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German Pages 777 [780] Year 1893
Die
Vereinigten Staaten m Amerika. Von
Dr. Friedrich Ratzel, Professor der Geographie an der Universität zu Leipzig.
Zweiter Band.
Politische und Wirtschafts-Geographie.
Zweite Auflage.
SUnchen. Druck
u n d V e r l a g v o n R. O l d e n b o u r g . 1883.
Politische Geographie der
Vereinigten Staaten von Amerika unter besonderer Berücksichtigung der
natürlichen Bedingungen and wirtschaftlichen Verhältnisse.
Von
Dr. Friedrich Ratzel, Professor der Geographie an der Universität zu Leipzig.
Zweite Auflage. Mit einer Kulturkarte
und 16 Kärtchen und Plänen im Text.
München. D r u c k u n d V e r l a g v o n R. O l d e n b o u r g . 1893.
Vorwort. Diese neue Auflage ist ein neues Buch geworden. Es ist sozusagen keine Zeile auf der anderen geblieben. Das Land und das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika haben seit dem Jahre 1870, auf dessen Gensus die erste Auflage sich hauptsächlich zu stützen hatte, sehr grofse Veränderungen erfahren. Und aufserdem sind nicht einmal die Grundgedanken der Arbeit noch ganz die alten. Die Beschäftigung mit der allgemeinen politischen Geographie hat mich gelehrt, den Konstanten der politischen Geographie: Lage, Peripherie und Raum, einen grö[seren Wert beizulegen und sie sind also viel ausführlicher dargestellt worden. Ihre gründliche Erörterung ist gerade bei diesem jungen Lande geboten. Die praktischen Lehren, die uns die V. St. von Amerika erteilen können, liegen in der freieren, mit gröfseren Mitteln bewirkten Entfaltung unserer eigenen politischen und Kulturgedauken. Kein Problem ihrer Geographie übertrifft daher das des Raumes an praktischer Bedeutung für unser politisches und wirtschaftliches Leben. Dem Staatsgebiet als Raum ist nicht blofs ein besonderes Kapitel gewidmet, es kehrt auch der Raum in jedem Kapitel in seinen Wirkungen auf das körperliche Dasein und den Geist der Bevölkerung, ihre wirtschaftliche Thätigkeit und politische Bethätigung wieder. Was die Peripherie, also die Küste und die Grenze anbetrifft, so beweisen die V. St. klar, dals der Peripherie mit der Ausfüllung und Aus-
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Vorwort.
nützung des von ihr umschlossenen Raumes immer greisere Funktionen übertragen werden, die sich in der Peripherie immer mehr verdichten und summieren und deren Wert erhöhen. Die Erfahrung, dais wichtige Stellen der Grenzen der V. St. auf verbreiteten europäischen und amerikanischen Karten falsch gezeichnet sind, bestärkte mich noch in dem Wunsch, eine eingehende Darstellung der Peripherie zu versuchen. Bei der Betrachtung eines so weiten Gebietes, wo nur der kleinste Teil dessen, was möglich ist, auch fertig, das Meiste erst im Werden ist oder gar noch im Schlummer liegt, verliert man gar zu leicht den Mafsstab für das Wirkliche. Die Bürger der V. St. selbst gehen mit dem Beispiel der Überschätzung voran, der bei Anderen den Gegensatz der Unterbietung hervorruft und das Greifbarste ist am Ende nur die Verwirrung des Urteiles. Eine politische Geographie der V. St. hat zunächst glücklicherweise gar nichts mit den Zukunftsbildern zu thun. Die tellurischen Thatsachen auf dem Grunde der politischen und wirtschaftlichen Erscheinungen festzustellen und zu beschreiben, das ist ihre unzweifelhafte erste Aufgabe, auf die die Beschreibung der Grölse, Lage und Gestalt dieser Erscheinungen folgt. Die Beziehung zu jenen Schlüssen liegt nur darin, dafs sie ihnen den sicheren Boden festhält und zugleich die vorhandenen Entwickelungen so genau wie möglich umgrenzt. Die politische Geographie ist auch angewandte Ethnographie. Sie sucht neben der Beschreibung des Landes die des Volkes in womöglich gleicher Ausführlichkeit und Genauigkeit zu geben. Die Tiefe, Mannigfaltigkeit uud Beweglichkeit der Erscheinungen fordert aber dafür eine besondere Art von Darstellung, die sich von der der beschreibenden Naturwissenschaften in der Richtung auf die schildernde Beschreibung entfernt. Einige hierher gehörige Probleme der Rassenpolitik lassen sich geographisch fundieren und gewinnen dann sofort an Deutlichkeit und Begreiflichkeit. Ich habe mir besondere Mühe gegeben, das Negerproblem klar hinzustellen, um so mehr, als die Thatsache, dais Bryce in seinem groisen, nützlichen Buche »The American Commonwealth« es einfach bei Seite gelassen hat, mir immer den Eindruck nicht blofs einer Bresche, sondern des Mangels einer
Vorwort.
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ganzen Wand in seinem Baue macht. Die Aufgabe der politischen Geographie kann es nicht sein, die Bevölkerungsstatistik eines Landes zu reproduzieren, sondern vermittelst der statistischen Zahlen das Volk als einen lebendigen Körper zu verstehen und dessen Bewegungen auf seinem Boden zu erkennen. Durch die statistischen Zahlen hindurch, die in einem solchen Werke aus praktischen Gründen in gröfserem Mafse geboten werden müssen als eigentlich die Geographie bedarf, sollen die geographischen Bedingungen und Beziehungen gleichsam durchscheinen. Die diesem Band beigeheftete Kulturkarte, deren Erklärung auf einem besonderen Blatt gegeben ist, wird hoffentlich das geographische Verständnis der statistischen Zahlen erleichtern. — Für die Mitteilungen der Census Bulletins, des Grundmaterials dieses Bandes, die ich bis No. 352 benützen konnte, habe ich Herrn R o b e r t C. P o r t e r in Washington, Superintendent und Herrn H e n r y Gannett, Geograph des U. S. Census zu danken, für die Zugänglichmachung unveröffentlichter Küstenlängen Herrn T. C. Mendenhall, in Washington, Superintendent des U. S. Coast und Geodetic Survey. Seitens der Smithsonian Institution, des Geological Survey of the Rocky Mt. Region und des Bureau of Ethnography, hatte ich mich, wie seit Jahren, des freundlichsten Entgegenkommens zu erfreuen. Besonderen Dank bin ich den Herren Albert S. G a t s e h e t und W. D. D a l i schuldig. Über dunkle Punkte der Negerfrage halfen mir Mifs Ellen C. S e m p l e in Louisville und Dr. G. W. Gage, derzeit in Leipzig, Erkundigungen einziehen und unterstützten mich durch Zusendung seltener Litteratur. Den Professoren Dr. E m e r t o n in Cambridge Mass., Dr. Richard M. S m i t h in Columbia College, New York, und Dr.Henry Clay S t a n c l i f t in Evanston bei Chicago habe ich für freundliche Auskünfte über die Reste der Indianer in Neu-England, über die Ein- und Auswanderungs-Statistik und über eine schwierige Stelle in der Nordgrenze der V. St. zu danken. Für Angaben über die Missionsthätigkeit der Nordamerikaner bin ich den Herren Pastor Dr. W a r n e c k in Rothenschirmbach und Missionsdirektor Dr. v. Schwartz in Leipzig verbunden. Mein verehrter Freund Hermann H o f m a n n , Bibliothekar des Vereins für Erdkunde zu
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Vorwort.
Leipzig, vermittelte mir amtliche russische Mitteilungen über den Handel der V. St. mit dem asiatischen Rufsland. Herrn Hof rat P e r t h e s in Gotha habe ich für die Überlassung wichtiger Litteratur und Herrn Dr. P o t t h a s t , Bibliothekar des deutschen Reichstags, für freundliches Entgegenkommen bei der Benützung der Bibliothek des Deutschen Reichstags zu danken. Neben dem Gedanken, den wissenschaftlichen Wert des Buches nach allen Richtungen zu erhöhen, trieb mich zu dieser zweiten Auflage der Wunsch, die grofse transatlantische Republik dem Verständnis und Urteil der Deutschen noch näher zu bringen. Das Buch ist also nicht blofs für Geographen und deren Fachverwandte, sondern für Alle bestimmt, die diesem Land ein eingehendes Studium widmen wollen. Ich habe es immer als einen grofsen Vorzug der Engländer empfunden, dafs sie die V. St. von Amerika mit der behaglichen Vertrautheit Nächstverwandter beurteilen. So nahe können wir nicht heran-, wohl aber zu einem klareren Blick und einem vielleicht sachlicheren Urteil kommen. Beide sind jedem notwendig, der die wirtschaftlichen und politischen Entwickelungen der Gegenwart überhaupt verstehen will. Es läfst sich sogar behaupten, dafs heute an dem Verständnis für das, was in Nordamerika vor sich geht und sich vorbereitet, das politische Verständnis eines Volkes überhaupt sich messen lasse. Wir müssen dafür sorgen, dafs Deutschland, das aus seiner Kenntnis der V. St. schon viel Nutzen gezogen hat, in dieser Kenntnis von keinem Volke übertroffen werde. Wenn das Buch etwas dazu beiträgt, wird meine Mühe belohnt sein. Leipzig, den 14. Juni 1893. Friedrich Ratzel.
Inhalts-Verzeichnis. Einleitung: T h a t s a c h e n und W i r k u n g e n d e s
Bodens.
I. Lage. Nordamerika und die Vereinigten Staaten 3. Arktische und westindische Beziehungen 5. Die Interkontinentale Eisenbahn 7. Der Vergleich mit Europa 8. Die Lage zu den Meeren 9. Atlantische und pacilische Einflüsse 11. Seemachtstellung 12. Die Atlantische Seite 13. Ihr Übergewicht 14. Die Golfseite 16. Die nordatlantischen Westseen 18. Die pacifische Seite 20. Die Vereinigten Staaten als pacifische Kulturmacht 22. Die Eismeerseite und Alaska 24. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland 26. Der mittelamerikanische Kanal 27. Die Sicherheit der Lage 28. Die Inseln 29. II. Die Peripherie: Grenzen und Küsten. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse der V. St. 32. Annäherung an Naturgrenzen 33. Länge der Peripherie 36. Bevorzugte Gebiete in der Peripherie 37. Das Zusammentreffen der Landgrenzen und Küsten 43. Übergreifende Rechte 44. Verlauf und Veränderungen der G r e n z e n 51. Indianergrenzen 46. Einige Bemerkungen über die inneren Grenzen 48. D i e K ü s t e n 61. Küstenlänge und Küstenentwickelung 64. Die Küsten- und Hafengebiete 69. Küstenlandschaften 77. Küstenveränderungen 81. III. Der Raum. Das Areal 82. Kontinentale Gröfse 84. Vergleich mit anderen kontinentalen Staaten 86. Europa in amerikanischer Perspektive 88. Kein amerikanisches Gleichgewicht 92. Innere Wirkungen 93. Gröfse und Zerfall 95. Die Politik der grofsen Bäume 96. Überlegenheit der Raumvorstellungen in der wirtschaftlichen und politischen Expansion 98. Der Raum in Geist und Charakter des Nordamerikaners 100. Die Gröfsenverhältnisse der Staaten und Territorien 103. Anhang: D a s W a c h s t u m d e r V e r e i n i g t e n S t a a t e n .
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Inhalts -Verzeichnis. IV. Der Boden.
Die grofsen Züge der Bodengestalt 121. Die Anlage zum Verkehr das Übergewicht der horizontalen Entfernungen 122. Das Flufsnetz 123. AlleghanieB als Schranke 127. Wege und Pässe im Hochland des Westens Die Bodengestalt und die Verteilung der Bevölkerung 131. Gebirgsvölker Bodenschätze in Erzen und Fruchtbarkeit 134.
und Die 129. 133.
V. Klima. Pflanzen- nnd Thierweit. Klimatische Mannigfaltigkeit der Vereinigten Staaten 142. Entscheidende Bedeutung der nordsüdlichen und ostwestlichen Klimagrenzen 143. Verschiedene Stärke dieser Unterschiede 145. Die Wirkungsweise des Klimas 147. Mittelbare und unmittelbare Wirkungen 150. Bevölkerungstypen 151. Klimatische Krankheiten 153. — Die natürliche Ausstattung Nordamerikas mit nützlichen und schädlichen Pflanzen und Tieren 154. VI. Die Natnr nnd die Volksseele. Erster
Abschnitt.
Die Rassen und Stämme. VII. Die Rassenprobleme. In der Mehrheit der Rassen liegt ein tiefer Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Europa 179. Bedeutung der Rassenfragen 181. Die soziale Schichtung und geographische Sonderung 182. Allmähliche Umgestaltung der politischen Ideale 184. Wirkungen auf die innere Entwickelung und nach aufsen 185. VIII. Die Indianer. Die voreuropäischen Bewohner Nordamerikas 188. Pacifische Beziehungen und Abgeschlossenheit gegen atlantische Einflüsse 189. Rassen- und Charaktermerkmale 190. Gruppen und Völker 194. Ethnographisches 197. Schwächen der sozialen und politischen Organisation, die den Weifsen das Eindringen erleichtert 204. Statistik der Indianer in den Vereinigten Staaten 208. Ihr Rückgang an Gebiet und Zahl 210. Mischlinge 216. Die Beziehungen zwischen Indianern und Weifsen und die Indianerpolitik 218. Die Reservationen und das Indianerterritorium 224. IX. Die Weifsen oder die Europäo-Amerikaner. Die Abstammung der Weifsen Nordamerikas 235. Das angebliche Angelsachsentum 236. Die Stammesangehörigkeit der Einwanderer 237. Der Europäo-Amerikaner 238. Die amerikanische Nationalität 243. Die Stellung der Deutschen in den V. St. 247. Die Veränderung der Rasse durch Einwanderung 250. Einige Bemerkungen über die deutschen, französischen und spanischen Elemente 253. Die Juden 259. X. Die Neger. Entwickelung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten 261. Ihr Charakter 268. Zahl und Verbreitung der Neger 269. Ihre Allgegenwart 270.
Inhalte - Verzeichnis.
XI
Verdichtungen in den nördlichen Südstaaten 271. Wachstum, Geburten und Sterblichkeit 272. Beziehung zu der Zunahme der weifsen Bevölkerung und der weifsen Einwanderung 277. Geographische Verbreitung der Neger in den Vereinigten Staaten 278. »The Black Belt« und die Afrikanisierung des äufsersten Südens 280. D i e N e g e r f r a g e 281. Der freie Neger 283. Seine politischen Rechte 284. Seine Erziehungsfähigkeit 284. Schulen und Charakterbildung 286. Geistige Stagnation 287. Wirtschaftliche Zustände und Fortschritte 288. Entwickelung des Südens seit 1860 289. Grundbesitz der Neger 291. Die Mulatten 293. XI. Die Chinesen.
Zweiter Die Bevölkerung.
Abschnitt.
Ihre V e r b r e i t u n g und ihr
Wachstum.
XII. Die Volkszalil nnd ihre geographische Verteilung. Das Heranwachsen der heutigen Volkszahl 301. Die Dichtigkeit 303. Das besiedelte Land 305. Ost- und Westgebiete der Volksdichte 306. Leere Stellen 309. Ein eigener Typus der Volksverteilung in den V. St. 311. Der Bevölkerungsmittelpunkt 313. XIII. Städte nnd andere Siedelangen. Stadt und Land 315. Die ländlichen Siedelungen 316. Die Stadt 320. Städtische und ländliche Bevölkerung 324. Die Wohnungen 325. Städteverwaltung 327. Die Bevölkerung 329. Die Grofsstädte 331. Die Verbreitung der Städte 336. Städtegruppen 339. XIV. Das innere Wachstum der Bevölkerung. Das innere und das äufBere Wachstum 344. Das Verhältnis der Geschlechter 245. Die Gröfse der Familien 345. Geburten und Todesfälle 346. Geographische Verbreitung einiger Krankheiten 352. Selbstmorde 353. Der Alters-Aufbau der Bevölkerung 353. XV. Die Einwanderang. Die Gröfse der Einwanderung seit 1790 und ihr Beitrag zum Wachstum der V. St. 355. Allgemeine Bedeutung der Einwanderung für die Bevölkerung der V. St. 357. Umschwung der Einwanderungspolitik 359. Verschiedener Wert der Einwanderer 361. Die Berufe der Einwanderer 363. Die Verteilung der Einwanderer 364. XVI. Die innere Wanderang. Das Wandern der Einwanderer ins Innere 366. Der Wandertrieb der Einheimischen 366. Quellen und Strafsen der inneren Wanderung: NeuEngland und Virginien 367. Andere Bewegungen 370. Gebiete des Rückgangs im Osten und Westen 371. Die Auswanderung aus den V. St. 373.
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Inhalts - Verzeichnis. Dritter
Abschnitt.
Wirtschaftsgeographie. XVII. Die Landwirtschaft. Die natürlichen Bedingungen 377. Das Ostgebiet 378. Der dürre Westen 382. Das Grenzgebiet zwischen Ost und West 387. Die Zukunft des Steppenlandes 388. Oasen und Abstufungen 391. Die künstliche Bewässerung 893. Artesische Brunnen 397. Sociale und politische Folgen der künstlichen Bewässerung 398. Das pacifische Gebiet 400. Die landwirtschaftlichen Regionen 401. Landwirtschaft und Volksdichte 406. D e r A c k e r b a u 408. Verbreitungsgebiete der wichtigsten Kulturpflanzen 408. Amerikanische Methoden des Ackerbaues 412. Die Urbarmachung 414. Das Wandern nach Westen 418. Farmer und Pflanzer 424. Farmen und Grundbesitz 430. Geschichtliches 438. Der Mais 442. Der Weizen und andere Getreide 444. Wurzel- und Hülsenfrüchte 446. Die Baumwolle und andere Faserpflanzen 447. Zucker 449. Tabak, Hopfen, Indigo 451. Die Obstbäume 453. Weinbau 455. Beeren 456. Wiesenbau 457. Gartenbau und Blumenzucht 458. D i e V i e h z u c h t 459 Das Verhältnis zwischen Ackerbau und Viehzucht 459. Rancher und Farmer 461. Entwickelung der Viehzucht 463. Rinder 463. Pferde 464. Schafe 465 Schweine 466. Der Hund 468. Seiden- und Bienenzucht 468. XV11I. Die Wälder und ihre Ausbeutung. Verbreitung der Wälder in dem Gebiet der V. St. 469. Ihre über die einzelnen Staaten 471 Neuanpflanzungen von Wäldern fänge von Forstschutz und Waldwirtschaft 474. Waldverwüstung brände 475. Die wichtigsten Nutzhölzer 477 Der Holzverbrauch handel 478.
Verteilung 473. An und Waldund Holz-
XIX. Mineralreiclitnm und Bergbau. Verbreitung und Entwickelung 479 Geschichtliches 480. Rückwirkung auf die Bevölkerung 481. Die Miners und Prospectors 483. Mining Excitements 485. Botrieb des Bergbaues 485. E i s e n 486. Die großen EisenerzRegionen und die Hauptgebiete der Eisenindustrie 487. S t e i n k o h l e n 489. Verbreitung 489. Die hauptsächlichsten Kohlenfelder und -Becken '190. Anthracit 490 Bituminöse Kohlen 491. Braunkohlen 494. G o l d 495. Die Goldlager von Kalifornien, von Colorado und den übrigen Goldgebieten des Westens 496. Gold in den Alleghanies 499. S i l b e r 499. Silbergebiete von Nevada, Colorado, Montana, Utah 500. Andere Silbergebiete 501 Q u e c k s i l b e r 501. K u p f e r 502. B l e i 503. Z i n k und andere Metalle 503. E d e l s t e i n e 503. S a l z 504. B a u s t e i n e und andere Mineralien 505. S t e i n ö l 506. Vorkommen, Gewinnung und Verfrachtung 507. Erdgas 508. Asphalt 508. X X . Die Gewerbthätigkeit. Die Anfänge 509. Zurückdrängung durch das Mutterland 510. Aufschwung seit der politischen Selbständigkeit 511. Heutiger Stand 512. Der Betrieb 512. Arbeitskräfte, Maschinenarbeit, Werkzeuge 513. Der Erflndungsund Unternehmungsgeist 513. Patente 513. Kredit 515. Leben und Stellung
Inhalts - Verzeichnis.
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der Arbeiter 516. Die Hauptzweige der Gewerbthätigkeit: Textilindustrien 618. Metallindustrien und Maschinenbau 520. Landwirtschaftliche Geräte 522. Lederverarbeitung 523. Waffen 525. Uhren 526. Chemische Industrien 526. Brauereien 526. Keramik 527. Vervielfältigende Industrien 528. XXI. Verkehrswege und Verkehrsmittel» Anfänge 529. Periode der Kanalbauten und Gallatins Entwurf 530. Erie-Kanal 531. Die Eisenbahn-Aera 532. Wettkampf zwischen Kanälen und Eisenbahnen 533. Eisenbahnmonopole 534. D i e n a t ü r l i c h e n G r u n d l i n i e n d e s V e r k e h r e s 535. Die Verkehrsgebiete 538. Die Naturstrafsen des Inneren 538. D i e s c h i f f b a r e n F l ü s s e 539. Mississippi 540. Ohio 542. S. Lorenz 543. Hudson 544. Kleinere schiffbare Flüsse von Bedeutung 544. D i e B i n n e n s e e n 546. D i e K a n ä l e 546. Kanäle und Eisenbahnen 547. Das Kanalsystem von New York, Pennsylvanien, New Jersey, des Ohio und Mississippi 548. Kanäle in den Süd- und Weststaaten 551. D i e E i s e n b a h n e n 555. Statistik 556. Eisenbahngebiete 559. Aufzählung der grofsen Linien undComplexe 560. Besonderheiten im Bau und Betrieb 564. S t r a f s e n u n d B r ü c k e n 567. Strafseneisenbahnen 570. P o s t u n d T e l e g r a p h e n 571. XXII. Der Handel und Seeverkehr. Geschichtliches 573. Hauptgegenstände der E i n f u h r u n d d e r A u s f u h r 575. Betrag des Gesamthandels der Haupthandelsgebiete mit den V. St. 576. Die Beziehungen zu den Ländern des »amerikanischen Systems« in Amerika und im Stillen Ocean 578. Der kanadische Durchgangshandel 582. Der mexikanische Landhandel 583. Verbreitung des kaufmännischen Sinnes 584. Der Storekeeper 584. Rückwirkung des Handels auf die Bevölkerung 585. Trusts 586. Bankerotte 687. Banken und Versicherungswesen 688. E h e d e r e i u n d S c h i f f s v e r k e h r 589. Die Seefischerei 591. Der Walfischfang 593. Vierter Staat und G e m e i n d e n .
Abschnitt.
K i r c h e und S c h u l e . Geistiges Leben.
Die Gesellschaft. XXIII. Der Staat and die Gemeinden. Die Verfassung 598. Union und Einzelstaaten 598. Der Kongrefs 699. Der Präsident 600. Die Bundesgerichte 600. Die Verwaltung 601. Staatsamt 601. Einige Bemerkungen über auswärtige Politik 602. Inlandamt 607. Schatzamt 608. öffentliche Schuld 608. Geld 609. Mafse und Gewichte 609. Das Kriegsamt 610. Armee 610. Marineamt 613. Flotte und Küstenverteidigung 613. Die Einzelstaaten 614. Gruppierung 615. Politische Rolle und Partikularismus 618. Ihre Gesetzgebung 621. Gemeinden 622. Town und County 623. Die Städte 624. Das politische Leben 625. Die politische Anlage 625. Die Parteien 628. Die Wahlen 629. Korruption 632. Flagge und Wappen 636. XXIV. Die Kirche. Religiöse Anlagen 637. Kirche und Staat 638. Eigentümlichkeiten des religiösen Lebens in den V. St. 639 Wohlthätigkeit 640. Temperenz 643.
XIV
Inhalts -Verzeichnis.
Statistik der Religionsgesellschaften 644. Die Hochkirche 644. Die Kongregationalisten 644. Die Presbyterianer 645. Die Methodisten 645. Die Baptisten 645.. Die Lutheraner und Deutsch-Reformierten 646. Die RömischKatholischen 647. Die Juden und andere 648. XXV. Das geistige Leben* Hemmungen und Förderungen 650. Der koloniale Typus des geistigen Lebens 651. Notwendige Mängel 652. Vorzüge 653. Begabung 654. Die U n t e r r i c h t s a n s t a l t e n 655. Der Lerntrieb bezeichnend für die Nordamerikaner 656. Aufwand für die Schulen 657. Staatliche Fürsorge 658. Die Volksschule 650. Der Lehrerstand 660. Die Mittelschulen und Colleges 661. Die Fachschulen 667. Die Bibliotheken 668. öffentliche Vorträge 669. D i e W i s s e n s c h a f t s p f l e g e 671. Wert der amerikanischen Wissenschaft 671. Ihre Entwickelung 672. Franklin und Rittenhaus 672. Die Surveys 674. Die Geographie und Geologie 675. Die Naturwissenschaften 676. Die Medizin 678. Andere Wissenschaften 678. Wissenschaftliche Körperschaften 680. L i t t e r a t u r 682. Abhängigkeit von der englischen 683. Eigentümlichkeiten 684. Dichter 684. GeschichtBchreiber, Redner u. A. 685. K u n s t 689. D i e P r e s s e 691. XXVI. Das Volk und die Gesellschaft. Geistige Merkmale 698. Die Frühreife und das Altern 699. Freier und gebundener Geist 700. Volksstimmung 701. Geistige Bereitschaft, Beweglichkeit, Reiselust, Liebe zum eigenen Herd 701. Die Ermüdung im Äufseren 701. Die Höflichkeit und Frauenverehrung 703. Die Frau 704. Sittlichkeit 705. Zurücktreten der Sinnlichkeit 708. Lockere Auffassung der Ehe 708. Die Familie 708. Die Familie und die Erziehung 710. Disciplin 719. Die Jugend des Volkes 712. Die drei Kulturzonen 712. Die Gesellschaft des Westens 713. Die Amerikamüden 715 Optimismus und Überhebung 716. Der Kultus der Sachen 718. Die gesellschaftliche Gleichheit 718. Die Unterschiede des Besitzes 720. Die Armen 723. Aristokratie 723. Gleichartigkeit der Sitten 724. Einflute von New York 724. Die Kulturlandschaft 725. Erklärung der Kulturkarte
731
Register
733
Verzeichnis der Kärtchen und Abbildungen. Seite
Fig. 1. » 2. » 3. > 4. > 5. » 6. » 7. > 8. » 9. » 10. » 11. > 12. » 13. > 14. > 15.
» 16.
Die Südwestgrenze und die Süd-Pacifikbahn Die Nordostgrenze im unteren S. Croix und der Fundy Bay . Die Grenze im S. Lorenz (westlicher Teil) > > > i (östlicher Teil) » » » Huronensee > » vor dem Eintritt in S. Marys River Westende der Grenze im oberen See Die Grenze im Haro-Kanal Die Höhenverteilung der Bevölkerung Jagd- und Fischereigeräte nordamerikanischer Indianer . . . Waffen und Jagdgeräte nordamerikanischer Indianer . . . . Die Gebiete der stärksten deutschen Bevölkerung im Jahre 1880 (nach Engelbrecht) Wanderung des Bevölkerungsmittelpunktes von 1790 bis 1890 Washington Die Städtegruppe am Unteren Hudson und das Gebiet der gröfsten Bevölkerungaverdichtung zwischen Hudson und Potomac Die Städtegruppe an der Bucht von San Francisco und das Gebiet gröfster Bevölkerungsverdichtung am Stillen Ocean
38 43 53 54 55 56 57 59 132 198 199 255 314 333
335 341
, Marse und Gewichte der Vereinigten Staaten. 1 1 1 1 1 1 1
Dollar zu 100 Cts. = 4,19 R. M. Hundredweight zu 112 Pfd. = 101,6 kg. Bushel zu 6 Peeks = 35,23 1. Gallon zu 8 Pints = 3,78 1. (Neue G. = 4,54 1.) Yard zu 3 FuTs = 0,91 m. Statute Mile zu 1760 Yards = 1,61 km. Square Mile zu 640 Acres = 2,59 qkm.
Einleitung.
Thatsachen und Wirkungen des Bodens.
K i t z e l , Die V. Bt. von Amerika.
1
I. Lage. Nordamerika und die Vereinigten Staaten 3. Arktische und westindische Beziehungen 5. Die Interkontinentale Eisenbahn 7. Der Vergleich mit Europa 8. Die Lage zu den Meeren 9. Atlantische und pacifische Einflüsse 11. Seemachtstellung 12. Die Atlantische Seite 13. Ihr Übergewicht 14. Die Golfseite 16. Die nordatlantischen Westseen 18. Die pacifische Seite 20. Die Vereinigten Staaten als pacifische Kulturmacht 22. Die Eismeerseite und Alaska 24. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland 26. Der mittelamerikanische Kanal 27. Die Sicherheit der Lage 28. Die Inseln 29.
Nordamerika und die Vereinigten Staaten.
Junge
Länder
kennen keine Abschlielsung vom Meere, sie pflegen vielmehr vom Meere landeinwärts zu wachsen, und womöglich so weit, bis sie wieder dem Meer begegnen. Wie die anderen Staaten Nordamerikas und mehrere Südamerikas, erstrecken sich auch die V. St. von Ocean zu Ocean. Ihr räumliches Wachstum erfüllte die Verheifsung in den ältesten Charters aus dem 17. Jahrhundert, wo ein Streifen durch das ganze Festland von Meer zu Meer angewiesen wurde1). Das Gebiet der V. St. bildet einen Streifen von dreimal so grofser Erstreckung zwischen den Meridianen als den Parallelen, dessen Nord- und Landgrenze in die Mitte des Kontinentes trifft, so dafs es mit der Südhälfte des nordamerikanischen Kontinentes zusammenfällt. Dadurch wird ihm die dreifache Meeresbegrenzung durch den Atlantischen Ocean im Osten, den Pacifischen im Westen, den Golf von Mexiko im Süden zu 1) Vgl. die Patente, auf denen die Kolonien von Plymouth und Massachusetts, der Keim der Union beruhen. B a n c r o f t , History of the United States I. Kap. VIII. 1*
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Nordamerika und die V. St.
teil, die dem Verkehre drei offene Seiten schafft. Die Staaten ö. von den Alleghanies werden entsprechend als atlantische, die w. vom Felsengebirge, als pacifische, und die s. von Arkansas und Tennessee als Golfstaaten bezeichnet. Für die Vertreter der Lehre von zwei Typen der Kontinente, die bezeichnenderweise besonders in Nordamerika Vertreter gefunden hat, steht Nordamerika in der Mitte zwischen dem schmalen inselarmen und dem breiten und vielgegliederten, dem südamerikanischen und dem asiatischen Typus. So legt sich denn der vierten Seite, der nördlichen, der breiteste Teil des nach Norden immer mehr sich ausbreitenden Nordamerikas an, das nach Norden tief in das arktische Gebiet mit den ihm vorgelagerten Inseln sich erstreckt. W. von der bis 52 0 n. B. hereinragenden Hudsonsbai liegt das nördliche Land ungebrochen von der Grenze bis zum 70.0 und jenseits zieht bis über 80 0 der Polararchipel Nordamerikas; ö. von der Hudsonsbai erstreckt sich die 25000 Q.-M. grofse Halbinsel Labrador bis 62° n. B. und weiter zieht bis nahe an 85° die grolse Insel Grönland. Eine tiefe Verschiedenheit des Klimas nicht nur, sondern des Bodens zwischen alter und neuer Welt führt auf diese Beziehungen zur Arktis zurück. Amerika war in viel gröfserem Mafse Boden eiszeitlicher Vergletschung als Europa. Alles Land n. vom Susquehanna und mehr als die Hälfte der Staaten n. vom Ohio trägt die Spuren dieses Einflusses in Gestalt und Bewässerung, stofflicher Zusammensetzung und Fruchtbarkeit. Die Südhälfte Nordamerikas verschmälert sich nach Süden bereits im Gebiet der V. St. so, dafs die Entfernung der nördlichsten Punkte am Atlantischen und Stillen Ocean zu der der südlichsten sich wie 1 1 : 9 verhält. Die Verbreiterung macht sich aber besonders auf der Ostseite geltend. Die pacifischen Endpunkte der Canadian und Union Pacificbahn fallen fast in denselben Meridian, S. John, der atlantische Ausgangspunkt der ersteren, liegt 8 Grade östlicher als New York. In dem ganzen Erdteil') 1) Nordamerika wird in diesem Buche immer als Erdteil bezeichnet. Nordamerika steht in dem natürlichen System der Erdteile neben Europa und Asien, den Norderdteilen, und gegenüber den beiden anderen Gruppen, welche die Süderdteile und die Arktis und Antarktis umfassen. In Nord-
Nordamerika und die V. St.
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nimmt die Massenausbreitung des Landes, und damit nehmen auch die Wirkungen, die man als kontinentale zusammenfaist, nach Süden hin ab. Die atlantische und pacifische Seite der V. St. erscheinen als die Flankenseiten des Trapezes, dessen Schmalseite durch die Südgrenze (deren Endpunkte halb so weit von einander entfernt sind, als die der Nordgrenze) und die Golfküste gebildet wird. Der Landausbreitung im Norden liegt also die Landverschmälerung im Süden des Gebietes der V. St. gegenüber, dem wachsenden Mafse kontinentaler Einflüsse dort ein Anwachsen oceanischer hier. Die Hudsonsbai, die einen grofsen Teil des Jahres mit Eis gefüllt ist, ändert nichts an diesem Unterschied. Am andern Ende liegt der Golf von Mexiko, eines der wärmsten Meere der Erde, der seine Wärme und seine Regengüsse bis Neuengland sendet, während die kalten Nordwinde allwinterlich über den Golf wegwehen und bis nach Veracruz unverhoffte schädliche Abkühlungen bringen. Schroff, wie die Eigenschaften dieser Meeresteile sich gegeneinander türmen, stehen sich auch die klimatischen Wirkungen entgegen, die sie über das weite Land ohne Schranke sich entgegensenden. Verglichen mit Europa und Nordafrika, denen die atlantische Seite Nordamerikas gegenüberliegt, sind die V. St. nach Süden zu verschoben. Vergleichen wir ihre Lage mit der Europas, so fallen die nördlichsten Teile jener in die Breite von Paris, Metz und Regensburg, die Südspitze von Florida fiele aber s. von den Canarischen Inseln etwa nach dem C. Bojador, und die Golfküste in den südlichsten Teil des Mittelmeeres an die Küste von Tripolis und den Golf von Sydra. Es ist wichtig, diese Verschiebung im Auge zu behalten, und sich zu erinnern, dafs New York und Chicago ungefähr die Lage von Madrid oder Neapel einnehmen, Boston die von Rom. Die Verschiebung der politischen Lage entspricht nicht der des Klimas. Um so leichter wird sie übersehen. Besonders ist das Verhältnis Nordamerikas zu Westindien und Mittelamerika nicht ohne die Erinnerung an das Hinabragen amerika ist es üblich, Südamerika als >the Southern Continent« zu bezeichnen, wie sehr auch anderseits der Zusammenhang der »drei Amerikas« aus politischem Gesichtspunkte betont wird.
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Lage zu Südamerika.
bis an die Grenzen der Tropen zu verstehen. Cuba liegt 150 km von der Grenze der V. St., die Nordspitze von Yucatan (C. Catoche) 900 km von der Mississippi-Mündung, die Landenge von Panama (Colon) 1700 km von der Grenze der Y. St., d. h. ungefähr eben so weit wie die nördlichsten und südlichsten Punkte des Mittelmeeres von einander entlegen sind. Europa hat nur mittelbare Beziehungen zu den Tropenländern, die in seinen Meridianen liegen, Nordamerika ist gerade nach dieser Seite vorgeschoben und aufgeschlossen. Und da Südamerika nach Osten verschoben ist, wird es von jenem auf der pacifischen Seite überragt; die V. St. haben daher auch im Süden den Stillen Ocean vor sich. Es lasten um ebensoviel die V. St. schwerer auf Mittel- und Südamerika. Nicht blofs der Gestalt und Lage nach ruft das Antillenmeer die Erinnerung an das Mittelmeer wach, es verhält sich auch mit allen seinen Inseln zu Nordamerika wie das Mittelmeer zu Europa. Die V. St. sind durch die Golfküste und Florida eine westindische Macht; wirtschaftlich sind die Kolonien Nordamerikas schon im 17. Jahrhundert innig mit den Antillen verbunden. Die Einfuhr von dort betrug 1890 186 Mill. D. Aber das Antillenmeer ist im Süden offen und liegt um 15 0 dem Äquator näher. Der Nordrand Südamerikas liegt zu Mobile, New-Orleans, Galveston ungefähr so, wie der Nordrand Afrikas zu Triest, Venedig, Genua, Marseille. Nur besteht der grofse Unterschied, dafs nach New-Orleans der Mississippi den Handel des halben Erdteils trägt, während Mitteleuropa durch Pyrenäen, Alpen, Balkan vom Mittelmeere getrennt ist. Nur die kleine Rhone kann als Naturweg zwischen Nordeuropa und dem Mittelmeer mit dem neunmal längeren Mississippi verglichen werden. Und auf der andern Seite ist Südamerika aufgeschlossener als Afrika und bietet dem nordamerikanischen Aspekt keine Sahara, sondern einladende Länder. Beide Amerikas sind mehr zur Verbindung geartet als die entsprechenden Länder der Alten Welt. Zur natürlichen kommt die ethnographische Gunst der Lage. Was s. von dieser Küste wohnt, seien es Mexikaner, Mittelamerikaner oder Westindier, dem stehen die Nordamerikaner weit überlegen gegenüber. Der Einflufs der V. St. auf die wirtschaftlichen und wohl auch die politischen
Lage zu Südamerika.
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Entwickelungen im Umkreis dieses Meeresteiles wird nach der Natur dieser Lage immer ein bedeutender sein und ist seit dem Zuge nach Mexiko (1848) immer deutlicher zu erkennen. Gegenüber den panamerikanischen Bestrebungen ist aber auch daran zu erinnern, dais diese ethnographischen Unterschiede der Bevölkerungen der drei Amerikas viel tiefere Klüfte zwischen diese Erdräume legen als die trennenden Meere. Es wäre daher sehr falsch, dieses politische Problem nur aus dem geographischen Gesichtspunkte zu behandeln, wie es so oft, auch von Staatsmännern der V. St. geschehen ist, die dem Verkehr eine Wunderwirkung in seiner Lösung zuschrieben. Der Verkehr kann die Thatsache nicht auslöschen, dafs die Bevölkerungen aller mittelund südamerikanischen Länder nicht blofs eine andere Grundlage von europäischen Einwanderern, sondern ohne Ausnahme dauerhaftere und stärkere Indianer- und Negerelemente haben. Nordamerika steht im ganzen dem romanischen Mittel- und Südamerika als die germanische Hälfte der Neuen Welt und die V. St. noch besonders als das Land der ausgesprochensten Mehrheit und Vorherrschaft der reinen Europäer gegenüber. Zu den politischen und Verkehrsentwürfen, welche die Internationale Amerikanische Konferenz, den sog. Panamerikanischen Kongreis, beschäftigten, gehört auch die I n t e r c o n t i n e n t a l e E i s e n b a h n von San Francisco nach Buenos Aires. Sie soll ein weiteres Mittel zur Förderung der materiellen Interessen und freundschaftlichen Beziehungen der amerikanischen Staaten sein. Für den Verkehr zwischen Nord- und Südamerika hat sie aber keine Bedeutung, da der Seeweg durch den Golf von Mexiko kürzer ist, und für den Verkehr zwischen den mittel- und südamerikanischen Ländern steht sie in der Luft, so lange deren Inneres so unentwickelt ist. Vorausbestimmt wurde nur. die Neutralität dieser grofsen Linie, die Zollfreiheit der zu ihrer Erbauung notwendigen Materialien und die Niedersetzung einer Kommission in Washington, die nach der Annahme des Planes eine Studienkommission von Ingenieuren bilden sollte. Die wegen der Angaben über die bestehenden und geplanten süd- und mittelamerikanischen Eisenbahnen interessanten Berichte über diese Eisenbahn nehmen in dem offiziösen Bericht über den Kongrefs 290 Seiten ein und sind jedenfalls dessen wertvollster Teil'). 1) Amédée P r i n c e , Le Congrès des Trois Amériques Paris 1891, mit Karte der Interkontinentalen Eisenbahn.
1889—1890.
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Dei Vergleich mit Europa.
D e r V e r g l e i c h m i t E u r o p a . Beim Vergleich mit anderen Teilen der Erde ist es immer Europa, dem sich Nordamerika gegenüberstellt. Das Suchen nach Ähnlichkeiten ist gerade in diesem Erdteil, der vor allen anderen Neueuropa zu heissen verdiente, begreiflich. Der Gelehrte von heute steht in dieser Sache unter demselben Einflute wie der Kolonist des 17. Jahrhunderts, dem die — für ihn unerwartete — Ähnlichkeit des Bodens und Himmels das Einleben im fremden Lande leichter machte. Es ist ja auch kein vergebenes Bemühen. Die Analogien sind nicht blofs im grofsen vorhanden, sie bestehen auch in kleineren Erscheinungen und erheben sich zu Homologien, in denen nicht blofs die Erscheinung, sondern auch die Entwickelung übereinstimmt. Für uns werden sie von dem Augenblicke an bedeutungsvoll, dafs sie ähnliche Grundlagen der wirtschaftlichen und politischen Entwickelung schaffen. Den w i r t s c h a f t l i c h e n u n d p o l i t i s c h e n H o m o l o g i e n , die dadurch entstehen, wohnt die Kraft tiefer Naturbedingtheit inne, die besonders in der Dauer sich äufsert. Für eine an der Oberfläche haftende Betrachtung bedeuten sie Wettbewerbung vielleicht bis zur Aufreibung. Man mufs aber tiefer gehen und in diesen Ähnlichkeiten eine Verstärkung der "Wirkungen sehen, welche die Weltgeschichte bisher nur als europäische bezeichnete. Denn wenn Europa und Nordamerika ähnlich einander gegenüberstehen, so verhalten sie sich zu den anderen Teilen der Erde als ein Übereinstimmendes. In diesem Sinne ist der Vergleich mit Europa reich an Erkenntnissen für den geschichtlichen Beruf Nordamerikas. An die Spitze dieser Vergleiche wird immer die Zugehörigkeit beider Erdteile zur natürlichen Gruppe der Norderdteile zu stellen sein. Damit ist die gemeinsame Lage auf der landreichen nördlichen Halbkugel und die entsprechende Zonenlage mit ihren klimatischen Folgen bezeichnet. Das Mittelmeer und das Antillenmeer sind Meere ähnlicher Lage zu Europa und Nordamerika, sie sind auch ähnlichen Ursprungs und infolgedessen ähnlich in den Umrifs- und Tiefenverhältnissen. Durch das eine führen die afrikanischen Beziehungen Europas, und durch das andere die südamerikanischen Nordamerikas. So wird einst auch dem Suezkanal der interoceanische Kanal entsprechen, der bestimmt ist, das amerikanische Mittelmeer mit dem äquatorialen Abschnitt des Stillen Oceans zu verbinden. Die Identität der Geschicke Nordeuropas und des nördlichen Nordamerikas in der Diluvialzeit bedingt gleiche Bodenformen und selbst übereinstimmendes Material. Die Vertreter der Nord- und Ostsee sind in dem »nördlichen Mittelmeer« der grofsen Seen zu suchen. Die Fjorde, Fjordflüsse, Seenketten, Flufsschlingen, Blockwälle, Sanddünen sind gleich diesseit und jenseit des Atlantischen Oceans. Durch jene grofsen klimatischen Veränderungen ist endlich selbst die Lebewelt aufs tiefste beeinflufst worden und ebenfalls in
Die Lage zu den Meeren.
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übereinstimmender Richtung. In allen diesen Vergleichen sind der Westen und das pacifische Gebiet einem näher herangezogenen Stück Asien gleichzusetzen. Die Lage ZU den Meeren. In der Verteilung des Wassers und Landes über die Erde liegt die Notwendigkeit, dafs eine grofse kontinentale Lage auch eine oceanische sei. Von den vier Seiten der V. St. sind drei dem Meere zugewandt, zwei gehören dem Atlantischen, eine dem Stillen Ocean. Die zwei atlantischen Seiten sind, im grofsen gemessen, x ) fast doppelt so lang als die pacifische. Der Atlantische Ocean legt eine Wasserfläche von 1448000, der Pacifische von 2926000 G. Q.-M. vor die Gestade der V. St. Ziehen wir eine Linie durch die V. St. unter dem 40. Parallel und setzen sie durch die beiden Oceane bis zu den europäischen und asiatischen Ufern fort, so verhalten sich der pacifische, der kontinentale und der atlantische Abschnitt wie 2,1: 1 : 1,2. Die Mittelmeere uehmen im nördlichen Atlantischen Ocean 8 ) 143000 G. Q.-M., die Randmeere 18500 G. Q.-M. ein, die Randmeere im nördlichen Stillen Ocean 114000 G. Q.-M. Durch ihre Gröfse und noch mehr durch ihre Gestalt wirken diese Meere über die Küsten hinaus tief in das Leben der Völker an ihren Rändern. Der Atlantische Ocean erteilt seinen Küsten, wie sie auch sonst geartet seien, einen andern Wert als der Pacifische. Besonders der nördliche Atlantische Ocean ist klein im Verhältnis zu den Ländern, die ihn im Osten und Westen umgeben. Er erleichtert also ihren Verkehr, indem er ihn verkürzt. Aber mehr; seine Ausläufer reichen im Osten und Westen tief in die Länder der Alten und Neuen Welt hinein, und zahlreiche Inseln vermehren »the blending of the water with the land», das ihm den Charakter eines inneren Meeres im Gegensatz zum offenen Stillen Ozean aufprägt.3) Dieser ist in Wahrheit der Grofse, dem Räume nach; der Atlantische ist 1) Die eingehendere Besprechung der Küstenlänge und -glisderung s. im 2. Kapitel. 2) Vom nördlichen Eismeer abgesehen, das K r ü m m e l zu den Mittelmeeren rechnet, dessen bewährter Klassifikation wir im allgemeinen folgen. Für Nordamerika kommt aber von Gliedern des nördlichen Eismeeres noch die gegen 20000 G. Q.-M. grofse Hudsonsbai in Betracht. 3) The North Atlantic Directory. London 1862. Einleitung.
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Die Lage zu den Meeren.
aber grölser an geschichtlichen Wirkungen; er ist als geschichtlicher Ocean an die Stelle des Mittelmeeres getreten. Diese Überlegenheit reicht voll in die Gegenwart herein. Im Fiskaljahr 1890/91 gingen durch die grofsen atlantischen Häfen New York (63,6), Boston (8,4), Philadelphia (7), Baltimore (2,4) 81,5% der Einfuhren, durch San Francisco 6, durch New Orleans 2,4, durch Chicago 1,8. Die den V. St. unmittelbar anliegenden Nordabschnitte der beiden Meere sind schmäler als die südlicheren. Beide erreichen ihre kleinste Breite im Norden, der Atlantische zwischen Grönland und Norwegen mit weniger als 3000, der Stille Ocean in der Beringstral'se mit 90 km. Unter dem 30. Parallel ist der Atlantische 6700 und der Stille Ocean 12600 km breit, aber zwischen San Francisco und Tokio beträgt die Breite auf dem 35. Parallel nur noch 9000, und auf dem 40., dem von Philadelphia, die des Atlantischen 5800 km. Bremen wird von New York in 10 Tagen, Tokio von San Francisco aus in 20 Tagen erreicht. Die analoge Ordnung der Strömungs- und Windsysteme in den Nordhälften der beiden Meere bringt sie zu den Küsten der V. St. in ein entgegengesetztes Verhalten. Der Atlantische Ocean verhält sich zum nordamerikanischen Gestade wie der Stille Ocean zum asiatischen. Für den Verkehr nach und von diesen Küsten ist dies von der gröfsten Bedeutung. Die Reise von einem nordoder mitteleuropäischen Hafen nach einem nordamerikanischen n. von C. Hatteras wird für Segelschiffe als eine der schwierigsten des Atlantischen Oceans bezeichnet. Die vorwaltenden Westwinde, in der zweiten Hälfte Strömungen, Eisberge und in der Nähe der Küste die Nebel bergen Schwierigkeiten und Gefahren1). Die Schiffe biegen nach Norden aus und schneiden den 50. Meridian zwischen 43 und 46° N. B., um dem Golfstrom zu entgehen und aus der Zone der Westwinde in das Gebiet der Cyklone zu kommen. Dabei laufen sie Gefahr, zwischen die Eisberge zu geraten, die 1) Vgl. die Zusammenstellung der Schwierigkeiten des Segelschiffahrt von europäischen Häfen nach den nordamerikanisehen n. vom C. Hatteras im Segelhandbuch für den Atlantischen Ocean. Herausgegeben von der Deutschen Seewarte. Hamburg 1885. S. 375 f.
Die Seewege nach Nordamerika.
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der Labradorstrom fast das ganze Jahr, besonders aber vom Anfang des Winters bis zum Ende des Sommers führt. Noch immer beträgt die mittlere Dauer der Segelschiffahrt über den Atlantischen Ozean nach New York von der Höhe von C. Lizard oder den Orkney-Inseln gerechnet (nach 212 Reisen, die in der deutschen Seewarte verglichen wurden) 43,4 Tage. Noch heute gewinnen die von Europa nach den südlichen atlantischen und Golfhäfen fahrenden Segler möglichst früh den Passat, den sie möglichst spät verlassen. Auch für sie bildet die «Durchstechung» des Golfstromes, wenn sie nach den Häfen s. von C. Hatteras bestimmt sind, eine Schwierigkeit und nicht minder die Passierung der Floridastrafse. Dampfer erreichen New Orleans von Bremen aus in 22 Tagen. Für die ostwärts segelnden Schiffe häufen sich dafür die Vorteile für das ganze atlantische und Golfgebiet der V. St.: Westliche Winde, Benutzung des Golfstroms, Vermeidung der Eisberge und Nebelregion und allgemeine Beständigkeit der Witterung, da die Fahrt sich in der Richtung der barometrischen Depressionen bewegt. Seit 1891 sind für die Dampfer des Norddeutschen Lloyd folgende Wege festgelegt: Ausgehend wird- vom 15. Januar bis 14. Juli der 49. Meridian in 42° 30, vom 15. Juli bis 14. Januar in 46" geschnitten und von da an direkt auf Sandy Hook gesteuert; heimkehrend wird vom 15. Januar bis 14. Juli der 49 Meridian in 41° 40', vom 15 Juli bis 14. Januar der 45. Meridian in 46° 30' geschnitten Die Schiffahrt des nördlichen Stillen Oceans ist, mit den Worten des Pacific Directory »leicht und einfach«. Besonders in der amerikanischen Hälfte wird sie in westlicher Richtung durch die Passate, in östlicher in höheren Breiten durch die vorwiegend westlichen Winde begünstigt; die in der Westhälfte durch ihre Verschiebungen störenden Monsune bleiben auf die Nachbarschaft der asiatischen Küste beschränkt. Die östlichen Winde, deren Nordgrenze bei ungefähr 30° liegt, nützen besonders bei den Fahrten nach den Sandwich-Inseln, Australien und dem südlichen China. Bei der Fahrt nach den japanischen und nordchinesischen Häfen nehmen die Segelschiffe nördlicheren Kurs, um den kalifornischen Strom und die Zone der nordwestlichen Winde zu umgehen.
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Die Seemacht.
Segelschiffe machen den Weg von chinesischen Häfen nach S. Francisco durchschnittlich in 59, von Honolulu in 23, von Australien in 75 bis 80 Tagen, die kürzesten Reisen von Hongkong dauern 35, von Schanghai 34, von Honolulu 11, von Australien 57 Tage. Die V. St. haben die oceanischen Forderungen ihrer kontinentalen Stellung so gut erkannt, dafs sie als S e e m a c h t vor allen anderen Grofsmächten, aulser England, gehen. Ihre Reederei hat besonders in den letzten Jahrzehnten durch den Bürgerkrieg, durch die Schutzzölle auf Eisen und Stahl, und infolge der zunehmenden Inanspruchnahme der jungen Männer durch die Industrie Rückschwankungen erfahren. Aber ihre Handelsflotte raifst heute auf den zwei Oceanen 3221000 T. und auf den Seen 1155000 T. Das ist eine Flotte, welche die Summe der norwegischen, deutschen, französischen, der drei grösften europäischen Seemächte nach England, noch um eine lU Million T. hinter sich läfst. Seit 1888 ist sie merklich im Wachsen. Die Thatsache, dafs noch immer weniger als 1I* des Schiffsverkehrs in den Häfen der V. St. (nach dem Tonnengehalt) sich unter der Flagge der V. St. bewegt, eröffnet dieser ein weites Feld der Wettbewerbung. Die hohe Stelle, welche die Seeleute der V. St. im nördlichen und südlichen Eismeer behaupten, wo alle anderen Konkurrenten aufser den Engländern zurückgeschritten sind, die gewaltigen Leistungen des Schiffsbaues und der Schiffsführung im Bürgerkrieg — die Kriegsflotte der V. St., die beim Ausbruch des Bürgerkrieges 92 Schiffe zählte, war 1865 auf 694 Schiffe gebracht — und endlich die grofse Entwicklung ihrer Seen- und Stromflotten geben die Sicherheit, dafs es nicht an den Kräften zur Ausnutzung einer Drei Ocean-Lage mangelt. Heute wird eifrig an der Hebung der Kriegsflotte gearbeitet, die den ersten Krieg nach dem für die Unabhängigkeit, den mit den Barbareskenstaaten, durchgefochten und 1812, sowie im Bürgerkrieg Hervorragendes geleistet hat. 1890 stand sie an Geschütz- und Mannschaftszahl etwa der Österreich-Ungarns gleich. Zwar sehen manche Politiker der V. St. in dem „Navalism" nur eine transatlantische Spielart des europäischen Militarismus. Es machen sich auch binnen-
Die atlantische Seite.
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ländische Einflüsse gegen die maritimen geltend. Der Nachweis, dafs die Kriegsflotte notwendig zum Schutz einer entsprechenden Handelsflotte, bietet die einzige Handhabe, um die Binnenstaaten zu Opfern für die Flotte und Küstenbefestigungen zu veranlassen. Aber die Durchbrechung der mittelamerikanischen Landschranke wird zu ihren Gunsten in derselben Richtung wirksam sein. Es wäre kurzsichtig, in der Förderung der Seemachtstellung der V. St. etwas anderes erblicken zu wollen, als die Verwirklichung der Vorteile einer oceanischen Lage, die kein anderer Staat von kontinentaler Gröfse besitzt, d. h. eine geschichtliche Notwendigkeit. Die atlantische Seite ist die geschichtlich wichtigste Nordamerikas und ganz besonders der V. St. Wie könnte es anders sein, da sie, „the Europe-fronting Shore", dem eigentlich geschichtlichen Erdteil der neuen Zeit, Europa, gegenüber hegt, da von Europa die Entdeckung, Eroberung, Kolonisation Amerikas ausgegangen sind und von dort aus die politische Herrschaft über Amerika erstreckt wurde, die in Trümmern und Resten noch geübt wird? Im Vergleich mit den kolonialen Anpflanzungen auf den pacifischen und Golfgestaden sind die atlantischen in Nordamerika herrlich gediehen, haben alle jene mit der Zeit in ihren Schatten aufgenommen; denn sie wurden nicht blofs einmal gepflanzt, sondern dann auch kräftig weiter genährt und gefördert. Die V. St. sind eine atlantische Schöpfung. Die ältesten, volkreichsten und verkehrsreichsten Kolonien und Staaten Nordamerikas liegen noch heute am atlantischen Rande, die gröfsten und reichsten Städte, die hervorragenden politischen und geistigen Mittelpunkte findet man auf diesem Gestade, das die Natur selbst für den Verkehr mit Europa gestaltet zu haben scheint. Besondere aber liegen die V. St. dem in jeder Hinsicht fortgeschrittensten Lande Europas gegenüber. Ihr eigener rascher Fortschritt ist ein Produkt der innigen Berührung mit dem Lande, dessen durch insulare Lage und Abschlielsung begünstigte Frühreife allein den scheinbaren Widerspruch der frühen Reife auch des kontinentalen Tochterlandes erklärt. In der Praxis wie der Theorie ist England das grolse Muster und Beispiel. Trotz aller fremden Einwanderungen ist der angelsächsische und keltische Typus der Kultur unzweifelhaft und wird bleiben, so lange die Wettbewerbung auf Kinder Europas beschränkt
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Das atlantische Übergewicht.
bleibt. Das Übergewicht der deutschen Einwanderung ist daneben erst eine junge Thatsache. Für den Handel der V. St. ist Großbritannien mit Irland ein vom übrigen Europa weit verschiedenes, den ganzen übrigen Kontinent aufwiegendes Land. Es wird hundertmal genannt bis Deutschland oder Frankreich einmal. Die südeuropäißchen Länder treten aber ganz in den Hintergrund. Heute wie vor 300 Jahren schneiden ihre bevorzugten Verkehrsünien die Parallelen des Atlantik in denselben Winkeln, deren Scheitel nach dem Antillenmeere liegen, während 15 und 20 Grade weiter n. die Linien des nord- und mitteleuropäischen Verkehrs zwischen Portland und Baltimore das Land treffen. Der Verlauf der östlichen und westlichen Küstenlinien des Atlantischen Oceans begünstigt diesen Verkehr. Eine Linie von der Mitte der einen zur Mitte der andern, die hier den 35., dort den 40. Breitegrad berührt, bezeichnet die Neigung dieser Lage und versinnlicht das Übergewicht der atlantischen Seite. In der Breite der V. St. drängt der Atlantische Ocean nach Westen und erreicht seinen westlichsten Punkt in der Bucht von Savannah, deren Meridian von der Küste von Ecuador an im Stillen Ocean liegt. Die atlantische Seite der V. St. ragt also weiter nach Süden als die pacifische und fällt entschiedener nach Westen zurück, so dafs der nördlichste Punkt an der atlantischen Küste der V. St. 15 Längengrade über den südlichsten vorspringt. Für die Schiffahrt bedeutet dies, dals die Fahrzeiten vom europäischen Rand des Atlantischen Oceans nach den nördlichen Häfen der V. St. kürzer sind als nach den südlichen. Ein Dampfer fährt von Liverpool nach Portland (Maine) fast einen Tag weniger als nach New York, und nach Baltimore vier Tage länger als nach Quebec. Alle un mittelbar vom nördlichen Europa ausgehenden Versuche zur Entdeckung Nordamerikas fanden den Kontinent bei jenen nördlichen Vorsprüngen, vor allem bei Neufundland, Labrador, Neuschottland. Indessen ist es nicht blois die räumliche Annäherung an Europa, die diesem Ausladen der Küste nach Nordosten hin einen so bedeutenden Einflufs verleiht, sondern mehr noch die Thatsache, dafs die Schiffe, die von Europa nach der Ostküste Nordamerikas fahren, den Atlantischen Ocean in hoher Breite schneiden — selbst die nach Baltimore bestimmten Schiffe verfolgen bis 70° W. L. denselben Weg wie die nach New York und gehen oft
Einflufs der atlantischen Lage auf die jungen V. St.
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bis in Sicht von C. Race —, und auch darum liegen die nördlichen Häfen der atlantischen Küste der V. St. gut für den Verkehr mit Europa. Die atlantische Küste von Nordamerika ist überhaupt für diesen Verkehr vor allen anderen Teilen der Neuen Welt in hohem Grade begünstigt. Sehen wir von Grönland ab, das nie mit dem übrigen Amerika gebend und nehmend so eng verbunden war wie mit Europa, so ist C. Race auf Neufundland der Europa am nächsten gelegene Punkt Amerikas, und wir sehen von hier die Küstenlinie gleichsam in drei grofsen Stufen südwestwärts zurückfallen, die durch C. Breton, C. Cod, C. Hatteras bezeichnet sind; s. von C. Hatteras schneidet das Meer in flachem Bogen in das Land ein, aber Florida, die Halbinsel, mit der es sich wieder gegen Osten ausbiegt, bleibt weit hinter der nördlichen Küste zurück. Sehen wir vom hochentwickelten Verkehr unserer Tage zurück, so waren die jungen V. St., wie sie aus dem Unabhängigkeitskriege 1783 hervorgingen, eine rein atlantische Macht. Sie rückten an den Golf xund den Stillen Ocean mit der Erwerbung von Louisiana 1803 und Kaliforniens 1848. Die Lage am Atlantischen Ocean war vom tiefsten Einflufs auf die Entwickelung gerade des jungen Gemeinwesens. »Durch den Ocean nicht nur von dem Mutterlande, sondern von der ganzen alten Kulturwelt getrennt und auf einen Kontinent mit noch ungemessenen Grenzen gestellt, den die Natur in jeder Beziehung auf das verschwenderischste ausgestattet, mufste ihnen der Gedanke frühe nahe treten, dafs sie berufen seien, hier in der That eine ,Neue Welt' zu schaffen1)«. Dieser Ocean begünstigte durchaus nicht die Anfänge des Verkehrs , er verspätete den Eintritt Nordamerikas in den Kreis der atlantischen Geschichte und schuf eine Isolation, die zu ihrer Zeit wohlthätig war. In der Lage zu den beiden grofsen Oceanen war es geschrieben, dafs Amerika erst spät den seefahrenden Völkern arischen und semitischen Stammes sich erschliefsen werde. 1) y. H o l s t , Verfassung und Demokratie der V. St. 1873. I. 3. Nur im Hinblick auf diese Entwickelungsstufe hat der Satz Ernst K a p p s Gültigkeit: »Die grofse Republik ist ein oceanisches Fahrzeug ohne historischen BallaBt«. Vgl. Allg. Erdkunde 1868 S. 601.
16
Geschichtliche Beziehungen der atlantischen und pacifischen Seite.
Der inselarme,
stürmische
Nordatlantische
Ocean,
mit
seinen
westlichen Winden und Strömungen bildete einst eine Schranke zwischen
Amerika
und Europa.
Unzweifelhaft
leichter von Westen als von Osten her früheren Landungen
war
Amerika
zu erreichen, und die
vor den normannischen,
die zu
keinem
grofsen Ergebnis führten, dürften alle auf dieser Seite gemacht worden sein.
Aber auf dieser Seite hatte die Alte Welt für die
Weiterentwickelung unendlich weniger, und besonders im Norden, zu bieten als auf der atlantischen.
Auch schliefsen die Kordilleren
das innere Land in dem Mafse stärker ab, als es vom Stillen Ocean her leichter zu erreichen ist, und wenn sie nicht unübersteigbar sind, luden sie nicht ein und zwangen die Einwandernden, sich zu zerstreuen.
Der am atlantischen Ufer Landende findet breite
Wege ins Innere geöffnet. Im Verhältnis zu den beiden grofsen Ozeanen und damit in der Stellung zur ganzen bewohnten Welt,
bedeutet die euro-
päische Entdeckung Amerikas eine gänzliche Verschiebung.
Bis
1492 stand Amerika
der
mit seiner Menschheit
am Ostrande
bewohnten Welt, bildete den Orient der Ökumene, mit welcher der Stille Ocean es verband; der Atlantische aber gähnte wie eine Kluft zwischen Amerika
und dem Westrand
der Ökumene
in
Europa und Afrika. Die normannischen Grönland- und Vinlandfahrten überfuhren sie, überbrückten sie aber nicht. zog die Kolonisation
einen
Faden um
Seit 1492
den andern über den
Atlantischen Ocean, alle frisch und lebensfähig, während
die
alten Verbindungen über den Stillen Ocean abstarben und vergessen
wurden.
Die zunehmende Einwanderung
hat
in
den
ersten Jahrhunderten fast nur transatlantische Beziehungen gekannt und gekräftigt, und kein Land hat mehr gethan, Amerika vom Ostrand bis zum Westrand der Ökumene hinüberzuziehen als die V. St., die atlantischste oder europäischste aller Kolonien.
Das
Vordringen an den Stillen Ocean nnd die Verdrängung, fast Vernichtung
der alten Bewohner kann als ein Sieg der Atlantiker
auf altpacifischem Boden aufgefafst werden. Die Golfseite. südlichen oder
Die scharfe Scheidung der östlichen von der
Golfküste,
die
fast rechtwinklig
aufeinander
17
Die Goliseite.
treffen und dazu noch durch die gerade am Winkel des Zusammentreffens vorspringende Halbinsel Florida mit ihren Riffen auseinander gehalten werden, ist ein weiterer bedeutsamer Zug in den allgemeinen Umrifs- und Lageverhältnissen. Die scharfe Ecke bei Florida wird eine Thatsache von tellurischer-Bedeutung durch die Wirkung, die sie auf den Warmwasserstrom des mexikanischen Meerbusens ausübt, der erst durch die Zusammendrängung in der Floridastrafse zum »Flufs im Meere« wird. Im politischen und Verkehrssinne bezeichnet sie den Wendepunkt in der bisher nach Osten, zu Europa gekehrten Lage. Durch den mittelmeerischen Einschnitt des Golfes wird eine Südküste geschaffen, durch die Nordamerika nach der mittel- und südamerikanischen Seite aufgeschlossen und um so entschiedener hingewiesen wird, als das ganze Mississippibecken nach derselben Seite geneigt ist. Dem Handel und Verkehr mit aufserhalb dieses Kreises gelegenen Ländern ist dagegen die eingeschlossene Lage dieses Golfes weniger günstig — Galveston wird von Bremen erst in 23 Tagen erreicht — und die unmittelbar vom Innern nach der atlantischen Küste führenden Eisenbahnlinien bringen einen grofsen Teil der Waren, von der natürlichen Strafse des Mississippi weg, den atlantischen Häfen zu. Aber der Wert des Golfes von Mexiko für Nordamerika ist noch lange nicht voll erkannt und ausgenutzt. Die Stagnation des Südens, die Vernachlässigung der Wasserstrafse des Mississippi, das starke Übergewicht des Nordens, der Mangel des interoceanischen Kanals sind einige Gründe der langsamen Entwicklung dieser Gestade. Texas, der einzige Südstaat mit grofser Einwanderung und fast westlicher Energie der Ausbeutung, geht aber mit raschen Schritten vorwärts, und der Südwesten folgt ihm, für den der Golf der nächste Weg zum Atlantischen Ocean ist. Von San Francisco nach New Orleans ist der Schienenweg drei Viertel so lang wie nach New York. Im Besitze von Florida haben die V. St. nur eine Hälfte des Einganges zum Golf von Mexiko inne, die nördliche; C u b a beherrscht die andere. Auch der vorgeschobene Punkt Key-West liegt noch n. von der Floridastrafse. Cuba schliefst aber zugleich zwischen San Antonio und C. Catoche den zweiten Eingang. R a t z e l , Die V. St. von Amerika.
2
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Die nordatlantischen Westseen.
Um Cuba führen also beide Seewege in den Golf. Zugleich führt an Cuba längsweise vorbei der Weg von den atlantischen nach den Golfhäfen der V. St. Wenn also bald nach der Erwerbung Floridas (1823) J e f f e r s o n an M o n r o e schrieb: »Die Hinzufügung Cubas zu unserem Bunde ist genau, was wir brauchen, um unsere nationale Macht bis zur Grenze ihrer äufsersten Interessen abzurunden«1), so begreifen wir, am Vorabend der Ausführung eines internationalen Kanales, die ganze Wichtigkeit dieser Insel. Ihre Erwerbung würde zusammen mit der Vollendung dieses grofsen Werkes die Beherrschung des Antillenmeeres durch Nordamerika bedeuten. Die Stellung Englands auf den Bahamas wäre umgangen. Wirtschaftlich bildet ja die Perle der Antillen, die den gröfsten Teil ihrer Erzeugnisse an die V. St. absetzt, fast schon einen Stern im Sternenbanner. Für den Dampferverkehr liegt Havana 7 Stunden von Key-West, weniger als 60 von der Mississippi-Mündung und 66 Stunden — durch die neue Eisenbahnverbindung über Tampa — von Washington. Die nordatlantischen Westseen. Wie Europa vom hohen Norden durch die östliche Verlängerung des Atlantischen Océans bis zum Finnischen Meerbusen getrennt ist, so das östliche Nordamerika durch zwei westliche Ausläufer des Atlantischen Océans. Den einen bildet in der geographischen Breite der Ostsee die Hudsonstrafse mit der Hudsonsbay, den andern der St. Lorenzstrom mit den Grofsen Seen. Für die V. St. kommt der zweite kleinere Einschnitt zunächst fast allein in Betracht, da die Erschlielsung direkter Wege zur Hudsonsbay der Zukunft angehört. Der St. Lorenzstrom mündet bei Quebec in eine grofse Meeresbucht, und sein kurzer Lauf vom Ontario bis hierher gleicht einem inselreichen Fjord (vgl. Fig. 2). Verkehrsgeographisch ist die Verbindung der fünffach gegliederten Gruppe der canadischen Seen mit dem Atlantischen Ocean durch künstliche Wasserbauten zu einer so leichten und ausgiebigen geworden, dafs man sie den 1) J e f f e r s o n 's Complété Works. VUL p. 300. Eingehendere Bemerkungen über Cuba findet man in Mélanges politiques et philosophiques extr. des Mémoires et de la Correspondance de Thom. Jefferson. Paris 1833, T. H p. 36.
Die grofsen Seen und die Ostsee.
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Verkehrsmöglichkeiten nach fast als Meereseinschnitt betrachten könnte. Von Duluth am Oberen See bis Belle Isle an der Labradorküste zieht eine über 4000 km lange durchaus schiffbare Kette von Seen, Kanälen und Flüssen an und vor der Nordgrenze der V. St. hin. Die neuen Schiffahrtskanäle am Sault Ste. Marie und Niagara werden die oceanische Erschlieisung der Grossen Seen noch verstärken. Und schon spricht man von der Vergröfserung des Eriekanals für oceanische Fahrzeuge. Dafs die schmälste Stelle der V. St. zwischen dem Golf und der Seenregion liegt, wodurch zwischen dem Eriesee und der Appalachen-Bucht die Breite auf 1350 km reduziert wird, trägt zum Werte beider Wasserränder bei. »Hundertvierunddreifsig Längengrade hegen zwischen Poti am Ostrande des Schwarzen Meeres und Duluth am Westende des Oberen Sees. Die Linie, die durch den Atlantischen Ocean diese Endpunkte der Mittelmeere beider Hemisphären verbindet, übertrifft also ein Drittel des Erdumfangs und auf diesem Wasserwege kann ein Schiff von dem Herzen 'des einen Kontinentes bis zu dem des anderen vordringen.« Diese Einleitungsworte einer neuen Schrift über den Verkehr auf den Groisen Seen ') zeichnen die grofse Auffassung, die man in den V. St. von der Rolle dieser Seen hegt. Bei diesem Vergleiche ist allerdings der Unterschied der Gröfse zu betonen, denn das Mittelmeer umschliefst die Fläche der Grofsen Seen sechsmal. Aber allerdings breiten auch sie wie ein vielgliedriges Mittelmeer im Innern Nordamerikas sich aus, den Verkehr zwischen den angrenzenden Ländern nicht nur, sondern zwischen der Ost- und Westhälfte des Kontinentes fördernd und belebend und durch einen allerdings langen, aber sichern Weg mit dem Atlantischen Ocean verbindend. Den Vergleich mit der Ostsee legen die erdgeschichtliche Erwägung, die Gröfse, Gestalt und Klima näher als den mit dem Mittelmeer. Aber die auf diese Gruppe von Seen hingewiesenen Landräume, sind im Falle Amerikas gröfser und reicher. Immerhin bietet Chicagos Entwickelung als die der ersten und herrschenden Stadt 1) C u s h m a n K. Davis (Senator für Minnesota), Our Lake Commerce and Ways to the Sea 1891. 2*
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Die pacifische Seite.
an diesen Gestaden zwanglos Analogien mit der vorauseilenden Lübecks in der Blütezeit der Hansa, das ebenfalls den Verkehr in einen Südwinkel seiner Ostsee zusammenzog. Für die Entwicklung der V. St. ist das Heranreichen an den oberen und mittleren St. Lorenz und der ungemein günstige" Verlauf der Seengrenze, der ihnen den Michigansee mit der Mackinaw-Strafse ganz und vom Oberen See den gröEsten und besten Teil, sowie gleichen oder über überwiegenden Anteil an all' den wichtigen Wasserverbindungen im Seengebiet zuweist, von unschätzbarem Werte. Schon heute ist der Warenverkehr durch den St. Marys-Fluis grösser als der durch den Suezkanal. Die pacifische Seite. Die p a c i f i s c h e Küste der V. St. eröffnet in der Breite von 16 Graden einen Zugang zu dem grölsteri Meer der Erde, von dem William H. S e w a r d voraussagte, dais auf ihm sich die gröJ'ste Entwickelung der Menschheit vollziehen werde. Dazu kommt die Küste von Alaska zwischen 5 4 ° 40' n. B. und 141° w. L., die am Eiskap sich ähnlich zur Nord- und Eismeerküste wie die Atlantische in Florida zur Südund Golfküste umbiegt. Jene entbehrt der reichen Gliederung der atlantischen. Der eigentümlich regelmäfsigen Auswölbung nach dem Stillen Ocean ist nicht dieselbe Bedeutung zuzumessen, wie jener Ausladung der atlantischen Küste; C. Mendocino liegt 8 ° weiter w. als der am weitesten nach Osten zurückreichende Punkt der kalifornischen Südküste, San Diego. Aber es wird das Klima Kaliforniens bestimmt durch das Zurücktreten seiner Küste von der Berührung mit dem warmen Strom von Westen. Auch ist es für die Metropole dieses Gebietes, San Francisco, nicht ohne Wichtigkeit, dafs es durch seine Lage so nahe dem Scheitel dieser Vorwölbung um volle 6 Längengrade weiter in das Meer hinausgerückt ist als die südkalifornischen Plätze auf der einen und die am PugetrSund und in Nordoregon gelegenen auf der andern Seite. Es wird dadurch der Vorzug der nördlichen Lage für den Verkehr mit dem gegenüberliegenden Gestade, dem asiatischen, einigermafsen aufgewogen, den auch hier die nördliche Lage bringt, die mit der geringeren Entfernung den ostwärts gewandten Meeresstrom für die Rückfahrt verbindet.
Die Stellung der V. St. am Stillen Ocean.
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Der Strich von 16 Breitegraden, mit dem die V. St. sich dort hinlagern, ist aus anderen Gründen wichtig. Es ist der kulturfähigste Abschnitt der ganzen pacifischen Küste von Nordamerika. Nur das entlegene und abgewandte Australien teilt mit diesen Küsten die Vertretung europäischer Kultur am Stillen Ocean, dessen Gestade sie auf ihrer Weltwanderung zuletzt erreicht hat. Südlich davon macht die Regenarmut der Passatregion bis zum Wendekreis des Krebses aus der Küste von Unter-Kalifornien und Sonora eine Ode, die ®/i« ihrer Bevölkerung einbüfsen müüste von dem Augenblick an, data ihre Bergwerke und Perlenfischereien unergiebig würden. Nördlich aber von der Grenze der V. St. sind am pacifischen Ufer British Columbia und Alaska unter den Einflüssen eines rauhen und übermäfsig feuchten Klimas der Vorbedingungen des ergiebigen Ackerbaues beraubt, der eine dichte Bevölkerung ernährt. In der Mitte zwischen diesen beiden Extremen sind zwar die pacifischen Uferstaaten Kalifornien, Oregon und Washington Territory bei weitem nicht die Kanaane, als welche sie von interessierter oder kurzsichtiger Seite dargestellt werden, aber glänzend heben sie sich von ihren Nachbarn im Norden und Süden ab. Nur in Kalifornien vermochte so früh eine Stadt wie San Francisco in die Blüte zu schiefsen. An den südlicheren Küsten der amerikanischen Seite machen die Hispano-Amerikaner, die von der Südgrenze Kaliforniens ununterbrochen bis zum C. Hoorn hinunter wohnen, den AngloAmerikanern weder im Handel, noch im Ackerbau, noch in der Industrie, noch auf politischem Gebiet Konkurrenz. Sie verstehen nicht, die von der Natur ihnen gebotenen Vorteile zu nützen. Man vergleiche Acapulco, einen der schönsten Naturhäfen der Erde, seit 3.00 Jahren der pacifische Haupthafen Mexikos; es verdient noch heute mit seinen 3000 Einwohnern den Namen »ärmliches Nest« , den vor 90 Jahren A. v. H u m b o l d t ihm beilegte, der im 4. Bande seines Essai politique sur le Royaume de le Nouvelle Espagne die Schönheit und Trefflichkeit dieses Hafens fast begeistert gepriesen hat. Dagegen mag weiter im Norden, wo am Puget Sund das Land der V. St. sich in einer ungemein glücklichen Küstenentwickelung aufschliefst und zu
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Die Kulturmacht am Stillen Ocean.
viel besser beanlagtem Hinterlande als bei San Francisco führt, ein zweites San Francisco einst entstehen, dem sowohl die nördliche Pacificbahn der V. St. als 'die canadische den Verkehr von Osten zuführen würden. Uber den 50. 0 hinaus wird dieses zweite pacifische Emporium Nordamerikas nicht nach Norden rücken. Schon die Engländer haben in British Columbia und im StikinTerritorium einen weniger begünstigten Strich inne, dessen Bevölkerung in 100 Jahren trotz verschiedener »Gold-Excitements« nicht über 93000 (1891) gewachsen ist und noch immer bedeutende Brüchteile an die V. St. abgibt. Und Alaska wird noch immer wie eine grofse Ausbeutungskolonie behandelt, in der die weifse ansässige Bevölkerung 1890 nur 430 betrug. Wenn am Atlantischen Ocean die V. St. als H a n d e l s m a c h t eine der ersten Rollen spielen, so sind sie am pacifischen viel mehr als das, nämlich die e r s t e K u l t u r m a c h t und treten vor allen den zahlreichen Uferstaaten diesen grofsen Meeres eben darum auch politisch hervor. Von der Ausbreitung ihres Einflusses im Atlantischen Ocean durch das Machtübergewicht der europäischen Staaten und die derzeitige Verteilung des Kolonialbesitzes von Grönland bis zu den Falklands-Inseln abgehalten, streben die V. St. im Stillen Ocean auch politisch als die Stärksten zu erscheinen. Ihre pacifische Politik ist vom Beringsmeer bis Hawaii und Samoa von dem Bedürfnis getragen, im Westen den Einflufs zu suchen, den Europa und die Kolonien der europäischen Mächte im Osten bis an die Schwelle des jungen Landes verkümmern 1 ). Sehr bezeichnend ist die Lehre, die Rüssel Y o u n g als Gesandter der V. St. in Peking vertrat, dafs die Unabhängigkeit Chinas ebenso 1) Der Geograph denkt hier auch an die wissenschaftlichen Eroberungen in den pacifischen Gebieten, an die Teilnahme von Männern, wie W i l k e s , D a n a , W h i t n e y , D a l i , D a v i d s o n , D u t t o n , M i l n e an der Erforschung des Stillen Oceans und seiner Randgebiete. Besonders die Erforschung des Hawaiischen Archipels wird seit den ersten Arbeiten von Dana und anderen Mitgliedern der Wilkes - Expedition in den dreifsiger Jahren von den V. St. aus lebhaft betrieben. Zeugnis dafür sind u. a. die Monographien Buttons über die Vulkane von Hawaii und die langjährigen Beobachtungen des U. S. Coast Survey über die Gezeiten an den Küsten dieses Archipels.
Bedeutung dea Stillen Oceans für die V. St.
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energisch zu verfechten sei in Asien wie die Monroe-Doktrin in Amerika. Was die Monroe-Doktrin am atlantischen Rande nicht verschaffen wird, das kann in der That einer klugen pacifischen Politik nicht versagt bleiben: der vorwaltende Einfluis auf einem grofsen Ocean und über ihn hinweg auf den Nachbarkontinent. Japan- und China sind bis jetzt nicht die Staaten, die ein Gegengewicht gegen diese aufstrebende pacifische Macht zu bilden vermöchten. Es wird mit Bewufstsein gesucht; schon 1881 sprach B l a i n e als Staatssekretär von Hawaii als einem Glied des »amerikanischen Systems«. Vor den europäischen Mächten aber, die Einflufs auf die ostasiatischen Angelegenheiten nehmen, haben die V. St. ihre Nachbarschaft als Anwohner desselben Meeres voraus. Dieselbe ist zwar eine entfernte, aber der Seeweg von San Francisco nach Yokohama ist um 30 Tage kürzer als der von London. In Europa vergifst man über der atlantischen Seite, die man vor Augen hat, die pacifische der V.-St., die von Jahr zu Jahr an Bedeutung zunimmt. Ich erinnere an die Frage des interoceanischen Kanals, die man in Frankreich ganz falsch wie eine europäische aufgefafst hat. Wenn es sich für unsere Mächte darum handelt, auf kürzerem Wege als bisher in den Stillen Ocean zu gelangen, so sind jene von vornherein schon da. Nicht umsonst haben sie mit so zäher Beharrlichkeit ihren Weg an das «Weltmeer der Zukunft» gesucht, den einzigen Eroberungskrieg, den ihre Geschichte kennt, den gegen Mexiko, um dieses Ziel gewagt und noch einen gefährlicheren dazu gegen England wegen Oregons beinahe hervorgerufen. Die V. St. verdanken es der starken Vertretung, welche sie für ihre Interessen am Stillen Ocean, seitdem das erste • neuengländische Schiff (1792) in den Columbia eingelaufen, besonders aber seit der Erwerbung Kaliforniens (1848) und Alaskas (1867) geschaffen haben, wenn sie mit verhältnismälsiger Ruhe der Entwickelung des Isthmuskanals folgen konnten. Sie brauchen nicht zu fürchten, durch einen zu langen Umweg von der Teilnahme am Handel und Verkehr mit den pacifischen Küstenländern Amerikas und mit Ostasien ausgeschlossen zu werden. Sie können es nun den Kalifornien! und den Bürgern der
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Die Eismeerseite.
aufblühenden jungen Staaten Oregon und Washington überlassen, ihre wirtschaftlichen Interessen dort zu wahren. Für diese sind die Entfernungen sowohl nach den süd- und mittelamerikanischen als den ostasiatischen Gestaden natürlicherweise um sehr viel günstiger als für irgend eine europäische Macht. Von San Francisco nach Acapulco sind es 7, nach Panama 13, nach Callao 22, nach Honolulu 9, nach Yokohama 18—20, nach Auckland 27, nach Hongkong 32 Tage. Dagegen sind es von Hamburg über Montevideo nach Valparaiso im günstigen Fall 50—54 Tage, öfters 2 Monate und von Hamburg nach Yokohama durch den Kanal von Suez 40—45 Tage. Der Unterschied liegt auf der Hand. Nach den Samoa-Inseln kommt von San Francisco ein Dampfer in 18—20 Tagen, während er von Wilhelmshafen aus das Dreifache braucht. Die Eismeerseite. Die Bedeutung des Stillen Oceans für die V. St. wird noch dadurch erhöht, dafs ihnen die Westseite der Beringsstrafse gehört, wodurch sie Mitbesitzer des Einganges in das Eismeer geworden sind. Die Erwerbung A l a s k a s hat die V. St. politisch ans nördliche Eismeer vorrücken lassen, um dessen Erforschung sie sich durch eine Reihe von groisen und zum Teil ergebnisreichen Expeditionen verdient gemacht haben. Ihre Eismeerküste erstreckt sich vom C. Prince of Wales bis Demarcation Point. Das Recht der ersten Entdeckung besitzen sie auf die Gebiete n. des Smithsundes, Grinnell-Land und Grant-Land auf der westlichen1), und Washington-Land auf der östlichen oder grönländischen Seite und was wir von Grönland heute n. vom 82.° kennen, verdanken wir viel mehr den .Expeditionen von L o c k w o o d und P e a r y als den vorangegangenen englischen. Ebenso sind die n. von den Neusibirischen gelegenen Jeannette-Inseln durch amerikanische Expeditionen entdeckt worden. Im antarktischen Gebiet2) 1) Der Prioritätsstreit zwischen der De Haven'schen Grinnell-Expedition und der Omanneyschen ist zu gunsten jener zu entscheiden. Vgl. Elisha K. K ä m e , The U. S. Grinnel Expedition. New-York 1854. Kap. XXV. 2) Amerikaner glauben mit den Engländern den Ruhm der Entdeckung von S.-Shetland zu teilen. Auch P a l m e r , der seinen Namen in der Antarctis verewigt hat, war Amerikaner.
Die Interessen der V. St. in der Arctis.
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verdankt man der U. S. Exploring Expedition Wilkes' wertvolle Entdeckungen an den Rändern der antarktischen Länder. Die V. St. stehen in einem engen Verkehr mit Grönland, der sich allerdings fast nur auf die Ausfuhr von Kryolit (1890/91 für 95,495 D.) beschränkt. Ihre Teilnahme am Walfischfang mit 71 Fahrzeugen steht (mit 17 231 T.) nur hinter der Englands zurück und ergab 1890/91 953 000 D. An der Küste des Tschuktschenlandes und Kamschatkas entfalten die Amerikaner eine ausgedehnte Handelsthätigkeit. Die Japaner sagen, der Walfisch führte die .Amerikaner an unsere Küsten, und die Vorrechte der amerikanischen Walfischfänger im Archipel von Hawaii haben die Erwerbung der Flottenstation am Pearl R. vorbereitet. Unter den Grenzmächten des Arktis haben sich also die V. St. die gröfsten wirtschaftlichen Interessen im nördlichen Eismeer zu sichern gewufst und wetteifern heute, seitdem Englands letzte Nordpolar-Expedition 1876 zurückgekehrt ist, nur mit den Nachkommen der alten Nordmänner in seiner Erforschung. In der räumlich engen Verbindung Nordamerikas mit den Ländern der Arktis ist dieses bedeutende Hervortreten der V. St. als arktische Macht geographisch begründet. Auch aus diesem Grunde ist die Erwerbung Alaskas, diese vielunterschätzte, zu würdigen, die besonders auch im Vergleich mit der leichtherzigen Abtretung durch den früheren Besitzer Beachtung verdient. Sie sicherte den V. St. nicht nur eine mächtigere Stellung unter den pacifischen Mächten überhaupt, sondern sie engte zugleich auf der einen Seite den englischen Kolonialbesitz in dieser Region ein, während sie auf der andern Seite Rufsland ganz aus den amerikanischen Angelegenheiten hinausschob und zugleich von dem Drucke, den dasselbe von Norden her auf Japan übt, die Hälfte abnahm. Aufser einem grofsen Landstrich, dessen natürliche Hilfsquellen nicht so ganz gering sind, wie man es sich in Russland vorstellte, hat die Union durch die Erwerbung Alaskas breiteren Fufs am Stillen Ocean und am nördlichen Eismeer gewonnen und ihren Einflufs bis nach Japan hin verstärkt. Einem Volk, das überhaupt noch etwas zu geben hat und das nicht gewillt ist, seine günstigen Geschicke zu verschlafen, mochten ein paar
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Die V. St. als Durchgangsland.
Millionen D. dafür nicht 'zu viel erscheinen. Es ist ein Beweis der Schwäche Rufslands als Kulturmacht im Stillen Ocean, dafs es so weit zurückwich vor der jugendlichen Unternehmungslust der V. St., die in diesem Handel mehr Weltmachtberuf bezeugten als jenes. An dieser Stelle betonen wir indessen am meisten die damit gewonnene Fufsfassung am Eismeer. In Alteuropa bezeichnete man gleichzeitig die arktischen Gefilde als materiell unlohnend und sogar wissenschaftlich uninteressant. Die Arbeiten, die heute die Männer von Nantucket, Barnstable etc. n. von der Beringsstrafse verrichten, fielen vor 200 Jahren unseren Inselfriesen bei Spitzbergen zu. Es ist nicht zu leugnen, dafs seit 100 Jahren die amerikanischen Interessen in beiden Eismeeren gewachsen, die europäischen zurückgegangen sind. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland.
Durch
ihre
Lage an den beiden gröfsten Oceanen der Erde drängt sich den V. St. das gröfste Interesse an jeder Frage des interoceanischen Verkehrs auf. Sie sind D u r c h g a n g s l a n d . Wenn auch diese Funktion nicht konzentriert wie in Mittelamerika erscheint, so umschlielst doch schon die Geschichte ihrer Entdeckung einen Teil der Geschichte der nordwestlichen Durchfahrt, mit der sicher in einem früheren Jahrhundert die V. St. sich auf das Eifrigste beschäftigt haben würden. Ihre grofsen atlantlisch-pazifischen Eisenbahn- und Telegraphenlinien besorgen einen Teil desselben Weltverkehrs zwischen der Ost- und Westhalbkugel, den ein interoceanischer Kanal auf den engen Raum einiger Meilen zusammendrängen will1). Ist dieser interozeanische Verkehr noch nicht von ähnlicher politischer Wichtigkeit wie der über Britisch-Nordamerika nach dem Stillen Ocean für England mit seinen in beiden Oceanen weitzerstreuten Besitzungen — das Kabel Vancouver - Hawaii1) Auch der atlantisch-pacifische Schiffsverkehr um das C. Hoorn (amtliche Schreibweise in den V. St. ist C. Horn) ist beträchtlich. 1890/91 liefen aus pacifischen Häfen der V. St. 14, aus atlantischen 62 Schiffe aus, um diesen Weg zu machen, mit zusammen 132000 t. Dabei fahren die Segelschiffe von 50° s. B. bis San Francisco durchschnittlich 54 Tage. Von den atlantischen Häfen der V. St. nach San Francisco rechnete man vor 20 Jahren 180 Tage, heute 128; die schnellsten Fahrten bleiben wenig unter 100 Tagen; die schnellsten Fahrten von Liverpool nach S. Francisco dauern 106 Tage.
Der mitte'lamerikanische Kanal.
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Australien wurde besonders wegen des Vorteils empfohlen, den es als zweite V e r b i n d u n g m i t Australien n e b e n der ü b e r Indien biete —
so ist doch seine E n t w i c k l u n g n i c h t abzusehen.
bauung
der P a n a m a - E i s e n b a h n
S. F r a n c i s c o - N e w - Y o r k Die seit 7 0 J a h r e n
S e i t der E r -
d u r c h A m e r i k a n e r war der W e g
über den I s t h m u s auf 2 0 T a g e
in den V . St. i m m e r
von N e u e m
reduziert. erwogenen
P l ä n e zur D u r c h s t e c h u n g der m i t t e l a m e r i k a n i s c h e n L a n d e n g e sind das E r g e b n i s
der K o n z e n t r a t i o n
den Stillen O c e a n ,
aller V e r s u c h e
kurzer W e g e
die v e r g e b e n s von der nordwestlichen
in
Durch-
f a h r t bis C. H o o r n g e m a c h t worden waren, auf den e n g e n R a u m weniger Meilen.
Die
sich sagen k ö n n e n ,
den
Panamakanal
geplant
haben,
dafs n u r dieses D u r c h g a n g s l a n d ,
alle atlantisch-pacifischen E i s e n b a h n e n ,
ausgenommen
hätten
das bisher die
letzte,
die C a n a d i a n Pacific, g e b a u t hat, b e r u f e n u n d a u c h v e r a n l a g t sei, den interoceanischen K a n a l zu b a u e n . Der mittelamerikanische Kanal bedeutet einen grofsen Schritt nach dem durch die Natur und die Geschichte nahe gelegten Übergewicht Nordamerikas über Südamerika und im Stillen Ocean. Der 50. Kongress inkorporierte 1889 die »Nicaragua Maritime Canal Company«, die auf Grund der letzten Messungen Menocals und amerikanischer Schiffsoffiziere unter P e a r y den Kanal in der Länge von 169 e. M., wovon 56,5 im S e e , 84,5 im San Juan- und 28 im Schleusenkanal (mit 6 Schleusen nach Art der in St. Marys Flufs und am Niagara angewandten) von Greytown bis Brito bauen will. Durch Vermittelung der Regierung der V. St. hat sie wertvolle Konzessionen von Nicaragua und Costarica erlangt. Die Kosten werden auf 85, die Einnahmen bei einem Verkehr von 7 Mill. T. auf 8 Mill. D. geschätzt. Die gröfsten Schwierigkeiten erwartet man an beiden Enden des Kanals 1 ); auf der altlantischen Seite sind die Vorarbeiten so weit gefördert, dafs Schiffe von über 4 m Tiefgang in Greytown einlaufen. Beide grofse politische Parteien der Union haben sich für den Kanal ausgesprochen. Neben der Abkürzung des 2 3 0 0 0 km langen Weges um das C. Hoorn und dem 1) Über die Eigenschaft der San Juan del Norte-Mündung spricht sich eingehend Henry M i t c h e l l aus in dem wenig bekannt gewordenen Report of an Inspeetion of the terminal Points of the proposed Canals through Nicaragua etc. im Bericht deB Coast and Geodetic Survey für 1874 S. 135 bis 147. Die beste Zusammenfassung der amerikanischen Berichte und Auffassungen findet man bei L i n d l e y , M. K e a s b y , der Nicaracugua-Kanal (Abh. a. d. Staatswissensch. Seminar zu Strafsburg) 1893.
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Sicherheit der Lage.
dadurch erleichterten Austausch zwischen den pacifischen und atlantischen Staaten der Union, zwischen diesen und Süd- und Mittelamerika, sowie Ostasien und Australien, stehen gleichberechtigt die politischen Folgen. Ein früherer Vertrag von 1884, der den Bau des Kanals durch die V. St. angenommen hatte, wurde allerdings 1885 vom Präsidenten Cleveland zurückgezogen, da die V. St. durch ihn Landbesitzer in Mittelamerika und zugleich mit der Verteidigung der Selbständigkeit von Nicaragua und Costarica belastet worden sein würden. Diese Zurückziehung bedeutet *aber nur eine Hinausschiebung der politischen Folgen, die unvermeidlich sind. Senator S h e r m a n hat sie in die geographische Vorstellung gefafst, dals die getrennten Küstenlinien am Atlantischen und Stillen Ocean durch diesen Kanal zu Einer werden. Andere sprechen davon, dals die Monroe-Lehre, bisher Theorie, nun zum ersten Male in die Praxis übergeführt werde, damit nicht eine europäische Macht eine Stellung gewinne »drohender als Gibraltar und lästiger als Canada«. Für die Entwickelung der allgemeinen Seemachtstellung der V. St. wird der Kanal folgenreich sein, während Europa und im allgemeinen der Atlantische Ocean, das spezifisch europäische Meer, verlieren würden. Wir würden ein ebenso grofses Gewicht auf die Schaffung eines neuen Bandes zum Zusammenhalt der atlantischen und pacifischen Hälfte der Union legen, das alle anderen an Stärke übertreffen wird. Dals die Regierung sich einen Einflufs, ähnlich wie die englische im Suezkanal, durch Aktienbesitz sichern werde, wird bestimmt vorausgesagt, wie denn überhaupt erst das neue Übergewicht Englands am Suczkanal und in Ägypten die Überzeugung in weiteren Kreisen der V. St. befestigt hat, dafs der mittelamerikanische Kanal der Zukunft nur unter dem Einflufs Amerikas, das in diesem Falle gleichbedeutend mit den V. St., stehen dürfe. Übrigens liefsen schon 1874 die V. St. durch den.Assistenten des Coast Survey, Prof. D a v i d s o n , den Suezkanal, besonders auf die Verhältnisse an seinen Mündungen, prüfen. S i c h e r h e i t d e r L a g e . Diese ist für die V. St. minder wichtig als für jeden europäischen Staat. Wir werden sehen, dafs die Landgrenzen vom rein politischen Standpunkte aus gute, weil möglichst kurze Grenzen sind, mit Ausnahme weniger Strecken. Aber nicht diesen Landgrenzen liegen die festen Plätzen gegenüber, von denen bei einem Angriff von aufsen her am meisten zu fürchten wäre. Die V. St. würden nur zur See und von den Seen her in gefährlicher Weise angegriffen werden können. Ihre gröfsten Städte und reichsten Landschaften liegen an den Küsten. Ein Bericht des Chief of Engineers über
Die Inseln.
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Küstenverteidigung für 1876/77 hebt hervor, dala eine feindliche Flotte die Küste der V. St. von Halifax aus in 36, von Havanna in 6 und von Victoria (Vancouver) in 69 Stunden zu erreichen vermöchte. Die Sicherheit der V. St. liegt solcher gefährlichen Nachbarschaft gegenüber in dem Übergewicht ihrer Gebietsausdehnung, ihrer Bevölkerungszahl, der Intelligenz, Tüchtigkeit und Wohlhabenheit ihrer Bevölkerung, die ihnen ein moralisches Gewicht in Amerika verleihen, wie es in Europia keinem einzelnen Staate vor allen anderen zukommt. Dieses Machtübergewicht könnte die Neigung zu noch weiterer Ausbreitung begünstigen, die sowohl Canada als Mexiko und Cuba gegenüber bei einem Teile der Bevölkerung verbreitet ist. Es .ist aber zu erwarten, dafs die viel näher liegenden und ohne Zweifel immer brennender werdenden Fragen des inneren Zusammenhanges die Gefahr einer Hinausrückung der jetzigen im ganzen so günstigen Grenzen zur Genüge erkennen lassen werden. Der Vorzug der geschlossenen Lage auf der ganzen Südhälfte Nordamerikas kann durch keine Gebietserweiterung gesteigert werden, aber jede wird den inneren Zusammenhang schwächen, ohne den ein Staat von solcher Ausdehnung die Fähigkeit verliert, sich zu erhalten. Die Inseln. Die Lage der V. St. ist auch darin ausgesprochen kontinental, dafs das Land inselarm ist, keine einzige von den grofsen Inseln Nordamerikas und überhaupt keine weit aufsenliegende Insel besitzt. Auch die gröfsten Inseln des Gebietes sind nur Küsteninseln. Suchen wir mit einer Linie die über das Festland hinausliegenden Teile des Gebietes der V. St. zu umfassen, so entfernen wir uns kaum von der kontinentalen Grenze; so gering ist die Gröfse und die Zahl der Inseln. Die Küsten der V. St. sind in der Nähe inselarm, und was ferner liegt, gehört anderen Mächten. Nur Alaska mit mehr als 80000 qkm, also einem Siebzehntel seiner Fläche, in Inseln, ist inselreich. Im Nordwest, Nordost und Südost schneidet die Grenze gerade dort durch, wo die insulare Entwickelung einsetzt: Vancouver, C. Breton, die Bahama sind englisch, Cuba spanisch. Grofse Inseln gehören überhaupt nicht zum Gebiete der V. St., und auch wenn wir die grofsen Nehrungs-Inseln s. von C. Hatteras und im Golf mit-
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Die Inseln.
messen, erhalten wir knapp ein Tausendstel des Areals in Inseln. An der atlantischen Küste tritt nur Long Island (2620 qkm) in einer Grölse hervor, die nicht in der gewaltigen Landmasse verschwindet. Alle anderen Inseln sind zu klein und liegen zu nahe beim Festland, um selbständig hervorzutreten. Sie sind auch ihrer Entw i c k l u n g nach nur halb selbständig, denn wie sie hier als Inseln und dort als Nehrungshalbinseln auftreten, gehen sie auch zeitlich aus einer in die andere Form über. Unter den wellengepeitschten, ähnlich unseren fliesischen Inseln landverlierenden »Wracks von Inseln« vor der neuengländischen Küste, für die der Neuengländer den provinziellen Ausdruck »thrums« hat, sind die s. vom G. Cod liegenden Gruppen von N a n t u c k e t (170 qkm) und M a r t h a ' s V i n ö y a r d (mit den Elizabeth-Inseln 320 qkm) als Sitze einer höchst tüchtigen Seemannsbevölkerung bedeutend. Die Inseln von Rhode Island und L o n g I s l a n d gehören zu den bevölkertsten Inseln der Erde. M a n h a t t a n , die Insel New-Yorks, in der Mündung des Hudson, und das ungemein zerklüftete S m i t h - E i l a n d in der Chesapeake-Bay, bezeugen, wie auch hier bei der ersten Besiedelung die Inseln eine wichtige Rolle spielten. Der 200jährige Grenzstreit zwischen Virginia und Maryland um dieses vom 38. Breitegrad mitten durchgeschnittene Eiland ist erst in unseren Tagen entschieden worden. An der Küste Südcarolinas liegen die baumwollberühmten Sea I s l a n d s s. vom Santee-Flufs. Ihre Oberfläche beträgt ca. 2200 qkm. Zwischen und lünter ihnen liegt ein Streifen Salzmarscli, der fast dieselbe Fläche bedeckt, das Land des Reisbaus. Beide sind heute fast nur noch von Negern bewohnt. Über die militärische Wichtigkeit der Küsteninseln von Nordcarolina und der Küstenstrecke Beaufort-Savannah und ihrer Inseln s. das nächste Kapitel. Die K e y s , die vom C. Florida bis zu den Tortugas ziehen, sind echte Koralleninseln. Auf Key West haben der Verkehr der Floridastrafse, der Schmuggel und die Befestigungen eine Bevölkerung von 18000') zusammengeführt. Die Golfküste hat entsprechend ihrem durchaus flachen Charakter zahlreiche Küsten- und Mündungsinseln, die bis jgtzt meist unbewohnt oder mindestens nicht ausgenutzt sind. Die niedrige Sandinsel S h i p I s l a n d ist durch ihre Lage n. von den Mississippi-Mündungen geschichtlich bedeutend als der wichtige Punkt, an dem die Nordstaaten im Spätjahr 1861 zuerst wieder im Golf Fufs fafsten. Die breiten Nehrungsinseln der Küste von Texas, bisher wenig bewohnt und beachtet, sind durch ihre Lage zwischen dem Meer und den breiten, teilweise auch verhältnismäfsig tiefen 1) 1880 erst 9800, also 82°/o mehr in einem Jahrzehnt.
Das Streben nach insularer Ausbreitung.
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Lagunen bestimmt, mehr als ein Galveston dereinst zu tragen. Die vulkanischen Eilande von der südkalifornischen Küste sind in indianischer Zeit wohl bevölkerter gewesen. Heute ist ihr Wert zunächst noch gering. Die seit der Grenzberichtigung von 1873 zweifellos den V. St. gehörigen S a n J u a n de F u c a - I n s e l n (zusammen mit den vor Admirality Inlet liegenden W h i d b e y und C a m a n o 2300 qkm) erwarten bei vortrefflicher Lage und günstigster Küstengestalt eine grofse Entwicklung. Iii der Armut des Gebietes der V. St. an Inseln der offenen See wiederholt sich im grofsen eine Eigenschaft Deutschlands und Frankreichs. Es ist die geographische Erscheinungsweise der gleichen geschichtlichen Thatsache: Die Entwickelung des grofsen transatlantischen und dieser kleinen europäischen Staaten vollzog sich im Kampfe mit den grofsen Mächten Westeuropas. Die Stellung Englands auf den Bahamas, Bermudas, den Inseln der Fundy Bay und auf Vancouver entspricht der auf den Kanalinseln und (einst) auf Helgoland. An drei wichtigen Stellen wird also der Zugang zu der Küste der V. St. durch Inseln in fremdem Besitze beherrscht. Eine kontinentale Macht ist gegen das Festland zurück- und vom Meere abgedrängt. Die Hartnäckigkeit, mit der die V. St. um die paar ärmlichen Eilande in der St. Croix- Mündung und im Haro-Kanal stritten und das Streben nach insularen Fufsfassungen auf den kleinen Antillen, an der Küste von Nicaragua und San Domingo, auf den Aleuten, im Hawaiischen und Samoa-Archipel entspringt dem Gefühl der Eingeengtheit. Für das weite Land ist seine oceanische Sphäre zu eng. Nicht blofs aus den Kriegen mit England, auch aus dem Bürgerkrieg kennen die Nordamerikaner die Gefahr, die von so nahe gelegenen Stationen wie Bermuda oder Nassau ihrem Seehandel und ihren Küsten droht. Wie schwach der unvergleichlichen Lage Cubas gegenüber ihre Stellung an der Floridastrafse, haben wir gesehen. Auch zwischen den am weitesten nach Westen reichenden Gliedern der Bahama-Gruppe, Bemini- und Gun-Inseln, Southwest Point der grofsen BahamaInseln, die den Ostrand der Floridastrafse bilden, und dem Westrand liegt nicht ein voller Meridiangrad; die gerade Entfernung zwischen jenen und C. Florida beträgt nicht ganz 90 km.
II. Die Peripherie: Grenzen und Küsten. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse der Vereinigten Staaten 32. Annäherung an Naturgrenzen 33. Länge der Peripherie 36. Bevorzugte Gebiete in der Peripherie 37. Das Zusammentreffen der Landgrenzen und Küsten 43. Übergreifende Rechte 44. — Verlauf und Veränderungen der G r e n z e n 51. — Indianergrenzen 46. Einige Bemerkungen über die inneren Grenzen 48. — D i e K ü s t e n 61. Küstenlänge und Küstenentwickelung 64. Die Küsten- und Hafengebiete 69. Küstenlandschaften 77. Küstenveränderungen 81. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse. Auch die Grenzen der V. St. zeigen die Gunst der Lage und dazu die Wirkung einer dem Staate voraneilenden höchst kolonisationsfähigen Bevölkerung mit nahezu ungehemmter Ausbreitung über ein Land von kontinentaler Gröfse. Sie sind in gröfster Ausdehnung ganz natürlich, nämlich an den beiden grofsen Meeren. Wo sie auf dem Lande ziehen, vermeiden sie fast alle überflüssigen Krümmungen. Sie werden dadurch nicht natürlicher, aber im Vergleich zu dem weiten Areal, das sie zu umfassen haben, sind sie sehr kurz. In der Kürze liegt unter den Verhältnissen der V. St. der gröfste Vorteil. Ein so junges und rasch wachsendes Land fafst die Grenzen nicht als etwas geschichtlich Gegebenes auf, sondern sieht darin nur ein zeitweiliges Abkommen. Wenn die Grenzlinie des 49. Parallels den unteren Red River, die Quellflüsse des Missouri und den mittleren Columbia schneidet, so fiel diefs durch lange Jahrzehnte gar nicht auf. Die mathematische Linie entsprach ganz dem Bedürfnis einer
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• Natürliche Grenzen.
grofsen, ins Ungewisse hinein verlegten Sonderung 1 ). Sie gleicht darin den Grenzen der Einzelstaaten, die — man denke an die Grenze zwischen Dakota und Montana — mit Bewuistsein die natürlichen Objekte zerteilen, an die bei uns die Grenzen Anlehnung suchen würden. Das Schutzmotiv und die im Laufe eines langen, hin- und herschwankenden geschichtlichen Prozesses festgelegte Linie fehlen in diesen Grenzen beide. Wenn doch ein Teil der Landgrenzen der V. St. natürliche Berechtigung hat, so liegt der Grund in einer andern Sphäre, nämlich in den Ausgangspunkten und der Richtung der geschichtlichen Bewegungen, die an dieser Grenze oder in ihrer Nähe Halt machten. Ein Blick auf eine Vegetationskarte des nordamerikanischen Kontinentes läfst erkennen , dafs die Nordgrenze des mexikanischen Vegetationsgebietes wenig s. von der politischen Südgrenze der V. St. gezeichnet wird, und auf einer Höhenkarte sieht man diese politische Grenze das Depressionsgebiet durchziehen, das zwischen dem Gila und Rio Grande die eigentlich nordamerikanischen von den mexikanischen Gliedern der grofsen Gebirgskette der Kordilleren trennt, eine der bedeutsamsten Erscheinungen in der Oberflächengestaltung Nordamerikas. Die Jahres-Isothermen von 15° und 18 °C. sind gleichfalls in der Gegend dieser Grenze zu ziehen. Man kann sie als eine Naturgrenze in kontinentalem Stile, nämlich ein Grenzgebiet weitverbreiteter natürlicher Unterschiede bezeichnen 2).
1) Die Anwendung von Breitegraden zu Grenzbestimmungen ist in der Geschichte Nordamerikas üblich seit 1620 Jacob I. der Plymouthgesellschaft das Land zwischen 48 und 40° »durch das ganze Festland« zuwies. So wurden später Connecticut, Carolina u. a. begrenzt. George B a n c r o f t stellt das Historische dieser Methode der Grenzziehung ausführlich dar in der »Denkschrift über den Kanal von Haro als Grenzlinie der V. St. von Amerika« (1871). Über die übliche Auffassung und Bestimmung der Breitegrade als Grenze hat James T. G a r d i n e r , der Vorstand des New York State Survey in seinem Bericht für 1880 (Albany 1881) S. 10 f. interessante Mitteilungen gemacht. 2) Diese Grenze ist übrigens von Anfang an mit Rücksicht auf den eigentümlichen Charakter des von ihr durchschnittenen Landes gezogen worden; man wollte eine Naturgrenze. »Die Grenze ist gut«, sagt Major E m o r y , der Grenzkommissar der V. St., »und wenn die V. St. entschlossen sind, der Expansionskraft ihrer Institutionen und ihres Volkes zu widerstehen, die mir unvermeidlich zu sein scheint, und sich Grenzen zu setzen, e h e sie die LandK a t z e l , Die V.St. von Amerika.
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Natürliche Grenzen.
Von der Nordgrenze kann nicht dasselbe gesagt werden. In fast geometrisch regelmäßiger Halbierung des Kontinents von einem Rande bis zum andern schneidet sie in der westlichen Hälfte auch manche Naturverhältnisse in einer mit Naturgrenzen schwer vereinbaren Folgerichtigkeit. Nur der Umstand, dafs diese Grenze in so weiter Erstreckung durchaus im Sinn der geographischen Breite gezogen ist — dem im allgemeinen auch der Verlauf der Isothermen und der Vegetationsgrenzen folgt —, läfst sie nicht bedeutungslos in natürlicher Beziehung erscheinen. Sie scheidet allerdings in einer allgemeinen Weise die gemäfsigteren von den kälteren Teilen Nordamerikas und erinnert dabei durch ihr Ansteigen von der atlantischen zur pacifischen Küste an den entsprechenden Grundzug der Isothermen. Die Laubwälder des Ostens, die hohen Nadelhölzer des Westens, die Prärien des Innern, alle gehen nicht weit über den 49. Breitegrad hinaus. Aber vielleicht zeichnet nichts, so deutlich wenigstens, die A n n ä h e r u n g auch der Nordgrenze der V. St. an gewisse Naturgrenzen als die enge von Danen erreicht haben, so wird man wahrscheinlich vergebens auf dem ganzen Kontinente eine Grenzlinie suchen, die besser für diesen Zweck geeignet wäre. Es ist ein Glück, dafs zwei Völker, die in Gesetzen, Glauben, Sitten und Bedürfnissen so sehr verschieden sind, von einander durch Grenzen getrennt werden, welche gleichzeitig grofse Unterschiede in der Naturbeschaffenheit des Landes bezeichnen.« Weiterhin sagt E m o r y : »Ich beobachtete diese merkwürdige Depression (vom kalifornischen Golf bis zum Pecos) bei einer Durchforschung des Landes im Jahre 1846 und lenkte auf dieselbe die Aufmerksamkeit des damaligen Staatssekretärs des Innern, Buchanans, worauf dieser unsern Gesandten, der über den Vertrag von Guadalupe Hidalgo verhandelte, verständigte, keine Grenzlinie n. von 32° n. B. anzunehmen.« (Report on the U. S. and Mex. Boundary Survey, 1857. I. 89 u. 41.) Mit diesen Rücksichten trafen übrigens auch Gründe militärischer Art und des Verkehrs zusammen. Die Grenze von 1851, die ziemlich weit n. von der heutigen verlief und in ihrer gröfsten Erstreckung dem Gila River folgte, schnitt die Kommunikation zwischen den Grenzforts am Rio Grande und denen am Gila ab, war also schlecht für die V. St. Aufserdem wurde es zu jener Zeit als ein besonders hoch anzuschlagender Nachteil angesehen, dafs sie die Giladepression Mexiko überliefs, während es doch aufser Zweifel zu stehen schien, dafs die schon damals geplante Pacificbahn nur in dieser Einaenkung die westliche Gebirgsmasse zu passieren vermöchte. Dieses Motiv hat seine Geltung erst viel später bewiesen, als die letzte der jetzt bestehenden Pacificbahnen, die südliche, durch diese Senke geführt wurde.
•Wachstum und "Verbesserung der Grenzen.
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. Thatsache, dafs sowohl am östlichen als am westlichen Ende dieser Grenze die Fjord- und Schärenbildungen, diese Küstenform von hervorragend klimatischer Bedeutung nur eben über sie hereinragen. Die klimatischen Bedingungen ihrer Bildung sind also s. von der heutigen Nordgrenze der V. St., mit Ausnahme eines schmalen Striches, in den die Küste von Neuengland und der Puget-Sund fallen, nicht mehr vorhanden. Die östliche Hälfte der Nordgrenze ist fast durchaus Wassergrenze, die in Flüssen und Seen verläuft. Das Wachstum der V. St. hat eine fortschreitende Verbesserung der Grenze dadurch hervorgebracht, dafs es nicht eher Halt machte, als bis es an der natürlichsten aller Grenzen, dem Meeresrand, oder an den .grofsen Seen und Flüssen angelangt war, an Stellen, wo die Natur selbst, und nicht blofs eine künstliche politische Schöpfung ihrem Staate entgegentrat. Natürliche Grenzen wurden mit natürlicheren vertauscht, so im Vordringen vom Mississippi nach Osten der Pearl-Flufs gegen den Perdido — um diesen, der heute die Westgrenze von Florida bildet, drehte sich seit der Erwerbung Louisianas der Streit zwischen den V. St. und Spanien; jene behaupteten, dafs Louisiana sich bis zum Perdido erstrecke, dieses wollte den Pearl-Flufs als Westgrenze von Florida behaupten — und dieser gegen das Meer. Und so beim Vordringen vom Mississippi gegen Westen erst der Sabine-Flufs, dann der von Texas 1836, von den V. St. 1848 als Grenze gegen Mexiko gewonnene Rio Grande, die vorteilhafteste Linie, die im Südwesten zu finden war und ist. Diese letzte der grofsen Landgrenzlinien konnte sich nur an den beträchtlichsten Strom des Südwestens, den Rio Grande, lehnen. Das sind alles Grenzen, die dieses Land sich selbst als die seiner heutigen Entwicklung gemäfsesten frei bestimmt hat. Die die Grenzen der kontinentalen Mächte Europas bestimmende und in den launenhaftesten Verlauf zwängende Anpassung eines späteren Staatenwachstums, das auf ein früheres trifft, nach dem es nun also seine Grenzen zu modeln hat, tritt uns nur im äufsersten Nordosten entgegen. Der Gegensatz zwischen der östlichen und westlichen Hälfte der Nordgrenze der V. St. ist sehr bezeichnend für die verschiedenen 3*
Länge der Peripherie.
Wirkungen der Berührung mit politisch organisierten und unorganisierten Gebieten. Soweit Kanada in den Umrissen fertig war, hatten die jungen V. St. seine Grenze zugleich als die ihrige anzunehmen. Daher die mit dem ganzen übrigen Grenzverlauf der V. St. so wenig übereinstimmende Unregelmässigkeit der Nordostgrenze mit ihrer Anlehnung an so kleine Motive, wie der S. Croix-Flufs, S. Johns- und Francis-Fluls u. s. w., und besonders ihrem tiefen Hinabsinken nach Süden — alles im scharfen Gegensatz zu der Linie des 49. Parallels, die bei der Mündung des Rainy-Flufs den Wäldersee verläfst und einförmig hinüber bis zur San Juan de Fuca-Strafse zieht. Auch der Längenunterschied der beiden Abschnitte — es sind 3611 km von der Paesamoquoddy-Bai bis zum Westufer des Wäldersees, 2000 km auf dem 49. Parallel —, deren Gradentfernungen fast gleich sind, zeigt, wie unamerikanisch dieser nordöstliche Grenzabschnitt ist, den noch nicht, wie den mexikanischen, ein glücklicher Krieg vereinfachte, und der noch vier weniger den Eindruck der atlantischen und pacifischen Grenzen des jungen Landes macht, ohne jede hemmende Konkurrenz bis zu den entferntesten und besten Naturgrenzen ausgedehnt zu sein1). Auf einen ähnlichen Unterschied wies jüngst Romero R o b l e d o in seinen halboffiziellen Berichten über den panamerikanischen Kongrets hin8), wo er erzählt, wie dem Vorschlage der V. St., alle Grenzfragen durch Schiedsspruch zu erledigen, besonders Mexiko mit dem Hinweis auf die Ungleichwertigkeit der Grenzen entgegengetreten sei, deren Regulierung in dem dünnbevölkerten Südamerika zwischen Ländern gleicher Sprache, Religion und Gewohnheiten sehr leicht sei, während viel folgenreicher jede Grenzstreitigkeit zwischen den V. St. und Mexiko sein müsse. Länge der Peripherie. Die Landgrenze der V. St. ist 8480 km (5260 engl. M.)9) lang, die Küste 4 ) 7 070 km (4390 engl. M.). In 1) Sehr bezeichnend sagt J. IX W h i t n e y : Um nahezu alles wertvollste Land von Nordamerika in die Grenzen der V. St. einzuschliefsen, würde es notwendig sein, die Grenze des 49. Breitengrades vom Wäldersee ostwärts bis zu dem Punkte fortzuführen, wo sie den St. Lorenzstrom schneiden würde. The United States 1889 S. 5. Sie würde nur eben den Mündungsgolf dieses Stromes am Nordrand treffen, der also in seiner ganzen Ausdehnung in das Gebiet der V. St. fiele. 2) In der North American Eeview 1891. 3) Nach einer von Dr. C. F ö r s t e r im hiesigen K. Geographischen Seminar für mich ausgeführten Messung. 4) Nach Mitteilungen aus dem U. S. Coast Survey. Näheres über Küstenlänge und. -gliederung s. o. S. 64. Mit der Landgrenze ist hier die Küstenlinie mit Ausschlufs der kleinen Buchten, InselD, Halbinseln zusammengestellt,
Bevorzugte Grenzstrecken.
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der ganzen Peripherie von 15550 km sind Küste und Landgrenze, da sie sich wie 1:1,2 verhalten, praktisch einander fast gleichzusetzen. Zählen wir die Grenze von S. Lorenz und den Grolsen Seen als Wassergrenze zur Küste, so erhalten wir gegen 6532 km Landgrenze 9019 km Wassergrenze. Das Areal der V. St. (ohne Alaska) zu 7,8 Mill. qkm (3 024880 engl. Q. M.) angenommen, kommen auf 1 km der Peripherie fast genau 504 qkm Oberfläche. Der Vorzug der grofsen und geschlossenen Fläche macht sich hier in grofsartigem Mafse geltend. Vergleichen wir europäische Areale, so finden wir, dafs in Deutschland auf 1 qkm 7 km, in der Schweiz 24 km Grenze kommen. Das Areal auf 1 km Grenzlänge ist also über 20mal so grofs in den V. St. als in der Schweiz. Von der Grenze der V. St. entfallen auf die nordöstliche Strecke von der atlantischen Küste bis zum S. Lorenzstrom 1013 km, von da bis zum Westufer des Oberen Sees 1949 km, von da bis zum westlichen Ende des Wäldersees 649, von da bis zum Stillen Ocean (Grenze des 49. Parallel) 2000 km. Die Südgrenze mifst vom Golf von Mexiko an, so lange sie im Rio Grande verläuft, 1745, von El Paso bis zum Stillen Ocean 1125 km. Über die Verteilung der Küstenlänge s. u. S. 65. Beide Elemente der Peripherie stehen im günstigsten Verhältnis: Eine möglichst einfache Grenze am Land gegen die politische Nachbarschaft und eine reich entwickelte gegen die Nachbarin Natur am Meer. Bevorzugte Grenzstrecken. In der weiten Peripherie von 15 550 km ist nicht jede Grenzstrecke der andern gleich an politischer Bedeutung. Wir haben gesehen, wie schon in der Form eine Verschiedenartigkeit der Entwickelung sich ausprägt, und wie einzelne Abschnitte in der Lage bevorzugt sind. Im allgemeinen wird die Nordgrenze politisch und wirtschaftlich wichtiger sein als die Südgrenze, und von ihr wird wieder die Osthälfte weit vor der Westhälfte stehen. 39 Mill. D. von der Ausfuhr der V. St. gehen nach der Dominion, 14 nach Mexiko, 130 Eisenbahnen führen d. h. die General Coast Line, deren Charakter dem einer politischen Grenze von grofsem Stil ähnlich ist.
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Bevorzugte Grenzstrecken.
auf und grofsenteils über die nördliche Landgrenze, 6 auf und über die südliche. Aber nach der Menge der Eisenbahnen gemessen, übertrifft der Verkehr ö. von Duluth um das zwölffache den w. vom Westende des Oberen Sees. Gegen die Seen und den oberen S. Lorenz drängen immer dichtere Bevölkeruugen zusammen, die der dort verlaufenden Grenze zunehmend mehr Wert und Bedeutung verleihen. Auf einer Karte des Wachstums der Bevölkerung der V. St. in dem Jahrzehnt 1880/90 zieht von der Halbinsel Michigan bis zum Puget-Sund
Flg. 1.
Die Südwest-Grenze und die Süd-Pacificbahn 1:10000000
eine ununterbrochene Zone sehr starker Zunnahme an der Grenze hin. Die durch Verdichtung der Bevölkerung oder des Verkehrs bevorzugten Grenzstellen sind sonst nirgends an den Landgrenzen, fast immer nur an den Küsten zu suchen. Bei jenen mufs man beachten, dals es an den Landgrenzen Stellen gibt, gegen die hin die Bevölkerung von aufsen her sich früher oder rascher entwickelt hat, als die der V. St. Am auffallendsten hebt sich das fast unbewohnte nördliche Maine von dem angrenzenden Neubraunschweig ab, doch ist dies eine grofse Ausnahme von rein geschichtlicher Begründung. Gerade die Bevölkerungsverbreitung an der
Kanadische Grenzbeziehungen.
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Grenze gibt fast überall Zeugnis von dem Drängen von innen nach der Peripherie. Ja, es liegt darin etwas Bezeichnendes für die Entwickelung der V. St. und weist auf wichtige Entwickelungswege der Zukunft hin. Die daraus hervorgehende Neigung zur Einbeziehung der jenseit der Grenze gelegenen Gebiete in das eigene Verkehrsgebiet durch die Ausdehnung des Eisenbahnetzes ist zwar am energischsten im Südwesten zur Geltung gekommen, wo besonders die Linie nach Guaymas (Fig. 1) wichtig zu werden verspricht ; aber im Norden werden immer mehr Wege gebaut in engster Verbindung mit den peripherischen Bevölkerungsverdichtungen der V. St. nach jenseit der Grenze gelegenen Ausläfspunkten. Hier überragt längst durch Dichte der Bevölkerung und des Verkehrs das Unionsgebiet das kanadische. Das Mifsverhältnis zwischen der ostwestlichen und • nordsüdlichen Ausdehnung und die natürliche Veranlagung der V. St. zum Verkehr in nördlicher und südlicher Richtung wird über die Nordgrenze hinausführen. Von den zwei wichtigsten Landschaften des Nordens der V. St., am Oberen Mississippi und Oberen See laufen schon zwei Flufs- und Seenverbindungen auf den Winnipeg in der Richtung der Hudsonsbai zusammen, an der, wenigstens von canadischer Seite, Churchill eine grofse Zukunft als Hafenplatz prophezeit wird. Anderseits ziehen die Grofsstädte südlich von der Nordgrenze, besonders Chicago, Detroit und Buffalo immer mehr vom Verkehr BritischNordamerikas an sich. Was aber von östlichen Gebieten w. von den Nord-Alleghanies liegt, ist auf den S. Lorenzstrom angewiesen. Dazwischen entwickeln sich Erie- und Huronensee immer mehr zu einem, beiden Ländern gemeinsamen, in beider Peripherie gelegenen, beide wirtschaftlich verbindenden Verkehrsorganismus, in dem aber die Interessen der V. St. weit vorwiegen. Bei der Jugendlichkeit beider hier in Frage kommenden Staaten ist es kaum zweifelhaft, dafs so bedeutende peripherische Erscheinungen Grenzverschiebungen mit der Zeit herbeiführen werden. Im Fall Kanadas ist oft darauf hingewiesen worden, wie die lange Berührungslinie, die von so vielen Wasser- und Schienenwegen gekreuzt wird und die Ergänzung, welche die Erzeugnisse beider Gebiete jedem einzelnen von ihnen bieten, die Übereinstimmung einer grofsen Anzahl von Interessen so stark machen, dafs das Dazwischentreten
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Peripherische Verkehrsorgane.
einer dritten, 800 g. M. entfernten, unter ganz anderen Bedingungen lebenden Macht nur zu Mißverständnissen zwischen den Nachbarn führen könne. Man sagt in Washington: Geschäftlich ist Grofsbritannien für Kanada gerade so fremd wie die V. St. In den kanadischen Zolleinnahmen erschienen beide 1889 im Verhältnis wie 5 : 4 , was nicht blols zeigt, wie die V. St. und Canada geschäftlich eng verbunden sind, sondern zugleich, wie wenig Grofsbritanniens politischer Vorzug sich ins Wirtschaftliche übersetzt. In der Zollinie will man nur noch das Mittel sehen, um Kanada angesichts der überquellenden und übergreifenden Entwickelung der V. St. selbständig zu erhalten. In einem Lande, dessen Wachstum von aufsen nach innen vorgeschritten ist, fügt sich, die geschichtliche Bedeutung der Peripherie zur gegenwärtigen. In ganz Amerika wirkt jene bis heute nach. Alle die grofsen Organe des Verkehrs liegen an den Küsten und Grenzen und damit fast alle Grolsstädte. In den V. St. liegen von den Städten mit mehr als 200000 E. New York mit Brooklyn, Philadelphia, Boston, Baltimore, Washington an der atlantischen Küste, New Orleans an der des Golfs, San Francisco an der pacifischen, Chicago, Cleveland, Buffalo und Detroit an der Seengrenze. Nur St. Louis, Cincinnati und Pittsburgh sind in dieser Reihe Binnenstädte. So wie die Dichtekarte das Bild eines Ringes dichter Bevölkerung um ein dünn bewohntes Innere gewährt, zeigt auch die Städtekarte die gröfsten und zahlreichsten Städte in oder nahe der Peripherie. Und wenn man das Arteriennetz des Verkehrslebens betrachtet, gewahrt man eine ungemein groise Ungleichartigkeit in der Zuteilung an die peripherischen Endund Knotenpunkte. Das nördliche Maine ist das eisenbahn- und wegärmste Land im ganzen Osten der V. St. Fast alle Eisenbahnen liegen s. vom 45.° n. B. und führen nur kleine Strecken von der Küste einwärts. Neubraunschweig und Quebec, die beiden Grenzprovinzen, sind besser versehen. Eine Linie der Canadian Pacific begleitet von Madawaska Settlement an den St. Johns-Flufs auf der Seite von Neubraunschweig, mündet in St. Andrews an der Küste und gibt von Hopkin eine Sackbahn ab über Ft. Fairfield nach Presque Isle, weiter s. eine andere von Woodstock nach Houlton. Ein Zweig derselben Linie geht in Neubraunschweig bei Mc. Adam Junction ab, tritt bei St. Croix auf den Boden von Maine, wo er sich in Mattawamkeag mit der Maine Central Eisenbahn verbindet; beim See Megantic verlalst sie Maine wieder. Als ein
Die Verkehrswege an den atlantischen, Golf- und Südwest-Grenzen. 4 1
Zweig derselben Linie erscheint die kürze Linie Calais-Princeton. Von Rockland an beginnt die hart an der Küste entlang führende Linie Boston and Maine. Als Endpunkte gröfserer Linien sind an der Küste von Maine zu nennen: Bangor-Frenchman's Bay, Belfast, Rockland, Brunswick, Portland, in New Hampshire Portsmouth, in Massachusetts Newburyport, Boston, Plymouth, Provincetown, Chatham, Falmouth, New Bedford; in Rhode Island Newport, Providence und Narragansett; in Connecticut Norwich-New London, New Haven, Bridgeport; in New York New York, Sag Harbor und Greenport (beide auf Long Island) ; in New Jersey Jersey City, Perth Amboy, New Brunswick, Sandy Hook, Atlantic City, Cape May Point; in Pennsylvanien Philadelphia; in Delaware Wilmington ; in Maryland Baltimore, Havre (Port Deposit) ; im Bundesdistrikt Washington ; in Virginien Alexandria, Newport, Portsmouth; in Nord-Carolina Beaufort, Wilmington; in Süd-Carolina Georgetown, Charleston, Port Royal; in Georgia Savannah und Brunswick, in Florida Jacksonville, Port Orange, Titusville, Tampa, Cedar Keys, Pensacola; in Alabama- Mobile; in Mississippi Scranton; in Louisiana New Orleans ; in Texas Sabine Pass, Galveston, Brazos, Aransas, Corpus Christi, Brownsville. Die mexikanische Landgrenze überschreitet die von Corpus Christi kommende Mexican National bei Ft. Mac Intosli-Laredo in der Richtung auf Monterey ; von San Antonio aus führt die Mexican International bei Eagle Pass (gegenüber Porfirio Diaz) über die Grenze nach Sabinas ; von dem Knotenpunkt des mittleren Texas, Fort Worth führt die Texas Pacific nach El Paso, von da die Mexican Central über Chihuahua nach Mexiko; die Linie, die von Ft. Hancock an Grenzbahn, geht als Süd-Pacificbahn in derselben Eigenschaft durch das südliche Arizona bis Ft. Yuma an der mexikanischen Grenze. Bei Benson mündet die von Guaymas kommende nordmexikanische Linie ein, die bei Nogales die Grenze überschreitet (Fig. 1). Die Süd-Pacificbahn trifft in Los Angeles mit der südkalifornischen zusammen, die bei San Diego an das Meer und die Grenze herantritt. Von da bis Sa. Barbara, wo eine kleine Lücke durch die Sierra di S. Raffael gebildet wird, und bis Uklah in Nordkalifornien wird die kalifornische Küste von einer, in der Gegend von San Francisco von mehreren Eisenbahnlinien begleitet, die nun mit der ganz Oregon durchziehenden Linie Redding Cai-Portland Or. verbunden ist; bei Kalama überschreitet diese den unteren Columbia und verbindet sich mit dem bereits sehr entwickelten Netz von Washington. In Oregon tritt die Columbia-Linie bei Kalama am nächsten ans Meer. Auch der Hafen von Yaquima ist mit der Längsbahn verbunden. Aber in dem reichgegliederten Washington sind schon die Häfen von Willapa, Gray, Olympia, Tacoma, Seattle und New Whatcom Endpunkte des Eisenbahnnetzes, das über Clear
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Die Verkehrswege der Nordgrenze.
Brook und Blaine die jenseit der Grenze liegenden Vancouver und Westminster erreicht. Die den St. Johns-Fluls in Maine begleitende Bahn überschreitet die Grenze bei Edmundston und führt nach Rivière du Loup (Quebec) an der S. Lorenzbucht, die Canadian Pacific führt über Boundary Me. nach Cookshire (Quebec), wo sie mit der aus New Hampshire kommenden Maine Central sich vereinigt, die bei Hereford die Grenze überschreitet. Unter den Linien, die aus Vermont nach der Provinz Quebec führen, sind die des Connecticut-Thaies, die beiden von Newport ausgehenden und den Memphremagogsee umfassenden und die drei von Sheldon Junction ausgehenden die bedeutendsten. In Swanton Junction teilt sich die am Ostufer des Champlainsees hinführende Linie in ' eine bei Highgate Springs Verm. über die Grenze führende und die den nördlichen Champlainsee überschreitende Doppellinie, die längs der Grenze nach Rousses Point N. Y. führt. Den Nordrand von New York schneiden 3 Linien an der Landgrenze gegen Quebec, 5 am S. Lorenz, 12 am Ontario, 4 am Niagara, 16 am Erie, wovon 12 in Buffalo. Die wichtigsten Übergangspunkte sind Oghdensburg, Morristown, Watertown, Oswego, Rochester, Niagara, Buffalo, Dunkirk; Pennsylvania sendet 3 Linien an den Eriesee, deren wichtigste Endpunkte Erie und Girard, Ohio 22, von denen 2 in Ashtabula, 7 in Cleveland, 2 in Sandusky, 2 in Port Clinton, 10 in Toledo ausmünden. Von Buffalo bis Cleveland laufen 2 Linien hart am Ufer hin, ebenso wieder von Toledo bis Detroit. Auch die Halbinsel Michigan wird fast auf allen Seiten von einer am Gestade hinlaufenden Eisenbahn umgürtet, in der 42 Linien aus dem Innern auslaufen, von denen Monroe 2, Detroit 5 (und 4 aus Ontario), Pt. Huron 3, Bay City 5, Mackinaw 2 (und 1 aus der Nordhalbinsel), Manistee 4, Muskegon 4, Benton Harbour 3 aufnimmt. Auf der Nórdhalbinsel von Michigan ist natürlich Sault Ste. Marie mit 3 Linien der wichtigste Punkt; der nördlichte Eisenbahnpunkt ist Allouez auf der Halbinsel Keewenaw. Wichtigere Randpunkté sind noch Marquette (4 Eb.) und Ontonagon. Am Ufer von Wisconsin erreichen den Huronensee 10 Eisenbahnen, wovon 5 in Ashland, 5 in Superior City ausmünden. Von Duluth führt über Wabegan am Oberen See und über Long Lake eine Bahn, die in Kürze die Grenze erreicht haben wird. Aber nur eine einzige überschreitet die Grenze, die Great Northern, die auf der rechten Seite des Red River-Thales nach S. Vincent gegenüber Pembina führt, wo sie mit dem in Nord-Dakota dem linken Ufer des Red River folgenden Zweig der Nord Pacific-Bahn zusammentrifft. Beide führen nach Winnipeg weiter, die westliche nimmt bei Morris (Manitoba) noch eine westliche von Crafton Dak. kommende Linie auf. So überschreiten hier in kurzer Entfernung voneinander 3 Linien die Grenze
Die Landgrenzen an der Küste.
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von Manitoba. Erst in der westlichen Hälfte von Montana folgt dann eine weitere Linie, die bei Shelby Junction die Nord-Pacificbahn verläfst, bei Sweet Grass die Grenze überschreitet und bei Dunmore (Assiniboina) in die kanadische Pacificbahn mündet. Ein Zweig, den in Idaho die Nord-Pacific am Kutench-Fluis nach Norden sendet, tritt bis auf einige Meilen an die. Grenze heran, ebenso eine Linie, die im östlichen Washington dem oberen Columbiathal bis Little Dalles folgt. Das Zusammentreffen der Landgrenzen mit den Küsten. Zu den wichtigsten Punkten im Verlauf der Grenzen gehören die Berührungen einer Landgrenze mit dem Meere. Zwei politische
Gebiete treffen mit einem Gebiete der Natur zusammen an einer Stelle, die durch die Auflösung des Landes in Halbinseln und Inseln, durch Flufsmündungen u. a. ohnehin mit besonderen Eigenschaften ausgestattet ist. Leicht treten hier Abbiegungen der Küstenlinie und vielleicht sogar Unsicherheiten über ihren Verlauf
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Übergreifende Rechte.
bis zum offenen Meere auf. Die V. St. besitzen solche Punkte am Atlantischen und am Stillen Ocean und am Golf von Mexiko. Die Nordgrenze bildet am Stillen und am Atlantischen Ocean je eine politisch wichtige Stelle bei ihrem Herantreten ans Meer. An die eine hat der Konflikt über den Haro-Kanal sich geknüpft, der beim Grenzverlauf (s. o. S. 58) besprochen ist; die andere war der Gegenstand der Meinungsverschiedenheiten zwischen den V. St. und England über die Inseln in der Mündung des St. Croix (s. Fig. 2 u. S. 51). Der für das Atlantische Ende der Nordgrenze der V. St. entscheidende nordsüdliche Verlauf, den die Grenze von dem Punkte einhält, bei dem sie den St. Johns-Flufs verläist, um mehr als einen Breitegrad meridional, dann an das Westufer des Sohoodic- (oder Grand-)Sees und des St. Croix-Flusses gelehnt, nach dem Meere zu ziehen, bedeutet eine Schwächung. Indem sie sich dann durch die Küsteninseln zwischen East Port auf der Seite von Maine und St. Andrews auf der von Neu-Braunschweig windet, läfst sie alle grölseren Inseln auf der Seite von Neu-Braunschweig, so dais das Bild der Vorlagerung einer Inselkette vor die Küste der V. St. entsteht. Dieses Merkmal der Zurückdrängung ist aber dem ganzen absteigenden östlichen Ast der Nordgrenze von Grand Falls an eigen. Es ist auch nur ein Fall der allgemeinen Thatsache der nach dem Festlande zu verschobenen Lage der V. St., den wir am Schlufs des vorigen Kapitels' erwähnten. Übergreifende Rechte. Die Rechte fremder Mächte in dem Gebiet der V. St. sind zusammengeschmolzen. Sie beschränken sich heute wesentlich auf die Bewohner Britisch-Nordamerikas. Die wichtigste Befugnis dürfte sein, dafs ihnen die Schiffahrt auf dem Michigansee ebenso wie den Bürgern der V. St. offensteht, und dafs sie die Kanäle der V. St. im Gebiet der Grofsen Seen frei benutzen. Dasselbe, zuerst im Vertrag von 1842 für die Kanäle bei Barnhart und den Long Saultrinseln, im Detroit-Flufs und See St. Glair ausgesprochene, dann 1854 erweiterte Recht steht den Bürgern der V. St. auf den Kanälen der englischen Seite der Grofsen Seen zu. Nach einem Ubereinkommen von 1817 beschränken sich die V. St. ebenso wie England darauf, nicht mehr als je ein Kriegsschiff auf dem Ontario und Champlainsee und
Übergreifende Rechte. Die Fischerei an der Canadischen Küste.
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je zwei auf den »Oberen Seen« zu .unterhalten. Auf dem St. John steht, soweit er Grenze, die Schiffahrt beiden Teilen unter gleichen Bedingungen zu, und die Erzeugnisse der Wälder an diesem Flusse sollen in Neu-Braunschweig wie solche der eigenen Provinz oder des eigenen Staates behandelt werden, sofern sie nach den V. St. gehen. Mexico hat das Recht der freien Schiffahrt auf dem Colorado sich bewahrt. Dasselbe Recht auf dem Columbia ist für England seit der Zurückweisung seiner Ansprüche auf Oregon wertlos geworden. Und auch das Recht, an den Küsten der V. St. bis 36° n. B. unter gleichen Bedingungen wie die Bürger der V. St. zu fischen, bedeutet praktisch fast nichts. Ganz anders ist es mit dem entsprechenden Recht der Amerikaner, an der atlantischen Küste von Britisch-Nordamerika zu fischen. Der Friedensvertrag von 178.3 hatte das Recht der Amerikaner auf den Fischfang an der britisch-nordamerikanischen Küste in dem ganzen Umfang, wir er bisher geübt worden, ausgesprochen. Endlose Zwistigkeiten zwangen zu einer genauen Bestimmung. Daher erteilte ein Vertrag zwischen den V. St. und England (am 20. Oktober 1818 in London abgeschlossen) den Bürgern beider gleiche Rechte des Fischfangs an der Süd-, Westund Nordküste von Neufundland und von Mt. Joly an der Südküste von Labrador bis n. von der Strafse von Belle Isle, soweit nicht die Rechte der Hudsonsbay - Gesellschaft in Frage kamen. Gleichzeitig wurde den Bürgern der V. St. das Recht eingeräumt, an den unbesiedelten Strichen der Südküste von Neufundland Fische zu trocknen. 1854 wurde dieser Vertrag auf die »Seacoasts and shores, and the bays, harbors and creeks of Canada, New Brunswick, Nova Scotia, Prince Edward's Island and of the several islands thereunto adjacent« ohne Beschränkung in den Entfernungen vom Ufer ausgedehnt. Der Vertrag von Washington von 1871 bestätigte die Bestimmungen der früheren, beseitigte aber nicht die Schwierigkeiten, zu denen sie Anlafs gegeben hatten. 1881 bezahlte England 15000 £ für Schaden, der in Fortune und Aspee Bay amerikanischen Fischern zugefügt worden. Besonders machte auch die Vorbehaltung der Süfswasserfischerei an den Flufsmündungen Schwierigkeiten. Einige Vorteile der spanischen
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"Übergreifende Rechte. Die Beringsmeer-Frage.
und russischen Schiffahrt in den Häfen des Golfes, bezw. des Stillen Oceans, die in älteren Verträgen ausbedungen waren, sind erloschen. Im Vertrag von Guadalupe Hidalgo ist auf die Verhinderung und Bestrafung der Indianereinfälle durch die V. St. ausdrücklich hingewiesen. Eine 1882 geschlossene und 1885 verlängerte Übereinkunft gestattet den Truppen beider Teile die Verfolgung der Indianer in die wüsten Grenzgebiete des Nachbarlandes. . Einer eigentümlichen Auffassung des Gebietes sind die Schwierigkeiten im Beringsmeer entsprungen. 1891 wurde ein Versuch gemacht, gelegentlich eines im Repräsentantenhaus vorgeschlagenen Gesetzes über die Lachsfischerei in Alaska, die Bestimmungen über die Beaufsichtigung der Robbenjäger auf das ganze Beringsmeer innerhalb der Grenzen der russischen Abtretung vom 30. März 1867 auszudehnen. Dasselbe wurde seit 1886 praktisch versucht. Im Senat erfuhr aber dieser Versuch »ein Meer, gröfser als das Mittelmeer und mit 450 engl. M. Thoröffnung« zum Mare clausum zu machen, Widerspruch. Die Frage empfing einen üblen Beigeschmack durch das Interesse der Alaska Commercial Company an der Fernhaltung jeder fremden Wettbewerbung. Die Wegnahme englischer Schiffe im Sommer 1889 geschah .durchaus aufserhalb der gesetzlichen Grenze (1 Marine League = 3U deutsche geogr. M.). Diese war festgehalten worden in den Vorschriften von 1868 über die Jagd der Pelzrobbe an den Küsten von Alaska oder »in the waters thereof«. Rufsland, das seine Seehunds-Inseln an der asiatischen Küste, die weniger Beute und minder wertvolle liefern, stets gegen fremde Jäger streng geschützt hat1), erklärte, dafs es keine anderen Rechte abgetreten habe, als ihm selbst nach dem Völkerrecht gehört hätten, und bezeichnete den Anspruch der V. St. auf das Beringsmeer als unbegründet. Für die Geschichte der Weifsen in den V. St. ist die Thatsache von der gröfsten Bedeutung, dafs sie mit dem schärferen, von den Römern her ausgebildeten Grenzbegriff den viel breiteren und unsicheren VorstelDie Indianergrenzen und inneren Grenzen.
1) Die Kommandeurs-Inseln sind Station für zwei Kriegsschiffe.
Indianergrenzen.
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lungen der Indianerstämme von den Grenzen gegenübertraten. Die Grenzöden und -wildnisse, welche die Stämme von einander trennten 1 ), erleichterten den Weifsen die Festsetzung auf scheinbar herrenlosem Boden und die Einschiebung zwischen die Stämme. Sie nahmen die Unbequemlichkeit in den Kauf, unsichere Ansprüche auf Gebiete von zweifelhafter Ausdehnung zu erwerben — man behauptet, die V. St. hätten das Gebiet des Staates Illinois in 14 Indianerverträgen doppelt und dreifach gekauft — waren aber sicher, dafs Völker, die über die Grenzen ihrer Gebiete nicht im klaren waren, auch nicht den festen Halt am Boden besitzen konnten, den festbestimmte Grenzen gewähren. Die Wesenlosigkeit der Grenzbegriffe der Indianer spricht sich auch darin aus, dafs wir in den Grenzen der Staaten, welche die Weifsen auf altem Indianerboden begründeten, so selten die Reste alter Stammesgrenzen finden. Wo heute im Champlainsee die Grenze zwischen New York und Vermont zieht, sonderten sich einst auch die Irokesen und Huronen, und Vermont entstand in der Grenzwildnis zwischen Neuengland und Neufrankreich, über deren Besitz später New York und New Hampshire sich stritten, während der Staat sich selbständig bildete. Es läuft also hier eine alte geschichtliche Linie zwischen neueren Gebilden hin. Auch einige Strecken der Grenzen zwischen Wisconsin und Minnesota liegen in Gebieten, die einst Winnebago und Monomoni schieden. Aber dafs eine so wichtige Naturgrenze, wie der Arkansas bei der Bildung des gleichnamigen Gebietes zu gunsten geometrischer Parallelgrenzen aufgegeben wurde, bezeichnet die Regel. Natürlich hat die dadurch entstandene Zerfällung der Stämme in mehrere Bruchstücke ihren Einflufs auf die Geschicke der Stämme geübt. Die Teilung der Apaches zwischen den V. St. und Mexiko und dort wieder zwischen Texas, Neu-Mexiko und Arizona hat diesem räuberischen Stamm die Möglichkeit gegeben, sich mancher gerechten Strafe zu entziehen, sie hat aber auch seinen Zusam1) Diese Einrichtung ist von Lewis M o r g a n u. A., besonders auch von E n g e l s .zu rasch verallgemeinert worden. Einige Nachweise habe ich jn »Die allgemeinen geographischen Grenzen und die politische Grenze« in den Mitth. der K. S. Gesellschaft der Wissenschaften (1892) gegeben.
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Innere Grenzen.
menhang gelockert und wird seinen Untergang beschleunigen. Die tiefgehende Verschiedenheit in der Auffassung der Grenzen hat nicht blofs im Anfang des Zusammentreffens der beiden Rassen schädliche Folgen für den schwächeren Teil gehabt, sie bildet bis heute eine Ursache der Mifsverständnisse und Streitigkeiten, die immer von neuem nur diesem zum Nachteil ausschlagen. Einer der häufigsten Anlässe der Indianerkriege ist die Unzufriedenheit mit den Grenzen, die in einer für die Indianer unverständlichen Weise gezogen, und daher von diesen bei jeder Gelegenheit wie Ketten gebrochen werden. Die ungesetzliche Überschreitung der viereckigen Reservationsgrenze beginnt den Indianerkrieg, die zwangsweise Zurückführung der in den Treffen mit Truppen der V. St. nicht Umgekommenen und nicht