsächlich eine solche Wahlinitiierungsberechtigung zusteht. 19 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 84; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 10; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 31. 20 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, Lief. 2/08, Stand: März 2008, § 97 Rn. 80. 21 Im Ergebnis ebenso Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 62, der nicht näher differenziert, sondern ganz allgemein von einer Initiierungsbefugnis ausgeht. Dereinst auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, Lief. 2/08, Stand: März 2008, § 97 Rn. 97, der diese Auffassung jedoch inzwischen aufgegeben zu haben scheint (vgl. nur in Bezug auf die Gesamtschwerbehindertenvertretung: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 23).
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Mangels expliziter Erwähnung in den schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Normen kann eine solche Berechtigung allenfalls aus den für den Gesamtbetriebsrat maßgeblichen Vorschriften des BetrVG resultieren.23 Zwar findet sich dort keine Regelung zur Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl, jedoch bieten die Regelungen des § 50 BetrVG einen Ansatzpunkt. Die Aufgabenstellung einer auf höherer Entscheidungsebene angesiedelten Stufenvertretung leitet sich nämlich von den Rechten und Pflichten derjenigen Entscheidungsträger ab, zu deren Machtbegrenzung sie gebildet sind.24 Daraus folgt, dass dem Gesamtbetriebsrat auch die Wahlinitiierungsberechtigung der örtlichen Betriebsräte zusteht, soweit er an deren Stelle zuständig ist.25 Ein dahingehendes Tätigwerden des Gesamtbetriebsrats setzt somit stets voraus, dass dieser auch sachlich zuständig ist.26 a) Originäre Zuständigkeit Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist in § 50 Abs. 1 BetrVG geregelt. Danach setzt die Zuständigkeit voraus, dass die zu regelnde Angelegenheit das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe des Unternehmens betrifft. Daneben ist nach § 50 Abs. 1 BetrVG Voraussetzung, dass diese Angelegenheit nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer jeweiligen Betriebe geregelt werden könnte. Nur wenn die Überbetrieblichkeit und die fehlende betriebliche Regelbarkeit kumulativ vorliegen, ist der Gesamtbetriebsrat originär zuständig.27 aa) Auf einen Betrieb beschränkter Wahlbezirk Wie bereits dargelegt, ist der Wahlbezirk einer Schwerbehindertenvertretungswahl im Regelfall auf einen Betrieb beschränkt.28 Die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl stellt in diesen Fällen somit keine Angelegenheit dar, die mehrere Betriebe oder gar das Gesamtunternehmen beträfe, so dass eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats im Regelfall nicht gegeben ist. 22 Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 93 Rn. 17. Einschränkend: Christians, in: GK-SGB IX, § 93 Rn. 48. Wohl auch: Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 93 Rn. 17, der die Zuständigkeit der überörtlichen allgemeinen Interessenvertretungen im Abschnitt über das Hinwirken auf die Wahl erörtert. 23 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 93 Rn. 9. 24 Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 93 Rn. 7. 25 In dieser Richtung auch: Christians, in: GK-SGB IX, § 93 Rn. 48. 26 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 73. 27 BAG vom 26.01.1993, 1 AZR 303/92, AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972; BAG vom 14.12.1999, 1 ABR 27/98, AP Nr. 104 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG vom 03.05.2006, 1 ABR 15/05, AP Nr. 29 zu § 50 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 50 Rn. 16; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 21. 28 Siehe dazu nur oben § 6 III. 2. a) aa).
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bb) Zusammengefasste Betriebe Anders ist die Überbetrieblichkeit zu beurteilen, wenn der Wahlbezirk aus mehreren nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammengefassten Betrieben besteht. In diesem Fall beschränkt sich die Wirkung der Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl nämlich gerade nicht nur auf einen Betrieb.29 Vielmehr betrifft eine solche Angelegenheit zwangsläufig mehrere Betriebe i. S. d. § 50 Abs. 1 Hs. 1 Alt. 2 BetrVG. Gleichzeitig wäre die Initiierung in diesem Fall auch nicht von den örtlichen Betriebsräten regelbar. Diesen ist es schließlich rechtlich verwehrt, Handlungen mit Wirkung zugunsten solcher Betriebe vorzunehmen, die nicht zu ihrem Vertretungsbezirk gehören.30 Eine entsprechende Initiierung hätte jedoch nicht nur durch das Ingangsetzen der Wahl an sich Auswirkungen auf andere Betriebe. Vielmehr müsste ein als Wahlinitiiant auftretender örtlicher Betriebsrat zur Prüfung der Voraussetzungen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auch Informationen über Personen abfragen, die räumlich außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs beschäftigt werden. Die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl in zusammengefassten Betrieben ist seitens der örtlichen Betriebsräte somit rechtlich nicht möglich. Dementsprechend ist der Gesamtbetriebsrat ausnahmsweise dann nach § 50 Abs. 1 BetrVG für die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl zuständig, wenn mehrere Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammenfasst wurden. In diesen Fällen steht dann dem Gesamtbetriebsrat die grundsätzlich den örtlichen Betriebsräten nach § 1 Abs. 2 bzw. § 19 Abs. 2 SchwbVWO eingeräumte Wahlinitiierungsberechtigung zu. b) Zuständigkeit kraft Auftrags Neben der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung sieht § 50 Abs. 2 BetrVG für die örtlichen Betriebsräte die Möglichkeit vor, einzelne Angelegenheiten kraft Auftrags auf den Gesamtbetriebsrat zu übertragen. Dementsprechend kann ein Gesamtbetriebsrat auch dann für die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl zuständig sein, wenn zwar die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 BetrVG nicht gegeben sind, er jedoch von dem insoweit initiierungsbefugten Betriebsrat beauftragt wurde. Allgemein wird jedoch davon ausgegangen, dass eine Beauftragung des Gesamtbetriebsrats nur für bestimmte, konkret benannte Angelegenheiten möglich und eine Übertragung ganzer Sachgebiete oder Zuständigkeitsbereiche ausge29
Siehe dazu oben § 6 III. 2. a) bb). Vgl. dazu auch Döring, DB 1980, 689, 690 f.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 28 und 36. 30
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schlossen ist.31 Eine gesetzlich dem Betriebsrat zugesprochene Zuständigkeit darf daher nicht generell an den Gesamtbetriebsrat abgeschoben werden.32 Daher scheidet auch eine generelle Beauftragung des Gesamtbetriebsrats mit der Initiierung der Schwerbehindertenvertretungswahlen aus. Vielmehr kommt eine Beauftragung im Hinblick auf die Wahlinitiierung nur für den jeweils eigenständig zu entscheidenden Einzelfall in Betracht.33 Träger der jeweiligen Rechte bleibt jedoch auch im Fall der Beauftragung stets der örtliche Betriebsrat.34 Folglich wird durch eine im Einzelfall vorgenommene Beauftragung keine eigenständige Wahlinitiierungsbefugnis des Gesamtbetriebsrats begründet. Vielmehr wird für diesen lediglich die Möglichkeit eröffnet, die Wahlinitiierung im Namen des hierzu befugten örtlichen Betriebsrats auszuüben.35 Dementsprechend lässt sich aus § 50 Abs. 2 BetrVG weder über eine generelle, noch eine im Einzelfall vorgenommene Beauftragung eine eigenständige Wahlinitiierungsbefugnis des Gesamtbetriebsrats herleiten. Durch eine Beauftragung kann er daher nicht selbst zum initiierungsberechtigten Organ werden. c) Zuständigkeit nach § 17 Abs. 1 BetrVG analog Ungeachtet der Regelungen des § 50 BetrVG wäre es auch denkbar, eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats aus einer analogen Anwendung des § 17 Abs. 1 BetrVG herzuleiten. Das Vorliegen einer Regelungslücke erscheint vor dem Hintergrund des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung36 insoweit durchaus möglich.37 Dagegen ist eine solche Analogie sowohl hinsichtlich der Planwidrigkeit als auch in Bezug auf die teleologische Vergleichbarkeit der betreffenden Konstellationen zweifelhaft. aa) Planwidrigkeit Im Hinblick auf die Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke kommt dem Grundsatz der Selbstorganisation tragende Bedeutung zu. Danach sollen sowohl Wahldurchführung als auch Wahlinitiierung grundsätzlich von den betroffe31 BAG vom 26.01.1993, 1 AZR 303/92, AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972; LAG Düsseldorf vom 03.07.2002, 12 TaBV 22/02, NZA-RR 2003, 83, 84; Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 50 Rn. 54; Fitting, BetrVG, § 50 Rn. 65; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 50 Rn. 9; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 66; Rieble, RdA 2005, 26, 29; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 50 Rn. 192. 32 Fitting, BetrVG, § 50 Rn. 65; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 66. 33 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 66; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 50 Rn. 192. 34 Fitting, BetrVG, § 50 Rn. 71; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 50 Rn. 191. 35 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 50 Rn. 56. 36 Siehe allgemein zu diesem Grundsatz § 2 IV. 1. a). 37 Siehe dazu insbesondere § 6 IV. 2. b) aa) (1).
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nen wahlberechtigten Beschäftigten bzw. von einem von ihnen demokratisch legitimierten Organ ausgehen.38 Von diesem Grundsatz wollte der Normgeber ganz bewusst nur in wenigen Punkten Ausnahmen ermöglichen, um die aus der Selbstorganisation folgenden Identifikation der Wählerschaft mit der Wahl an sich und mit den zu wählenden Repräsentanten zu verstärken und dadurch die Wahlbeteiligung und den damit korrespondierenden demokratischen Rückhalt zu verbessern.39 Aus diesem Grund wurde auch nur das hoheitlich für Schwerbehinderte zuständige Integrationsamt als einzig externes initiierungsberechtigtes Organ vorgesehen. Allen anderen vom Normgeber etablierten Initianten sind in den Fällen ihrer Zuständigkeit entweder selbst demokratisch legitimiert40 oder von Gesetzes wegen zur Vertretung der betreffenden schwerbehinderten Beschäftigten berufen.41 Seitens des Normgebers wurde die Wahl damit streng am Grundsatz der Selbstorganisation ausgerichtet.42 Mit einer solchen auf Selbstorganisation zentrierten Wahlkonzeption wäre es jedoch schwer vereinbar, wenn mit dem Gesamtbetriebsrat ein Organ initiierungsberechtigt wäre, das weder von der sonstigen Belegschaft des betroffenen Betriebs demokratisch legitimiert43 noch anderweitig gesetzlich zur Vertretung der schwerbehinderten Beschäftigten berufen ist.44 Dementsprechend dürfte eine über die gesetzlichen Zuständigkeiten des Gesamtbetriebsrats45 hinausgehende, vollumfängliche Initiierungsberechtigung mit der im Grundsatz der Selbstorganisation verfestigten normgeberischen Intention nicht im Einklang stehen. Aus diesem Grund erscheint die fehlende Erwähnung des im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl nur in den gesetzlichen Zuständigkeitsgrenzen legitimierten Gesamtbetriebsrats nicht als planwidrig. bb) Teleologische Vergleichbarkeit der Konstellationen Lenkt man den Blick auf die § 17 Abs. 1 BetrVG zugrunde liegende Zielsetzung des Normgebers fehlt es überdies auch an der Vergleichbarkeit der betref38
Siehe dazu oben § 2 IV. 3. a). Vgl. zur starken Betonung der Selbstorganisation bei der Betriebsratswahl: Jacobs, Wahlvorstände, S. 132 f. 40 So etwa die scheidende Schwerbehindertenvertretung und teilweise auch der Betriebsrat. Die ebenfalls initiierungsberechtigte Gruppe von mindestens drei schwerbehinderten Beschäftigten entspringt bereits selbst dem Kreis der Wahlberechtigten, so dass es für diese keiner gesonderten demokratischen Legitimation bedarf. 41 So etwa die originär oder kommissarisch zuständige Gesamtschwerbehindertenvertretung oder der im Fall der Zusammenfassung ausnahmsweise originär zuständige Gesamtbetriebsrat. 42 Siehe dazu auch oben § 2 IV. 3. a) bis c). 43 Im Fall des Vorhandenseins eines örtlichen Betriebsrats wäre der Gesamtbetriebsrat auch nach § 17 Abs. 1 BetrVG analog nicht initiierungsberechtigt, weil danach nur eine streng subsidiäre Zuständigkeit gegeben ist. 44 Siehe dazu oben § 6 III. 2. und 3. 45 Siehe dazu oben § 6 III. 4. a) und b). 39
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fenden Konstellationen. In Bezug auf die Initiierungsberechtigung des § 17 Abs. 1 BetrVG war es nämlich Intention des Gesetzgeber dem Gesamtbetriebsrat ein Mittel an die Hand zu geben, auf die Vervollständigung seinen strukturellen „Unterbaus“ hinzuwirken.46 Hierdurch soll der Gesamtbetriebsrat die Möglichkeit haben, perspektivisch in allen Betrieben für die ihm zunächst noch teilweise fehlende demokratischen Legitimation zu sorgen.47 Im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl ist jedoch zu manifestieren, dass weder die Wahl der örtlichen Vertrauensperson noch die darauf aufbauenden Wahlen der Stufenvertretungen geeignet sind, eine irgendwie geartete demokratische Legitimation des Gesamtbetriebsrats zu bewirken. Diese Zielsetzung der zukünftigen Untermauerung der eigenen Legitimation kann also bei der Wahl nach § 94 SGB IX gerade nicht Platz greifen. Somit weist der Telos der Sonderregelung des § 17 Abs. 1 BetrVG einen essentiellen Unterschied auf. Bedenkt man zudem noch die Unterschiede im Hinblick auf die allgemeine demokratische Legitimation bzw. die gesetzliche Vertretungszuständigkeit,48 lässt sich eine Wesensgleichheit der von § 17 Abs. 1 BetrVG unmittelbar erfassten Konstellationen und der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht bejahen. cc) Schlussfolgerungen Angesichts der Tatsache, dass eine etwaig bestehende Regelungslücke mit Blick auf den Grundsatz der Selbstorganisation als nicht planwidrig anzusehen ist und die von § 17 Abs. 1 BetrVG erfasste Konstellation auch in teleologischer Hinsicht nicht als wesengleich einzustufen ist, scheidet eine Analogie zu dieser Vorschrift vorliegend aus. Somit lässt sich auch auf diese Vorschrift keine generelle Initiierungsberechtigung des Gesamtbetriebsrats stützen. d) Zusammenfassung Entgegen der teilweise in der Literatur zu findenden Auffassung49 besteht für den Gesamtbetriebsrat keine pauschal zu bejahende Berechtigung zur Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl. Vielmehr kann ihm eine solche nur im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeiten zustehen.50 Eine solche ist im Re46
Däubler, AuR 2001, 1, 2; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 6. Vgl. zur fehlenden demokratischen Legitimation des Gesamtbetriebsrats bei der Wahlinitiierung nach § 17 Abs. 1 BetrVG: Buchner, NZA 2001, 633, 636; Hanau, RdA 2001, 66, 69; Konzen, RdA 2001, 76, 85; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 6; Rieble, ZIP 2001, 133, 135; Schiefer/Korte, NZA 2001, 71, 78. Vgl. dazu auch Schiefer/Korte, NZA 2002, 57, 62. 48 Siehe dazu soeben oben § 6 III. 4. c) aa). 49 Pauschal die Zuständigkeit der Stufenvertretungen bejahend: Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 93 Rn. 17. 50 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 93 Rn. 14; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 93 Rn. 1; Christians, in: GK-SGB IX, § 93 Rn. 48. 47
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gelfall eines auf einen Betrieb beschränkten Wahlbezirks jedoch nicht gegeben. Lediglich im Fall der Zusammenfassung mehrerer Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist der Gesamtbetriebsrat originär zuständig. Er kann also auch nur in dieser Ausnahmekonstellation von der sonst dem Betriebsrat eingeräumten Wahlinitiierungsbefugnis Gebrauch machen.51 5. Konzernbetriebsrat Auch für den Konzernbetriebsrat kann sich eine Berechtigung zur Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl mangels expliziter Erwähnung in SGB IX und SchwbVWO allenfalls aus den Vorschriften des BetrVG ergeben.52 Ausgangspunkt sind auch hier die für das Organ geltende Aufgaben- und Zuständigkeitsregelungen, die sich für den Konzernbetriebsrat in § 58 BetrVG finden. a) Originäre Zuständigkeit Gemäß § 58 Abs. 1 BetrVG ist der Konzernbetriebsrat nur für die Behandlung solcher Angelegenheiten zuständig, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Wie bereits dargestellt, beschränkt sich die Initiierung und Durchführung einer Schwerbehindertenvertretungswahl in der Regel auf einen einzelnen Betrieb, so dass es häufig bereits an einer Überbetrieblichkeit fehlt.53 Im Fall einer Zusammenfassung sind zwar mehrere Betriebe betroffen, diese müssen aber stets zum selben Arbeitgeber gehören.54 Daher ist selbst in diesem Fall keine unternehmensübergreifende Angelegenheit gegeben. Folglich scheidet eine originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats generell aus. b) Zuständigkeit kraft Auftrags Eine Zuständigkeit kraft Auftrags ist gemäß § 58 BetrVG auch zugunsten des Konzernbetriebsrats möglich, so dass auf diesem Weg eine Initiierungsbefugnis 51 In dieser Richtung, jedoch zu allgemein auf die Überbetrieblichkeit abstellend: Christians, in: GK-SGB IX, § 93 Rn. 48. In allgemeiner Weise den Aktionsradius der Stufenvertretungen auf deren Zuständigkeit beschränkend: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 93 Rn. 14; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 93 Rn. 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 93 Rn. 17. 52 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 93 Rn. 9. Siehe dazu auch zum Gesamtbetriebsrat oben § 6 III. 4. 53 Siehe dazu oben § 6 III. 2. a) aa) und § 6 III. 4. a) aa). 54 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 4a; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 84; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 18; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 10; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 31.
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denkbar wäre. Dafür wäre aber zunächst erforderlich, dass der beauftragende Gesamtbetriebsrat seinerseits zur Initiierung der Schwerbehindertenvertretungswahl berechtigt ist. Damit kann eine solche überhaupt nur erfolgen, wenn die Wahl in zusammengefassten Betrieben stattfinden soll oder aber bereits der Gesamtbetriebsrat beauftragt wurde. Aber auch dann bliebe das beauftragende Organ Träger der auszuübenden Initiierungsbefugnis. Der Konzernbetriebsrat würde somit nur die dem Beauftragenden Gremium zustehende Berechtigung in dessen Namen ausüben. Eine eigenständige Berechtigung des Konzernbetriebsrats zur Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl kann daher auch über § 58 Abs. 2 BetrVG nicht entstehen. c) Zusammenfassung Anders als beim Gesamtbetriebsrat kann zugunsten des Konzernbetriebsrats keine originäre Zuständigkeit für die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl bestehen. Damit ergibt sich aus § 58 Abs. 1 BetrVG keine Initiierungsbefugnis. Im Ausnahmefall einer Beauftragung nach § 58 Abs. 2 BetrVG verfügt er ebenfalls über keine eigenständige Initiierungsbefugnis. Folglich kann er – entgegen der verbreiteten Auffassung in der Literatur55 – nie zum Personenkreis der zur Wahlinitiierung berechtigten Organe zählen.
IV. Die einzelnen Wahlinitiierungshandlungen In den einschlägigen Wahlvorschriften sind ausdrücklich drei Formen von Wahlinitiierungshandlungen vorgesehen, deren Anwendung vom anzuwendenden Wahlverfahren und des die Handlung vornehmenden Initianten abhängt. Namentlich sind dies die Bestellung des Wahlvorstands, die Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstands und die Einladung zur Wahlversammlung. Nach der hier vertretenen Auffassung besteht durch analoge Anwendung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften zusätzlich die Möglichkeit der gerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands. Diese ist ebenfalls als eigenständige Initiierungshandlung zu qualifizieren.56 55 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 93 Rn. 14; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 93 Rn. 17; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 93 Rn. 17; Christians, in: GK-SGB IX, § 93 Rn. 48, die allesamt nicht näher nach der Zuständigkeit der einzelnen Stufenvertretungen differenzieren und dadurch übersehen, dass die Konzernbetriebsräte gerade nicht für die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretung zuständig sind. 56 Siehe aber zur Nachrangigkeit dieser Initiierungshandlung: § 6 IV. 3. c) aa) und bb) und § 7 II. 2. a) bb).
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
Angesichts der grundlegenden Bedeutung der Initiierung für den Wahlprozess an sich, sollen die einzelnen Wahlinitiierungshandlungen im Folgenden ausführlich durchleuchtet werden. Ausgangspunkt wird dabei zunächst die auf die jeweilige Handlung bezogene Initiierungsberechtigung sein. Anschließend ist auf die einzelnen Voraussetzungen der Vornahme der betreffenden Initiierungshandlungen einzugehen. Sodann muss auch der für die Handlung maßgebliche Inhalt fixiert werden, um hierauf aufbauend feststellen zu können, wann die Initiierungshandlung wirksam vorgenommen und auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, wenn zeitlich an die Initiierung angeknüpft wird. 1. Bestellung des Wahlvorstands durch bisherigen Amtsinhaber Die Bestellung des Wahlvorstands kommt als Initiierungshandlung ausschließlich im Anwendungsbereich des förmlichen Wahlverfahrens in Betracht und ist dort als Regelfall konzipiert.57 Im vereinfachten Verfahren ist ein Wahlvorstand dagegen gar nicht vorgesehen, so dass dessen Bestellung als Initiierungshandlung dort per se ausscheidet. a) Abstrakte Vornahmeberechtigung Von den wahlinitiierungsberechtigten Organen ist prinzipiell nur die noch amtierende örtliche bzw. gemeinsame58 Schwerbehindertenvertretung befugt, die Bestellung des Wahlvorstands als Initiierungshandlung vorzunehmen. Nach der hier vertretenen Auffassung kann jedoch anstelle der örtlichen Schwerbehindertenvertretung ausnahmsweise auch die Gesamt- oder gar die Konzernschwerbehindertenvertretung für die Wahlinitiierung zuständig sein.59 Daraus erwächst die Frage, ob diese Stufenvertretungen auch hinsichtlich der konkreten Initiierungshandlung an die Stelle der Schwerbehindertenvertretung treten oder ob ihnen aus teleologischen Gründen nur eine inhaltlich abgeschwächte Initiierungsbefugnis zusteht. Um sich dem zu nähern, ist zunächst zu klären, warum die Möglichkeit der unmittelbaren Bestellung des Wahlvorstands in § 1 Abs. 1 SchwbVWO auf die bisherige Schwerbehindertenvertretung beschränkt wurde. Anschließend sollen die insoweit maßgeblichen Grundsätze auf die zu untersuchende Frage angewendet und dadurch geklärt werden, ob auch die Gesamtschwerbehindertenvertretung eine unmittelbare Bestellung des Wahlvorstands vorzunehmen berechtigt ist. 57
Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 2. Im Fall einer nach Zusammenfassung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX erfolgten Wahl, ist die insoweit gewählte Interessenvertretung richtigerweise nicht als örtliche, sondern als gemeinsame Schwerbehindertenvertretung zu bezeichnen. 59 Siehe dazu ausführlich oben § 6 III. 2. und 3. 58
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aa) Bedeutung der Personenauswahlentscheidung Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sämtliche zum Wahlvorstand berufenen Personen ihre Aufgabe gewissenhaft und im Einklang mit der Rechtsordnung ausüben, so dass es theoretisch gleichgültig wäre, wer als Wahlvorstandsmitglied eingesetzt wird. Allerdings obliegen dem Wahlvorstand auch eine Reihe von Ermessensentscheidungen, die je nach personeller Zusammensetzung des Wahlvorstands unterschiedlich ausfallen und sich damit auf das Wahlergebnis auswirken können.60 Insofern ist die Auswahl der zum Wahlvorstand zu bestellenden Personen in praktischer Hinsicht nicht unbedeutend. Für den Wahlvorstand der Schwerbehindertenvertretungswahl gilt dies umso mehr. Schließlich hat dieser mit verbindlicher Wirkung auch über die generelle Durchführung einer schriftlichen Stimmabgabe61 oder die Zahl der zu wählenden Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung62 zu bestimmen. Er trifft damit Entscheidungen, die allein in seinem Ermessen liegen, die jedoch für die Wahl von essentieller Bedeutung sind. bb) Erforderlichkeit einer Legitimationskette Angesichts dieser Tragweite der Personenauswahlentscheidung darf diese nach dem Grundsatz der Selbstorganisation grundsätzlich nur durch die Betroffenen, also die schwerbehinderten Beschäftigten selbst vorgenommen werden.63 Lediglich zur Vermeidung eines sonst mehrstufigen Wahlvorgangs hat der Normgeber hiervon Abstriche zugelassen.64 Prämisse ist dabei jedoch, dass dem Grundsatz der Selbstorganisation zumindest über eine Legitimationskette Rechnung getragen wird. Das mit der Personenauswahlentscheidung betraute Organ muss also von den Wahlberechtigten zumindest mittelbar demokratisch legitimiert worden sein. Hinsichtlich der bisherigen Schwerbehindertenvertretung ist dies gerade durch die vorhergehende Wahl geschehen, so dass deren Bestellberechtigung mit dem Grundsatz der Selbstorganisation vereinbar ist. Die anderen in § 1 SchwbVWO genannten, initiierungsbefugten Organe besitzen demgegenüber keinen direkt von den Wahlberechtigten65 ausgehenden demokratischen Rückhalt und 60 Für die Betriebsratswahl ausdrücklich: BAG vom 14.09.1988, 7 ABR 93/87, AP Nr. 1 zu § 16 BetrVG 1972; BAG vom 31.05.2000, 7 ABR 78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; LAG Hessen vom 06.02.2003, 9 TaBV 96/02, NZA-RR 2004, 27, 27 f.; LAG Baden-Württemberg vom 04.07.2007, 2 TaBV 3/06; Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 108; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 19. A. A. Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 25; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rn. 48. Vgl. für die Aufsichtsratswahl: Wissmann, in: MüArbR, § 280 Rn. 38. 61 Siehe dazu unten § 8 II. 3. 62 Siehe dazu unten § 8 II. 2. 63 Vgl. dazu auch § 20 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO, der die Entscheidung über die Stellvertreterzahl im vereinfachten Wahlverfahren der Wahlversammlung überträgt. 64 Vgl. Amtl. Begr. zu § 1 WO, BR-Drs. 290/75. 65 Auch dem Betriebsrat fehlt die notwendige demokratische Legitimation, weil der Kreis der jeweils aktiv Wahlberechtigten nur partiell deckungsgleich ist.
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
wurden daher konsequenterweise nicht zur unmittelbaren Bestellung des Wahlvorstands ermächtigt.66 cc) Vornahmeberechtigung der Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX Auch der Gesamt- bzw. der Konzernschwerbehindertenvertretung fehlt im Fall ihrer Initiierungsberechtigung eine umfassende demokratische Legitimation. In Bezug auf die kommissarischen Zuständigkeit nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 2 SGB IX (ggf. i.V. m. § 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX) folgt dies bereits aus der tatbestandlich erforderlichen Vertretungslosigkeit des betreffenden Betriebs.67 Aber auch bei originärer Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung nach § 97 Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 SGB IX fehlt eine umfassende Legitimation hinsichtlich aller zusammengefassten Betriebe.68 Voraussetzung einer Zusammenfassung ist schließlich, dass zumindest einer der betroffenen Organisationseinheiten gerade nicht eigenständig die Wahlvoraussetzungen erfüllt und damit zwangsläufig vertretungslos ist. Hinsichtlich dieser Betriebe fehlt dann aber die nötige Legitimation der Gesamtschwerbehindertenvertretung. Eine unmittelbare Bestellbefugnis der Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX würde somit wegen der Defizite in deren demokratischer Legitimation zu einer Verletzung des Grundsatzes der Selbstorganisation führen. Unabhängig davon würde eine Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 SchwbVWO auf die Gesamt- bzw. die Konzernschwerbehindertenvertretung zu nicht unerheblichen systematischen Widersprüchen führen. Diese zeigen sich vornehmlich an der dort genannten Frist von sechs Wochen vor Ende der Amtszeit. Diese Fristenregelung läuft nämlich hinsichtlich der Stufenvertretung völlig leer, weil es bei deren Zuständigkeit gerade an der Amtszeit einer örtlichen Schwerbehindertenvertretung fehlt. Sowohl mit Blick auf den Grundsatz der Selbstorganisation als auch aus systematischen Gründen muss die der Gesamt- bzw. der Konzernschwerbehindertenvertretung zustehende Initiierungsbefugnis daher einer inhaltlichen Beschränkung unterliegen. Der Stufenvertretung steht danach gerade nicht die Handlungsoption des § 1 Abs. 1 SchwbVWO zu. Vielmehr richtet sich ihre Initiierungs66 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 93 Rn. 25; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 23 Rn. 5; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 203; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 83. 67 Vgl. Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 28. Vgl. auch zur fehlenden Legitimation des Gesamtbetriebsrat im Hinblick auf die Initiierung der Betriebsratswahl nach § 17 Abs. 1: Buchner, NZA 2001, 633, 636; Hanau, RdA 2001, 66, 69; Konzen, RdA 2001, 76, 85; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 6; Rieble, ZIP 2001, 133, 135; Schiefer/Korte, NZA 2001, 71, 78. 68 Wie bereits dargelegt ist eine originäre Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung nur bei Zusammenfassung von Betrieben nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX möglich.
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befugnis – ebenso wie bei den übrigen nicht hinreichend demokratisch legitimierten Initianten – auf die Möglichkeit der Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO. b) Vornahmevoraussetzungen Die Vornahme der Bestellung des Wahlvorstands ist grundsätzlich nicht an das Vorliegen zusätzlicher, über die personelle Vornahmeberechtigung hinausgehende Voraussetzungen gebunden. Allerdings ergeben sich aus den Wahlgrundsätzen heraus bestimmte zeitliche Einschränkungen. Zudem sind Besonderheiten zu beachten, wenn der Wahlbezirk durch eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX modifiziert wurde. aa) Beginn der Bestellmöglichkeit Die Wahlvorschriften enthalten keine Vorschriften dahingehend, wann eine Bestellung des Wahlvorstands frühestens möglich wäre.69 Mangels zeitlicher Begrenzung wäre es daher theoretisch zulässig, dass die Schwerbehindertenvertretung die Initiierungshandlung bereits unmittelbar nach Beginn ihrer eigenen Amtszeit vornimmt, obwohl die nächste Wahl erst knapp vier Jahre später stattfinden darf. Eine derartig frühzeitige Bestellung des Wahlvorstands wäre jedoch nicht zweckmäßig. Etwaige Vorbereitungshandlungen wären nämlich zu diesem Zeitpunkt, wegen der innerhalb der langen Zeitspanne zu befürchtenden personellen Fluktuation innerhalb der Belegschaft, wenig sinnvoll. Im Hinblick auf den mit der Bestellung des Wahlvorstands für dessen Mitglieder eintretenden Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG70 dürfte eine derart frühe Einsetzung des Wahlvorstands sogar als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein. Die Vornahme der Wahlinitiierung kann daher zumindest dann noch nicht zulässig sein, wenn der nächste regelmäßige Wahlzeitraum noch Jahre in der Zukunft liegt und die Voraussetzungen einer außerordentlichen Wahl nicht gegeben sind. bb) Ende der Bestellmöglichkeit In § 1 Abs. 1 SchbVWO ist vorgesehen, dass die Schwerbehindertenvertretung die Wahlinitiierung spätestens acht Wochen vor Ablauf ihrer eigenen Amtszeit vorzunehmen hat. Während die Möglichkeit zur Vornahme der Initiierungshandlung ohne Frage bis zu diesem Zeitpunkt möglich bleibt, ist nicht ausdrücklich geregelt, ob die Schwerbehindertenvertretung auch nach Ablauf dieser Frist be69 Beschränkungen ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem nach § 94 Abs. 5 SGB IX vorgeschriebenen Wahlzeitraum, weil sich dieser nur auf den Wahltag, nicht jedoch auf die Wahlvorbereitungen bezieht. 70 Linck, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, KSchG, § 15 Rn. 59 f.; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 41; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 52.
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rechtigt ist, einen Wahlvorstand zu bestellen. Denkbar wäre es nämlich auch, dass ab diesem Zeitpunkt Initiierungshandlungen anderer Organe zulässig werden und die Vornahmeberechtigung der Schwerbehindertenvertretung dadurch entfällt. (1) Vornahmeberechtigung nach Fristablauf Teilweise wird vertreten, mit Ablauf der Frist gehe das Recht zur Einsetzung des Wahlvorstands auf die Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten über, die der Schwerbehindertenvertretung insoweit übergeordnet sei.71 Danach wäre die Schwerbehindertenvertretung ab diesem Zeitpunkt generell nicht mehr berechtigt, einen Wahlvorstand zu bestellen.72 (a) Wortlaut Ein solcher mit dem Fristablauf verbundener Verlust der Vornahmeberechtigung findet jedoch im Normtext der Wahlvorschriften keinen Rückhalt.73 Vielmehr weisen diese der Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten grundsätzlich nur dann eine Berechtigung zur Einsetzung des Wahlvorstands zu, wenn im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung nicht (oder nicht mehr) vorhanden ist.74 Solange die Schwerbehindertenvertretung noch im Amt ist, bleibt es somit dem Wortlaut nach vorrangig ihre Sache, den Wahlvorstand einzusetzen.75 (b) Ausdrücklicher Wille des Normgebers Zusätzlich ist auch der ausdrücklich geäußerte Wille des Verordnungsgebers zu berücksichtigen. Dieser hat in der Amtlichen Begründung zu § 1 SchwbVWO erklärt, dass eine Versammlung zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstands im Sinne eines möglichst einfachen Ablaufs der Wahl ausschließlich dann stattfinden solle, wenn eine Schwerbehindertenvertretung nicht vorhanden sei.76 Er 71 Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 2. Ebenfalls von einer Überordnung der Wahlversammlung ausgehend: Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1. Ebenso wohl auch Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39. 72 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 8; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 555. 73 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2 b). 74 Huber, dbr 7/2006, 32 f.; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 32; Peiseler, AiB 1990, 308, 308 Sieg, NZA 2002, 1064, 1065. 75 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1; Kamm, AiB 2006, 498, 450; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 17; Kamm/Feldes, AiB 2002, 603, 605; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1. 76 Amtl. Begr. zu § 1 WO, BR-Drs. 290/75.
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wollte damit offenbar das aufwendige Prozedere einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO bewusst auf die Fälle beschränken, in denen gerade keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist. (c) Grundsatz der obligatorischen Vertretung Schließlich sprechen auch teleologische Gesichtspunkte für ein Fortbestehen der Vornahmeberechtigung der Schwerbehindertenvertretung. Würde deren Initiierungsbefugnis allein mit dem Fristablauf entfallen, wäre für eine Wahl dann zwangsläufig das Tätigwerden anderer Wahlinitiianten notwendig. Diesen stünden nur deutlich zeitaufwendigere Handlungsoptionen offen.77 Damit würde eine tatsächliche, kontinuitätssichernde Durchführung der Wahl deutlich erschwert. Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung, ohne dass ein derartiges Verständnis zugunsten anderer Wahlgrundsätze geboten erschiene. Auch unter Berücksichtigung der Wahlgrundsätze ist daher davon auszugehen, dass durch Fristablauf allein die Vornahmeberechtigung der Schwerbehindertenvertretung noch nicht entfällt. (d) Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Schwerbehindertenvertretung auch nach Ablauf der in § 1 Abs. 1 SchwbVWO genannten Frist grundsätzlich noch zur Vornahme der Wahlvorstandsbestellung berechtigt ist.78 (2) Begrenzung durch andere Initiierungshandlungen Verschiedentlich wird die Auffassung vertreten, dass nach Ablauf der Frist des § 1 Abs. 1 SchwbVWO, aber noch während der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung zusätzlich auch andere Organe zu Initiierungshandlungen berechtigt sind.79 Dies führt zu der Frage, inwieweit die Berechtigung der Schwerbehindertenvertretung zur Bestellung des Wahlvorstands durch die Vornahme derartiger Wahlinitiierungshandlungen begrenzt wird. Grundsätzlich wäre es nämlich denkbar, dass die Bestellberechtigung der Schwerbehindertenvertretung mit der wirksamen Vornahme einer Wahlinitiie77 Siehe zu den anderen Wahlinitiierungshandlungen im förmlichen Wahlverfahren oben § 6 IV. 2. und 3. 78 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2 b); Kamm, AiB 2006, 498, 450; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 17; Kamm/Feldes, AiB 2002, 603, 605; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, 10. EL, § 94 Rn. 77. 79 Siehe dazu unten § 6 IV. 2. b) aa) und § 6 IV. 3. c).
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
rungshandlung durch ein anderes Organ automatisch gesperrt würde. Dadurch wäre dann eine von der Schwerbehindertenvertretung ausgehende Bestellung eines Wahlvorstands unzulässig. Gegen ein derartiges Verständnis spricht jedoch wiederum der Grundsatz der obligatorischen Vertretung. Die Einsetzung des Wahlvorstands durch andere Initiierungshandlungen – sei es durch Einladung zu einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder durch Antrag auf gerichtliche Bestellung nach § 16 Abs. 2 bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog – wäre nämlich stets mit zusätzlichen zeitlichen Verzögerungen verbunden. Das ist insofern problematisch als die Durchführung der Wahl nach Ablauf der Acht-Wochen-Frist – wenn überhaupt – generell nur noch knapp innerhalb der verbleibenden Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung möglich wäre. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Ausschluss der zusätzliche Verzögerungen vermeidenden unmittelbaren Bestellung des Wahlvorstands durch die Schwerbehindertenvertretung nicht nachvollziehbar. Vielmehr gebietet der Grundsatz der obligatorischen Vertretung insoweit, dass eine Bestellung des Wahlvorstands durch die Schwerbehindertenvertretung auch noch nach anderweitiger Vornahme einer Initiierungshandlung zulässig ist. (3) Begrenzung durch anderweitige Einsetzung des Wahlvorstands Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn infolge einer von einem anderen Organ ausgehenden Wahlinitiierung bereits ein Wahlvorstand eingesetzt worden ist. In diesem Fall existiert nämlich bereits ein wirksamer Wahlvorstand, so dass nach dem Prioritätsprinzip80 für eine eigene Bestellung durch die Schwerbehindertenvertretung kein Raum mehr besteht.81 Mit der wirksamen Einsetzung des Wahlvorstands endet daher auch noch während der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung deren Berechtigung zur Vornahme der Wahlinitiierungshandlung nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO.
80 Vgl. zu diesem Begriff: Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 33; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 76; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 74; Löwisch, BB 2001, 1734, 1738. 81 Vgl. zur Betriebswahl BAG vom 19.03.1974, 1 ABR 87/73, AP Nr. 1 zu § 17 BetrVG 1972; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 16 Rn. 8; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 57 und 76; Jacobs, Wahlvorstände, S. 133 f.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 13, 54 und 74; Löwisch, BB 2001, 1734, 1738; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 42 und 49 f.; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 21, 32 und 48; Wenzel, DB Beilage Nr. 2/1975, S. 6 f. Vgl. auch LAG Niedersachsen vom 03.12.2003, 16 TaBV 91/03, NZA-RR 2004, 197, 198. A. A. dagegen: Brors, in: Düwell, BetrVG, § 16 Rn. 14, die offenbar dem noch amtierenden Betriebsrat auch nach bereits erfolgter Bestellung eines Wahlvorstands durch den Gesamtsbetriebsrat noch die Möglichkeit offen halten will, einen eigenständigen Wahlvorstand zu bestimmen, der vorrangig sei.
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(4) Ende mit Ablauf der Amtszeit Die Möglichkeit der Bestellung des Wahlvorstands endet außerdem auch dann, wenn die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beendet ist.82 In diesem Fall existiert nämlich gerade keine Schwerbehindertenvertretung mehr, die überhaupt zur Wahlinitiierung befugt wäre. Die Schwerbehindertenvertretung ist daher spätestens vier Jahre nach Beginn ihrer Amtszeit nicht mehr in der Lage, einen Wahlvorstand zu bestellen.83 cc) Besonderheiten bei Zusammenfassung Voraussetzung einer Bestellung des Wahlvorstands durch eine örtliche Schwerbehindertenvertretung ist auch, dass zwischenzeitlich keine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX stattgefunden hat. In diesem Fall würde der örtlichen Vertretung nämlich gerade das Recht fehlen, auch mit Wirkung zugunsten anderer Betriebe eine Initiierungshandlung vorzunehmen.84 Stattdessen würde ihre Initiierungsberechtigung auf die Gesamt- bzw. Konzernschwerbehindertenvertretung übergehen.85 Hat dagegen nach der Zusammenfassung bereits eine Wahl stattgefunden und ist durch diese eine gemeinsame Schwerbehindertenvertretung etabliert worden, ist diese, und gerade nicht mehr die Stufenvertretung, zur Wahlinitiierung berechtigt. Wurde dagegen der Wahlbezirk nach der Wahl der gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung wiederum modifiziert oder die Zusammenfassung aufgehoben, fiele das Recht zur Wahlinitiierung erneut der Gesamt- bzw. Konzernschwerbehindertenvertretung zu. c) Vornahmehandlung Anders als bei anderen Interessenvertretungswahlen86 kann die Bestellung des Wahlvorstands nicht bereits dadurch vorgenommen werden, dass die Schwerbehindertenvertretung eine Entscheidung über die zum Wahlvorstand zu berufenden Personen getroffen hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Schwerbehindertenvertretung – anders als der Betriebsrat – kein Kollegialorgan ist87 und 82 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, 10. EL, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1; Maaß, in: Kossens/von der Heide/ Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1. 83 Vgl. BAG vom 02.03.1955, 1 ABR 19/54, AP Nr. 1 zu § 18 BetrVG. 84 Siehe dazu oben § 6 III. 2. a) bb). 85 Im Einzelfall kann insoweit jedoch eine Personalunion nach § 97 Abs. 1 Satz 2 SGB IX bestehen. 86 Vgl. für die Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 23; Kreutz, in: GKBetrVG, § 16 Rn. 22; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 13; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 23. Vgl. zur Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl: Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 63 Rn. 9; Oetker, in: GK-BetrVG, § 63 Rn. 16. 87 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 8; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 60; Kayser, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 96
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Entscheidungen daher nicht durch Beschluss zu treffen hat.88 Vielmehr werden etwaige Entscheidungen von der Schwerbehindertenvertretung allein getroffen. Eine solche Entscheidung liegt jedoch grundsätzlich bereits dann vor, wenn die Vertrauensperson einen konkreten Entschluss gefasst hat.89 Derartige, lediglich in den Gedanken der Vertrauensperson ablaufenden Erwägungen und Entscheidungen treten jedoch nicht äußerlich wahrnehmbar zu Tage. Dies kann jedoch für die Wahlinitiierung nicht genügen. Wie dargelegt ist eine Wahlinitiierung gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie die Wahl grundsätzlich irreversibel in Gang setzt.90 Bloße Gedanken einer Person sind jedoch schon faktisch nicht geeignet, einen Wahlprozess anzustoßen. Zudem gebietet der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl eine Transparenz und Überprüfbarkeit aller in Bezug auf die Wahl getroffenen Entscheidungen.91 Eine solche ist jedoch nur gewährleistet, wenn der gedanklich getroffene Entschluss eine irgendwie geartete Fixierung erfährt92 und dadurch einerseits von außen erkennbar und gleichzeitig von unverbindlichen Äußerungen abgrenzbar wird.93 aa) Fixierung des Bestellentschlusses Eine solche verbindliche und von außen kontrollfähige Fixierung des gefassten Entschlusses wäre grundsätzlich in einer entsprechenden Protokollierung der Entscheidung durch die Schwerbehindertenvertretung zu sehen.94 Allerdings ist die Anfertigung eines Protokolls durch die Schwerbehindertenvertretung im SGB IX nicht vorgesehen. Somit ist nicht gewährleistet, dass eine derartige Fixierung der Bestellungsentscheidung in der Praxis tatsächlich erfolgt. Rn. 3; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 95 Rn. 21; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 95 Rn. 12. 88 Vgl. Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 60; Grimme, AiB 2011, 520, 521; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, SGB IX, § 96 Rn. 3. Vgl. auch für den Einköpfigen Betriebsrat: Kreutz, in: GKBetrVG, § 9 Rn. 16; Schuckardt, Der Betriebsratsbeschluss, S. 3. A. A. Reitze, Der Betriebsratsbeschluss, S. 2, der argumentativ insoweit auf das Stimmrecht der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach § 67 Abs. 2 BetrVG verweist, was im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretung jedoch nicht Platz greifen kann. 89 Vgl. Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, SGB IX, § 96 Rn. 3 und im Hinblick auf den Einköpfigen Betriebsrat: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 9 Rn. 16. 90 Siehe dazu oben § 6 II. 91 Siehe allgemein zu diesem Grundsatz § 2 III. 4. a). 92 A. A. offenbar Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 4, der eine Niederschrift oder sonstige schriftliche Fixierung für nicht erforderlich hält. 93 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 9 Rn. 16; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 9 Rn. 22, die bereits ohne Rückgriff auf den Publizitätsgrundsatz allgemein derartige Anforderungen an Entschlüsse eines Einköpfigen Betriebsrats stellen. 94 So für den Einköpfigen Betriebsrat: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 9 Rn. 16; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 9 Rn. 22, die insoweit § 34 BetrVG (analog) heranziehen.
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Grundsätzlich denkbar ist auch eine per Aushang vorgenommene, betriebsöffentliche Bekanntmachung der Bestellung des Wahlvorstands. Durch eine solche träte der getroffene Entschluss zwar ebenfalls nach Außen und erhielte gleichzeitig einen verbindlichen Charakter. Allerdings ist eine derartige Bekanntmachung ebenfalls nicht vorgeschrieben,95 so dass auch eine derartige Fixierung des Entschlusses keineswegs sichergestellt ist. Vielmehr kann die von der Schwerbehindertenvertretung getroffene Entscheidung auch erst dann zutage treten, wenn die Schwerbehindertenvertretung die ins Auge gefassten Personen über deren Bestellung zum Wahlvorstand informiert. In diesem Fall wird der Entschluss erst zu diesem Zeitpunkt erkennbar und kann auch erst dann Verbindlichkeit erlangen. Findet also im Vorfeld keine anderweitige Fixierung der getroffenen Entscheidung statt, kann eine wirksame Bestellung des Wahlvorstands erst mit der an die potentiellen Wahlvorstandsmitglieder gerichteten Information über ihre Bestellung vorliegen. Für eine wirksame Bestellung des Wahlvorstands ist daher entscheidend, dass einerseits der Entschluss zur Einsetzung eines Wahlvorstands als solches und gleichzeitig die Entscheidung über die vorgesehenen Personen in einer verbindlichen und nach außen tretenden Art und Weise fixiert werden. bb) Erforderlichkeit einer Einverständniserklärung Allerdings genügt auch die Fixierung der Bestellentscheidung allein noch nicht zur wirksamen Wahlinitiierung. Im Allgemeinen ist nämlich anerkannt, dass niemand zur Übernahme eines Wahlvorstandsamtes verpflichtet ist.96 Dementsprechend hängt die Wirksamkeit einer Bestellung stets auch von der jeweiligen Annahme des Amtes durch die einzelnen als Mitglieder des Wahlvorstands vorgesehenen Personen ab. Somit steht erst nach erfolgter Zustimmung durch den Betroffenen der Wahlvorstand in seiner endgültigen Besetzung fest.97 Die auch antizipiert oder konkludent durch Aufnahme der Tätigkeit mögliche98 Einver95
Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 5. Ausdrücklich für die Schwerbehindertenvertretungswahl: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 14; Zanker, WO zum SchwbG, S. 30. Ausdrücklich für das Betriebsverfassungsrecht: Koch, in: ErfK, BetrVG, § 16 Rn. 4; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 25; Jacobs, Wahlvorstände, S. 117 und 185; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 26; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 22. Für den Wahlvorstand nach § 1 SchwbVWO: Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 7, die jeweils das weitere Vorgehen bei Nichtannahme der Bestellung bzw. Wahl als Wahlvorstandsmitglied beschreiben. 97 Vgl. Jacobs, Wahlvorstände, S. 185; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 26; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 49. 98 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 14. Vgl. auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 26; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 49. 96
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ständniserklärung zur Berufung als Wahlvorstandsmitglied ist rechtlich als Zustimmung i. S. d. § 182 BGB zu qualifizieren.99 Damit stellt sich die Bestellung des Wahlvorstands dogmatisch betrachtet als einseitiger, zustimmungsbedürftiger Gestaltungsakt dar.100 Verweigert eine als Wahlvorstandsmitglied vorgesehene Person die Annahme des Amtes, liegt mangels Zustimmung keine wirksame Bestellung des zwingend auf drei Personen ausgerichteten101 Wahlvorstands vor. Damit wird grundsätzlich ein erneuter Bestellungsentschluss der Schwerbehindertenvertretung erforderlich, der wiederum einer eigenständigen Fixierung bedarf. Ein solcher Umweg über einen erneuten Bestellungsakt ist nur dann entbehrlich, wenn die Schwerbehindertenvertretung bei ihrem Bestellungsentschluss bereits für den Fall der Nichtannahme des Amtes hilfsweise weitere Personen als Wahlvorstandsmitglieder benannt hatte.102 cc) Inhaltliche Anforderungen an die Bestellentscheidung Eine wirksame Bestellung des Wahlvorstands und damit eine vollendete Wahlinitiierung durch die Schwerbehindertenvertretung liegt nur vor, wenn die Bestellentscheidung auch den inhaltlichen Anforderungen der Wahlvorschriften genügt. Im Folgenden sollen daher die aus dem SGB IX und der SchwbVWO abzuleitenden Vorgaben hinsichtlich der zum Wahlvorstand bestellbaren Personen und deren Anzahl aufgeführt werden. Anschließend ist darauf einzugehen, inwieweit auch die Bestimmung eines Wahlvorstandsvorsitzenden eine zwingende Voraussetzung der wirksamen Wahlinitiierung darstellt. (1) Als Wahlvorstandsmitglieder bestellbare Personen Besondere Anforderungen an die als Wahlvorstand zu bestellenden Personen ergeben sich insbesondere aus § 1 Abs. 1 SchwbVWO. Daher sollen die sich insoweit ergebenden personellen Voraussetzungen herausgearbeitet und kritisch beleuchtet werden. (a) Beschäftigung im Betrieb Zunächst schreibt § 1 Abs. 1 SchwbVWO vor, dass ausschließlich solche Personen als Mitglied des Wahlvorstands bestellt werden können, die im Betrieb beschäftigt sind. Damit wird auch im Rahmen der personellen Voraussetzungen der 99
Vgl. Jacobs, Wahlvorstände, S. 185; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 27. Jacobs, Wahlvorstände, S. 117; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 49. 101 Siehe dazu unten § 6 IV. 1. c) cc) (2). 102 Vgl. dazu Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 26. 100
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Wahlvorstandsmitgliedschaft an den Begriff der Beschäftigung angeknüpft, der mit dem des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX deckungsgleich ist.103 Durch die Anknüpfung an die Beschäftigung werden Betriebsexterne, also im Betrieb nicht beschäftigte Personen von der Mitgliedschaft im Wahlvorstand ausgeschlossen. Damit können insbesondere auch betriebsexterne Mitglieder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ebenso wenig als Wahlvorstandsmitglieder bestellt werden wie Beschäftigte des Integrationsamts. Der Ausschluss Betriebsexterner ist konsequente Folge des Grundsatzes der Selbstorganisation. Schließlich soll danach die Schwerbehindertenvertretungswahl als eine in ihrem Wirkungskreis primär auf den Betrieb beschränkte und damit innerbetriebliche Angelegenheit, auf den insoweit betroffenen Personenkreis begrenzt bleiben.104 (b) Volljährigkeit Gemäß § 1 Abs. 1 SchwbVWO können ausschließliche volljährige Personen i. S. d. § 2 BGB zu Mitgliedern des Wahlvorstands bestellt werden.105 Durch das Kriterium der Volljährigkeit soll offenbar der mit dem Amt des Wahlvorstands einhergehenden Verantwortung und darüber mittelbar wohl auch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung Rechnung getragen werden. Im Verhältnis zur Betriebsratswahl weist die Schwerbehindertenvertretungswahl insoweit Besonderheiten auf, als im Rahmen des § 94 SGB IX auch minderjährige Schwerbehinderte aktiv wahlberechtigt sein können. Anders als bei der Betriebsratswahl werden durch das Kriterium der Volljährigkeit somit bestimmte Wahlberechtigte von der Mitgliedschaft im Wahlvorstand ausgeschlossen. Vergleicht man diese an die Wahlvorstandsmitglieder gestellte Voraussetzung mit den Vorschriften über die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird deutlich, dass eine derartiger vollständiger Ausschluss minderjähriger Wahlberechtigter nicht zwingend erforderlich wäre. Der besonderen Verantwortung des Wahlvorstands und der hierfür mitunter notwendigen Betriebs- und Lebenserfahrung kann nämlich auch dadurch Genüge getan werden, dass lediglich eines der Wahlvorstandsmitglieder diese Voraussetzung erfüllen muss (vgl. § 38 Satz 2 WO-BetrVG).106 Für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung hat es der Verordnungsgeber also geschafft, einen Ausgleich zwischen dem 103
Siehe ausführlich zu diesem Kriterium § 3 IV. 3. Siehe dazu oben § 2 IV. 3. a). 105 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 14 und SchwbVWO, § 1 Rn. 10 f.; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 85; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 2; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 6. 106 Vgl. Fitting, BetrVG, WO, § 38 Rn. 2; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 38 Rn. 9; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 38 Rn. 3; Rudolph, AiB 1998, 490, 491. 104
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Grundsatz der Selbstorganisation einerseits und dem der obligatorischen Vertretung andererseits zu finden. Gleichwohl hat sich der Verordnungsgeber im Rahmen der Schwerbehindertenvertretung dazu entschlossen, sämtliche minderjährigen Beschäftigten trotz deren potentieller Wahlberechtigung generell von der Mitgliedschaft im Wahlvorstand auszuschließen. Eine diesbezüglich einschränkende Auslegung des Kriteriums der Volljährigkeit scheidet jedoch angesichts des klaren Wortlauts des § 1 Abs. 1 SchwbVWO aus. Trotz der nur bedingten Erforderlichkeit eines solchen Kriteriums ist daher für sämtliche Mitglieder des Wahlvorstands Volljährigkeit erforderlich.107 Damit ist die Bestellung des Wahlvorstands nur wirksam, wenn sämtliche Mitglieder zum Zeitpunkt ihrer Bestellung volljährig sind. (c) Aktives und passives Wahlrecht Anders als für die Mitgliedschaft in den Wahlvorständen der anderen betrieblichen Interessenvertretungen108 ist vorliegend weder das aktive noch das passive Wahlrecht personelle Voraussetzung der Bestellung als Wahlvorstand.109 Es ist damit weder erforderlich, dass die als Wahlvorstand zu bestellenden Mitglieder schwerbehindert bzw. nach § 69 SGB IX gleichgestellt sind, noch ist notwendig, dass diese den Anforderungen des § 8 BetrVG genügen.110 Der Verzicht auf eine dahingehende personelle Anforderung geht auf die gesetzgeberische Intention zurück, in möglichst vielen Betrieben eine Schwerbehindertenvertretung zu etablie107 Im Ergebnis ebenso: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 14 und SchwbVWO, § 1 Rn. 10 f.; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 85; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 2; TrenkHinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 6. 108 Für die Betriebsratswahl wird in § 16 Abs. 1 und 2 BetrVG ausdrücklich auf die Wahlberechtigung abgestellt (vgl. Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 15). Für die Sprecherausschusswahl ergibt sich die Anknüpfung an das Wahlrecht aus § 7 Abs. 1 SprAuG i.V. m. § 3 Abs. 1 SprAuG (vgl. Bauer, SprAuG, § 7 Anm. II; Engels, Die Wahl von Sprecherausschüssen der leitenden Angestellten, S. 9; Löwisch, SprAuG, § 7 Rn. 3; Nipperdey, Leitfaden für die Sprecherausschußwahl, S. 20). Für die Mitgliedschaft im Wahlvorstand der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl ist grundsätzlich kein aktives Wahlrecht erforderlich. Allerdings ist nach § 38 Satz 2 WO-BetrVG für zumindest eines der Mitglieder passive Wählbarkeit vorgeschrieben (vgl. Kreutz, in: GKBetrVG, WO, § 38 Rn. 3), so dass auch im Rahmen der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl die Wahlvorstandsmitgliedschaft zumindest teilweise an das Wahlrecht gekoppelt ist. 109 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 14 und SchwbVWO, § 1 Rn. 11. 110 OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 148; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Gröninger/Thomas, SchwbG, § 24 Rn. 13; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 14; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 6; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 2; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 24.
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ren. Wäre die Mitwirkung im Wahlvorstand auf aktiv oder passiv wahlberechtigte Personen beschränkt worden, bestünde das Risiko, dass sich nicht genügt Personen zur Übernahme des Wahlvorstandsamtes bereit erklären111 oder sich den damit verbundenen Aufgaben nicht gewachsen fühlen.112 Daher ist hinsichtlich der Wahlvorstandsbestellung in inhaltlicher Hinsicht nicht erforderlich, dass die benannten Personen ihrerseits aktiv oder passiv wahlberechtigt sind. (2) Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder Im Unterschied zu den Wahlvorständen der anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen113 ist die Größe des Wahlvorstands bei der Schwerbehindertenvertretungswahl stets auf drei Personen begrenzt. Eine Möglichkeit zur Erhöhung der Mitgliederzahl des Wahlvorstands besteht angesichts des klaren Wortlauts des § 1 Abs. 1 SchwbVWO auch bei einer hohen Zahl von Wahlberechtigten nicht.114 Eine Bestellung des Wahlvorstands nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO ist daher nur wirksam, wenn die Schwerbehindertenvertretung exakt drei Mitglieder benannt hat. Sind weniger Mitglieder benannt worden, ist eine wirksame Beschlussfassung im Wahlvorstand ausgeschlossen.115 Wurden mehr als drei Wahlvorstandsmitglieder benannt ist die Bestellung ebenfalls nicht wirksam erfolgt, so dass keine ordnungsgemäße Wahlinitiierung vorliegt.116 Etwas anderes
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Siehe zur Erforderlichkeit der Zustimmung bereits oben § 6 IV. 1. c) bb). Vgl. dazu Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2, der im Hinblick auf die Wahlleitung im vereinfachten Verfahren auf die Erfahrung der Betriebsratsmitglieder hinweist. 113 Eine Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Wahlvorstands ist bei der Betriebsratswahl nach § 17a Nr. 2 BetrVG lediglich für das vereinfachte Verfahren ausgeschlossen (vgl. Fitting, BetrVG, § 17a Rn. 6; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14a Rn. 12 und § 17a Rn. 1). 114 So auch ausdrücklich Boemke, jurisPR-ArbR 13/2012 Anm. 6; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 10; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 2. Wohl auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 74; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 6; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23; Zanker, WO zum SchwbG, S. 30, die ohne nähere Ausführungen stets von nur drei Wahlvorstandsmitgliedern ausgehen. Unklar dagegen: Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 130, der davon spricht, dass der Wahlvorstand „je nach Anzahl der Wahlberechtigten [. . .] aus Vorsitzendem/Vorsitzender und zwei sonstigen“ Mitglieder gebildet werde. 115 Vgl. VG Köln vom 17.12.1984, PVL 14/84, GW 4/86, S. 14; Adlhoch, in: Ernst/ Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 24; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 6. 116 Vgl. Boemke, jurisPR-ArbR 13/2012 Anm. 6. Vgl. zum BetrVG: Fitting, BetrVG, WO, § 1 Rn. 1; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 1 Rn. 1. 112
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gilt lediglich dann, wenn die Überzähligen der benannten Personen lediglich als Ersatzmitglieder 117 benannt werden sollten und als solche erkennbar sind.118 (3) Bestimmung des Wahlvorstandsvorsitzenden Gemäß § 1 Abs. 1 SchwbVWO hat die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen der Bestellung des Wahlvorstands auch den Vorsitzenden zu bestimmen. Insoweit stellt sich die Frage, ob auch die Festlegung des Wahlvorstandsvorsitzenden zwingende Voraussetzung der wirksamen Bestellung und damit der Wahlinitiierungshandlung ist. Festzustellen ist insoweit zunächst, dass die Wahlvorschriften mehrere Aufgaben unmittelbar an das Amt des Wahlvorstandsvorsitzenden binden. Damit ist die Bestimmung der Person des Vorsitzenden Voraussetzung der Handlungsfähigkeit des Wahlvorstandes.119 Ohne Bestimmung des Vorsitzenden existiert also noch kein zur Durchführung der ihm obliegenden Aufgaben fähiger Wahlvorstand. Hat es die Schwerbehindertenvertretung als Wahlinitiant versäumt, im Rahmen der Bestellung des Wahlvorstands auch dessen Vorsitzenden zu bestimmen, muss sie dies unverzüglich nachholen, damit die Initiierungshandlung vollendet wird.120 Eine interne Wahl des Vorsitzenden durch die Wahlvorstandsmitglieder ist angesichts des klaren Wortlauts des § 1 Abs. 1 SchwbVWO grundsätzlich ausgeschlossen.121 Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn das die Wahl initiierende Organ nicht mehr besteht.122 In diesen Fällen würde ein Beharren auf der Bestim117 Die Zulässigkeit der Bestellung von Ersatzmitgliedern ist trotz der fehlenden Normierung allgemein anerkannt: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn.15; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 17; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 86; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 2; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 24; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 6. 118 Vgl. in Bezug auf die Beschränkung der Mitgliederzahl im vereinfachten Verfahren der Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, § 17a Rn. 7. 119 Vgl. für das BetrVG: Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 1 Rn. 7; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 1 Rn. 6. 120 Für das BetrVG: BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 24; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 18; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 18. A. A. Jacobs, Wahlvorstände, S. 140 f. 121 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 13; Treml, BehR 1986, 57, 58. Ebenso wohl auch: Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 3. A. A. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 6. 122 Für das BetrVG: BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 24; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 18; Thüsing,
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mung des Vorsitzenden durch das die Wahlvorstandsmitglieder bestellende Organ zwangsläufig dazu führen, dass die Wahl erneut initiiert werden müsste. Dies wäre jedoch mit dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung sowie dem Grundsatz der Simplizität nicht zu vereinbaren. Daher erscheint es unter Berücksichtigung der Wahlgrundsätze mit § 1 SchwbVWO vereinbar, im Fall des Untergangs des bestellenden Organs eine ersatzweise Bestimmung des Wahlvorstandsvorsitzenden durch eine Wahl unter den Wahlvorstandsmitgliedern durchzuführen.123 d) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt Soweit die Wahlinitiierung im Allgemeinen oder die Bestellung der Wahlvorstandsmitglieder im Speziellen zum zeitlichen Anknüpfungspunkt einer Regelung erhoben wird,124 stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt konkret abzustellen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Bestellung des Wahlvorstands durch die Schwerbehindertenvertretung rechtlich als einseitiger Gestaltungsakt zu qualifizieren ist, der zusätzlich von einer Zustimmung i. S. d. § 182 BGB abhängt.125 Damit ist eine nicht antizipierte Einverständniserklärung als nachträgliche Zustimmung einzustufen, so dass diese gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme der eigentlichen Rechtshandlung zurückwirkt.126 Maßgeblich ist daher nicht der Zeitpunkt der Zustimmung, sondern der durch diesen zu billigenden, einseitig gestaltenden Bestellungsakt.127 Dieser erfolgt im Rahmen des § 1 Abs. 1 SchwbVWO durch die Fixierung des Bestellentschlusses. Für die Wahlinitiierung in Form der Bestellung des Wahlvorstands ist somit darauf abzustellen, wann der von der Schwerbehindertenvertretung gefasste Entschluss erstmals verbindlich und nach außen erkennbar wird.128 2. Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten Alternativ zur vorstehend dargestellten Initiierungshandlung sehen die Wahlvorschriften in § 94 Abs. 6 Satz 4 SGB IX und § 1 Abs. 2 SchwbVWO für das in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 18. Zu weit dagegen: Jacobs, Wahlvorstände, S. 140 f., der eine generelle Wahlmöglichkeit zulassen will. 123 Zu weit: Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 6, der eine generelle Wahl zulassen will. Zu eng demgegenüber: Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2, der auch eine ersatzweise Wahl per se ausschließt. 124 Siehe dazu etwa § 5 III. 3. c). 125 Siehe dazu oben § 6 IV. 1. c) bb). 126 Für das BetrVG: Jacobs, Wahlvorstände, S. 185; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 27. 127 Vgl. dazu Jacobs, Wahlvorstände, S. 185; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 27, die bezogen auf den als Kollegialorgan tätigen Betriebsrat konsequenterweise auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abstellen. 128 Siehe dazu oben § 6 IV. 1. c) aa).
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förmliche Verfahren die Möglichkeit der Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Menschen zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes vor. a) Abstrakte Vornahmeberechtigung Von den initiierungsberechtigten Organen werden in den §§ 94 Abs. 6 Satz 4 SGB IX und 1 Abs. 2 SchwbVWO lediglich der Betriebsrat, das Integrationsamt und die Gruppe von drei Wahlberechtigten genannt. Unerwähnt bleiben dagegen die Schwerbehindertenvertretung, die Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung und der Gesamtbetriebsrat. Daher soll im Folgenden deren Berechtigung zur Vornahme dieser Art von Initiierungshandlung untersucht werden. aa) Schwerbehindertenvertretung Die Nichterwähnung der Schwerbehindertenvertretung ist insoweit bemerkenswert als ihr gemäß § 95 Abs. 6 SGB IX generell das Recht zuerkannt worden ist, eine Versammlung der schwerbehinderten Menschen im Betrieb einzuberufen. Grundsätzlich läge es somit nahe, auch sie im Hinblick auf die Versammlung i. S. d. § 1 Abs. 2 SchwbVWO als einladungsberechtigt anzusehen. Hierfür spräche auch der Grundsatz der Selbstorganisation. Dieser gebietet es schließlich im Allgemeinen, dass die im Hinblick auf den Wahlvorstand zu treffende Personalauswahlentscheidung, zumindest im Wege einer Legitimationskette, auf die Wahlberechtigten zurückgeht.129 Der Grundsatz verfolgt also die Zielrichtung, dass das mit der Wahlleitung betraute Organ demokratisch legitimiert ist. Würde die insoweit legitimierte Schwerbehindertenvertretung dennoch zu einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO einladen, wäre dieser Zielrichtung noch stärker Genüge getan. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass der Schwerbehindertenvertretung über § 1 Abs. 1 SchwbVWO bereits eine deutlich effizientere Möglichkeit der Wahlinitiierung an die Hand gegeben wurde. Daher erschienen die mit einer solchen Versammlung für den Arbeitgeber verbundenen Kosten nicht mehr als erforderlich, so dass er insoweit nicht zur Kostentragung verpflichtet wäre. Zudem wäre die Durchführung einer solchen Versammlung mit zusätzlichem organisatorischem Aufwand und zeitlichen Verzögerungen verbunden. Diese stünden angesichts des über die demokratische Legitimation der Schwerbehindertenvertretung zumindest mittelbar gewahrten Grundsatzes der Selbstorganisation kaum im Verhältnis zu den Vorteilen.130 Die Nichterwähnung der Schwerbehindertenvertretung ist somit letztlich Ausdruck des Grundsatzes der Simplizität.131 Zudem ist 129
Siehe dazu § 2 IV. 3. a). Vgl. auch BT-Drs. 14/5741, S. 38. 131 Siehe allgemein zu diesem Grundsatz § 2 IV. 2. a). Vgl. auch Amtl. Begr. zu § 1 WO, BR-Drs. 290/75; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 4. 130
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zu berücksichtigen, dass die für die Einladung zur Versammlung der Schwerbehinderten nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO aufgestellten Voraussetzungen verlangen, dass gerade keine Schwerbehindertenvertretung existiert.132 Daher ist die Schwerbehindertenvertretung auf die ihr offen stehende Möglichkeit der unmittelbaren Bestellung des Wahlvorstands nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO beschränkt. bb) Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung Wie oben bereits dargelegt, ist die der Gesamt- bzw. der Konzernschwerbehindertenvertretung zustehende Initiierungsbefugnis wegen des Grundsatzes der Selbstorganisation inhaltlich beschränkt. Ihr steht daher anstelle der Bestellung des Wahlvorstands nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO generell nur die Initiierungshandlung des § 1 Abs. 2 SchwbVWO offen. Damit verfügt sie gerade über die Vornahmeberechtigung für eine Einladung zur Versammlung zum Zwecke der Wahlvorstandswahl. cc) Gesamtbetriebsrat Wie bereits aufgezeigt, kann der Gesamtbetriebsrat ausnahmsweise dann für die Wahlinitiierung zuständig und zu dieser berechtigt sein, wenn mehrere Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammengefasst wurden.133 In diesem Fall leiten sich seine Rechte und Pflichten über § 51 Abs. 5 BetrVG aus denen des örtlichen Betriebsrats ab, so dass ihm die gleichen Befugnisse zustehen. Folglich verfügt der Gesamtbetriebsrat im Fall seiner Zuständigkeit für die Initiierung einer Schwerbehindertenvertretungswahl auch über die Berechtigung, zu einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO einzuladen. b) Vornahmevoraussetzungen Aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 SchwbVWO ergibt sich klar, dass die Einladung zur Versammlung jedenfalls dann zulässig ist, wenn im Wahlbezirk eine Schwerbehindertenvertretung nicht oder nicht mehr vorhanden ist.134 Einschrän132 Im Ergebnis ebenso in Bezug auf die Berechtigung von Gesamt- und Konzernbetriebsrat zur Einladung einer Versammlung nach § 17 BetrVG: Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 4; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 17 Rn. 2; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 17 Rn. 3; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 4. A. A. dagegen: Kreutz, in: GKBetrVG, § 17 Rn. 22. Unter engen Voraussetzungen ebenso: Jacobs, Wahlvorstände, S. 156. Vgl. auch LAG Köln vom 02.08.2011, 12 TaBV 12/11, NZA-RR 2012, 23, 24. 133 Siehe dazu ausführlich oben § 6 III. 4. 134 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1 f.; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 15; Huber, dbr 7/2006, 32 f.; Müller-Wenner, in: MüllerWenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 32; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 2; Peiseler, AiB 1990, 308; Sieg, NZA 2002, 1064, 1065; Rehwald, in: Feldes/Fraunhoffer/Rehwald/u. a., SGB IX, § 94 Rn. 17; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 4; Zanker, WO zum SchwbG, S. 30.
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kend ist jedoch festzuhalten, dass die Vornahme einer derartigen Initiierungshandlung nach dem Prioritätsprinzip auch dann ausscheidet, wenn bereits auf anderem Wege wirksam ein Wahlvorstand eingesetzt worden ist.135 aa) Zulässigkeit der Einladung bei bestehender Schwerbehindertenvertretung In der Literatur wird verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass eine Einladung i. S. d. § 1 Abs. 2 SchwbVWO entgegen dem Wortlaut ausnahmsweise auch im Fall des Bestehens einer Schwerbehindertenvertretung zulässig sein kann. Eine solche Zulässigkeit solle nämlich dann bestehen, wenn die noch amtierende Schwerbehindertenvertretung es versäumt habe, vor Ablauf der in § 1 Abs. 1 SchwbVWO genannten Frist einen Wahlvorstand zu bestellen.136 (1) Bestehen eines Regelungsbedürfnisses Die Zulässigkeit einer solchen Einladung wird in der Literatur bisweilen damit begründet, dass eine Untätigkeit des Amtsinhabers nicht zu Lasten der schwerbehinderten Beschäftigten gehen dürfe.137 Alternativ wird das vorgezogene Einladungsrecht auch damit begründet, dass der Normgeber in jedem Fall habe sicherstellen wollen, dass es zu einer Wahl der Schwerbehindertenvertretung komme.138 Letzterem Begründungsansatz ist im Ergebnis beizupflichten. Maßgebliche Bedeutung kommt insoweit dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung zu. Nach diesem sind die Wahlvorschriften der gesetzgeberischen Intention gewidmet, in möglichst allen die Wahlvoraussetzungen erfüllenden Betrieben eine spe135 Vgl. dazu BAG vom 19.03.1974, 1 ABR 87/73, AP Nr. 1 zu § 17 BetrVG 1972; Koch, in: ErfK, BetrVG, § 16 Rn. 8; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 57 und 76; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 13, 54 und 74; Löwisch, BB 2001, 1734, 1738; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 42 und 49 f.; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 21, 32 und 48; Wenzel, DB Beilage Nr. 2/1975, S. 6 f. Vgl. auch Jacobs, Wahlvorstände, S. 133 f. 136 Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 2; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 555; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39; Süllwold, ZBVR 2002, 190, 190; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24. Wohl auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77. Unklar: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 74, der eine Einladung i. S. d. § 1 Abs. 2 SchwbVWO dann für zulässig erachtet, wenn „kein Wahlvorstand vorhanden“ ist. 137 Süllwold, ZBVR 2002, 190, 190. 138 Vgl. dazu Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 2; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 30 und 39; Süllwold, ZBVR 2002, 190, 190, die jeweils wohl mit Blick auf den unterbrechungslosen Bestand einer Vertretung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Fristen hinweisen.
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zifische Interessenvertretung der Schwerbehinderten zu etablieren. Dabei zielt er in seiner Ausprägung als Grundsatz der Kontinuität auch darauf ab, durch rechtzeitige Durchführung von Neuwahlen Unterbrechungen in der spezifischen Interessenvertretung zu vermeiden.139 Wird ein Wahlvorstand nicht oder nicht rechtzeitig bestellt, verzögert sich jedoch zwangsläufig die Wahl der neuen Interessenvertretung. Eine solche Verzögerung muss dabei jedoch nicht zwingend auf einer schuldhaften Untätigkeit des Amtsinhabers beruhen.140 Vielmehr ist es auch denkbar, dass die rechtzeitige Initiierung allein deshalb unterbleibt, weil die amtierende Vertrauensperson aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht in der Lage ist, die Bestellung des Wahlvorstands vorzunehmen.141 Würde eine anstelle der inaktiven Schwerbehindertenvertretung tretende Wahlinitiierung erst mit Ablauf von deren Amtszeit möglich, käme es infolge der im förmlichen Verfahren einzuhaltenden Fristen mindestens zu einem mehrwöchigen Nichtbestehen einer spezifischen Interessenvertretung. Ein solcher vertretungsloser Zustand ist jedoch nach der den Wahlvorschriften zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention weitgehend zu vermeiden. Nach dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung besteht somit ein Bedürfnis, im Fall eines nicht fristgerechten Tätigwerdens des Amtsinhabers die Wahl anderweitig initiieren zu können, um so die Kontinuität der spezifischen Interessenvertretung zu gewährleisten. Der Normgeber hat es jedoch versäumt, eine § 16 Abs. 2 BetrVG oder § 63 Abs. 3 BetrVG vergleichbare Regelung in die SchwbVWO aufzunehmen. Trotz eines nach Fristablauf bestehenden Initiierungsbedürfnisses fehlt somit eine diesbezügliche Regelung. Die Wahlvorschriften enthalten somit für den Fall einer nicht fristgerechten Bestellung des Wahlvorstands durch die amtierende Schwerbehindertenvertretung eine planwidrige Regelungslücke, die einer Schließung bedarf. (2) Ausschluss einer extensiven Auslegung des § 1 Abs. 2 SchwbVWO Zu denken wäre insoweit zunächst an eine extensive Auslegung der Norm. Eine solche setzt im Allgemeinen voraus, dass eine bestimmte Konstellation zwar nicht unmittelbar vom Wortlaut erfasst wird, jedoch bei Zugrundlegung eines weiten Verständnisses noch im Bereich des möglichen Wortsinns liegt.142 Die 139
Siehe dazu ausführlich oben § 2 IV. 1. a). Zu bedenken ist diesbezüglich, dass die Initiierungspflicht der Schwerbehindertenvertretung allenfalls über die Amtsenthebung nach § 94 Abs. 7 Satz 5 SGB IX sanktioniert ist, die jedoch angesichts der ohnehin auslaufenden Amtszeit und der fehlenden Sperrwirkung einer solchen Entscheidung faktisch bedeutungslos ist. 141 Süllwold, ZBVR 2002, 190, 190. 142 Vgl. BVerfG vom 11.06.1980, 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 299; BVerfG vom 26.04.1994, 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263, 275; BVerfG vom 24.05. 140
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Regelung des § 1 Abs. 2 SchwbVWO räumt die Möglichkeit der Einladung zur Versammlung ausdrücklich nur unter der Voraussetzung ein, dass keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist. Der Wortlaut der Norm schließt diese Initiierungshandlung also gerade für den Fall aus, dass sich eine Schwerbehindertenvertretung (noch) im Amt befindet. Die Zulässigkeit einer Einladung zur Versammlung der Schwerbehinderten noch vor Ablauf der Amtszeit stünde also im Gegensatz zum Wortlaut der Norm. Eine dahingehende extensive Auslegung scheidet daher bereits aus diesem Grunde aus. (3) Lückenschließung durch Analogiebildung Im Fall einer am Wortsinn einer Norm scheiternden extensiven Auslegung ist regelmäßig auch eine analoge Anwendung der Vorschrift zu denken.143 Allerdings setzt eine Analogie neben einer planwidrigen Regelungslücke stets voraus, dass die durch die analoge Anwendung gleich zu behandelnden Sachverhalte unter teleologischen Gesichtspunkten als wesensgleich anzusehen sind.144 Es ist daher erforderlich, die Ausgangslage der unzureichend geregelten Konstellation mit derjenigen zu vergleichen, deren Regelung im Wege der Analogie herangezogen werden soll. Entgegen der in der Literatur verbreiteten Auffassung existiert jedoch nicht nur in § 1 Abs. 2 SchwbVWO eine für die Analogie augenscheinlich in Betracht kommende Regelung.145 Vielmehr erscheint auch eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 2 BetrVG denkbar. Im Folgenden sollen daher die beiden Normen zugrunde liegenden Ausgangslagen aufgezeigt werden, um anschließend bewerten zu können, welche der Vorschriften unter teleologischen Gesichtspunkten die größere Wesengleichheit der Sachverhalte aufweist. 1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 81; BAG vom 05.03.1996, 1 AZR 590/92, AP Nr. 226 zu Art. 3 GG; BAG vom 18.02.2003, 1 ABR 2/03, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft; Coing/Honsell, in: Staudinger, BGB, Einleitung zum Bürgerlichen Gesetzbuch Rn. 157; Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 275 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 163 f.; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 501; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 614 ff.; Schlachter, Auslegungsmethoden im Arbeitsrecht, S. 8. Vgl. auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 180. 143 Vgl. Coing/Honsell, in: Staudinger, BGB, Einleitung zum Bürgerlichen Gesetzbuch Rn. 157; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S.185; Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 253 f.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 637. 144 Vgl. Honsell, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, Teil B Rn. 61; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff. Vgl. auch Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 253 f. und 277. 145 So offenbar jedoch Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 2; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39; Süllwold, ZBVR 2002, 190, 190, die andere Normen, insbesondere § 16 Abs. 2 BetrVG nicht einmal in Erwägung ziehen.
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(a) Konstellation des § 1 Abs. 2 SchwbVWO Ausgangspunkt des § 1 Abs. 2 SchwbVWO ist, dass in seinem eigentlichen Anwendungsbereich kein Organ existiert, dass im Wege einer zumindest mittelbaren demokratischen Legitimation befugt wäre, einen Wahlvorstand direkt zu bestellen. Hauptadressat des § 1 Abs. 2 SchwbVWO sind dabei solche Betriebe, in denen bisher noch keine Schwerbehindertenvertretung existierte. Für die insoweit erstmalige Wahl wollte der Normgeber offenbar bewusst einen unmittelbaren Legitimationsakt etablieren, um dem Pioniersarbeit leistenden Wahlvorstand einen direkten, demokratisch abgesicherten Vertrauensvorschuss zu verschaffen.146 Gleichzeitig ist die Initiierung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO aber auch mit erheblichem organisatorischem Aufwand und nicht unbedeutenden Kosten verbunden. Schließlich sind im Anwendungsbereich des förmlichen Verfahrens mindestens 50 Wahlberechtigte beschäftigt, die zugunsten der Wahlvorstandswahl allesamt von ihrer Arbeitspflicht freigestellt werden müssten und insbesondere bei weit auseinander liegenden Betrieben Fahrkosten ersetzt verlangen könnten. Gerade vor diesem Hintergrund hat der Normgeber das aufwändige Verfahren einer Wahlvorstandswahl im Wege einer Versammlung bewusst auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen gerade keine Schwerbehindertenvertretung besteht.147 (b) Konstellation des § 16 Abs. 2 BetrVG Der von § 16 Abs. 2 BetrVG unmittelbar erfasste Fall betrifft bei der Betriebsratswahl die Konstellation, dass der zur unmittelbaren Bestellung des Wahlvorstands berufene Betriebsrat dieser Verpflichtung nach § 16 Abs. 1 BetrVG nicht fristgerecht nachkommt. Durch § 16 Abs. 2 BetrVG soll also abgesichert werden, dass die durchzuführende Wahl auch bereits vor Ablauf der Amtszeit der bisherigen Vertretung anderweitig initiiert werden kann, wenn der scheidende Amtsinhaber nicht rechtzeitig aktiv wird und dadurch vertretungslose Zeiten zu befürchten wären.148 Im Rahmen des Systems der Initiierungshandlungen der Betriebsratswahl steht die gerichtliche Bestellung nicht im Widerspruch zur Möglichkeit einer Wahlvorstandswahl durch eine Versammlung der Wahlberechtigung. Allerdings ist letztere bei der Betriebswahl – ebenso wie nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 SchwbVWO – auf die Fälle beschränkt, in denen gerade keine amtierende Interessens146 Diese offenbar zugrunde liegende Intention wird im Hinblick auf die Abstufung der Initiierungshandlungen bei der Betriebsratswahl besonders deutlich. 147 Vgl. Amtl. Begr. zu § 1 WO, BR-Drs. 290/75; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 4. 148 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 13. Vgl. auch Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 16 Rn. 2.
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vertretung existiert. Dort wurde also im Fall einer Säumnis des Amtsinhaber nicht auf die den Wahlvorstand demokratisch legitimierende Möglichkeit der Wahlvorstandswahl zurück gegriffen, sondern stattdessen bewusst eine gerichtliche Einsetzung als Initiierungsoption etabliert. Hintergrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung dürfte die Erwägung sein, dass eine Wahlvorstandswahl insbesondere im förmlichen Verfahren mit erheblichem organisatorischem und finanziellem Aufwand verbunden ist. Zwar ist im Fall einer gerichtlichen Bestellung trotz der Gerichtskostenfreiheit des Beschlussverfahrens mit zusätzlichen Kosten zu rechnen,149 jedoch dürften diese deutlich unter denen einer Wahlvorstandswahl liegen. Zudem birgt tendenziell jeder zusätzliche organisatorische Aufwand das Risiko, dass die Bereitschaft, die Wahl voranzutreiben oder an ihr teilzunehmen, sinkt. Die Durchführung einer zusätzlichen, lediglich die Einsetzung des Wahlvorstands herbeiführende Versammlung liefe also an sich dem Leitgedanken des Grundsatzes der Simplizität zuwider. Die für die Betriebsratswahl zu findende abgestufte Konstruktion der Initiierungshandlungen ist somit Ausdruck einer klaren gesetzgeberischen Wertung. Danach ist im Fall eines inaktiven Amtsinhabers zugunsten der Kontinuität der Interessenvertretung die Simplizität der Einsetzung des Wahlvorstands durch gerichtliche Bestellung einer demokratischen Legitimation durch Wahl vorzuziehen. (c) Vergleich der erfassten Konstellationen Vergleicht man die vorliegend regelungsbedürftige Konstellation mit den Sachverhalten, die originär von den Vorschriften erfasst werden, die zur Analogiebildung in Betracht kommen, zeigen sich deutlich stärkere Parallelen zu § 16 Abs. 2 BetrVG. Während § 1 Abs. 2 SchwbVWO primär einen Initiierungsmodus für erstmalige Wahlen regeln will, gewährt § 16 Abs. 2 BetrVG gerade für den Fall eine alternative Initiierungsmöglichkeit, dass der scheidende Amtsinhaber nicht fristgerecht aktiv wird. In § 16 Abs. 2 BetrVG findet sich somit eine Lösungsmöglichkeit für eine bei Betriebs- und Schwerbehindertenvertretungswahl gleichermaßen bestehende Problemkonstellation. Im direkten Vergleich zwischen den zunächst für eine Analogie in Betracht kommenden Normen, weist § 16 Abs. 2 BetrVG eine deutlich ausgeprägtere Sachnähe auf. Gerade unter teleologischen Gesichtspunkten ist somit nicht § 1 Abs. 2 SchwbVWO, sondern stattdessen § 16 Abs. 2 BetrVG der vorliegend zu regelnden Konstellation wesensgleich. Eine Analogiebildung kommt daher grundsätzlich nur zu letzterem in Betracht. Dementsprechend lässt sich eine Zulässigkeit einer Versammlung zur Wahlvorstandswahl bei gleichzeitigem Bestehen einer Schwerbehindertenvertretung auch nicht auf eine Analogie zu § 1 Abs. 2 SchwbVWO stützen. Daher ist die 149 Diese könnten insbesondere durch eine anwaltliche Vertretung des Initianten entstehen.
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Zulässigkeit einer Einladung zu einer derartigen Versammlung generell für die Fälle abzulehnen, in denen sich noch eine Schwerbehindertenvertretung im Amt befindet.150 bb) Ausschluss bei bereits erfolgter Wahlvorstandseinsetzung Generell ausgeschlossen ist eine Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO, wenn bereits anderweitig ein Wahlvorstand wirksam eingesetzt worden ist.151 In diesem Fall hat die Wahl nämlich bereits begonnen, so dass der Anwendungsbereich einer Wahlinitiierung nicht mehr eröffnet ist. Schließlich käme es sonst zu einer parallelen Durchführung mehrerer gleichartiger Wahlen. cc) Ausschluss bei Vorliegen einer anderweitigen Einladung Ebenfalls ausgeschlossen ist die Versammlungseinladung jedoch auch dann, wenn bereits anderweitig eine Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO ausgesprochen wurde.152 Die Initiierungshandlungen stehen nämlich grundsätzlich in einem Exklusivverhältnis zueinander. Wurde eine Initiierungshandlung vorgenommen, werden somit nach dem Prioritätsprinzip alle späteren Initiierungen unzulässig.153 Wäre eine Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO nicht durch eine anderweitige Wahlinitiierung ausgeschlossen, stünde ein Wettlauf von Initiierungshandlungen zu befürchten. In dessen Folge bestünde das Risiko, dass die gebotenen Fristen unzulässig verkürzt werden und dadurch eine Anfechtbarkeit154 oder gar eine Nichtigkeit155 der Wahl eintritt. Zudem würde eine Pluralität von Einladun150 Im Ergebnis ebenso: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 1 f.; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 130; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 17; Schleicher, WO zum SchwbG, § 1 Rn. 4; Treml, BehR 1986, 57, 58; Zanker, WO zum SchwbG, S. 30. 151 Vgl. für die Betriebsratswahl LAG Düsseldorf vom 25.06.2006, 12 TaBV 34/03. Vgl. auch Koch, in: ErfK, BetrVG, § 16 Rn. 8; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 76; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 74; Löwisch, BB 2001, 1734, 1738; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 17 Rn. 13. 152 Vgl. für das BetrVG: LAG Düsseldorf vom 25.06.2006, 12 TaBV 34/03; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 25; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 17 Rn. 9. Vgl. auch LAG Köln vom 06.10.1989, 9 TaBV 49/89, LAGE § 2 BetrVG 1972 Nr. 7, dass mehrere Einladungen ausnahmsweise dann für zulässig hält, wenn diese auf den gleichen Versammlungszeitpunkt und -ort abzielen. 153 Vgl. LAG Düsseldorf vom 25.06.2006, 12 TaBV 34/03; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 25; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 17 Rn. 9. 154 Vgl. zur Betriebsratswahl: LAG Nürnberg vom 29.07.1998, 4 TaBV 12/97; LAG Berlin vom 08.04.2003, 5 TaBV 1990/02, NZA-RR 2003, 587, 588; Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 22. 155 Vgl. Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. Vgl. zur Betriebsratswahl: LAG Düsseldorf vom 07.09.2010, 16
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gen zu unnötigen Irritationen bei den Wahlberechtigten führen. Diese könnten sich mitunter negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken und damit die Legitimationswirkung der Wahl vermindern. Eine Pluralität von Einladungen stünde daher im Widerspruch zu den Grundsätzen der Simplizität und der obligatorischen Vertretung. Eine Einladung zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO ist deshalb immer dann unzulässig, wenn bereits ein anderes hierzu befugtes Organ eine entsprechende Wahlinitiative unternommen hat.156 dd) Gleichrangigkeit der Initiierungsberechtigungen Vereinzelt wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, für die Einladung zu einer Versammlung zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstands gelte eine gestufte Rangfolge der zu dieser Initiierungshandlung berechtigten Organe. Nach dieser dürfe das Integrationsamt ausschließlich bei Untätigkeit der allgemeinen betrieblichen Interessenvertretung aktiv werden.157 Für eine derartige Rangfolge gibt es jedoch im Wortlaut der Wahlvorschriften keinen Anhaltspunkt.158 Vielmehr geht aus § 1 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO deutlich hervor, dass das Einladungsrecht des Integrationsamts von der Initiierungsbefugnis der anderen Organe unberührt bestehen soll. Daher lässt sich aus den Wahlvorschriften gerade keine Subsidiarität des Einladungsrechts des Integrationsamts ableiten. Eine Untätigkeit eines der in § 1 Abs. 2 SchwbVWO genannten Organe ist somit gerade nicht Voraussetzung dieser Initiierungshandlung.159
TaBV 57/10; LAG Köln 10.03.2000, 13 TaBV 9/00, NZA-RR 2001, 423, 425; Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, S. 141 ff.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 5. 156 Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 18 Rn. 2. Vgl. für das BetrVG: LAG Düsseldorf vom 25.06.2006, 12 TaBV 34/03; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 25; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 17 Rn. 9. Vgl. auch LAG Köln vom 06.10.1989, 9 TaBV 49/ 89, LAGE § 2 BetrVG 1972 Nr. 7, dass eine Pluralität von Einladungen ausnahmsweise dann für zulässig hält, wenn diese auf den gleichen Versammlungszeitpunkt und -ort abzielen. 157 Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 83. 158 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2. 159 So ausdrücklich auch: Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 2. Im Ergebnis wohl ebenso: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 130; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 74; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 555; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23; Treml, BehR 1986, 57, 58 die die einladungsbefugten Organe gleichberechtigt aufzählen, ohne ihnen das Initiierungsrecht nur in abgestufter Rangfolge zuzuerkennen. Unklar dagegen: Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39, der die Gruppe von drei Wahlberechtigten nicht als Einladungsberechtigte erwähnt. Unklar auch: Sieg, NZA 2002, 1064, 1065, der bei den einladungsberechtigten Organen das Integrationsamt unerwähnt lässt.
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c) Vornahmehandlung Die vorliegend zu untersuchende Initiierungshandlung wird durch eine an die wahlberechtigten Beschäftigten des Betriebs gerichtete Einladung zu einer Versammlung vorgenommen, die zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes erfolgen soll. aa) Inhaltliche Anforderungen an die Einladung Von einer wirksamen Einladung zu einer Versammlung kann grundsätzlich nur dann gesprochen werden, wenn diese bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllt. Die Einladung muss daher die für die Zusammenkunft maßgeblichen Eckdaten erkennen lassen. Eine formalisierte Versammlung kann nämlich nur dann stattfinden, wenn die Zusammenkunft insoweit eine Koordinierung erfährt, als im Vorfeld ein einheitlicher Veranstaltungsort, -tag und -zeitpunkt festgelegt wird. Ebenso ist es erforderlich, dass der mit der Versammlung verfolgte Zweck der Wahlvorstandswahl bereits aus der Einladung ersichtlich ist. Anderenfalls bestünde das Risiko, dass die Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO mit der nach § 95 Abs. 6 SGB IX vorgesehenen, sog. Jahresversammlung der Schwerbehinderten verwechselt und deshalb womöglich auf eine Teilnahme verzichtet wird. Notwendiger Inhalt der Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO sind daher in jedem Fall genaue Angaben zu Ort, Tag, Zeit und Gegenstand der Versammlung.160 In inhaltlicher Hinsicht ist daneben aber auch erforderlich, dass aus der Einladung ersichtlich ist, dass diese von einer hierzu befugten Person ausgeht.161 Nur auf diese Weise erlangt die Einladung die für die Durchführung eines formalisierten Wahlverfahrens notwendige Authentizität und Nachhaltigkeit und wirkt dadurch einer Nichtbeteiligung wegen vermeintlich fehlender Ernsthaftigkeit entgegen. bb) Formelle Anforderungen an die Einladung Die Wahlvorschriften enthalten grundsätzlich keine expliziten Regelungen zu Form und Frist der Einladung.162 Allerdings ergeben sich bestimmte Anforderun160 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 34; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 17; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1. 161 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. 162 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 34; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24.
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gen aus den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit der Wahl.163 Daher ist allgemein anerkannt, dass eine derartige Einladung insbesondere im Hinblick auf ihre Verbreitung gewisse, formelle Mindestanforderungen erfüllen muss.164 Hierzu zählt in erster Linie, dass die Einladung dergestalt erfolgen muss, dass sie entweder tatsächlich alle Wahlberechtigten erreicht oder aber so bekannt gemacht wird, dass dieser Personenkreis die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu erlangen und an der Versammlung teilzunehmen. 165 (1) Einladung durch Aushang Diesen Maßstäben genügt in aller Regel ein rechtzeitiger Aushang an Stellen, die üblicherweise zur betriebsöffentlichen Bekanntgabe von Informationen verwendet und von den Wahlberechtigten regelmäßig aufgesucht werden.166 Das macht es erforderlich, dass ein Aushang in sämtlichen Betriebsteilen und Betrieben erfolgt, die zum Wahlbezirk gehören. Nur auf diese Weise kann nämlich sichergestellt werden, dass sämtliche Wahlberechtigten rechtzeitig Kenntnis von der Versammlung erlangen.167 Die Kenntnisnahmemöglichkeit durch die im Be163 Vgl. BAG vom 07.05.1986, 2 AZR 349/85, AP Nr. 18 zu § 15 KSchG 1969; LAG Hamm vom 13.04.2012, 10 TaBV 109/11; ArbG Essen vom 22.06.2004, 2 BV 17/04, NZA-RR 2005, 258, 260; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 25. 164 Vgl. BAG vom 07.05.1986, 2 AZR 349/85, AP Nr. 18 zu § 15 KSchG 1969; LAG Düsseldorf vom 25.06.2006, 12 TaBV 34/03; ArbG Essen vom 22.06.2004, 2 BV 17/ 04, NZA-RR 2005, 258, 260; Jacobs, Wahlvorstände, S. 151; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 25; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 17 Rn. 17. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 35. 165 So ausdrücklich in Bezug auf die Einladung zur Betriebsversammlung zum Zweck der Wahl eines Wahlvorstands für die Betriebsratswahl nach § 17 Abs. 1 BetrVG: BAG vom 07.05.1986, 2 AZR 349/85, AP Nr. 18 zu § 15 KSchG 1969; LAG Hamm vom 13.04.2012, 10 TaBV 109/11. Ähnlich für die Einladung zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24. 166 Ähnlich jedoch etwas zu allgemein nur von Aushängen sprechend: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. Vgl. auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 24; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 12. Vgl. zu den Anforderungen an den Ort des Aushangs beim Wahlausschreiben: BAG vom 05.05.2004, 7 ABR 44/03, NZA 2004, 1285, 1285 f.; LAG Niedersachsen vom 26.7.2007, 4 TaBV 85/06; Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 238 ff.; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 3 Rn. 8. 167 Vgl. LAG Köln vom 11.04.2008, 11 TaBV 80/07, BehR 2009, 91, 94.
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trieb beschäftigten Schwerbehinderten setzt auch voraus, dass die für den Aushang gewählten Stellen barrierefrei erreichbar sind.168 Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, ist ein derartiger Aushang zumindest bei im betreffenden Betriebsteil tätigen, bewegungsbeeinträchtigten Beschäftigten nicht geeignet, die erforderliche Kenntnisnahmemöglichkeit sicherzustellen.169 Im Allgemeinen wird auch davon ausgegangen, dass ein derartiger Aushang der Einladung den Anforderungen der Schriftform nicht genügen müsse, weil eine dahingehende Formvorgabe in den Wahlvorschriften fehle. Es sei insbesondere nicht erforderlich, dass der Aushang mit einer Namensunterschrift versehen werde.170 Ohne eine solche Unterschrift erlangt die Einladung jedoch einen geringeren Grad an Authentizität. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass es sich bei der Einladung zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO zunächst nur um einen der eigentlichen Wahl vorgelagerten Vorbereitungsakt handelt.171 Der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO kommt also für den Wahlprozess insgesamt nur eine abgestufte Bedeutung zu.172 Daher ist davon auszugehen, dass der Normgeber im Hinblick auf die Einladung zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO bewusst auf eine § 5 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO vergleichbare Formvorgabe verzichtet hat. Dementsprechend erscheint auch eine analoge Anwendung der für das Wahlausschreiben geltenden Formvorschriften nicht geboten.173 Trotz der geringeren Authentizität ist daher keine Unterschrift unter einer derartigen Einladung erforderlich. 168 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23; Strehmel, AuA 2002, 418, 419. Vgl. zu den Anforderungen an den Aushang des Wahlausschreibens: Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 5 Anm. 4. 169 Siehe zur Gewährleistung der Kenntnisnahme durch sehbeeinträchtigte Beschäftigte § 6 IV. 2. c) bb) (4). 170 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 35; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Weber, SchwbG, § 24 Anm 24. Vgl. für das BetrVG: LAG Hamm vom 29.11. 1973, 3 Sa 663/ 73, DB 1974, 389, 389; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 17; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 5; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 24; Wenzel, DB Beilage Nr. 2/1975, S. 4. 171 Vgl. für das BetrVG: Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 12. 172 Vgl. dazu BAG vom 07.05.1986, 2 AZR 349/85, AP Nr. 18 zu § 15 KSchG 1969; Jacobs, Wahlvorstände, S. 151. 173 Im Ergebnis ebenso: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 35; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. Vgl. für das BetrVG: LAG Hamm vom 29.11.1973, 3 Sa 663/73, DB 1974, 389, 389; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 17; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 5; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 24; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 12.
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(2) Einladung durch Rundschreiben Grundsätzlich denkbar ist auch ein an sämtliche Wahlberechtigten gerichtetes Rundschreiben.174 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch solche Beschäftigten wahlberechtigt sein können, deren Schwerbehindertenstatus (bisher noch) nicht im Betrieb bekannt ist.175 Die Initianten müssten daher grundsätzlich auch solche Personen einladen, die ihnen gar nicht als Wahlberechtigte bekannt sind. Würden diese „nicht sichtbaren“ Wahlberechtigten bei der Einladung übergangen, würden deren Wahlrechte beschnitten, so dass insoweit der Grundsatz der Allgemeinheit verletzt wäre. Diesem Risiko könnten die Initianten nur dadurch begegnen, dass sie prophylaktisch sämtlichen Beschäftigten des Wahlbezirks das Rundschreiben zuleiten. Damit müssten aber unverhältnismäßig mehr Einladungsschreiben angefertigt und versendet werden, als überhaupt Wahlberechtigte angesprochen werden sollen. Dies erscheint angesichts der ungleich einfacheren und sparsameren Möglichkeit der Bekanntgabe per Aushang nicht verhältnismäßig. Der Arbeitgeber wäre deshalb auch nicht zur Tragung der mit einer solch umfassenden Versendung einhergehenden Kosten verpflichtet.176 Ein Rundschreiben an sämtliche Wahlberechtigten scheint daher kaum geeignet, eine wirksame und rechtssichere Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO zu vollziehen.177 (3) Andere Formen der Einladung Im Hinblick auf das Risiko der Existenz nicht sichtbarer Wahlberechtigter erscheinen aus den gleichen Gründen auch mündliche oder fernmündliche Einladungen als nicht geeignet, sofern diese Form von Einladung nicht an sämtliche Beschäftigte des Wahlbezirks gerichtet wird. Anders als in den Wahlvorschriften des BetrVG ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik für die Schwerbehindertenvertretungswahl nicht als Bekanntmachungsform vorgesehen worden.178 Angesichts der für die 174 Ausdrücklich für das BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 24; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 12. So wohl auch für die Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO: Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1, der alternativ zum „Aushang“ als weitere Möglichkeit eine „schriftliche“ Einladung vorschlägt. 175 Siehe dazu oben § 4 II. 4. a) bb) (3), (6) und (7). 176 Zur Begrenzung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bei der Schwerbehindertenvertretungswahl auf die notwendigen Kosten: Vgl. Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 135 ff. Vgl. zur Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, § 20 Rn. 41; Kreutz, in: GKBetrVG, § 20 Rn. 49 ff. 177 Vgl. auch zur Ungeeignetheit einer per Rundschreiben vorgenommenen Einladung zur Wahlversammlung im vereinfachten Verfahren: LAG Brandenburg vom 17.10. 2003, 8 TaBV 7/03. 178 Vgl. LAG Köln vom 11.04.2008, 11 TaBV 80/07, 2009, 91, 93 f.; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 82. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 3 Rn. 27.
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Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO gewährten Formfreiheit steht einer derartigen Verbreitung grundsätzlich nichts entgegen. Allerdings kann eine ausschließliche Einladung über Informations- und Kommunikationstechnik generell nur dann ausreichend sein, wenn auch in tatsächlicher Hinsicht sichergestellt ist, dass sämtliche Wahlberechtigten über einen Zugang zu dieser Bekanntmachungsform verfügen. Schließlich ist nur in diesem Fall davon auszugehen, dass die Wahlberechtigten auf diesem Wege rechtzeitig Kenntnis von der Einladung erlangen.179 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl insoweit Besonderheiten ergeben. Selbst bei einer für alle Beschäftigten abstrakt gewährleisteten Nutzbarkeit der Informations- und Kommunikationstechnik (z. B. allgemein zugänglicher Computer im Pausenraum) ist noch nicht sichergestellt, dass auch tatsächlich sämtliche Wahlberechtigte Kenntnis erlangen können. Vielmehr können gerade individuelle, behinderungsbedingte Einschränkungen einer derartigen Kenntnisnahmemöglichkeit entgegenstehen. Der Grundsatz der Barrierefreiheit gebietet wegen seines abstrakten Anforderungsniveaus daher, von Informations- und Kommunikationstechnik als Bekanntmachungsform der Schwerbehindertenvertretungswahl keinen Gebrauch zu machen.180 (4) Umgang mit sehbehinderten Beschäftigten Grundsätzlich sicherste Form der Einladung ist, wie dargestellt, der betriebsöffentliche Aushang des Einladungsschreibens. In Bezug darauf stellt sich jedoch die Frage, inwieweit eine Einladung per Aushang auch gegenüber sehbeeinträchtigten Beschäftigten geeignet ist, diesen eine hinreichende Kenntnisnahmemöglichkeit zu verschaffen. Schließlich kann auch ein physisch barrierefrei erreichbarer Aushang von blinden bzw. stark sehbeeinträchtigten Beschäftigten nicht wahrgenommen werden. Damit ist ihnen gegenüber grundsätzlich nicht sichergestellt, dass sie von der Versammlung Kenntnis erlangen können. (a) Ausfertigung in Blindenschrift Teilweise wird deshalb in der Literatur verlangt, dass sämtliche Wahlinformationen auch für sehbehinderte und blinde Menschen zugänglich zu gestalten sein sollen.181 Auf welche Weise dies geschehen soll, wird jedoch nicht dargelegt. In 179 Zu den Anforderung an die ausschließliche Einladung per Informations- und Kommunikationstechnik im BetrVG: Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 17; Kreutz, in: GKBetrVG, § 17 Rn. 24; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 12. 180 Gerade wegen dieser Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl haben die Normgeber darauf verzichtet, den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik als Bekanntmachungsform vorzusehen. 181 So etwa Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Kamm/Berger/ Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21;
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praktischer Hinsicht stellt sich nämlich das Problem, dass selbst die BraillePunkt-Schrift182 als die bekannteste und am meisten verbreitete183 Form der Blindenschrift nur von ca. 20% der blinden und sehbeeinträchtigten Menschen in Deutschland gelesen werden kann.184 Auch eine in Blindenschrift verfasste Einladung würde somit nicht gewährleisten, dass blinde oder sehbehinderte Beschäftigte von dieser Kenntnis erlangen können. (b) Arbeitsassistenz Grundsätzlich wäre es auch denkbar, insoweit auf die sog. Arbeitsassistenz zu verweisen. In der betrieblichen Praxis stehen sehbeeinträchtigten Behinderten nämlich regelmäßig Vorlesekräfte für Blinde als Arbeitsassistenz i. S. d. § 102 Abs. 4 SGB IX zur Verfügung.185 Diese unterstützen die sehbehinderten Beschäftigten insbesondere auch im Hinblick auf die Versorgung mit praxisrelevanten betrieblichen Informationen.186 Damit besteht für sehbeeinträchtigte Beschäftigte über die Arbeitsassistenz eine abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme hinsichtlich einer per Aushang bekannt gegebenen Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO. Allerdings dient die Arbeitsassistenz primär der tätigkeitsbezogenen Unterstützung des Beschäftigten, so dass eine regelmäßige „Inaugenscheinnahme“ der betrieblichen Aushangstellen nicht zu deren zentralen Aufgaben zu rechnen ist. Daher ist durch das Zur-Verfügung-Stehen einer Arbeitsassistenz allein noch nicht zwingend gewährleistet, dass der betroffene blinde oder sehbehinderte Beschäftigte auch tatsächlich Kenntnis von dem Aushang erlangt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nicht sämtliche sehbeeinträchtigten Beschäftigten über eine Arbeitsassistenz verfügen. Vor diesem Hintergrund dürfte eine Bekanntmachung der Einladung gegenüber blinden oder stark sehbeeinträchtigten Beschäftigten auch unter Verweis auf die Arbeitsassistenz nicht ausreichend sein. (c) Individuelle Unterrichtung der Betroffenen Zur ausreichenden Bekanntgabe der Einladung gegenüber sehbeeinträchtigten Beschäftigten bietet es sich an, diese gesondert mündlich zu unterrichten. HierKamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23; Strehmel AuA 2002, 418, 419. 182 Vgl. zu den bei dieser Schrift bestehenden Differenzen: Heuer/Lorenz/Meier/ u. a., Das System der deutschen Blindenschrift, S. 18 f. 183 Adam, Das Buch der Blindenschrift, S. 9 und 24; Heuer/Lorenz/Meier/u. a., Das System der deutschen Blindenschrift, S. 11. 184 Adam, Das Buch der Blindenschrift, S. 30. 185 Vgl. Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 32; Schneider/Adlhoch, BehR 2001, 51, 56 f.; Winkler, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 102 Rn. 47; Weber, BehR 2004, 193, 195. 186 Schneider/Adlhoch, BehR 2001, 51, 53.
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bei genügt es, wenn sie über das Vorliegen eines Aushangs und dessen groben Inhalt informiert werden und ihnen angeboten wird, den Aushang ggf. vorzulesen. Ein genereller Vortrag des detaillierten Inhalts ist dagegen nicht erforderlich, weil der Betroffene selbst entscheiden kann, ob er durch das ihn informierende Organ oder eine Person seines Vertrauens über den näheren Inhalt in Kenntnis gesetzt werden will. Alternativ zur mündlichen Unterrichtung erscheint es auch möglich, das Einladungsschreiben in die Leseeinheit des texterkennungsgestützten Computerarbeitsplatzes des betroffenen Sehbehinderten zu geben. Auch auf diese Weise wird die Einladung für den Beschäftigten wahrnehmbar, so dass er die Möglichkeit der Kenntnis von der Einladung erlangt. Auf beiden genannten Wegen ist sichergestellt, dass die durch schriftlichen Aushang bekannt gegebene Einladung auch den blinden und sehbehinderten Beschäftigten zur Kenntnis gelangt und ihnen damit die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird. Daher ist das wahlinitiierende Organ zur Gewährleistung der Allgemeinheit und Barrierefreiheit der Wahl verpflichtet, blinde Beschäftigte auf gesondertem Weg über die Einladung zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO zu unterrichten.187 Angesichts der Offensichtlichkeit dieser Behinderungsform ergeben sich dabei grundsätzlich keine Probleme im Hinblick auf die Sichtbarkeit dieser Personen. (5) Rechtzeitigkeit der Einladung Aus dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl folgt als Mindestanforderung auch, dass die Einladung so rechtzeitig erfolgen muss, dass alle Wahlberechtigten die Möglichkeit erhalten, an der Versammlung teilzunehmen.188 Dementsprechend muss der zwischen Einladung und Versammlung liegende Zeitraum hinreichend lang bemessen sein. Erforderlich ist daher, dass die Wahlberechtigten einerseits Gelegenheit haben von der Einladung Kenntnis zu erlangen und sich gleichzeitig auch terminlich auf die Versammlung einstellen können.189 Bei der 187 Vgl. in Bezug auf die Gewährleistung der Allgemeinheit der Wahl: Jacobs, Wahlvorstände, S. 151. 188 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 205; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1. In Bezug auf die Betriebsratswahl: LAG Hamm vom 13.04.2012, 10 TaBV 109/11. 189 Dass allein die Kenntnis von der Versammlung nicht genügen kann, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein gerade im Ausland eingesetzter Wahlberechtigter auch dann nicht an einer kurzfristig anberaumten Versammlung teilnehmen kann, wenn er telefonisch über diese in Kenntnis gesetzt worden ist. Vgl. in Bezug auf
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Ermittlung der erforderlichen Vorlaufzeit muss auch berücksichtigt werden, dass gerade im Hinblick auf behinderungsbedingte Beeinträchtigungen nicht voreilig davon ausgegangen werden kann, dass bereits sämtliche Wahlberechtigten Kenntnis erlangt hätten. Ebenso muss hinsichtlich der tatsächlichen Teilnahmemöglichkeit beachtet werden, dass sich behinderte Beschäftigte im Allgemeinen schwerer aus ihren Arbeitsabläufen lösen können.190 Deshalb muss auch zwischen Kenntnisnahme von der Einladung und Versammlungszeitpunkt ein entsprechend großzügig zu bemessender Zeitraum liegen, damit eine tatsächliche Teilnahmemöglichkeit aller Wahlberechtigten gewährleistet ist. Angesichts dieser Anforderungen erscheint eine kurzfristige Anberaumung der Versammlung innerhalb weniger Tage oder gar innerhalb weniger Stunden ausgeschlossen.191 Vielmehr ist für eine solche Versammlung angesichts der Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 2 WO-BetrVG eine Vorlaufzeit von mindestens einer Woche zu veranschlagen.192 Für die Rechtszeitigkeit der Einladung sind jedoch stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Primär kommt es daher darauf an, dass tatsächlich alle Wahlberechtigten die Möglichkeit erhalten, an der Versammlung teilzunehmen.193 d) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt Geht man nunmehr davon aus, dass sich die vorliegend zu untersuchende Initiierungshandlung inhaltlich auf den Ausspruch der Einladung beschränkt, kann für die Bestimmung des Zeitpunkts der Wahlinitiierung nichts anderes gelten. In zeitlicher Hinsicht maßgeblich ist daher, wann die Einladung zur Versammlung i. S. d. § 1 Abs. 2 SchwbVWO erstmals vollwirksam ausgesprochen worden ist. die Versammlungsteilnahmemöglichkeit auswärtiger Wahlberechtigter im vereinfachten Verfahren: Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 19 Anm. 3. 190 Amtl. Begr. zur SchwbVWO, BR-Drs. 147/90, S. 14. 191 Vgl. für die Versammlung nach § 17 BetrVG: ArbG Essen vom 22.06.2004, 2 BV 17/04, NZA-RR 2005, 258, 260. Vgl. auch LAG Hamm vom 13.04.2012, 10 TaBV 109/11. A. A. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. Vgl. auch Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3, der ebenfalls „kurzfristige Einladungen“ für denkbar hält. 192 Vgl. zur Mindestvorlaufzeit bei Einladungen nach § 17 BetrVG: LAG Hamm vom 13.04.2012, 10 TaBV 109/11; ArbG Essen vom 22.06.2004, 2 BV 17/04, NZA-RR 2005, 258, 260; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 17. Vgl. dazu auch LAG Baden-Württemberg vom 20.02.2009, 2 TaBVGa 1/09; ArbG München vom 17.12.1996, 8 BV 282/96, AiB 1997, 288, 289. 193 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54, EL, WO, § 1 Anm. 3; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 205; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39, die jeweils die tatsächliche Teilnahmemöglichkeit als oberstes Kriterium der Rechtzeitigkeit der Einladung betonen. Vgl. auch LAG Hamm vom 13.04.2012, 10 TaBV 109/11; LAG Baden-Württemberg vom 20.02.2009, 2 TaBVGa 1/ 09; ArbG Essen vom 22.06.2004, 2 BV 17/04, NZA-RR 2005, 258, 260; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 17.
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Erfolgt die Einladung durch schriftlichen Aushang und ist es zur hinreichenden Bekanntgabe erforderlich, die Einladung in mehreren Betriebsteilen oder Betrieben des Wahlbezirks auszuhängen, muss darauf abgestellt werden, wann der letzte erforderliche Aushang erfolgt ist.194 3. Einsetzung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht Nach der hier vertretenen Auffassung besteht infolge analoger Anwendung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften auch die Möglichkeit, die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung durch einen an das zuständige Arbeitsgericht gerichteten Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands in die Wege zu leiten. Auch ein derartiger Antrag auf gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands erfüllt die oben definierten Voraussetzungen des Begriffs der Wahlinitiierung. Er soll daher im Folgenden ebenfalls näher untersucht werden. a) Rechtliche Grundlagen dieser Initiierungsart Im Unterschied zu den vorstehend dargestellten Initiierungshandlungen ist die gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands nicht in den Wahlvorschriften des SGB IX oder der SchwbVWO vorgesehen. Eine rechtliche Grundlage für eine solche, für die Schwerbehindertenvertretungswahl nicht ausdrücklich normierte Initiierungsart, kann daher nur eine Analogie sein. Im Folgenden sollen daher die Voraussetzungen einer entsprechenden Analogiebildung beleuchtet werden. aa) Analogie zu § 16 Abs. 2 BetrVG Wie bereits dargestellt besteht im Fall einer nicht fristgerechten Bestellung des Wahlvorstands durch die scheidende Schwerbehindertenvertretung wegen des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung ein Bedürfnis einer alternativen Möglichkeit der Initiierung der Wahl.195 Die insoweit bestehende Regelungslücke ist auch nicht vom Normgeber bewusst ungeregelt belassen worden. Desweiteren sind – wie ebenfalls schon ausführlich dargelegt – die vorliegend ungeregelt gebliebene und die von § 16 Abs. 2 BetrVG erfasste Konstellation in ihrer Ausgangslage wesengleich.196 Daher ist die Regelungslücke durch Analogie zu § 16 Abs. 2 BetrVG zu schließen. Daher kann eine Initiierung der Schwerbehindertenvertretungswahl auch nach § 16 Abs. 2 BetrVG analog durch Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands erfolgen, wenn die bestehende Schwerbehin194 Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl: LAG Hamm vom 26.02.1976, 8 TaBV 103/75, BB 1976, 1075 (Ls.); Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 3 Rn. 3; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 3 Rn. 1. 195 Siehe dazu oben § 6 IV. 2. b) aa) (1). 196 Siehe dazu ausführlich oben § 6 IV. 2. b) aa) (3) (b) und (c).
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
dertenvertretung ihrer Verpflichtung nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO nicht fristgerecht nachgekommen ist. bb) Analogie zu § 17 Abs. 4 BetrVG Grundvoraussetzung einer Analogie zu § 17 Abs. 4 BetrVG ist wiederum das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke, sowie das Vorliegen von unter teleologischen Gesichtspunkten wesensgleichen Sachverhalten, der Ungeregelten und der von § 17 Abs. 4 BetrVG erfassten Konstellation. (1) Bestehen einer Regelungslücke Hat einer der Initianten zu einer Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO eingeladen, ist nicht generell gewährleistet, dass es tatsächlich zu einer Einsetzung des Wahlvorstands kommt. Vielmehr kann es aus unterschiedlichsten Gründen dazu kommen, dass entweder keine Versammlung stattfindet oder auf dieser kein Wahlvorstand gewählt wird.197 Diese Art von Initiierungshandlung führt somit nicht zwangsläufig zur tatsächlichen Wahlvorstandswahl und erweist sich daher nicht immer als effektives Mittel zur Initiierung der Wahl. Es würde jedoch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung widersprechen, wenn ein Scheitern einer solchen Initiierungshandlung dazu führen würde, dass generell keine Wahl mehr stattfinden könnte.198 Die gesetzgeberische Intention, in möglichst allen Betrieben eine spezifische Interessenvertretung zu etablieren, bedingt daher auch im Fall der Erfolglosigkeit einer Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO eine alternative, effektivere Möglichkeit der Wahlinitiierung. Teilweise wird für den Fall der Erfolglosigkeit einer Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO vorgeschlagen, dass schlicht eine erneute Einladung erfolgen solle.199 Allerdings erscheint zweifelhaft, inwieweit eine wiederholte Vornahme einer zuvor gescheiterten Initiierungshandlung erfolgversprechender sein soll, als dies bisher der Fall war. Vielmehr dürfte in aller Regel zu befürchten sein, dass auch die erneute Einladung das gleiche Schicksal ereilt, wie die erste Versammlungseinladung. Insofern dürfte eine erneute Einladung im Allgemeinen außer weiteren Verzögerungen des Wahlprozesses wenig Wirkung zeigen. Daher scheint diese Handlungsoption im Sinne einer möglichst zeitnahen und effektiven Ingangsetzung des Wahlprozesses wenig geeignet.200 197 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 5 Vgl. auch Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24. 198 Das verkennt Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 84. 199 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Kamm, PersR 1994, 393, 394; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18 und Peiseler, AiB 1990, 308, 308. 200 So wohl auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Pahlen, in: Neumann/
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Andere Handlungsoptionen sind in den Wahlvorschriften des SGB IX und der SchwbVWO jedoch nicht enthalten, so dass auch insoweit eine schließungsbedürftige Regelungslücke besteht. (2) Planwidrigkeit Diese Regelungslücke müsste auch planwidrig sein, der Normgeber dürfte also nicht bewusst auf eine entsprechende Regelung der in Rede stehenden Angelegenheit verzichtet haben. Allerdings sind weder aus den Materialien des Normgebungsverfahrens, noch in teleologischer Hinsicht Anhaltspunkte für einen solchen bewussten Regelungsverzicht ersichtlich. Vielmehr spricht gerade die normgeberische Intention nach einer umfassenden Verbreitung der Schwerbehindertenvertretung dafür, dass der Normgeber eine alternative Initiierungsmöglichkeit normiert hätte, so denn er sich des Regelungsbedürfnisses gewahr gewesen wäre. Somit erscheint die Regelungslücke auch als planwidrig. (3) Vergleichbarkeit der Rechtslagen Zur Schließung besagter Regelungslücke wäre es denkbar, auf die Regelung des § 17 Abs. 4 BetrVG zurück zu greifen und diese auf die Schwerbehindertenvertretungswahl analog anzuwenden. Voraussetzung einer solchen Lückenfüllung per Analogieschluss ist es, dass die gesetzlich geregelte Fallkonstellation unter teleologischen Gesichtspunkten der nicht geregelten Konstellation gleichwertig ist.201 Im Rahmen der Betriebsratswahl soll durch § 17 Abs. 4 BetrVG sichergestellt werden, dass sämtliche initiierungsbefugten Organe effektive Handlungsoptionen zur Hand haben, um die Betriebsratswahl auch ergebnisorientiert wirksam initiieren zu können. Die eingeräumte Möglichkeit der gerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands soll insbesondere vermeiden, dass die zeitnahe Durchführung der Wahl daran scheitert, dass eine Einladung zur Versammlung zum Zwecke der Wahlvorstandswahl ergebnislos verläuft.202 Eine ähnliche Ausgangslage findet sich auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl. Auch dort besteht das Risiko, dass eine Wahldurchführung daran scheitert, dass trotz einer Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO eine Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 5; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 5; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24, die stattdessen eine gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands präferieren. 201 Vgl. Honsell, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, Teil B Rn. 61; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff. Vgl. auch Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 253 f. und 277. 202 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 41 f. und 45 f. Vgl. auch Jacobs, Wahlvorstände, S. 134 f.
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Wahl des Wahlvorstands nicht erfolgt. Allerdings enthalten die Wahlvorschriften des SGB IX und der SchwbVWO keine Regelung, die den initiierungsbefugten Organen ein effektives Mittel gegen ein insoweit drohendes Scheitern der Wahl zur Verfügung stellen würde. Damit besitzen die vorliegend ungeregelte und die von § 17 Abs. 4 BetrVG erfasste Konstellation die gleiche Ausgangslage und sind in teleologischer Hinsicht wesensgleich. Daher ist eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 4 BetrVG möglich. Kommt trotz ordnungsgemäßer Einladung keine Wahl des Wahlvorstands zustande, besteht somit die Möglichkeit einer alternativen Initiierung nach § 17 Abs. 4 BetrVG analog durch Antrag auf gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands.203 cc) Ausschluss der Analogien durch § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass eine analoge Anwendung von Wahlverfahrensvorschriften des BetrVG wegen § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX generell ausgeschlossen sei. Aus diesem Grund werden auch auf § 16 Abs. 2 BetrVG analog bzw. auf § 17 Abs. 4 BetrVG analog gestützte Anträge auf gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands für unzulässig erachtet.204 Im Folgenden soll daher geklärt werden, inwieweit tatsächlich ein solcher Analogieausschluss durchgreift. (1) Historische Entwicklung als Begründungsansatz Der generelle Ausschluss der Analogie zu betriebsverfassungsrechtlichen Wahlverfahrensvorschriften wird mit der historischen Entwicklung des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX begründet. In der entsprechenden Vorgängerregelung des § 21 Abs. 5 Satz 2 SchwbG i. d. F. vom 29.04.1974 war noch ausdrücklich angeordnet worden, dass neben den Vorschriften zu Wahlschutz und Wahlkosten auch die betriebsverfassungsrechtlichen Normen über das Wahlverfahren sinngemäß anzuwenden waren. Eine diesbezügliche Verweisung auf das BetrVG ist in § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX jedoch nicht mehr enthalten. Aus der nunmehr fehlenden Erwähnung der Wahlverfahrensvorschriften wird bisweilen gefolgert, dass der 203 Im Ergebnis ebenso: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 93 und Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5. Ebenso wohl auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 5; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/ Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 5; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24. 204 So Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 84. Ähnlich auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 16 f., der jedoch – insoweit inkonsequenterweise – gleichwohl eine Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ohne weiteres für möglich hält (vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 2 Rn. 33).
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Gesetzgeber eine Anknüpfung an das BetrVG ausschließen wollte und dessen Wahlverfahrensvorschriften somit generell nicht mehr analogiefähig seien.205 (2) Regelungszweck der Änderung Hierbei wird jedoch verkannt, dass mit der Herausnahme des Begriffs der Wahlvorschriften aus § 21 Abs. 5 SchwbG a. F. lediglich das Ziel verfolgt wurde, bis dato bestehende Irritationen zu beseitigen. Diese waren bisweilen dadurch entstanden, dass die zum SchwbG erlassene Wahlordnung Regelungen enthielt, die mitunter erheblich von den betriebsverfassungsrechtlichen Wahlvorschriften abwichen und hierdurch das Verhältnis der Vorschriften zueinander unklar war.206 Die Streichung sollte daher verhindern, dass Normen des BetrVG unmittelbar und zwingend heranzuziehen sind, obwohl sie im Widerspruch zu den Regelungen der SchwbVWO stehen. (3) Kein Ausschluss regelungslückenfüllender Analogien Demgegenüber lässt sich dem Gesetzgeber nicht unterstellen, dass er mit dieser Gesetzesänderung die Schließung unbeabsichtigter Regelungslücken im Wege von Einzelanalogien zu betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften verhindern wollte.207 Infolge der Streichung des Begriffs des Wahlverfahrens ist daher nur eine direkte Anwendbarkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen worden.208 Dagegen ist eine Analogie zu Wahlvorschriften des BetrVG zur Schließung bestehender Regelungslücken auch trotz der Modifizierung des § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX weiterhin möglich.209 Somit steht auch unter diesem Gesichtspunkt einer Analogie zu §§ 16 Abs. 2 bzw. 17 Abs. 4 BetrVG nichts entgegen.210 205
Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 84. So ausdrücklich die Begründung im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 10/5701, S. 11. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 24 Rn. 13. 207 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5. 208 Terminologisch ungenau insoweit: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 16, der die über § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX vermittelte sinngemäße Anwendbarkeit mit der Analogiefähigkeit der BetrVG-Vorschriften gleichzusetzen scheint. 209 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 12; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5. Im Ergebnis auch Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 207; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 5; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 5, die jeweils durch „sinngemäße“ oder analoge Anwendung auf Regelungen des BetrVG zurückgreifen. 210 In Bezug auf § 17 Abs. 4 BetrVG ähnlich: Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5. Ebenso eine Analogie zu § 17 Abs. 4 BetrVG befürwortend, jedoch ohne Be206
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b) Abstrakte Vornahmeberechtigung Sowohl in § 16 Abs. 2 BetrVG, als auch in § 17 Abs. 4 BetrVG werden als antragsberechtigte Personen einerseits mindestens drei Wahlberechtigten und andererseits die im Betrieb vertretene Gewerkschaft genannt. Vergleicht man diese Antragsberechtigung mit dem Kreis der initiierungsbefugten Organe zeigt sich eine erhebliche Divergenz. Im Folgenden soll daher geklärt werden, inwieweit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften trotz der fehlenden Initiierungsbefugnis ein derartiges Antragsrecht zustehen kann. Außerdem ist zu untersuchen, ob auch die in §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG nicht genannten, aber allgemein zur Initiierung der Schwerbehindertenvertretungswahl befugte Organe einen entsprechenden Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands stellen dürfen. aa) Antragsrecht der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Zur Klärung der Frage, ob im Betrieb vertretenen Gewerkschaften auch im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl ein Antragsrecht nach §§ 16 Abs. 2 bzw. 17 Abs. 4 BetrVG analog zustehen kann, muss zunächst auf deren Bedeutung im Betriebsverfassungsrecht eingegangen werden. Sodann ist die Rolle der Gewerkschaften bei der Schwerbehindertenvertretungswahl in den Blick zu nehmen und daraus Rückschlüsse für deren Antragsberechtigung zu ziehen. (1) Rolle der Gewerkschaften im BetrVG Im Betriebsverfassungsrecht sind den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften eine Reihe von Aufgaben und Rechten zuerkannt worden,211 so dass sie dort über eine eigenständige organartige Stellung verfügen. Diese zeigt sich nicht nur in der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat,212 sondern auch an deren Einbin-
gründung: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77. Im Ergebnis wohl auch: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 5; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/ Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 5, die sich jedoch in dogmatischer ungenauer Weise für sinngemäße oder gar unmittelbare Anwendung des § 17 Abs. 4 BetrVG aussprechen. Ebenso wohl auch Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24, der keinerlei Normen nennt, aber auf den Regelungsgehalt des § 17 Abs. 4 BetrVG abstellt. Lückenschließende Analogien zum Betriebsverfassungsrecht zumindest im Hinblick auf § 18 Abs. 1 BetrVG für möglich haltend: Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 207. 211 Eine Auflistung findet sich bei Fitting, BetrVG, § 2 Rn. 65. 212 Ausführlich zur Beziehung zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft: Düttmann, JbArbR, Bd. 17, S. 71 ff.
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dung in den Prozess der Betriebsratswahl. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften verfügen dahingehend nämlich nicht nur über das Recht, beratende Mitglieder in den Wahlvorstand zu entsenden und eigene Wahlvorschläge einzureichen. Vielmehr besitzen sie darüber hinaus eine eigenständige Initiierungsbefugnis für die Betriebsratswahl. Diese in den §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG zu findenden Antragsrechte der Gewerkschaften bilden also insoweit lediglich die konsequente Fortsetzung der im Hinblick auf die Betriebsratswahl eingeräumten Sonderstellung.213 (2) Rolle der Gewerkschaften bei Schwerbehindertenvertretungswahl Im Unterschied dazu werden den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften im gesamten 5. Kapitel des Zweiten Teils des SGB IX keinerlei Aufgaben oder Rechte zuerkannt. Im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretung kommt ihnen daher keine eigenständige Unterstützungsfunktion zu.214 Insbesondere wurden sie nach den Vorschriften des SGB IX und der SchwbVWO nicht in den Prozess der Schwerbehindertenvertretungswahl eingebunden und verfügen daher nach einhelliger Auffassung – trotz teilweise geäußerter, politischer Kritik215 – über keine eigenständige Wahlinitiierungsbefugnis.216
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Vgl. dazu Jacobs, Wahlvorstände, S. 411 ff. Vgl. BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 25/08, NZA 2009, 1221, 1222; OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 22; VG Ansbach vom 04.09.1995, AN 8 P 94.02216, PersV 1995, 371, 372; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 94 Rn. 119; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3 und 5; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 164; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 36; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 42. A. A. wohl Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 193 und § 100 Rn. 16, der jedoch ein Antragsrecht der Gewerkschaften nach § 17 Abs. 4 BetrVG analog aus anderen Gründen ablehnt. Vgl. auch Romer, Sprecherausschußgesetz und die analoge Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes, S. 69 ff., der ähnliche Rückschlüsse im Hinblick auf die fehlende Erwähnung der Gewerkschaften bzw. der Verbände der leitenden Angestellten im SprAuG zieht. 215 Vgl. etwa Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Kamm/ Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 18; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18. 216 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 203; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 18; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 74; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 35 und SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Süllwold, ZBVR 2002, 190, 191. Vgl. auch BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 25/08, NZA 2009, 1221, 1222; OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 22; VG Ansbach vom 04.09.1995, AN 8 P 94.02216, PersV 1995, 371, 372. 214
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(3) Systematische Widersprüchlichkeit eines Antragsrechts Würde man nunmehr über die analoge Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG ein Antragsrecht der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften anerkennen, würde dies dazu führen, dass diese eine Initiierungsbefugnis erhielten. Dies stünde jedoch im Widerspruch zur Systematik des SGB IX und der SchwbVWO, die den Gewerkschaften dort gerade keine eigene Rechtsposition eingeräumt und sie insbesondere auch nicht mit einer Initiierungsbefugnis ausgestattet hat.217 Daher ist die Antragsberechtigung bei einfach analoger Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG unter teleologisch-systematischen Gesichtspunkten auf die Gruppe von mindestens drei Wahlberechtigten zu beschränken. Folglich steht den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften trotz der analogen Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG nicht das Recht zu, bei der Schwerbehindertenvertretungswahl einen Antrag auf gerichtliche Wahlvorstandseinsetzung zu stellen.218 bb) Antragsberechtigung von Betriebsrat und Integrationsamt In den §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG werden weder der Betriebsrat noch das Integrationsamt als antragsberechtigte Organe benannt. Damit stellt sich im Fall der einfach analogen Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG die Frage, ob diesen Organen dennoch eine Antragsberechtigung zustehen kann. Zur Klärung dessen soll zunächst dargestellt werden, warum diese Organe in den Vorschriften keine Erwähnung finden. Anschließend sind die aus der Nichterwähnung folgenden systematischen Widersprüche für die Schwerbehindertenvertretungswahl darzustellen und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. (1) Nichterwähnung aus Sicht des BetrVG Die fehlende Erwähnung des Betriebsrats und des Integrationsamts in den §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG ist vom Blickwinkel des Betriebsverfassungsrechts aus betrachtet vollkommen konsequent und passt zur dortigen Struktur der Initiierungsberechtigungen. Einer Antragsberechtigung des Betriebsrats bedarf es dort nämlich bereits deshalb nicht, weil er mit der unmittelbaren Bestellung des Wahlvorstands nach § 16 Abs. 1 BetrVG über eine wesentlich effi217 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5. Vgl. auch hinsichtlich des Bestehens einer gewerkschaftlichen Befugnis zur Feststellung der Nichtigkeit: OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 22. 218 Im Hinblick auf § 17 Abs. 4 BetrVG ähnlich: Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5. Eine Antragsberechtigung der Gewerkschaften nach § 17 Abs. 4 BetrVG analog ebenfalls ausdrücklich ablehnend: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 5. Ebenso wohl auch: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76 und Pohl, in: Feldes/Kohte/StevensBartol, SGB IX, § 94 Rn. 40, die die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften als Antragsberechtigte gerade nicht erwähnen.
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zientere Möglichkeit zur Wahlinitiierung verfügt. Im Anwendungsbereich des § 17 BetrVG existiert der Betriebsrat gerade nicht bzw. nicht mehr, so dass dessen fehlende Erwähnung in § 17 Abs. 4 BetrVG selbstverständlich ist. Das Integrationsamt ist dagegen in die Betriebsratswahl überhaupt nicht involviert, so dass auch dessen Nichterwähnung in den §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG für das Betriebsverfassungsrecht folgerichtig ist. (2) Systematische Widersprüchlichkeit einer fehlenden Antragsberechtigung Im Unterschied dazu ergäben sich in Bezug auf die Schwerbehindertenvertretungswahl erhebliche systematische Widersprüche, wenn nicht auch der Betriebsrat und das Integrationsamt zur Stellung eines Antrags nach §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG analog berechtigt wären. Betriebsrat und Integrationsamt bilden nämlich gemeinsam mit dem Zusammenschluss dreier Wahlberechtigter eine Gruppe von initiierungsberechtigten Organen, denen die SchwbVWO die gleichen Rechte und Befugnisse einräumt. Dabei lässt sich den Wahlvorschriften entnehmen, dass unter diesen Initianten eine Gleichrangigkeit bestehen soll.219 Würde man nunmehr dem Betriebsrat und dem Integrationsamt die über die analoge Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG grundsätzlich eröffnete Initiierungsmöglichkeit vorenthalten, wäre diese Gleichrangigkeit der Initianten gestört. Den in § 1 Abs. 2 SchwbVWO genannten, initiierungsbefugten Organen stünden nämlich nicht die gleichen Handlungsoptionen zur Verfügung. Dies widerspricht jedoch gerade der in den Wahlvorschriften zu findenden Struktur der Initiierungsberechtigungen. In systematischer Hinsicht wäre es daher erforderlich, dass sich die aus der analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 BetrVG bzw. des § 17 Abs. 4 BetrVG folgende Antragsberechtigung auch auf den Betriebsrat und das Integrationsamt erstreckt. Angesichts der fehlenden Erwähnung lässt sich eine derartige Antragsberechtigung jedoch nicht allein mit einer einfachen Analogie zu diesen Vorschriften begründen. Vielmehr bedarf eine Antragsberechtigung von Betriebsrat und Integrationsamt im Fall der (einfach) analogen Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG einer zusätzlichen dogmatischen Herleitung. (3) Keine Antragsberechtigung aus § 93 Satz 2, 2. Hs. SGB IX In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, für den Betriebsrat ergäbe sich die Berechtigung zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands in derartigen Fällen aus § 93 Satz 2, 2. Hs. SGB IX.220 219
Siehe zur Gleichrangigkeit dieser Organe oben § 6 III. 1. und § 6 IV. 2 b) dd). So ausdrücklich in Bezug auf die Antragsberechtigung nach § 17 Abs. 4 analog: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77. Wohl auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 5, die jeweils ohne näher Begründung nur dem Betriebsrats, nicht jedoch dem Integra220
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Allerdings wird insoweit verkannt, dass in dieser Vorschrift lediglich eine Verpflichtung zum Hinwirken auf die Schwerbehindertenvertretungswahl normiert ist.221 Eine eigenständige Befugnis zur Wahlinitiierung lässt sich dagegen aus dieser Vorschrift selbst nicht ableiten. Vielmehr ergibt sich eine solche erst aus den zu konkreten Initiierungshandlungen berechtigenden Wahlvorschriften (vgl. §§ 1 und 19 SchwbVWO, sowie § 94 Abs. 6 Satz 4 SGB IX).222 Der Hinwirkenspflicht des § 93 Satz 2, 2. Hs. SGB IX kommt daher keine, den dort genannten Organen eigenständige Befugnisse einräumende Qualität zu. Aus diesem Grunde kann die Vorschrift auch nicht über die fehlende Erwähnung des Betriebsrats in den §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG hinweghelfen. Eine Antragsberechtigung der allgemeinen betrieblichen Interessenvertretung lässt sich daher bei (einfach) analoger Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG nicht auf § 93 Satz 2, 2. Hs. SGB IX stützen.223 (4) Antragsberechtigung durch doppelte Analogie Denkbar wäre es jedoch, eine Antragsberechtigung des Betriebsrats und des Integrationsamts auf eine doppelte Analogie zu §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG zu stützen. Wie bereits dargestellt, ergeben sich durch die (einfach) analoge Anwendung dieser Vorschriften systematische Widersprüche im Hinblick auf die Gleichrangigkeit der Initiierungsberechtigungen, so dass insoweit eine Regelungslücke besteht. Dass diese „Lücke“ vom Normgeber nicht bewusst offen gelassen worden ist, ergibt sich bereits daraus, dass sie überhaupt erst durch die Analogiebildung auftritt. Es liegt damit eine planwidrige Regelungslücke vor. Insoweit erscheint es denkbar, diese Regelungslücke durch eine doppelte Analogie zu §§ 16 Abs. 2 bzw. 17 Abs. 4 BetrVG zu schließen und damit auch dem Betriebsrat und dem Integrationsamt ein Antragsrecht zuzugestehen. Voraussetzung dessen wäre jedoch, dass die Konstellationen unter teleologischen Gesichtspunkten wesensgleich sind.224 tionsamt eine Antragsberechtigung aus „entsprechender“ Anwendung des § 17 Abs. 4 BetrVG zuerkennen. 221 Vgl. dazu auch Kossens, in: Kossen/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 16 und Schmitz, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 93 Rn. 5, die jeweils darauf hinweisen, dass die Wahlinitiierung nur eine unter mehreren Möglichkeiten ist, „auf die Wahl hinzuwirken“. Vgl. auch Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 93 Rn. 18. 222 Siehe zur Initiierungsberechtigung oben § 6 IV. 2. a) und § 6 IV. 4. a). 223 So wohl auch Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 5, der ausschließlich der Gruppe von Wahlberechtigten ein Antragsrecht zuerkennen will. Ein auf § 93 Satz 2, 2. Hs. SGB IX gestütztes Antragsrecht des Betriebsrats ebenfalls ausdrücklich ablehnend: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 17. 224 Vgl. Honsell, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, Teil B Rn. 61; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff. Vgl. auch Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 253 f. und 277.
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(a) Konstellation des BetrVG Ausgangspunkt einer solchen vergleichenden Betrachtung sollte die Antragsberechtigung im Kontext der Betriebsratswahl sein. Dort sollen die §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG den initiierungsbefugten Organe eine effektive Handlungsoption bieten, um einem sonst drohenden Scheitern der Wahldurchführung entgegenzutreten.225 Hierbei wird die Antragsberechtigung jedoch nur solchen initiierungsbefugten Organen eingeräumt, denen keine anderweitigen, effektiveren Möglichkeiten zur Einsetzung des Wahlvorstands zur Verfügung stehen. Abstrakt betrachtet räumen die §§ 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 4 BetrVG also denjenigen potentiellen Initianten eine Antragsbefugnis ein, denen mangels demokratischer Legitimation nicht das Recht zusteht, selbst unmittelbar einen Wahlvorstand zu bestellen. (b) Konstellation des SGB IX Überträgt man diesen Gedanken auf die (einfach) analoge Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 4 BetrVG im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl, stellt sich die Antragsberechtigung der Gruppe der Wahlberechtigten als folgerichtig dar. Schließlich verfügt dieses Organ gerade nicht über die Legitimation, selbst einen Wahlvorstand zu bestellen. Eine solche eigene Bestellbefugnis fehlen im Bereich der Schwerbehinderbehindertenvertretungswahl jedoch auch dem Betriebsrat und dem Integrationsamt.226 (c) Schlussfolgerungen Damit herrscht im Fall der (einfach) analogen Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 4 BetrVG insoweit für sämtliche in § 1 Abs. 2 SchwbVWO genannten initiierungsbefugten Organe eine dem BetrVG vergleichbare Ausgangslage. Somit ist es möglich, die Antragsbefugnis im Wege eines weiteren Analogieschlusses auch auf den Betriebsrat und das Integrationsamt auszudehnen. Diesen Organen steht daher in doppelt analoger Anwendung der §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 4 BetrVG ebenfalls das Recht zu, die Schwerbehindertenvertretungswahl durch einen Antrag auf gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands zu initiieren.227 225
Siehe dazu bereits oben § 6 IV. 2. b) aa) (3) (b) und § 6 IV. 3. a) bb) (3). Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 93 Rn. 25; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbG, § 23 Rn. 5; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 203; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 83; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 93 Rn. 18. Siehe dazu auch oben § 6 IV. 1. a). 227 Im Ergebnis ebenso Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40. Ohne Begründung neben der Gruppe von Wahlberechtigten nur dem Betriebsrat eine Antragsberechtigung einräumend: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 5. 226
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c) Vornahmevoraussetzungen Die Beantragung der gerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands kann sich entweder auf § 16 Abs. 2 BetrVG analog oder auf § 17 Abs. 4 BetrVG analog stützen und ist somit je nach rechtlicher Grundlage von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. Daher sind die Vornahmevoraussetzungen dieser Initiierungshandlung nach ihrer jeweiligen rechtlichen Grundlage getrennt zu untersuchen. aa) Voraussetzungen nach § 16 Abs. 2 BetrVG analog Im Rahmen des Betriebsverfassungsrechts setzt ein Antrag auf gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 BetrVG voraus, dass acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats noch kein Wahlvorstand besteht. Der Betriebsrat muss also entgegen seiner Verpflichtung nach § 16 Abs. 1 BetrVG bisher keinen Wahlvorstand bestellt haben.228 Überträgt man diese Voraussetzung im Rahmen der analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 BetrVG auf die Schwerbehindertenvertretungswahl, dann setzt die Beantragung generell voraus, dass ein Wahlvorstand bisher nicht bestellt worden ist. Gleichzeitig muss die Amtszeit der bestehenden Schwerbehindertenvertretung in spätestens acht Wochen ablaufen.229 (1) Zweiwöchige Nachfrist des Betriebsrats Vergleicht man die in § 16 Abs. 2 BetrVG für die gerichtliche Einsetzungsmöglichkeit aufgestellte, mit der in § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu findenden Fristenregelung fällt eine Divergenz von zwei Wochen auf. Während der Betriebsrat bereits zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit verpflichtet ist einen Wahlvorstand zu bestellen, wird den anderen Initianten erst acht Wochen vor Amtsende eine Initiierungsmöglichkeit eröffnet. Dem Betriebsrat wird also trotz der Verbindlichkeit der Frist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine zusätzliche Nachfrist eingeräumt, innerhalb derer er die versäumte Handlung nachholen kann, ohne mit anderen Initiierungshandlungen rechnen zu müssen.230 (2) Keine Nachfristgewährung bei Schwerbehindertenvertretungswahl Angesichts dessen könnte man die Auffassung vertreten, auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl müsse der noch amtierenden Schwerbehindertenvertretung eine entsprechende Nachfrist gewährt werden. 228 Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 56; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 24; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 32. Vgl. auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 58, der die Berücksichtigung der Frist für eine Frage der Begründetheit des Antrags hält. 229 Zur Fristberechnung: Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 58. 230 Jacobs, Wahlvorstände, S. 132 f.
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Zu beachten ist dahingehend jedoch, dass der Betriebsrat bereits zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit einen Wahlvorstand zu bestellen hat, während die Schwerbehindertenvertretung hierzu erst acht Wochen vor ihrem Amtsende verpflichtet ist. Die dem Betriebsrat eingeräumte zweiwöchige Nachfrist wird also in zeitlicher Hinsicht nur dadurch ermöglicht, dass der Betriebsrat bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt zur Wahlinitiierung angehalten wird. Eine solche Vorlaufzeit ist im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht vorgesehen. Eine von der Frist des § 1 Abs. 1 SchwbVWO ausgehende zusätzliche zweiwöchige Nachfrist würde daher schon auf Grund der Bekanntmachungsfrist des § 5 SchwbVWO nahezu zwingend zu einer vertretungslosen Zeit führen. Dies wäre jedoch mit dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung nicht zu vereinbaren. Die Antragsstellung nach § 16 Abs. 2 BetrVG analog kann daher auch ohne Gewährung einer Nachfrist und damit bereits acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung erfolgen. bb) Voraussetzungen nach § 17 Abs. 4 BetrVG analog Bei der Betriebsratswahl setzt ein Antrag nach § 17 Abs. 4 BetrVG zunächst das Scheitern einer Wahl des Wahlvorstands durch die Betriebsversammlung voraus. Dabei ist gleichgültig, ob die Einsetzung des Wahlvorstands dadurch misslingt, dass eine Versammlung gar nicht erst zustande kommt oder weil in der Versammlung kein Wahlvorstand gewählt wird.231 Daraus folgt aber, dass eine gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands nur dann möglich sein kann, wenn zumindest der Versuch einer Wahl durch die Betriebsratsversammlung unternommen worden ist. Ein derartiger Versuch ist ausschließlich dann gegeben, wenn zunächst eine ordnungsgemäße Einladung zur Versammlung ausgesprochen wurde.232 Ohne eine vorausgegangene Einladung scheidet daher ein Antrag nach § 17 Abs. 4 BetrVG aus. Auch darf ein Scheitern der Betriebsversammlung erst dann angenommen werden, wenn feststeht, dass die Versammlung entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist, einen Wahlvorstand zu wählen.233 Wendet man diese Maßstäbe auf die Schwerbehindertenvertretungswahl an, kommt eine gerichtliche Bestellung nach § 17 Abs. 4 BetrVG analog nur dann in Betracht, wenn zunächst ein ernsthafter Versuch einer Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO unternommen worden ist. Erst wenn trotz ordnungemäßer Einladung keine Versammlung stattfindet oder aber auf dieser die Wahlvorstandswahl end-
231 ArbG Hamm vom 09.10.1959, BV 3/59, BB 1960, 288, 288; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 32; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 17. 232 BAG vom 26.02.1992, 7 ABR 37/91, AP Nr. 6 zu § 17 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 33; Richter, NZA 2002, 1069, 1073; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 28. 233 ArbG Jena vom 18.10.2006, 4 BV 1/06; Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 103.
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gültig scheitert, kann daher ein Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands gestellt werden. In personeller Hinsicht gibt es keine zusätzlichen Anforderungen an die Antragsberechtigung nach § 17 Abs. 4 BetrVG analog. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass das den Antrag stellende Organ bereits zuvor als Initiant aufgetreten ist. Es muss also nicht mit demjenigen Organ identisch sein, dass zunächst zur Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO eingeladen hatte.234 d) Vornahmehandlung Die Wahlinitiierung erfolgt im Fall der hier zu untersuchenden Initiierungshandlung durch formgerechte Stellung eines Antrags nach § 16 Abs. 2 BetrVG analog bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht. Das hieraufhin stattfindende arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren und die Entscheidung des Arbeitsgerichts sind dagegen nicht mehr Teil, sondern nur Folge der Initiierungshandlung.235 Die Wahlinitiierung ist in diesem Fall also bereits mit Einreichung des ordnungsgemäßen Antrags beim Arbeitsgericht vollständig vorgenommen. e) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt Soweit im Rahmen eines Tatbestands auf die Wahlinitiierung abgestellt wird, kommt es auf die vollendete Vornahme der Initiierungshandlung an. Entscheidend ist daher der Zeitpunkt, zu dem der Antrag nach § 16 Abs. 2 BetrVG analog bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog ordnungsgemäß beim zuständigen Arbeitsgericht eingeht. 4. Einladung zur Wahlversammlung Im Unterschied zu den für das förmliche Wahlverfahren bestehenden Wahlinitiierungsoptionen sehen die Vorschriften für das vereinfachte Verfahren als Initiierungshandlung lediglich die Einladung zur Wahlversammlung vor. a) Abstrakte Vornahmeberechtigung Bereits aus der Beschränkung auf diese eine Art von Initiierungshandlung folgt, dass sämtliche im vereinfachten Wahlverfahren zur Wahlinitiierung befugten Organe auch berechtigt sein müssen, diese Handlung vorzunehmen. Anders als im förmlichen Wahlverfahren wird also hinsichtlich der Art und Weise der Wahlinitiierung nicht nach dem initiierenden Organ unterschieden. Die den ge234 So ausdrücklich für die Betriebsratswahl: Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 28. 235 Siehe zum insoweit abweichenden Wahlbeginn unten § 7 I. und II.
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nannten initiierungsbefugten Organen in § 19 Abs. 1 und 2 SchwbVWO gleichermaßen236 zugesprochene Berechtigung zur Einladung zur Wahlversammlung ist insoweit konsequent. aa) Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung Ebenso wie in § 1 SchwbVWO unerwähnt bleiben jedoch die Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX, obwohl sie gleichfalls initiierungsbefugt sein können. Allerdings treten Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung in diesen Fällen an die Stelle der nicht vorhandenen Schwerbehindertenvertretung, so dass sie insoweit die gleichen Rechte ausüben. Eine auf den Grundsatz der Selbstorganisation gestützte, inhaltliche Beschränkung der Initiierungsberechtigung237 ist jedoch im vereinfachten Verfahren nicht erforderlich. Die Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX sind daher im Fall ihrer Zuständigkeit für die Wahlinitiierung ebenfalls berechtigt, eine Einladung zur Wahlversammlung auszusprechen. bb) Gesamtbetriebsrat Auch der Gesamtbetriebsrat ist in § 19 SchwbVWO nicht erwähnt, obwohl er im Fall zusammengefasster Betriebe ebenfalls für die Wahlinitiierung zuständig sein kann. Allerdings leiten sich dessen Rechte und Pflichten unmittelbar aus denen des örtlichen Betriebsrats ab.238 Er ist daher im Rahmen seiner Zuständigkeit gleichfalls berechtigt, die mit der Einladung zur Wahlversammlung im vereinfachten Verfahren einzig zur Verfügung stehende Initiierungshandlung vorzunehmen. b) Vornahmevoraussetzungen In den Regelungen des § 19 Abs. 1 und 2 SchwbVWO wird hinsichtlich der Vornahmevoraussetzungen danach differenziert, ob im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist. aa) Exklusivität des Einladungsrechts der Schwerbehindertenvertretung Existiert im maßgeblichen Wahlbezirk eine Schwerbehindertenvertretung, ist gemäß § 19 Abs. 1 SchwbVWO grundsätzlich allein diese zur Einladung zur Wahlversammlung berufen.239 Die abstrakt auch den anderen initiierungsbefug236 Siehe zu den gleichwohl bestehenden Kompetenzabstufungen und -beschränkungen unten § 6 IV. 4. b). 237 Siehe dazu oben § 6 IV. 1. a). 238 Siehe dazu ausführlich oben § 7 III. 4. 239 Vgl. Huber, dbr 7/2006, S. 32, 34; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 69; Kamm/Feldes, AiB 2002, 603, 604; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 114; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX,
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ten Organen eingeräumte Berechtigung zur Vornahme dieser Initiierungshandlung steht daher unter der Bedingung des Nicht(mehr)bestehens einer Schwerbehindertenvertretung. Eine Einladung durch andere initiierungsbefugte Organen wird also dem Wortlaut nach erst dann zulässig, wenn die Amtszeit einer bisher bestehenden Schwerbehindertenvertretung abgelaufen und damit eine solche im Wahlbezirk nicht mehr vorhanden ist.240 Damit bestünde aber – ebenso wie im förmlichen Wahlverfahren241 – die Gefahr, dass ein nicht fristgerechtes Tätigwerden der Schwerbehindertenvertretung zu einer verspäteten Wahldurchführung und damit zu vertretungslosen Zeiten führt. Der Grundsatz der obligatorischen Vertretung gebietet daher auch insoweit eine alternative Initiierungsmöglichkeit für den Fall, dass der scheidende Amtsinhaber es versäumt, die Initiierungshandlung vor Ablauf der in § 19 Abs. 1 SchwbVWO genannten Frist vorzunehmen. Eine Exklusivität der Vornahmeberechtigung der Schwerbehindertenvertretung besteht daher nur bis drei Wochen vor Ablauf von deren Amtszeit. bb) Generelle Einladungsberechtigung Ist eine Schwerbehindertenvertretung nicht bzw. nicht mehr vorhanden oder ist die Frist des § 19 Abs. 1 SchwbVWO erfolglos abgelaufen, ist eine Einladung zur Wahlversammlung generell auch durch die anderen initiierungsbefugte Organe zulässig. Zwischen diesen besteht auch im Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens keine abgestufte Rangfolge.242 Sie sind daher alle in gleicher Weise zur Einladung zur Wahlversammlung berechtigt.243
1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 19; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 32; Peiseler, AiB 1990, 308, 309. 240 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 19 Anm. 2; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 142; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 19 Rn. 15; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 46. 241 Siehe dazu oben § 6 IV. 2. b) aa) (1). 242 Siehe dazu auch oben § 6 IV. 2. b) dd). 243 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 93; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 19 Rn. 1; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 41; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 114; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 19; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/ Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 32; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 45; Zanker, WO zum SchwbG, S. 24, die die einladungsbefugten Organe gleichberechtigt auflisten, ohne ihnen das Initiierungsrecht nur in abgestufter Rangfolge zuzuerkennen. Ebenso auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 102, der in Bezug auf das förmliche Wahlverfahren eine andere Auffassung vertritt (vgl. Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 83).
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cc) Beschränkung auf einmalige Einladung Die Zulässigkeit einer Initiierungshandlung nach § 19 SchwbVWO entfällt allerdings wieder in dem Zeitpunkt, in dem durch ein anderes hierzu befugtes Organ eine wirksame Einladung zur Wahlversammlung ausgesprochen wurde. Ebenso wie im förmlichen Verfahren schließt nämlich eine bereits erfolgte Wahlinitiierung nach dem Prioritätsprinzip anderweitige Initiierungshandlungen aus.244 Anderenfalls stünde auch im vereinfachten Verfahren ein Wettlauf von Initiierungshandlungen zu befürchten, der zu unzulässig verkürzten Frist und damit zur Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit der Wahl führen könnte. Zudem würde eine Pluralität von Einladungen unnötige Irritationen hervorrufen, die sich negativ auf die Wahlbeteiligung und dadurch mindernd auf die Legitimationswirkung der Wahl auswirken könnten. Dies stünde jedoch im Widerspruch zu den Grundsätzen der Simplizität und der obligatorischen Vertretung. Eine Einladung zur Wahlversammlung ist deshalb immer dann unzulässig, wenn bereits ein anderes hierzu befugtes Organ eine entsprechende Wahlinitiative unternommen hat.245 c) Vornahmehandlung Die Wahlinitiierung erfolgt im vereinfachten Verfahren durch eine an alle betroffenen Wahlberechtigten gerichtete Einladung zu einer Wahlversammlung. Inwieweit eine wirksame Einladung vorliegt, hängt davon ab, ob diese in materieller Hinsicht die zwingend notwendigen Angaben enthält und formell in ausreichender Weise bekannt gemacht wurde. aa) Materielle Anforderungen Auch im Hinblick auf § 19 SchwbVWO kann nur dann von einer wirksamen Einladung zur Wahlversammlung gesprochen werden, wenn aus der Einladung die für die Versammlung maßgeblichen Eckdaten ersichtlich sind.246 Eine wirksame Einladung zur Wahlversammlung i. S. d. § 19 SchwbVWO setzt daher zwingend voraus, dass darin Ort, Tag und Zeit der Versammlung mitgeteilt werden.247 244 Vgl. LAG Düsseldorf vom 25.06.2006, 12 TaBV 34/03; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 25; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 17 Rn. 9. 245 Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 18 Rn. 2. Vgl. für das BetrVG: LAG Düsseldorf vom 25.06.2006, 12 TaBV 34/03; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 25; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 17 Rn. 9. Vgl. auch LAG Köln vom 06.10.1989, 9 TaBV 49/ 89, LAGE § 2 BetrVG 1972 Nr. 7, das eine Pluralität von Einladungen ausnahmsweise dann für zulässig hält, wenn diese auf den gleichen Versammlungszeitpunkt und -ort abzielen. 246 Siehe im Hinblick auf die Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO ausführlich oben § 6 IV. 2. c) aa). 247 Heuser, BehR 1990, 25, 26; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 39; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 103; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung,
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Ebenso muss in der Einladung ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass auf dieser Versammlung die Wahl der Schwerbehindertenvertretung stattfinden soll.248 Für die Wahlberechtigten muss nämlich erkennbar sein, dass es sich nicht „nur“ um eine Versammlung der Schwerbehinderten i. S. d. § 95 Abs. 6 SGB IX, sondern um eine Wahlversammlung i. S. d. § 19 SchwbVWO handelt.249 (1) Einladungsberechtigung Ebenso wie bei der Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO250 ist auch im Rahmen des § 19 SchwbVWO zu fordern, dass die Einladung erkennen lassen muss, dass diese von einer hierzu berechtigten Person ausgeht.251 Schließlich ist es auch bei der Einladung zur Wahlversammlung erforderlich, dass diese durch die Angabe der Initiierungsberechtigung Authentizität und Nachhaltigkeit erlangt. Dies gilt umso mehr, als die Einladung zur Wahlversammlung nicht nur wahlinitiierend wirkt, sondern zugleich auch die förmliche Wahleinleitung darstellt.252 Sie besitzt dadurch schließlich den gleichen Stellenwert wie das Wahlausschreiben im förmlichen Wahlverfahren.253 (2) Ort und Zeit der Stimmauszählung Zum Teil wird in Literatur und Rechtsprechung gefordert, dass in der Einladung zur Wahlversammlung auch Ort und Zeit der Stimmauszählung bekannt gegeben werden müssen.254 Zur Begründung wird auf das in § 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO niedergelegte Gebot zur öffentlichen Stimmauszählung verwiesen. Dieses macht es nach allgemeiner Ansicht erforderlich, dass Ort und Zeit der S. 45. Vgl. aber dagegen Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 19 Rn. 1, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, dass der „Inhalt der Einladung [. . .] nicht vorgeschrieben“ sei und damit verkennt, dass gerade auch die Einladung zur Wahlversammlung bestimmte inhaltliche Mindestvoraussetzungen erfüllen muss. 248 Heuser, BehR 1990, 25, 26; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 39; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 103; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 45. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 93; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 46. 249 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.01.1984, CB 12/83, GW 1986, 94; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 93; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 39; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 556; Pohl, in: Feldes/Kohte/StevensBartol, SGB IX, § 94 Rn. 45; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 102 f.; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 45; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 22. 250 Siehe dazu auch oben § 6 IV. 2. c) aa). 251 In dieser Richtung lediglich Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 103 und Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 44. 252 Siehe zur inhaltlichen Deckungsgleichheit von Wahlinitiierung und Wahleinleitung im vereinfachten Wahlverfahren unten § 8 II. 4. a). 253 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 103. 254 LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 40.
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Auszählung im Vorfeld öffentlich bekannt gegeben werden, weil für die Öffentlichkeit überhaupt nur dann die Möglichkeit besteht, der Auszählung beizuwohnen.255 (a) Zulässigkeit einer späteren Bekanntgabe Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die Bekanntgabe bereits zwingend im Zeitpunkt der Wahleinleitung, also mit der Einladung zur Wahlversammlung erfolgen müsse.256 Nichts anderes ergibt sich daraus, dass für das förmliche Wahlverfahren nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 SchwbVWO eine Bekanntgabe im Wahlausschreiben vorgeschrieben ist. Durch diese Vorgabe soll nämlich lediglich die Teilnahme an der Stimmauszählung erleichtert und gleichzeitig vermieden werden, dass der Wahlvorstand die vorherige Bekanntgabe dieser Angaben vergisst.257 Dass eine Bekanntgabe zu diesem Zeitpunkt auch durch das Gebot der öffentlichen Stimmauszählung determiniert wäre, lässt sich aus dieser Regelung dagegen nicht ableiten. (b) Bekanntgabe am Tag der Wahlversammlung Allerdings ist auch zu berücksichtigten, dass im vereinfachten Verfahren bis zum Wahltag kein für die Wahlleitung verantwortliches Organ existiert, das für eine spätere, ordnungsgemäße Bekanntgabe von Ort und Zeit der Stimmauszählung zuständig wäre.258 Damit könnte eine Bekanntgabe der Modalitäten der Stimmauszählung aus strukturellen Gründen erst nach Beginn der Wahlversammlung erfolgen. Jedoch steht auch eine erst am Wahltag vorgenommene Bekanntgabe grundsätzlich noch im Einklang mit dem in § 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO niedergelegten Gebot der Öffentlichkeit der Stimmauszählung.259 Dies gilt jeden255 LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 94 Rn. 91; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 40; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 97; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 99. Vgl. zum BetrVG: BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, WO 2001, § 13 Rn. 4 f.; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 18 Rn. 10 und WO, § 13 Rn. 4; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rn. 34; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 18 Rn. 22; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 18 Rn. 7. 256 Vgl. BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972, das eine spätere Bekanntgabe von Ort und Zeit der Stimmauszählung ausdrücklich für möglich hält. Ebenso Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 18 Rn. 22. Vgl. auch Kreutz, in: GKBetrVG, § 18 Rn. 34, der das Erfordernis der Bekanntgabe bereits im Wahlausschreiben gerade auf die in § 3 Abs. 2 Nr. 13 WO neu aufgenommene Regelung zurückführt. 257 Vgl. zur entsprechenden Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 13 WO-BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 3 Rn. 23. 258 Auch eine noch amtierende Schwerbehindertenvertretung übernimmt in diesem Fall keine wahlleitende Funktionen. Siehe zu diesem Problem auch unten § 6 II. 5. d) ee) (4). 259 Ausdrücklich eine Bekanntgabe noch am Wahltag für ausreichend erachtend: BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972.
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falls dann, wenn die Bekanntgabe in einer Art und Weise erfolgt, dass alle zur Anwesenheit berechtigten Personen von den maßgeblichen Eckdaten Kenntnis erlangen können, ohne dass sie hierbei darauf angewiesen wären, diesbezüglich beim Wahlleitungsorgan nachzufragen.260 Dahingehend ist zunächst festzuhalten, dass der zur Teilnahme an der Wahlversammlung und der zur Anwesenheit bei der Stimmauszählung jeweils berechtigte Personenkreis deckungsgleich ist. Damit besteht bei abstrakter Betrachtung innerhalb der Wahlversammlung die gleiche Öffentlichkeit, wie sie im Rahmen der Stimmauszählung nach § 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO zu gewähren ist. Dementsprechend wird die in dieser Norm angesprochene Öffentlichkeit auch dann ausreichend über die Modalitäten der Stimmauszählung in Kenntnis gesetzt, wenn diese innerhalb der Wahlversammlung öffentlich bekannt gegeben werden. Folglich ist dem Grundsatz der Öffentlichkeit auch dann hinreichend Rechnung getragen, wenn die Bekanntgabe von Ort, Zeit und Öffentlichkeit nicht bereits im Zeitpunkt der Einleitung der Wahl, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet. (c) Schlussfolgerung Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bekanntgabe der Modalitäten der Stimmauszählung nicht zwingend in der Einladung zur Wahlversammlung bekannt gegeben werden müssen. Eine dahingehende inhaltliche Anforderung an die Einladung nach § 19 SchwbVWO ist daher abzulehnen. bb) Formelle Anforderungen Grundsätzlich schreibt § 19 SchwbVWO für die Einladung zur Wahlversammlung keine bestimmte Form vor. Der Wortlaut der Norm verlangt vielmehr nur, dass „die Wahlberechtigten durch Aushang oder sonst in geeigneter Weise“ eingeladen werden. Welche Form der Einladung damit zulässig ist und welche Mindestanforderungen erfüllt werden müssen, wurde jedoch nicht konkreter bestimmt und soll daher im Folgenden näher untersucht werden. (1) Keine unmittelbare Anwendung des § 5 Abs. 2 SchwbVWO Angesichts des wahleinleitenden Charakters261 der Einladung zur Wahlversammlung hätte es nahe gelegen, für deren Bekanntgabe die gleiche formellen Anforderungen aufzustellen, wie für die Bekanntmachung des Wahlausschrei260 Vgl. BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, WO, § 13 Rn. 4; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 18 Rn. 22. 261 Siehe dazu unten § 8 II. 4. a).
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bens nach § 5 Abs. 2 SchwbVWO.262 Allerdings hat der Verordnungsgeber – wohl im Sinne einer Entformalisierung des vereinfachten Verfahrens – in § 19 SchwbVWO alternativ zum Aushang auch die Möglichkeit zur Bekanntgabe „in sonst geeigneter Weise“ vorgesehen. Damit kommt eine unmittelbare Heranziehung der nach § 5 Abs. 2 SchwbVWO maßgeblichen formellen Anforderungen schon dem Wortlaut nach nicht in Betracht. Vielmehr müssen neben der Möglichkeit zur Einladung per Aushang weitere Formen der Einladung zur Wahlversammlung zulässig sein. (2) Normzweckorientierte Auslegung Mangels ergiebiger Erkenntnisse aus Wortlaut oder normhistorischer Entwicklung, müssen die im Hinblick auf eine Einladung nach § 19 SchwbVWO konkret einzuhaltenden formellen Anforderungen anhand einer normzweckorientierten Auslegung bestimmt werden. (a) Unterrichtungscharakter als Maßstab Trotz der starken Entformalisierung und des Verzichts auf ein förmliches Wahlausschreiben müssen im vereinfachten Wahlverfahren allgemeine Grundprinzipien demokratischer Wahlen eingehalten werden.263 Hierzu gehören auch die Grundsätze der Allgemeinheit und Barrierefreiheit der Wahl. Diese machen es erforderlich, dass alle aktiv und passiv Wahlberechtigten in gleicher Weise die Möglichkeit erhalten, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.264 Unerlässliche Voraussetzung der Wahlrechtsausübung ist jedoch stets, dass die Wahlberechtigten überhaupt Kenntnis von der anstehenden Wahl erhalten.265 Diesem Erfordernis soll im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens durch die Einladung zur Wahlversammlung Rechnung getragen werden. Die Einladung nach § 19 SchwbVWO zielt daher nicht nur darauf ab, die aktiv wahlberechtigten Beschäftigten dazu zu bewegen, an der Wahlversammlung teilzunehmen. Sie dient vielmehr gleichzeitig auch der Unterrichtung der Wahlberechtigten über das Stattfinden der Schwerbehindertenvertretungswahl an sich, damit diese überhaupt in die Lage versetzt werden, ihr Wahlrecht wirksam ausüben zu können. Foglich kann die Einladung nur dann den Anforderungen der Wahlgrundsätze genügen, wenn die Unterrichtung gleichermaßen an sämtliche Wahlberechtigte gerichtet ist und 262 Vgl. zu diesen Anforderungen LAG Köln vom 11.04.2008, 11 TaBV 80/07, BehR 2009, 91, 93 f. 263 Vgl. LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 122. 264 Siehe dazu oben § 2 III. 3. a) und § 2 IV. 4. a). Vgl. auch LAG Köln vom 11.04.2008, 11 TaBV 80/07, BehR 2009, 91, 94. 265 LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03. Vgl. auch Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 44.
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damit alle in gleicher Weise über die Möglichkeit zur Ausübung ihres Wahlrechts in Kenntnis gesetzt wurden.266 Die in § 19 SchwbVWO zu findenden formellen Anforderungen sind daher vor dem Hintergrund einer gleichwertigen Unterrichtung aller Wahlberechtigten zu betrachten. (b) Erforderlichkeit der Unterrichtung sämtlicher Beschäftigter Während ein Aushang grundsätzlich eine Unterrichtung der gesamten Betriebsöffentlichkeit bewirkt,267 wäre es alternativ denkbar, dass die Einladung durch ein nur an die aktiv Wahlberechtigten gerichtetes Rundschreiben oder die Übergabe persönlicher Einladungen268 bekannt gegeben wird. (aa) Aktives Wahlrecht der „nicht sichtbaren“ Schwerbehinderten Allerdings ist zu berücksichtigten, dass nie ausgeschlossen werden kann, dass neben den bekannten Wahlberechtigten auch solche Personen beschäftigt werden, deren Schwerbehindertenstatus bisher nicht bekannt ist.269 Nach dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl müssten jedoch auch diese „nicht sichtbaren“ Wahlberechtigten zum Empfängerkreis des Rundschreibens gehören. Schließlich gehören sie gleichermaßen zu den Wahlberechtigten. Sie müssten daher in gleicher Weise von der anstehenden Schwerbehindertenvertretungswahl in Kenntnis gesetzt werden, damit die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Ausübung des aktiven Wahlrechts geschaffen wären. Personalisierte Einladungsformen könnten jedoch – so denn sie nicht an sämtliche Beschäftigte des Betriebs gerichtet sind – nur die im Betrieb bekannten Wahlberechtigten formell über die Wahl unterrichten. Damit hinge es in Bezug auf die „nicht sichtbaren“ Wahlberechtigten allein vom Zufall ab, ob diese eventuell auf anderem Wege von der Wahl erfahren oder aber mangels Kenntnis das ihnen zustehenden aktive Wahlrecht nicht ausüben können. Dies ist jedoch mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl nicht zu vereinbaren. Dementsprechend ist ein nur an die betrieblich bekannten Wahlberechtigten gerichtetes Rundschreiben nicht als geeignete Form der Einladung i. S. d. § 19 SchwbVWO einzustufen.270 266 Vgl. LAG Köln vom 11.04.2008, 11 TaBV 80/07, BehR 2009, 91, 94. Vgl. auch Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 44. 267 Siehe zu den Anforderungen an einen solchen Aushang oben § 6 IV. 2. c) bb) (1) und zur ggf. erforderlichen gesonderten Unterrichtung blinder Beschäftigter § 6 IV. 2. c) bb) (4). 268 So etwa der Vorschlag von Zanker, WO zum SchwbG, S. 30. 269 Siehe zu diesem Problem auch § 4 II. 4. bb) (3), (6) und (7) sowie § 5 II. 1. d). 270 Ähnlich LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 38; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 115, die diese Form der Einladung jedoch ausdrücklich nur für „Großbetriebe“ bzw. für Betriebe mit mehr als 1000 Beschäftigten ablehnen.
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(bb) Beschneidung des passiven Wahlrechts Eine Einladung durch Rundschreiben an die aktiv Wahlberechtigten verstieße aber selbst dann gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, wenn die unbeabsichtigte Nichteinladung „nicht sichtbarer“ Wahlberechtigter ausgeschlossen werden könnte. Durch eine solche Einladungsform würde nämlich das passive Wahlrecht271 derjenigen Personen beschnitten, die zwar nicht über das aktive Wahlrecht verfügen, jedoch nach § 94 Abs. 3 SGB IX passiv wählbar sind.272 Ebenso wie im Hinblick auf das aktive Wahlrecht, setzt auch die Ausübung des passiven Wahlrechts zwingend voraus, dass eine Kenntnis über die anstehende Wahl besteht.273 Daher müssen neben den aktiv Wahlberechtigten grundsätzlich auch alle anderen Beschäftigten über die Durchführung der Schwerbehindertenvertretungswahl unterrichtet werden, die die Voraussetzungen des passiven Wahlrechts erfüllen. Von einer geeigneten Einladungsform i. S. d. § 19 SchwbVWO kann daher nur gesprochen werden, wenn diese gewährleistet, dass auch sämtliche nach § 94 Abs. 3 SGB IX wählbaren Personen über die Wahl in Kenntnis gesetzt werden. Auch unter dem Gesichtspunkt des passiven Wahlrechts kommt eine Einladung zur Wahlversammlung durch Rundschreiben daher nur dann in Betracht, wenn dieses an sämtliche Beschäftigte im maßgeblichen Wahlbezirk gerichtet wird. (c) Kenntniserlangung durch den Arbeitgeber Nach der hier vertretenen Auffassung ist in Bezug auf die von der Wahlleitung durchzuführenden Prüfung des aktiven Wahlrechts § 28 Abs. 2 WO-BetrVG analog anzuwenden.274 Damit muss in formeller Hinsicht aber auch gewährleistet sein, dass der Arbeitgeber Kenntnis von der Einladung nach § 19 SchwbVWO erlangt, weil er anderenfalls seiner Unterstützungspflicht nicht nachkommen kann. Im Fall einer Einladung zur Wahlversammlung per Aushang wäre diesem Erfordernis hinreichend Rechnung getragen.275 Allerdings kann hieraus nicht gefol271 Dass eine als Wahlbewerber antretende Person zunächst durch einen aktiv Wahlberechtigten vorgeschlagen werden muss, damit er tatsächlich gewählt werden kann (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO), ändert nichts am materiellen Bestehen des passiven Wahlrechts. Die Berücksichtigung des Kandidaten im Rahmen eines Wahlvorschlags stellt nämlich lediglich eine formelle Verfahrensvorschrift dar, die das passive Wahlrecht in seinem Bestand nicht zu ändern vermag. Vgl. für das BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 8 Rn. 13. 272 LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03. 273 LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 115. 274 Siehe dazu oben § 4 II. 4. b) cc) (2). 275 Vgl. Fitting, BetrVG, WO, § 28 Rn. 6; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 28 Rn. 8; Thüsing/Lambrich, NZA-Sonderheft 2001, 79, 89, die darauf hinweisen, dass es
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gert werden, dass die Einladung nach § 19 SchwbVWO damit zwingend in der Form eines Aushangs erfolgen müsste. Vielmehr wäre den Interessen des Arbeitgebers an einer frühzeitigen Kenntniserlangung auch dann Genüge getan, wenn er unverzüglich nach Ausspruch der Einladung durch das wahlinitiierende Organ gesondert unterrichtet wird. Aus der analogen Anwendung des § 28 Abs. 2 WOBetrVG ergeben sich daher keine Vorgaben hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der Einladung an sich. Vielmehr macht diese nur eine gesonderte Unterrichtung über die Einladung erforderlich. (3) Rechtzeitigkeit der Einladung Die Wahlvorschriften sehen für die Einberufung der Wahlversammlung keine bestimmte Einladungsfrist vor.276 Gleichwohl sind auch in diesem Zusammenhang die aus den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit der Wahl folgenden Mindestanforderungen an die Wahldurchführung zu beachten. Aus diesen folgt auch, dass die Einladung so rechtzeitig erfolgen muss, dass alle Wahlberechtigten die Möglichkeit erhalten an der Wahlversammlung teilzunehmen.277 Das bedeutet nicht nur, dass der zwischen Bekanntgabe der Einladung und Durchführung der Wahlversammlung liegende Zeitraum so bemessen sein muss, dass die Wahlberechtigten in zeitlicher Hinsicht ausreichend Gelegenheit erhalten, von der Einladung Kenntnis zu nehmen. Vielmehr müssen die Wahlberechtigten auch in die Lage versetzt werden, sich terminlich auf die Wahlversammlung einzurichten und ihre Teilnahme arbeitsorganisatorisch zu ermöglichen. Hierzu gehört es auch, dass auswärts tätige Wahlberechtigte ausreichend Zeit erhalten müssen, von ihrem Einsatzort zur Wahlversammlung zu reisen.278 im Rahmen des § 28 WO-BetrVG keiner gesonderten Aufforderung an den Arbeitgeber bedarf, sondern die Pflicht allein durch den Aushang entsteht. 276 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 19 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 19 Anm. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 19 Rn. 7; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 19. Vgl. auch ArbG Köln vom 29.03.2011, 14 BV 256/10. 277 In dieser Richtung Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 19 Anm. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 19 Rn. 7; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 19 Rn. 1. In Bezug auf die Rechtzeitigkeit der Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 205; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39, ohne dass sie Gründe dafür angeben, warum im Rahmen des § 19 SchwbVWO geringere Maßstäbe gelten sollten. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 93 und Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 46, die zwar verlangen, dass die Einladung zur Wahlversammlung rechtzeitig zu erfolgen habe, die Rechtzeitigkeit jedoch auf die in § 19 Abs. 1 SchwbVWO zu findende dreiwöchige Frist bis zum Ablauf der Amtszeit beziehen. 278 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 19 Anm. 3 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 19 Rn. 1.
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Angesichts der herausragenden Bedeutung der Wahlversammlung für den Gesamtvorgang der Wahl im vereinfachten Verfahren279 können für die Rechtzeitigkeit der Einladung keine geringeren Maßstäbe gelten als für die Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO.280 Daher muss zwischen Bekanntgabe der Einladung und Durchführung der Wahlversammlung ein Zeitraum von mindestens einer Woche liegen.281 Anderenfalls wäre nicht hinreichend sichergestellt, dass sämtliche Wahlberechtigte tatsächlich die Möglichkeit erhalten, an der Wahlversammlung teilzunehmen. Aus den Umständen des Einzelfalles kann sich jedoch auch das Erfordernis einer längeren Einladungsfrist ergeben. Oberste Prämisse der Rechtzeitigkeit der Einladung zur Wahlversammlung bleibt nämlich stets durch eine ausreichende Vorlaufzeit sicherzustellen, dass tatsächlich alle Wahlberechtigten die Möglichkeit erhalten, an der Versammlung teilzunehmen.282 d) Wahlinitiierung als zeitlicher Anknüpfungspunkt Soweit die Wahlinitiierung als maßgeblicher Zeitpunkt herangezogen wird, muss wie auch im Rahmen der anderen normierten Wahlinitiierungsmöglichkeiten darauf abgestellt werden, wann die maßgebliche Handlung wirksam vorgenommen ist. Im Fall der Einladung zur Wahlversammlung ist dies der Zeitpunkt, zu dem die Einladung in sämtlichen Betriebsteilen und Betrieben des maßgeblichen Wahlbezirks in geeigneter Weise bekannt gemacht wurde.
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Siehe dazu nur § 5 II. 2. c) dd) (2). Vgl. Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 556. Siehe zu den für die Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO geltenden Maßstäben oben § 6 IV. 2. c) bb) (5). 281 Eine Frist von mindestens sieben Tagen empfehlend: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 19 Rn. 7. Eine Frist von neun Tagen als ausreichend erachtend: ArbG Köln vom 29.03.2011, 14 BV 256/10, n. v. Sogar eine Frist von drei Wochen empfehlend: Huber, dbr 7/2006, S. 32, 34. Sich für eine Frist von zwei Wochen aussprechend: Weber, SchwbG, § 24 Anm. 22. Vgl. auch Heuser, BehR 1990, 25, 26 und Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 46, die ebenfalls eine Einladungsfrist von drei Wochen verlangen, diese aber wohl fälschlich aus der insoweit nicht einschlägigen Drei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 1 SchwbVWO ableiten. Vgl. zur Frist für den Aushang des Wahlausschreibens im vereinfachten einstufigen Verfahren der Betriebsratswahl nach § 14a Abs. 3 BetrVG: LAG Hessen vom 23.01.2003, 9 TaBV 104/ 02; Fitting, BetrVG, § 14a Rn. 49; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 14a Rn. 26; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14a Rn. 94; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 36 Rn. 5 und zur Einladungsfrist des § 28 Abs. 1 Satz 2 WO-BetrVG: Fitting, BetrVG, WO 2001, § 28 Rn. 2; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 28 Rn. 4; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 28 Rn. 3. 282 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 19 Anm. 3 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 19 Rn. 1. 280
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
§ 7 Wahlbeginn I. Allgemeines zum Wahlbeginn Neben der Wahlinitiierung nimmt auch der Wahlbeginn eine bedeutende Stellung beim Anstoß der Wahl ein. Der Wahlbeginn bezeichnet den Zeitpunkt zu dem das die eigentliche Wahl leitende Organ wirksam eingesetzt ist.1 Damit ist der Wahlbeginn zwingend notwendiger Zwischenschritt zur ordnungsgemäßen Durchführung der Schwerbehindertenvertretungswahl. Eine ohne wahlleitendes Organ durchgeführte Wahl wäre nämlich nicht nur anfechtbar, sondern generell nichtig.2 Generell ausgeschlossen ist, dass der Wahlbeginn der Initiierung vorausgeht. Möglich ist allenfalls ein zeitliches und inhaltliches Zusammenfallen der beiden Zeitpunkte. Bei der Mehrzahl der Initiierungshandlungen ist der Wahlbeginn jedoch der Initiierung nachgelagert. Aus dieser Divergenz von Initiierung und Beginn der Wahl können eine Reihe rechtlicher Probleme erwachsen. Daher erscheint es geboten, im Folgenden diejenigen Fallkonstellationen eingehend zu untersuchen, in denen der Beginn der Schwerbehindertenvertretungswahl von deren Initiierung abweicht.
II. Von der Wahlinitiierung abweichender Wahlbeginn Im förmlichen Wahlverfahren hängt ein zeitliches Auseinanderfallen von Initiierung und Beginn der Wahl von der vorgenommenen Initiierungshandlung ab. Findet diese gemäß § 1 Abs. 1 SchwbVWO im Wege einer unmittelbaren Bestellung des Wahlvorstands durch die Schwerbehindertenvertretung statt, ist mit der wirksamen Initiierung zugleich auch das wahlleitende Organ wirksam eingesetzt. Eine eigenständige Untersuchung des Wahlbeginns ist hinsichtlich der Initiierungshandlung somit nicht erforderlich. Im Unterschied dazu ist der Wahlbeginn der Initiierung im förmlichen Verfahren dann nachgelagert, wenn diese durch Einladung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder durch Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands nach § 16 1 Vgl. Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 2, die jedoch nur hinsichtlich des förmlichen Wahlverfahrens den Begriff des Wahlbeginns verwenden und ihn damit auf die Einsetzung des Wahlvorstands verengen. 2 Vgl. Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 42. Vgl. zur Betriebsratswahl: LAG Düsseldorf vom 07.09.2010, 16 TaBV 57/10; LAG Köln 10.03.2000, 13 TaBV 9/00, NZA-RR 2001, 423, 425; Brecht, BetrVG, § 16 Rn. 1; Brors, in: Düwell, BetrVG, § 16 Rn. 2; Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 5; Kreutz, in: GKBetrVG, § 16 Rn. 5; Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, S. 141 ff.; Reichold, in: Henssler/Willemsen/Kalb, ArbR, BetrVG, § 16 Rn. 3.
§ 7 Wahlbeginn
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Abs. 2 analog bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog erfolgt. Für diese Fälle ist daher eine nähere Betrachtung des Wahlbeginns nötig. Im vereinfachten Verfahren fallen Wahlinitiierung und Wahlbeginn zwangsläufig auseinander. Hinsichtlich dieses Wahlverfahrens ist daher eine generelle Beleuchtung des Wahlbeginns geboten. 1. Wahlvorstandswahl durch die Versammlung der Schwerbehinderten Den Hauptfall eines von der Wahlinitiierung abweichenden Wahlbeginns bildet im förmlichen Verfahren die Wahl des Wahlvorstands durch die Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten. Im Hinblick auf die Wirksamkeit des Wahlbeginns soll im Folgenden zunächst auf die formellen Rahmenbedingungen der Wahlvorstandswahl eingegangen und anschließend die inhaltlichen Anforderungen an die Auswahlentscheidung dargestellt werden. a) Formelle Anforderungen an die Wahlvorstandswahl Nach ordnungsgemäßer Einladung zur Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO obliegt es nach allgemeinen demokratischen Grundsätzen auch den Wahlinitiaten, die Versammlung zu eröffnen.3 Eine Beschlussfähigkeit ist für die Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO nicht vorgeschrieben.4 Die Wahlvorstandswahl ist damit nicht von der Erreichung eines bestimmten Quorums anwesender Wahlberechtigter abhängig.5 aa) Versammlungsleiter Grundsätzlich ist es zur transparenten Durchführung der Wahlvorstandswahl nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO sinnvoll, einen Versammlungsleiter zu wählen. Gleichwohl wird die Wahl eines Versammlungsleiters von den Wahlvorschriften nicht vorgeschrieben6 und ist daher nicht zwingend erforderlich.7 Einer wirksa3 Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18. In Bezug auf die Eröffnung der Wahlversammlung im vereinfachten Wahlverfahren: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 1; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 1. 4 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 4; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 206; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 4. 5 Vgl. zur Betriebsratswahl Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 25; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 10; Jacobs, Wahlvorstände, S. 165; Weiss/Weyand, BetrVG, § 17 Rn. 2. 6 Dies verkennen Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18, die imperativ davon ausgehen, dass nach der Eröffnung der Versammlung ein entsprechender Leiter zu wählen sei.
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
men Einsetzung des Wahlvorstands steht es daher im Einklang mit dem Grundsatz der Simplizität nicht entgegen, wenn die Abstimmung über den Wahlvorstand ohne förmliche Wahl eines Versammlungsleiters durchgeführt wird.8 Vielmehr kann die Abstimmung auch durch die zur Versammlung einladenden Personen vollständig geleitet werden, wenn die anwesenden Wahlberechtigten damit einverstanden sind.9 bb) Abstimmungsberechtigung Im Rahmen der Betriebsratswahl wird im Hinblick auf die Versammlung zur Wahl des Wahlvorstands allgemein davon ausgegangen, dass grundsätzlich sämtliche Arbeitnehmer, ohne Rücksicht auf ihre Wahlberechtigung abstimmungsberechtigt sein sollen.10 Die damit einhergehenden Defizite in der demokratischen Legitimation des Wahlvorstands werden damit gerechtfertigt, dass eine Prüfung der Wahlberechtigung in diesem Frühstadium der Wahl dem Grundsatz der Simplizität widerspreche.11 Im Unterschied dazu wird im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl allgemein davon ausgegangen, dass bei der Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO ausschließlich wahlberechtigte Personen stimmberechtigt sind.12 Angesichts dieser systematisch unterschiedlichen Handhabung stellt sich die 7 So wohl auch Zanker, WO zum SchwbG, S. 30, der lediglich davon spricht, dass die Wahl eines Versammlungsleiters veranlasst werden „sollte“. 8 So auch für die Betriebsversammlung nach § 17 BetrVG: Koch, in: ErfK, BetrVG, § 17 Rn. 3; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 23; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 11; Jacobs, Wahlvorstände, S. 166; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 32. A. A. Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 17 Rn. 26. Zweifelnd: Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 15. 9 Vgl. für die Betriebsversammlung nach § 17 BetrVG: LAG Berlin, 10.02.1986, 9 TaBV 5/85 LAGE § 19 BetrVG 1972 Nr. 4; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 11; Jacobs, Wahlvorstände, S. 167; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 32. 10 BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Brecht, BetrVG, § 17 Rn. 4; Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 24; Galperin/Marienhagen, BetrVG, § 17 Rn. 4; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 12; Jacobs, Wahlvorstände, S. 161; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 34. 11 So ausdrücklich Jacobs, Wahlvorstände, S. 161. Vgl. auch BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG. 12 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 4; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 206; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 24; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 23; TrenkHinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. Unklar lediglich: Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 4, der zwar ausdrücklich von Wahlberechtigten spricht, sich jedoch zugleich auf § 17 Abs. 2 BetrVG bezieht und dabei die divergierende Handhabung im Hinblick auf die Wahlberechtigung verkennt.
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Frage, inwieweit auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl auf eine Prüfung des aktiven Wahlrechts zu verzichten ist. (1) Wortlautdivergenz zwischen den Vorschriften Vergleicht man den Wortlaut der die Wahlvorstandswahlen regelnden Vorschriften fällt auf, dass in § 1 Abs. 2 SchwbVWO anders als in § 17 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 BetrVG unmittelbar auf die Wahlberechtigung Bezug genommen wird. Während also im Betriebsverfassungsrecht eine auf die Prüfung der Wahlberechtigung verzichtende Auslegung vom Wortlaut her nicht ausgeschlossen erscheint, wäre eine dahingehende Auslegung des § 1 Abs. 2 SchwbVWO methodisch schwerlich tragfähig. (2) Erheblichkeit des potentiellen Legitimationsdefizits Gegen die Unerheblichkeit der Wahlberechtigung spricht zudem, dass die Gesamtbelegschaft eines Betriebs in der Regel um ein Vielfaches größer ist, als der Kreis der nach § 94 Abs. 2 SGB IX Wahlberechtigten. Das potentielle Legitimationsdefizit ist also erheblich höher als jenes, das im Rahmen der Versammlung nach § 17 Abs. 2 BetrVG zu befürchten stünde, wenn man auf eine Prüfung der Wahlberechtigung verzichtet. (3) Unterschiede im Hinblick auf den Prüfungsaufwand Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand der Prüfung der Wahlberechtigung bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nicht unerheblich von dem der Betriebsratswahl unterscheidet. Wie bereits dargelegt, ist der für die Wahlberechtigung nach § 94 SGB IX maßgebliche Begriff des Beschäftigten deutlich umfassender als der nach § 8 BetrVG maßgebliche Begriff des Arbeitnehmers.13 Damit ist bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nur eine überschaubare Zahl von Statusgruppen vom aktiven Wahlrecht i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX ausgeschlossen. Der für die Überprüfung der Beschäftigteneigenschaft erforderliche Aufwand beschränkt sich also auf den Ausschluss der Zugehörigkeit zu wenigen, bestimmten Personengruppen. Eine Prüfung einer Vielzahl von Einzelaspekten ist daher im Rahmen Versammlung nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO ebensowenig erforderlich, wie eine abgrenzende Zuordnung der leitenden Angestellten.14 Die zusätzlich erforderliche Überprüfung der Schwerbehinderten-
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Siehe allgemein zum Beschäftigtenbegriff oben § 3 IV. 3. Eine solche muss im Übrigen auch im Rahmen der Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 2 BetrVG durchgeführt werden, wodurch die eigentlich beabsichtigte Aufwandminimierung konterkariert wird, vgl. dazu nur Jacobs, Wahlvorstände, S. 161 ff. 14
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
eigenschaft ist angesichts der klaren Anforderungen an die Nachweisbarkeit15 ebenfalls mit keinem übermäßigen Aufwand verbunden. Daher ist auch im Hinblick auf den Grundsatz der Simplizität kein Verzicht auf die Überprüfung der Wahlberechtigung geboten. Bei der Wahl des Wahlvorstands nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO sind daher ausschließlich Wahlberechtigte i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX stimmberechtigt.16 cc) Art und Weise der Durchführung der Wahlvorstandswahl Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Abstimmungsvorgangs der Wahl des Wahlvorstands enthalten die Vorschriften der Wahlordnung keinerlei Vorgaben, so dass diese an keine bestimmte Form gebunden ist.17 Im Rahmen der Versammlung kann die Art und Weise der Stimmabgabe also frei festgelegt werden.18 Grundsätzlich möglich ist damit auch eine Abstimmung durch Handaufheben. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Wahlberechtigten nicht mehrheitlich für eine andere Verfahrensweise aussprechen19 und trotz dieser Form gewährleistet ist, dass keine Zweifel darüber entstehen, wer durch die Abstimmung gewählt worden ist.20 Als Wahlvorstandsmitglied gewählt ist, wer bei der Abstimmung die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Wahlberechtigten erhält.21 Wird nicht über einen einheitlichen, drei Personen benennenden Vorschlag, sondern getrennt abge15
Siehe dazu oben § 4 II. 1. b) und c). Im Ergebnis ebenso: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 4; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 206; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Maaß, in: Kossens/ von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. 17 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 28; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Maaß, in: Kossens/ von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 4; Zanker, WO zum SchwbG, S. 30. 18 Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1. 19 Vgl. Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1 und Zanker, WO zum SchwbG, S. 30 und 25. Vgl. zum BetrVG: Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 24. 20 Vgl. zum BetrVG: BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; LAG Rheinland-Pfalz vom 30.01.2986, 5 TaBV 77/85, AuR 1987, 35 (LS); Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 27; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 12; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 17 Rn. 27; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 24. 21 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Düwell, in: Deinert/ Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 206; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, 16
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stimmt, muss jedes der drei Mitglieder für sich genommen eine Mehrheit erlangen.22 Eine mehrheitliche Zustimmung ist zudem für die Wahl des Wahlvorstandsvorsitzenden erforderlich.23 b) Inhaltliche Anforderungen an die Auswahlentscheidung In inhaltlicher Hinsicht gelten für die Bestimmung der Wahlvorstandsmitglieder nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO die gleichen personellen Anforderung24 wie bei der Bestellung des Wahlvorstands durch die Schwerbehindertenvertretung.25 Eine wirksame Wahl des Wahlvorstandes liegt daher nur vor, wenn sich diese auf volljährige, im Betrieb beschäftigte Personen bezieht. Gleichzeitig dürfen – von ausdrücklich als Ersatzmitglieder gewählten Personen abgesehen – nur drei Mitglieder in den Wahlvorstand gewählt worden sein. Eine Über- oder Unterschreitung hätte die Unwirksamkeit der Wahlvorstandwahl zur Folge.26 Desweiteren muss auch das Einverständnis der zu wählenden bzw. bereits gewählten Wahlvorstandsmitglieder vorliegen, damit die Einsetzung wirksam wird und die Wahlinitiierung vollständig erfolgt ist.27 Schließlich setzt eine ordnungsgemäße Wahlvorstandswahl voraus, dass eines der Mitglieder zum Vorsitzenden gewählt wurde28. Die Wahl des Vorsitzenden muss dabei nicht an die Wahl als Wahlvorstandsmitglied gekoppelt sein. Vielmehr ist es auch zulässig, zunächst alle drei Wahlvorstandsmitglieder zu wählen und anschließend in einer zweiten Abstimmung aus dem Kreis der Mitglieder die Person des Vorsitzenden zu wählen.29 Erfolgt während der Versammlung keine Wahl des Vorsitzenden, liegt (noch) keine ordnungsgemäße Einsetzung des Wahlvorstands vor. Daher müsste die Wahl des Vorsitzenden grundsätzlich nachS. 23; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 4. 22 Vgl. in Bezug auf die Bestellentscheidung des Betriebsrats bei der Betriebsratswahl: Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 71; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 23. 23 Vgl. Zanker, WO zum SchwbG, S. 30. 24 Siehe dazu oben § 6 IV. 1. c) cc). 25 Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 17 f.; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 17 f. 26 Vgl. zur Betriebsratswahl: Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 111 und 114. Vgl. auch VG Köln vom 17.12.1984, PVL 14/84, GW 4/86, S. 14; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 79; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 24; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 6. 27 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 29. Siehe dazu auch oben § 6 IV. 1. c) bb). 28 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 27. 29 Vgl. Zanker, WO zum SchwbG, S. 30.
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geholt werden, wobei hierfür wiederum die Versammlung als für die Einsetzung des Wahlvorstands berufenes Organ zuständig wäre. Allerdings stellt sich die Frage, ob es zwingend erforderlich ist, eine nach der Wahl der Wahlvorstandsmitglieder bereits wieder aufgelöste Versammlung erneut einzuberufen, um die Wahl des Wahlvorstandsvorsitzenden nachzuholen. Ein solches organisatorisch aufwendiges, kostenintensives und den Wahlberechtigten schwer zu vermittelndes Prozedere widerspräche nämlich dem Grundsatz der Simplizität der Wahl.30 Daher ist mit der Auflösung der nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO einberufenen Versammlung auch die Möglichkeit der Wahl des Vorsitzenden durch die Wahlvorstandsmitglieder als zulässig zu erachten.31 2. Wahlvorstandseinsetzung durch das Arbeitsgericht Nach der hier vertretenen Auffassung kann ein vom Zeitpunkt der Wahlinitiierung abweichender Wahlbeginn auch dann eintreten, wenn die Wahlinitiierung durch Antrag auf gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands beim Arbeitsgericht erfolgt. a) Formelle Einschränkungen der gerichtlichen Wahlvorstandseinsetzung Während die ordnungsgemäße Stellung des Antrags noch eine Voraussetzung der Wahlinitiierungshandlung darstellt,32 unterliegt auch der darauf folgende, mit der gerichtlichen Wahlvorstandseinsetzung einhergehende Wahlbeginn bestimmten formellen Voraussetzungen. aa) Aufrechterhaltung des Antrags und Fortbestand der Antragsberechtigung Im Rahmen der allgemeinen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen setzt eine Einsetzung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht voraus, dass der gestellte Antrag nicht vor der Entscheidung wieder zurückgenommen wird.33 Ebenso 30 Vgl. in Bezug auf die unterbliebene Wahl des Vorsitzenden auf der Betriebsversammlung nach § 17 BetrVG: BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 17 Rn. 30; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 25. Vgl. zudem Jacobs, Wahlvorstände, S. 140 f., der jedoch von einem zu umfassenden Selbstwahlrecht ausgeht. 31 Vgl. BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG. Vgl. auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 24; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 18; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 18. Zu weit dagegen: Jacobs, Wahlvorstände, S. 140 f. und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 1 Rn. 6, die generell die Möglichkeit der Wahl durch die Wahlvorstandsmitglieder bejahen. 32 Siehe dazu oben § 6 IV. 3. d). 33 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 62.
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muss während der gesamten Dauer des Verfahrens die Antragsberechtigung des antragstellenden Wahlinitianten aufrecht erhalten bleiben.34 Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, scheidet eine Einsetzung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht und damit ein wirksamer Wahlbeginn aus formellen Gründen aus. bb) Kein anderweitig eingetretener Wahlbeginn Voraussetzung einer gerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands ist auch, dass der Wahlbeginn nicht zwischenzeitlich auf anderem Wege herbeigeführt wurde. Wie bereits dargelegt, ist eine noch im Amt befindliche Schwerbehindertenvertretung nach der hier vertretenen Auffassung auch nach Ablauf der in § 1 Abs. 1 SchwbVWO vorgesehenen Frist weiter berechtigt ist, selbst einen Wahlvorstand zu bestellen.35 Daher hat eine Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit, auch noch nach Stellung eines Antrags nach § 16 Abs. 2 BetrVG analog einen Wahlvorstand nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO einzusetzen. Nach dem Prioritätsprinzip würde eine derartige Wahlvorstandseinsetzung einer zeitlich nachgelagerten gerichtlichen Bestellung eines Wahlvorstands entgegenstehen. Dass in der aufgezeigten Konstellation eine gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands hinter der unmittelbaren Bestellung durch die Schwerbehindertenvertretung zurücktritt, geht auf den Grundsatz der Selbstorganisation zurück und unterstreicht zugleich den Ausnahmecharakter der gerichtlichen Ersatzbestellung. Anders als bei Bestellung durch die Schwerbehindertenvertretung verfügt ein gerichtlich eingesetzter Wahlvorstand gerade nicht über einen, im Wege eine Legitimationskette abgesicherten demokratischen Rückhalt zu den Wahlberechtigten. Von dem insoweit bestehenden Legitimationsbedürfnis wird nur deshalb zugunsten des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung abgewichen, weil anderenfalls die tatsächliche und rechtzeitige Durchführung der Wahl nicht gewährleistet wäre. Im Fall einer nachgeholten, unmittelbaren Bestellung durch die Schwerbehindertenvertretung kann diese Begründung jedoch nicht mehr greifen. Vielmehr wird durch die trotz eingeleitetem Verfahren fortbestehende Möglichkeit der unmittelbaren Bestellung nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO ein wesentlich schnellerer und damit das sonst nötige Prozedere abkürzender Wahlbeginn ermöglicht. Ein solcher steigert somit die Chancen, dass womöglich sogar vertretungslose Zeiten vermieden werden können. Die fortbestehende Möglichkeit der Wahlvorstandsbestellung durch die Schwerbehindertenvertretung ist somit nicht nur durch den Grundsatz der Selbstorganisation, sondern zugleich auch wegen des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung geboten.
34 Vgl. Koch, in: ErfK, BetrVG, § 16 Rn. 9; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 60; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 29; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 62; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 36; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 37. 35 Siehe dazu oben § 6 IV. 1. b) bb) (1).
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b) Inhaltliche Anforderung an die Entscheidung des Arbeitsgerichts Auch in inhaltlicher Hinsicht unterliegt die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestimmten Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit von einem wirksamen Wahlbeginn ausgegangen werden kann. Im Folgenden sollen daher die insoweit für das Arbeitsgericht maßgeblichen inhaltlichen Vorgaben aufgezeigt werden. aa) Allgemeine personelle Voraussetzungen In personeller Hinsicht müssen die vom Arbeitsgericht zum Wahlvorstand Bestellten die gleichen Voraussetzungen erfüllen, wie im Rahmen einer Bestellung nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO bzw. der Wahl nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO. Daher müssen die Wahlvorstandsmitglieder auch im Fall der gerichtlichen Einsetzung stets das 18. Lebensjahr vollendet haben.36 Ebenfalls ist grundsätzlich erforderlich, dass es sich bei den betreffenden Personen um Beschäftigten des Betriebs37 handelt.38 bb) Bestellung betriebsexterner Personen nach § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG analog Bejaht man die analoge Anwendbarkeit des § 16 Abs. 2 BetrVG bzw. des § 17 Abs. 4 BetrVG, stellt sich konsequenterweise die Frage, ob auch die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 3 (ggf. i.V. m. § 17 Abs. 4 Satz 2 BetrVG) Anwendung findet. Danach besteht die Möglichkeit, auch betriebsexterne Personen als Wahlvorstandsmitglieder einzusetzen. (1) Ausnahmecharakter der Bestellung Betriebsexterner Gegen eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG könnte zunächst dessen Ausnahmecharakter sprechen. Bei systematischer Betrachtung der Vorschriften wird nämlich deutlich, dass eine Bestellung betriebsexterner Personen ausschließlich für die Betriebsratswahl vorgesehen und dort auch nur ausnahmsweise im Rahmen der gerichtlichen Ersatzbestellung des Wahlvorstands möglich ist.39 In der Regel ist daher eine Bestellung betriebsexterner Personen in 36
Siehe zu dieser Voraussetzung oben § 6 IV. 1. c) cc) (1) (b). Siehe dazu oben § 6 IV. 1. c) cc) (1) (a). 38 Siehe zu Frage der Bestellung betriebsexterner Personen nach § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG analog sogleich § 7 II. 2. b) bb). 39 Bei der Betriebsratswahl ist die Hinzuziehung nur ausnahmsweise bei der Ersatzbestellung durch das Arbeitsgericht zulässig: Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 65; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 28 f.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 68. Bei der Jugend- und Auszubildendenvertretretungswahl scheidet eine Einsetzung Betriebsexterner generell aus, weil in § 63 Abs. 3 BetrVG eine Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG fehlt: Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 63 Rn. 13; Fitting, BetrVG, § 63 Rn. 26; 37
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die Wahlvorstände betrieblicher Interessenvertretungswahlen unzulässig. Angesichts dieses systematischen Befunds erscheint eine Erstreckung der analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 BetrVG auf dessen Satz 3 bereits zweifelhaft, wenn man Ausnahmevorschriften mit Blick auf den Singularia-non-sunt-extendendaGrundsatz für nicht analogiefähig hält.40 (2) Systematische Widersprüchlichkeit der Einbindung der Gewerkschaften Entscheidend gegen eine Erstreckung der Analogie auf § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG spricht jedoch die daraus resultierende systematische Widersprüchlichkeit. Im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl kommt den Gewerkschaften nämlich – anders als bei der Betriebsratwahl41 – keine eigenständige Funktion zu.42 Vielmehr werden sie konsequent aus den Wahlvorschriften und dem Gesamtablauf der Schwerbehindertenvertretungswahl außen vor gelassen.43 Dieser konsequenten Herausnahme der Gewerkschaften würde es jedoch zuwiderlaufen, wenn man über die analoge Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Bestellung betriebsexterner Gewerkschaftsmitglieder in den Wahlvorstand der Schwerbehindertenvertretungswahl zuließe. Auch unter systematischen Gesichtspunkten erscheint daher eine Ersteckung der Analogie des § 16 Abs. 2 BetrVG auf dessen Satz 3 im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl ausgeschlossen. Oetker, in: GK-BetrVG, § 63 Rn. 37; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 63 Rn. 27. Auch bei der Sprecherausschusswahl können keine betriebsexternen Personen als Wahlvorstandsmitglieder eingesetzt werden: Vgl. Bauer, SprAuG, § 7 Anm. II; Löwisch, SprAuG, § 7 Rn. 3. 40 Vgl. zur Analogieunfähigkeit von Ausnahmevorschriften: Honsell, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, Teil B Rn. 63; Schneider, JA 2008, 174, 174 ff. Zur Kritik an diesem Grundsatz: Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 256 ff.; Würdinger, JuS 2008, 949, 949 ff.; Würdinger, AcP 206 (2006), S. 946, 946 ff.; Säcker, in: MüKo-BGB, Einl. Rn. 120 ff. 41 Siehe dazu § 6 IV. 3. b) aa) (1). 42 BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 25/08, NZA 2009, 1221, 1222; OVG NordrheinWestfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 22; VG Ansbach vom 04.09.1995, 8 P 94.02216, PersV 1995, 371, 372; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 119; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3 und 5; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 164; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 36; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 42. 43 Vgl. BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 25/08, NZA 2009, 1221, 1222; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 203; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Kamm/ Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 18; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 74; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 35 und SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Süllwold, ZBVR 2002, 190, 191.
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cc) Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder In inhaltlicher Hinsicht ist für eine wirksame Wahlvorstandseinsetzung durch das Arbeitsgericht weiterhin erforderlich, dass exakt drei Mitglieder bestellt wurden. Die im Fall der gerichtlichen Einsetzung über § 16 Abs. 2 Satz 1, Hs. 2 i.V. m. Abs. 1 Satz 2 BetrVG mögliche Erhöhung der Mitgliederzahl des Wahlvorstand ist lediglich ein Reflex der im Rahmen der Betriebsratswahl allgemein44 zugelassenen Möglichkeit zur Vergrößerung des Wahlvorstands.45 Daher kann eine Erhöhung der Mitgliederzahl durch das Arbeitgericht nur dort in Betracht kommen, wo eine solche im Fall einer regulären Wahlvorstandseinsetzung ohnehin möglich wäre. Auch durch die analoge Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wird somit nicht die Möglichkeit eröffnet, den Wahlvorstand entgegen der strikten Vorgabe des § 1 SchwbVWO mit mehr als drei Mitgliedern auszustatten. dd) Bestimmung des Vorsitzenden Eine wirksame gerichtliche Wahlvorstandseinsetzung nach § 16 Abs. 2 bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog setzt schließlich voraus, dass eines der bestellten Mitglieder zum Vorsitzenden ernannt wurde.46 Auch ein gerichtlich eingesetzter Wahlvorstand ist schließlich nur dann arbeitsfähig, wenn er über einen Vorsitzenden verfügt.47 Zudem ergibt sich aus der in § 16 Abs. 2 Satz 1, Hs. 2 BetrVG zu findenden Verweisung auf § 16 Abs. 1 BetrVG, dass das Arbeitgericht bei der Wahlvorstandseinsetzung an die Stelle des untätig geblieben oder nicht (mehr) vorhandenen Amtsinhabers treten soll.48 Somit ist das Gericht im Fall der Ersatzbestellung auch gehalten, eines der eingesetzten Mitglieder zum Vorsitzenden zu bestimmen,49 wobei sich insoweit keine Unterschiede zwischen Schwerbehindertenvertretungs- und Betriebsratswahl ergeben. Hat das Gericht in seinem Beschluss die vorstehenden Voraussetzungen berücksichtigt und auch einen Wahlvorstandsvorsitzenden bestimmt, tritt der Wahlbeginn ein, sobald die Entscheidung rechtskräftig wird.50 44 Hier sind selbstverständlich die Grenzen des § 16 Abs. 1 Satz 2 und 3 BetrVG zu berücksichtigen. Vgl. dazu Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 28 ff.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 32 f. 45 Vgl. dazu Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 62; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 39. 46 Vgl. zur gerichtlichen Bestellung bei der Betriebsratswahl: Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 42. 47 Siehe dazu bereits oben § 6 IV. 1. c) cc) (3). 48 Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 39. Vgl. auch Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 62; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 64. 49 Vgl. Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 42. 50 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 65; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 50. Vgl. aber zum vorgelagerten Kündigungsschutz der eingesetzten Wahlvorstandsmitglieder: BAG vom 26.11.2009, 2 AZR 186/09, NZA 2010, 443, 443 ff.
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3. Wahlbeginn im vereinfachten Wahlverfahren Während im förmlichen Verfahren der Wahlvorstand als zentrales Organ für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Wahl zuständig ist, kommt diese Funktion im vereinfachten Verfahren im Wesentlichen der Wahlleitung zu.51 Daher knüpft der Wahlbeginn im vereinfachten Wahlverfahren konsequenterweise nicht an die Einsetzung eines Wahlvorstands, sondern an die der Wahlleitung an. Anders als im förmlichen Verfahren kann diese jedoch weder unmittelbar, noch auf gerichtlichem Weg bestellt werden. Vielmehr wird die Wahlleitung erst in der Wahlversammlung im unmittelbaren Vorfeld des eigentlichen Wahlgeschehens durch die Wahlberechtigten gewählt. a) Formelle Anforderungen an die Wahl der Wahlleitung Auch die Wahl der Wahlleitung unterliegt bestimmten formellen Anforderungen. Diese sollen daher im Folgenden untersucht werden, um zu ermitteln welche Voraussetzungen im vereinfachten Verfahren insoweit für einen wirksamen Wahlbeginn erfüllt sein müssen. aa) Leitung des Abstimmungsvorgangs und Stimmberechtigung Auch die Wahlversammlung nach § 20 SchwbVWO wird allgemeinen demokratischen Grundsätzen entsprechend von dem hierzu einladenden Organ eröffnet.52 Anschließend obliegt es diesem Organ ebenfalls, die Wahl der Wahlleitung aufzurufen und zu leiten.53 Im Rahmen dessen muss das einladende Organ sicherstellen und überwachen, dass ausschließlich Wahlberechtigte an der Abstimmung über die Wahlleitung teilnehmen.54 Auch bei dieser der Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson vorgelagerten Wahl der Wahlleitung sind nämlich ausschließlich die nach § 94 Abs. 2 SGB IX wahlberechtigten Beschäftigten stimmberechtigt.55 Damit muss aber bereits zu diesem Zeitpunkt eine koordinierte Prüfung der Wahlberechtigung erfolgen. Da in diesem Stadium jedoch ge51 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 95 und Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 45. 52 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 20 Rn. 5; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 1. Vgl. auch Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 143. 53 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 143; Zanker, WO zum SchwbG, S. 25. 54 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2. 55 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 20 Rn. 12; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 20 Rn. 1a; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 1.
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rade noch kein wahlleitendes Organ eingesetzt ist, obliegt diese Aufgabe folglich ebenfalls dem Initianten der Wahl(-versammlung).56 Erfolgt keine derartige Überprüfung und nehmen infolgedessen auch Nicht-Wahlberechtigte an der Abstimmung über die Wahlleitung teil, hat dies die Fehlerhaftigkeit der Einsetzung des wahlleitenden Organs und ggf. auch die Unwirksamkeit der Wahl zur Folge.57 bb) Art und Weise der Durchführung der Wahlleitungswahl In den Wahlvorschriften finden sich keine näheren Vorgaben über die Art und Weise der Durchführung der Abstimmung über die Wahlleitung. Verlangt wird lediglich, dass die Wahlleitung mit einfacher Mehrheit der Stimmen der anwesenden Wahlberechtigten gewählt wird.58 Stellen sich für das Amt der Wahlleitung mehrere Kandidaten zur Verfügung, ist im Rahmen einer Personenwahl derjenige gewählt, der mehr Stimmen auf sich vereinigen kann.59 Im Hinblick auf die Form der Abstimmung ergeben sich aus den Wahlvorschriften keine Einschränkungen.60 Daher ist auch eine Abstimmung durch Handaufheben möglich. Voraussetzung ist aber insoweit, dass die anwesenden Wahlberechtigten nicht mehrheitlich eine andere Abstimmungsform verlangen61 und trotz dieser Form gewährleistet ist, dass keine Zweifel darüber entstehen, wer durch die Abstimmung gewählt worden ist.62
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In dieser Richtung auch Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2. Vgl. zur Nichtigkeitsfolge bei fehlerhafter Wahlvorstandswahl: Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 1 Rn. 3. Vgl. zur Betriebsratswahl: LAG Düsseldorf vom 07.09.2010, 16 TaBV 57/10; LAG Köln 10.03.2000, 13 TaBV 9/00, NZA-RR 2001, 423, 425; Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, S. 141 ff.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 5. 58 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 42 und SchwbVWO, § 20 Rn. 12; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 46; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 38; Pohl, in: Feldes/Kohte/StevensBartol, SGB IX, § 94 Rn. 48; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 104; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 1; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 46; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 18 Rn. 7. 59 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 1; Zanker, WO zum SchwbG, S. 25. 60 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 1; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 20 Rn. 12; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 1. 61 Vgl. Zanker, WO zum SchwbG, S. 25. 62 Vgl. BAG vom 14.12.1965, 1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; LAG Rheinland-Pfalz vom 30.01.2986, 5 TaBV 77/85, AuR 1987, 35 (LS); Fitting, BetrVG, § 17 Rn. 27; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 17 Rn. 12; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 17 Rn. 27; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 17 Rn. 24. 57
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Werden diese Grundsätze nicht eingehalten, liegt ebenfalls ein fehlerhafter Wahlbeginn vor, der wegen der Rechtswidrigkeit der Wahl des wahlleitenden Organs zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der Schwerbehindertenvertretungswahl führen kann. b) Inhaltliche Anforderungen an die Wahl der Wahlleitung In inhaltlicher Hinsicht unterscheidet sich die vorgesehene Wahl der Wahlleitung von der Wahlvorstandswahl nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO bereits dadurch, dass das wahlleitende Organ nach § 20 Abs. 1 SchwbVWO lediglich aus „einer Person“ besteht.63 Es ist damit kein Kollegialorgan zu wählen, so dass auch keine Bestimmung eines „Vorsitzenden“ erforderlich ist. aa) Wahlberechtigung als Voraussetzung der Einsetzung als Wahlleitung Hinsichtlich der in das Amt der Wahlleitung zu wählenden Person enthält § 20 SchwbVWO keine Vorgaben.64 Es ist daher nicht erforderlich, dass die als Wahlleitung gewählte Person selbst schwerbehindert bzw. wahlberechtigt ist.65 Eine dahingehende Einschränkung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Wahlversammlung lediglich aus Wahlberechtigten besteht.66 In § 20 Abs.1 SchwbVWO wird nämlich nicht verlangt, dass die Wahlleitung aus dem Kreis der Wahlversammlung heraus gewählt werden müsste.67 Daher können auch nicht selbst
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Vgl. dazu Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 1. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 42; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 46. 65 OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 148; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 95; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 42; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 48; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 46; Trenk-Hinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 18 Rn. 7; Zanker, WO zum SchwbG, S. 25. Wohl auch Maaß, in: Kossens/von der Heide/ Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20, der jedoch widersprüchlicher Weise die Möglichkeiten zum Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaften aufzählt. A. A. dagegen: LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 116 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 38 und SchwbVWO, § 20 Rn. 1a, der jedoch widersprüchlicher Weise zulässt, dass auch Nicht-Wahlberechtigte zu Wahlhelfern bestellt werden können. 66 So aber Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 20 Rn. 1a. Wohl auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 116, der verlangt, dass die Wahlleitung aus dem Kreis der Wahlversammlung heraus gewählt wird. 67 So aber ausdrücklich LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03 und Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 116, die jedoch nicht darlegen, woraus sich diese Einschränkung ergeben solle. 64
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
aktiv wahlberechtigte Personen, insbesondere auch Betriebsratsmitglieder 68 zur Wahlleitung gewählt werden. Ein Rückgriff auf Nicht-Wahlberechtigte kann sich insbesondere dann anbieten, wenn seitens der Wahlberechtigten bisher keine Erfahrung mit der Durchführung einer Interessenvertretungswahl existiert.69 Insoweit sind die personellen Anforderungen an das wahlleitende Organ in beiden Wahlverfahren identisch.70 bb) Beschäftigung im Betrieb Angesichts der fehlenden personellen Einschränkungen hinsichtlich der Wahlleitung stellt sich die Frage, ob auch nicht im Betrieb beschäftigte Personen in dieses Amt gewählt werden können. Geht man vom Wortlaut des § 20 Abs. 1 SchwbVWO aus, erscheint dies ohne weiteres möglich, weil ausschließlich von einer „Person“ und nicht von einem „Beschäftigten“ die Rede ist.71 (1) Systematische Betrachtung In systematischer Hinsicht ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeit Betriebsexterner in den Wahlleitungsorganen bei anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen absoluten Ausnahmecharakter besitzt.72 Auch ein Vergleich mit der Regelung der Besetzung des wahlleitenden Organs im förmlichen Verfahren der Schwerbehindertenvertretungswahl legt es nahe, dass nur solche „Personen“ als Wahlleitung wählbar sind, die im Betrieb beschäftigt sind.
68 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 95; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 48; TrenkHinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 18 Rn. 7; Zanker, WO zum SchwbG, S. 25. 69 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2. 70 Siehe zu den Anforderungen im förmlichen Wahlverfahren oben § 6 IV. 1. c) cc) (1) (c). 71 In dieser Richtung auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 20 Rn. 10. Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 95, der die Heranziehbarkeit Nicht-Wahlberechtigter gerade auf die Anknüpfung an die „Person“ stützt. 72 Bei der Betriebsratswahl ist die Hinzuziehung nur ausnahmsweise bei der Ersatzbestellung durch das Arbeitsgericht zulässig: Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 65; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 28 f.; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 68. Bei der Jugend- und Auszubildendenvertretretungswahl scheidet eine Einsetzung Betriebsexterner generell aus, weil in § 63 Abs. 3 BetrVG eine Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG fehlt: Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 63 Rn. 13; Fitting, BetrVG, § 63 Rn. 26; Oetker, in: GK-BetrVG, § 63 Rn. 37; Trittin, in: Däubler, BetrVG, § 63 Rn. 27. Auch bei der Sprecherausschusswahl können keine Betriebsexternen Personen als Wahlvorstandsmitglieder eingesetzt werden: Vgl. Bauer, SprAuG, § 7 Anm. II; Löwisch, SprAuG, § 7 Rn. 3.
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(2) Sinn und Zweck der Wahlleitungswahl Unter teleologischen Gesichtspunkten ist im Hinblick auf § 20 Abs. 1 SchwbVWO festzuhalten, dass durch die Wahl der Wahlleitung primär die ordnungsgemäße Durchführung der Schwerbehindertenvertretungswahl sichergestellt werden soll.73 Die korrekte Wahldurchführung ist jedoch nicht zwingend davon abhängig, dass die Wahlleitung von einem im Betrieb Beschäftigten übernommen wird. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass insoweit erfahrene und/ oder juristisch ausgebildete externe Personen besser geeignet sind, die ordnungemäße Einhaltung der Wahlvorschriften sicherzustellen. Unter diesen teleologischen Gesichtspunkten erscheint daher keine einschränkende Auslegung des § 20 Abs. 1 SchwbVWO geboten. (3) Einschränkungen durch den Grundsatz der Selbstorganisation Allerdings könnte ein sich auf im Betrieb beschäftigte Personen beschränkendes Verständnis des § 20 Abs. 1 SchwbVWO durch den Grundsatz der Selbstorganisation74 indiziert sein. Dieses dem Gesamtkonzept der Wahlvorschriften innewohnende Grundprinzip schließt prinzipiell auch die Zielrichtung ein, die Wahl aus dem Kreis der Beteiligten heraus selbst zu bewerkstelligen75 und die Auswirkungen der Wahl auf den Betrieb zu begrenzen. Daher steht die Einsetzung betriebsexterner Wahlvorstandsmitglieder grundsätzlich im Widerspruch zum Grundsatz der Selbstorganisation.76 Dieser Wahlgrundsatz kann allerdings nur soweit und solange Geltung beanspruchen, als auf diesem Wege eine ordnungsgemäße Wahldurchführung möglich ist. Scheitert hingegen eine betriebsinterne Lösung, hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Selbstorganisation bei der Betriebsratswahl hinter den Grundsatz der obligatorischen Vertretung zurücktreten lassen.77 Soweit dies zur ordnungemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist, wird dort also trotz des Grundsatzes der Selbstorganisation ausnahmsweise eine Bestellung Betriebsexterner zugelassen (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 3 73 Vgl. zu Aufgaben und Funktion der Wahlleitung: Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 143; Kamm/ Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 46 f.; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 104; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 45; TrenkHinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, Anh. zu § 100, SchwbVWO, § 18 Rn. 3, 6 und 9. 74 Siehe allgemein zu diesem Grundsatz § 2 IV. 3. a). 75 Vgl. in Bezug auf die Jugend- und Auszubildendenwahl: Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 38 Rn. 9. Vgl. dazu auch Frommer/Engelbrecht, Bundeswahlrecht, BWahlG, § 8 Rn. 1; Schreiber, BWahlG, Einf. Rn. 45. 76 Vgl. dazu Jacobs, Wahlvorstände, S. 113. Vgl. zum Selbstverwaltungscharakter der Wahlorgane bei der Bundestagswahl: Frommer/Engelbrecht, Bundeswahlrecht, BWahlG, § 8 Rn. 1; Schreiber, BWahlG, Einf. Rn. 45. 77 Jacobs, Wahlvorstände, S. 113 f.
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
BetrVG). Eine dahingehende Erforderlichkeit wird nach überwiegender Ansicht dann bejaht, wenn nicht genügend Personen zur Übernahme des Wahlvorstandsamtes bereit oder in der Lage sind.78 (4) Schlussfolgerungen Überträgt man diese Grundsätze auf die Wahl der Wahlleitung im vereinfachten Verfahren, erscheint eine generelle Zulässigkeit betriebsexterner Personen als im Widerspruch zum Grundsatz der Selbstorganisation stehend. Gleichzeitig ist angesichts des mit diesem Grundsatz konkurrierenden Grundsatzes der obligatorischen Vertretung nicht völlig ausgeschlossen, dass betriebsexterne Personen zur Wahlleitung nach § 20 Abs. 1 SchwbVWO gewählt werden können. Zwingende Voraussetzung ist dafür jedoch, dass sich keine betriebsinternen Personen finden, die zur Übernahme dieses Amtes bereit oder befähigt wären. Ein solch einschränkendes Verständnis stünde einerseits noch mit dem Wortlaut im Einklang und würde andererseits aber auch dem Ausnahmecharakter der Bestellung Betriebsexterner und dem Grundsatz der Selbstorganisation Rechnung tragen. Trotz des weiterreichenden Wortlauts sind daher grundsätzlich nur im Betrieb beschäftigte Personen als Wahlleitung im Sinne des § 20 Abs. 1 SchwbVWO wählbar. Die Wahl einer betriebexternen Person, etwa eines Vertreters des die Wahl initiierenden Integrationsamts,79 kommt dagegen nur ausnahmsweise in Betracht. Voraussetzung ist dafür, dass sich keiner der anwesenden Beschäftigten bereit erklärt, das Amt der Wahlleitung zu übernehmen und damit eine auf Selbstorganisation basierende Wahldurchführung wegen unzureichender Mitwirkung der Beteiligten zu scheitern droht.
78 LAG München vom 20.04.2004, 5 TaBV 18/04, LAGE § 16 BetrVG 2001 Nr. 1; LAG Düsseldorf vom 07.11.1974, 7 TaBV 87/74, DB 1975, 260, 260; Fitting, BetrVG, § 16 Rn. 70; Galperin/Marienhagen, BetrVG, § 16 Rn. 21; Homburg, in: Däubler, BetrVG, § 16 Rn. 29; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 16 Rn. 68; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 16 Rn. 39; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 16 Rn. 44. Strenger Brecht, BetrVG, § 16 Rn. 19. 79 Die Wahl eines Integrationsamtsvertreters zum Wahlleiter des vereinfachten Wahlverfahrens steht auch unter praktischen Gesichtspunkten nicht im Widerspruch zur oben abgelehnten doppelt analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG: Während sich die Tätigkeit der Wahlleitung auf den Wahltag selbst beschränkt, zu dem ein als Initiator auftretendes Integrationsamt ohnehin einen Vertreter entsenden muss, ist die Übernahme des Amtes als Wahlvorstandsmitglied infolge der zwingend erforderlichen Sitzungsteilnahme deutlich zeit- und aufwandsintensiver. Die Übernahme der Funktion der Wahlleitung ist daher – anders als die des Wahlvorstandsmitglieds – in tatsächlicher Hinsicht nicht ausgeschlossen und wird auch im betrieblichen Alltag praktiziert.
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cc) Volljährigkeit Mangels einschränkender Vorgaben im Wortlaut des § 20 Abs. 1 SchwbVWO stellt sich weiterhin die Frage, ob das Amt der Wahlleitung auch durch minderjährige Beschäftigte übernommen werden kann80. (1) Systematischer Vergleich mit förmlichem Wahlverfahren Stellt man die personellen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Wahlleitungsorgan des vereinfachten Verfahrens denen des förmlichen Verfahrens gegenüber, zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz im Wortlaut. Die Einsetzung als Wahlvorstandsmitglied setzt nämlich im förmlichen Verfahren stets voraus, dass die betreffende Person das 18. Lebensjahr vollendet hat.81 Damit liegt es unter systematischen Gesichtspunkten nahe, auch im Rahmen des § 20 Abs. 1 SchwbVWO Volljährigkeit zu verlangen, damit die personellen Voraussetzungen in dieser Hinsicht in beiden Wahlverfahren gleichartig ausgestaltet sind. Allerdings ist ein derartiger Gleichlauf der Wahlverfahren nicht zwingend erforderlich.82 Vielmehr wäre es auch denkbar, dass der Verordnungsgeber angesichts des im vereinfachten Wahlverfahren wesentlich stärker ausgeprägten Grundsatzes der Simplizität bewusst auf die Volljährigkeit als personelle Voraussetzung der Wahlleitung verzichtet hat. (2) Systematischer Vergleich mit Betriebsratsund Sprecherausschusswahl Zur Klärung dieser Frage bietet sich ein systematischer Vergleich zu den übrigen betrieblichen Interessenvertretungswahlen an. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die personellen Voraussetzungen bei der Betriebsrats- und der Sprecherausschusswahl nur bedingt mit denen der Schwerbehindertenvertretungswahl vergleichbar sind. Im Rahmen der Betriebsratswahl verfügen nämlich generell nur volljährige Personen über das aktive bzw. das passive Wahlrecht. Minderjährige Beschäftigte sind somit hinsichtlich der Wahl ohnehin unbeteiligt, so dass auch kein Grund bestünde, ihnen eine Mitwirkungsmöglichkeit im Wahlvorstand einzuräumen. Für die Sprecherausschusswahl ist formell zwar keine Volljährigkeit vorgeschrieben, jedoch ist in praktischer Hinsicht nicht davon auszugehen, dass Minderjährigen die Funktionen eines leitenden Angestellten i. S. d. § 7 Abs. 1 SprAuG übertragen werden.83 Folglich dürften auch im Hinblick auf die Spre80
Dies bejahend: Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 20 Rn. 10. Siehe dazu oben § 6 IV. 1. c) cc) (1) (b). 82 Siehe auch zu den Unterschieden beim Kriterium der Beschäftigung im Betrieb oben § 7 II. 3. b) bb) (4). 83 Bauer, SprAuG, § 3 Anm. III; Romer, Das Sprecherausschussgesetz und die analoge Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes, S. 73. 81
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Kap. 3: Anstoß der Wahl
cherausschusswahl generell keine Minderjährigen im Wahlvorstand beteiligt sein. Angesichts der fehlenden Beteiligung Minderjähriger an den Wahlen zum Betriebsrat und zum Sprecherausschuss sind die dahingehenden Vorschriften in systematischer Hinsicht vorliegend wenig aufschlussreich. (3) Systematischer Vergleich mit Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl Bei einem systematischen Vergleich der personellen Voraussetzung im Rahmen der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahlen ist dagegen festzustellen, dass Minderjährige als Wahlvorstandsmitglieder allgemein zugelassen sind. Über § 38 Satz 2 WO-BetrVG ist lediglich erforderlich, dass zumindest eines der Mitglieder des Wahlvorstands volljährig ist.84 Stellt man auf die – im Hinblick auf die jeweils altersunabhängige Wahlberechtigung bestehenden – Parallelen zur Jugend- und Auszubildendenvertretung ab, erscheint es systematisch nicht zwingend erforderlich, dass sämtliche Mitglieder eines wahlleitenden Organs das 18. Lebensjahr vollendet haben müssen.85 Diese offene Gestaltung der personellen Voraussetzungen schafft für die Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl den nötigen Rahmen um auch Minderjährigen die Möglichkeit einzuräumen, als Mitglied im Wahlvorstand mitzuwirken. Die Regelung ist damit Ausdruck des auch bei anderen Interessenvertretungen geltenden Grundsatzes der Selbstorganisation.86 Allerdings wird durch § 38 Satz 2 WO-BetrVG auch deutlich, dass die Leitung der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl nicht ausschließlich Minderjährigen übertragen werden soll. Der Verordnungsgeber scheint insoweit davon auszugehen, dass bei alleiniger Verantwortlichkeit Minderjähriger mangels ausreichender Erfahrung eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl nicht hinreichend gewährleistet wäre.87 Der Grundsatz der Selbstorganisation hat also zugunsten des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung eine Einschränkung erfahren. Der Normgeber hat also insoweit einen angemessenen Ausgleich zwischen diesen beiden widerstreitenden Grundsätzen hergestellt. Anders als bei Kollegialorganen wie dem Wahlvorstand ist ein solcher Ausgleich bei der Wahlleitung nach § 20 Abs. 1 SchwbVWO nicht möglich, weil diese stets nur aus einer Person besteht. Damit ist gerade kein ausgleichendes, paralleles Zusammenwirken von Voll- und Minderjährigen möglich. Daher lassen 84 Fitting, BetrVG, WO, § 38 Rn. 2; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 38 Rn. 9. 85 Siehe dazu bereits oben § 6 IV. 1. c) cc) (1) (b). 86 Siehe dazu oben § 6 IV. 1. c) cc) (1) (b) und allgemein zu diesem Grundsatz § 2 IV. 3. a). 87 Vgl. dazu Fitting, BetrVG, WO, § 38 Rn. 2; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 38 Rn. 9; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 38 Rn. 3.
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sich auch die im Rahmen der Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl geltenden Regelungen über die Volljährigkeit nicht im Wege einer systematischen Auslegung des § 20 Abs. 1 SchwbVWO heranziehen. (4) Teleologische Gesichtspunkte Eine restriktive Auslegung des § 20 Abs. 1 SchwbVWO könnte aber aus teleologischen Gesichtspunkten geboten sein. Sinn und Zweck der Wahl der Wahlleitung ist es sicherzustellen, dass die Schwerbehindertenvertretungswahl im Rahmen der Wahlversammlung ordnungsgemäß durchgeführt wird. Diese Zielsetzung resultiert aus dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung.88 Paradigmatisch soll im Folgenden von der in § 38 Satz 2 WO-BetrVG zum Ausdruck kommenden Wertung ausgegangen werden, dass eine ausschließlich Minderjährigen obliegende Wahlleitung, die Ordnungsmäßigkeit der Interessenvertretungswahl nicht hinreichend gewährleiste.89 Für diesen Fall müsste auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl gewährleistet sein, dass an der Wahlleitung zwingend auch volljährige Personen beteiligt sind. Eine dahingehende Ausgestaltung des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung kann jedoch auf Grund des fehlenden Kollegialorgancharakters der Wahlleitung nicht im Wege einer Mindestbeteiligung Volljähriger umgesetzt werden. Daher erscheint es erforderlich, für die Wahlleitung nach § 20 SchwbVWO in personeller Hinsicht zwingend Volljährigkeit zu verlangen, so dass der Grundsatz der Selbstorganisation partiell hinter dem der obligatorischen Vertretung zurücktreten müsste. Infolge der Ausgestaltung der Wahlleitung als Ein-Personen-Organ ist somit eine teilalternierende Abwägung zwischen diesen beiden Grundsätzen erforderlich, die wegen der höherer Bedeutung des Grundsatzes der obligatorischen Vertretung zu dessen Gunsten ausfällt.
88 89
Siehe allgemein zu diesem Grundsatz oben § 2 IV. 1. a). Siehe dazu oben § 7 II. 3. b) cc) (3).
Kapitel 4
Phasen der Wahl § 8 Vorbereitungsphase I. Allgemeines zur Vorbereitungsphase Hat eine Wahlinitiierung stattgefunden und ist daraufhin der Beginn der Schwerbehindertenvertretungswahl erfolgt,1 lässt sich der damit angestoßene Wahlprozess grob in drei Phasen untergliedern.2 Die umfassendste Phase bildet hierbei die die ordnungsgemäße Stimmabgabe überhaupt erst ermöglichende Vorbereitungsphase.3 Im Rahmen dieser sind durch das mit der Wahlleitung betraute Organ eine Reihe von Handlungen vorzunehmen und Entscheidungen zu treffen, damit die Stimmabgabe überhaupt möglich wird und ungehindert durchgeführt werden kann. Im vereinfachten Wahlverfahren weist die Vorbereitungsphase mehrere verfahrensbezogene Unterschiede zum förmlichen Verfahren auf. Diese beruhen weitgehend auf dem dort in zeitlicher Hinsicht erheblich komprimierten Ablauf der Wahl. Allerdings sind verschiedene Entscheidungen im vereinfachten Verfahren nicht dem wahlleitenden Organ, sondern der Versammlung der Wahlberechtigten überlassen worden.
II. Problembereiche der Vorbereitungsphase Die Vorbereitungsphase umfasst eine Reihe von Problembereichen, die für die Schwerbehindertenvertretungswahl an sich bedeutende Rechtsfragen aufwerfen. Diese zentralen Problembereiche sollen im Folgenden eingehend beleuchtet werden, um für diese dogmatisch abgesicherte und systemeinheitliche Lösungen herauszuarbeiten, die im Einklang mit den für die Wahl geltenden Grundsätzen stehen. Im Rahmen dieser Betrachtung ist jeweils auch auf die verfahrenstechnischen Besonderheiten des vereinfachten Wahlverfahrens einzugehen. 1 Siehe zur Unterscheidung von Wahlinitiierung und Wahlbeginn oben § 6 II. und § 7 I. 2 Siehe dazu auch § 9 I. und § 10 I. 3 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 19, der insoweit ebenfalls den Begriff der Vorbereitungsphase verwendet.
§ 8 Vorbereitungsphase
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1. Erstellung der Liste der Wahlberechtigten Für das förmliche Wahlverfahren ist in § 3 SchwbVWO vorgeschrieben, dass der eingesetzte Wahlvorstand unverzügliche eine Liste der Wahlberechtigten zu erstellen hat. Die hierzu nötigen Informationen und Unterlagen kann er vom Arbeitgeber anfordern, der insoweit nach § 2 Abs. 6 Satz 2 SchwbVWO zur Unterstützung des Wahlvorstands verpflichtet ist.4 a) Inhalt der Liste Die Liste der Wahlberechtigten hat diejenigen Beschäftigten aufzuführen, die nach § 94 Abs. 2 SGB IX über das aktive Wahlrecht verfügen, wobei die Auflistung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO in alphabetischer Reihenfolge mit Familienname und Vorname zu erfolgen hat. In inhaltlicher Hinsicht weist die Liste allerdings auch mehrere systematische Besonderheiten zu den Wählerlisten der übrigen betrieblichen Interessenvertretungswahlen auf. aa) Geburtsdatum Anders als für die Wählerlisten der übrigen Interessenvertretungswahlen ist für die Liste der Wahlberechtigten nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO keine generelle Aufführung des Geburtsdatums vorgesehen. Lediglich in Fällen einer Namengleichheit von Wahlberechtigten soll daher eine Angabe des Geburtsdatums erfolgen, um auf diese Weise eine eindeutige Identifikation der Beschäftigten zu ermöglichen.5 Der Verzicht auf die allgemeine Aufnahme des Geburtdatums in die Liste erklärt sich daraus, dass das aktive Wahlrecht anders als im Betriebsverfassungsrecht nicht von der Erreichung eines Mindestalters abhängig ist. Damit besteht grundsätzlich kein Bedürfnis, diese personenbezogenen Daten generell in die Liste aufzunehmen. Vielmehr wird insoweit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten Vorrang eingeräumt.6
4 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 82; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 132; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 2 Rn. 48; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 24; PflugSimoleit, AiB 1998, 553, 555; Treml, BehR 1986, 57, 59; Zanker, WO zum SchwbG, S. 31. 5 Amtl. Begr. zu § 3 WO, BR-Drs. 290/75; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 82; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 3 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 3 Anm. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 3 Rn. 16; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 3; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 3 Rn. 2; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 3. 6 Vgl. dazu Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 2 Rn. 13.
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bb) Geschlecht Eine nach Geschlechtern getrennte Aufstellung der Liste ist im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl ebenfalls nicht erforderlich, weil im Unterschied zu den übrigen Interessenvertretungswahlen (vgl. dazu nur § 15 BetrVG und § 5 WO-BetrVG) keine geschlechtsbezogene Mindestquote vorgeschrieben ist.7 cc) Angabe des Betriebs In § 3 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO ist dagegen zusätzlich die Auflistung der Betriebe vorschrieben, in denen die Wahlberechtigten jeweils beschäftigt werden. Hierdurch soll eine leichtere Zuordnung und Identifikation der Beschäftigten ermöglicht werden. Nach Sinn und Zweck ist dies jedoch nur dann erforderlich, wenn sich der Wahlbezirk überhaupt auf mehrere Betriebe erstreckt. Dies kann bei der Schwerbehindertenvertretungswahl jedoch nur dann der Fall sein, wenn eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX stattgefunden hat. Die Regelung erlangt daher nur in zusammengefassten Betrieben einen eigenständigen Bedeutungsgehalt. In den übrigen Fällen kann die Regelung dagegen nach dem Grundsatz der Simplizität unangewendet gelassen werden. dd) Passiv Wahlberechtigte Für die Schwerbehindertenvertretungswahl ist in § 3 SchwbVWO keine Auflistung oder Kennzeichnung der wählbaren Personen vorgesehen.8 Folglich kann die Ausübung des passiven Wahlrechts nicht von der Aufführung in einer Wählerliste abhängig sein.9 Vielmehr kommt es bei der Wählbarkeit allein auf das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen nach § 94 Abs. 3 SGB IX an. Das führt aber für das wahlleitende Organ zu der Schwierigkeit, dass es für jeden in einem Wahlvorschlag genannten Kandidaten jeweils einzeln die für die Wählbarkeit maßgeblichen Informationen beim Arbeitgeber anfordern und anschließend das Vorliegen der Voraussetzungen prüfen muss.10 b) Publizität der Liste Der Wahlvorstand hat die Liste der Wahlberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 SchwbVWO unverzüglich nach Einleitung an geeigneter Stelle im Betrieb auszu-
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Sieg, NZA 2002, 1064, 1065. Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 3 Anm. 1. 9 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 3 Rn. 11. 10 Siehe dazu ausführlich oben § 4 III. 7. 8
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legen.11 Gleichzeitig hat er dafür zu sorgen, dass auch bis zum Abschluss der Stimmabgabe stets ein aktuelles12 und lesbares Exemplar zur Einsichtnahme ausliegt.13 aa) Zweck der Auslegung Durch die Auslegung der Liste sollen die an der Wahl Beteiligten in die Lage versetzt werden, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auflistung zu überprüfen. Sie sollen hierdurch die Möglichkeit erhalten, auf eine Korrektur der Liste hinwirken und dadurch nötigenfalls die Ausübung ihres Wahlrechts sicherstellen zu können.14 Die Publizität der Liste der Wahlberechtigten dient somit zum Einen der individuellen Gewährleistung des aktiven Wahlrechts. Zum Anderen ermöglicht sie aber auch eine Transparenz und Kontrollfähigkeit der Arbeit des Wahlvorstands und ist damit Ausfluss des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl.15 bb) Folgerungen für den Ort der Auslegung Aus dieser mit der Publizität verfolgten Zielsetzung lässt sich ableiten, dass sämtliche Personen mit berechtigtem Interesse gleichermaßen die Möglichkeit erhalten müssen, in die Liste der Wahlberechtigten Einsicht zu nehmen.16 Das bedeutet für die Schwerbehindertenvertretungswahl, dass für die Auslegung der Liste nur solche Stellen i. S. d. § 3 Abs. 2 SchwbVWO geeignet sein können, die für die schwerbehinderten Beschäftigten barrierefrei zugänglich sind.17 Besteht der Betrieb aus mehreren Betriebsteilen oder wurden unterschiedliche Betriebe nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zusammengefasst, reicht die Auslegung an nur einer Stelle im Betrieb in der Regel nicht aus, obwohl der Wortlaut 11 Enger Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX SchwbVWO, § 3 Rn. 3, der entgegen dem insoweit eindeutigen Wortlaut verlangt, dass die Liste spätestens „mit Erlass des Wahlausschreibens [. . .] ausliegen“ müsse. 12 Vgl. Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 80; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 1; Sieg, NZA 2002, 1064, 1066. 13 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 3 Rn. 3; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 26. 14 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 84; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 3 Anm. 3; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 3 Rn. 3. 15 Siehe allgemein zu diesem Grundsatz oben § 2 III. 4. a). 16 Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 4. 17 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 3 Anm. 3; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 4. Vgl. zur barrierefreien Zugänglichkeit von Informationen zur Wahl: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23; Strehmel, AuA 2002, 418, 419. Siehe zu den Anforderungen an Aushänge auch oben § 6 IV. 2. c) bb) und § 8 II. 4. b) aa).
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einen Singular verwendet.18 Durch eine Auslegung an lediglich einer Stelle wäre nämlich keine gleichberechtigte Einsichtnahmemöglichkeit aller hierzu befugten Personen gewährleistet. Vielmehr ist es ebenso wie im Betriebsverfassungsrecht erforderlich, dass eine Auslegung der Liste in jedem Betriebsteil und Betrieb erfolgt.19 c) Anpassung der Liste bei Fehlerhaftigkeit Weist die Liste inhaltliche Fehler auf, sind also insbesondere aktiv Wahlberechtigte nicht aufgeführt oder wurden Beschäftigte verzeichnet, denen die Wahlberechtigung fehlt, ist der Wahlvorstand grundsätzlich verpflichtet, diese Mängel von Amts wegen zu beheben.20 Parallel dazu besteht für diejenigen Beschäftigten, die ein berechtigtes Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl glaubhaft machen können nach § 4 Abs. 1 SchwbVWO die Möglichkeit, Einspruch gegen die Richtigkeit der Liste der Wahlberechtigten einzulegen.21 Dadurch erhalten insbesondere die Wahlberechtigten die Möglichkeit, den Wahlvorstand auf Fehler aufmerksam zu machen und ihn auf diesem Wege zur Korrektur der Liste zu bewegen. Nach Ablauf dieser Einspruchsfrist ist der Wahlvorstand gemäß § 4 Abs. 3 SchwbVWO verpflichtet, die Liste der Wahlberechtigten nochmals auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen und ggf. zu ergänzen.22 Spätere Änderungen der Liste sind gemäß § 4 Abs. 3 SchwbVWO nur noch bei 18 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 82. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 3 Rn. 25. 19 Ebenso Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 3; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 4. Wohl auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 3 Rn. 3. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/ Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 82, der sich jedoch nur mit der Zulässigkeit, nicht dagegen mit der Verpflichtung der Auslegung in mehreren Betrieben bzw. Betriebsteilen befasst. Vgl. auch Weber, SchwbG, § 24 Anm. 24, der jedoch nur von einer Zweckmäßigkeit spricht. 20 So auch Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 1 und § 4 Rn. 7. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 3 Rn. 7. Ebenso im Hinblick auf die Wählerliste nach § 2 WO-BetrVG: Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 173 ff.; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 2 Rn. 8; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 4 Rn. 15. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 4 Rn. 3; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 80; Sieg, NZA 2002, 1064, 1066. 21 Siehe zur Einspruchsberechtigung oben § 4 II. 4. a) bb) (4). 22 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 4 Anm. 4; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 133; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 4. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 84 und Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 4 Rn. 3. Zum Pflichtcharakter einer derartigen als Soll-Bestimmung formulierten Regelung in Bezug auf § 4 Abs. 3 Satz 1 WO-BetrVG: BAG vom 27.01.1993, 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952; Fitting, BetrVG, WO, § 4 Rn. 15; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 4 Rn. 22; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 4 Rn. 16. Zu eng dagegen: Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 27, die verkennt, dass die Einschränkungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO nur „im Übrigen“ Anwendung finden.
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Schreibfehlern, offenbaren Unrichtigkeiten, zur Erledigung rechtzeitig eingelegter Einsprüche und bei späterem Eintritt oder Ausscheiden von Wahlberechtigten zulässig.23 Nach der hier vertretenen Auffassung tritt auch am Tag der Stimmabgabe keine Veränderungssperre ein.24 Somit sind auch an diesem Tag noch Korrekturen der Liste möglich, wenn dies der Berichtigung von Schreibfehlern oder offenbaren Unrichtigkeiten dient oder wegen Eintritts oder Ausscheidens von Wahlberechtigten erfolgt. d) Vereinfachtes Wahlverfahren Im vereinfachten Verfahren ist keine Erstellung einer Liste der Wahlberechtigten vorgeschrieben. Folglich kann eine solche Liste in diesem Wahlverfahren auch nicht formelle Voraussetzung der Ausübung des aktiven Wahlrechts sein. Das Fehlen einer Wählerliste erschwert zwar grundsätzlich die Prüfung der Stimmabgabeberechtigung. Allerdings würde eine Aufstellung der Liste der Wahlberechtigten durch die Wahlversammlungszentrierung des vereinfachten Verfahrens erhebliche praktische, wie rechtliche Probleme aufwerfen. Insofern ist der Verzicht auf die Anordnung einer Wählerliste konsequent. 2. Festlegung der Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder Sowohl für das förmliche, wie auch für das vereinfachte Wahlverfahren ist vorgesehen, dass im Vorfeld der Stimmabgabe die Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung festgelegt werden soll. Diese Festlegung kann jedoch nur dann Wirkung entfalten, wenn sie nicht nur der Stimmabgabe, sondern auch anderen vorbereitenden Handlungen25 des wahlleitenden Organs vorausgegangen ist.26 Auch hierbei handelt es sich somit um eine der Vorbereitungsphase zuzurechnende Entscheidung. a) Bedeutung und Inhalt der Festlegung der Stellvertreterzahl Durch die Wahl stellvertretender Mitglieder wird die Möglichkeit eröffnet, dass die Schwerbehindertenvertretung in Großbetrieben zu ihrer Unterstützung 23 Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 33; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 27; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 80 f.; Schleicher, WO zum SchwbG, § 4 Rn. 7; Sieg, NZA 2002, 1064, 1066; Treml, BehR 1986, 57, 59; Zanker, WO zum SchwbG, S. 33. 24 Siehe dazu oben § 4 II. 4. a) bb) (7). 25 Zu denken ist hier insbesondere an den Erlass des Wahlausschreibens und die Anfertigung der Stimmzettel, aus denen die Anzahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder zu ersehen sein muss. 26 Vgl. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 2 Rn. 5.
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weitere Personen heranziehen und im Verhinderungsfall vertreten werden kann.27 Gleichzeitig soll aber auch gewährleistet werden, dass im Fall eines Rücktritts oder Ausscheidens der amtierenden Vertrauensperson ein Nachrücker zur Verfügung steht und dadurch im betreffenden Betrieb keine Vertretungslosigkeit eintritt.28 Die im Laufe der Zeit gestiegene Bedeutung der Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung hat inzwischen dazu geführt, dass auch die Position der stellvertretenden Mitglieder grundsätzlich nicht unbesetzt bleiben soll. In den §§ 17 und 21 SchwbVWO wurde deshalb die Möglichkeit einer isolierten Stellvertreternachwahl geschaffen. Im Hinblick auf die allgemeine Fluktuation wird es hierdurch jedoch zur Vermeidung zusätzlicher Wahlen regelmäßig erforderlich sein, dass mehr als nur ein stellvertretendes Mitglied gewählt wird.29 Im Rahmen der Entscheidung über die Stellvertreterzahl sind dabei auch die betrieblichen Verhältnisse, also die Größe des Wahlbezirks und die Entfernung zwischen den Betriebsteilen bzw. Betrieben zu berücksichtigen,30 weil hierin ein erhöhter Vertretungsbedarf begründet liegen kann. Allerdings ist zu beachten, dass die Wahl stellvertretender Mitglieder nach allgemeiner Ansicht keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Schwerbehindertenvertretungswahl darstellt.31 Daher kann auch das Unterbleiben einer Festlegung der Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder – trotz der imperativen Regelungen in §§ 2 Abs. 4 und 20 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO – nicht dazu führen, dass die Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson deshalb fehlerhaft und damit anfechtbar würde. Vielmehr führt das Fehlen einer diesbezüglichen Festlegung dazu, dass grundsätzlich nur die Wahl eines einzigen Stellvertreters erfolgen kann.32
27 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 56 ff.; Schimanski, in: GKSGB IX, § 94 Rn. 77 f. 28 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 8; Grimme, AiB 2011, 520, 521; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 50 und 57; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 27; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 77 f. 29 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Möller-Lücking, SozSich 1986, 225, 228; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 555; Pohl, in: Feldes/Kohte/StevensBartol, SGB IX, § 94 Rn. 40 und 48; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 75. Vgl. auch Dörner, SchwbG, 54. EL, § 24 Anm. 3; Franz, SchwbG, II. Rn. 245; Herrmann, BehR 1977, 59, 59 f.; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 22. 30 Vgl. Amtl. Begr. zu § 2 SchwbWO, BR-Drs. 290/75; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 2 Anm. 5; Schleicher, WO zum SchwbG, § 2 Rn. 6; Zanker, WO zum SchwbG, S. 31. 31 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 51; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 25; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 16; Pahlen, in: Neumann/ Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 19; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 72. 32 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 2 Rn. 6; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 2 Anm. 5; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 54.
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b) Verantwortlichkeit für die Festlegung der Stellvertreterzahl Im Hinblick auf die Zahl der stellvertretenden Mitglieder ist die Entscheidungskompetenz in den Wahlvorschriften nicht einheitlich geregelt, sondern wird dem Wortlaut nach vom anzuwendenden Wahlverfahren abhängig gemacht. aa) Vereinfachtes Wahlverfahren Für das vereinfachte Wahlverfahren regelt § 20 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO, dass die Zahl der zu wählenden Stellvertreter durch einfachen33 Mehrheitsbeschluss der Wahlversammlung festgelegt werde. Im Vorfeld der Entscheidung hat der Wahlleiter die Entscheidung zur Diskussion aufzurufen, damit die Versammlung hierüber befinden kann. Versäumt der Wahlleiter den Aufruf eines derartigen Tagesordnungspunktes, kann die Entscheidung auch durch formlosen Antrag eines der Wahlberechtigten zum Gegenstand der Wahlversammlung gemacht werden.34 Im Rahmen der Diskussion über diese Frage hat der Wahlleiter darauf zu achten, dass den anwesenden Wahlberechtigten auch die für Stellvertreterzahl maßgeblichen Erwägungskriterien zur Kenntnis gelangen. Schließlich muss die Entscheidung nach objektiven, der Bedeutung der stellvertretenden Mitglieder gerecht werdenden Gesichtspunkten getroffen werden.35 bb) Förmliches Wahlverfahren Während für das vereinfachte Wahlverfahren Einigkeit über die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Festlegung der Stellvertreterzahl besteht, ist diese im förmlichen Verfahren umstritten. Dabei findet sich in § 2 Abs. 4 SchwbVWO eine dem Wortlaut nach klare Regelung der Entscheidungskompetenz im förmlichen Verfahren. Gleichwohl vertritt ein Teil des Schrifttums die Auffassung, dass der dort genannte Wahlvorstand nur dann zur Festlegung befugt sei, wenn nicht bereits durch die Versammlung der Schwerbehinderten eine diesbezügliche Festlegung getroffen worden ist.36 33 Die früher erforderliche qualifizierte Dreiviertelmehrheit wurde zur Erleichterung der Erhöhung der Stellvertreterzahl abgeschafft und dadurch der gestiegenen Bedeutung der stellvertretenden Mitglieder Rechnung getragen. 34 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 3. Vgl. auch Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 3. 35 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2. 36 So etwa Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 52; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 2; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 20. Wohl auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 72, der der Versammlung „das letzte Wort“ zugestehen will. Vgl. auch Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 16 und von Seggern, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Hk-ArbR, SGB IX, § 94 Rn. 1, die die Versammlung für generell zuständig halten und dem Wahlvorstand keine diesbezügliche Kompetenz einräumen. A. A. dagegen: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94
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(1) Versammlung als übergeordnetes Organ Die vorrangige Zuständigkeit der Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten für die Festlegung der Stellvertreterzahl wird damit begründet, dass diese ein dem Wahlvorstand übergeordnetes Organ sei.37 Daher stehe dem Wahlvorstand das Recht zur Bestimmung der Zahl der stellvertretenden Mitglieder nur dann zu, wenn die Versammlung diese Entscheidung (stillschweigend) offen gelassen habe.38 Die vorrangige Entscheidungskompetenz der Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten finde zudem eine Bestätigung darin, dass im vereinfachten Verfahren generell nur die Wahlversammlung zuständig sei.39 Hierbei wird jedoch verkannt, dass die Versammlung der schwerbehinderten Beschäftigten und der Wahlvorstand nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis zueinander stehen, sondern gleichberechtigte Organe darstellen. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Wahlvorstand im Regelfall völlig unabhängig von der Versammlung der Schwerbehinderten eingesetzt wird und sich seine Rechte somit nicht erst durch eine von der Versammlung vermittelte Kompetenzzuteilung ergeben.40 Auch mit einem Verweis auf § 20 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO lässt sich eine vorrangige Zuständigkeit der Versammlung nicht begründen.41 Schließlich trifft diese Norm gerade keine Regelung zum förmlichen, sondern zum in systematischer Hinsicht getrennt zu betrachtenden vereinfachten Wahlverfahren.42 (2) Erörterungspflicht des Wahlvorstands Entscheidend gegen eine nur subsidiäre Entscheidungskompetenz des Wahlvorstands spricht zudem die in § 2 Abs. 4 SchwbVWO festgeschriebene ErörteRn. 81; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 2 Rn. 6; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 2 Anm. 5; Heuser, BehR 1990, 25, 27; Grimme, AiB 2011, 520, 521; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 22; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 20; Kunstein/Seel/Fischer, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 10; Pflug-Simoleit, AiB 1998, 553, 555; Schleicher, WO zum SchwbG, § 2 Rn. 6; Pohl, in: Feldes/Kohte/ Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 25; Sieg, NZA 2002, 1064, 1066; Treml, BehR 1986, 57, 63; Zanker, WO zum SchwbG, S. 31. 37 So ausdrücklich Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 2; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 20 und SchwbVWO § 2 Rn. 5. 38 Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 20 und SchwbVWO § 2 Rn. 5. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 52. 39 Vgl. Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 72. 40 In dieser Richtung Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 2 Anm. 5. 41 So aber wohl Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 72. 42 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 2 Anm. 5.
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rungspflicht.43 Die dort vorgesehene Einbindung anderer Organe in die Entscheidung über die Stellvertreterzahl würde nämlich völlig übergangen, wenn der Versammlung der Schwerbehinderten ein vorrangiges Entscheidungsrecht zustünde. Dem ließe sich zwar entgegenhalten, dass auch im vereinfachten Wahlverfahren keine derartige Erörterungspflicht vorgeschrieben ist. Allerdings lässt sich das dortige Fehlen einer Beteiligung anderer Organe nicht auf ein generell fehlendes Erörterungsbedürfnis zurückführen. Vielmehr beruht das Fehlen der Erörterungspflicht auf der mit dem entformalisierten Verfahren bezweckten Vereinfachung und der eng gefassten Zeitschiene, die aus der Wahlversammlungszentrierung resultiert. Daher lässt sich auch aus der Erörterungspflicht des Wahlvorstands dessen alleinige Zuständigkeit im förmlichen Wahlverfahren ableiten. Eine Entscheidungskompetenz der Versammlung der Schwerbehinderten ist daher für das förmliche Wahlverfahren generell abzulehnen.44 c) Mitwirkung anderer Organe Wie bereits angesprochen, sieht § 2 Abs. 4 SchwbVWO für das förmliche Wahlverfahren vor, dass der Wahlvorstand auch andere Organe in die Entscheidung über die Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder einzubinden hat. Er ist insoweit verpflichtet, die Frage im Vorfeld seiner Entscheidung mit der noch amtierenden Schwerbehindertenvertretung, den im Wahlbezirk zuständigen Betriebsräten und dem Arbeitgeber45 zu erörtern. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass sich der Wahlvorstand von objektiven, an der Funktion der Stellvertreter ausgerichteten Argumenten leiten lässt. Die genannten Organe erhalten also die Möglichkeit, auf den Wahlvorstand einzuwirken, um diesem die für die Entscheidung tragenden Gründe vor Augen zu führen. Durch die Einbindung der Interessenvertretungen ist sichergestellt, dass auch unter den konkreten betrieblichen Verhältnissen gemachte Erfahrungen in den Entscheidungsfindungsprozess eingebracht werden können. Die Beteiligung des Arbeitgebers soll erreichen, dass auch dessen Interessen und Erfahrungen Berücksichtigung finden können und dadurch eine ausgewogene Entscheidung getroffen wird.46 Allerdings ist zu beachten, dass der Wahlvorstand an die Stellungnahmen dieser Organe nicht gebunden ist und daher eine eigenständige Entscheidung treffen kann.47 43
Siehe dazu sogleich unten § 8 II. 2. c). Im Ergebnis ebenso Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 2 Rn. 6. 45 Zweifelhaft insoweit: Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 49, der entgegen der Regelung des § 2 Abs. 4 SchwbVWO der Ansicht ist, der Arbeitgeber dürfe auf die Entscheidung des Wahlvorstands keinen Einfluss nehmen. 46 Vgl. Amtl. Begr. zu § 2 SchwbWO, BR-Drs. 290/75; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 2 Rn. 39; Schleicher, WO zum SchwbG, § 2 Rn. 6. 47 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 2 Rn. 6; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 2 Anm. 5; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 2 Rn. 40; 44
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Teilweise wird im Schrifttum vorgeschlagen, neben den genannten Organen sollten auch die Gewerkschaften in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.48 Dies mag selbstverständlich insbesondere in Fällen bisher noch unerfahrener betrieblicher Interessenvertretungen sinnvoll sein. Gleiches gilt auch für eine Rücksprache mit dem zuständigen Integrationsamt, welches durch seine Aufgaben in besonderer Weise mit der Materie vertraut sein dürfte. Jedoch lassen sich allein aus einer Sachdienlichkeit keine verbindlichen Beteiligungsrechte ableiten. Eine Hinzuziehung von Gewerkschaften oder dem Integrationsamt zur Erörterung nach § 2 Abs. 4 SchwbVWO kann daher stets nur mit Einverständnis der hieran zwingend zu beteiligenden Organe erfolgen. 3. Entscheidung über schriftliche Stimmabgabe Nach § 11 Abs. 2 SchbVWO hat der Wahlvorstand im förmlichen Wahlverfahren49 das Recht, für die anstehende Schwerbehindertenvertretungswahl anstelle einer persönlichen Abstimmung per Urnengang eine generelle schriftliche Stimmabgabe zu beschließen.50 Auch diese Entscheidung muss denknotwendiger Weise im Vorfeld der Stimmabgabe51 getroffen werden und ist daher ebenfalls der Vorbereitungsphase der Schwerbehindertenvertretungswahl zuzuordnen. a) Zielsetzung der generellen schriftlichen Stimmabgabe Mit der 1990 eingeführten Möglichkeit der generellen Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe (sog. Briefwahl)52 sollte die Stimmabgabe für die schwerbehinderten Beschäftigten erleichtert und dadurch deren Wahlbeteiligung erhöht werden.53 Dabei ging der Normgeber von der Prämisse aus, dass es schwerbehinMaaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 2; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO § 2 Rn. 5. 48 So ausdrücklich Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 22; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 20. In dieser Richtung wohl auch Möller-Lücking, SozSich 1986, 225, 228 f. 49 Im vereinfachten Wahlverfahren ist eine Briefwahl per se ausgeschlossen. Siehe dazu auch oben § 5 II. 2. c) dd) (2) (c). 50 Siehe zur Vereinbarkeit der generellen schriftlichen Stimmabgabe mit den Grundsätzen der unmittelbaren, geheimen und freien Wahl unten § 9 II. 1. d) cc). 51 Auf Grund der inhaltlichen Vorgaben für das Wahlausschreiben nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 und 14 SchwbVWO muss die Entscheidung sogar noch vor Erlass des Wahlausschreibens getroffen werden. Vgl. Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 39; Peiseler, AiB 1990, 308, 309. 52 Siehe ausführlich zu den Besonderheiten der schriftlichen Stimmabgabe unten § 9 II. 1. d). 53 Amtl. Begr. BR-Drs. 147/90, S. 14; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 1; Kamm/Feldes,
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derten Menschen im Allgemeinen schwer falle, sich aus Arbeitsprozessen zu lösen und lange oder beschwerliche Wegstrecken zu den Wahllokalen für die Stimmabgabe auf sich zu nehmen.54 Daher sollte auf unkomplizierte Weise auf einen förmlichen Urnengang verzichtet und stattdessen allen schwerbehinderten Beschäftigten eine physisch erleichterte Möglichkeit der Stimmabgabe gegeben werden, um so Hemmnisse in der Wahlbeteiligung abzubauen. Gleichwohl ist die schriftliche Stimmabgabe nicht als Regel-, sondern nur als Ausnahmefall konzipiert.55 Der Normgeber wollte nur die Möglichkeit eröffnen, eine generellen Briefwahl dann anzuordnen, wenn dies angesichts der konkreten, betrieblichen Verhältnisse zugunsten der Wahlbeteiligung erforderlich erscheint. Eine derartige Anordnung der Briefwahl erscheint insbesondere dann sinnvoll, wenn der Wahlbezirk aus räumlich entfernt liegenden Betriebsteilen besteht,56 im Schichtbetrieb gearbeitet wird57 oder die einzig als Wahllokal in Betracht kommenden Räumlichkeiten nicht barrierefrei oder zumindest nicht unbeschwert erreichbar sind. b) Inhalt der Entscheidung Macht der Wahlvorstand von der Möglichkeit des § 11 Abs. 2 SchwbVWO Gebrauch, findet für alle Wahlberechtigten gleichermaßen eine Briefwahl statt. Eine persönliche Stimmabgabe durch Urnenwahl ist in einem solchen Fall dann generell ausgeschlossen.58 Neben der Möglichkeit der generellen, den gesamten Wahlbezirk betreffenden Briefwahl hat der Wahlvorstand auch die Option, lediglich für bestimmte räumlich weit entfernte Betriebsteile eine schriftliche Stimmabgabe zu beschließen.59 Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 39; Maaß, in: Kossens/von der Heide/ Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 21. 54 Vgl. Amtl. Begr. BR-Drs. 147/90, S. 14. Vgl. auch schon zur früheren Briefwahlregelung: Amtl. Begr. zu § 11 SchwbWO, BR-Drs. 290/75. 55 Vgl. Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 39; Peiseler, AiB 1990, 308, 309. 56 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Kunstein/Seel/Fischer, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 23; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40. 57 Heuser, BehR 1990, 25, 28; Kunstein/Seel/Fischer, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 23. 58 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 90; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 34; Kunstein/Seel/Fischer, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 23. 59 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 58; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 39; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Peiseler, AiB 1990, 308, 309; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40.
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Die Zulässigkeit einer solchen auf Teilbereiche des Wahlbezirks beschränkten Briefwahlanordnung folgt indirekt daraus, dass eine solche bereits vor der Neufassung des § 11 Abs. 2 SchwbWO a. F. gestattet war.60 Der Normgeber verfolgte mit der Änderung nämlich nicht das Ziel diese Option abzuschaffen, sondern wollte die bis dato bestehenden Briefwahlmöglichkeiten zugunsten einer höheren Wahlbeteiligung ausbauen.61 Dementsprechend ist es nach wie vor möglich, nur für einzelne Betriebsteile die schriftliche Stimmabgabe zu beschließen. In diesem Fall muss der Wahlvorstand dies aber im Wahlausschreiben deutlich erkennbar machen62 und den von der Briefwahlanordnung betroffenen Wahlberechtigten unaufgefordert die Wahlunterlagen zusenden.63 c) Verantwortliches Organ Die Entscheidung über die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe hat allein der Wahlvorstand zu treffen.64 Anders als bei der Festlegung der Stellvertreterzahl ist nämliche keinerlei Einbindung anderer Organe in die Entscheidungsfindung vorgeschrieben. Vielmehr steht die Entscheidung ausschließlich in seinem Ermessen.65 Eine einmal getroffene Festlegung ist für die anstehende 60
Vgl. dazu Schleicher, WO zum SchwbG, § 11 Rn. 3. Vgl. Amtl. Begr., BR-Drs. 147/90, S. 12 und 14; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO § 11 Rn. 4; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 21. Vgl. auch Amtl. Begr. zu § 11 SchwbWO a. F., BR-Drs. 290/75; Kamm/Heimeroth/Poth/Praedel, Die Schwerbehindertenvertretung im öffentlichen Dienst, S. 31. 62 Die Erforderlichkeit des Hinweises im Wahlausschreiben folgt mittelbar aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SchwbVWO, weil ohne eine entsprechende Klarstellung weder „Ort“ noch „Tag und Zeit“ der „Stimmabgabe“ fehlerfrei angegeben werden können. Vielmehr würde ein fehlender Hinweis auf die Anordnung der generellen schriftlichen Stimmabgabe zur Fehlerhaftigkeit der Wahl führen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich einzelne Wahlberechtigte darauf verlassen, dass die Wahl – den Angaben im Wahlausschreiben entsprechend – als für den Regelfall vorgesehene Urnenwahl stattfinde und die zugesandten Wahlunterlagen lediglich bei der Stimmabgabe mitzubringen seien. Überdies würde eine fehlende Bekanntgabe im Wahlausschreiben zu einer Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl führen, weil etwa „nicht sichtbare“ Wahlberechtigte von der Wahl ausgeschlossen werden würden. Siehe zu dieser Problematik § 9 II. 1. d) aa) (2). 63 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Peiseler, AiB 1990, 308, 309; Zanker, WO zum SchwbG, S. 35. 64 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 3; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40. Vgl. auch Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 11 Rn. 47 ff. 65 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 3; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40. 61
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Schwerbehindertenvertretungswahl bindend und kann nicht selbstständig angefochten werden.66 4. Förmliche Einleitung der Wahl Zu den vorbereitenden Schritten der Schwerbehindertenvertretungswahl gehört auch die förmliche Einleitung der Wahl. Begrifflich ist diese sowohl von der Wahlinitiierung, als auch vom Beginn der Wahl zu unterscheiden. Durch die förmliche Einleitung wird die Wahl auch gegenüber den Wahlberechtigten verbindlich in Gang gesetzt.67 Sie zeichnet sich daher gerade dadurch aus, dass sie den Wahlberechtigten die für die Ausübung des Wahlrechts zwingend erforderliche Kenntnis über das Stattfinden der Wahl vermittelt. a) Verfahrensspezifische Wahleinleitungshandlung Die Wahleinleitung gestaltet sich in den beiden Wahlverfahren unterschiedlich. Im vereinfachten Verfahren erfolgt die förmliche Einleitung der Wahl durch die Einladung zur Wahlversammlung.68 Die Wahleinleitung fällt also hier sowohl zeitlich als auch inhaltlich mit der Wahlinitiierung zusammen.69 Im Unterschied dazu erfolgt die Wahleinleitung im förmlichen Wahlverfahren durch den Erlass des Wahlausschreibens, der sowohl der Wahlinitiierung70, wie auch dem Wahlbeginn71 zeitlich nachgelagert ist.72 b) Anforderungen an die Bekanntgabe An die Bekanntgabe von Wahlausschreiben und Einladung zur Wahlversammlung werden nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften nicht die gleichen 66 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 3; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 140; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO § 11 Rn. 3. 67 Vgl. BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX. 68 BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 245; Kohte/Pick, jurisPR-ArbR 12/2006, Anm. 1; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101. 69 Siehe allgemein zum Begriff der Wahlinitiierung § 6 II. 70 Siehe dazu oben § 6 II. 71 Siehe dazu oben § 7 I. 72 BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 9/05, AP Nr. 4 zu § 94 SGB IX; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 76; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 70; Marquardt, ArbRB 2006, 108, 108; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 108; PflugSimoleit, AiB 1998, 553, 555; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 41; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 101; Schleicher, WO zum SchwbG, § 2 Rn. 5 und § 5 Rn. 1.
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Anforderungen gestellt. In § 5 Abs. 2 SchwbVWO wird verlangt, dass das Wahlausschreiben „an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen“ ausgehängt wird. Demgegenüber sieht § 19 Abs. 1 SchwbVWO vor, dass die Einladung zur Wahlversammlung „durch Aushang oder in sonst geeigneter Weise“ bekannt gemacht wird. Unterschiede ergeben sich augenscheinlich dahingehend, dass im förmlichen Verfahren ausschließlich eine Bekanntmachung durch Aushang in Betracht kommt,73 wohingegen im vereinfachten Verfahren auch andere Bekanntmachungsformen denkbar erscheinen.74 Wie jedoch bereits dargestellt, unterliegt die Formfreiheit der Bekanntmachung der Einladung zur Wahlversammlung trotz des weiten Wortlauts wegen des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl nicht unbedeutenden Einschränkungen.75 Daher hat die Bekanntgabe auch im Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens vornehmlich durch Aushang zu erfolgen, so dass bei näherer Betrachtung keine maßgeblichen Differenzen im Anforderungsniveau bestehen. aa) Barrierefreiheit der Aushangstellen Für einen Aushang kommen generell nur solche Stellen in Betracht, die für die schwerbehinderten Wahlberechtigten zugänglich, also barrierefrei76 erreichbar sind.77 Anderenfalls wäre die nach den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit der Wahl erforderliche gleichberechtigte Vermittlung der Wahlinformationen für die gehbeeinträchtigten Beschäftigten nicht gewährleistet.78 bb) Geeignetheit der Aushangstellen Gleichzeitig kommt als Aushangstelle nur eine solche in Betracht, die regelmäßig von einer möglichst großen Zahl von Beschäftigten besucht oder zumindest eingesehen werden kann79, damit möglichst viele Wahlberechtigte von der 73 Vgl. dazu LAG Köln vom 11.04.2008, 11 TaBV 80/07, BehR 2009, 91, 93 f.; LAG Rheinland-Pfalz vom 16.02.2011, 8 TaBV 43/10; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 94 Rn. 85. 74 Siehe dazu auch oben § 6 IV. 4. c) bb) (1). 75 Siehe dazu oben § 6 IV. 4. c) bb) (2). 76 Siehe zu den primären Anforderungen an die Barrierefreiheit oben § 6 IV. 2. c) bb) (1) und (4) sowie allgemein zu den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit § 2 III. 3. a) und § 2 IV. 4. a). 77 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 5 Anm. 4; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 39; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23; Strehmel, AuA 2002, 418, 419. 78 Siehe zur Gewährleistung der Kenntnisnahmemöglichkeit für blinde Beschäftigte § 8 II. 4. b) dd). 79 Schleicher, WO zum SchwbG, § 5 Rn. 6.
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Wahl Kenntnis erlangen. In der Regel ist daher auf diejenigen Stellen zurückzugreifen, die auch sonst üblicherweise für betriebliche Bekanntgaben genutzt werden.80 cc) Erforderlichkeit mehrerer Aushänge Besteht ein Wahlbezirk aus mehreren Betrieben oder räumlich getrennten Betriebsteilen ist es erforderlich, dass an jedem dieser Orte jeweils ein Aushang des Wahlausschreibens bzw. der Einladung zur Wahlversammlung erfolgt.81 Nur auf diesem Wege wird nämlich sichergestellt, dass sämtliche Beschäftigte in gleicher Weise von der Wahl Kenntnis erlangen und keine diesbezügliche Benachteiligung der Beschäftigten bestimmter Betrieb bzw. Betriebsteile erfolgt. dd) Individuelle Unterrichtung blinder Beschäftigter Im Hinblick auf den schriftlichen Aushang des Wahlausschreibens ergeben sich wiederum in solchen Betrieben Probleme, in denen blinde oder sehbehinderte Menschen beschäftigt werden. Diese Wahlberechtigten sind schließlich auf Grund ihrer Behinderung gerade nicht in der Lage, allein vom Inhalt dieser Bekanntmachung Kenntnis zu erlangen. Folglich wären blinde Beschäftigte durch diese Bekanntgabeform gegenüber den anderen Wahlberechtigten benachteiligt und der Grundsatz der Barrierefreiheit verletzt. Daher ist das den Aushang vornehmende Organ verpflichtet, blinde Beschäftigte auf geeignetem Wege gesondert zu unterrichten, damit auch diese vom Wahlausschreiben bzw. der Einladung zur Wahlversammlung Kenntnis erlangen.82 5. Behandlung von Wahlvorschlägen Zur Vorbereitungsphase ist auch die gesamte Behandlung von Wahlvorschlägen zu rechnen. Hierzu gehört neben der Einreichung der Wahlvorschläge auch die Prüfung und Zulassung zur Wahl durch das wahlleitende Organ. Für das vereinfachte Verfahren sind insbesondere im Hinblick auf die Einreichung von Wahlvorschlägen formelle Erleichterungen vorgesehen. Gleichwohl erfolgt die Behandlung der Wahlvorschläge zusammenfassend betrachtet in beiden Verfahren der Schwerbehindertenvertretungswahl weitgehend gleichartig. 80 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 85; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 5 Rn. 2; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 5. Vgl. auch Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 5 Anm. 4. 81 LAG Köln vom 11.04.2008, 11 TaBV 80/07, BehR 2009, 91, 93 f.; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 85; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 90; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 30. Siehe dazu auch unten § 6 IV. 2. c) bb) (1). 82 Siehe dazu auch oben § 6 IV. 2. c) bb) (4).
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a) Bedeutung von Wahlvorschlägen für die Wahl Die in § 6 SchwbVWO und § 20 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO geregelten Wahlvorschläge sind für die Schwerbehindertenvertretungswahl von essentieller Bedeutung. Gemäß § 9 Abs. 1 SchwbVWO können Stimmen nämlich nur für solche Personen abgegeben werden, die wirksam als Bewerber vorgeschlagen worden sind. Eine sogenannte „ungeordnete“ Stimmabgabe, bei der ohne Wahlvorschläge gewählt wird, ist dagegen unzulässig.83 Dementsprechend kann eine Schwerbehindertenvertretungswahl nicht stattfinden, wenn – auch innerhalb der Nachfrist des § 7 SchwbVWO – keine gültigen Wahlvorschläge eingereicht werden.84 Werden lediglich Vorschläge für das Amt der Schwerbehindertenvertretung, nicht aber für die stellvertretenden Mitglieder eingereicht, ist gleichwohl eine Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson möglich.85 Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist nach § 7 SchwbVWO ist in einem solchen Fall lediglich die Wahl von Stellvertretern ausgeschlossen.86 b) Vorschlagsberechtigung Wahlvorschläge können ausschließlich durch aktiv Wahlberechtigte, also nur durch schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Beschäftigte eingereicht werden.87 Demgegenüber besitzen die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften – anders als im Betriebsverfassungsrecht – kein eigenständiges Recht zur Einreichung von Wahlvorschlägen.88 Gleiches gilt für die zur Wahlinitiierung befugten Organe, wie die betriebliche Interessenvertretung oder das Integrationsamt. Auch eine noch amtierende Schwerbehindertenvertretung ist nicht befugt, Wahlvorschläge einzureichen. Die Schwerbehindertenvertrauensperson kann daher ledig-
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Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 2. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 7 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 2; Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 137; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 89; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 33. 85 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 7 Rn. 2; Treml, BehR 1986, 57, 60. 86 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 7 Rn. 3. 87 Vgl. dazu Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 2; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 20 und 44; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 6; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42 und 48; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 1 und § 19 Rn. 4. 88 Vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2004, 1 A 4778/03 PVL, BehR 2006, 20, 22; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 31; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 5. 84
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lich in ihre Rolle als Wahlberechtiger einen Vorschlag unterbreiten, soweit sie selbst die Voraussetzungen des § 94 Abs. 2 SGB IX erfüllt.89 c) Inhaltliche Anforderungen an Wahlvorschläge Inhaltlich muss der Wahlvorschlag eine passiv wählbare Person für ein zu wählendes Amt als Kandidaten vorschlagen. Hierbei ist es gleichgültig, ob der Wahlvorschlag lediglich das Amt der Schwerbehindertenvertrauensperson oder nur die stellvertretenden Mitglieder betrifft oder ob er für jedes dieser Ämter Vorschläge beinhaltet.90 aa) Anzugebende Personendaten Zur sicheren Identifizierbarkeit der Wahlbewerber verlangt § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO, dass der Vorschlag neben Nach- und Vornamen des Kandidaten auch dessen Geburtsdatum91 und die Art der Beschäftigung enthalten muss. Die Angabe des Betriebs, dem der Wahlbewerber angehört, ist dagegen nur dann erforderlich, wenn der Wahlbezirk auf Grund einer Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX aus mehr als einem Betrieb besteht.92 bb) Erkennbarkeit des Amtsbezugs des Wahlvorschlags Da die Wahl des Amts der Schwerbehindertenvertretung und der Stellvertreter in getrennten Abstimmungen stattfindet, ist es erforderlich, dass aus dem Wahlvorschlag erkennbar ist, für welches der zu wählenden Ämter die Kandidatur erfolgt.93 Erfüllt ein Wahlvorschlag diese Anforderung nicht, sind etwa mehrere 89 Zur Bedeutungslosigkeit der Schwerbehinderteneigenschaft für das passive Wahlrecht siehe oben § 4 III. 6. 90 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 1; Maaß, in: Kossens/ von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 6. 91 Anders als hinsichtlich des aktiven Wahlrechts ist für die Wählbarkeit Volljährigkeit erforderlich, so dass die Angabe des Geburtsdatums hier gerechtfertigt ist. A. A. hier offenbar Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 66, der insoweit nur auf die Identifizierbarkeit rekuriert. 92 Wohl auch Treml, BehR 1986, 57, 60, der für weit verzweigte Betriebe fakultativ die Angabe des jeweiligen Betriebsteils empfiehlt. Weiter dagegen: Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 6 Rn. 2, der lediglich die Angabe von Nach- und Vorname für zwingend hält und die übrigen Angaben nur verlangt, wenn sonst die Identität der Person nicht sichergestellt ist. Er verkennt hierbei jedoch, dass sich eine Namensgleichheit mehrerer Kandidaten auch erst bei Sichtung aller eingegangenen Wahlvorschläge herausstellen kann, so dass eine Angabe der übrigen eine Verwechslung vermeidenden Personendaten bereits im Wahlvorschlag erfolgen müsste. 93 LAG München vom 25.10.2007, 4 TaBV 38/07; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 4 und § 9 Rn. 3; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23. Vgl. auch Amtl. Begr. zu § 6 a. F., BR-Drs. 290/75 sowie Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 3.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
Namen aufgeführt, ohne dass sich dem Vorschlag entnehmen lässt, für welches Amt die jeweiligen Bewerber vorgeschlagen werden sollen, ist der Wahlvorschlag unwirksam. Auch bei Nennung nur eines Namens kann der Wahlvorschlag unwirksam sein, wenn aus ihm nicht eindeutig ersichtlich ist, ob der Bewerber für das Amt der Schwerbehindertenvertretung oder als Stellvertreter vorgeschlagen werden soll. Eine nachträgliche Ergänzung der Angabe des Amtsbezugs scheidet im förmlichen Verfahren aus. Die Spezifizierung des Amtes für das der Kandidat vorgeschlagen wird, ist nämlich essentieller Bestandteil des Wahlvorschlags. Eine spätere inhaltliche Änderung wäre daher nicht mehr vom ursprünglichen Willen der Einreichenden gedeckt.94 cc) Doppelkandidatur für unterschiedliche Ämter Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 SchwbVWO ist es möglich, ein und denselben Kandidaten sowohl für das Amt der Schwerbehindertenvertretung als auch für die Wahl des stellvertretenden Mitglieds vorzuschlagen.95 Zwar kann ein solcher Bewerber nur in eines der Ämter gewählt werden, jedoch ist dadurch eine Kandidatur für beide Ämter nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist ein für das Amt der Schwerbehindertenvertretung gewählter Kandidat im Rahmen der Auszählung der Stellvertreterwahl nicht mehr zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass der Erfolgswert der abgegebenen Stimmen nicht mehr gleichwertig ausfällt. Im Rahmen der Stellvertreterwahl können nämlich solche Stimmen keine Geltung mehr erlangen, die für einen Kandidaten abgegeben worden waren, der nunmehr als Schwerbehindertenvertrauensperson gewählt wurde und infolgedessen für die Stellvertreterwahl rückblickend gar nicht zur Verfügung stand. Allerdings treten Mängel des gleichwertigen Stimmenerfolgswerts generell bei Mehrheitswahlsystemen auf und werden auch im Hinblick auf die Gleichheit der Wahl als unbedenklich eingestuft.96
94 Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 8. Vgl. zum BetrVG: BAG vom 15.12.1972, 1 ABR 8/72, AP Nr. 1 zu § 14 BetrVG 1972; LAG München vom 25.1. 2007, 2 TaBV 102/06; LAG Niedersachsen vom 26.7.2007, 4 TaBV 85/06; Fitting, BetrVG, WO, § 6 Rn. 19. Vgl. auch LAG Baden-Württemberg vom 12.01.2012, 3 TaBV 7/11. 95 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 81. 96 BVerfG vom 05.04.1952, 2 BvH 1/52, BVerfGE 1, 208, 244; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 97; Pauly, AöR 1998, 241 f. Vgl. auch BVerfG vom 15.02.1978, 2 BvR 134/76, 2 BvR 268/76, BVerfGE 47, 253, 277; BVerfG vom 10.04.1997, 2 BvF 1/ 95, BVerfGE 95, 335, 353; Lenz, AöR 1996, 353 f. und 356; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 90.
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dd) Kandidatur auf unterschiedliche Wahlvorschläge Für das gleiche Amt darf ein Wahlbewerber nach der Regelung des § 6 Abs. 3 SchwbVWO aber nicht mehrfach vorgeschlagen werden.97 Auf einem zweiten Wahlvorschlag soll ein Kandidat daher nur benannt werden können, wenn er dort für ein anderes Amt vorgeschlagen ist.98 Unproblematisch möglich ist es daher, dass ein nach § 94 Abs. 3 SGB IX wählbarer Arbeitnehmer auf einen Vorschlag als Wahlbewerber für das Amt der Schwerbehindertenvertretung kandidiert und auf einem weiteren Wahlvorschlag als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen wird (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 SchwbVWO). ee) Folgen unzulässiger Doppelkandidaturen Wird ein Wahlbewerber dagegen auf verschiedenen Wahlvorschlägen für das gleiche Amt nominiert, soll er gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO vom Wahlvorstand aufgefordert werden zu erklären, welche Kandidatur er aufrechterhalte. Im Fall einer nicht fristgerechten Äußerung sieht § 6 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO eine Streichung auf sämtlichen Wahlvorschlägen vor. Eine derartige Regelung findet sich zwar auch für andere betriebliche Interessenvertretungswahlen (vgl. § 6 Abs. 7 WO-BetrVG; § 39 Abs. 1 i.V. m. § 6 Abs. 7 WO-BetrVG; § 5 Abs. 7 WO-SprAUG); dort ist sie allerdings auf Verhältniswahlen beschränkt.99 Für die im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl allein zulässige Personenwahl ist eine solche Handhabung dagegen nicht erforderlich. Die zur Wahl zugelassenen Kandidaten werden auf den Stimmzetteln schließlich ohnehin in alphabethischer Reihenfolge aufgelistet und darin stets nur einmal benannt.100 Damit besteht durch die wahlsystembezogenen Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl kein Bedürfnis, einer Mehrfachkandidatur für das gleiche Amt mit einer vollständigen Streichung zu begegnen. Die Regelung des § 6 Abs. 3 SchwbVWO baut somit im Hinblick auf Wahlvorschläge und -kandidaturen, sowie für die Wahldurchführung als Ganze zusätzliche Hürden auf, ohne dass diese durch nachhaltige Gründe gerechtfertigt wären. Nach Maßgabe des Grundsatzes der Simplizität sind die Vorgaben des § 6 Abs. 3 SchwbVWO somit unberücksichtigt zu lassen und damit eine mehrfache Nominierungen für das gleiche Amt unschädlich. Zur Vermeidung etwaiger Irritationen erschiene allerdings eine Streichung der Regelung durch den Normgeber geboten. 97 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 80. 98 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 4; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 7. 99 Homburg, in: Däubler BetrVG, WO, § 6 Rn. 47; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 6 Rn. 22. 100 Vgl. Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 6 Rn. 47.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
d) Formelle Anforderungen Im förmlichen Wahlverfahren wird die Gültigkeit eines Wahlvorschlags zusätzlich zu den inhaltlichen Anforderungen auch an mehrere formelle Voraussetzungen geknüpft. Werden diese formellen Vorgaben verletzt, hat dies die Unzulässigkeit des Wahlvorschlags zur Folge. Eine Heilung dieser Mängel ist ebenso wie bei anderen betrieblichen Interessensvertretungswahlen lediglich in wenigen Fällen und nur unter engen Voraussetzungen möglich. aa) Schriftform Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO müssen Wahlvorschläge beim Wahlvorstand schriftlich eingereicht werden. Der Wahlvorschlag muss daher den Anforderungen des § 126 BGB genügen und somit eigenhändig mit Namensunterschrift unterzeichnet101 und im Original102 eingereicht sein. bb) Stützunterschriften Ein Wahlvorschlag ist im förmlichen Wahlverfahren nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO nur zulässig, wenn er von einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten unterzeichnet wurde. Durch das Erfordernis einer bestimmten Zahl von Stützunterschriften soll verhindert werden, dass völlig aussichtslose Wahlvorschläge eingereicht werden.103 (1) Eigene Stützunterschrift des Wahlbewerbers Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, ein als Wahlbewerber vorgeschlagener aktiv wahlberechtigter Beschäftigter dürfe den ihn tragenden Wahlvorschlag nicht selbst als Unterstützer unterzeichnen.104 Hiergegen ist jedoch anzuführen, dass die SchwbVWO keine dahingehende Einschränkung des 101 BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; LAG Rheinland-Pfalz vom 01.04.2008, 3 TaBV 1/08. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 1; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 23; Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 38; Kossens, jurisPR-ArbR 29/2008, Anm. 3; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 1. 102 BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; LAG Köln vom 24.11.2011, 6 TaBV 67/11. 103 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 86. Vgl. zu § 14 Abs. 4 BetrVG: Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 46; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 52. 104 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 2; Maaß, in: Kossens/ von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 6; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 25.
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berechtigten Personenkreises vorsieht.105 Ein Ausschluss des benannten Wahlbewerbers erscheint auch nicht aus teleologischen Gründen geboten. Der mit dem Quorum verfolgte Zweck der Verhinderung völlig aussichtsloser Wahlvorschläge wird nämlich auch dann erreicht, wenn man den aktiv wahlberechtigten Kandidaten das Recht zugesteht, den sie nominierenden Wahlvorschlag selbst zu unterzeichnen.106 Daher ist die Unterzeichnung eines Wahlvorschlags durch einen aktiv wahlberechtigten Wahlbewerber auch dann zulässig, wenn dieser durch den Wahlvorschlag selbst nominiert wird.107 (2) Unterzeichnung mehrerer Wahlvorschläge In § 6 Abs. 4 Satz 1 SchwbVWO wurde festgelegt, dass die Unterschrift eines Wahlberechtigten nur auf einem Wahlvorschlag zählen könne. Hierdurch soll verhindert werden, dass mehrere konkurrierende Wahlvorschläge von der gleichen Person unterstützt werden und dadurch die Wirkung des Quorums als Indiz bestimmter Minimalerfolgsaussichten verloren ginge. Allerdings kann die Situation eintreten, dass ein Wahlberechtigter zunächst einen Wahlvorschlag unterstützt, der nur einen Kandidaten für das Amt der Schwerbehindertenvertrauensperson enthielt. Soll nunmehr ein den bisherigen Vorschlag ergänzender, weiterer Wahlvorschlag eingereicht werden, der lediglich Wahlbewerber für das Stellvertreteramt enthält, wäre eine hierauf bezogene „erneute“ Stützunterschrift nach § 6 Abs. 4 Satz 1 SchwbVWO ausgeschlossen. Für einen solchen Ausschluss besteht jedoch unter teleologischen Gesichtspunkten keinerlei Bedürfnis, weil der ergänzende Wahlvorschlag mit dem zuerst Unterzeichneten nicht konkurriert. Die Vorschrift ist daher im Fall einer solchen, vom Normgeber wohl übersehenen Konstellation teleologisch zu reduzieren und ausnahmsweise das gleichzeitige Leisten von Stützunterschriften auf mehreren Wahlvorschlägen zuzulassen.108
105 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 86; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 3. Vgl. zur fehlenden Beschränkung im vereinfachten Verfahren: LAG Baden-Württemberg vom 12.03.2003, 4 Sa 45/02, BehR 2003, 154, 156. 106 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 86. 107 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 86; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 3; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 20; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 31. Vgl. auch LAG Baden-Württemberg vom 12.03. 2003, 4 Sa 45/02, BehR 2003, 154, 156. Vgl. zu § 14 Abs. 4 BetrVG: LAG Frankfurt vom 20.04.1989, 12 TaBVGa 46/89, NZA 1990, 117 (Ls.). 108 Im Ergebnis ebenso Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 4; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 39; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 31; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 6; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 6 Rn. 3.
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(3) Folgen unzulässiger Mehrfachunterstützung Unterzeichnet ein Wahlberechtigter dagegen mehrere mit einander konkurrierende Wahlvorschläge, ist der Wahlvorstand verpflichtet, diesen zur Erklärung darüber aufzufordern, welche der Stützunterschriften er aufrechterhalten will. Erfolgt innerhalb von drei Arbeitstagen keine diesbezügliche Erklärung, sind nach § 6 Abs. 4 Satz 3 SchwbVWO keine der von diesem Wahlberechtigten geleisteten Stützunterschriften zu zählen. Insoweit sind im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl härtere Sanktionen für unzulässige Mehrfachstützunterschriften vorgesehen, als dies bei der Betriebsratswahl der Fall ist.109 Angesichts dieser härteren Folgen ist es sachgerecht, dass für die Aufforderung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 SchwbVWO strengere Formvorschriften gelten und eine mit einer stärkeren Signalwirkung einhergehende schriftliche Aufforderung gegen Empfangsbekenntnis erforderlich ist.110 cc) Einverständnis der vorgeschlagenen Kandidaten Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO ist dem Wahlvorschlag die schriftliche Zustimmung des Wahlbewerbers beizufügen. Diese ist Gültigkeitsvoraussetzung des Wahlvorschlags.111 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der vorgeschlagene Arbeitnehmer überhaupt zur Kandidatur bereit ist112 und damit anderenfalls vorprogrammierte Amtsniederlegungen weitgehend vermieden werden. Der bei anderen Interessenvertretungswahlen ebenfalls bezweckte Ausschluss des Stimmenfangs mit Scheinbewerbern113 kann im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl hingegen nicht eingreifen, weil keine Listenwahl erfolgt. Durch die Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO wird aber gleichzeitig auch verhindert, dass die Gültigkeit eines mit Einwilligung des Kandidaten unterbreiteten Wahlvorschlags dadurch ins Wanken gebracht werden kann, dass ohne das Wissen des Kandidaten ein weiterer Vorschlag eingereicht wird. Die möglicherweise zur Streichung führende Aufforderung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO setzt nämlich voraus, dass die Doppelkandidatur jeweils mit Zustimmung des Wahlbewerbers erfolgte114. 109
Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 3. Vgl. zu den unterschiedlichen Formanforderungen zwischen Aufforderungen an Wahlbewerber und unterstützende Wahlberechtigte: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 3 und 4; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 6; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 6 Rn. 4. Zu den fehlenden Formanforderungen im Rahmen der Betriebsratswahl: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 18. 111 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 76; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 6. Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 3. 112 Vgl. für das BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 6 Rn. 11. 113 Vgl. dazu Heinze, NZA 1988, 568, 571; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 6 Rn. 11. 110
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Will ein Kandidat nicht nur seine schriftliche Zustimmung erteilen, sondern diesen gleichzeitig durch seine Unterschrift i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO unterstützen, muss diese Doppelfunktion seiner Unterschrift eindeutig erkennbar sein.115 Ist dies nicht der Fall, gilt die Unterschrift im Zweifelsfall nur als Stützunterschrift, so dass die nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO erforderlich schriftliche Zustimmung fehlt.116 dd) Einreichungsfrist Wahlvorschläge können im förmlichen Wahlverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO nur innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens eingereicht werden. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist.117 Verfristete Wahlvorschläge können daher auch dann keine Berücksichtigung finden, wenn die Einreichung unverschuldet verspätet erfolgte.118 (1) Verfrühter Eingang Geht man vom Wortlaut aus, der die Einreichung von Wahlvorschlägen nur innerhalb einer ab „Erlass des Wahlausschreibens“ zu berechnenden Frist vorsieht, erscheint auch ein vor diesem Zeitpunkt eingereichter Wahlvorschlag (zunächst) unzulässig. Der Wahlvorstand wäre daher befugt, derartige Wahlvorschläge als verfrüht zurückgeben.119 Es spräche allerdings nichts dagegen, wenn der Wahlvorstand einen vorzeitig eingegangenen Wahlvorschlag anstatt ihn zurück zu geben, zunächst bis zum Erlass des Wahlausschreiben aufbewahrt und 114 Sich mit der Zulässigkeit einer Kandidatenstreichung nach Rücknahme des Einverständnisses mit der Aufstellung als Wahlbewerber befassend: LAG Baden-Württemberg vom 12.01.2012, 3 TaBV 7/11. 115 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 24. Zu eng dagegen Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 3, der Unterschriften auf getrennten Urkunden fordert. Vgl. auch für die Betriebsratswahl: LAG Hamm vom 01.07.2011, 13 TaBV 26/11. 116 Vgl. zur Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, WO, § 6 Rn. 10; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 6 Rn. 30. 117 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 3; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 40; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 32; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 9. A. A. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 30, der von einer generellen Aufbewahrungspflicht ausgeht. 118 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 6 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 3; Treml, BehR 1986, 57, 60. 119 So auch Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 1. Vgl. in Bezug auf § 6 Abs. 1 Satz 2 WO-BetrVG: Fitting, BetrVG, WO, § 6 Rn. 3; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 6 Rn. 11.
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dann als zu diesem Zeitpunkt eingereicht behandelt.120 Anders als im vereinfachten Wahlverfahren121 bliebe nämlich in diesem – bei sonst ordnungsgemäßen Wahlvorschlägen – die Indizwirkung des Unterschriftenquorums erhalten, so dass auch bei verfrühten Wahlvorschlägen völlig aussichtslose Kandidaturen ausgeschlossen sind.122 Zu beachten ist allerdings, dass ein vorzeitig eingereichter Wahlvorschlag dadurch unzulässig sein kann, dass er die Vorgaben des später bekannt gemachten Wahlausschreibens nicht erfüllt. Insbesondere kann die Situation eintreten, dass im Wahlvorschlag mehr Kandidaten für das Amt des stellvertretenden Mitglieds benannt wurden, als der Wahlvorstand im Rahmen seines Beschlusses nach § 2 Abs. 4 SchwbVWO zugelassen hat.123 (2) Nachfristsetzung Nach Ende der Frist des § 6 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO ist eine Einreichung ausnahmsweise auch noch dann möglich, wenn zunächst kein gültiger Wahlvorschlag eingegangen war und der Wahlvorstand daraufhin nach § 7 Abs. 1 SchwbVWO eine Nachfrist gesetzt hat.124 Wurden lediglich für eines der Ämter gültige Wahlvorschläge eingereicht, sind nur solche Wahlvorschläge innerhalb der Nachfrist zulässig, die Kandidaten für das bisher wahlbewerberlose Amt nominieren. ee) Formelle Anforderungen im vereinfachten Wahlverfahren Anders als im förmlichen Wahlverfahren ist die Einreichung von Wahlvorschlägen im vereinfachten Wahlverfahren kaum an formelle Voraussetzungen gebunden. Vielmehr sieht § 20 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO allgemein vor, dass jeder Wahlberechtigte in der Wahlversammlung Kandidaten für die Ämter vorschlagen könne. Ein Quorum von Stützunterschriften ist im vereinfachten Wahlverfahren ebenso wenig erforderlich, wie eine schriftliche Einreichung der Vorschläge.125
120 Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 6 Rn. 30; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 1. Vgl. auch Fitting, BetrVG, WO, § 6 Rn. 3; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 6 Rn. 11; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 6 Rn. 5. 121 Siehe dazu unten § 8 II. 5. d) ee). 122 Siehe zu dieser Ausschlussfunktion der Stützunterschriften § 8 II. 5. d) bb). 123 Siehe zur Festlegung der Stellvertreterzahl oben § 8 II. 2. 124 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 3. 125 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 44; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 117; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 48; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 4; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 47.
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(1) Einverständnis der Kandidaten Dagegen ist auch im vereinfachten Wahlverfahren ein Einverständnis der vorgeschlagenen Personen mit ihrer Nominierung notwendig.126 Zwar ist ein derartiges Erfordernis nicht ausdrücklich geregelt, jedoch bestünde durch die Aufstellung nicht zur Übernahme des Amtes bereiter Personen ein erhebliches Risiko der späteren Nichtannahme der Wahl oder etwaiger Rücktritte. Dies kann ohne weiteres dazu führen, dass eine durchgeführte Wahl allein deshalb wirkungslos bleibt, weil diese sich auf Personen bezog, die mit ihrer Nominierung nicht einverstanden waren und diese deshalb ihre Wahl nicht annehmen. Schließlich kann niemand zu einer Kandidatur für eines der zu besetzenden Ämter gezwungen werden.127 Daher bestünde durch die einverständnislose Nominierung von Kandidaten in besonderem Maße das Risiko der Erfolglosigkeit der Wahl und damit die Gefahr von vertretungslosen Zeiten. Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung. Daher ist auch im vereinfachten Wahlverfahren stets ein Einverständnis des vorgeschlagenen Wahlbewerbers mit dessen Kandidatur erforderlich. Mangels expliziter Regelung sind an dieses Einverständnis keine strengen Anforderungen zu stellen; insbesondere ist keine bestimmte Form zu verlangen. Folglich kommt neben einer vorherigen schriftlichen Erklärung oder einem in der Wahlversammlung mündlich oder fernmündlich geäußertem Einverständnis128 auch eine Übermittlung durch einen Wahlberechtigten als Boten in Betracht. Hat sich ein im Vorfeld der Wahlversammlung angefragter Kandidat gegenüber einem Wahlberechtigten mit seiner Aufstellung einverstanden erklärt, damit dieser die Erklärung in der Wahlversammlung übermittelt, ist dies also ausreichend. Bei erst innerhalb der Wahlversammlung entstandenen Ideen möglicher Kandidaten kann auch eine telefonische Nachfrage bei der betreffenden Person genügen.129 Ausreichend, aber auch erforderlich ist nur, dass die Bereitschaft des Kandidaten zur Übernahme des Amtes mit einiger Sicherheit feststeht. Nur dann kann nämlich das Risiko von Wahlablehnungen und Rücktritten auf ein minimales Maß reduziert und dadurch vertretungslose Zeiten weitgehend vermieden werden.
126 Ebenso Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 105 und 106; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 47; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23. 127 Vgl. BVerwG vom 27.05.1960, VII P 13.59, AP Nr. 5 zu § 10 PersVG; Küchenhoff, AP Nr. 2 zu § 10 WahlO z. PersVG; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 71 und WO, § 6 Rn. 11. 128 Vgl. Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 47; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23. Vgl. auch Fitting, BetrVG, WO, § 33 Rn. 7; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 33 Rn. 4; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 33 Rn. 5. 129 Vgl. Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 33 Rn. 5.
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(2) Ermöglichung einer Diskussion über die Kandidaten Im vereinfachten Verfahren ist es durch dessen zeitliche Komprimierung für die Wahlberechtigten nicht möglich, sich im Vorfeld über Wahlbewerber zu informieren und die Eignung der Kandidaten untereinander zu diskutieren. Vielmehr werden die Wahlbewerber erst im Verlauf der Wahlversammlung vorgeschlagen und damit auch erst zu diesem Zeitpunkt allen Wahlberechtigten als Kandidaten bekannt. Infolgedessen kann erst mit der Einreichung eines Wahlvorschlags unter den schwerbehinderten Beschäftigten ein entsprechender Informations- und Diskussionsbedarf entstehen. Einem solchen Bedürfnis muss die Wahlleitung Raum geben und entsprechende Kandidatenvorstellungen, Nachfragen und Debatten über die Kandidaten zulassen.130 Nur auf diesem Weg können sich die Wahlberechtigten trotz der Kürze des Wahlprozesses ein Bild von den Wahlbewerbern verschaffen und eine eigene Meinung bilden. Die Möglichkeit entsprechender Informationen und Diskussionen ist daher im vereinfachten Wahlverfahren Voraussetzung einer sachgerechten Wahlrechtsausübung. (3) Beendigung der Entgegennahme von Wahlvorschlägen Auch in zeitlicher Hinsicht ist für die Aufstellung von Wahlvorschlägen keine Beschränkung vorgesehen. Allerdings ist eine Einreichung dann nicht mehr möglich, wenn die Wahlleitung davon ausgehen konnte, dass keine weiteren Vorschläge mehr erfolgen würden131 und sie daraufhin öffentlich die Beendigung der Entgegennahme von Wahlvorschlägen erklärt hat.132 Zwar ist auch eine derartige Beendigungserklärung in den Wahlvorschriften nicht vorgesehen, jedoch wäre die Wahl, insbesondere im Hinblick auf die Erstellung der Stimmzettel faktisch nicht durchführbar, wenn fortwährend die Einreichung von Wahlvorschlägen möglich wäre. Die anzufertigenden Stimmzettel müssten dann nämlich jeweils neu gefasst und vervielfältigt werden. Um dies ausschließen zu können, muss für die Wahlleitung also die Möglichkeit bestehen, die Entgegennahme weitere Wahlvorschläge ab dem Zeitpunkt auszuschließen, zu dem nicht mehr mit der Einreichung von Vorschlägen zu rechnen war.
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So wohl auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 106. Hiervon dürfte die Wahlleitung in der Regel ausgehen dürfen, wenn sich trotz mehrfacher öffentlicher Nachfrage in der Wahlversammlung kein Wahlberechtigter meldet und Vorschläge unterbreitet oder um etwas Zeit für die Abklärung der Kandidaturbereitschaft bittet. 132 Vgl. dazu Fitting, BetrVG, § 14a Rn. 34 und Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14a Rn. 38 und WO § 33 Rn. 3; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14a Rn. 20. Vgl. auch Schiefer/Korte, NZA 2002, 113, 119. 131
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(4) Der Wahlversammlung vorausgegangene Wahlvorschläge Im vereinfachten Verfahren stellt sich die Frage, inwieweit auch schon im Vorfeld der Wahlversammlung Wahlvorschläge zulässig sind. Geht man zunächst vom Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO aus, erscheinen derart frühe Wahlvorschläge nicht ausgeschlossen. Allerdings ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigten, dass das Wahlvorschlagsrecht des § 20 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO innerhalb eines die Einzelheiten der Wahlversammlung regelnden Paragraphen zu finden ist. Entscheidender gegen derartige „verfrühte“ Wahlvorschläge spricht, dass ein Vorschlag stets auch einen Adressaten benötigt, demgegenüber der Vorschlag unterbreitet wird. Innerhalb der Wahlversammlung ist dies neben dem Kreis der anwesenden Wahlberechtigten vornehmlich die Wahlleitung, die die Vorschläge entgegenzunehmen und in die Stimmzettel zu integrieren hat.133 Dagegen fehlt im Vorfeld der Wahlversammlung ein wahlleitendes Organ, das insoweit als Adressat des Wahlvorschlags fungieren könnte.134 Zudem ist zu beachten, dass ein im Vorfeld der Wahlversammlung unterbreiteter Wahlvorschlag auch von einem Wahlberechtigten stammen kann, der bei der Wahlversammlung selbst gar nicht anwesend ist. In einem solchen Fall entstammt der Wahlvorschlag jedoch von einer nicht an der Stimmabgabe teilnehmenden Person. Damit wäre nicht einmal sicher davon auszugehen, dass dieser Wahlvorschlag auch nur eine Stimme erhält. Anders als bei einem innerhalb der Wahlversammlung unterbreiteten Wahlvorschlag käme einem „verfrühten“ Vorschlag also nicht einmal die Indizwirkung zumindest minimaler Erfolgsaussichten zu.135 Dies war vom Normgeber jedoch trotz des Verzichts auf ein Stützunterschriftenquorum im vereinfachten Wahlverfahren nicht beabsichtigt. Aus systematischen und teleologischen Gründen ist das Vorschlagsrecht des § 20 Abs. 2 Satz 3 SchwbVWO daher so auszulegen, dass nur solche Wahlvorschläge zulässig sind, die innerhalb der Wahlversammlung unterbreitet werden.136 Dementsprechend können im Vorfeld der Versammlung entstandene Wahlvorschläge nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie durch einen aktiv Wahlberechtigten innerhalb der Wahlversammlung „erneut“ vorgetragen werden.
133 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 48; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 47. 134 Vgl. dazu auch Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14a Rn. 20. 135 Siehe zu den diesbezüglichen Unterschieden im förmlichen Verfahren oben § 8 II. 5. d) dd) (1). 136 So nunmehr ausdrücklich Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96. Ebenso wohl auch Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 70; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 47; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 4; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23, die jeweils Wahlvorschläge der Wahlberechtigten nur in der Wahlversammlung zulassen.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
e) Prüfung der Wahlvorschläge Anders als im Rahmen anderer Interessenvertretungswahlen ist in den Wahlvorschriften der SchwbVWO keine explizite Regelung zu finden, die das wahlleitende Organ ausdrücklich zur Prüfung der Wahlvorschläge verpflichtet.137 aa) Bestehen einer Prüfungspflicht In § 8 SchwbVWO ist jedoch für das förmliche Wahlverfahren normiert, dass der Wahlvorstand die Kandidaten „aus gültigen Wahlvorschlägen“ bekannt zu machen hat.138 Daraus ergibt sich indirekt, dass vor der Bekanntgabe eine Prüfung der Gültigkeit der Wahlvorschläge stattfinden muss.139 Darüber hinaus ergibt sich eine dahingehende Prüfpflicht mittelbar auch aus § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 SchwbVWO, weil der Wahlvorstand seinen dort genannten Verpflichtungen nur nachkommen kann, wenn er sich mit der Gültigkeit der Wahlvorschläge auseinandersetzt.140 Aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich daher, dass der Wahlvorstand im förmlichen Wahlverfahren zur Prüfung der Wahlvorschläge verpflichtet ist.141 Für das vereinfachte Wahlverfahren ist zwar keine förmliche Bekanntgabe der gültigen Wahlvorschläge vorgesehen142, jedoch folgt aus den allgemeinen Grundsätzen demokratischer Wahlen, dass keine Wahlvorschläge zur Abstimmung gestellt werden dürfen, die offensichtlich gegen die Wahlvorschriften verstoßen.143 137 BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42. 138 Siehe zur Bekanntmachung der Namen der Wahlbewerber unten § 8 II. 5. f). 139 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 8 Rn. 1; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 8; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 8 Rn. 1. 140 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 4. 141 So auch LAG Rheinland-Pfalz vom 01.04.2008, 3 TaBV 1/08; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 8 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 4; Kossens, jurisPRArbR 29/2008, Anm. 3; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 8; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 8 Rn. 1; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 2; Sieg, NZA 2002 1064, 1067; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 25. Offen: BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX, dass nur die Pflicht zu einer (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WO BetrVG entsprechenden) unverzüglichen Prüfung verneint. Siehe zu letzterem sogleich unter § 8 II. 5. e) cc). Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX, scheint dagegen anzunehmen, dass die Wahlvorschläge vom Wahlvorstand nur im Hinblick auf Doppelunterstützung und Doppelkandidaturen geprüft werden, weil er explizit darauf hinweist, dass der Verordnungsgeber die Prüfpflicht des Wahlvorstand in §§ 6 und 7 SchwbVWO erschöpfend geregelt habe. 142 Siehe dazu unten § 8 II. 5. f). 143 Vgl. BVerwG vom 13.03.1973, VII P 1.72, AP Nr 1 zu § 22 PersVG RheinlandPfalz; BVerwG vom 27.05.1960, VII P 13.59, AP Nr. 5 zu § 10 PersVG; Küchenhoff,
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Daher hat die Wahlleitung zumindest zu prüfen, ob die vorgeschlagene Person überhaupt die Wählbarkeit nach § 94 Abs. 3 SGB IX besitzt. Ebenso muss sie solche Kandidatenvorschläge unberücksichtigt lassen, die nicht von aktiv Wahlberechtigen vorgetragen worden sind. Auch im vereinfachten Verfahren hat das wahlleitende Organ somit eine (zumindest grobe) Prüfung der Wahlvorschläge vorzunehmen. bb) Durchführung der Prüfung Die Prüfung der Wahlvorschläge erfolgt im förmlichen Wahlverfahren im Rahmen einer Sitzung des Wahlvorstands, wobei das Ergebnis der Prüfung durch Beschluss des Gremiums förmlich festgestellt werden muss.144 Im vereinfachten Wahlverfahren ist dagegen keine Gremienentscheidung vorgesehen. Vielmehr hat die Wahlleitung als für die Wahldurchführung verantwortliches Ein-Personen-Organ allein die Gültigkeit der Wahlvorschläge zu prüfen und über die Aufnahme auf den Stimmzettel zu entscheiden. Im Rahmen der Prüfung der Wahlvorschläge gehört es jedoch nicht zu den Aufgaben des wahlleitenden Organs, im Detail nachzuforschen, ob die Wahlvorschläge ordnungsgemäß zustande gekommen sind. Insbesondere ist es nicht gehalten zu überprüfen, inwieweit zur Unterstützung oder im Rahmen des Einverständnisses geleistete Unterschriften authentisch sind.145 Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für etwaige Unstimmigkeiten bestehen.146 cc) Mangelhaftigkeit von Wahlvorschlägen Während die Wahlvorschriften für die Fälle von unzulässigen Mehrfachkandidaturen und -unterstützungen klare Regelungen enthalten, lässt sich diesen nicht entnehmen, wie mit Wahlvorschlägen zu verfahren ist, die andere Mängel aufweisen. (1) Vorliegen einer Regelungslücke Ginge man davon aus, das wahlleitende Organ sei mangels entsprechender Regelung nicht verpflichtet, die eingereichten Wahlvorschläge unverzüglich zu prüAP Nr. 2 zu § 10 WahlO z. PersVG; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 11. Vgl. auch Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 33 Rn. 5. 144 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87. Vgl. für die Prüfung von Wahlvorschlägen bei der Betriebsratswahl: Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 377 ff. 145 In dieser Richtung auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 91. Ebenso wohl Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87. 146 Vgl. LAG Niedersachsen vom 26.07.2007, 4 TaBV 85/06; Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 380.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
fen und die Einreichenden über eine etwaige Unzulässigkeit der Wahlvorschläge zu informieren, würde ggf. auch in Bezug auf den einzigen Wahlvorschlag die Möglichkeit genommen, einen nachgebesserten oder erneuten Wahlvorschlag einzureichen.147 Damit stünden Verzögerungen der Wahldurchführung und unter Umständen gar ein Abbruch der Wahl zu befürchten (vgl. § 7 SchwbVWO). Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung.148 Bedenkt man vor diesem Hintergrund, dass auch keine durchgreifenden Gesichtspunkte ersichtlich sind, die eine gesonderte Handhabung bei der Schwerbehindertenvertretungswahl erforderlich erscheinen lassen würden,149 ist davon auszugehen, dass der Normgeber die Handhabung etwaiger Mängel nicht bewusst ungeregelt gelassen, sondern die Regelungsbedürftigkeit schlicht übersehen hat.150 Dementsprechend ist von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen.151 (a) Kein abschließender Charakter dezidierter Regelungen in der SchwbVWO Dass mit den §§ 6 und 7 SchwbVWO bereits detaillierte Regelungen zu Wahlvorschlägen existieren steht dieser Annahme nicht entgegen.152 Der Normgeber hat nämlich – wie bereits mehrfach aufgezeigt – häufig Vorschriften zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen nur unvollständig in die SchwbVWO 147 Vgl. BVerwG vom 13.03.1973, VII P 1.72, AP Nr. 1 zu § 22 PersVG RheinlandPfalz; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 11. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 6 Anm. 4; Kamm/Berger/ Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 45; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 33; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 90. 148 Siehe allgemein zu diesem Grundsatz § 2 IV. 1. a). 149 Auch in der Entscheidung des BAG vom 20.01.2010 (7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX) sowie der zustimmenden Literatur wird sich nicht darum bemüht, zu erklären, aus welchem Grund der Normgeber hier eine Abweichung hätte regeln wollen, wo er sonst so sehr auf eine Parallelität der Regelungen bedacht ist. 150 So wohl auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Kamm/ Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 45; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 33; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 90; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 11, Sieg, NZA 2002, 1064, 1067. Ebenso wohl auch Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42, der zwar auf die fehlende Normierung hinweist, jedoch gleichwohl von einer Prüfpflicht ausgeht. A. A. dagegen BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX. 151 Im Ergebnis auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 45; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 33; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 90; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 11. Wohl auch Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42; Sieg, NZA 2002, 1064, 1067; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 25. A. A. BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX. 152 So aber BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX.
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übertragen, ohne dass er dadurch Sonderregelungen schaffen wollte.153 Stattdessen belegt § 7 SchwbVWO vielmehr, dass der Normgeber auch im Hinblick auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung Wert darauf legt, dass mit Ablauf der Einreichungsfrist gültige Wahlvorschläge vorliegen, damit dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung genüge getan wird. Dementsprechend kann nicht angenommen werden, dass der Normgeber davon ausging mit den §§ 6 und 7 jedwede denkbare Konstellation geregelt zu haben. Aus dem Vorhandensein dezidierter Regelungen zu den Wahlvorschlägen kann daher gerade im Hinblick auf die SchwbVWO nicht gefolgert werden, dass diese von Normgeber als ultimativ angesehen wurden. (b) Keine Beschränkung der Prüfung auf expliziert normierte Pflichten Der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke steht auch nicht entgegen, dass der Normgeber mit § 6 Abs. 3 SchwbVWO indirekt eine Pflicht zur Prüfung von doppelten Stützunterschriften und Doppelkandidaturen normiert hat. Damit ist nämlich nicht gesagt, dass der Normgeber hier bewusst eine geringere Prüftiefe etablieren wollte.154 In den Wahlvorschriften wurde eine Pflicht zur Prüfung der materiellen Wählbarkeitsvoraussetzungen nämlich nicht ausdrücklich normiert.155 Ginge man aber davon aus, der Normgeber habe dem wahlleitenden Organ mit abschließender Wirkung nur diejenigen Prüfpflichten auftragen wollen, die er explizit normiert hat, müssten konsequenterweise die Voraussetzungen des § 94 Abs. 3 SGB IX überhaupt nicht geprüft werden.156 Dies konnte vom Normgeber jedoch ersichtlich nicht gewollt sein. Dementsprechend ist insoweit eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen. (2) Analogien zu WO-BetrVG Zur Schließung dieser Regelungslücke bietet es sich an, Analogien157 zu den Parallelregelungen bei der Betriebsratswahl158 zu bilden.159 Im Folgenden soll 153
Siehe dazu nur § 4 II 4. a) bb) (1) (a). In dieser Richtung aber Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX. 155 Siehe dazu oben § 8 II. 5. e). 156 Dies übersieht Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX, wenn er meint, der Verordnungsgeber habe „die“ Pflichtpflicht geregelt und diese eben in geringerem Maße ausgestalten wollen als bei anderen Interessenvertretungswahlen. 157 Siehe zur generellen Zulässigkeit einer Analogie zu Betriebsratswahlregelungen § 6 IV. 3 a) cc). 158 Dass die Regelungen der WO zum BPersVG inhaltliche Abweichungen enthalten, ist – entgegen der teilweise geäußerten Kritik (BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX) – unproblematisch, weil für die Analogiebildung jeweils auf den Anwendungsbereich abzustellen ist, so dass im Hinblick auf Schwerbehindertenvertretungswahlen in der Privatwirtschaft nur eine Parallele zu den Vorschriften der Betriebsratswahl zu ziehen ist. 154
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Kap. 4: Phasen der Wahl
daher auf die Konsequenzen einer analogen Anwendung der Regelungen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO-BetrVG und § 8 WO-BetrVG eingegangen werden. (a) Unterrichtung des Vorschlagsvertreters Wendet man § 7 Abs. 2 Satz 2 WO-BetrVG analog an, ist das wahlleitende Organ verpflichtet, unverzüglich nach Feststellung der Mangelhaftigkeit die „Listenvertreter“ über diesen Mangel schriftlich und unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Allerdings ist nach den Vorschriften der SchwbVWO keine – § 6 Abs. 4 WO-BetrVG gleichartige – Bestimmung derartiger „Listenvertreter“ vorgesehen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Unterrichtung stattdessen an sämtliche Unterzeichner des Wahlvorschlags zu richten ist oder insoweit auch im Hinblick auf § 6 Abs. 4 WO-BetrVG eine Analogie zu bilden ist. Für letzteres spricht, dass der Normgeber insgesamt versäumt hat, den Umgang mit unzulässigen Wahlvorschlägen zu regeln und daher auch die Umständlichkeit der Unterrichtung einer Vielzahl von Unterzeichnern nicht gesehen hat. Stellt man auf die im Betriebsverfassungsrecht in dieser Hinsicht gleich gelagerte Interesselage ab, erscheint es sachgerecht, zugunsten einer Vereinfachung und Beschleunigung des Wahlprozesses auch § 6 Abs. 4 WO-BetrVG analog anzuwenden.160 In terminologischer Hinsicht sollte jedoch nicht von einem „Listenvertreter“, sondern einem „Vorschlagsvertreter“ gesprochen werden, weil die Wahlvorschläge auf Grund des Personenwahlsystems gerade nicht als Listen, sondern als „einfache“ Wahlvorschläge eingereicht werden. Ist in den Wahlvorschlägen keine Person explizit als Vorschlagsvertreter benannt, ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 WO-BetrVG analog, die den Wahlvorschlag an erster Stelle Unterzeichnende als Vorschlagsvertreter anzusehen. Im Fall des vereinfachten Verfahrens würde die den Vorschlag in der Wahlversammlung mündlich vortragende Person zum Vorschlagsvertreter werden.161
159 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 87; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 45; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 33. Vgl. auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 90; Kossens, jurisPR-ArbR 29/2008, Anm. 3; Schleicher, WO zum SchwbG, § 6 Rn. 11; Sieg, NZA 2002, 1064, 1067, die ebenfalls auf die Vorschriften der WO-BetrVG verweisen. In dieser Richtung wohl auch Weber, SchwbG, § 24 Anm. 25, der zwar weder Normen nennt, noch von einer Analogie spricht, aber gleichwohl den Regelungsgehalt des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO-BetrVG für maßgeblich hält. Im Ergebnis ebenso LAG Rheinland-Pfalz vom 01.04.2008, 3 TaBV 1/08, das in diesen Regelungen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz erkennen will. A. A. dagegen BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX; Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX. 160 Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 40. 161 Vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 33 Rn. 5. Vgl. auch Fitting, BetrVG, WO, § 33 Rn. 8.
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Die Unterrichtung über Mängel der Wahlvorschläge nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO-BetrVG analog hat also nur gegenüber diesen Personen zu erfolgen und muss nicht an sämtliche Unterstützer eines Wahlvorschlags gerichtet werden. (b) Behebbarkeit von Mängeln der Wahlvorschläge Vor dem Hintergrund der Regelungen der WO-BetrVG stellt sich auch die Frage, inwieweit festgestellte Mängel nachträglich behoben werden können. Soweit im förmlichen Wahlverfahren die Einreichungsfrist des § 6 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO noch nicht abgelaufen ist, kommt stets die Einreichung eines neuen Wahlvorschlags in Betracht. Gleiches gilt im vereinfachten Verfahren, solange die Entgegennahme von Wahlvorschlägen noch nicht beendet worden ist.162 Allerdings ist zu beachten, dass eine erneute Einreichung grundsätzlich zu Doppelkandidaturen und unzulässigen Mehrfachunterstützungen führen würde, weil es hierbei nicht auf die Gültigkeit des jeweiligen Vorschlags ankommt.163 Zudem ist zu bedenken, dass für einen neuen Wahlvorschlag erneut die vorgeschriebene Mindestzahl von Stützunterschriften gesammelt werden müsste. Dies kann kurz vor Fristablauf schwierig sein, so dass seitens der Vorschlagenden durchaus ein berechtigtes Interesse bestehen kann, anstelle der Neueinreichung einen bisherigen Wahlvorschlag nachzubessern bzw. zu ergänzen, damit er die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. (aa) Nachbesserungen im förmlichen Wahlverfahren Im Fall sog. unheilbarer Mängel, wie etwa einer verfristeten Einreichung oder der Aufführung nicht passiv wahlberechtigter Kandidaten, ist eine Nachbesserung jedoch generell ausgeschlossen.164 Dagegen erscheint eine Nachbesserung dann denkbar, wenn nicht sämtliche in § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO geforderten Angaben aufgeführt sind, die Zustimmung des Kandidaten fehlt oder der Vorschlag infolge von Streichungen nicht mehr über die nötige Anzahl von Stützunterschriften verfügt.165 Für derartige Mängel ist nämlich bei betrieblichen Interessenvertretungswahlen allgemein eine Heilung binnen einer bestimmten Frist möglich. Ein Grund, weshalb eine Nachbesserung derartiger Mängel bei Schwerbehindertenvertretungswahlen ausgeschlossen sein soll, ist nicht ersichtlich. Daher ist auch insoweit eine Analogie zum Betriebsverfassungsrecht zu bil-
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Siehe dazu oben § 8 II. 5. d) ee) (3). Vgl. in Bezug auf die Betriebsratswahl: LAG München vom 25.1.2007, 2 TaBV 102/06. 164 In Bezug auf die Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, WO, § 8 Rn. 1; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 8 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 8 Rn. 2 und 9. 165 Vgl. dazu auch Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 8 Rn. 1. 163
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Kap. 4: Phasen der Wahl
den.166 Gemäß § 8 Abs. 2 WO-BetrVG analog hat der Wahlvorstand im förmlichen Wahlverfahren also einen mit einem derartigen Mangel behaftetet Wahlvorschlag beim Vorschlagsvertreter zu beanstanden. Ab diesem Zeitpunkt ist dann eine Beseitigung der Mängel binnen einer Frist von drei Arbeitstagen möglich. (bb) Nachbesserungen im vereinfachten Wahlverfahren Im vereinfachten Wahlverfahren wäre eine derartige Frist jedoch nicht mit dessen struktureller Konzeption vereinbar. Auf Grund der Konzentration des Wahlprozederes auf die Wahlversammlung ist eine Nachbesserung nach Ende der Versammlung generell ausgeschlossen.167 Aber auch schon für die Erstellung der Stimmzettel muss endgültig feststehen, welche der eingereichten Wahlvorschläge vollumfänglich den Wahlvorschriften genügen. Schließlich dürfen ausschließlich Kandidaten gültiger Wahlvorschläge in die Stimmzettel aufgenommen werden. Dementsprechend ist eine Nachbesserung von Wahlvorschlägen mit heilbaren Mängeln168 im vereinfachten Wahlverfahren ausschließlich bis zur Beendigung der Entgegennahme von Wahlvorschlägen möglich.169 Fehlt also einem Wahlvorschlag die Zustimmung des Kandidaten, muss diese noch vor dem Beginn der Erstellung der Stimmzettel nachgereicht werden. f) Bekanntgabe der Namen der Wahlbewerber Hat der Wahlvorstand im förmlichen Wahlverfahren die eingereichten Wahlvorschläge auf ihre Zulässigkeit hin geprüft, muss er die gültigen Wahlvorschläge förmlich durch betrieböffentlichen Aushang bekannt geben. Dieser hat die einzelnen Wahlbewerber in identifizierbarer Weise170, getrennt nach Ämtern in alphabetischer Reihenfolge aufzuführen und muss in der gleichen Weise erfolgen, wie die Bekanntgabe des Wahlausschreibens.171 Dabei verlangt § 8 Schwb166 Vgl. Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 46; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 33. 167 Vgl. zur Nachbesserung von Wahlvorschlägen im vereinfachten Wahlverfahren bei der Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, WO, § 33 Rn. 11; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 33 Rn. 5; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 33 Rn. 6. 168 Insoweit kommen auf Grund der geringen formellen Anforderungen lediglich fehlende Zustimmungen der Bewerber in Betracht. Andere Mängel, wie etwa die Nominierung nach § 94 Abs. 3 SGB IX nicht wählbarer Personen oder die Einreichung durch eine nicht aktiv wahlberechtigte Person, macht dagegen ohnehin eine Einreichung eines neuen Wahlvorschlags erforderlich, so dass eine dahingehende Nachbesserung per se ausscheidet. 169 Siehe allgemein zur Beendigung der Entgegennahme von Wahlvorschlägen § 8 II. 5. d) ee) (3). 170 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 8. 171 Siehe dazu oben § 8 II. 4. b).
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VWO dem Wortlaut nach nur die Bekanntgabe der Namen der für die einzelnen Ämter kandidierenden Wahlbewerber. Lassen die Namen der Kandidaten allein noch keine sichere Zuordnung der Personen zu, sind zusätzlich noch das Geburtsdatum oder der beschäftigende Betrieb anzugeben.172 Angesichts der Größe der betreffenden Betriebe es darüber hinaus regelmäßig sinnvoll, wenn auch die jeweilige Beschäftigungsart des Wahlbewerbers mit bekannt gegeben wird. Zwingend vorgeschrieben ist die Angabe der Beschäftigung jedoch nicht. Für das vereinfachte Wahlverfahren ist nach den Wahlvorschriften keine förmliche Bekanntgabe der gültigen Wahlvorschläge vorgesehen. Vielmehr mündet die Sammlung der Wahlvorschläge nach deren Beendigung direkt in die Erstellung der Stimmzettel. Die Bekanntgabe der Kandidaten geht hierbei aber bereits mit deren Nominierung und der in der Wahlversammlung mitzuteilenden Feststellung der Gültigkeit der Wahlvorschläge einher. Auch im vereinfachen Verfahren findet also eine Bekanntgabe der Namen der Wahlbewerber statt. Ungeachtet dessen empfiehlt sich allerdings auch eine zusammenfassende Bekanntgabe aller eingereichten und für gültig befundenen Wahlvorschläge, um den Wahlberechtigten einen besseren Überblick über die Kandidaten zu vermitteln.173 6. Organisatorische Vorbereitungen der Wahl Neben den bereits dargestellten Schritten sind in der Vorbereitungsphase eine Reihe weiterer organisatorischer Handlungen vorzunehmen. Diese entsprechen weitgehend denen, die üblicherweise zur Vorbereitung betrieblicher Interessenvertretungswahlen erforderlich sind.174 Hinsichtlich einiger Vorbereitungshandlungen ergeben sich jedoch für die Schwerbehindertenvertretungswahl bestimmte Besonderheiten, auf die im Folgenden eingegangen werden soll. a) Auslegung des Textes der SchwbVWO In der SchwbVWO findet sich keine explizite, der Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 WO-BetrVG vergleichbare Verpflichtung, neben der Liste der Wahlberechtigten auch die Wahlordnung zur Schwerbehindertenvertretungswahl zur Einsichtnahme auszulegen. Betrachtet man jedoch die für das Wahlausschreiben vorgeschriebenen Mindestinhalte ist auffällig, dass nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 172 Siehe zur Zulässigkeit dieser Angaben OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09. 2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 148. 173 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 2, der eine Auflistung der Wahlvorschläge auf einer Tafel oder per Projektor empfiehlt. Vgl. auch Zanker, WO zum SchwbG, S. 27. 174 Z. B. Unterrichtung ausländischer Beschäftigter nach § 2 Abs. 5 SchwbVWO, vgl. dazu LAG Köln vom 08.03.2012, 13 TaBV 82/11.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
SchwbVWO auch die Bekanntgabe von Ort und Zeit der Auslegung der Wahlordnung verlangt wird. Eine Verpflichtung zu einer solchen Bekanntgabe wäre sinnentleert, wenn eine Auslegung der Wahlordnung mangels Verpflichtung des Wahlvorstands überhaupt nicht stattfinden würde. Unter systematischen Gesichtspunkten spricht also Einiges dafür, dass der Normgeber zwar die Absicht hatte, den Wahlvorstand zu verpflichten, auch den Text der SchwbVWO zur Einsichtnahme auszulegen,175 es jedoch versäumt hat, diese Verpflichtung zu normieren. Angesichts dieser planwidrigen Regelungslücke ist die in teleologischer Hinsicht wesensgleiche Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 WO-BetrVG auf die Schwerbehindertenvertretungswahl analog anzuwenden.176 b) Erstellung der Wahlunterlagen Bei der Erstellung der Wahlunterlagen hat der Wahlvorstand insbesondere den Grundsatz der geheimen Wahl zu beachten. Dieser kommt insoweit vor allem in den Anforderungen an die Gestaltung der Wahlunterlagen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 und 4 SchwbVWO zum Ausdruck.177 Angesichts eines möglichst effektiven Geheimnisschutzes stellt sich allerdings die im Folgenden zu klärende Frage, ob im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahlen nicht zusätzlich Wahlschablonen zu erstellen sind. Zudem soll im Folgenden auch auf die sich im vereinfachten Wahlverfahren ergebenden Schwierigkeiten bei der Wahlunterlagenerstellung eingegangen werden. aa) Erstellung von Wahlschablonen In § 57 Abs. 4 BWahlO und § 54 Satz 2 SVWO ist für blinde und sehbehinderte Menschen inzwischen die Möglichkeit geschaffen worden, bei öffentlichen bzw. sozialversicherungsrechtlichen Wahlen ihre Stimme mit Hilfe von Wahlschablonen abzugeben. Eine solche Regelung ist in der SchwbVWO jedoch nicht zu finden. Gleichwohl könnte sich die Zulässigkeit eines Wahlschabloneneinsatzes aus den für die Schwerbehindertenvertretungswahl geltenden Wahlgrundsätzen ergeben.
175 Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 5, der insoweit auf § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SchwbVWO verweist. 176 Im Ergebnis ähnlich: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 80; Schleicher, WO zum SchwbG, § 3 Rn. 5, die jedoch die Verpflichtung nicht explizit aus einer Analogie zu § 2 Abs. 4 WO-BetrVG ableiten, aber nicht näher erläutern, worauf sich diese dogmatisch stützen soll. 177 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 9 Anm. 2; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 53; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 36; Schleicher, WO zum SchwbG, § 9 Rn. 2. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 9 Rn. 2.
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(1) Zulässigkeit des Wahlschabloneneinsatzes Grundsätzlich wird über § 10 Abs. 4 SchwbVWO für blinde und sehbehinderte Wahlberechtigte die Möglichkeit eröffnet, ihre Stimme durch Hinzuziehung einer Hilfsperson abzugeben. Dadurch sind diese Personen trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigungen nicht an sich von der Wahlrechtsausübung ausgeschlossen. Allerdings ist die Hinzuziehung Dritter bei der Stimmabgabe zwangsläufig mit Einschränkungen des Geheimnisschutzes verbunden. Sie führt daher stets zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der geheimen Wahl.178 Hieran ändert auch die – wohlgemerkt nicht sanktionierte179 – Geheimhaltungspflicht des § 10 Abs. 4 Satz 4 SchwbVWO nichts. Bei Anwesenheit anderer Personen in der Wahlkabine kann nämlich nie sichergestellt werden kann, dass der Wählerwille völlig frei gebildet wird.180 Insofern wird durch die Heranziehung von Hilfspersonen auch der Grundsatz der freien Wahl berührt. Solche Durchbrechungen der Grundsätze der geheimen und der freien Wahl sind jedoch angesichts derer besonderer Bedeutung für die Gewährleistung demokratischer Wahlen auf das absolut nötige Maß zu beschränken.181 Kann die Stimmabgabe eines die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 SchwbVWO erfüllenden Wahlberechtigten auch ohne diese Einschränkungen gewährleistet werden, ist daher diese Möglichkeit der Hinzuziehung von Hilfspersonen unbedingt vorzuziehen. Mit der Option eines Wahlschabloneneinsatzes besteht für blinde und sehbehinderte Wahlberechtigte gerade eine derartige, vorzugswürdige Möglichkeit, ohne Einschränkung der geheimen und freien Stimmabgabe das aktive Wahlrecht persönlich auszuüben.182 Trotz der (bisher) fehlenden Regelung ist zur möglichst umfassenden Sicherstellung des Wahlgeheimnisses somit auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl der Einsatz von Wahlschablonen zuzulassen.183
178 Vgl. BVerfG vom 15.02.1967, 2 BvC 2/66, BVerfGE 21, 200, 206; BVerwG vom 21.03.1974, VII B 99.73, DÖV 1974, 387, 388; Schreiber, BWahlG, § 1 Rn. 106. Vgl. auch Bericht der BReg. über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drs. 15/4575, S. 122; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 2; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 13; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 18; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 12. 179 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 4. Vgl. auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 10 Rn. 3. 180 Vgl. Schreiber, BWahlG, § 1 Rn. 106. Vgl. auch Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21. 181 Vgl. dazu ArbG Bremen vom 19.07.1972, DB 1972, 1830, 1831; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 12; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 18; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 12, die aus diesem Grund berechtigter Weise keinerlei über den Wortlaut des § 12 Abs. 4 WO-BetrVG hinausgehende Hilfeleistung Dritter zulassen. 182 Bericht der BReg. über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drs. 15/4575, S. 122. Vgl. VerfGH Berlin vom 23.11.2000, VerfGH 117/99, LVerfGE 11, 68, 78.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
Zudem ist zu beachten, dass ein Wahlschabloneneinsatz im Unterschied zur Hinzuziehung einer Hilfsperson eine persönliche und damit unmittelbare Stimmabgabe garantiert. Die Möglichkeit, bei der Stimmabgabe Wahlschablonen einzusetzen, erscheint daher zusätzlich unter dem Gesichtspunkt des nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB IX vorgeschriebenen Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Wahl geboten. (2) Erforderlichkeit der Wahlschablonenherstellung In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob den betroffenen Wahlberechtigten lediglich zu gestatten ist, eigene Wahlschablonen einzusetzen oder ob das wahlleitende Organ auch für die Herstellung bzw. Beschaffung derartiger Schablonen zu sorgen hat. (a) Konnex zwischen Schablone und Stimmzettel In der Praxis existieren verschiedene Arten von Wahlschablonen. Neben recht schlichten Ausführungen, die lediglich Löcher für die Kreuze und eine diesbezügliche Nummerierung enthalten, existieren auch Versionen, bei denen zusätzlich der Inhalt der betreffenden Stimmzettel haptisch wahrnehmbar gemacht wurde. Letztere Arten von Wahlschablonen können selbstverständlich nur individuell für die jeweilige Abstimmung angefertigt werden, wenn bereits feststeht, welche Kandidaten zur Wahl stehen. Aber auch die schlichten Wahlschablonenvarianten lassen sich nicht pauschal für jede Wahl verwenden. Schließlich müssen die für das Ankreuzen vorgefertigten Löcher der Schablone mit den auf dem Stimmzettel für die Kandidatenkennzeichnung angedachten Stellen deckungsgleich sein. Eine Wahlschablone kann daher mangels einheitlich vorgeschriebener Stimmzettelgestaltung stets nur anhand des konkret zum Einsatz kommenden Stimmzettels angeschafft oder aber angefertigt werden. (b) Schlussfolgerungen für die Zuständigkeit Da allein das wahlleitende Organ über die Gestaltung der Stimmzettel zu entscheiden hat, erscheint es geboten, auch diesem die Verpflichtung zur Anfertigung der Wahlschablonen aufzuerlegen. Eine Beschaffung durch die jeweils betroffenen Wahlberechtigten wäre schwer zu koordinieren, weil anders als bei öffentlichen Wahlen nicht damit zu rechnen ist, dass die Blindenverbände entsprechende Wahlschablonen vorbereiten.184 183 So auch Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19. Wohl auch Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 24; Strehmel, AuA 2002, 418, 41, die den Arbeitgeber als verpflichtet sehen, die Kosten für Wahlschablonen als Kosten der Wahl zu tragen.
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(c) Einschränkung einer generellen Schablonenpflicht Vor diesem Hintergrund stellt sich die Folgefrage, ob eine Anschaffung oder Anfertigung von Wahlschablonen auch dann notwendig ist, wenn im Wahlbezirk überhaupt keine blinden oder sehbehinderten Wahlberechtigten beschäftigt werden. Angesichts des abstrakten Anforderungsniveaus des Grundsatzes der Barrierefreiheit wäre prinzipiell auch in diesen Fällen eine Anfertigung bzw. Anschaffung geboten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Wahlschabloneneinsatz nicht erforderlich ist, um überhaupt an der Wahl teilnehmen zu können. Vielmehr besteht über § 10 Abs. 4 SchwbVWO dem Grunde nach eine alternative Möglichkeit der Stimmabgabe zur Verfügung. Die Erforderlichkeit einer Wahlschablonenpflicht beurteilt sich daher im konkreten anhand einer Verhältnismäßigkeitsabwägung.185 Ist im betreffenden Betrieb bisher nicht bekannt, dass sich unter den Beschäftigten auch sehbehinderten Personen befinden, die auf eine Wahlschablone angewiesen wären, erscheint eine pauschale Anfertigung als nicht verhältnismäßig. Sollte dennoch die Situation eintreten, dass eine bisher nicht als sehbehindert bekannte Person an der Wahl teilnehmen will und auf eine etwaige Kompensationsmöglichkeit angewiesen wäre, kann eine Hinzuziehung nach § 10 Abs. 4 SchwbVWO ausnahmsweise dennoch möglich sein. Ist nämlich ein Schabloneneinsatz aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich, existiert in praktischer Hinsicht gerade keine Alternative mehr, die einem entsprechend beeinträchtigten Wahlberechtigten die Stimmabgabe ohne Durchbrechung der Grundsätze der geheimen und freien Wahl ermöglichen würde. bb) Wahlunterlagenerstellung im vereinfachten Verfahren Auf besondere praktische Schwierigkeiten stößt die Erstellung der Wahlunterlagen im vereinfachten Wahlverfahren. Auf Grund der dortigen Zentrierung des Wahlprozesses auf die Wahlversammlung sind längerfristige Vorbereitungen weitgehend ausgeschlossen. Insbesondere kann die Erstellung der Stimmzettel noch nicht im Vorfeld erfolgen, weil die Wahlvorschläge erst in der Versammlung eingereicht werden und damit die Kandidaten erst unmittelbar vor der Stimmabgabe feststehen. Gleichwohl schreibt § 20 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO seit der Novellierung der SchwbWO im Jahre 1990186 vor, dass auch im vereinfachten Wahlverfahren einheitliche, bereits mit den Namen der antretenden 184 Vgl. zur Handhabung bei der Bundestags- und Europawahl: Bericht der BReg. über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drs. 15/ 4575, S. 122. 185 Siehe dazu oben § 2 IV. 4. a) bb). 186 Vgl. zur früheren Rechtslage: Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 5; Zanker, WO zum SchwbG, S. 27. Vgl. auch Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 118 und Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 20 Rn. 4.
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Wahlbewerber versehene Stimmzettel zu verwenden sind.187 Die zu nutzenden Stimmzettel können daher nicht im Vorfeld gedruckt, sondern erst unmittelbar vor der eigentlichen Wahlhandlung erstellt werden. Daher muss die Wahlleitung sicherstellen, dass in der Wahlversammlung die technischen Voraussetzungen gegeben sind, um anhand der eingereichten Wahlvorschläge einen, den Vorgaben des § 20 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO genügenden Stimmzettel anfertigen und vervielfältigen zu können.188 Im Fall, dass blinde oder sehbehinderte Wahlberechtigte im Wahlbezirk beschäftigt sind, muss die Wahlleitung darüber hinaus darauf achten, dass auch trotz der kurzfristigen Erstellung der Stimmzettel ein Einsatz von Wahlschablonen möglich ist. Dies kann dadurch sichergestellt werden, dass die zu vervielfältigenden Stimmzettel so gestaltet werden, dass im Vorfeld beschaffte Wahlschablonen auf diese angewendet werden können. Liegen mehrere unterschiedliche Wahlschablonen vor, muss sich die Wahlleitung für eine entscheiden und die Gestaltung des Stimmzettel auf diese ausrichten. c) Barrierefreiheit des Wahllokals bzw. der Wahlversammlung Bei der Auswahl und Gestaltung des Wahllokals hat der Wahlvorstand nicht nur den Grundsatz der geheimen Wahl zu beachten und daher nach § 10 Abs. 1 SchwbVWO entsprechende Vorkehrungen zur unbeobachteten Stimmabgabe zu treffen.189 Zur Wahrung des Grundsatzes der Barrierefreiheit muss er vielmehr auch den besonderen Belangen der schwerbehinderten Wahlberechtigten Rechnung tragen. Die gleiche Verpflichtung trifft auch den Initianten im vereinfachten Wahlverfahren im Hinblick auf die Auswahl und Gestaltung des Veranstaltungsortes der Wahlversammlung.
187 Amtl. Begr., BR-Drs. 147/90, S. 16; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 20 Anm. 3; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20. Vgl. auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 20 Rn. 4. 188 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 48; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 47, die jeweils empfehlen, zunächst einen „Originalstimmzettel“ zu erstellen und diesen anschließend zu kopieren. Denkbar erscheint aber auch eine digitale Erstellung des Stimmzettels und eines anschließenden Ausdrucks der entsprechenden Anzahl von Exemplaren. 189 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 88; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 10 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 1; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 54; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 37; Knittel, SGB IX; § 94 Rn. 94; Schleicher, WO zum SchwbG, § 10 Rn. 1; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 34.
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aa) Barrierefreiheit für gehbeeinträchtigte Menschen Bei der Auswahl der Räumlichkeiten muss daher vor allem auf die körperlichen Einschränkungen gehbehinderter Beschäftigter eingegangen und auf dahingehende Barrierefreiheit geachtet werden.190 Das Augenmerk hat hierbei nicht nur auf der ungehinderten Erreichbarkeit des betreffenden Raums zu liegen. Vielmehr muss auch das Rauminnere so gestaltet sein, dass gehbeeinträchtigte Wahlberechtigte in der Lage sind, ihre Stimme persönlich abzugeben. Daher müssen insbesondere auch die Wahlkabine und die Wahlurne barrierefrei zugänglich sein und ausreichend Platz bestehen, damit Rollstuhlfahrer innerhalb des Raumes wenden können. Auch die Wahlkabine selbst muss so gestaltet sein, dass auch für Rollstuhlfahrer eine geheime Stimmabgabe möglichst ist. Ebenso muss die Kabine für den Fall der Hinzuziehung einer Hilfsperson so gestaltet sein, dass eine von Dritten nicht einsehbare Stimmabgabe erfolgen kann. bb) Barrierefreiheit für Hör-/Sprachbehinderte Der Grundsatz der Barrierefreiheit der Wahl erlangt im vereinfachten Wahlverfahren darüber hinaus auch in Bezug auf hör- und sprachbehinderte Beschäftigte besondere Bedeutung. Während im förmlichen Wahlverfahren die wesentlichen, die Wahl betreffenden Informationen per Wahlausschreiben bekannt gegeben werden,191 findet eine solche förmliche Bekanntmachung im vereinfachten Wahlverfahren nicht statt. Vielmehr werden die Wahlberechtigten erst in der Wahlversammlung selbst über die Einzelheiten der Wahl informiert. Damit befänden sich hörbeeinträchtigte Beschäftigte in einer schlechteren Lage als bei Anwendung des förmlichen Wahlverfahrens, so dass es einer Kompensation dieser Defizite des vereinfachten Verfahrens bedarf. (1) Vorweggenommene schriftliche Informationen Die im förmlichen Wahlverfahren durch Wahlausschreiben bekannt zu gebenden Informationen lassen sich grundsätzlich durch eine vorweggenommene schriftliche Information vermitteln. Damit lässt sich auf diesem Weg eine gewisse Kompensation der aus dem vereinfachten Verfahren resultierenden Nachteile erreichen. Allerdings besteht im vereinfachten Wahlverfahren darüber hinaus ein zusätzlicher Kommunikationsbedarf, der sich nicht durch vorgefertigte schriftliche Informationen ersetzen lässt. In diesem Zusammenhang ist nicht nur 190 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81 und 88; Kamm/Berger/ Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23; Strehmel, AuA 2002, 418, 419. 191 Siehe dazu auch oben § 5 II. 2. c) cc) (1) und § 5 II. 2. c) dd) (2) (a).
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die Diskussion um die Zahl der stellvertretenden Mitglieder192 von Bedeutung. Zu beachten ist vielmehr auch, dass in zeitlicher Hinsicht kaum die Möglichkeit besteht, sich im Vorfeld über die möglichen Wahlbewerber zu informieren. Daher besteht gerade in dieser Hinsicht besonderer Diskussionsbedarf zwischen den Wahlberechtigten.193 Hierbei muss es auch hör- und sprechbehinderten Beschäftigten möglich sein, aktiv an der Diskussion teilzunehmen. Diesem Defizit lässt sich durch vorweggenommene schriftliche Informationen allein nicht begegnen, so dass weitere Kompensationsmöglichkeiten erforderlich sind. (2) Auswahl der Kompensationsmittel Im Hinblick auf die Auswahl dieser Kompensationsmöglichkeiten ist das dem Grundsatz der Barrierefreiheit immanente Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten.194 Danach muss bei der Auswahl der Kompensationsmittel ein angemessener, betriebsbezogener Ausgleich zwischen Aufwand und Nutzen gefunden werden. Ist der Kreis der Wahlberechtigten auf wenige Personen begrenzt, lässt sich eine Mitwirkung bereits durch schriftliche Diskussionsbeiträge bewerkstelligen, die über analoge Hilfsmitteln zu visualisieren sind.195 Bei einer größeren Anzahl Wahlberechtiger, jedoch nur einzelner hör- bzw. sprechbehinderter Beschäftigter, lässt sich eine Diskussionsbeteiligung mitunter technisch lösen. Denkbar ist es insoweit, dass die sprechbehinderten Beschäftigten die Möglichkeit erhalten, ihre Diskussionsbeiträge den übrigen Personen über einen mit Eingabegeräten verbundenen Projektor mitzuteilen. Sind unter den Wahlberechtigten jedoch eine Reihe von hör- und sprechbehinderten Beschäftigten, lässt sich deren aktive Einbindung in die Diskussion kaum mehr auf diesem technischen Weg lösen. Stattdessen ist eine gleichberechtigte Diskussionsteilnahme in diesen Fällen nur durch den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern oder anderen Kommunikationshelfern196 i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) bis d) KHV, wie etwa Simultanschriftdolmetschern möglich.197 Insbesondere in Abhängigkeit von der Zahl der Wahlberechtigten und der konkret betroffenen Beschäftigten können somit unterschiedliche Maßnahmen als Kompensationsmöglichkeit geboten sein. 192
Siehe dazu oben § 8 II. 2. a) und b) aa). Siehe dazu auch oben § 5 II. 2. c) dd) (2) (b). 194 Siehe dazu oben § 2 IV. 4. a) bb). 195 Zu denken ist hier etwa an Flipcharts oder Schreibtafeln. 196 Vgl. dazu Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, BGG, § 6 Rn. 3; Ritz, in: Kossens/von der Heide/Maaß, BGG, § 6 Rn. 2. 197 In dieser Richtung wohl auch Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 21; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 19. Wohl auch Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 24; Strehmel, AuA 2002, 418, 419, die Dolmetscherkosten zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Wahl zählen. 193
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Die Entscheidung über die Auswahl des gebotenen Kompensationsmittels kann jedoch nicht von der Wahlleitung getroffen werden. Etwaige technische Gerätschaften oder gar Dolmetscher und Kommunikationshelfer ließen sich nämlich in der Regel nicht so kurzfristig organisieren, dass der Fortgang der Wahlversammlung nicht unerheblich verzögert würde. Dies stünde jedoch im Widerspruch zum Grundsatz der obligatorischen Vertretung. Es ist daher notwendig, dass eine Auswahl des Kompensationsmittels, sowie die diesbezügliche organisatorische Vorbereitung schon im Vorfeld der Wahlversammlung erfolgt. Damit kann jedoch nur das die Wahl initiierende Organ für diese Aufgabe zuständig sein. Zur gleichzeitigen Gewährleistung der Grundsätze der Barrierefreiheit und der obligatorischen Vertretung ist daher der jeweilige Initiant zur Auswahl und Beschaffung des Kommunikationsmittels verpflichtet.
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§ 9 Durchführungsphase I. Allgemeines zur Durchführungsphase An die Vorbereitungsphase schließt sich die Durchführungsphase der Schwerbehindertenvertretungswahl an. Im Zentrum dieser steht die Abgabe der Stimmen durch die Wahlberechtigten und damit die eigentliche Wahlhandlung. Im Allgemeinen orientiert sich die Durchführungsphase weitgehend an den für demokratische Wahlen typischen Abfolgen. Gleichwohl weist sie im Verhältnis zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen einige Eigenheiten auf. Diese beruhen weitgehend auf der Sonderstellung, die die Schwerbehindertenvertretung in der Betriebsverfassung einnimmt.
II. Problembereiche der Durchführungsphase Aus den spezifischen Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl resultieren eine Reihe rechtlich schwieriger Fragestellungen. Diese Problembereiche sollen im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden. 1. Stimmabgabehandlung Die Stimmabgabehandlung ist der wesentlichste Akt der Schwerbehindertenvertretungswahl. Durch sie wird der Wille der Wähler zum Ausdruck gebracht. a) Kennzeichnung des Stimmzettels und Verwendung von Wahlumschlägen Die Stimmabgabe erfolgt wie allgemein bei demokratischen Wahlen üblich durch Kennzeichnung der betreffenden Wahlbewerber auf dem zur Verfügung gestellten Stimmzettel. Dieser muss zur Gewährleistung des Wahlgeheimnisses sowohl im förmlichen wie im vereinfachten Wahlverfahren anschließend in einen Wahlumschlag gelegt werden.1 Sowohl die Kennzeichnung des Stimmzettels als auch das Einlegen in den Wahlumschlag müssen so erfolgen können, dass sie 1 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 88 und 96; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 45 und SchwbVWO, § 9 Rn. 8; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 48; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 95 und 106. Für das förmliche Wahlverfahren ebenso: LAG Hessen vom 10.11.2011, 9 TaBV 104/ 11. Für das vereinfachte Wahlverfahren: LAG Hessen vom 01.12.2011, 9 TaBV 130/11. Vgl. aber auch OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 149, das gleichwohl im Einzelfall eine Anfechtbarkeit der Wahl verneint hat. Vgl. zur früheren Rechtslage im vereinfachten Verfahren: Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 6. Vgl. auch LAG Niedersachsen vom 01.03.2004, 16 TaBV 60/03; Fitting, BetrVG, WO, § 11 Rn. 7; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 11 Rn. 13.
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von Dritten nicht einsehbar sind, damit eine geheime und freie Stimmabgabe möglich bleibt.2 Daher muss das wahlleitende Organ zur Gewährleistung des Grundsatzes der geheimen Wahl dafür sorgen, dass die eigentliche Stimmgabe durch entsprechende Vorrichtungen, vornehmlich durch Wahlkabinen vor Blicken Dritter geschützt erfolgen kann.3 b) Umgang mit den Wahlumschlägen Nach Einlegen des Stimmzettels in den Wahlumschlag muss dieser an das wahlleitende Organ übergeben werden (vgl. §§ 10 Abs. 3 Satz 1 und 20 Abs. 3 Satz 4 SchwbVWO). Dieses vermerkt die Stimmabgabe dann in der Liste der abgegebenen Stimmen. Schließlich wird der Wahlumschlag im Beisein des Wählers in ein für die Sammlung der Wahlumschläge vorgesehenes Behältnis geworfen (vgl. §§ 10 Abs. 3 Satz 2 und 20 Abs. 3 Satz 5 SchwbVWO). Während im förmlichen Wahlverfahren insoweit eine Wahlurne im technischen Sinne4 zu verwenden ist, soll den Wahlvorschriften nach im vereinfachten Wahlverfahren grundsätzlich jegliches Behältnis genügen.5 Allerdings muss zur Vermeidung von Wahlmanipulationen auch hinsichtlich dieses Behältnisses sichergestellt sein, dass eingeworfene Wahlumschläge nicht entnommen, ausgetauscht oder aber zusätzliche manipulierte Umschläge hinzugefügt werden können. Ist dies nicht durch entsprechende technische Vorrichtungen gewährleistet, gebietet der Grundsatz der Öffentlichkeit, dass das Behältnis vom Beginn der Stimmabgabe bis zur Stimmauszählung durchgehend einsehbar ist. Gleichzeitig muss angesichts des Grundsatzes der geheimen Wahl sichergestellt sein, dass keine Zuordnung der einwerfenden Wähler zu später auszuzählenden Stimmzetteln erfolgen kann.6 Insbesondere bei einer geringen Zahl von Stimmabgaben muss das Behältnis daher blickdicht sein und vor der Stimmauszählung ein Durchmischen der Wahl2 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 88 und 96; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 10 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 1; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 42 und 48; Schleicher, WO zum SchwbG, § 10 Rn. 1 und § 19 Rn. 6. 3 Vgl. dazu Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 149; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 88; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 10 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 1; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 37; Knittel, SGB IX; § 94 Rn. 94; Schleicher, WO zum SchwbG, § 10 Rn. 1; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 34. 4 Zu den Anforderungen an eine solche Wahlurne: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 10 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 1; Schleicher, WO zum SchwbG, § 10 Rn. 1. Vgl. auch Fitting, BetrVG, WO 2001, § 12 Rn. 4; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 12 Rn. 2 f.; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 12 Rn. 7. 5 Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 45 und SchwbVWO, § 20 Rn. 60. 6 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 1; Schleicher, WO zum SchwbG, § 10 Rn. 1. Vgl. auch Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 10.
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umschläge erfolgen. Anderenfalls stünde zu befürchten, dass einzelne eingeworfene Wahlumschläge im Blick behalten und später den Stimmzetteln zugeordnet werden können, wodurch der Grundsatz der geheimen Wahl schwerwiegend verletzt wäre. c) Überwachung der ordnungsgemäßen Wahldurchführung Zur Gewährleistung der Grundsätze der geheimen und der freien sowie der unmittelbaren Wahl schreibt § 10 Abs. 2 SchwbVWO darüber hinaus vor, dass im förmlichen Wahlverfahren eine persönliche Überwachung des Wahllokals erfolgt. Hierfür muss immer mindestens ein Mitglied des Wahlvorstands sowie zusätzlich ein weiteres Wahlvorstandsmitglied oder ein Wahlhelfer im Wahllokal anwesend sein. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die Stimmabgabe von Dritten unbeeinflusst, allein und zugleich auch unbeobachtet erfolgt. Die permanente Anwesenheitspflicht dient also der Überwachung der Einhaltung der genannten Wahlgrundsätze.7 Im vereinfachten Wahlverfahren muss diese Überwachungsaufgabe von der Wahlleitung allein übernommen werden. Zwar kann sich diese zusätzlich von Wahlhelfern unterstützen lassen, jedoch dürfen ohne die Anwesenheit der Wahlleitung keinerlei Wahlhandlungen vorgenommen werden. Die Überwachung der Grundsätze der geheimen und der freien Wahl obliegt damit allein der Wahlleitung. d) Besonderheiten der schriftlichen Stimmabgabe Neben der gesetzlichen Regelform der persönlichen Stimmabgabe besteht im förmlichen Wahlverfahren8 alternativ die Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe (sog. Briefwahl). Der wesentlichste Unterschied besteht darin, dass bei der schriftlichen Stimmabgabe keine Anwesenheit im Wahllokal notwendig ist, sondern diese grundsätzlich an jedem Ort erfolgen kann. Damit ist die Stimmabgabeart besonders für solche Wahlberechtigten attraktiv, die auf Grund ihrer Behinderung Schwierigkeiten haben, sich aus ihren Arbeitsabläufen zu lösen oder längere Wegstrecken zu bewältigen. Gerade zugunsten dieses Personenkreises sind die Möglichkeiten einer schriftlichen Stimmabgabe
7 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 2. Vgl. für die Betriebsratswahl: Thüsing, in. Richardi, BetrVG, § 14 Rn. 12 und WO, § 12 Rn. 9. 8 Im vereinfachten Wahlverfahren ist eine schriftliche Stimmabgabe dagegen ausgeschlossen. Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 37; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 46; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20.
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vom Verordnungsgeber erleichtert worden, um dadurch die Wahlbereitschaft und Wahlbeteiligung zu erhöhen.9 aa) Voraussetzung der schriftlichen Stimmabgabe Eine schriftliche Stimmabgabe ist bei der Schwerbehindertenvertretungswahl in zwei Konstellationen möglich. Zum einen besteht für Wahlberechtigte, die an einer persönlichen Stimmabgabe verhindert sind, die Möglichkeit, die schriftliche Stimmabgabe beim Wahlvorstand zu beantragen. Zum anderen kann der Wahlvorstand nach § 11 Abs. 2 SchwbVWO die generelle schriftliche Stimmabgabe beschließen. (1) Persönliche Verhinderung Gemäß § 11 Abs. 1 SchwbVWO kann eine Briefwahl dann erfolgen, wenn der Wahlberechtigte an der persönlichen Stimmabgabe verhindert ist und beim Wahlvorstand einen entsprechenden Antrag stellt. (a) An der persönlichen Stimmabgabe verhindert In den Wahlvorschriften wurde nicht näher geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Wahlberechtigter i. S. d. § 11 Abs. 1 SchwbVWO verhindert ist, an der persönlichen Stimmabgabe teilzunehmen. Vergleicht man diese Voraussetzung mit den Regelungen des förmlichen Wahlverfahrens bei der Betriebsratswahl (§ 24 WO-BetrVG) ist festzustellen, dass dort zusätzlich verlangt wird, dass die Verhinderung durch eine Abwesenheit vom Betrieb bedingt ist.10 Hieraus folgt, dass im Rahmen des § 11 Abs. 1 SchwbVWO neben der Abwesenheit vom Betrieb noch weitere Verhinderungsgründe zulässig sein müssen.11 Maßgeblich ist hierbei die mit dieser Erweiterung der Briefwahlmöglichkeiten verfolgte Zielsetzung des Normgebers, Erleichterungen für Personen mit behinderungsbedingten Einschränkungen zu schaffen.12 Eine Verhinderung i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO ist daher auch anzunehmen, wenn ein Wahlberechtiger infolge sei9 Vgl. Amtl. Begr. BR-Drs. 147/90, S. 13 f.; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 1; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 39; Maaß, in: Kossens/von der Heide/ Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11. 10 Vgl. Weber, SchwbG, § 24 Anm. 25. Vgl. zur Regelung bei der Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, WO, § 24 Rn. 2 und 10; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 24 Rn. 8 und 15; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 24 Rn. 6 und 10. 11 Ausdrücklich im Hinblick auf die ebenfalls weitere Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 WO-BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 35 Rn. 2. Vgl. auch Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 35 Rn. 1. 12 Vgl. dazu Weber, SchwbG, § 24 Anm. 25.
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ner Behinderung nicht oder nur unter unzumutbaren Umständen in der Lage wäre, seine Stimme persönlich abzugeben.13 Hierbei ist zugunsten einer möglichst hohen Wahlbeteiligung kein allzu strenger Maßstab anzulegen,14 zumal der Wahlvorstand grundsätzlich auch nicht gehindert wäre, nach § 11 Abs. 2 SchwbVWO eine generelle Briefwahl anzuordnen. Einem Briefwahlverlangen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO ist allerdings dann nicht stattzugeben, wenn dieses allein aus Bequemlichkeit erfolgt.15 (b) Antrag auf schriftliche Stimmabgabe Eine schriftliche Stimmabgabe nach § 11 Abs. 1 SchbVWO setzt weiterhin ein entsprechendes Verlangen des betreffenden Wahlberechtigten voraus. Erst nach einem solchen Antrag ist der Wahlvorstand verpflichtet, die Unterlagen für die schriftliche Stimmabgabe zu übersenden. Der Wahlvorstand hat daher anders als im Rahmen der Betriebsratswahl (vgl. § 24 Abs. 2 WO-BetrVG) die Übersendung der Unterlagen nicht von Amts wegen vorzunehmen.16 Der Antrag nach § 11 Abs. 1 SchwbVWO ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann daher auch mündlich oder gar telefonisch erfolgen.17 Aus dem Antrag muss aber der Grund der Verhinderung erkennbar sein,18 damit der Wahlvorstand das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO prüfen kann. In zeitlicher Hinsicht ist die Antragstellung solange zulässig, wie eine Übermittlung der Unterlagen und deren Rückgabe – ggf. unter 13 Vgl. Amtl. Begr. zu § 11, BR-Drs. 290/75; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 2 a); Schleicher, WO zum SchwbG, § 11 Rn. 1; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 25. Vgl. auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 11 Rn. 1, der insoweit auf sich „aus der besonderen Lage der Schwerbehinderten“ ergebende Umstände abstellt. 14 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 2 a). 15 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 2 a); Maaß, in: Kossens/von der Heide/ Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 11 Rn. 2. 16 A. A. offenbar Sieg, NZA 2002, 1064, 1067, der verkennt, dass eine § 24 Abs. 2 WO-BetrVG vergleichbarere Regelung in der SchbVWO nicht vorhanden ist. Vgl. zur entsprechenden Verpflichtung bei der Betriebsratswahl Fitting, BetrVG, WO, § 24 Rn. 14; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 24 Rn. 15; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 24 Rn. 10. 17 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 89; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 2 b); Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 11 Rn. 2; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 36. 18 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 2 b); Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11. Vgl. auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/MajerskiPahlen, SchwbVWO, § 11 Rn. 2.
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Zuhilfenahme von Boten – noch innerhalb des angesetzten Wahlzeitraums möglich ist.19 (2) Generelle schriftliche Stimmabgabe Beschließt der Wahlvorstand nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SchwbVWO die generelle schriftliche Stimmabgabe, wird hierdurch eine persönliche Stimmabgabe ausschlossen.20 Die Wahlunterlagen hat der Wahlvorstand in diesem Fall nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO von Amts wegen an sämtliche Wahlberechtigte zu senden. Damit stellt sich aber wiederum das Problem, dass im Betrieb auch Personen beschäftigt sein können, die zwar über ein aktives Wahlrecht i. S. d. § 94 Abs. 2 SGB IX verfügen, deren Schwerbehindertenstatus aber im Betrieb (bisher) nicht bekannt ist.21 Mangels Kenntnis vom Vorliegen der Wahlrechtsvoraussetzungen wird der Wahlvorstand derartigen Personen keine Wahlunterlagen zusenden. Damit haben die „nicht sichtbaren“ Schwerbehinderten zunächst keine Möglichkeit, ihr Wahlrecht auszuüben. Allerdings ergibt sich mittelbar aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SchwbVWO, dass die generelle schriftliche Stimmabgabe bereits im Wahlausschreiben und damit sechs Wochen vor der Wahl bekanntgegeben werden muss.22 Damit erlangen auch die „nicht sichtbaren“ Wahlberechtigten frühzeitig Kenntnis von der Briefwahl und haben ausreichend Zeit, dem Wahlvorstand ihre Wahlberechtigung zu offenbaren. Dadurch haben es die „nicht sichtbaren“ Wahlberechtigten in der Hand, selbst dafür zu sorgen, dass Ihnen die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe zur Verfügung gestellt werden. Diese insoweit notwendige Offenbarung des Schwerbehindertenstatus ist für die betroffenen Beschäftigten auch zumutbar, weil der Nachweis der Wahlberechtigung auch im Fall der persönlichen Stimmabgabe erforderlich ist.23 Damit erweist sich die Anordnung einer generellen Briefwahl bei näherer Betrachtung im Hinblick auf ihren Ausschluss der persönlichen Stimmabgabe nicht als Benachteiligung der bisher „nicht sichtbaren“ Wahlberechtigten. bb) Anforderungen an die Gültigkeit bei schriftlicher Stimmabgabe Liegen die Voraussetzungen einer schriftlichen Stimmabgabe vor, muss der Wahlberechtigte sein Stimme zwar nicht mehr persönlich im Wahllokal abgeben. 19 Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 11 Rn. 2. 20 Vgl. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96; Heuser, BehR 1990, 25, 28; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 34; Kunstein/Seel/Fischer, Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 23. 21 Siehe zu diesem Problem bereits oben § 4 II. 4. a) bb) (3), (6) und (7). 22 Siehe dazu oben § 8 II. 3. b). 23 Siehe dazu oben § 4 II. 1. b).
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Dafür werden an die schriftliche Stimmabgabe aber andere, zusätzliche Anforderungen gestellt, damit die Stimme als gültig berücksichtigt werden kann. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die allgemeinen Wahlgrundsätze auch bei dieser Stimmabgabeart gewährleistet bleiben. (1) Erklärung über die Kennzeichnung des Stimmzettels Maßgebliche Bedeutung erlangt insoweit die Erklärung über die Art und Weise der Kennzeichnung des Stimmzettels (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 SchwbVWO). Durch diese soll der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl auch im Rahmen der schriftlichen Stimmabgabe gewährleistet werden. Mit dieser Erklärung ist durch den Wahlberechtigten entweder zu bestätigen, dass der Stimmzettel persönlich gekennzeichnet oder nach Maßgabe der §§ 11 Abs. 3 Satz 2, 10 Abs. 4 SchwbVWO eine Hilfsperson hinzugezogen wurde. (2) Prüfung der Zulässigkeit der Hinzuziehung einer Hilfsperson In diesem Zusammenhang ergibt sich allerdings das Problem, dass eine Hinzuziehung einer Hilfsperson auch bei der schriftlichen Stimmabgabe ausschließlich dann zulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Satz 1 bzw. Satz 5 SchwbVWO gegeben sind. Dem Wahlvorstand fehlt hierbei jedoch eine Möglichkeit zur vorherigen Prüfung oder Untersagung der Hinzuziehung. Damit eine Hinzuziehung einer Hilfsperson ausschließlich in den in § 10 Abs. 4 SchwbVWO zugelassenen Fällen stattfindet, ist der Wahlvorstand daher verpflichtet, zumindest kursorisch zu prüfen, ob bei angegebener Hinzuziehung die Voraussetzungen vorgelegen haben können. Entstehen bei dieser Prüfung ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit der Hinzuziehung, hat der Wahlvorstand die Angelegenheit näher zu untersuchen. Erst wenn die Zweifel ausgeräumt sind und feststeht, dass die Hinzuziehung der Hilfsperson berechtigt war, darf der Wahlumschlag zugelassen und zu den anderen Wahlumschlägen gegeben werden. Stellt sich dagegen heraus, dass die Hilfsperson zu Unrecht herangezogen wurde, ist die Stimmabgabe ungültig. Zur Wahrung des Wahlgeheimnisses des betroffenen Wahlberechtigten darf der Wahlumschlag jedoch nicht geöffnet werden, sondern muss äußerlich als ungültig gekennzeichnet und zu den sonstigen Wahlunterlagen genommen werden. cc) Vereinbarkeit der schriftlichen Stimmabgabe mit den Wahlgrundsätzen Die schriftliche Stimmabgabe weist nicht nur hinsichtlich der konkreten Durchführung der Wahl Besonderheiten auf, sondern führt auch zu nicht unbedeutenden Werfungen bezüglich der geltenden allgemeinen Wahlgrundsätze. Im
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Folgenden soll daher untersucht werden, inwieweit die für die Schwerbehindertenvertretungswahl vorgesehenen Möglichkeiten der schriftlichen Stimmabgabe mit diesen Grundsätzen in Einklang steht. (1) Durchbrechung von Wahlgrundsätzen Betrachtet man die für die Schwerbehindertenvertretungswahl geltenden Grundsätze in ihrer umfassenden inhaltlichen Reichweite wird deutlich, dass eine schriftliche Stimmabgabe drei der Wahlgrundsätze durchbricht. Maßgeblich ist hierbei, dass diese Form der Stimmabgabe einer Überwachung durch die wahlleitenden Personen entzogen ist. Dadurch kann insbesondere nicht sichergestellt werden, dass die Kennzeichnung des Stimmzettels unbeobachtet und ohne Beeinflussung durch Dritte erfolgt.24 Damit werden die Grundsätze der geheimen und der freien Wahl zumindest in ihren Randbereichen verletzt.25 Mangels Überwachung ebenfalls nicht gewährleistet ist aber auch, dass die Kennzeichnung durch den Wahlberechtigten selbst erfolgt. Aus diesem Grund schreibt § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchwbVWO vor, dass die Wahlberechtigten bei schriftlicher Stimmabgabe gesondert versichern müssen, dass sie den Stimmzettel persönlich gekennzeichnet haben. Eine solche Erklärung vermag – angesichts der eigenhändigen Unterschrift – die Wahrscheinlichkeit der Unmittelbarkeit der Stimmabgabe zu erhöhen. Allerdings lässt sich anders als bei überwachter Stimmabgabe im Wahllokal durch diese nicht ausschließen, dass die Kennzeichnung tatsächlich nicht durch den Wahlberechtigten selbst erfolgt. Demzufolge kann im Fall einer schriftlichen Stimmabgabe auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht in gleicher Weise gewährleistet werden, wie bei persönlicher Stimmabgabe im Wahllokal. (2) Rechtfertigung der Durchbrechung Die mit der Briefwahlmöglichkeit einhergehenden Durchbrechungen der Wahlgrundsätze sind nur dann gerechtfertigt, wenn hierfür andere, mindestens als gleichrangig einzustufende Gründe bestehen.26 24 So auch für die Betriebsratswahl: Kreutz, SAE 1980, 74, 74, der eine Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl gleichwohl ablehnt. 25 Siehe zu Reichweite dieser Grundsätze oben § 2 II. 1. a) und § 2 III. 1. a). 26 Vgl. für die Vereinbarkeit der nach § 36 BWahlG möglichen Briefwahl mit Art. 38 GG: BVerfG vom 15.02.1967, 2 BvC 2/66, NJW 1967, 924, 924 f. Vgl. im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Briefwahl mit den Grundsätzen der Betriebsratswahl: BAG vom 27.01.1993, 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952; LAG SchleswigHolstein, vom 18.03.1999, NZA-RR 1999, 523, 524; Fitting, BetrVG, § 14 Rn. 14. Vgl. auch Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO § 24 Rn. 1. A. A. dagegen in Bezug auf die Betriebsratswahl: BAG vom 14.02.1978, 1 ABR 46/77, AP Nr. 7 zu § 19 BetrVG 1972; Kreutz, SAE 1980, 74, 74 f.
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(a) Schriftliche Stimmabgabe bei Verhinderung Wie dargelegt, kommt eine schriftliche Stimmabgabe nach § 11 Abs. 1 SchwbVWO generell nur für solche Wahlberechtigten in Betracht, die an einer persönlichen Stimmabgabe gehindert sind. Die Briefwahlmöglichkeit wird somit nicht jedem Wahlberechtigten eingeräumt. Vielmehr wird sie auf diejenigen beschränkt, die entweder am Wahltag nicht im Betrieb anwesend sind oder infolge ihrer Behinderung nicht oder nur unter unzumutbaren Umständen in der Lage wären, ihre Stimme persönlich abzugeben.27 Die schriftliche Stimmabgabe nach § 11 Abs. 1 SchwbVWO ist also nur dann zulässig, wenn die Ausübung des aktiven Wahlrechts für den betreffenden Wahlberechtigten sonst entweder tatsächlich ausgeschlossen oder die Wahlrechtsausübung nur in nicht mehr zumutbarer Weise möglich wäre. Die Regelung des § 11 Abs. 1 SchwbVWO dient daher in diesen Fällen der Gewährleistung des Wahlrechts der Betroffenen. Sie ist damit Ausdruck der aus den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit resultierenden Verpflichtung, sämtlichen Wahlberechtigten in gleicher und zumutbarer Weise die Stimmabgabe zu ermöglichen. Damit treten insoweit die Grundsätze der geheimen, der freien und der unmittelbaren Wahl in Konkurrenz zu den Grundsätzen der Barrierefreiheit und der Allgemeinheit der Wahl. Angesichts der unmittelbaren Verknüpfung der Stimmabgabehandlung mit der Ausübung des aktiven Wahlrechts ist deren Gewährleistung höher zu gewichten als die umfassende Sicherstellung des Stimmgeheimnisses.28 Bedenkt man zudem, dass die verletzten Grundsätze jeweils nur hinsichtlich der umfassenden Überwachung, nicht jedoch in ihrem Kernbereich berührt werden, erscheinen auch die Grundsätze der freien und der unmittelbaren Wahl gegenüber denen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit nachrangig. Die mit § 11 Abs. 1 SchwbVWO einhergehenden Durchbrechungen der allgemeiner Wahlgrundsätze rechtfertigen sich also aus den insoweit widerstreitenden Grundsätzen der Allgemeinheit und Barrierefreiheit der Wahl. (b) Generelle schriftliche Stimmabgabe Im Fall der Anordnung einer generellen schriftlichen Stimmgabe wird dagegen gerade nicht an eine individuelle Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der persönlichen Stimmabgabe durch die Wahlberechtigten angeknüpft. Die mit § 11 Abs. 2 SchwbVWO einhergehenden Durchbrechungen lassen sich daher nicht mit der gleichen Begründung rechtfertigen. Stattdessen soll im Folgenden zunächst der Sinn und Zweck der generellen Briefwahl dargestellt und daraus anschließend Rückschlüsse auf die Rechtfertigung der Durchbrechungen gezogen werden. 27 28
Siehe dazu oben § 9 II. 1. d) aa) (1) (a). Vgl. BVerfG vom 15.02.1967, 2 BvC 2/66, NJW 1967, 924, 925.
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(aa) Sinn und Zweck der generellen schriftlichen Stimmabgabe Durch die Anordnung einer generellen schriftlichen Stimmabgabe soll – wie bereits dargelegt – die Teilnahme an der Schwerbehindertenvertretungswahl erleichtert und dadurch die Wahlbeteiligung erhöht werden.29 Die Regelung des § 11 Abs. 2 SchwbVWO bemüht sich also, den zu wählenden Interessenvertretern einen größeren demokratischen Rückhalt und damit eine größere Akzeptanz zu verschaffen. Die generelle Briefwahl versucht also dem allgemeinen Legitimationsgedanken Rechnung zu tragen. Dabei ist davon auszugehen, dass es schwerbehinderten Menschen im Allgemeinen schwer fällt, sich aus Arbeitsprozessen zu lösen und lange oder beschwerliche Wegstrecken zu den Wahllokalen für die Stimmabgabe auf sich zu nehmen.30 Damit besteht im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl in besonderer Weise ein Bedürfnis, zugunsten des Legitimationsgedankens Erleichterungen in der Stimmabgabe zu schaffen. In diesem Kontext ist zu beachten, dass eine nur auf Antrag ermöglichte Briefwahl nur bedingt geeignet ist, dieser Zielsetzung zu genügen. Für einzelne schwerbehinderte Menschen kann nämlich bereits das Erfordernis eines derartigen Briefwahlverlangens ein solches Hemmnis darstellen, dass diese auf die Ausübung ihres Wahlrechts verzichten.31 Dementsprechend kann es gerade bei der Schwerbehindertenvertretungswahl erforderlich sein, einem Wahlbeteiligungsschwund durch eine antragsfreie, generelle schriftliche Stimmabgabe zu begegnen.32 (bb) Schlussfolgerungen Damit stößt der, der Schwerbehindertenvertretungswahl innewohnende, Legitimationsgedanke im Fall des § 11 Abs. 2 SchwbVWO auf die Grundsätze der geheimen, der freien und der unmittelbaren Wahl. Vor diesem Hintergrund ist zu beurteilen, ob die vorstehend dargestellte Zielsetzung des § 11 Abs. 2 SchwbVWO geeignet ist, die mit dieser Regelung einhergehenden Durchbrechungen der genannten Wahlgrundsätze zu rechtfertigen. Diesbezüglich ist zu bedenken, dass eine generelle Briefwahl die Kernbereiche der besagten Wahlgrundsätze unberührt lässt. Durchbrochen wird lediglich die Zielsetzung, den jeweiligen Kernbereich durch eine persönliche Überwachung des Wahlgeschehens zusätzlich ab29 Amtl. Begr. BR-Drs. 147/90, S. 14; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 1; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 39; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 11. 30 Vgl. Amtl. Begr. BR-Drs. 147/90, S. 14. Vgl. auch schon zur früheren Briefwahlregelung: Amtl. Begr. zu § 11 SchwbWO, BR-Drs. 290/75. 31 Ähnlich Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 11 Anm. 1. 32 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 81; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 11 Rn. 2; Pohl, in: Feldes/Kohte/StevensBartol, SGB IX, § 94 Rn. 40.
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zusichern. Vorliegend geht es somit im Detail nicht um die Frage, ob die Wahlgrundsätze in Gänze hinter dem Legitimationsgedanken zurückstehen müssten. Zu beurteilen ist vielmehr nur, ob die mit Erleichterung der Stimmabgabe beabsichtigte Wahlbeteiligungssteigerung geeignet erscheint, Einschränkungen in der Überwachung der Wahlgrundsatzeinhaltung durch den Wahlvorstand zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass mit den Möglichkeiten des §§ 10 Abs. 4 und 11 Abs. 1 SchwbVWO anerkannt ist, dass die Einhaltung der Grundsätze der freien, der geheimen und der unmittelbaren Wahl auch durch die Wahlberechtigten selbst erfolgen kann. Demgegenüber ergibt sich aus den Besonderheiten des Wählerkreises der Schwerbehindertenvertretungswahl, ein spezifisches Bedürfnis die Wahlbeteiligung durch Stimmabgabeerleichterungen zu erhöhen. Nur dadurch kann dem Legitimationsgedanken der Wahl in der gebotenen Weise Rechnung getragen werden. Aus diesem Grund ist auch das mit § 11 Abs. 2 SchwbVWO verfolgte Ziel insoweit höher zu gewichten als die zusätzliche Möglichkeit der Überwachung des Wahlgeschehens. Die auftretenden Durchbrechungen rechtfertigen sich im Bereich des § 11 Abs. 2 SchwbVWO somit letztlich aus den Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl. 2. Amtsbezogene Trennung der Stimmabgabe Bei der Stimmgabe wird in den Wahlvorschriften strikt zwischen dem Amt der Schwerbehindertenvertretung einerseits und den stellvertretenden Mitgliedern andererseits getrennt (vgl. §§ 9 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO). Hierdurch soll die demokratische Legitimation der ggf. nachrückenden stellvertretenden Mitglieder sichergestellt werden.33 Gleichzeitig wird gewährleistet, dass Wahlbewerber, die nur für eines der beiden Ämter angetreten sind, auch nur für dieses mandatiert werden können. a) Vollzug der Trennung Die amtsbezogenene Trennung der Stimmabgabe wird dergestalt vollzogen, dass die Wahlberechtigten ihre Stimme für jedes Amt separat abzugeben haben und diese auch dann nicht zusammengerechnet werden, wenn sie für den gleichen Kandidaten erfolgt sind. Stattdessen muss für jedes der Ämter eigenständig festgestellt werden, welcher der Kandidaten jeweils die meisten Stimmen erhalten hat, wobei stets nur die zugunsten des betreffenden Amtes abgegebenen Stimmen zu berücksichtigen sind. 33 Vgl. die Begr. Reg.-Entw. zu den getrennten Wahlgängen bei der Sprecherausschusswahl nach § 6 Abs. 3 SprAuG, BT-Drs. 11/2503, S. 37. Vgl. dazu auch Bauer, SprAuG, § 6 Anm. IV.
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b) Erforderlichkeit einer zeitlich versetzten Abstimmung Angesichts der in den Wahlvorschriften festgelegten Trennung der Stimmabgabe drängt sich die Frage auf, ob die getrennte Stimmabgabe zwingend zur Folge hat, dass die Abstimmungen auch zeitlich versetzt erfolgen müssen oder ob diese auch gleichzeitig stattfinden können. aa) Angelegte Parallelität der Abstimmungen im förmlichen Wahlverfahren Für das förmliche Wahlverfahren lässt sich die Antwort mittelbar aus dem Wortlaut der Wahlvorschriften ableiten. In § 9 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO wurde nämlich festgelegt, dass sämtliche antretenden Wahlbewerber nach den angestrebten Ämtern getrennt auf einem einheitlichen Stimmzettel aufzuführen sind.34 Die Nennung auf einem einheitlichen Stimmzettel wäre jedoch wenig sinnvoll, wenn über die dort genannten Kandidaten nicht auch gleichzeitig abgestimmt werden würde. Schließlich müssten im Fall einer versetzten Abstimmung entweder bereits benutzte Stimmzettel erneut verwendet werden, wodurch der Grundsatz der geheimen Wahl verletzt würde. Oder aber man würde im zeitlich versetzten, zweiten Wahlgang wiederum neue Exemplare der bereits erstellten Stimmzettel benutzen, wobei dann die Angabe der Kandidaten zur vorangegangenen Abstimmung weitgehend sinnentleert wäre. Die Vorgabe der Verwendung einheitlicher Stimmzettel für beide Wahlgänge kann daher sinnvoller Weise nur so verstanden werden, dass die Kandidaten für beide Ämter zeitgleich zu wählen sind. Der Normgeberischen Intension nach steht einer getrennten Stimmabgabe somit deren zeitliche Parallelität nicht entgegen.35 bb) Fehlende Regelung für das vereinfachte Wahlverfahren Für das vereinfachte Wahlverfahren finden sich dagegen keine Regelungen, aus denen sich mittelbar Rückschlüsse auf das zeitliche Verhältnis der Wahlgänge ziehen lassen. Aus diesem Grund ist umstritten, ob die Stimmabgabe hier anders als im förmlichen Wahlverfahren zwingend zeitlich versetzt zu erfolgen hat36 oder ob eine parallele Abstimmung auf einem einheitlichen Stimmzettel 34
LAG München vom 25.10.2007, 4 TaBV 38/07. So im Ergebnis auch BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 91/07, NZA-RR 2010, 76, 78; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 28. Vgl. auch LAG München vom 25.10.2007, 4 TaBV 38/07. 36 So Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 5; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 119; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 8; Treml, BehR 1986, 57, 62. Wohl auch Heuser, BehR 1990, 25, 29; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 106. 35
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möglich ist, soweit die Kandidaten auf diesem optisch klar nach Ämtern getrennt aufgeführt werden.37 (1) Wortlaut und Systematik Geht man vom Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO aus, liegt es zunächst nahe davon auszugehen, dass die Abstimmungen im vereinfachten Wahlverfahren nicht gleichzeitig stattfinden dürften.38 Dem allgemeinen Sprachverständnis nach steht der Begriff der Wahlgänge nämlich für zeitlich versetzte Abstimmungshandlungen.39 In systematischer Hinsicht ist dagegen festzustellen, dass für beide Wahlverfahren gleichermaßen „getrennte Wahlgänge“ vorgesehen sind (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO).40 In Anbetracht der für das förmliche Wahlverfahren in § 9 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO angelegten Parallelität der Abstimmungsvorgänge liegt es somit in systematischer Hinsicht nahe, auch für das vereinfachte Verfahren von einer gleichzeitigen Durchführung der Wahlgänge auszugehen. (2) Teleologische Gesichtspunkte In teleologischer Hinsicht stehen sich im Für und Wider der zeitlichen Trennung im Wesentlichen zwei41 Kernargumente gegenüber. Diese sollen im Folgenden dargestellt und anschließend in den Kontext der Wahlgrundsätze gestellt werden, um eine entsprechende Gewichtung der Argumente vornehmen zu können. (a) Infolge gleichzeitiger Abstimmungen entstehende Verwerfungen Für eine zeitliche Versetzung der Abstimmung spricht zunächst, dass eine gleichzeitige Wahl im Fall zulässiger Doppelkandidaturen42 zu Verwerfungen beim Stimmerfolgswert führen könnte. Bei der Wahl der stellvertretenden Mitglieder kann es nämlich passieren, dass die für einen Kandidaten abgegebenen 37 So OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/99.PVB, BehR 2001, 147, 150 und Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 48. 38 Sich explizit auch auf den Wortlaut stützend: Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 8. 39 Vgl. Bertelsmann – Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort: „Wahlgang“; Duden – Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: „Wahlgang“; Wahrig – Deutsches Wörterbuch, Stichwort: „Wahlgang“. 40 Vgl. auch BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 91/07, AP Nr. 5 zu § 94 SGB IX. 41 Das darüber hinaus von Adlhoch (in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96) zusätzlich angeführte Argument der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil der Normgeber die Verwendung einheitlicher Stimmzettel selbst im – gerade zugunsten der Rechtssicherheit – streng formalisierten, förmlichen Verfahren nicht als problematisch angesieht. 42 Siehe dazu oben § 8 II. 5. c) cc) und dd).
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Stimmen bei der Auszählung allein deshalb nicht mehr zu berücksichtigen sind, weil der Kandidat nach dem Ergebnis der Abstimmung über die Schwerbehindertenvertrauensperson erfolgreich gewählt worden ist und die Wahl angenommen hat.43 Rückblickend betrachtet stand dieser Kandidat mit seiner Wahl als Schwerbehindertenvertretung für das Amt des stellvertretenden Mitglieds also gar nicht mehr zur Disposition. Wäre den Wahlberechtigten dies bereits zum Zeitpunkt ihrer Wahlentscheidung über die stellvertretenden Mitglieder bekannt gewesen, hätten sie diesem Wahlbewerber keine Stimme mehr zuteil werden lassen. Daher erscheint es unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit des Stimmenerfolgswerts grundsätzlich erforderlich, dass den Wahlberechtigten das Ergebnis der Abstimmung über die Schwerbehindertenvertrauensperson bekannt ist, bevor die Wahl der stellvertretenden Mitglieder durchgeführt wird.44 (b) Nachteilige Folgen einer zeitlich versetzten Abstimmung Es darf aber auch nicht verkannt werden, dass eine terminlich versetzte Durchführung der Abstimmungen über die Schwerbehindertenvertretung einerseits und die stellvertretenden Mitglieder andererseits zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen des Wahlprozesses führen würde.45 Es müssten nämlich nicht nur die Abstimmungshandlungen und die Stimmauszählungen doppelt erfolgen, sondern auch die den Gewählten zuzugestehende Entscheidungsfrist über die Annahme der Wahl müsste für beide Abstimmungsvorgänge separat gewährt werden. In engem Zusammenhang damit stünde im Fall zeitlich versetzter Abstimmungen, auch eine die Wahlbeteiligung hemmende Wirkung zu befürchten. Ist nämlich nicht nur ein einzelner, sondern sind zwei separate Urnengänge erforderlich, könnte dies bei einigen Wahlberechtigten die Bereitschaft zur Teilnahme an der zweiten Abstimmung schmälern. Dies gilt insbesondere für Personen, die infolge von Beeinträchtigung ihres Gehapparates das Wahllokal nur beschwerlich erreichen können oder allgemein Schwierigkeiten haben, sich aus ihren Arbeitsabläufen zu lösen. Mitunter bestünde sogar das Risiko, dass das Erfordernis mehrmaliger Abstimmungen Wahlberechtigte insgesamt davon abhält, sich an der Schwerbehindertenvertretungswahl überhaupt zu beteiligen.46
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Vgl. Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 94 Rn. 51. So ausdrücklich in Bezug auf das vereinfachte Wahlverfahren: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 20 Rn. 5; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 20; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 8. 45 Vgl. auch BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 91/07, NZA-RR 2010, 76, 78, das insoweit maßgeblich auf die Reduzierung des Aufwandes abstellt. 46 Vgl. zu den negativen Folgen langwieriger Wahlprozesse: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. II, S. 367; Jacobs, Wahlvorstände, S. 56; Wlotzke, ZGR 1977, 355, 372. 44
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Eine zeitliche Versetzung der Abstimmungen über das Amt der Schwerbehindertenvertrauensperson einerseits und der stellvertretenden Mitglieder andererseits wäre dadurch mit nicht unerheblichen negativen Folgen verbunden. (c) Bedeutung der Wahlgrundsätze Bei der Abwägung der beiden widerstreitenden Kernargumente darf die Bedeutung der für die Schwerbehindertenvertretungswahl geltenden Wahlgrundsätze nicht verkannt werden. Vielmehr sind diese gerade im Rahmen der Auslegung in die Betrachtung einzubeziehen.47 (aa) Grundsatz der Simplizität Zuvorderst ist hierbei auf den Grundsatz der Simplizität abzustellen. Dieser zielt darauf ab, die Wahl nicht unnötig zu erschweren. Er verlangt dabei, dass Wahlvorschriften stets dergestalt auszulegen sind, dass unnötige Formalismen und daraus resultierende zusätzliche Hürden für die Wahlbeteiligung oder weitere Fehlerrisiken vermieden werden, soweit die betreffende Regelung nicht aus anderen wesentlichen Gründen geboten erscheint.48 Wie bereits aufgezeigt, geht eine zeitliche Versetzung der Wahlgänge sehr wohl mit erheblichen Verzögerungen einher und kann dadurch erhebliche Hürden für die Wahlbeteiligung und die Mitwirkungsbereitschaft aufbauen. Diese ließe sich jedoch vornehmlich nur durch Verbesserung des Stimmenerfolgswerts rechtfertigen. (bb) Grundsätze der Mehrheitswahl und Grundsatz der Wahlgleichheit Das Ziel der Optimierung des Stimmerfolgswerts lässt sich im Allgemeinen auf den Grundsatz der Gleichheit der Wahl zurückführen. Im Hinblick auf diesen Wahlgrundsatz ist jedoch stets zu beachten, dass seine inhaltliche Reichweite vom anzuwendenden Wahlsystem abhängig ist.49 Mit der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten einer Mehrheitswahl wurde nämlich mittelbar auch bestimmt, dass der Stimmenerfolgswert bei der Schwerbehindertenvertretungswahl gerade nicht Bestandteil der Wahlgleichheit sein wird. Der Gesetzgeber hat folglich mit der Auswahl des in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB IX festgelegten Wahlsystems deutlich gemacht, dass er im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl auf eine Stimmerfolgsgleichheit keinen Wert legt.
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Siehe dazu oben § 2 I. Siehe dazu oben § 2 IV. 2. a). Siehe näher dazu oben § 2 III. 2. a).
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(cc) Schlussfolgerungen Aus dieser Wertungsentscheidung folgt jedoch, dass sich weder der Stimmenerfolgswert im Speziellen noch der Grundsatz der Gleichheit der Wahl im Allgemeinen zur teleologischen Begründung einer zeitlichen Trennung der Wahlgänge heranziehen lässt. Für eine versetzte Durchführung der beiden Wahlgänge fehlt also eine nachhaltig rechtfertigende Begründung. Nach Maßgabe des Grundsatzes der Simplizität sind die Wahlvorschriften des vereinfachten Verfahrens daher so auszulegen, dass das Erfordernis der getrennten Wahlgänge gerade nicht verlangt, dass diese zeitlich versetzt zu erfolgen hätten.50 3. Ausschluss der Kumulierung bei der Stellvertreterwahl Bei der Wahl der stellvertretenden Mitglieder können gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 SchwbVWO grundsätzlich so viele Stimmen abgegeben werden, wie Stellvertreter zu wählen sind.51 Dies bedeutet allerdings nicht automatisch, dass den Wahlberechtigten bei der Abstimmung über die Stellvertreter der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit der Stimmhäufung offen stünde. Zwar steht die Möglichkeit der Kumulation prinzipiell im Einklang mit den Grundsätzen der Mehrheitswahl, jedoch bedingt eine Mehrheitswahl mit mehreren Stimmen nicht generell die Option zur Stimmhäufung. Die Möglichkeit zur Konzentration mehrerer Stimmen auf einen Kandidaten ist daher durch Auslegung der Wahlvorschriften zu bestimmen. a) Wortlaut und Systematik Gegen die Kumulierung spricht bereits der Wortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 2 SchwbVWO, der bei der Wahl mehrerer stellvertretender Mitglieder lediglich vorsieht, dass „Bewerber und Bewerberinnen in der entsprechenden Anzahl angekreuzt werden“ können. Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung des § 9 Abs. 3 SchwbVWO. Dort ist festgelegt, dass die Wahlberechtigten auf dem Stimmzettel darauf hingewiesen werden sollen, „wie viele Bewerber und Bewerberinnen im Höchstfall angekreuzt werden dürfen“. In beiden Vorschriften ist ausschließlich davon die Rede, dass mehrere Kandidaten angekreuzt werden können. Dagegen sehen die Normen nicht vor, dass eine Mehrzahl von Stimmen auf 50 So im Ergebnis wohl auch OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2000, 1 A 1541/ 99.PVL, BehR 2001, 147, 150 und Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 48. Vgl. auch BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 91/07, NZA-RR 2010, 76, 78, das im Hinblick auf das förmliche Verfahren keine Gründe sieht, die gegen eine gleichzeitige Durchführung der Wahlgänge sprächen und gleichzeitig den damit einhergehenden Vereinfachungseffekt betont. 51 Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 54; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 37.
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einen Kandidaten vereinigt werden könnten, wie dies in den Kumulierungsmöglichkeiten vorsehenden Kommunalwahlvorschriften einiger Bundesländer der Fall ist (vgl. § 43 Abs. 2 und 3 BbgKWahlG; § 19 Abs. 2 KomWG-B-W; § 15 Abs. 5 SächsKomWG; § 20 Abs. 1 ThürKWG). Der Wortlaut legt es daher nahe, dass der Normgeber – ebenso wie im Betriebsverfassungsrecht52 – keine Stimmhäufung ermöglichen wollte. b) Teleologische Gesichtspunkte Daneben sprechen auch teleologische Gesichtspunkte gegen eine Kumulierungsmöglichkeit. Ohne Frage steht die Möglichkeit der Stimmhäufung im Einklang mit den Grundsätzen der gleichen und freien Wahl und ist als in hohem Maße demokratisch anerkannt.53 Im Hinblick auf die Schwerbehindertenvertretungswahl ist jedoch zu beachten, dass die Zahl der zu wählenden Stellvertreter und damit die Anzahl der jedem Wahlberechtigten zustehenden Stimmen nicht von vornherein feststehen. Vielmehr wird diese erst durch Beschluss des Wahlvorstands oder im vereinfachten Wahlverfahren durch die Wahlversammlung festgelegt. Damit könnte der Ausgang der Wahl insoweit beeinflusst werden, als durch eine hohe Stellvertreterzahl solchen potentiellen Kandidaten eine vorteilhafte Position verschafft werden würde, die auf Grund ihrer allgemeinen Beliebtheit in besonderem Maße von Stimmhäufungen profitieren dürften.54 Eine solche Steuerungsmöglichkeit widerspräche jedoch der allgemeinen Zielrichtung einer demokratischen Wahl. c) Schlussfolgerungen Sowohl der Wortlaut des § 9 SchwbVWO als auch die Variabilität der Stellvertreterzahl sprechen daher gegen die Zulässigkeit der Stimmhäufung bei der Abstimmung über die stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretungswahl. Eine Möglichkeit der Kumulierung mehrerer Stimmen für die Stellvertreterwahl ist daher abzulehnen.55 Wird ein als stellvertretendes Mitglied kandidierender Wahlbewerber mehrfach angekreuzt, ist die Stimmabgabe – bei
52 Dazu Fitting, BetrVG, WO, § 20 Rn. 4; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 20 Rn. 3; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 20 Rn. 5. 53 Bericht der Enquête-Kommission Verfassungsreform, BT-Drs. 7/5924, S. 18; Schmidt-De Caluwe, NVwZ 2001, 270, 272; Schreiber, BWahlG, § 27 Rn. 16. Vgl. auch Dittberner, Das Parlament, 40/2004, Beilage; Ramsauer/Heidmann, NordÖR 2003, 482, 483 ff. 54 Vgl. dazu Bericht der Enquête-Kommission Verfassungsreform, BT-Drs. 7/5924, S. 18, der im Hinblick auf politische Wahlen zu Recht auf eine Sogwirkung prominenter Kandidaten hinweist. 55 Ebenso Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 9 und Schleicher, WO zum SchwbG, § 9 Rn. 4.
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Einhaltung der übrigen Voraussetzungen – nicht ungültig, sondern als eine Stimme zu zählen.56 4. Hinzuziehung von Hilfspersonen bei der Stimmabgabe Wie bereits angesprochen besteht für die Wahlberechtigten nach § 10 Abs. 4 SchwbVWO die Möglichkeit, bei der Stimmabgabe eine Hilfsperson57 heranzuziehen, wenn sie bei dieser infolge ihrer Behinderung beeinträchtigt wären. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO besteht diese Möglichkeit auch im Rahmen der schriftlichen Stimmabgabe. Eine solche Hinzuziehung von Hilfspersonen bei der Stimmabgabe kann allerdings je nach konkreter Ausgestaltung zu Durchbrechungen der Grundsätze der geheimen und der freien Wahl, sowie des Grundsatzes der Unmittelbarkeit führen. Im Folgenden soll daher zunächst untersucht werden, unter welchen Bedingungen sich diese Durchbrechungen der Wahlgrundsätze durch andere gleichrangige Gründe rechtfertigen lassen. Anschließend soll überprüft werden, ob die aus dem zuvor gefundenen Ergebnis folgenden Vorgaben in den normierten Voraussetzungen der Wahlvorschriften hinreichend Berücksichtigung gefunden haben. a) Vereinbarkeit der Heranziehung mit den für die Wahl geltenden Grundsätzen Die Regelung des § 10 Abs. 4 SchwbVWO gewährt die Möglichkeit, dass bei der Stimmabgabe unter bestimmten Voraussetzungen Hilfspersonen herangezogen werden können, die die Wahlberechtigten bei der Stimmabgabehandlung unterstützen und dazu auch die Wahlkabinen betreten dürfen. Im Großteil der insoweit denkbaren Hilfeleistungen erlangt die hinzugezogene Vertrauensperson Kenntnis von der getroffenen Wahlentscheidung. Zumindest aber lässt sich eine Kenntnisnahme bei gleichzeitiger Anwesenheit in der Wahlkabine nicht ausschließen. Damit wird durch die Heranziehung von Hilfspersonen der Grundsatz der geheimen Wahl58 verletzt. In der Regel lässt sich bei gleichzeitiger Anwesenheit von Wähler und Hilfsperson in der Wahlkabine auch nicht ausschließen, dass der Wahlberechtigte einer unzulässigen Beeinflussung durch die Hilfsperson aus56 In Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht: Fitting, BetrVG, WO, § 20 Rn. 4; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 20 Rn. 3; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 20 Rn. 5. 57 In der Terminologie der SchwbVWO müsste insoweit grundsätzlich von „Vertrauenspersonen“ gesprochen werden. Zur Vermeidung etwaiger Verwechslungen mit der Schwerbehindertenvertrauensperson wird jedoch im Folgenden stattdessen der Begriff der „Hilfspersonen“ verwendet, wobei diesem hierdurch keine abweichende Bedeutung beigemessen werden soll. 58 Siehe zu diesem Grundsatz ausführlich oben § 2 II. 1. a).
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gesetzt ist. Dementsprechend lässt sich im Fall der Heranziehung von Hilfspersonen auch die Einhaltung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl59 nicht hinreichend sicherstellen. Schließlich darf die Unterstützungsleistung der Hilfsperson nach den Wahlvorschriften auch die Kennzeichnung des Stimmzettels umfassen.60 Dies stünde jedoch im Widerspruch zum Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl61,62 so dass auch insoweit ein zentraler Wahlgrundsatz durchbrochen wird. aa) Rechtfertigung der Durchbrechungen Die Hinzuziehung von Hilfspersonen bei der Stimmabgabe führt also zur Durchbrechung mehrerer elementarer Grundsätze der Schwerbehindertenvertretungswahl. Eine solche Durchbrechung wesentlicher Wahlgrundsätze ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine solche Handhabung aus zwingenden, zumindest gleichrangigen Gründen heraus geboten ist.63 Zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl64 und dem ihn weitgehend überlagernden Grundsatz der Barrierefreiheit65 zu. Nach diesen Grundsätzen muss auch solchen Wahlberechtigten die Ausübung ihre Wahlrechts ermöglicht werden, die infolge ihrer Behinderung in der Stimmabgabe beeinträchtigt wären und dadurch nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen abstimmen könnten. In Bezug auf diesen Personenkreis besteht also aus den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit heraus ein Bedürfnis der Schaffung von der Regelform abweichender Stimmabgabemöglichkeit. Angesichts der unmittelbaren Verknüpfung der Stimmabgabehandlung mit der Ausübung des aktiven Wahlrechts ist deren Gewährleistung höher zu gewichten als die Einhaltung der Grundsätze der Gleichheit, Freiheit und Unmittelbarkeit der Wahl.66 Daher rechtfertigen sich die mit § 10 Abs. 4 SchwbVWO einhergehenden Durchbrechungen aus den insoweit widerstreitenden Grundsätzen der Allgemeinheit und Barrierefreiheit der Wahl. 59
Siehe zu diesem Grundsatz ausführlich oben § 2 III. 1. a). Vgl. zur Betriebsratswahl: Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 12 Rn. 6. 61 Siehe dazu ausführlich oben § 2 II. 2. a). 62 Vgl. zur Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit durch die Zulassung von Hilfspersonen: Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 80; Trute, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 34. 63 Vgl. in Bezug auf die Vereinbarkeit der Hinzuziehung von Vertrauenspersonen bei der Bundestagswahl mit Art. 38 GG: BVerfG vom 15.02.1967, 2 BvC 2/66, NJW 1967, 924, 924 f.; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 80. Ähnlich wohl auch Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 28, die jedoch insoweit zur Rechtfertigung auf die Gewährleistung der Barrierefreiheit abstellen, ohne dabei darzulegen, woraus sich deren Erforderlichkeit herleitet. 64 Siehe ausführlich zu diesem Grundsatz und dessen Grenzen oben § 2 III. 3. a). 65 Siehe zu diesem Grundsatz § 2 IV. 4. a). 66 Vgl. BVerfG vom 15.02.1967, 2 BvC 2/66, NJW 1967, 924, 925; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 80; Trute, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 34. 60
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bb) Grenzen der Rechtfertigung Die dargestellte Rechtfertigung der Durchbrechungen greift jedoch nur dort Platz, wo die Heranziehung der Hilfspersonen auch tatsächlich zur Gewährleistung der Allgemeinheit bzw. der Barrierefreiheit der Wahl erforderlich ist. Sie beschränkt sich damit auf Fälle, in denen die schwerbehinderten Beschäftigten ihr Wahlrecht ohne die Hilfsperson nicht oder nur in inadäquater, nicht mehr zumutbarer Weise ausüben könnten. Die Hinzuziehung von Hilfsperson kann daher grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn diese von entsprechenden behinderungsbedingten Einschränkungen abhängig gemacht und deren Vorliegen vor der Zulassung der Heranziehung überprüft wird. b) Rahmenbedingungen der Heranziehung Im Folgenden soll nunmehr untersucht werden, welche Schlussfolgerungen aus dem Spannungsverhältnis der Wahlgrundsätze zu ziehen sind und inwieweit sich die aufgezeigten Grenzen der Rechtfertigung auf die Handhabung des § 10 Abs. 4 SchwbVWO auswirken. aa) Voraussetzungen der Heranziehung Eine Hinzuziehung einer Hilfsperson kommt nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SchwbVWO grundsätzlich nur in Betracht, wenn der betreffende Wahlberechtigte auf Grund einer Behinderung in der Stimmabgabe beeinträchtigt ist. Die Wahlvorschriften knüpfen insoweit richtigerweise an das Vorliegen behinderungsbedingter Einschränkungen der Stimmabgabe an. Allerdings gewährt der Grundsatz der Barrierefreiheit nicht für jedwede Beeinträchtigung bei der Ausübung des aktiven Wahlrechts einen Anspruch auf alternative Möglichkeiten der Wahlrechtsausübung.67 Erforderlich ist vielmehr, dass die Beeinträchtigung dazu führt, dass keine adäquate und den betrieblichen Bedingungen nach zumutbare Stimmabgabe mehr möglich ist. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Satz 1 SchwbVWO sind daher mit Blick auf die Wahlgrundsatzdurchbrechungen eng auszulegen. Eine Hinzuziehung von Hilfspersonen kommt daher nur in Betracht, wenn die Wahlberechtigten durch ihre Behinderung so beeinträchtigt werden, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Stimme überhaupt oder in zumutbarer Weise allein abzugeben, also den Stimmzettel selbst zu kennzeichnen und ihn in den Wahlumschlag zu legen.68 Die Art der Behinderung ist für die Zulässigkeit dagegen unbeachtlich, so dass auch geistige Behinderungen die Hinzuziehung 67
Siehe allgemein dazu oben § 2 IV. 4. a). Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 4; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 9; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23. 68
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Kap. 4: Phasen der Wahl
von Hilfspersonen rechtfertigen können.69 Andere, nicht behinderungsbedingte Hemmnisse bei der Stimmabgabe erfüllen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Satz 1 SchwbVWO dagegen nicht,70 so dass eine Hinzuziehung in diesem Fall unzulässig wäre.71 bb) Prüfung der Voraussetzungen Eine Prüfung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Satz 1 SchwbVWO ist in den Wahlvorschriften explizit nicht vorgesehen. Wegen der Grundsätze der geheimen, der freien und der unmittelbaren Wahl wäre der Wahlvorstand allerdings verpflichtet, solche Stimmabgaben zu unterbinden, bei denen die Wahlberechtigten ihren Stimmzettel nicht allein und/oder nicht unbeobachtet gekennzeichnet haben.72 Der Wahlvorstand müsste daher auch Unterstützungsleistungen von Hilfspersonen verhindern. Von dieser Pflicht zur unbedingten Gewährleistung der Wahlgrundsätze wird der Wahlvorstand nur entbunden, wenn eine zu befürchten stehende Verletzung auf Grund anderer mindestens gleichrangiger Gründe gerechtfertigt ist. Damit der Wahlvorstand davon absehen kann, gegen die Mitwirkung Dritter bei der Stimmabgabehandlung, insbesondere das Betreten der Wahlkabine einzuschreiten, muss er sich zunächst vom Vorliegen einer entsprechenden Rechtfertigung überzeugen. Konsequenter Weise wird in § 10 Abs. 4 Satz 1 a. E. SchwbVWO verlangt, dass ein Wahlberechtigter, der die Hinzuziehung einer Hilfsperson beabsichtigt, dies dem Wahlvorstand mitzuteilen habe. Dadurch werden die Wahlvorstandsmitglieder auch in die Lage versetzt, das jeweilige Vorliegen der Voraussetzungen der Hinzuziehung zu prüfen.73 Die Prüfungskompetenz beschränkt sich dabei jedoch auf die jeweils im Wahllokal anwesenden Mitglieder des Wahlvorstands. Schließlich wären auch nur diese zum Einschreiten gegen Verstöße verpflichtet und müssen daher in eigener Verantwortung die Reichweite
69 Ebenso Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 10 Rn. 4; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 9. Vgl. aber im Hinblick auf § 12 Abs. 4 WO-BetrVG: Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 12 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 18 und WO, § 12 Rn. 6, die jeweils auf „körperliche Gebrechen“ abstellen und dabei wohl die Terminologie der nunmehr geltenden Vorschrift verkennen. 70 Eine Sonderstellung nehmen insoweit Beschäftigte ein, die unter Analphabethismus leiden, weil dieser zwar häufig, jedoch nicht zwingend auf einer entsprechenden, auch die Wahlteilnahme beeinträchtigenden Behinderung beruht und die Beschäftigten gleichwohl in § 10 Abs. 4 Satz 5 SchwbVWO uneingeschränkt gleichgestellt werden. 71 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 4; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 10 Rn. 3. A. A. Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 10, der übersieht, dass § 10 Abs. 4 Satz 1 SchwbVWO eine Behinderung verlangt. 72 Vgl. Fitting, BetrVG, WO, § 12 Rn. 11. 73 Vgl. Kreuz, in: GK-BetrVG, WO, § 12 Rn. 6; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 12 Rn. 6.
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ihrer Kompetenzen und Aufgaben kontrollieren.74 Ein Ermessensspielraum ist insoweit jedoch nicht gegeben, weil die Zulässigkeit der Hinzuziehung durch das Spannungsverhältnis der kollidierenden Wahlgrundsätze zwingend vorgegeben ist. cc) Auswahl der Hilfsperson Hinsichtlich der Auswahl der Hilfspersonen enthalten die Wahlvorschriften nur wenige Vorgaben. Ausschlossen sind nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SchwbVWO lediglich Wahlbewerber, Wahlhelfer und Mitglieder des wahlleitenden Organs.75 Diese Einschränkungen sind erforderlich, um einerseits die Möglichkeit und den äußeren Anschein einer Wahlbeeinflussung durch die antretenden Kandidaten zu vermeiden und andererseits die die Basis der Legitimation der Wahl bildende Neutralität des wahlleitenden Organs zu bewahren. Außerhalb der Vorgaben des § 10 Abs. 4 Satz 2 SchwbVWO können die Wahlberechtigten bei der Auswahl der Hilfsperson jedoch frei entscheiden und sind nicht an Vorgaben des wahlleitenden Organs gebunden. Nicht geregelt ist dabei die Frage, ob auch betriebsexterne Personen als Hilfsperson herangezogen werden dürfen. Dem könnte grundsätzlich das Hausrecht des Arbeitgebers entgegenstehen. Daneben erscheint eine Einbindung betriebsexterner Personen in das Wahlgeschehen auch im Widerspruch zum Grundsatz der Selbstorganisation.76 Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Möglichkeit zur Hinzuziehung gerade wegen des Grundsatzes der Barrierefreiheit geboten ist, gleichzeitig aber mit schwerwiegenden Einschränkungen des Geheimschutzes einhergeht. Schließlich muss der Wahlberechtigte zur Ausübung seines Wahlrechts auf das Recht verzichten, seine Stimme so abzugeben, dass kein Dritter vom Stimmverhalten Kenntnis erlangt.77 Diese Einschränkung wiegt umso schwerer als die in § 10 Abs. 4 Satz 4 SchwbVWO normierte Geheimhaltungspflicht sanktionsfrei ausgestaltet ist.78 Zwischen dem Wahlberechtigten und seiner Hilfsperson muss daher ein absolutes Vertrauensverhältnis bestehen.79 Dies gilt erst recht, wenn die Kennzeichnung des Stimmzettels nicht durch den Wahlberechtigten selbst, sondern durch die Hilfsperson erfolgt. Dann muss sich der Wahlberechtigte gerade 74
Ähnlich für § 12 WO-BetrVG: Kreuz, in: GK-BetrVG, WO, § 12 Rn. 6. Unzutreffend: Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 23, der entgegen § 10 Abs. 4 Satz 2 SchwbVWO auch Mitglieder des Wahlvorstands zulassen will. 76 Siehe näher zu diesem Grundsatz oben § 2 IV. 3. a). 77 Siehe zu diesem aus dem Grundsatz der geheimen Wahl abgeleiteten Recht oben § 2 II. 1. a). 78 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 10 Anm. 4. Vgl. auch Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 10 Rn. 3. 79 Nicht ohne Grund ist in § 10 Abs. 4 SchwbVWO gerade von „Vertrauensperson“ die Rede. 75
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Kap. 4: Phasen der Wahl
darauf verlassen können, dass die Hilfsperson voll und ganz seinen Wünschen folgt. Ein solches intensives Vertrauensverhältnis ist gegenüber Betriebsangehörigen jedoch nicht zwangsläufig gegeben. Die Offenbarung des Stimmverhaltens gegenüber nicht hinreichend vertrauenswürdig erscheinenden Personen, ist den Wahlberechtigten jedoch auch zur Ermöglichung der Wahlrechtsausübung nicht zuzumuten. Der Grundsatz der Barrierefreiheit bedingt daher, dass sich die Hinzuziehung von Hilfspersonen wegen der damit verbundenen Einschränkungen der geheimen und freien Wahl und des somit erforderlichen besonderen Vertrauensverhältnisses nicht auf betriebsinterne Personen beschränkt.80 Der Grundsatz der Barrierefreiheit rechtfertigt daher auch eine dahingehende Durchbrechung des Grundsatzes der Selbstorganisation. Auch dem Betrieb nicht angehörende Personen können daher bei der Stimmabgabe als Hilfsperson i. S. d. § 10 Abs. 4 SchwbVWO herangezogen werden. c) Hinzuziehung im vereinfachten Wahlverfahren Die Möglichkeit der Hinzuziehung von Hilfspersonen ist für das vereinfachte Wahlverfahren nicht eigenständig geregelt worden und auch eine Bezugnahme auf § 10 Abs. 4 SchwbVWO nicht erfolgt. Den Wahlvorschriften nach wäre eine solche Hinzuziehung also im vereinfachten Verfahren ausgeschlossen. Der Grundsatz der Barrierefreiheit verlangt jedoch für dieses Wahlverfahren gleichermaßen, dass auch solchen Wahlberechtigten die Wahlrechtsausübung ermöglicht wird, die infolge ihrer Behinderung nicht oder nicht in zumutbarer Weise in der Lage sind, ihre Stimme allein abzugeben.81 Es besteht daher eine vom Normgeber sicher nicht beabsichtigte Regelungslücke, die einer Schließung bedarf. Hierzu bietet es sich an, auf die dieses Spannungsverhältnis im förmlichen Verfahren auflösende Regelung des § 10 Abs. 4 SchwbVWO zurück zu greifen und die Norm analog auf das vereinfachte Verfahren anzuwenden. Gemäß § 10 Abs. 4 SchwbVWO analog ist daher auch bei der Stimmabgabe im vereinfachten Wahlverfahren eine Hinzuziehung einer Vertrauensperson zulässig, wenn den betreffenden Wahlberechtigten anderenfalls die Stimmabgabe infolge ihrer Behinderung nicht in zumutbarer Weise möglich wäre.
80 Im Ergebnis ebenso für die Betriebsratswahl: Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 482; Kreuz, in: GK-BetrVG, WO, § 12 Rn. 6. 81 Nicht ohne Grund ist auch im vereinfachten Verfahren der Betriebsratwahl über § 34 Abs. 1 Satz 5 WO-BetrVG die die Hinzuziehung von Hilfspersonen betreffende Regelung des § 12 Abs. 4 WO-BetrVG in Bezug genommen und damit dort eine Hinzuziehung von Hilfspersonen ermöglicht worden. Vgl. dazu Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 34 Rn. 4.
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§ 10 Nachbereitungsphase I. Allgemeines zur Nachbereitungsphase An die Durchführungsphase der Schwerbehindertenvertretungswahl schließt sich sodann die Nachbereitungsphase an. In dieser werden vornehmlich die Ergebnisse der Stimmabgabe ermittelt und der endgültige Ausgang der Wahl bekannt gegeben. Gleichzeitig ist im Rahmen der Nachbereitungsphase aber auch sicherzustellen, dass die Schwerbehindertenvertretungswahl im Nachgang anhand der Wahlunterlagen überprüft werden kann.
II. Problembereiche der Nachbereitungsphase Auch in der Nachbereitungsphase zeigen sich eine Reihe von Lücken und systematischen Unstimmigkeiten in den Wahlvorschriften. Diese gilt es im Folgenden herauszuarbeiten und sachgerechte Lösungen zu entwickeln. 1. Stimmauszählung Nach Beendigung der Stimmabgabe und dem damit verbundenen Abschluss der Wahlhandlung hat das wahlleitende Organ die Stimmauszählung vorzunehmen. Hierbei sind einerseits die abgegebenen Stimmen auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Anschließend sind die zugunsten der einzelnen Kandidaten abgegebenen Voten zusammenzurechnen, um die Personen zu ermitteln, die für die jeweiligen Ämter die höchste Stimmenzahl erreicht haben. a) Unverzüglichkeit der Stimmauszählung Gemäß § 13 Abs. 1 SchwbVWO bzw. § 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO hat die Stimmauszählung unverzüglich nach Abschluss der Wahl zu erfolgen. Unverzüglich ist hierbei i. S. d. Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen.1 Die Auszählung hat daher nicht zwingend sofort nach dem Abschluss der Wahlhandlung zu erfolgen.2 Allerdings lässt sich 1 Zanker, WO zum SchwbG, S. 36. Vgl. auch Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1; Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 1. 2 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1. Vgl. auch Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 13 Rn. 1; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 97 und 99; Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 1. Widersprüchlich: Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 99, der einerseits verlangt, dass die Stimmauszählung „unmittelbar nach Schließung des Wahllokals“ zu erfolgen habe – andererseits aber „ausnahmsweise“ eine nicht unmittelbar im Anschluss an die Wahl stattfindenden Stimmauszählung für möglich hält. In Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht: Fitting, BetrVG, WO, § 13 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rn. 30.
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die Vorschrift auch nicht so verstehen, dass die Stimmauszählung nach Belieben des Wahlleitungsorgans erst nach einer Pause oder auch erst am darauf folgenden Tag durchgeführt werden könnte.3 Vielmehr darf die Stimmauszählung nur dann auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, wenn diese aus vom Wahlleitungsorgan nicht zu vertretenden Gründen nicht unmittelbar im Anschluss an den Abschluss der Wahl möglich ist.4 Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn es dem Wahlleiter oder einem Mitglied des Wahlvorstands aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, einer sich an die Wahldurchführung anschließenden Stimmauszählung beizuwohnen.5 Kann sich die Stimmauszählung aus derartigen Gründen nicht unmittelbar an die Wahlbeendigung anschließen, muss die Wahlurne gemäß § 10 Abs. 5 SchwbVWO versiegelt6 und vor dem Zugriff Unbefugter geschützt aufbewahrt werden.7 Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass auch bei der später stattfindenden Stimmauszählung der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt wird.8 b) Öffentlichkeit der Stimmauszählung Die §§ 13 Abs. 1 bzw. 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO verlangen, dass die Auszählung der Stimmen sowohl im förmlichen als auch im vereinfachten Wahlverfahren „öffentlich“ zu erfolgen hat. Durch das insoweit in den Wahlvorschriften der SchwbVWO etablierte Gebot der Öffentlichkeit der Stimmauszählung soll dem Publizitätsgrundsatz Rechnung getragen werden. Ziel ist es also, dass die Feststellung des Wahlergebnisses transparent und kontrollierbar wird, um Wahlmanipulationen von vornherein entgegen zu wirken und damit einem generellen Grundanliegen im demokratischen Rechtsstaat Rechnung zu tragen.9 Durch die Öffentlichkeit der Stimmauszählung sollen also interessierte Personen die Möglichkeit erhalten, die Ordnungsmäßigkeit der Feststellung des Wahlergebnisses zu
3 In dieser Richtung aber wohl Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 13; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 13 Rn. 1. 4 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 13 Rn. 1. 5 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1. 6 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 13 Rn. 1; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 13 Rn. 1; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 99; Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 1. 7 Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 99. 8 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1. 9 Vgl. zu § 18 Abs. 3 BetrVG: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. VI/2729, S. 21; BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rn. 32.
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beobachten, damit der Verdacht einer Fälschung des Wahlergebnisses „hinter verschlossenen Türen“ gar nicht erst aufkommt.10 aa) Zur Öffentlichkeit rechnende Personen Im Hinblick auf die praktische Umsetzung des Gebots der Öffentlichkeit der Stimmauszählung stellt sich jedoch die Frage, was nach § 13 Abs. 1 SchwbVWO bzw. § 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO unter „öffentlich“ zu verstehen ist. Das genaue Verständnis des Begriffs der Öffentlichkeit, insbesondere der hierzu zu rechnende Personenkreis ist im Schrifttum umstritten. Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, unter Öffentlichkeit i. S. d. § 13 Abs. 1 SchwbVWO bzw. § 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO sei lediglich eine Betriebsöffentlichkeit zu verstehen.11 Dagegen meinen andere Vertreter des Schrifttums, die Öffentlichkeit der Stimmauszählung beziehe sich generell auch auf betriebsexterne Personen,12 so dass diese allgemeinöffentlich13 zu erfolgen habe. (1) Wortlaut und Systematik Geht man vom Wortlaut der Vorschriften und dem allgemeinen Sprachverständnis des Begriffs „öffentlich“ aus, wäre der Personenkreis, der der Stimmauszählung beiwohnen dürfte, grundsätzlich unbeschränkt. Insbesondere lässt sich dem Wortlaut selbst nicht entnehmen, dass der in die Stimmauszählung einzubeziehende Personenkreis auf eine Betriebsöffentlichkeit beschränkt wäre. Für eine solche Beschränkung spricht allerdings ein systematischer Vergleich mit dem Betriebsverfassungsrecht. Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und § 13 WO-BetrVG ist die Auszählung der Stimmen im Rahmen der Betriebsratswahl ebenfalls „öffentlich“ vorzunehmen. Dort ist allerdings allgemein anerkannt, dass der Begriff „öffentlich“ nicht i. S. einer Allgemeinöffentlichkeit, sondern lediglich als Betriebsöffentlichkeit zu verstehen ist.14
10 LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 97. Vgl. zum BetrVG: BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rn. 32. 11 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 91; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 13 Rn. 1; Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 2. Wohl auch LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03, das lediglich offen lässt, ob eine betriebsöffentliche Bekanntgabe von Ort und Zeit der Stimmauszählung erforderlich ist oder lediglich die Wahlberechtigten informiert werden müssen. 12 So etwa Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 97; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 13; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 13 Rn. 2. 13 Zu diesem Begriff Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1. 14 BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, WO, § 13 Rn. 4; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 13 Rn. 6; Kreutz, in:
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(2) Sinn und Zweck Wie bereits angesprochen, zielt die Öffentlichkeit der Stimmauszählung darauf ab, die Möglichkeit von Wahlmanipulationen dadurch zu minimieren, dass die Ermittlung des Wahlergebnisses von Dritten überwacht werden und damit nicht „im Verborgenen“ stattfinden kann.15 Ein von der Anwesenheit Dritter ausgehender Druck zur ordnungsgemäßen Auszählung der Stimmen besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um betriebsinterne oder -externe Personen handelt. Allein die Möglichkeit der Anwesenheit der gegeneinander angetretenen Wahlbewerber ist potentiell geeignet, etwaige Manipulationen des Wahlergebnisses zu unterbinden. Zur Erreichung dieses Regelungszwecks ist es also nicht erforderlich, auch solchen Personen die Anwesenheit bei der Stimmauszählung zu ermöglichen, die dem Betrieb überhaupt nicht angehören und auch sonst nicht in die Wahl involviert sind. Gleichzeitig soll über die Öffentlichkeit der Stimmauszählung auch sichergestellt werden, dass sich die zur Anfechtung der Wahl befugten Personen durch eigene Wahrnehmung von der Ordnungsmäßigkeit der Wahlergebnisfeststellung überzeugen können.16 Dies gilt umso mehr, als den Wahlanfechtungsberechtigung – anders als im Betriebsverfassungsrecht – keine Wahlniederschrift übersandt werden muss. Der Begriff der Öffentlichkeit muss daher unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 13 Abs. 1 und 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO so verstanden werden, dass hiervon auch die zur Wahlanfechtung befugten Personen erfasst sind. Diese müssen somit das Recht haben, der Stimmauszählung beizuwohnen. Nach herrschender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung existieren jedoch keine betriebsexternen Personen, die zur Anfechtung der Schwerbehindertenvertretungswahl berechtigt wären.17 Daher ist es auch unter dem Gesichtspunkt dieses Regelungszwecks nicht erforderlich, die Öffentlichkeit der Stimmauszählung auf einen überbetrieblichen Personenkreis zu erstrecken.
GK-BetrVG, § 18 Rn. 33; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 18 Rn. 22; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 13 Rn. 3. 15 Siehe dazu bereits oben § 10 II. 1. b). 16 In Bezug auf die Betriebsratswahl: BAG vom 16.04.2003, 7 ABR 29/02, AP Nr. 21 zu § 20 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, § 18 Rn. 23; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rn. 33. 17 Vgl. fehlenden Anfechtungsberechtigung der Gewerkschaften BAG vom 29.07. 2009, 7 ABR 25/08, NZA 2009, 1221, 1221 f.; OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04. 2004, 1 A 4778/03.PVL, BehR 2006, 20, 22; VG Ansbach vom 04.09.1995, AN 8 P 94.02216, PersV 1995, 371, 372; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 164; Kossens, in: Kossens/ von der Heide/Maaß, SGB IX, § 94 Rn. 36; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 46; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 94 Rn. 42; Ritz/F. Dopatka, in: Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 23; TrenkHinterberger, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, SGB IX, § 94 Rn. 64. Wohl auch Dusel/ Hoff, in: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, § 94 Rn. 26. A. A. weiterhin Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 76.
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(3) Berücksichtigung der Arbeitgeberinteressen Daneben müssen in diesem Zusammenhang auch die insoweit berührten Interessen des Arbeitgebers Beachtung finden. Verlangte man nämlich eine Allgemeinöffentlichkeit der Stimmauszählung,18 so hätte dies zur Folge, dass der Arbeitgeber jeglichen externen Person Zutritt zu seinem Betrieb gewähren müsste und somit in der Ausübung seines Hausrechts erheblich beeinträchtigt wäre. Hierfür bestünde nach Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebots jedoch keine Notwendigkeit. Mangels einer vom Regelungszweck ausgehenden Erforderlichkeit lässt sich ein extensives Verständnis des Öffentlichkeitsbegriffs vor dem Hintergrund des gegenläufigen Arbeitgeberinteresses nicht rechtfertigen. Vielmehr ist es unter diesem Gesichtspunkt angezeigt, den als Öffentlichkeit i. S. d. §§ 13 Abs. 1 und 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO zu begreifenden Personenkreis auf das nach dem Regelungszweck erforderliche Maß zu beschränken. (4) Grundsatz der Selbstorganisation Entscheidende Bedeutung kommt insoweit wieder dem Grundsatz der Selbstorganisation zu. Nach diesem sollen die Auswirkungen der Wahl weitgehend auf den Wahlbezirk beschränkt bleiben. Aus diesem Grund gebietet der Grundsatz auch, eine Einbindung betriebsexterner Personen nur dort vorzusehen, wo dies aus mindestens gleichrangigen Gründen heraus geboten ist. Wie bereits dargelegt, ist die Anwesenheit Betriebsexterner bei der Stimmauszählung jedoch nach Sinn und Zweck der §§ 13 Abs. 1 und 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO nicht geboten. Auch zugunsten anderer Wahlgrundsätze besteht kein Bedürfnis der Zulassung nicht dem Betrieb zugehöriger Personen. Vielmehr ginge durch ein extensives Öffentlichkeitsverständnis der innerbetriebliche Charakter der Wahl verloren.19 Der Grundsatz der Selbstorganisation gebietet daher den zur Anwesenheit bei der Stimmauszählung berechtigten Personenkreis auf betriebszugehörige Personen zu beschränken. (5) Schlussfolgerungen Während der Wortlaut zunächst auch eine allgemeine, über die Betriebsangehörigen hinausreichende Öffentlichkeit nahe legt, ist unter systematischen Gesichtspunkten ein einschränkendes Verständnis angezeigt. Berücksichtigt man zusätzlich Sinn und Zweck des Gebots der öffentlichen Stimmauszählung ist festzustellen, dass ein extensives Verständnis der Öffentlichkeit unter teleologischen Gesichtspunkten nicht erforderlich ist. Ein eingeschränktes Verständnis erscheint daneben auch vor dem Hintergrund der Einschnitte in das Hausrecht des Arbeit18
So etwa Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 1. In Bezug auf die Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, § 18 Rn. 23; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 13 Rn. 6. 19
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gebers geboten. Entscheidend gegen eine Erstreckung des Öffentlichkeitsbegriffs auf betriebsexterne Personen spricht jedoch der Grundsatz der Selbstorganisation. Dementsprechend sind die §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 Satz 6 SchwbVWO so zu verstehen, dass mit „öffentlich“ lediglich eine Betriebsöffentlichkeit gemeint ist.20 Der Stimmauszählung können also nur betriebsangehörige Personen beiwohnen. Andere externe Personen oder Institutionen sind dagegen von der Teilnahme ausgeschlossen.21 bb) Bekanntgabe von Ort, Tag und Zeit der Stimmauszählung Dem Gebot der Öffentlichkeit der Stimmauszählung wird nach allgemeiner Ansicht nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn Ort, Tag und Zeit der Stimmauszählung im Vorfeld bekannt gegeben werden, weil nur dann für die Öffentlichkeit überhaupt die Möglichkeit besteht, der Auszählung beizuwohnen.22 Im Folgenden soll daher geklärt werden, wann und in welcher Form eine solche Bekanntgabe zu erfolgen hat. (1) Förmliches Wahlverfahren Für das förmliche Wahlverfahren ist in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 SchwbVWO klar geregelt, dass Ort und Zeit der Stimmauszählung bereits im Wahlausschreiben bekannt zu geben sind. Dieser frühe Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Daten wäre allein auf Grund des Gebots der Öffentlichkeit der Stimmauszählung nicht erforderlich. Vielmehr soll durch die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 SchwbVWO primär verhindert werden, dass die rechtzeitige Bekanntgabe durch den Wahlvorstand vergessen wird.23 Gleichwohl ist es auf Grund des zwingenden Charakters der Vorschriften über das Wahlausschreiben unzulässig, die Angaben über Ort und Zeit der Stimmauszählung erst nach Erlass des Wahlausschreibens bekanntzugeben.24 Dies gilt selbst dann, wenn die Bekanntgabe noch so frühzei20 Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 91; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 13 Rn. 1; Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 2. Wohl auch LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03. 21 Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 2. 22 LAG Hessen vom 15.03.2012, 9 TaBV 118/11; LAG Brandenburg vom 17.10. 2003, 8 TaBV 7/03; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 91; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 40; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 97; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 99. Vgl. zum BetrVG: BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, WO, § 13 Rn. 4 f.; Kreutz, in: GKBetrVG, § 18 Rn. 34; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 18 Rn. 22; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 18 Rn. 7. 23 Vgl. zur entsprechenden Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 13 WO-BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 3 Rn. 23. 24 Vgl. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 5 Rn. 3; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 5 Anm. 2; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 33; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 27; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX,
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tig erfolgt, dass die Bekanntgabe noch im Einklang mit dem Öffentlichkeitsgebot stünde. (2) Vereinfachtes Wahlverfahren Für das vereinfachte Wahlverfahren existiert dagegen keine Regelung, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form die Angaben über die Stimmauszählung bekannt gegeben werden müssen. Dies richtet sich daher allein nach den zwingenden Erfordernissen, die sich aus dem Gebot der Öffentlichkeit der Stimmauszählung ergeben. Wie bereits dargelegt, ist es danach nicht notwendig, dass die Modalitäten der Stimmauszählung bereits in der Einladung zur Wahlversammlung bekannt gegeben werden.25 Vielmehr genügt selbst noch eine Bekanntgabe am Tag der Wahlversammlung, wenn sichergestellt ist, dass alle zur Anwesenheit bei der Stimmauszählung berechtigten Personen von Ort und Zeit der Auszählung Kenntnis erlangen können, ohne dass sie hierbei darauf angewiesen wären, diesbezüglich beim Wahlleitungsorgan nachzufragen.26 Hinsichtlich der Art und Weise der Bekanntgabe ergeben sich insoweit Einschränkungen, als die gewählte Form nicht dazu führen darf, dass lediglich ein eingeschränkter Teil der zur Anwesenheit bei der Stimmauszählung berechtigten Personen von Ort und Zeit Kenntnis erlangen.27 Probleme ergeben sich daraus vor allem im Hinblick auf die Teilnahmeberechtigung des Arbeitgebers und der nicht schwerbehinderten Wahlbewerber. Diesen gegenüber genügt nämlich weder ein lediglich an die aktiv Wahlberechtigten gerichtetes Rundschreiben, noch eine mündliche Bekanntgabe in einer Versammlung. Stattdessen dürfte in aller Regel auf betriebsöffentliche Aushänge zurückzugreifen sein. c) Grundsatz der Mehrheitswahl als Maßstab der Ergebnisermittlung Im Rahmen der Ergebnisermittlung sind die Grundsätze der Mehrheitswahl über § 13 Abs. 2 und 3 SchwbVWO, ggf. i.V. m. § 20 Abs. 4 SchwbVWO unmit1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 5; Schleicher, WO zum SchwbG, § 5 Rn. 5. A. A. Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 91, der eine Bekanntgabe im förmlichen Wahlverfahren auch noch am Wahltag für ausreichend hält und damit die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 SchwbVWO übersieht. 25 Siehe dazu ausführlich oben § 6 IV. 4. c) aa) (2). 26 Vgl. dazu BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 18 Rn. 22. 27 Zum Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot bei einer Bekanntgabe von Ort und Zeit nur an einen bestimmten Kreis von „Eingeweihten“: BAG vom 15.11.2000, 7 ABR 53/99, AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972; Fitting, BetrVG, WO, § 13 Rn. 4. Wohl auch LAG Hessen vom 15.03.2012, 9 TaBV 118/11, das bei Anwesenheit der vom Wahlrecht Gebrauch machenden Beschäftigten davon ausgeht, dass die Auszählung nicht „ganz außer Kontrolle“ erfolgt und deshalb keine Nichtigkeit, gleichwohl aber eine Anfechtbarkeit der Wahl gegeben sei.
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telbar in die Wahlvorschriften transformiert worden28 und erlangen dadurch besondere Bedeutung. Nach § 13 SchwbVWO ist derjenige Wahlbewerber für das betreffende Amt gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte. Es genügt daher eine relative Mehrheit von Stimmen.29 Sind mehrere Stellvertreter zu wählen, bestimmt sich die Rangfolge der stellvertretenden Mitglieder in absteigender Reihung nach den jeweils erlangten Stimmen. aa) Beschränkung auf gültige Stimmen Bei der Ermittlung der errungenen Stimmenzahl dürfen selbstverständlich nur solche Stimmen Berücksichtigung finden, die nach Maßgabe der §§ 9–11 SchwbVWO bzw. § 20 SchwbVWO ordnungsgemäß abgegeben worden sind und durch das wahlleitende Organ als gültig anerkannt wurden. Diese Beschränkung auf gültige Stimmen entspricht dem allgemeinen Grundprinzip demokratischer Wahlen und damit auch den Grundsätzen der Mehrheitswahl.30 bb) Berücksichtigung der Trennung der Wahlgänge Stimmen, die ein Wahlbewerber als Kandidat für das Amt der Schwerbehindertenvertretung erhalten hat, sind nicht mit den Stimmen zusammen zu rechnen, die er für seine Kandidatur als stellvertretendes Mitglied erringen konnte.31 Die Abstimmungen über die Schwerbehindertenvertrauensperson und die stellvertretenden Mitglieder haben nämlich in getrennten Wahlgängen zu erfolgen.32 Infolge der hieraus resultierenden Eigenständigkeit der Wahlen der Schwerbehindertenvertretung einerseits und der stellvertretenden Mitglieder andererseits ist auch die Stimmauszählung für beide Wahlen eigenständig vorzunehmen. cc) Vereinbarkeit von Losentscheidung und Mehrheitswahl Die nach § 13 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO ggf. i.V. m. § 20 Abs. 4 SchwbVWO vorgesehene Losentscheidung bei Stimmgleichheit von Bewerbern steht nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Mehrheitswahl.33 Im Rahmen des Mehrheitswahlrechts stellt der Losentscheid nämlich eine anerkannte Methode zur Lösung von Pattsituationen dar.34 Zwar besteht theoretisch 28
Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 2. Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 13 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 2; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 7. Vgl. für die Mehrheitswahl nach dem BetrVG: Kreutz, in: GK-BetrVG, § 14 Rn. 43. Vgl. auch Schreiber, BWahlG, § 5 Rn. 2. 30 Siehe zu diesem Grundsatz oben § 2 II. 3. a). 31 Vgl. dazu Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 13 Rn. 28. 32 Siehe näher dazu oben § 9 II. 2. a). 33 Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 2. 29
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auch die Möglichkeit, die Stimmengleichheit durch eine Stichwahl zu beseitigen, allerdings würde hierdurch ein erneuter Wahlvorgang erforderlich werden.35 Dies wäre jedoch unweigerlich mit Verzögerungen in der Feststellung des Wahlergebnisses verbunden.36 Mit dem in § 13 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO vorgesehenen Lösungsweg über einen Losentscheid, wollte der Normgeber jedoch derartige Verzögerungen vermeiden37 und dadurch dem Grundsatz der Simplizität Rechnung tragen. Der vorgesehene Losentscheid stellt also keine rechtfertigungslose Durchbrechung demokratischer Grundsätze dar, sondern ist Folge einer im Einklang mit den Grundsätzen der Mehrheitswahl stehenden Abwägungsentscheidung des Normgebers zugunsten des Simplizitätsgrundsatzes. Eine Losentscheidung bei Stimmengleichheit steht daher nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Mehrheitswahl, soweit bei der Durchführung der Losentscheidung die Chancengleichheit der Wahlbewerber gewährleistet bleibt.38 dd) Zulässigkeit einer Stichwahl anstelle des Losentscheids Mit Verweis auf die Grundsätze der Mehrheitswahl wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertreten, dass anstelle des Losentscheids auch eine zusätzliche Stichwahl der stimmgleichen Wahlbewerber vorgenommen werden könnte.39 Dem ist grundsätzlich zuzugestehen, dass ein erneuter Wahlvorgang ein demokratischeres Ergebnis ermöglichen kann, als die allein zufallsabhängige Losentscheidung.40 Allerdings ist eine solche Alternativität einer Stichwahl im Wortlaut des § 13 SchwbVWO nicht vorgesehen.41 Daher soll im Folgenden ge34 VerfGH Berlin vom 19.10.1992 – 24/92, NVwZ 1993, 1093, 1096; BVerwG vom 15.05.1991, 6 P 15/89, BVerwGE 88, 183, 188; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96a; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 2; Jacobs, NJW 1989, 3205, 3206; Schreiber, BWahlG, § 5 Rn. 3. Kritisch Frommer/Engelbrecht, Bundeswahlrecht, BWahlG, § 5 Rn. 3. Vgl. dazu auch ausführlich Roellecke, in: FS Kriele, S. 593 ff. 35 Vgl. Frommer/Engelbrecht, Bundeswahlrecht, BWahlG, § 5 Rn. 3. 36 Schreiber, BWahlG, § 5 Rn. 3. 37 Vgl. Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 13 Anm. 2; Schreiber, BWahlG, § 5 Rn. 3. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96a, der darauf hinweist, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Stichwahl stets ausdrücklich geregelt hat, wenn er diese für nötig hielt. 38 BVerwG vom 15.05.1991, 6 P 15.89, NJW 1991, 3231, 3232; BayVGH vom 13.02.1991, 17 P 90.3560, NJW 1991, 2306, 2307; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 101; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 13 Rn. 3; Schütt, Wahl zur Schwerbehindertenvertretung, S. 39. Vgl. auch Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 91. 39 LAG München vom 27.09.2005, 8 TaBV 29/05; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 30 und 47; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 102 und 120; Müller-Wenner, in: Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, § 94 Rn. 28. 40 Vgl. dazu Frommer/Engelbrecht, Bundeswahlrecht, BWahlG, § 5 Rn. 3. 41 So auch ausdrücklich Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96a.
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klärt werden, ob in Fällen der Stimmengleichheit anstelle des Losentscheids tatsächlich eine Stichwahl zulässig ist. (1) Erforderlichkeit einer erneuten Wahleinleitung Generell kann sich die Erforderlichkeit der Auflösung einer Pattsituation erst nach Auszählung der Stimmen und damit zwingend erst nach Abschluss des ursprünglich angesetzten Stimmabgabezeitraums ergeben. Die Phase der Wahldurchführung ist daher zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Rein formal betrachtet wäre daher zur Durchführung einer Stichwahl eine erneute Wahleinleitung erforderlich. Nach Maßgabe der Wahlvorschriften müsste also im förmlichen Wahlverfahren eine erneute Wahlausschreibung i. S. d. § 5 SchwbVWO erfolgen. Im vereinfachten Verfahren wäre eine weitere Einladung zu einer erneuten Wahlversammlung i. S. d. § 19 SchwbVWO erforderlich. Eine solche wiederholte Wahleinleitung wäre auch aus dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl heraus geboten. Eine allen Wahlberechtigten gleichermaßen eingeräumte Möglichkeit überhaupt an der Wahl teilzunehmen, setzt nämlich zwingend voraus, dass sämtliche Wähler Kenntnis vom Stattfinden und dem Termin der Abstimmung erlangen. Schließlich werden sie nur dann in die Lage versetzt, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.42 (a) Ungeeignetheit einer mündlichen Bekanntgabe bei der Stimmauszählung Eine mündliche Bekanntgabe im Rahmen der öffentlich durchzuführenden Stimmauszählung genügte diesen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil diese nicht mehr Teil der Wahldurchführung ist.43 Dadurch haben die Wahlberechtigten für die Zeit der Stimmauszählung keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung,44 so dass die Anwesenheit aller Wahlberechtigten nicht zu gewährleis42 Vgl. LAG Brandenburg vom 17.10.2003, 8 TaBV 7/03; LAG Köln vom 11.04. 2008, 11 TaBV 80/07, BehR 2009, 91, 94; Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 77; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 1 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 1 Anm. 3; Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 18; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 18; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 75; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 1; Pahlen, in: Neumann/ Pahlen/Majerski-Pahlen, SchwbVWO, § 1 Rn. 3; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 39. Vgl. in Bezug auf die Einladung zur Betriebsversammlung zum Zweck der Wahl eines Wahlvorstands für die Betriebsratswahl: BAG vom 07.05.1986, 2 AZR 349/85, AP Nr. 18 zu § 15 KSchG 1969. 43 Siehe dazu auch oben § 10 II. 1. c) dd) (1). 44 Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 143. Vgl. zum über § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX im Hinblick auf die Wahlkosten anzuwendenden Betriebsverfassungsrecht: LAG SchleswigHolstein vom 26.07.1989, 3 Sa 228/89, AP Nr. 14 zu § 20 BetrVG 1972; Fitting,
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ten wäre. Im Hinblick auf das förmliche Wahlverfahren wäre überdies zu bedenken, dass bei mündlicher Bekanntgabe im Anschluss an die Stimmauszählung in der Regel auch diejenigen Wahlberechtigten mangels Kenntnis von der Teilnahme an der Stichwahl ausgeschlossen wären, die von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch gemacht hatten. Eine mündliche Bekanntgabe der Stichwahl würde daher den Anforderungen des Grundsatzes der Allgemeinheit und Barrierefreiheit der Wahl nicht gerecht. (b) Unvermindertes Anforderungsniveau der Bekanntgabe Für die Bekanntgabe der Stichwahl könnten daher keine geringeren formalen Anforderungen gelten als für die verfahrensspezifische Einleitung der eigentlichen Schwerbehindertenvertretungswahl. Im förmlichen Wahlverfahren müsste also eine Bekanntgabe durch Aushang i. S. d. § 5 Abs. 2 SchwbVWO erfolgen. Im vereinfachten Wahlverfahren wären zwar auch andere Formen der Bekanntgabe zulässig, jedoch müssten diese gleichfalls hohen Anforderungen genügen.45 (c) Folgen für den zeitlichen Ablauf Da es für die Stichwahl nicht erforderlich ist, die Zeit für Einreichung von Wahlvorschlägen zu gewähren, erschiene auch im förmlichen Verfahren ein zeitlicher Vorlauf von sechs Wochen nicht notwendig. Angesichts der Grundsätze der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit der Wahl könnte jedoch gleichwohl nur dann von einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe der Stichwahl ausgegangen werden, wenn den Wahlberechtigten zur Kenntnisnahme des Aushangs mindestens ein Zeitraum von mindestens einer Woche eingeräumt wird.46 Zudem müsste bei der Terminierung der Stichwahl zumindest im förmlichen Verfahren berücksichtigt werden, dass wegen des Grundsatzes der Barrierefreiheit auch für die Stichwahl die Möglichkeit zur schriftlichen Stimmabgabe gewährt werden müsste. In Erweiterung des Kenntnisnahmezeitraums müssten also auch etwaige Postlaufzeiten für Briefwahlstimmen eingerechnet werden. Infolgedessen wäre die Durchführung einer Stichwahl zwangsläufig mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen verbunden und könnte mitunter zu vertretungslosen Zeiten führen. Diese widerspräche jedoch sowohl dem Grundsatz der obligatorischen Vertretung im Allgemeinen wie auch dem Grundsatz der Simplizität im Speziellen. Eine dahingehende Durchbrechung lässt sich jedoch nicht mit dem Bedürfnis einer erhöhten demokratischen Legitimierung rechtfertigen. Schließlich hat sich BetrVG, § 20 Rn. 43; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rn. 34 und § 20 Rn. 65; Nicolai, in: Hess, BetrVG, § 20 Rn. 45. 45 Siehe dazu oben § 6 IV. 4. c) bb) (1) und (2). 46 Siehe dazu oben § 6 IV. 2. c) bb) (5) und § 6 IV. 4. c) bb) (3).
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im Fall eines Patts gezeigt, dass in der Wählerschaft keiner der stimmgleichen Kandidaten einen größeren Rückhalt aufweist. Daher ist der mit einer Stichwahl einhergehende Mehrgewinn an Demokratie nicht geeignet, die mit dieser verbundenen negativen Folgen aufzuwiegen. (2) Schlussfolgerung Die Durchführung einer Stichwahl bei Stimmengleichheit wäre infolge der aus den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Barrierefreiheit folgenden Anforderungen an deren Bekanntgabe mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen verbunden. Der dadurch eintretende Widerspruch zu den Grundsätzen der obligatorischen Vertretung und der Simplizität lässt sich jedoch nur durch diesen Grundsätzen gleichwertige Gründe rechtfertigen. Diese sind jedoch nicht gegeben. Eine Stichwahl verstieße daher gegen wesentliche Grundsätze der Schwerbehindertenvertretungswahl und wäre damit nicht zulässig.47 d) Feststellung des vorläufigen Wahlergebnisses Wurden die in die Ämter gewählten Wahlbewerber ermittelt, hat das Wahlleitungsorgan nach § 13 Abs. 1 a. E. SchwbVWO bzw. § 20 Abs. 3 Satz 6 a. E. SchwbVWO das Ergebnis der Stimmauszählung festzustellen. Diese Feststellung erfolgt im förmlichen Wahlverfahren durch öffentlich zu fassenden Beschluss des Wahlvorstands.48 Im vereinfachten Wahlverfahren erfolgt die förmliche Feststellung durch Mitteilung an die bei der Stimmauszählung anwesenden Personen.49 Inhalt dieser Feststellung ist jedoch stets nur das vorläufige Wahlergebnis, das mit dem endgültigen nicht identisch sein muss. Die gewählten Kandidaten sind nämlich nach allgemeiner Ansicht nicht dazu verpflichtet, ihre Wahl anzunehmen.50 2. Anfertigung der Wahlniederschrift In § 13 Abs. 4 SchwbVWO ist für das förmliche Wahlverfahren ausdrücklich vorgeschrieben, dass der Wahlvorstand nach Abschluss der Stimmauszählung eine Wahlniederschrift anzufertigen hat. Diese Regelung trägt dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl Rechnung. Durch die Wahlniederschrift werden nämlich die wesentlichen, in der Nachbereitungsphase vom Wahlleitungsorgan getroffe47 Eine Stichwahl im Ergebnis ebenfalls ablehnend: Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, § 94 Rn. 96a. 48 Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 5. 49 Zanker, WO zum SchwbG, S. 28. 50 Franz, SchwbG, II. Rn. 257. In Bezug auf die Betriebsratswahl: Fitting, BetrVG, WO, § 17 Rn. 3; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 17 Rn. 3.
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nen Feststellungen und Entscheidungen wiedergegeben und damit dauerhaft kontrollier- und beweisbar gemacht.51 a) Wahlniederschrift im vereinfachten Verfahren Inkonsequenterweise wird in den Regelungen zum vereinfachten Wahlverfahren nicht auf § 13 Abs. 4 SchwbVWO verwiesen. Aus diesem Grund wird von Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, im vereinfachten Verfahren bestehe keine Verpflichtung zur Anfertigung einer Wahlniederschrift.52 Damit würde dem im Öffentlichkeitsgrundsatz zum Ausdruck kommenden Bedürfnis der Transparenz und Kontrollfähigkeit der Wahldurchführung jedoch nicht hinreichend Genüge getan. Schließlich kann auch im vereinfachten Wahlverfahren eine Anfechtung erfolgen und damit Nachweise über die Ergebnisermittlung notwendig werden. Zudem sind auch keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, warum der Normgeber die Absicht gehabt haben sollte, für alle betrieblichen Interessenvertretungswahlen einer Wahlniederschrift vorzuschreiben, das vereinfachte Verfahren der Schwerbehindertenvertretungswahl hiervon jedoch bewusst auszusparen. Vielmehr ist von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Diese ist angesichts des Öffentlichkeitsgrundsatzes im Wege einer Analogie zu § 13 Abs. 4 SchwbVWO zu schließen. Auch im vereinfachten Wahlverfahren ist daher zwingend eine Wahlniederschrift i. S. d. § 13 Abs. 4 SchwbVWO anzufertigen. b) Inhalt der Wahlniederschrift Die in § 13 Abs. 4 SchwbVWO enthaltenen Vorgaben für den Inhalt der Wahlniederschrift sind denen des § 16 Abs. 1 WO-BetrVG weitgehend angelehnt. Soweit dem Wortlaut nach inhaltliche Unterschiede bestehen, lassen diese sich größtenteils auf verfahrensspezifische Differenzen in der Stimmauszählung und Stimmverteilung zurückführen. Nicht hieraus zu erklären ist dagegen das Fehlen der in § 16 Abs. 1 Nr. 7 WO-BetrVG vorgesehenen Erwähnung aufgetretener Zwischenfälle und besonderer Ereignisse. Angesichts der Auffälligkeit dieser Divergenz im Wortlaut wäre es denkbar davon auszugehen, dass der Normgeber bewusst von der für die Betriebsratswahl getroffenen Regelung abweichen wollte. Hierbei würde man jedoch die Bedeutung der Wahlniederschrift im Kontext des 51 Zu dieser Funktion der Wahlniederschrift bei der Betriebsratswahl: Boemke, Betriebsratswahl, § 3 Rn. 568; Fitting, BetrVG, WO, § 16 Rn. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 16 Rn. 5. 52 So etwa Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 97; Pohl, in: Feldes/ Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 48. Ebenso Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23, der dessen Anfertigung jedoch für „auf jeden Fall“ empfehlenswert hält. Offenbar von einer Anfertigungspflicht ausgehend Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 105, der in seiner Übersicht zum vereinfachten Wahlverfahren auch die „Anfertigung des Protokolls“ vorsieht, ohne jedoch für das Erfordernis eines derartigen Protokolls eine Begründung zu liefern.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
Öffentlichkeitsgrundsatzes verkennen. Funktion der Wahlniederschrift ist es, gerade für etwaige Anfechtungsverfahren beweisfähige Unterlagen vorzuhalten, aus denen sich Rückschlüsse auf die Ordnungsmäßigkeit der Wahldurchführung ziehen lassen. Das Auftreten von Zwischenfällen oder besonderen Ereignissen kann für die Rechtmäßigkeit der Wahl allerdings sehr bedeutsam sein. Insofern ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, aus dem der Normgeber derartige Information bewusst nicht zum zwingenden Inhalt der Wahlniederschrift erheben wollte. Vielmehr ist auch insoweit von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Zur Schließung dieser ist im Rahmen des § 13 Abs. 4 SchwbVWO die Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 7 WO-BetrVG analog anzuwenden. In der Wahlniederschrift zur Schwerbehindertenvertretungswahl sind daher auch aufgetretene Zwischenfälle und besondere Ereignisse zu erwähnen.53 3. Unterrichtung der Gewählten Nach der Stimmauszählung hat der Wahlvorstand auch die als Schwerbehindertenvertretung gewählte Person sowie die gewählten stellvertretenden Mitglieder unverzüglich über ihre Wahl zu benachrichtigen. Hierdurch werden auch diejenigen Gewählten vom Ausgang der Wahl in Kenntnis gesetzt, die möglicherweise der öffentlichen Stimmauszählung nicht beigewohnt hatten. Wesentlicher ist jedoch die mit der Benachrichtigung vornehmlich bezweckte Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung der Wahl. Mit Zugang der Benachrichtigung beginnt nämlich die Ablehnungsfrist des § 14 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO zu laufen. Ein gewählter Wahlbewerber wird somit durch die Benachrichtigung unter Zugzwang gesetzt, wenn er nicht mehr zu seiner Kandidatur steht und deshalb nicht bereit ist, die Wahl anzunehmen. Durch die Benachrichtigung wird also innerhalb recht kurzer Zeit für Rechtsklarheit gesorgt und damit die Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ermöglicht. a) Schriftlichkeit der Benachrichtigung Die Benachrichtigung der Gewählten hat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO stets schriftlich zu erfolgen. Dies gilt über die Bezugnahme des § 20 Abs. 4 SchwbVWO gleichermaßen auch im vereinfachten Wahlverfahren und zwar selbst dann, wenn der Gewählte in der Wahlversammlung bzw. bei der Stimmsauszählung anwesend ist.54 Aus Gründen der Rechtsklarheit und Nachweisbarkeit kann nämlich nur durch eine schriftliche Benachrichtigung i. S. d. 53 So im Ergebnis auch, jedoch ohne Begründung: Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 103; Sieg, NZA 2002, 1064, 1068. 54 So wohl auch Heuser, BehR 1990, 25, 29 und Zanker, WO zum SchwbG, S. 28. A. A. Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 146; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 47; Schleicher, WO zum SchwbG, § 19 Rn. 10; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23.
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§ 14 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO die Frist des § 14 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO in Gang gesetzt wird.55 Daher muss auch ein bei der Stimmauszählung anwesender gewählter Kandidat formal schriftlich über seine Wahl benachrichtigt werden, damit die Ablehnungsfrist anlaufen und später die Annahmefiktion eintreten kann. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn der anwesende Wahlbewerber unmittelbar nach Stimmauszählung und Feststellung des vorläufigen Wahlergebnisses verbindlich die Annahme seiner Wahl erklärt hat.56 Auf diese Weise hat der Gewählte nämlich in Kenntnis des Wahlergebnisses auf sein Ablehnungsrecht verzichtet.57 Eine nachträgliche, formale Benachrichtigung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO könnte in diesem Fall ihren Zweck nicht mehr erfüllen und wäre daher obsolet. Diese aus der vorgezogenen Annahme der Wahl resultierende Entbehrlichkeit der schriftlichen Benachrichtigung darf allerdings nicht mit einem generellen Verzicht auf schriftliche Benachrichtigungen im vereinfachten Verfahren gleichgesetzt werden. Vielmehr ist sowohl im förmlichen wie auch im vereinfachten Wahlverfahren generell eine Benachrichtigung in der Form des § 14 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO erforderlich. Auf diese kann nur dann verzichtet werden, wenn der Gewählte bereits über das Wahlergebnis informiert ist und durch die Annahme der Wahl auf sein Ablehnungsrecht verzichtet oder aber die Wahl endgültig abgelehnt hat. b) Gegen Empfangsbestätigung Im Unterschied zur Benachrichtigung bei der Betriebsratwahl hat die Bekanntgabe im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl gegen Empfangsbestätigung des Kandidaten zu erfolgen. Der angeschriebene Kandidat muss also den Empfang der Benachrichtigung quittieren. Die Empfangsbestätigung dient der Dokumentation und Beweisbarkeit des Anlaufens der Ablehnungsfrist des § 14 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO und damit der Rechtssicherheit. Das wahlleitende Organ verfügt jedoch kaum über praktisch geeignete Instrumente,58 eine derartige Empfangsbestätigung zu erzwingen, wenn sie seitens des Benachrichtigten trotz entsprechender Aufforderung nicht erteilt wird. Die in § 14 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO zu findende Verpflichtung zur Benachrichtigung „gegen Empfangsbestätigung“ beschränkt sich daher auf eine Aufforderung des Wahlleitungsorgans, den Empfang zu bestätigen.59 55 So wohl auch LAG Hessen vom 15.03.2012, 9 TaBV 118/11; Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 14 Rn. 1. 56 Vgl. Heuser, BehR 1990, 25, 29. 57 Schleicher, WO zum SchwbG, § 14 Rn. 2. 58 Abstrakt wäre zwar ein dahingehendes Beschlussverfahren denkbar, jedoch stünde ein solches weder in zeitlicher, noch in inhaltlicher Hinsicht im Verhältnis zur Bedeutung der Empfangsbestätigung. 59 So wohl auch Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 100.
480
Kap. 4: Phasen der Wahl
4. Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses Stehen die endgültig Gewählten fest, müssen auch deren Namen durch den Wahlvorstand offiziell bekannt gegeben werden. Dadurch wird ein abschließendes Ergebnis der Schwerbehindertenvertretungswahl festgestellt und gleichzeitig die Frist für die Wahlanfechtung nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i.V. m. § 19 BetrVG in Gang gesetzt. Für die Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses ist nach § 15 SchwVWO sowohl eine allgemeine betriebsöffentliche Bekanntgabe als auch eine spezifische, an bestimmte Organe gerichtete, gesonderte Information vorgesehen. a) Bekanntgabe durch Aushang Die allgemeine betriebsöffentliche Bekanntgabe hat unmittelbar nach Feststehen des endgültigen Wahlergebnisses durch Aushang zu erfolgen. Hierbei ist es gleichgültig, ob die Gewählten erst durch Ablauf der Ablehnungsfrist des § 14 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO oder durch vorherige Annahme der Wahl feststehen. aa) Inhaltliche Anforderungen an die Bekanntgabe Zwingender Inhalt der betriebsöffentlichen Bekanntgabe sind nach dem Wortlaut des § 15 SchwbVWO lediglich die Namen der Gewählten.60 Daneben muss aber auch erkennbar sein, welches Amt die Gewählten jeweils bekleiden. Die gesamten Einzelheiten des Wahlergebnisses, etwa die Zahl der jeweils errungenen Stimmen, sind dagegen für das Ergebnis der Wahl ohne Belang und müssen daher auch nicht bekannt gemacht werden. Hinsichtlich dieser Detailfragen wurde dem Grundsatz der Öffentlichkeit nämlich bereits durch die öffentliche Stimmauszählung und die Wahlniederschrift hinreichend Rechnung getragen. Der Wahlvorstand kann daher frei entscheiden, ob er zusätzlich zur Bekanntgabe der Gewählten und ihrer Ämter auch eine Abschrift der Wahlniederschrift aushängen oder zur Einsichtnahme auslegen will.61 bb) Formelle Anforderungen an die Bekanntgabe Der Aushang muss gemäß § 15 SchwbVWO in der gleichen Weise bekannt gemacht werden wie das Wahlausschreiben und hat daher an den gleichen betriebs60 Vgl. Kamm/Berger/Stegmann, Handlungsanleitung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, S. 64; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 43. 61 In Bezug auf das BetrVG: Fitting, BetrVG, WO, § 18 Rn. 2; Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 18 Rn. 4; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 18 Rn. 2.
§ 10 Nachbereitungsphase
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üblich für Aushänge genutzten Stellen zu erfolgen.62 Musste das Wahlausschreiben an mehreren Stellen ausgehängt werden, gilt dies auch für die allgemeine Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses nach § 15 SchwbVWO. cc) Bekanntgabe im vereinfachten Wahlverfahren Besonderheiten ergeben sich insoweit im vereinfachten Wahlverfahren. Zwar wird in § 20 Abs. 4 SchwbVWO auf § 15 SchwbVWO verwiesen, jedoch ist für das vereinfachte Verfahren gerade keine Bekanntgabe eines Wahlausschreibens vorgesehen. Insofern wäre es denkbar, hinsichtlich der formellen Anforderungen auf die Art und Weise der förmlichen Wahleinleitung und damit auf diejenigen Maßstäbe abzustellen, die für die Einladung zur Wahlversammlung einzuhalten sind. Allerdings ist zu berücksichtigten, dass die allgemeine Bekanntgabe gerade auch für den Beginn der Wahlanfechtungsfrist maßgeblich ist und damit nicht nur der Information der Wahlberechtigten dient. Vielmehr muss eine generelle betriebsöffentliche Bekanntgabe erfolgen, damit das hieran anknüpfende Anlaufen der Anfechtungsfrist gerechtfertigt ist. Daher sind bei der Veröffentlichung des endgültigen Wahlergebnisses nach § 15 SchwbVWO auch im vereinfachten Wahlverfahren die Maßstäbe des § 5 Abs. 2 SchwbVWO einzuhalten.63 Daher ist eine Bekanntgabe in anderer Weise als durch Aushang ausgeschlossen. b) Formelle Bekanntgabe an andere Organe Neben der betriebsöffentlichen Bekanntgabe durch Aushang muss das endgültige Wahlergebnis gemäß § 15 a. E. SchwbVWO auch dem Arbeitgeber und den im Wahlbezirk zuständigen Betriebsräten unverzüglich mitgeteilt werden. Diese gesonderte Information einzelner Organe dient lediglich dem Zweck, bestimmten Sonderinteressen dieser Institutionen Rechnung zu tragen. Er spielt daher im Rahmen der Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses nur eine untergeordnete, ergänzende Rolle. Die organspezifische Bekanntgabe nach § 15 a. E. SchwbVWO ist daher für den Beginn der Wahlanfechtungsfrist nicht von Bedeutung.64 Hierbei kommt es vielmehr ausschließlich auf den Zeitpunkt des Aushangs im Betrieb an.65
62
Vgl. Heuser, BehR 1990, 25, 28; Treml, BehR 1986, 57, 62. So wohl auch Düwell, in: Neumann, Handbuch SGB IX, 1. Aufl., § 20 Rn. 232. 64 So für die Übersendung der Wahlniederschrift nach § 18 Abs. 3 Satz 2 BetrVG: Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 34. 65 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 15 Rn. 1; Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 158; Maaß, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 1. Aufl., SchwbVWO, Anm. zu § 15; Schleicher, WO zum SchwbG, § 13 Rn. 6. 63
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Kap. 4: Phasen der Wahl
aa) Arbeitgeber Die Bekanntgabe an den Arbeitgeber soll einerseits sicherstellen, dass dieser über die in seinem Betrieb bzw. seinen Betrieben neu gewählte Interessenvertretung informiert ist. Anderseits soll er aber auch in die Lage versetzen werden, seiner Verpflichtung aus § 80 Abs. 8 SGB IX nachzukommen.66 Danach hat er nämlich sowohl der zuständigen Agentur für Arbeit als auch dem Integrationsamt unverzüglich nach der Wahl die Schwerbehindertenvertrauensperson, sowie die gewählten Stellvertreter mit Namen, Anschrift und Stellung im Betrieb zu melden.67 Anders als bei den übrigen Interessenvertretungswahlen ist jedoch keine Übersendung der Wahlniederschrift an den Arbeitgeber erforderlich.68 Vielmehr genügt es, wenn er vom Wahlvorstand eine formlose69 Mitteilung erhält, aus der zumindest die vollständigen Namen der Gewählten und deren Ämter erkennbar sein müssen.70 bb) Betriebsrat Durch die formale Unterrichtung des Betriebsrats bzw. der Betriebsräte über das Wahlergebnis wird die Basis für die nach § 99 Abs. 1 SGB IX vorgeschriebene enge Zusammenarbeit der beiden Interessenvertretungen geschaffen. Schließlich kann ein kooperatives Zusammenwirken nur funktionieren, wenn dem jeweiligen Betriebsrat die Existenz einer Schwerbehindertenvertretung und die als Vertrauensperson fungierende Person namentlich bekannt sind. Insbesondere könnte ein Betriebsrat ohne derartige Kenntnis keine persönliche Einladung zur Betriebsratssitzung aussprechen,71 obwohl der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 4 Satz 1 SGB IX und § 32 BetrVG ein entsprechendes Teilnahmerecht eingeräumt ist. 66 Vgl. dazu Adlhoch, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, § 94 Rn. 92; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, SchwbVWO, § 15 Rn. 16; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 43; Pohl, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, § 94 Rn. 40; Zanker, WO zum SchwbG, S. 29. 67 Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 80 Rn. 30; Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 80 Rn. 27 f. 68 Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 15 Rn. 3. A. A. ohne einer eine solche Pflicht begründenden Norm Neubert/Becke, SchwbG, § 24 Rn. 12. 69 Insbesondere ist keine Schriftform erforderlich, weil die nötige Authentizität und Richtigkeit der Mittelung bereits durch den gleichzeitigen Aushang hinreichend gewährleistet ist. 70 Hinsichtlich der Formlosigkeit der Mitteilung ebenso: Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 15 Rn. 2; Dörner, SchwbG, 54. EL, WO, § 15 Anm. 1; Schleicher, WO zum SchwbG, § 15 Rn. 3. Im Hinblick auf den Inhalt ähnlich: Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 42 f. 71 Vgl. zur Verpflichtung des Betriebsratsvorsitzenden zur Einladung der Schwerbehindertenvertretung: Fitting, BetrVG, § 29 Rn. 35 und § 32 Rn. 20; Raab, in: GKBetrVG, § 29 Rn. 39 und § 32 Rn. 12; Schmidt, AiB 1999, 368, 373; Unterhinninghofen, AiB 1994, 48, 49; Wedde, in: Däubler, BetrVG, § 29 Rn. 27 und § 32 Rn. 7.
§ 10 Nachbereitungsphase
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cc) Gesamtschwerbehindertenvertretung Im Unterschied zu den beiden soeben angesprochenen Organen ist die Gesamtschwerbehindertenvertretung in § 15 a. E. SchwbVWO nicht erwähnt. Dies verwundert insoweit, als die neu gewählte Schwerbehindertenvertretung im Hinblick auf die kurze Zeit später anstehende Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertretung nach § 97 Abs. 1 Satz 1 SGB IX selbst wahlberechtigt ist. Daher wird in Teilen der Literatur gefordert, dass auch die amtierende Gesamtschwerbehindertenvertretung über das Wahlergebnis informiert werden müsse.72 Hierbei wird jedoch übersehen, dass nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO die Regelung des § 1 Abs. 1 SchwbVWO entsprechend anzuwenden ist. Folglich hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung gegenüber den wahlberechtigten, örtlichen Schwerbehindertenvertretungen keine Wahlhandlungen vorzunehmen, sondern lediglich einen Wahlvorstand zu bestimmen. Dieser hat wiederum gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO i.V. m. § 2 Abs. 6 SchwbVWO gegenüber dem – offiziell benachrichtigten – Arbeitgeber einen Informationsanspruch hinsichtlich der einzelnen Wahlberechtigten. Daher lässt sich das Erfordernis einer an die Gesamtschwerbehindertenvertretung gerichteten Bekanntgabe des Wahlergebnisses i. S. d. § 15 a. E. SchwbVWO nicht mit der anstehenden Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertretung rechtfertigen.73 dd) Im Betrieb vertretene Gewerkschaften Im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl ist auch keine Unterrichtung der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften vorgesehen, wie dies etwa nach § 18 Satz 2 WO-BetrVG bei der Betriebsratswahl durch Übersendung einer Kopie der Wahlniederschrift erfolgt.74 Damit werden die Gewerkschaften auch in diesem Zusammenhang vom Normgeber bewusst nicht in die Schwerbehindertenvertretungswahl einbezogen.75 Angesichts der Tatsache, dass die Gewerkschaften nach den einschlägigen Wahlvorschriften des § 94 SGB IX und der SchwbVWO konsequent aus dem Wahlverfahren herausgehalten werden, verbietet sich auch insoweit die gleichgestellte Unterrichtungspflicht i. S. d. § 15 a. E. SchwbVWO.76
72 Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 147; Schimanski, in: GK-SGB IX, § 94 Rn. 100. Ebenso noch Düwell, in: Dau/Düwell/Haines, SGB IX, 2. Aufl., § 94 Rn. 40. 73 A. A. Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 147. 74 Siehe zum BetrVG: Homburg, in: Däubler, BetrVG, WO, § 18 Rn. 8; Kreutz, in: GK-BetrVG, WO, § 18 Rn. 4; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, WO, § 18 Rn. 3. 75 Siehe dazu bereits oben § 6 III. und § 6 IV. 3. b) aa). 76 Vgl. aber Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 53, die eine dahingehende Unterrichtung zwar nicht für verpflichtend, aber empfehlenswert halten.
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Kap. 4: Phasen der Wahl
5. Übergabe der Wahlunterlagen Den letzten Akt der Schwerbehindertenvertretungswahl und zugleich die letzte Amtshandlung des Wahlvorstands bildet die Übergabe der Wahlunterlagen an die neu gewählte Schwerbehindertenvertretung.77 Diese ist nämlich gemäß § 16 (ggf. i.V. m. § 20 Abs. 4) SchwbVWO verpflichtet, die im Hinblick auf ihre Wahl zum Einsatz gelangten Wahlunterlagen bis zum Ende der regelmäßigen Wahlperiode aufzubewahren. Zu diesen Wahlunterlagen gehören insbesondere die Niederschriften, Bekanntmachungen und Stimmzettel.78 Daher muss der Wahlvorstand nach Ende der Stimmauszählung sämtliche Stimmzettel sicherstellen79 und zu den sonstigen Wahlunterlagen nehmen, damit diese vollständig bleiben. Sobald dann die gewählte Schwerbehindertenvertretung ihre Geschäfte aufnimmt, hat der Wahlvorstand die gesammelten Wahlunterlagen an diese zu übergeben80 und wird damit aus seinem Amt entlassen. Eine Einladung zu einer konstituierenden Sitzung der neu gewählten Interessenvertretung ist auf Grund von dessen Konstruktion als Ein-Personen-Organ dagegen nicht erforderlich. Das Amt des Wahlvorstands und damit die Schwerbehindertenvertretungswahl insgesamt endet daher mit der Übergabe der Wahlunterlagen.
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Vgl. Schleicher, WO zum SchwbG, § 16 Rn. 1. Vgl. Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, SchwbVWO, § 16 Rn. 1; Weber, SchwbG, § 24 Anm. 23. 79 Düwell, in: Deinert/Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 148. 80 Cramer, Schwerbehindertenvertretung, SchwbWO, § 16 Rn. 1; Düwell, in: Deinert/ Neumann, Handbuch SGB IX, § 20 Rn. 148; Düwell, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 94 Rn. 58; Kamm/Feldes, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2010, S. 43; Hohmann, in: Wiegand, SGB IX, § 100 Rn. 26; Schleicher, WO zum SchwbG, § 16 Rn. 1; Zanker, WO zum SchwbG, S. 29. 78
Kapitel 5
Zusammenfassung § 11 Schlussfolgerungen und Ergebnisse I. Allgemeine Schlussfolgerungen In der vorliegenden Arbeit werden eine Vielzahl von Problem- und Fragestellungen untersucht, die sich im Zusammenhang mit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung ergeben und hieraus eine Reihe von Erkenntnissen gewonnen. Von diesen sollen hier zunächst die allgemein zu ziehenden Schlussfolgerungen zusammengefasst werden, die für die Schwerbehindertenvertretungswahl insgesamt Bedeutung besitzen. 1. Rudimentärcharakter der Wahlvorschriften Zunächst einmal ist festzuhalten, dass sich bei näherer Betrachtung der Wahlvorschriften weit mehr Unstimmigkeiten und Regelungslücken offenbaren, als dies bei erster Betrachtung des § 94 SGB IX und der SchwbVWO den Eindruck erwecken mag. Sie durchziehen sämtliche Bereiche der Schwerbehindertenvertretungswahl und werfen eine Vielzahl klärungsbedürftiger juristischer Fragestellungen auf. Exemplarisch für die mitunter erheblichen Defizite ist etwa der Regelungskomplex zur Wahlinitiierung.1 Die diesbezüglichen Vorschriften zur Schwerbehindertenvertretungswahl beschränken sich auf die jeweils recht überschaubaren §§ 1 und 19 SchwbVWO, sowie § 94 Abs. 6 Satz 4 SGB IX. Demgegenüber umfassen die Wahlinitiierungsvorschriften im Betriebsverfassungsrecht die sehr ausführlichen §§ 16 bis 17a BetrVG. Allein auf die Zahl der in den Regelungen enthaltenen Sätze bezogen ist die Betriebsratswahl dahingehend somit dreimal so intensiv kodifiziert, wie die Schwerbehindertenvertretungswahl. Damit stehen die schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Wahlinitiierungsvorschriften nicht nur qualitativ, sondern bereits rein quantitativ hinter denen des BetrVG zurück. Dass hieraus eine Reihe von Problemen und Handhabungsschwierigkeiten erwächst, liegt auf der Hand.
1
Siehe dazu ausführlich § 6 I. bis IV.
486
Kap. 5: Zusammenfassung
a) Erforderlichkeit einer gesetzgeberischen Problembehebung Die Vielzahl der in der vorliegenden Arbeit aufgezeigten Regelungslücken und Unstimmigkeiten der Wahlvorschriften hat grundsätzlich nicht zur Folge, dass die Schwerbehindertenvertretungswahl nicht korrekt durchführbar wäre. Vielmehr lassen sich die sich ergebenden Fragenstellungen allesamt mit Hilfe juristischer Methodik so beantworten, dass das homogene Gesamtkonstrukt der Wahl hinsichtlich der miteinander verschränkten Dogmen und Wechselbeziehungen erhalten bleibt.2 Aus diesem Grund könnten Zweifel darüber aufkommen, ob überhaupt ein nachhaltiges Bedürfnis besteht, die bestehenden Regelungsdefizite gesetz- oder verordnungsgeberisch zu beheben. Allerdings zeigt bereits das bisherige Meinungsspektrum in der Literatur recht deutlich, dass selbst unter Juristen Schwierigkeiten bestehen, eindeutige und belastbare Lösung zu den sich stellenden Problemen zu liefern. Bedenkt man vor diesem Hintergrund, dass die Wahl schon wegen des Grundsatzes der Selbstorganisation3 durch die Beschäftigten selbst und damit in aller Regel von juristischen Laien durchgeführt wird, stellen sich die bestehenden Regelungsdefizite als erhebliche Stolpersteine einer ordnungsgemäßen Wahldurchführung dar. Schließlich kann eine falsche Beurteilung einer juristischen Fragestellung leicht die Anfechtbarkeit oder mitunter auch eine Nichtigkeit der Wahl zur Folge haben. Die bestehenden Regelungslücken und Widersprüchlichkeiten schweben somit faktisch wie ein Damoklesschwert über jeder Schwerbehindertenvertretungswahl. Dies läuft jedoch der gesetzgeberischen Zielsetzung zuwider, die Gesamtzahl der spezifischen Interessenvertretungen zu erhöhen und deren kontinuierliche Fortsetzung ihrer Arbeit über die Wahlzeiträume hinweg zu gewährleisten.4 Ist dem Gesetz- oder auch dem Verordnungsgeber weiterhin an der Verfolgung dieses Ziels gelegen, erscheint es dringend geboten, die Wahlvorschriften zur Schwerbehindertenvertretungswahl zu überarbeiten und die bestehenden Defizite zu korrigieren. b) Ursachenspektrum und Lösungsansatz Will man die vielfältigen Regelungslücken und Unstimmigkeiten ernsthaft beheben und nicht nur punktuell ausbessernde Gesetzeskosmetik betreiben, kommt man nicht umhin, sich zunächst deren Ursachen vor Augen zu führen. Nur dann lassen sich nämlich die bestehenden Probleme von der Wurzel her beseitigen und dadurch hinreichend strukturierte Überarbeitungen vornehmen.
2
Siehe dazu auch unten § 11 I. 2. b). Siehe dazu oben § 2 IV. 3. 4 Siehe ausführlich zum insoweit maßgeblichen Grundsatz der obligatorischen Vertretung § 2 IV. 1. a). 3
§ 11 Schlussfolgerungen und Ergebnisse
487
aa) Einzelne Ursachen Ein Teil der klärungsbedürftigen Fragen beruht darauf, dass in der Vergangenheit Änderungen vorgenommen worden sind, zu denen die jeweiligen Normgeber in den Materialien keinerlei Stellung bezogen haben5 oder deren denkbare Tragweite nicht hinreichend bedacht wurde.6 Daneben treten verschiedene Schwierigkeiten dadurch auf, dass ein Großteil auch essentieller Wahlvorschriften nicht im Gesetz, sondern nur in der SchwbVWO normiert ist.7 Einige Probleme lassen sich auch auf die strukturellen Eigenheiten der Schwerbehindertenvertretung8 oder besondere Bedürfnisse der Wahlberechtigten9 zurückführen. Demgegenüber entstehen manche Unsicherheiten und Widersprüche infolgedessen, dass Wahlvorschriften zur Schwerbehindertenvertretungswahl abweichend zu denen der anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen normiert wurden, obwohl hierfür kein Bedürfnis oder keine normgeberische Absicht bestand.10 Bisweilen ergeben sich Unstimmigkeiten und Regelungslücken aber auch durch vom Normgeber bewusst gewollte Abweichungen der Schwerbehindertenvertretungswahl zugunsten der Steigerung der Wahldurchführung und -beteiligung.11 Ungeachtet dessen sind einzelne Fragestellungen allein dadurch entstanden, dass betriebsverfassungsrechtliche Regelungen reformiert wurden, ohne dass dabei bedacht worden wäre, dass im SGB IX auf diese Bezug genommen wird.12 Fernerhin beruhen manche Widersprüchlichkeiten in den Wahlvorschriften auf offensichtlichen Unachtsamkeiten des jeweiligen Normgebers.13 Zu guter letzt lassen sich einige Schwierigkeiten darauf zurückführen, dass stets versucht wurde, eine für die Privatwirtschaft und den öffentlichen Dienst gleichermaßen geltende Wahlordnung zu schaffen, obwohl die Wahlvorschriften für Betriebs- und Personalrat nicht ohne Grund Unterschiede aufweisen.14
5
Siehe dazu oben § 3 IV. 3. d) dd). Siehe dazu etwa § 6 IV. 3. a) cc) oder § 3 IV. 3. c) bb) (3). 7 Siehe dazu etwa § 4 II. 4. a) bb) (1) (b). 8 Siehe dazu etwa § 6 IV. 1. c) aa) oder § 8 II. 5. c) ee) sowie § 8 II. 2. 9 Siehe dazu insbesondere hinsichtlich der Barrierefreiheit § 6 IV. 2. c) bb) (4); § 8 II. 6. c); hinsichtlich der Erforderlichkeit von Wahlschablonen § 8 II. 6. b) aa) oder in Bezug auf die „Sichtbarkeit“ schwerbehinderter Menschen § 4 II. 4. a) bb) (3), (6) und (7); § 5 II. 1. d); § 5 II. 2. c) ee); § 6 IV. 4. c) bb) (2) (b) (aa). 10 Siehe etwa zur gerichtlichen Einsetzung des Wahlvorstands § 6 IV. 3. 11 Siehe dazu etwa die Möglichkeit der Zusammenfassung von Betrieben § 3 III. oder die Entscheidung über die generelle schriftliche Stimmabgabe § 8 II. 3. 12 Siehe dazu insbesondere § 3 II. 2. a) und b). 13 Siehe dazu etwa § 4 II. 4. a) bb) (1). 14 Siehe etwa zu den Schwierigkeiten um den Begriff der Beschäftigung § 3 IV. 3. b) cc). 6
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Kap. 5: Zusammenfassung
bb) Folgerungen Die obige Zusammenstellung lässt erkennen, dass die Regelungsdefizite in den Wahlvorschriften auf einem ganzen Bündel von Ursachen beruhen. Das hat zur Folge, dass sich die bestehenden Probleme schwerlich im Wege punktueller Korrekturen beseitigen lassen. Die Vielfalt der Ursache der Unstimmigkeiten und Lücken impliziert vielmehr die Wahlvorschriften von Grund auf zu restrukturieren bzw. diese gänzlich neu zu fassen. Hierbei erscheint es sinnvoll, für die Bereiche der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes getrennte Wahlordnungen zu entwickeln. Dahingehend böte es sich auch an, sich jeweils getrennt an den betreffenden Wahlvorschriften zur Betriebsrats- bzw. zur Personalratswahl zu orientieren und lediglich solche Modifikationen vorzunehmen, die wegen der strukturellen Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretung oder der spezifischen Bedürfnisse der Wahlberechtigten geboten sind. 2. Wahlgrundsätze Als für die gesamte Schwerbehindertenvertretungswahl bedeutsame Erkenntnis lässt sich auch manifestieren, dass die Wahl tatsächlich von einer Reihe allgemeiner und spezifischer Grundsätze durchzogen ist und diese die Gestalt der Wahl an sich, aber auch das Wahlprozedere im Einzelnen entscheidend prägen. a) Geltung der einzelnen Wahlgrundsätze Dabei ist festzuhalten, dass lediglich die Grundsätze der geheimen und der unmittelbaren Wahl, sowie der Grundsatz der Mehrheitswahl ausdrücklich normiert sind.15 Der weit überwiegende Teil der Wahlgrundsätze ist dagegen weder § 94 SGB IX noch der SchwbVWO unmittelbar zu entnehmen. Dies gilt zum einen für die Grundsätze der Freiheit, der Gleichheit, der Allgemeinheit und der Öffentlichkeit der Wahl. Deren Geltung folgt nämlich mittelbar aus ihrem engen inhaltlichen Zusammenhang zu den normierten Wahlgrundsätzen, sowie den verfassungsrechtlich verankerten Grundprinzipien allgemeiner demokratischer Wahlen.16 Zum anderen finden auf die Wahl aber auch weitere Grundsätze Anwendung, die der allgemeinen Typik betrieblicher Interessenvertretungswahl folgen oder gar Ausdruck der Besonderheiten der Schwerbehindertenvertretungswahl sind. Dies gilt namentlich für die Grundsätze der Simplizität, der Selbstorganisation und der Barrierefreiheit, sowie den Grundsatz der obligatorischen Vertretung.17 Bei diesen spezifischen Wahlgrundsätzen handelt es sich zum Teil um 15 16 17
Siehe dazu oben § 2 II. 1. bis 3. Siehe dazu oben § 2 III. 1. bis 4. Siehe dazu oben § 2 IV. 1. bis 4.
§ 11 Schlussfolgerungen und Ergebnisse
489
aus den allgemeinen Demokratiegrundsätzen abgeleitete, aber für die betrieblichen Interessenvertretungswahlen dezidierte Wahlprinzipien. Mitunter folgen sie aber auch aus politischen Zielvorstellungen des Gesetzgebers, die in Struktur und Gesamtzusammenhang der Normen, sowie den Gesetzesmaterialien Niederschlag gefunden haben. b) Bedeutung der Grundsätze für die Wahl All diese Grundsätze wirken maßgeblich auf die Schwerbehindertenvertretungswahl ein. Deutlich wird dies bereits daran, dass sich ein großer Teil der zentralen Wahlvorschriften auf diese Grundsätze zurückführen lässt und die Normen damit im Grunde Spiegel der maßgeblichen Wahlprinzipien sind. Dabei ist der Einfluss der einzelnen Grundsätze unterschiedlich ausgeprägt, weshalb manche Prinzipien nur punktuell Relevanz besitzen und andere wiederum in fast allen Bereichen der Schwerbehindertenvertretungswahl bedeutsam sind.18 Mitunter kommt es auch zu Überschneidungen zwischen mehreren Wahlgrundsätzen. Hier zeigen sich die signifikanten Unterschiede in der Gewichtung der Wahlmaximen zueinander auch in der Abwägung zwischen den konkurrierenden Grundsätzen.19 Die Schwerbehindertenvertretungswahl wird damit nicht nur von den Wahlgrundsätzen an sich dominiert, sondern ist gerade auch durch deren Wechselbeziehungen gekennzeichnet. Dieses Zusammenspiel der einzelnen Wahlgrundsätze verleiht der Wahl der Schwerbehindertenvertretung gerade ihr besonderes Gepräge. Infolge dieses essentiellen Einflusses liefern die Grundsätze vielfach auch entscheidende Anhaltspunkte für das Verständnis der teleologischen Hintergründe der einzelnen Regelungen und bilden dadurch zugleich die Grundpfeiler einer am Normzweck orientierten Auslegung.20 Darüber hinaus lässt sich aus den Grundsätzen damit auch ableiten, in welcher Richtung etwaige Regelungslücken zu schließen sind, damit den Intentionen des Normgebers Rechnung getragen wird.21 Für ein umfassendes Verständnis der Regelungszusammenhänge bei der Schwerbehindertenvertretungswahl ist es damit unerlässlich, nähere Kenntnis über die prägenden Wahlgrundsätze und deren Einflusspotential zu haben. Angesichts der tragenden Bedeutung der Wahlgrundsätze kommt man auch im Rahmen einer Auslegung oder aber einer partiellen Rechtsfortbildung nicht umhin,
18 Fast durchgehend bedeutsam sind etwa die Grundsätze der Barrierefreiheit und der obligatorischen Vertretung (siehe dazu § 2 IV. 1. c) und § 2 IV. 4. c)). Dagegen beschränkt sich der Grundsatz der Selbstorganisation im Wesentlichen auf die Bestellung des wahlleitenden Organs (siehe dazu § 2 IV. 3. c)). 19 Siehe etwa § 9 II. 1. d) cc) oder § 9 II. 4. a). 20 Siehe dazu etwa § 9 II. 2. b) bb) (2) (c). 21 Siehe dazu etwa § 6 IV. 2. b) aa) (1) und § 6 IV. 3. a) bb) (1).
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Kap. 5: Zusammenfassung
sich die maßgeblichen Prinzipien zu vergegenwärtigen und diese in den Erkenntnisprozess entscheidend einfließen zu lassen. 3. Verhältnis zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen Als dritte allgemeine Schlussfolgerung lässt sich festhalten, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht nur hinsichtlich Stellung und Aufgaben eine enge Verbindung zu anderen betrieblichen Interessenvertretungen aufweist, sondern sich diese auch auf die jeweiligen Wahlen erstreckt. Die Wahlvorschriften des § 94 SGB IX und der SchwbVWO fügen sich dabei klar in das Regelungsmuster anderer Interessenvertretungswahlen und greifen bisweilen sogar explizit auf dortige Normierungen zurück.22 Die Schwerbehindertenvertretungswahl ist folglich auch in dieser Hinsicht fest in den Kontext des betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertretungssystems integriert. a) Bedeutung des Kontexts für die Schwerbehindertenvertretungswahl Die bestehende Parallelität zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen eröffnet zusätzliche Einblicke in die Regelungszusammenhänge der schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Wahlvorschriften. Insbesondere lassen sich in normsystematischer Hinsicht wesentliche Rückschlüsse ziehen, die sich sodann für die Auslegung einzelner Regelungen fruchtbar machen lassen. Im Vordergrund der Betrachtung stehen dabei die Betriebsratswahlen, deren Wahlvorschriften für die Ausgestaltung der übrigen Regelungen Pate stand. Daneben können im Einzelfall aber auch die jeweiligen Regelungen zur Sprecherausschuss-23 oder zur Jugend- und Auszubildendenvertretungswahl24 von Bedeutung sein. Darüber hinaus bieten diese Parallelvorschriften Ansatzpunkte für gegebenenfalls erforderliche Rechtfortbildungen per Einzel- oder Gesamtanalogie.25 Ebenso wie die Wahlgrundsätze bildet damit auch der betriebsverfassungsrechtliche Kontext der Schwerbehindertenvertretung einen wesentlichen Grundpfeiler der Lösung juristischer Fragestellungen hinsichtlich der Schwerbehindertenvertretungswahl. b) Zu Abweichungen führende Spezifika der Schwerbehindertenvertretungswahl Trotz dieser inhaltlichen Nähe zu den übrigen betrieblichen Interessenvertretungswahlen kann die Schwerbehindertenvertretungswahl nicht in jeder Hinsicht 22 23 24 25
Siehe dazu etwa § 3 II. 1. a) und § 4 III. 4. Siehe dazu etwa § 4 III. 7. a) bb) (2). Siehe dazu etwa § 4 III. 5. und § 7 II. 3. b) cc) (3). Siehe dazu § 6 IV. 3. a) aa) und bb) und § 4 III. 7. b) cc).
§ 11 Schlussfolgerungen und Ergebnisse
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den dortigen Regelungsmustern folgen. Die Schwerbehindertenvertretung weist nämlich als generelles „Ein-Personen-Organ“ bereits hinsichtlich der Organisationsstruktur eine Sonderstellung auf.26 Zudem sind auch hinsichtlich der Wahlberechtigten einige Spezifika zu beachten.27 Schon aus diesen Gründen sind in einigen Teilbereichen der Wahl Abweichungen zu anderen Interessenvertretungswahlen zwingend notwendig.28 In diesen Fällen sind Rückgriffe auf die Wahlvorschriften der anderen Wahlen dann in der Regel ausgeschlossen. Denkbar erscheinen insoweit lediglich Umkehrschlüsse. Eine solche Beschränkung der systematischen Heranziehbarkeit von Parallelvorschriften ist auch dann zu beachten, wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber für die Schwerbehindertenvertretungswahl bewusst Sonderregelungen vorgesehen hat, um hierdurch eine Steigerung der Wahldurchführung und -beteiligung zu erreichen.29 Ein Rückgriff auf Regelungen anderer Interessenvertretungswahlen könnte dann nämlich die Intention des Normgebers konterkarieren. Die Schwerbehindertenvertretungswahl weist damit trotz ihres betriebsverfassungsrechtlichen Kontexts verschiedene Spezifika auf, die ihr eine zwingende Sonderstellung einräumen. Infolgedessen sind in Teilbereichen der Wahl systematische Rückgriffe auf Wahlvorschriften anderer betrieblicher Interessenvertretungswahlen ausgeschlossen, so dass bei einer rechtlichen Beurteilung des § 94 SGB IX und der SchwbVWO immer auch diese Eigenheiten im Blick zu behalten sind.
II. Besondere Feststellungen und Ergebnisse Anschließend an diese allgemeinen Schlussfolgerungen sollen nunmehr exemplarisch weitere, besondere Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst werden, die sich zwar nur auf einzelne Bereiche der Wahl beziehen, für diese aber ebenfalls herausragende Bedeutung besitzen. 1. Wahlvoraussetzungen Hinsichtlich der Voraussetzungen der Schwerbehindertenvertretungswahl sind die Feststellungen zum Betriebsbegriff, zur Beschäftigtendefinition, zur nicht nur vorübergehenden Beschäftigung und zur Stichtagsbezogenheit als wesentlich hervorzuheben. 26
Siehe dazu oben nur § 9 II 2. Siehe dazu etwa § 5 II. 1. d), § 6 IV. 2. c) bb) (4), § 6 IV. 4. c) bb) (2) (b) und § 8 II. 6. c). 28 Siehe dazu § 6 IV.1. c) aa), § 8 II. 5 c) ee), § 8 II. 2., § 6 IV. 2. c) bb) (4), § 8 II. 6. b) aa), § 8 II. 6. c), § 6 IV. 4. c) bb) (2) (b). 29 Siehe dazu etwa § 3 III., § 8 II. 3. und vor allem die Besonderheiten hinsichtlich des vereinfachten Verfahrens (z. B. § 7 II. 3. b) oder § 8 II. 5. d) ee)). 27
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Kap. 5: Zusammenfassung
a) Betriebsbegriff Infolge § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX findet bei der Schwerbehindertenvertretungswahl der allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff Anwendung. Diese Bezugnahme schließt insbesondere aus teleologischen Gründen auch die Fiktionen des § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG oder des § 3 BetrVG mit ein, so dass diese auch auf die Schwerbehindertenvertretungswahl durchschlagen.30 Demgegenüber bleibt der Betriebsbegriff durch eine Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX formal betrachtet unberührt, weil lediglich der Wahlund Vertretungsbezirk modifiziert wird.31 Eine solche Zusammenfassung kann nach Sinn und Zweck auch dann erfolgen, wenn einer der zusammengefassten Betriebe auch für sich genommen bereits die Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erfüllen würde.32 Eine Zusammenfassung mit mehreren, diese Wahlvoraussetzungen erfüllenden Betrieben ist dagegen nicht möglich.33 b) Beschäftigtendefinition In Abkehr zu den bisherigen Bemühungen in Literatur und Rechtsprechung den Begriff der Beschäftigung in § 94 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB IX lediglich per Kasuistik abzugrenzen, lässt sich durch sorgfältige Auslegung eine eigenständige Definition entwickeln. Als Ausgangspunkt kann hierbei die Definition zum Begriff des Arbeitnehmers fungieren, anhand derer die für den Beschäftigtenbegriff notwendigen Modifikationen herauszuarbeiten sind.34 Im Ergebnis lässt sich folgende Definition für den Beschäftigtenbegriff verwenden: Im Sinne des § 94 SGB IX beschäftigt ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags, auf Grund eines freiwillig eingegangenen Sonderstatusverhältnisses oder auf Grund eines diesen beiden Formen gleichgestellten Rechtsverhältnisses verpflichtet ist, persönlich abhängige, fremdbestimmte Dienste zu erbringen.35 In Heimarbeit Beschäftigte sind von dieser Definition zwar nicht umfasst, jedoch ist auf sie aus normhistorischen und teleologisch-systematischen Gründen § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG analog anzuwenden.36 c) Nicht nur vorübergehende Beschäftigung Im Hinblick auf das Vorliegen einer „nicht nur vorübergehenden“ Beschäftigung ist kein kollektiver, sondern ein individueller Betrachtungswinkel anzule30 31 32 33 34 35 36
Siehe dazu ausführlich § 3 II. 2. a) und b). Siehe dazu § 3 III. 3. Siehe dazu § 3 III. 1. b) bb). Siehe dazu § 3 III. 1. b) cc). Siehe dazu ausführlich § 3 IV. 3. e). Siehe dazu § 3 IV. 3. e) dd) (2). Siehe dazu § 3 IV. 3. e) dd) (1).
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gen.37 Dabei kommt es – anders als bisher in der Literatur angenommen – nicht darauf an, ob das Beschäftigungsverhältnis für länger als acht Wochen bzw. sechs Monate angelegt ist.38 Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitgeber die Absicht hat, die betreffende Person für die gesamte oder zumindest eine nicht unwesentliche Zeit der vierjährigen Amtsdauer zu beschäftigen.39 Hierbei können sowohl der übertragenen Arbeitsaufgabe als auch einer etwaigen Befristung Indizwirkung zukommen.40 d) Stichtagsbezogenheit In Abweichung zu den anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen kommt es bei der Schwerbehindertenvertretungswahl nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht darauf an, ob die betreffende Mindestzahl „in der Regel“ erfüllt ist. Stattdessen ist allein auf die Erreichung des Schwellenwerts am Tag der Wahl abzustellen. Diese Stichtagsbezogenheit rührt nicht daher, dass bei der Schwerbehindertenvertretungswahl kein Bedürfnis bestünde, die fluktuationsbedingte Schwankungsanfälligkeit auszugleichen. Allerdings lässt sich hinsichtlich der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen schon aus rechtlichen Gründen nur sehr eingeschränkt eine Personalentwicklungsplanung aufstellen. Infolgedessen scheidet eine die Stichtagsbezogenheit korrigierende Prognose, wie sie für andere betriebliche Interessenvertretungswahlen üblich ist, im Rahmen des § 94 SGB IX mangels Praktikabilität aus.41 2. Wahlberechtigung und Wählbarkeit Im Hinblick auf die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit sind die Ergebnisse zu den Fragen der Geschäftsfähigkeit, der Korrigierbarkeit der Liste der Wahlberechtigten am Tag der Wahl und der wählbarkeitsausschließenden Wirkung einer Ämterpluraliät als wesentlich zu erwähnen. a) Geschäftsfähigkeit Anders als in der Literatur mitunter angenommen, ist für das aktive Wahlrecht bei der Schwerbehindertenvertretungswahl die Geschäftsfähigkeit ohne Belang. Die Stimmabgabe ist nämlich weder als Willenserklärung, noch als geschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren, sondern stellt einen Rechtsakt sui generis dar,
37 38 39 40 41
Siehe dazu oben § 3 IV. 4. Siehe dazu § 3 IV. 4. c). Siehe dazu § 3 IV. 4. d) aa) und bb). Siehe dazu § 3 IV. 4. d) cc) und dd). Siehe dazu ausführlich § 3 V. 2.
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auf den § 105 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet.42 Auch von Geschäftsunfähigen bei der Schwerbehindertenvertretungswahl abgegebene Stimmen sind daher voll wirksam, so dass auch kein Bedürfnis besteht, diese Personen von der Stimmabgabe generell auszuschließen, zumal dies auf erhebliche praktische Schwierigkeiten stoßen würde.43 b) Korrektur der Liste der Wahlberechtigten am Wahltag Die in § 3 SchwbVWO vorgesehene Liste der Wahlberechtigten ist auch im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl formelle Voraussetzung für die Ausübung des aktiven Wahlrechts.44 Entgegen der in der Literatur verbreitet vertretenen Auffassung kann die Liste der Wahlberechtigen jedoch auch noch am Tag der Wahl ergänzt werden, so dass der materielle Bestand des aktiven Wahlrechts auch solcher Personen gewährleistet ist, die ihre Schwerbehinderteneigenschaft erst zu diesem Zeitpunkt offenbaren.45 c) Ämterpluralität Anders als in Bezug auf die Jugend- und Auszubildendenvertretung schließt eine Mitgliedschaft im Betriebsrat eine Kandidatur für die Schwerbehindertenvertretungswahl nicht aus.46 Demgegenüber ist eine Personalunion zwischen Schwerbehindertenvertretung und Beauftragtem nach § 98 SGB IX nicht möglich.47 Infolgedessen sind im Amt befindliche Beauftragte i. S. d. § 98 SGB IX bei der Schwerbehindertenvertretungswahl vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen.48 3. Wahlverfahren Hinsichtlich der Differenzierung zwischen den Wahlverfahren sind vor allem die Untersuchungsergebnisse zur „Sichtbarkeit“ der Schwellenwertsubjekte, zum Merkmal der räumlichen Entfernung der Betriebe und zum maßgeblichen Stichtag von entscheidender Bedeutung.
42 43 44 45 46 47 48
Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu §
4 II. 3. e) cc). 4 II. 3. e) cc) (1) bis (3). 4 II. 4. bb) (1). 4 II. 4. bb) (7). 4 III. 5. a). 4 III. 5. c) aa). 4 III. 5. c) cc).
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a) Sichtbarkeit der Schwellenwertsubjekte Neben der Kritikwürdigkeit der Schwellenwertregelung des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX an sich49 ist festzuhalten, dass die darin als Subjekt gewählten schwerbehinderten Menschen nicht zwangsläufig als solche erkennbar sind. Dadurch würden sich bei einem rein objektiven Beurteilungsmaßstab erhebliche Schwierigkeiten in der Handhabung des Schwellenwerts ergeben.50 Aus diesen Gründen ist im Rahmen des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX ein subjektiver Betrachtungswinkel anzulegen, bei dem nur solche schwerbehinderten Wahlberechtigten zu berücksichtigen sind, deren Schwerbehindertenstatus im Betrieb „sichtbar“ ist. Eine derartige „Sichtbarkeit“ ist hierbei nur dann gegeben, wenn die Schwerbehinderung entweder für jedermann offenkundig oder aber dem Arbeitgeber offiziell bekannt gegeben worden ist.51 b) Merkmal der räumlichen Entfernung zwischen den Betrieben Im Hinblick auf die in § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX aufgestellte Anforderung, dass die zum Wahlbezirk gehörenden Betrieb oder Betriebsteile räumlich nicht weit auseinander liegen dürfen, lässt sich weder auf die zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, noch auf die zu § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX entwickelten Maßstäbe zurückgreifen.52 Allerdings ist auch das von Literatur und Rechtsprechung zugrunde gelegte informationsflussorientierte Verständnis nur bedingt geeignet, dem Sinn und Zweck des verlangten räumlichen Näheverhältnisses Rechnung zu tragen.53 Stattdessen ist bei der Beurteilung der räumlichen Nähe i. S. d. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX auf die zumutbare Erreichbarkeit der Wahlversammlung abzustellen.54 c) Maßgeblicher Stichtag: Wahlinitiierung Wenngleich auch der Schwellenwert des § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX stichtagsbezogen ist, kommt es für dessen Erfüllung – anders als bei § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX – nicht auf den Wahltag an. In Abweichung zu der inzwischen in Rechtsprechung und Literatur etablierten Auffassung ist aber auch nicht der Zeitpunkt der Wahleinleitung, sondern der der Wahlinitiierung maßgeblich.55
49 50 51 52 53 54 55
Siehe dazu § 5 II. 1. b) und c). Siehe dazu § 5 II. 1. d) aa). Siehe dazu § 5 II. 1. d) bb) und cc). Siehe dazu § 5 II. 2. c) aa) und bb). Siehe dazu § 5 II. 2. c) cc). Siehe dazu ausführlich § 5 II. 2. c) dd). Siehe dazu § 5 III. 3. a) bis c).
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4. Anstoß der Wahl Im Hinblick auf den Anstoß der Schwerbehindertenvertretungswahl sind insbesondere die Ausführungen zu den initiierungsberechtigten Personen und zur Möglichkeit der gerichtlichen Einsetzung des Wahlvorstands als besonders bedeutsame Erkenntnisse zu nennen. a) Initiierungsberechtigung Zur Initiierung der Schwerbehindertenvertretungswahl sind nicht nur die in §§ 1 bzw. 19 SchwbVWO sowie § 94 Abs. 6 Satz 4 SGB IX ausdrücklich normierten Organe berechtigt. Vielmehr können im Einzelfall auch die Gesamtschwerbehindertenvertretung, die Konzernschwerbehindertenvertretungen oder auch der Gesamtbetriebsrat zur Initiierung befugt sein. Anders als bisweilen in der Literatur angenommen, sind diese Organe aber nicht generell initiierungsberechtigt, sondern besitzen eine derartige Befugnis regelmäßig nur in Fällen der Zusammenfassung nach § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB IX oder bei kommissarischer Zuständigkeit nach § 97 Abs. 6 Satz 1, 1. Hs. a. E. SGB IX (ggf. i.V. m. § 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX).56 b) Gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands Neben den in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 SchwbVWO für das förmliche Wahlverfahren ausdrücklich vorgesehenen Initiierungshandlungen besteht unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands. Die schwerbehindertenvertretungsrechtlichen Wahlvorschriften weisen insoweit eine planwidrige Regelungslücke auf, die durch Analogien zu § 16 Abs. 2 BetrVG und § 17 Abs. 4 BetrVG zu schließen sind.57 Dahingehend ist die Antragsberechtigung jedoch aus teleologischen Gründen dergestalt zu modifizieren, dass neben drei zur Schwerbehindertenvertretungswahl aktiv Wahlberechtigten auch der Betriebsrat und das Integrationsamt einen Antrag nach § 16 Abs. 2 bzw. § 17 Abs. 4 BetrVG analog stellen können.58 Demgegenüber erstreckt sich die in diesen Regelungen vorgesehene Antragsberechtigung der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften aus systematischen Gründen nicht auf die Schwerbehindertenvertretungswahl.59
56 57 58 59
Siehe ausführlich dazu § 6 III. 2. bis 4. Siehe dazu § 6 IV. 3. a) bb) und § 6 IV. 2. b) aa) (1). Siehe dazu § 6 IV. 3. b) bb). Siehe dazu § 6 IV. 3. b) aa).
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5. Phasen der Wahl In Bezug auf die einzelnen Phasen der Schwerbehindertenvertretungswahl sind aus der Vielzahl punktueller Erkenntnisse vor allem die Untersuchungsergebnisse zur Parallelität der Stimmabgabe im vereinfachten Verfahren und zur Zulässigkeit einer Stichwahl als besonders bedeutsam hervorzuheben. a) Parallelität der Stimmabgabe im vereinfachten Verfahren Die in den Wahlvorschriften angelegte Trennung der Wahlgänge für das Amt der Schwerbehindertenvertrauensperson einerseits und der stellvertretenden Mitglieder andererseits bedeutet nicht, dass die Wahlgänge zeitversetzt durchzuführen wären. Vielmehr sind diese parallel abzuhalten, auch wenn damit unter Umständen Verwerfungen beim Stimmenerfolgswert verbunden sein können. Für das förmliche Wahlverfahren ergibt sich dies mittelbar bereits aus dem Wortlaut der Wahlvorschriften.60 Für das vereinfachte Verfahren folgt dies aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten und einer eingehenden Würdigung der für die Wahl maßgeblichen Wahlgrundsätze.61 b) Stichwahl anstelle Losentscheid Kommt es im Rahmen der Schwerbehindertenvertretungswahl durch Stimmengleichheit zu einer Pattsituation, ist diese zwingend durch einen Losentscheid aufzulösen. Entgegen einer teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung ist es unzulässig, anstelle des Losentscheids eine Stichwahl durchzuführen. Eine solche wäre nämlich mit deutlichem Mehraufwand und erheblichen Verzögerungen des Wahlgeschehens verbunden und stünde dadurch im Widerspruch zu den Grundsätzen der obligatorischen Vertretung und der Simplizität.62
III. Schlussbemerkung Insgesamt ist festzuhalten, dass der Schwerbehindertenvertretungswahl ein hochkomplexes Wahlverfahren zu Grunde liegt. Dieses wird entscheidend von allgemeinen und spezifischen Wahlgrundsätzen geprägt und weist zugleich enge Verbindungen zu anderen betrieblichen Interessenvertretungswahlen auf. Dabei nimmt die Schwerbehindertenvertretungswahl gleichwohl eine Sonderstellung ein, die bisweilen eine isolierte Betrachtung einzelner Regelung bedingt.
60 61 62
Siehe dazu § 9 II. 2. b) aa). Siehe dazu § 9 II. 2. b) bb). Siehe dazu § 10 II. 1. c) dd) (1).
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Für die Praxis halten die Wahlvorschriften schon strukturbedingt eine Vielzahl von Stolpersteinen bereit. Dabei sind die mitunter nur rudimentär wirkenden Regelungen des § 94 SGB IX und der SchwbVWO wenig hilfreich, rechtsichere Wahlen durchzuführen. Will der Gesetzgeber also, wie bei mehreren Novellen angekündigt ernsthaft dafür sorgen, dass Hemmungen hinsichtlich der Wahldurchführung und -beteiligung abgebaut werden, muss er sich zuvorderst darum bemühen, die Wahlvorschriften zu überarbeiten und dadurch bestehende Unklarheiten zu beseitigen.
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Stichwortverzeichnis Aktives Wahlrecht 196 ff. (siehe auch Wahlberechtigung) Ämterpluralität – Beauftragter des Arbeitgebers 216 ff. – Betriebsrat 214 ff. – Jugend- und Auszubildendenvertretung 216 Arbeitgeber 240 ff., 244 ff., 264 f., 270, 482 Arbeitnehmer 126 ff., 135, 139 f., 149 ff. Arbeitsassistenz 350 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung S. 38 f. Auskunftsrechte – Wahlinitiatoren 240 ff., 244 f. – Wahlvorstand 240 ff. Auslegung der SchwbVWO 433 Ausschluss Geschäftsunfähiger 213 ff., 227 f. Barrierefreiheit (siehe auch Grundsatz der Barrierefreiheit) – Aushänge 412, 413 – Einladungen 412, 413 – Verkehrsanbindung 101, 291 – Wahllokal 291, 292 f., 439 Beauftragter des Arbeitgebers 216 ff. Befristet Beschäftigte 172 f., 178 f., 212 Beginn der Wahl 378 ff. Bekanntgabe des Wahlergebnisses – Arbeitgeber 482 – Betriebsrat 482 – Förmliche Bekanntgabe des Aushangs 480 f. – Gesamtschwerbehindertenvertretung 483
– vertretene Gewerkschaften 483 Beschäftigtenbegriff – Abgrenzung zum Arbeitnehmerbegriff 126 ff., 135, 139 f., 149 ff. – aktives Wahlrecht 208 ff. – allgemeines Arbeitsrecht 129 f. – Definition 171 – Heimarbeitnehmer 137, 166, 171 – Herleitung der eigenen Definition 149 ff. – Historische Entwicklung 133 ff. – Sozialversicherungsrecht 125 ff. – Wahlvoraussetzungen 123 ff., 171 Beschäftigungsabsicht des Arbeitgebers 175 ff. Beschäftigungspflichtquote 188 ff. Bestellung des Wahlvorstands – durch bisherigen Amtsinhaber 320 f. – durch Gesamtschwerbehindertenvertretung 322 Betreuerbestellung 223 ff., 227 Betrieb – als Bezugspunkt der Wahlberechtigung 209 – als Bezugspunkt der Wahlvoraussetzung 85 – Definition 86 f. – zusammengefasster Betrieb 99 ff., 117 Betriebsexterne als Hilfsperson 463 f. Betriebsfiktionen – Abweichende Organisationsstrukturen 93 ff. – Ausstrahlung auf das SGB IX 88 ff., 96 ff. – Betriebsteile als selbstständige Betriebe 88 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Optionsrecht in selbstständigen Betriebsteilen 90 ff. Betriebsöffentlichkeit 466 ff. Betriebsteile als selbstständige Betriebe 88 ff. Betriebszugehörigkeit 208 ff. Blinde 349 f., 413, 439 Braille-Punkt-Schrift 349 Briefwahl 289, 408 ff., 445, 447, 448 ff. Dolmetscher 439 f. Doppelkandidaturen 416, 417 Ein-Personen-Organ 56, 328 f. Einladung zu Versammlung – Angabe des Einladungsberechtigten 345, 370 – Aushang 346 f., 373 – Informations- und Kommunikationstechnik (IuK-Technik) 348 – Persönliche Unterrichtung 350 – Rundschreiben 348, 373 ff. – Sehbehinderte Wahlberechtigte 349 f., 413 – Versammlung zur Wahl des Wahlvorstands 335 ff. – Wahlversammlung 366 ff. Einleitung der Wahl 297, 411 (siehe auch Wahlbeginn und Wahlinitiierung) Einspruchsrecht bezüglich Liste der Wahlberechtigten 236 Entscheidung über das Wahlverfahren – Kompetenzkonflikte zwischen Wahlinitianten 294 – Maßgeblicher Zeitpunkt 295 ff. – Prüfungsbefugtes Organ 294 Erreichbarkeit der Wahlversammlung 289, 290 ff. Ersatzmitglieder (siehe auch stellvertretende Mitglieder) – Sonderstellung der Schwerbehindertenvertretung 56, 248 f., 250 f. – Wahlvorstand 333, 383
Exlusivcharakter der persönlichen Stimmabgabe 289 Festlegung der Zahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder – Bedeutung 403 f. – Beteiligung anderer Organe 407 – durch Versammlung 405 f. – Zuständigkeit 405 f. Feststellung des Wahlergebnisses – endgültiges 480 – vorläufiges 476 Fixierung der Bestellentscheidung 328 GdB 120 Gebärdensprachdolmetscher 439 f. Gehbeeinträchtigte Menschen 101, 291, 412, 439 Geheimgehaltene Schwerbehinderung 235, 238 Gekündigte Beschäftigte 250 ff. Gemeinschaftsbetrieb 87 Gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands – Allgemein 353 ff. – Antragsberechtigung 358 ff. – Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder 388 – Bestellung betriebsexterner Personen 386 f. – Konkurrenzverhältnis zu anderweitiger Einsetzung 385 – Rechtliche Grundlagen 353 ff. – Voraussetzungen 364 ff. Gesamtbetriebsrat 312 ff., 337, 367 Gesamtschwerbehindertenvertretung – Bekanntgabe des Wahlergebnisses 483 – Kommissarische Vertretung 106 f., 309 f. – Wahlinitiierung 306 ff., 322, 337, 367 Geschäftsfähigkeit 213 ff., 227 f. Gewerkschaften im Betrieb – Bekanntgabe des Wahlergebnisses 483
Stichwortverzeichnis – betriebsexterne Gewerkschaftsmitglieder als Wahlvorstand 386 f. – Einbindung in Wahlvorschriften 77, 359 – Initiierungsbefugnis 305, 360 Gleichstellung – Begriff 121 f. – Konstitutivcharakter der behördlichen Entscheidung 121 – Nachweis 206 f. Gleichstellungsbescheid als Nachweis der Wahlberechtigung 207 Grad der Behinderung – als Ausdruck des Schweregrades 120 – Nachweis des Schweregrades 199 f., 204 Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl – Aushang des Wahlausschreibens 411 ff. – Ausschluss unter Betreuung stehender Beschäftigter 227 f. – Bedeutung für das Wahlverfahren 289 – Einfluss auf die Wahl 66 – Einladung zur Versammlung 345 ff., 369 ff., 411 ff. – Erleichterung der Wahlteilnahme 64 f., 78 f. – Geltung 65 – Grundsatz der Barrierefreiheit 64 f., 78 f. – Hinzuziehung von Hilfspersonen 459 f. – Inhalt 63 ff. – Korrektur der Liste der Wahlberechtigten 235 ff. – schriftliche Stimmabgabe 448 ff. – Veränderungssperre am Tag der Wahl 238 ff. – Vereinbarkeit mit Stichwahl 473 ff. Grundsatz der Barrierefreiheit – Anforderungen an die Versammlungseinladung 345 ff., 369 ff. – Auslegung der Liste der Wahlberechtigten 401
– – – – – –
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Einfluss auf die Wahl 83 Geltung 80 ff. Hilfspersonen 459 f. Hör- und Sprachbehinderte 439 ff. Inhalt 78 f. Ort der Wahlversammlung 290 f., 292, 438 – Schriftliche Stimmabgabe 448 ff. – Umgang mit Sehbehinderten 349 ff. – Verhältnis zur Allgemeinheit der Wahl 64 f., 78 f. – Wahlausschreiben 412, 413 – Wahlschablonen 434 ff. – Zulässigkeit einer Stichwahl 473 ff. Grundsatz der freien Wahl – Durchbrechung bei schriftlicher Stimmabgabe 448 ff. – Einfluss auf die Wahl 60 – Geltung 59 – Inhalt 58 – Überwachung der Stimmabgabe 444 – Zulässigkeit von Wahlschablonen 435 Grundsatz der geheimen Wahl – Barrierefreiheit der Wahlkabine 438 f. – Durchbrechung bei schriftlicher Stimmabgabe 448 ff. – Einbeziehung Geschäftsunfähiger 220 – Einfluss auf die Wahl 52 – Erstellung der Wahlunterlagen 434 ff. – Inhalt 51 – Stimmabgabehandlung 442 – Überwachung der Stimmabgabe 444 – Zulässigkeit von Wahlschablonen 435 f. Grundsatz der Gleichheit der Wahl – Doppelkandidatur 416 f. – Einfluss auf die Wahl 63 – Geltung 62 – Hinzuziehung von Hilfspersonen 459 ff. – Inhalt 60 – Vereinbarkeit mit Losentscheid 472
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Stichwortverzeichnis
– zeitliches Verhältnis der Wahlgänge 456 f. Grundsatz der Mehrheitswahl – Doppelkandidatur 416 f. – Einfluss auf die Wahl 56 – Inhalt 56 – Kumulation von Stimmen 457 f. – Maßstab der Ergebnisermittlung 471 ff. – Unterschied zu anderen Wahlen 55 f. – Vereinbarkeit mit Losentscheid 472 – Wahlgleichheit 60 f. – zeitliches Verhältnis der Wahlgänge 456 f. Grundsatz der obligatorischen Vertretung – Ausschluss Geschäftsunfähiger 217 ff., 221 f., 227 f. – befristet Beschäftigte 172, 179 – Einfluss auf die Wahl 72 – Einverständnis des Wahlbewerbers 420 – Geltung 70 f. – Gemeinschaftsbetrieb 87 – Gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands 315 ff., 353 ff., 364, 384 ff. – Hörgeschädigte in der Wahlversammlung 439 ff. – Inhalt 70 – Mitglieder des Wahlvorstands 330 f., 334 – Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft 198, 230 – Parallele Wahlinitiierungsberechtigung 338 ff., 343, 367 f. – Schwellenwert für Wahlverfahren 276 ff., 296 ff. – Stichtagsbezogener Schwellenwert 181 ff., 192 f., 296 ff. – Vorgehen bei mangelhaften Wahlvorschlägen 427 ff. – Wählbarkeit 250 f., 262 – Wahlinitiierungsberechtigung des Amtsinhabers 324 ff. – Wahlleitung 393 ff.
– Zeitpunkt der Wahlvoraussetzungen 192 ff. – Zulässigkeit einer Stichwahl 473 ff. – Zusammenfassung von Betrieben 105, 108, 112 Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl – Auslegung der Liste der Wahlberechtigten 400 f. – Ausschluss Geschäftsunfähiger 221 – Bedeutung für die Bestellung des Wahlvorstands 327 f. – Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses 480 ff. – Bekanntgabe von Ort und Zeit der Stimmauszählung 370 ff. – Einfluss auf die Wahl 68 – Einspruch gegen die Richtigkeit der Liste 236 – Geltung 68 – Inhalt 67 – Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft 199 ff., 206 ff., 230 f., 240 – Sichtbarkeit der Wahlurne 443 – Veränderungssperre am Tag der Wahl 238 ff. – Wahlniederschrift 476 f. – Zeitpunkt der Stimmauszählung 465 f. Grundsatz der Selbstorganisation – Betriebsexterne als Hilfsperson 463 – Betriebsöffentlichkeit 469 – Durchbrechung hinsichtlich der Wählbarkeit 262 f. – Einfluss auf die Wahl 77 – Geltung 76 – Gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands 315 ff., 384 ff. – Inhalt 75 – Legitimationskette 321 f. – Mitglieder des Wahlvorstands 330 – Öffentlichkeit der Stimmauszählung 466 ff. – Prüfung der Wahlberechtigung 229, 242
Stichwortverzeichnis – Wahlinitiierungsberechtigte Organe 305 ff., 337, 367 – Wahlleitung 393 f., 397 Grundsatz der Simplizität – Ausschluss Geschäftsunfähiger 220 – Bestimmung des Wahlvorstandsvorsitzenden 334 – Doppelkandidaturen 416 f. – Einfluss auf die Wahl 75 – Geltung 73 ff. – Inhalt 73 – Liste der Wahlberechtigten 400 – Losentscheidung 472 ff. – Mitglieder des Wahlvorstands 395 – Nachweis der Schwerbehinderung 198, 200 f. – Parallele Wahlinitiierungsberechtigung 338 ff., 343, 367 f. – Prüfung der Wählbarkeit 264, 270 f. – Prüfung der Wahlberechtigung 243 – Schwellenwert für das Wahlverfahren 299 f. – Versammlungsleiter 379 – Wahl des Wahlvorstands 379 f., 381 – Wahlinitiierungsberechtigung des Amtsinhabers 336 f. – Wahlleitung 395 f. – zeitliches Verhältnis der Wahlgänge 456 f. – Zulässigkeit einer Stichwahl 473 ff. – Zusammenfassung von Betrieben 109 f. Grundsatz der Unmittelbarkeit – Durchbrechung bei Hinzuziehung von Hilfspersonen 459 ff. – Durchbrechung bei schriftlicher Stimmabgabe 448 ff. – Einfluss auf die Wahl 54 – Erklärung über die Kennzeichnung der Stimmzettel 448 – Inhalt 53 – Zulässigkeit von Wahlschablonen 335 Heimarbeiter 137, 166, 171
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Hilfsperson – Auswahl 463 f. – Betriebsexterne 463 f. – Hinzuziehung bei der Wahl 459 ff., 464 – Vereinbarkeit mit Wahlgrundsätzen 459 ff. Historische Entwicklung der Wahlvorschriften 42 Hör- und Sprachbehinderte 439 ff. Initiierung der Wahl (siehe Wahlinitiierung) Initiierungsberechtigung zur Wahl – Arbeitgeber 305 – Beschäftigte 306, 336, 358, 366 – Betriebsrat 306, 336, 360, 366 – Gesamtbetriebsrat 312 ff., 337, 367 – Gesamtschwerbehindertenvertretung 306 ff., 337, 367 – Gewerkschaften 305, 358 ff. – Integrationsamt 306, 336, 360 ff., 366 – Konzernbetriebsrat 318 f. – Konzernschwerbehindertenvertretung 311 f., 337, 367 – Schwerbehindertenvertretung 306, 320 ff., 336 f., 366 Integrationsamt – Beteiligung bei Zusammenfassung von Betrieben 109 – Initiierungsberechtigung 306, 336, 360 ff., 366 Jugend- und Auszubildendenvertretung 118, 216, 396 Kandidatur zur Wahl – Bekanntgabe der Namen 432 – Doppelkandidaturen 416, 417 – Einverständnis 420 – Frist 421 f. – Prüfung von Wahlvorschlägen 263 ff., 426 ff. – Stützunterschriften 418 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Vorschlagsberechtigung 414 – Wählbarkeit 246 ff. Kirchliche Einrichtungen 49 Kollegialorgan 56, 328 f. Kommunikationshelfer 439 ff. Kompetenzkonflikte zwischen Wahlinitianten 294 Konzernbetriebsrat 318 f. Konzernschwerbehindertenvertretung 311 f., 322, 337, 367 Korrektur der Liste der Wahlberechtigten – am Tag der Stimmabgabe 233 f., 238 ff. – Pflicht des Wahlleitungsorgans 235, 237, 238 ff. – Veränderungssperre 233 f., 238 ff. Kumulation von Stimmen 457 f. Legitimationswirkung einer Wahl 75, 80 f., 216, 316, 321, 341 Leiharbeitnehmer 255 f. Leitende Angestellte – Bindungswirkung des Zuordnungsverfahrens 267 f. – Wählbarkeit 255 Liste der Wahlberechtigten – Auslegung 400 f. – Bedeutung für die Wahlberechtigung 231, 238 ff. – Einbeziehung geheimgehaltener Schwerbehinderungen 235, 238 – Einspruch gegen die Richtigkeit 236 – im vereinfachten Wahlverfahren 403 – Inhalt 399 f. – Korrektur 237 ff. – normhierarchische Zulässigkeit 232 f. – Publizität 400 f. Mindestzahl schwerbehinderter Menschen als Wahlvoraussetzung – Allgemeines 118 ff. – Beschäftigung 123 ff. – Maßgeblicher Stichtag 191 ff.
– Schwerbehinderung 119 ff. – Stichtagsbezogenheit 181 ff. Nachrücken stellvertretender Mitglieder 56, 452, 248 ff. Nachweis der Schwerbehinderung – behördliche Dokumente 199, 207, 230 – Erforderlichkeit 197 f. – offensichtliche Schwerbehinderung 120, 201 ff. – Verzeichnis der schwerbehinderten Beschäftigten 200, 208, 230 Offensichtliche Schwerbehinderung 201 ff., 276 Öffentlicher Dienst 49 Optionsrecht in selbstständigen Betriebsteilen 90 ff. Passives Wahlrecht (siehe auch Wählbarkeit) – Ämterpluralität 214 ff., 216 ff. – Auskunftspflicht des Arbeitgebers 264 ff., 270 – Bedeutung des aktiven Wahlrechts 262 – betriebsverfassungsrechtliche Wählbarkeit 254 ff. – Betriebszugehörigkeit 247 f., 252 f., 256 – Gekündigte Beschäftigte 250 ff. – Leiharbeitnehmer 255 f. – Leitende Angestellte 255, 267 f. – Liste der Wahlberechtigten 400 – Mindestvorbeschäftigungszeit 252 f. – nicht nur vorübergehende Beschäftigung 247 ff. – Prüfung 263 ff., 270 – Volljährigkeit 246 Persönliche Abhängigkeit – Arbeitnehmerbegriff 151 ff. – Voraussetzung der Beschäftigung 162 ff. Personalrat 49
Stichwortverzeichnis Planbarkeit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen 186 Prüfung des aktiven Wahlrechts – Auskunftsansprüche 240 ff., 244 ff. – im vereinfachten Verfahren 242 ff. – in Versammlung der Schwerbehinderten 229 f. – Wahlvorstand 231 ff. Prüfung des passiven Wahlrechts (siehe auch Wählbarkeit) – Allgemein 263 ff. – Auskunftspflichten 264 ff., 270 – Pflicht 264, 269 Publizitätsgrundsatz (siehe Grundsatz der Öffentlichkeit) Räumliche Nähe – Grundsatz der Barrierefreiheit 290, 292 – Voraussetzung des vereinfachten Wahlverfahrens 279 ff. – Zusammenfassung von Betrieben 99 ff. Rollstuhlfahrer 101, 291, 412, 439 Rundschreiben 348, 373 ff. Schrifliche Stimmabgabe – Anforderungen an die Gültigkeit der Stimmen 447 f. – Ausschluss im vereinfachten Wahlverfahren 289 – bei persönlicher Verhinderung 445 f. – generelle 408 ff., 447 – Vereinbarkeit mit Wahlgrundsätzen 448 ff. Schwellenwert – bei der Wahlvoraussetzung 84 ff., 118 ff. – Eignung des Schwellenwertsubjekts beim Wahlverfahren 274 – für das vereinfachte Wahlverfahren 273 ff. – Inflexibilität 275 – Rückgriff auf Beschäftigungspflichtquote 188 ff.
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– Zweck 144 ff., 175 Schwerbehindertenbeauftragter des Arbeitgebers 216 ff. Schwerbehindertenvertrauensperson – Entscheidung 327 f. – in Abgrenzung zu den stellvertretenden Mitgliedern 56, 328 f., 452 ff. – Nachrücken stellvertretender Mitglieder 56, 452, 248 ff. Schwerbehindertenverzeichnis – als Ausgangspunkt der Prüfung der Wahlberechtigung 230 – Bedeutung für Schwellenwerte 279 – Nachweiswirkung für die Gleichstellung 208 – Nachweiswirkung für die Schwerbehinderung 200 Schwerbehinderung – als Voraussetzung des aktiven Wahlrechts 197 ff. – Begriff 119 – Deklaratorischer Charakter der Feststellung 120 – Gleichstellung 121 ff., 206 ff. – Nachweis 120, 197 f., 199 ff. – Offensichtlichkeit 201 ff., 276 – Pflicht zur Offenbarung 235 – Schweregrad 120, 204 ff. – Verzeichnis der schwerbehinderten Beschäftigten 200, 208, 230, 279 Sehbehinderte Wahlberechtigte – Arbeitsassistenz 350 – Aushänge 413 – Blindenschrift 349 – Einladungen 349, 413 – persönliche Unterrichtung 350, 413 „Sichtbarkeit“ schwerbehinderter Menschen als Problem – Bekanntgabe der Zusammenfassungsentscheidung 114 ff. – Schwellenwert des Wahlverfahrens 276 – Unterrichtung 348, 374 – Wahlberechtigung 235, 238, 374
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Stichwortverzeichnis
Simultanschriftdolmetscher 440 Sonderstellung schwerbehinderter Menschen 37 Sprecherausschuss 266 ff. Stellung der Schwerbehindertenvertretung 39 stellvertretende Mitglieder – amtsbezogene Trennung der Wahlgänge 452 ff. – Ausschluss der Kumulierung der Stimmen 457 f. – Ein-Personen-Vertretung 56, 328 f. – Festlegung der Anzahl 403 ff. – Nachrücken 56, 452, 248 ff. – Zeitliches Verhältnis der Wahlgänge 453 ff. Stichtag für das Wahlverfahren 295 ff. Stichtag für die Wahlvoraussetzungen – Maßgeblicher Stichtag 191 ff. – Stichtagsbezogenheit an sich 181, 182 – Systemeinheitlichkeit 195 Stimmabgabe – Briefwahl 289, 408 ff., 445, 447, 448 ff. – dogmatische Einordnung 227 f. – Exklusivcharakter der persönlichen Stimmabgabe 289 – Geschäftsunfähige 213 ff., 227 f. – persönliche 442 f. – Rechtsakt sui generis 227 f. – schriftliche 289, 408 ff., 445, 447, 448 ff. – Überwachung 444 Stimmauszählung – Bedeutung des Grundsatzes der Mehrheitswahl 471 ff. – Bekanntgabe von Zeit und Ort 370, 470 f. – Feststellung des vorläufigen Wahlergebnisses 476 – Öffentlichkeit 466 ff. – Zeitpunkt 465 Stimmenhäufung 457 f. Stimmzettel 434, 437, 442 ff., 484 f.
Stützunterschriften 418 ff. Tarifliche Regelung der Organisationsstruktur 93 ff. Übergabe der Wahlunterlagen 484 f. Untergang der Schwerbehindertenvertretung 176 f., 185 Unterrichtung der Gewählten 478 f. Veränderungssperre 233 f., 238 ff. Verbindlichkeit der Wahlingangsetzung 300 ff. Verkehrsanbindung 101, 291 Versammlungsleiter 379, 389 Vertrauensperson – als Bezeichnung der Person der Schwerbehindertenvertretung 39 – als Unterstützer bei der Wahlhandlung (Hilfsperson) 459 ff. Verzeichnis der schwerbehinderten Beschäftigten – als Ausgangspunkt der Prüfung der Wahlberechtigung 230 – Bedeutung für Schwellenwerte 279 – Nachweiswirkung für die Gleichstellung 208 – Nachweiswirkung für die Schwerbehinderung 200 Volljährigkeit – als Voraussetzung des passiven Wahlrechtes 246, 415 – als Voraussetzung für das Wahlleitungsorgan 331, 395 ff. Vorbereitung der Wahl 398 ff. Vorbeschäftigung – Wählbarkeit 252 f. – Wahlberechtigung 212 Vorsitzender des Wahlvorstands 334, 383, 388 Vorübergehender Charakter der Beschäftigung – als Prognose 185 – bei Wählbarkeit 247 ff.
Stichwortverzeichnis – bei Wahlberechtigung 212 – bei Wahlvoraussetzungen 172 ff., 185 Wählbarkeit – Ämterpluralität 214 ff., 216 ff. – Auskunftspflicht des Arbeitgebers 264 ff., 270 – Bedeutung des aktiven Wahlrechts 262 – betriebsverfassungsrechtliche Wählbarkeit 254 ff. – Betriebszugehörigkeit 247 f., 252 f., 256 – gekündigte Beschäftigte 250 ff. – Leiharbeitnehmer 255 f. – Leitende Angestellte 255, 267 f. – Liste der Wahlberechtigten 400 – Mindestvorbeschäftigungszeit 252 f. – nicht nur vorübergehende Beschäftigung 247 ff. – Prüfung 264 ff., 270 – Volljährigkeit 246 Wählerliste – Auslegung 400 f. – Bedeutung 231, 238 ff. – Einspruch gegen die Richtigkeit 236 – im vereinfachten Wahlverfahren 403 – Inhalt 399 f. – Korrektur 237 ff. – normhierarchische Zulässigkeit 232 f. – Publizität 400 f. Wahlausschreiben 411 (siehe auch Wahleinleitung) Wahlbeginn (siehe auch Wahleinleitung und Wahlinitiierung) – Begriff 378 – bei Wahlvorstandseinsetzung durch das Arbeitsgericht 384 ff. – bei Wahlvorstandswahl durch die Versammlung der Schwerbehinderten 379 ff. – im vereinfachten Verfahren 389 ff. Wahlberechtigung – Allgemeines 196
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– Auskunftspflichten des Arbeitgebers 240 ff., 244 f. – Auswirkung einer Betreuerbestellung 223 ff., 227 – bei Wahlvorstandswahl 380 ff. – Beschäftigung im Betrieb 208 ff., 171 – Betriebszugehörigkeit 208 ff. – doppelte Prüfung im vereinfachten Wahlverfahren 242 f. – Einspruchsrecht 236 – Geschäftsfähigkeit als Voraussetzung 213 ff., 227 f. – Korrektur der Liste nach Ablauf der Einspruchsfrist 237 ff. – Liste der Wahlberechtigten 231 ff., 238 ff., 399 ff. – Nachweis der Schwerbehinderung 197 ff., 199 ff., 207 f., 230 – Prüfung des aktiven Wahlrechts 229 ff., 231 ff., 240 ff., 244 ff. – Schwerbehinderung 197 ff. – Verspätete Offenbarung des Schwerbehindertenstatus 238 Wahleinleitung (siehe auch Wahlbeginn und Wahlinitiierung) – Begriff 411 – Unterschiede zu Wahlinitiierung 297 Wahlergebnis (siehe auch Stimmauszählung) – Aushang 480 – Bekanntgabe an Arbeitgeber 482 – Bekanntgabe an Betriebsrat 482 – Bekanntgabe an Gewerkschaften 483 – Bekanntgabe an Integrationsamt 482 – endgültiges 480 ff. – vorläufiges 476 Wahlgrundsätze – Allgemein 47, 50 – Einfluss auf die Wahl 50, 52, 54, 56, 60, 63, 66, 68, 72, 75, 77, 83 – Geltung bei der Schwerbehindertenvertretungswahl 50, 51, 59, 62, 65, 68, 70, 73 f., 76, 80 ff.
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Stichwortverzeichnis
Wahlinitiierung (siehe auch Wahlbeginn und Wahleinleitung) – Allgemeines 304 – Begriff 304 f. – Bestellung des Wahlvorstands 320 ff. – durch Betriebsrat 306, 336, 360 ff., 366 – durch Gesamtbetriebsrat 312 ff., 337, 367 – durch Gesamtschwerbehindertenvertretung 306 ff., 322, 337, 367 – durch Integrationsamt 306, 336, 360 ff., 366 – durch Konzernbetriebsrat 318 f. – durch Konzernschwerbehindertenvertretung 311 f., 322, 337, 367 – durch Schwerbehindertenvertretung 306, 320 ff., 336 f. – durch Wahlberechtigte 306, 336, 358, 366 – Gerichtliche Einsetzung des Wahlvorstands 353 ff. – in zusammengefassten Betrieben 307 ff., 314 – Unterschiede zum Wahlbeginn 304 f., 378 – Unterschiede zur Wahleinleitung 304 f., 297 – Zeitpunkt 304 f., 335, 352, 366, 377 Wahlleitung (siehe auch Wahlvorstand) – Anforderungen an die Person 391 ff. – Auskunftsanspruch 245 – Prüfung der Wahlberechtigung 243 – Wahl 242, 389 ff. Wahllokal 438 ff. Wahlniederschrift 476 f. Wahlrecht (siehe auch Wahlberechtigung und Wählbarkeit) – Aktives 196 ff. – Passives 246 ff. Wahlschablonen – Verhältnismäßigkeit der Kosten 437 – Zulässigkeit des Einsatzes 434 f., 437
Wahltag als Stichtag 191 ff. Wahlunterlagen – Erstellung 434, 437 – Übergabe 484 f. – Wahlschablonen 434 f., 437 Wahlurne 443 Wahlversammlungsbezogene Auslegung 287 ff. Wahlvoraussetzungen – Beschäftigung im Betrieb 123 ff. – Betrieb 85 ff., 99 ff. – Nicht nur vorübergehende Beschäftigung 172 ff. – Prognostische Schwierigkeiten 178 f., 186 ff. – Rückgriff auf Beschäftigungspflichtquote 188 ff. – Schwellenwert 84 ff., 118 ff. – Schwerbehinderung 119 ff. – Stichtag 181 ff., 191 ff. – Vergleich zu anderen Interessenvertretungen 84, 118 – Zusammenfassung von Betrieben 99 ff., 117 Wahlvorschläge – Bekanntgabe der Namen der Wahlbewerber 432 – Doppelkandidaturen 416, 417 – Einverständnis der Kandidaten 420 – Frist für Einreichung 421 f. – Inhaltliche Anforderungen 415 ff. – Nachbesserungen 431 f. – Prüfung 426 ff. – Stützunterschriften 418 ff. – verfrühter Eingang 421 Wahlvorstand (siehe auch Wahlleitung) – Anforderungen an die bestellbaren Personen 330 ff., 386 ff. – Anzahl der Mitglieder 333, 383, 388 – Bestimmung des Vorsitzenden 334, 383, 388 – Betriebsexterne als Mitglieder 386 f. – Ersatzmitglieder 333, 383
Stichwortverzeichnis – Prüfung der Wahlberechtigung 231 ff. – Wahl 379 ff., 382 Zuordnungsverfahren 267 f. Zusammenarbeit – mit dem Arbeitgeber 240 ff., 244 ff., 264 f., 270, 482 – mit dem Betriebsrat 39 f., 97, 266 ff., 482 – mit dem Sprecherausschuss 266 ff. Zusammenfassung von Betrieben – Allgemeine Voraussetzungen 99 ff. – Bedeutung für die Initiierungsberechtigung 307 ff., 311 f., 314
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– Bekanntgabe der Zusammenfassung 114 f. – Einfluss des Integrationsamts 109 f. – Entscheidungskompetenz 110 ff. – Pflicht zur Zusammenfassung 110 ff. – Räumliche Nähe 99 ff. – Unterschreitung des Schwellenwerts 103 ff. – Voraussetzungen 99 ff. – Wahlinitiierung nach Zusammenfassung 307 ff., 314 – Wirkung 117, 307 ff., 314 f. – Zeitpunkt der Entscheidung 116