Die transparente Verwaltung: Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen [1 ed.] 9783428511013, 9783428111015

Die Öffentlichkeit der Verwaltung in Deutschland ist im Wandel begriffen: An die Stelle des »Prinzips der beschränkten A

123 51 18MB

German Pages 203 Year 2003

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die transparente Verwaltung: Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen [1 ed.]
 9783428511013, 9783428111015

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

MICHAEL KLOEPFER (Hrsg.)

Die transparente Verwaltung

Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Friedrich Schoch

Band 6

Die transparente Verwaltung Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen

Herausgegeben von Michael Kloepfer

Duncker & Humblot . Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-3547 ISBN 3-428-11101-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Vorwort Die Öffentlichkeit der Verwaltung in Deutschland ist im Wandel begriffen: An die Stelle des "Prinzips der beschränkten Aktenöffentlichkeit" , nach dem ein Zugang zu öffentlichen Informationen nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährleistet wird, tritt immer mehr der Grundsatz allgemeiner Informationszugangsfreiheit. So ist zur Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie der EG in der Bundesrepublik Deutschland das Umweltinformationsgesetz in Kraft getreten; Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und jüngst auch Nordrhein-Westfalen haben allgemeine Zugangsrechte zu öffentlichen Informationen gesetzlich verankert; der Bundestag hat ein Verbraucherinformationsgesetz beschlossen, das Bundesinnenministerium den Entwurf eines allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzes vorgestellt. In der Rechtswissenschaft ist diese politische Entwicklung vorbereitet und begleitet worden. Unter anderem ist auf Empfehlung des Deutschen Juristentages von 1998 und mit Unterstützung der Fritz Thyssen-Stiftung und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe gebildet worden, die mit der Erarbeitung eines Informationsgesetzbuchs (1GB) befasst ist. In diesem 1GB sollen sämtliche informationsrechtlich relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften zusammengefasst werden. Ein erster Teil dieses 1GB, der sich mit dem freien Zugang zu Informationen in der öffentlichen Verwaltung befasst, ist bereits veröffentlicht worden. I Um einen Zwischenstand dieser Entwicklung der Verwaltungsöffentlichkeit in Deutschland festzuhalten, hat das Forschungszentrum Technikrecht am 5. Juli 2002 in der Humboldt-Universität zu Berlin eine wissenschaftliche Tagung veranstaltet, auf der die unterschiedlichen Konzeptionen, vor allem aber auch die verschiedenen Funktionen der Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen beleuchtet wurden. Ziel der Tagung war es, die ersten praktischen Erfahrungen der neuen Gesetze sowie die unterschiedlichen theoretischen Regelungsmodelle für weitere Informationsfreiheitsgesetze, insbesondere für ein allgemeines Bundesinformationsfreiheitsgesetz, nutzbar zu machen. Die Verknüpfung politischer Zielvorstellungen mit juristischen Fragestellungen kam insbesondere in der Auswahl der Referenten zum Ausdruck. Aus der Sicht der politischen Entscheidungsträger referierten Frau Künast, Bundesministerin für VerI Friedrich Schach/Michael Kloepfer, unter Mitwirkung von Hansjürgen Garstka, Infonnationsfreiheitsgesetz (IFG-ProfE). Entwurf eines Infonnationsfreiheitsgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Beiträge zum Infonnationsrecht; BIR I). Berlin 2002. Vgl. den Text des Gesetzesentwurfs im Anhang.

Vorwort

6

braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Herr Schapper, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, und Frau Birthler, Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Über praktische Probleme informierten insbesondere Herr Dr. Redelfs, Greenpeace Deutschland, sowie Herr Rohde-Liebenau, Transparancy International. Die rechts wissenschaftlichen Aspekte grundsätzlicher Art beleuchteten insbesondere die Beiträge von Herm Prof Dr. Schoch, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, und von mir, sowie in rechtsvergleichender Hinsicht die Beiträge von Herm Prof Dr. Garstka, Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, und Herrn Prof Dr. Duschanek, Wirtschaftsuniversität Wien. Bei der Dokumentation der Beiträge in diesem Tagungsband wurde der Vortragsstil zum Teil beibehalten. Bei der Gestaltung, Organisation und Durchführung der Tagung hat mein Habilitand, Herr Dr. Matthias Rossi, wertvolle Hilfe geleistet. Unterstützt wurde er von meinem studentischen Mitarbeiter, Herrn Philipp Fischer, der auch das Manuskript dieses Tagungsbandes umsichtig betreut und sorgfältig für die Drucklegung vorbereitet hat. Beiden danke ich sehr herzlich. Der Fritz Thyssen Stiftung, dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und dem Verlag Duncker & Humblot gebührt besonderer Dank für die großzügige Unterstützung der Tagung. Berlin, im September 2002

Michael Kloepfer

Inhaltsverzeichnis Michael Kloepfer Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

9

Renate Künast Verbraucherschutz durch Informationszugang - Das Verbraucherinformationsgesetz

33

Claus Henning Schapper Bundes-Inforrnationsfreiheitsgesetz - Die öffentliche Verwaltung in der Bürgergesellschaft ...................................................................................

39

Friedrich Schoch Der Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes . ... .. ... . ... .. ... .. ... . ..

49

Hansjürgen Garstka Internationale Entwicklungen des Informationszugangsrechts ... . ... . .... . . . ... . . . . . . .

67

Alfred Duschanek Der Zugang zu Verwaltungsinformationen in Österreich

73

Manfred Redelfs Umweltschutz durch Informationszugang: Erfahrungen mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG) .. . ... .. .. . .. . . . ....... . . .. .. .. .. ... . . .. . . . . . . . .. . . . . ... ... . ... .. ... . . . . .. ..

85

Björn Rohde-Liebenau Korruptionsprävention durch Informationszugang . . .... . ... . .... . . . ...... ... .... . ..... 109 Marianne Birthler Vergangenheitsbewältigung durch Informationszugang ..... . ..... . ... . . . . . . . . . . . . . . . .. 123 Autorenverzeichnis .... .. .. . ... . ..... . ..... . .. . . . .. . .. . . . ... .. ... .. .. .. ... .. ... . ... ..... ... 133

8

Inhaltsverzeichnis Anhang

Anhang I: Geltendes Recht

137

Umweltinformationsgesetz (UIG) Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz - IFG) Brandenburger Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW) Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schieswig-Hoistein (Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schieswig-Hoistein - IFG-SH) Berliner Pressegesetz - Auszug Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik - Auszug - (Stasi-Unterlagen-Gesetz - StUG) 0000000000000000000000000000000000000000000000000000

0000000000000000000000000000000000000000000000000000

0

0

0

0

0

0

0000

0000000000000000

000000000000000000

0000000000000000000000000

000000000000000

0

..

0

....

0

0

........

0

............

0

....

0

................

0..

0000000000000000

Anhang II: Regelungsentwürfe

138 142 150 155 160 165 166 174

Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG-ProfE) Referentenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG-RefE) Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes (VerbIG)

000000000

00000000000000000000000000000000

Anhang III: Europarecht

175 182 186 190

Artikel 255 EG (ex-ArtoI91 a) 191 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlich192 keit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission Artikel 42 Grundrechte-Charta 202 0

0

0

000

0

0

0

0

0000

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

000

0

0

0

0

000

0

0

0

000

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft Von Michael Kloepfer I. Einführung.............................................................. . ........ .. ... I. Zur Entwicklung der Informationstechnologie und -wirtschaft. . . . . . . . . . . . . .. . .. . 2. Zum Begriff der Informationsgesellschaft ........................................ 3. Zwischen freiem Informationsfluss und Informationsrestriktionen ............... 4. Öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft .......................... a) Allgemeines...... ... ........ ... ... .... ....... .... ....... .. ................ .. .. b) Fragestellungen .. .. ................. . ........ .. ............... ... ........ .. ... 11. Modeme Kommunikationstechnologien in der Verwaltung. ... ..... ... .. .. .. ... . .. .. I. Beweggründe ... ...... ... ......... . ..... ... ....... ... ....... . .................. ... . 2. Veränderungsfolgen .......... . .......... .. ....... .. .. . ..... .. ...... .. .. . .... ... ... 3. Informationstechnik und Verwaltungstransparenz .. . .... . . ... ........... . . . ... . . . III. Informationsbeziehungen zwischen Bürgern und Staat ............... . ...... . ....... I. Staatliches Informationshandeln .................................... . . .. .... .. .... 2. System informationeller Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Informationszugangsrecht ................................................. . ..... ... .. I. Allgemeines... . ........ . ..... ... .... . ... ... .................. .. . . ......... .. . . .... 2. Funktionen von Informationszugangsansprüchen . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . a) Wahrung von Rechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzung von Sachinteressen ................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Demokratieverwirklichung .. .......... .. ................................ . .. . .. d) Verwaltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonstige Funktionen .... . .... . ............ . ....... ... .. ..... . . . . . . .... . ..... . . 3. Wirtschaftlicher Wert staatlicher Informationen. ... . . ............. . ... . .... . . .. .. 4. Internationale und europäische Entwicklungen .. . . . .... . ......................... 5. Rechtslage in Deutschland .. . .. . . . ........ . .. . ........ . ..... . .... ... . . .. . . .. ...... a) Bundesrecht ............... .... . . .... . .. . .... .. ...... . . . ............ . ....... . .. b) Landesrecht ...................... .. ..................... .. .... .. ... .. ..... .. .. 6. Folgen für die VerwaItungspraxis . . . ............................... . .............. 7. Rechtspolitisches Zwischenergebnis.............................................. 8. Begrenzungen der Informationszugangsfreiheit ... . ...... .... .... . ......... . ..... a) Keine völlig "gläserne Verwaltung" .. .. . . .... . ........ . .. . ..... ...... .. . . . .... b) Gebührenpflicht ............................... .. .............................. 9. Flankierende Maßnahmen für die Informationszugangsfreiheit ... ... . . .......... a) Informations"ansprüche" gegen den Staat ... .. .................... .. ..... ... . b) Informationsansprüche zwischen Privaten... .. ....... . ............ . .... . .. . .. V. Zusammenfassende Thesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

\0 10 10 12 13 13 I3 14 14 15 16 16 16 17 18 18 18 18 19 19 19 20 20 22 23 23 25 26 27 27 27 28 29 29 29 30

10

Michael Kloepfer

I. Einführung 1. Zur Entwicklung der 1nformationstechnologie und -wirtschaft In rasantem Tempo entwickelt sich die modeme Informationstechnologie und eröffnet damit nicht nur neue Wege, Informationen zu speichern, zu verarbeiten und zu übertragen, sondern schafft durch digitale Technik auch Datenkapazitäten in ungleich größerem Ausmaß als in der Vergangenheit 1. Darüber hinaus vollzieht sich eine ebenso dichte wie ausgreifende Vernetzung, die an Staatengrenzen kein Halt macht und folglich zur These der staatlichen Ohnmacht gegenüber dem globalen Informationsgeschehen geführt hat. Als Folge der neuen Nutzungsmöglichkeiten von Kabel, terrestrischen und satellitengestützten Frequenzen, des Internets, neuer multimedialer Dienste sowie durch die zunehmende Medienkonvergenz zeichnet sich ein grundlegender Wandel des Informationsgeschehens in Staat und Gesellschaft ab. Der gegenwärtige Stand der tatsächlichen Entwicklung ergibt sich etwa aus dem jüngsten Bericht der Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie (BMWI) sowie für Bildung und Forschung (BMBF) vom März 2002. Demzufolge hat sich die IuK-Technologiebranche zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig Deutschlands mit über 800.000 Beschäftigten entwickelt; trotz der tiefen Krise der new economy prognostiziert der Bericht weiteres Wachstum dieses Wirtschaftszweigs und attestiert der deutschen IuK-Technologie sogar eine Spitzenposition in Europa 2 • Dabei spielt auch die wachsende Erkenntnis eine wesentliche Rolle, dass staatliche Informationen eine wertvolle wirtschaftliche Ressource sind. Hinzu treten die Erhebungsergebnisse beider Ministerien innerhalb der letzten vier Jahre: Die Zahl der Internetnutzer stieg seit 1998 von 14 Millionen auf über 30 Millionen an, die Zahl der Handynutzer überbot bereits Anfang 2001 die Anzahl der Festnetzanschlüsse und in den ersten Monaten dieses Jahres stieg sie auf über 56 Millionen an. 2. Zum Begriff der Informationsgesellschaft Der grundlegende Wandel des Informationsgeschehens ist in den letzten Jahren nicht nur umgangssprachlich, sondern auch von Verwaltung 3 und Wissenschaft 4 Kloepfer, Informationsrecht, München 2002, § 1 Rn. 4 ff. Informationsgesellschaft Deutschland, Fortschrittsbericht zum Aktionsprogramm der Bundesregierung, Berlin 2002, S.5, abrufbar unter wwwforum-informationsgesellschaft.de. 3 Informationsgesellschaft Deutschland, Fortschrittsbericht zum Aktionsprogramm der Bundesregierung, März 2002, abrufbar unter wwwforum-informationsgesellschaft.de; Bericht der Bundesregierung "Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft", BTDrucks. 13/4000 v. 7.3.1996; Grünbuch der EG-Kommission zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, KOM (97) 623, 3.12.1997, S. 10; Weißbuch der EG-Kommission zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung - Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert, KOM (93) 700, 5.12.1993; Europa und die globale Informationsgesellschaft, I

2

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

11

verbreitet mit dem Begriff der "Informationsgesellschaft" zusammengefasst worden. Dabei f.iHt von vornherein die problematische Unbestimmtheit des Begriffs ins Auge. Sie scheint freilich Voraussetzung seiner Integrationsfähigkeit zu sein. Zu Recht haben zahlreiche Autoren den Gehalt dieses Begriffs thematisiert s. Als Nachfolger einer Reihe von Schlagwörtern, mit denen der zunächst rein technologisch, dann technologisch-ökonomisch begriffene Wandel sprachlich eingefangen wurde ("Multimedia-Gesellschaft", "Kommunikations- und Wissens gesellschaft" , "Cyberspace", "Digitalisierung", "Vernetzung" u. a. 6), steht er zunächst im Verdacht mangelnder Trennschärfe und Aussagekraft1. Es zeigt sich jedoch, dass er zumindest insoweit "wissenschaftlich tragfähiger"S ist, als sich mit ihm verbunden eine Diskussion in Gang gesetzt hat, die den Wandel nicht nur beschreibt, sondern auch Abgrenzungskriterien entwickelt hat, um ihn fassbar zu machen 9• Dabei seien hier drei wesentliche Deutungsmöglichkeiten genannt: - Überwiegend deuten Wissenschaftler den Strukturwandel - erstens - dahingehend, dass die Informationsgesellschaft die Industriegesellschaft ablöse 10. Ein Ansatz bezeichnet die Informationsgesellschaft als eine Informationswirtschaftli, welche die auf die Industriegesellschaft folgende Entwicklungsstufe darstellt. Indikatoren, durch welche sich die Informationsgesellschaft identifizieren lässt, sind die Wertschöpfungskette durch Informationstätigkeiten sowie die Anzahl der Beschäftigten in diesem Sektor. - Nach einer anderen Auffassung ist - zweitens - die Informationsgesellschaft der Charakter der nachindustriellen Gesellschaft in der Art, dass sich die bisherigen Strukturen von einer massenhaften Produktion und Verteilung von Gütern sowie der Entfaltung von Transport und Verkehr hin zu einer DienstleistungsgesellEmpfehlungen der Bangemann-Gruppe an den Europäischen Rat, 26.5.1994, abrutbar unter www.midicijorg. 4 Umfassende Diskussion des Begriffs bei Vesting, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, Baden-Baden 2000, S. 107 ff.; Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Hrsg.), Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, Baden-Baden 1996, S. 14f.; Schoch, Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, VVDStRL 57 (1998), S. 158 ff.; Trute, Rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, VVDStRL 57 (1998), S. 216 ff. 5 Schulte, Hoffmann-Riem, Vesting, alle in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn.4); sowie Nachweise bei Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S.14f. 6 Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S.14f. 7 Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S. 14, 16; Hoffmann-Riem, in: ders. (Fn.4), S.lO. S Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S. 16. 9 Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S. 19ff. \0 Bericht der Bundesregierung "Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft", BT-Drucks. 13/4000 v. 7.3.1996; Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S.14, 16. 11 Nachweise bei Tauss/Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S. 16.

12

Michael Kloepfer

schaft wandeln, in deren Zentrum es stehe, Infonnationen zu gewinnen, zu verarbeiten und zu verteilen 12. Die These von der infonnatisierten Industriegesellschaft verneint - drittens - die Vorstellung von einer Ablösung der Industriegesellschaft; stattdessen wird die Infonnatisierung der Gesellschaft als Fortführung der bestehenden Strukturen gedacht, in denen die herkömmlichen Produktions faktoren trotz einer zunehmenden Infonnatisierung nicht entbehrlich werden, man denke etwa an den Energiebedarf der modemen Infonnationstechnik. Die erörterten drei Erklärungslinien zu der "Infonnationsgesellschaft" setzen sich allerdings der Kritik aus, den Fokus zu einseitig auf die technologischen und ökonomischen Detenninanten der Entwicklung zur Infonnationsgesellschaft zu richten. Erst jüngere Berichte haben auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der sich stetig revolutionierenden Kommunikationstechnik in den Blick genommen und ihre Auswirkungen auf unterschiedlichste Lebensbereiche untersucht 13: namentlich das Arbeitsleben, die private Kommunikation, Recherchen in Wissenschaft und Forschung, Kommunikation mit staatlichen Stellen, insbesondere die Inanspruchnahme von Verwaltungsdienstleistungen, um nur einige zu nennen.

In der Tat sollte die Infonnationsgesellschaft nicht nur von der infonnationstechnischen Seite erfasst werden. Sie ist mehr als die traditionelle bürgerliche Gesellschaft, die man mit pes und Handies ausgestattet hat. Gewiss ist der Einzug der modemen Infonnationstechnologien prägende Voraussetzung für die Infonnationsgesellschaft. Ihre entscheidende Kontur gewinnt sie aber durch die grundSätzliche Einstellung der Gesellschaft zur Infonnation, d. h. dem wachsenden Bedürfnis nach Infonnationen und nach Infonniertheit. Die Ausprägung neuer Wertvorstellungen zu infonnationellen Vorgängen ist für den Juristen schon deshalb besonders interessant, weil diese neuen Wertvorstellungen das Fundament für neues Infonnationsrecht bilden. 3. Zwischen/reiern ln/orrnationsfluss und ln/orrnationsrestriktionen Dabei scheint diese Gesellschaft hin und her gerissen zwischen Infonnationseuphorie und Infonnationsphobie. So ist sowohl Infonnationslust (etwa im Internet) wie auch Infonnationsangst (Datenschutz) vorhanden. Dem entspricht, dass die Infonnationsgesellschaft zwischen den Polen des freien Flusses der Infonnationen ei12 Vesting, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 102; auch dargestellt bei Tauss/ Kollbeck/Mönikes, in: dies. (Fn.4), S. 21 f. 13 Grünbuch der EG-Kommission zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, KOM (97) 623, S. 10; Weißbuch der EG-Kommission zu Wachstum, Wettbewerbsfahigkeit, Beschäftigung - Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert, KOM (93) 700; Europa und die globale Informationsgesellschaft, Empfehlungen der Bangemann-Gruppe an den Europäischen Rat, abrufbar unter www.midiciforg.

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

13

nerseits und den schützenden Infonnationsrestriktionen andererseits (Daten- und Geheimnisschutz) steht. Dabei entstehen Spannungen zwischen den Infonnationsrestriktionen und dem freien Infonnationsfluss, die eine wechselseitige Begrenzung erfordern. Zwischen beiden gibt es allerdings auch Funktionsverschränkungen, wie das traditionelle Berufsgeheimnis zeigt: Die Geheimhaltung als Infonnationsrestriktion kann Voraussetzung der freien Infonnation (etwa zwischen Patient und Arzt, Mandant und Anwalt) sein.

4. Öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft a) Allgemeines Die Verwaltung der Infonnationsgesellschaft kann auch als Infonnationssystem begriffen werden. Dieses erbringt der Gesellschaft ihre Dienste und ist in diese eingebunden. Die Verwaltung steht folglich auch im Spannungsfeld zwischen freiem Infonnationsfluss und Informationsrestriktionen. Dabei ist erkennbar, dass jedenfalls derzeit vom Prinzip des freien Infonnationsflusses weitaus größere Innovationsimpulse für das deutsche Recht ausgehen als von den Infonnationsrestriktionen. Das Prinzip des freien Infonnationsflusses stößt nämlich in Deutschland auf eine gegenläufige Verwaltungs tradition, die - anders als z. B. in den USA oder in Skandinavien - auf dem Prinzip des Verwaltungs- und Aktengeheimnisses beruht. Die Linderung bzw. Überwindung dieses Prinzips kann in Deutschland erhebliche rechtliche und politische Veränderungen auslösen. b) Fragestellungen Der Wandel der öffentlichen Verwaltung in der Infonnationsgesellschaft hat insbesondere drei wichtige Aspekte:

- Erstens gibt es derzeit vielfältige politische Impulse, die Verwaltungskommunikation Schritt für Schritt auf die neuen Technologien umzustellen; so soll auch nach dem Bericht der Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie (BMWI) sowie für Bildung und Forschung (BMBF) die weitere Verbreitung der modernen Technologien nicht nur in Privathaushalten und Unternehmen, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung ausdrücklich "Schlüsselaufgabe" der Bundesregierung in den kommenden Jahren sein (unten H.). Es geht dabei letztlich um die schwierige und kostspielige Integration der Entwicklungen der modernen Infonnationstechnologien in die öffentliche Verwaltung. - Zweitens verändert sich das Verhältnis zwischen Staat und Bürger in der Infonnationsgesellschaft dahingehend, dass zunehmend Infonnationsansprüche des Einzelnen gegenüber öffentlichen Stellen anerkannt werden, z. B. das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht, Recht auf Unterrichtung, Recht auf Begründung, Recht auf Gehör (unten 1II.).

14

Michael Kloepfer

- Drittens erlangt der politische und wirtschaftliche Wert staatlicher Informationen zunehmende Beachtung und ebnet den Weg für Forderungen nach einem voraussetzungslosen Jedermannsrecht auf Zugang zu staatlichen Informationen (unten IV.).

11. Moderne Kommunikationstechnologien in der Verwaltung Die innerstaatliche Diskussion um die Modernisierung der Verwaltung ist entscheidend von der Motivation getragen, Verwaltung und Justiz informationstechnisch zu modernisieren. Allein im Rahmen des Regierungsprojekts "BundOnline 2005" sollen bis 2005 alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesbehörden online bereitgestellt werden; derzeit sind 95 Dienstleistungen im Netz l4 •

1. Beweggründe Dies wird von der Motivation getragen, mehr Effizienz und Bürgernähe der behördlichen Arbeit zu erreichen, zum anderen den Verwaltungsapparat und die Justiz zu "verschlanken" und auf diese Weise die Ausgaben für Personal und Sachmittel zu reduzieren 15. Otto Schily, der derzeitige Bundesinnenminister, hat dies auf die prägnante Formel gebracht, modeme Verwaltung solle mehr leisten, aber weniger kosten 16. Recht unverblümt drückt diesen Gedanken das Bayerische Innenministerium auf seiner Internetseite aus l7 : Vom Einsatz moderner Technologien in der öffentlichen Verwaltung erwarte man Rationalisierungseffekte vor allem bei den Personalkosten, insgesamt seien bis zum Jahr 2007 12.000 BehördensteIlen abzubauen. Darüber hinaus soll die modernisierte Verwaltung auch ein Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes sein, indem Unternehmen die staatlichen Dienstleistungen schneller und kostengünstiger in Anspruch nehmen können 18.

14 Schily, Manuskript seiner Rede "Moderne Verwaltung in der Informationsgesellschaft - mehr leisten und weniger kosten" anlässlich der Behördenleitertagung am 26.6.2002 in Berlin, S. 18 f., abrufbar unter www.staat.modern.de. 15 Behördenspiegel, Juni 2002, S. 37 titelte: "Größtes Entlassungsprogramm aller Zeiten?". 16 Schily (Fn. 14), S. 7; Tagesspiegel vom 27.6.2002; sowie Bilanz 2002 der Bundesregierung "Moderner Staat - Modeme Verwaltung". 17 www.bayern.de/Politik/Initiativen/Verwaltung. 18 Schily (Fn. 14), S. 22; dazu Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, Baden-Baden 2000, S. 92 f.

Die öffentliche Verwaltung in der Infonnationsgesellschaft

15

2. Veränderungs/olgen Es ist nicht zu übersehen, dass über Einsparungen im Haushalt hinaus der Einsatz moderner Kommunikationstechnologien in der Verwaltung das Verwaltungshandeln sowie die Verwaltungsorganisation nachhaltig verändern wird 19; Entscheidungen, welche die Verwaltung massenweise erlässt - z. B. in der Steuerverwaltung oder der Rentenverwaltung, aber auch im Bußgeld wesen - ergehen zunehmend in Fonn der automatisierten Entscheidung 20 • Hierbei ersetzt zwar ein computergestütztes Programm die Einzelfallentscheidung des Sachbearbeiters - Subsumtion des Sachverhalts und Setzen der Rechtsfolge -, den Bescheid selbst aber erhält der Betroffene noch in Papierfonn. Das Verwaltungs verfahrens gesetz, die Abgabenordnung sowie das Sozial gesetzbuch haben in verschiedenen Vorschriften den Erlass von automatisierten Massenverwaltungsentscheidungen erleichtert21 • Darüber hinaus sind Verfahren automatisierter und pauschalierter Datenübennittlung sowie Datenabgleichsverfahren etwa im Gesundheits-, Sozial-, Polizei- und Wirtschaftsverwaltungsrecht zu nennen 22. Das größte Änderungspotential wird aber den durch Infonnationstechnik gestützten Online-Interaktionen vorausgesagt, auch unter den Stichworten electronic administration oder electronic government (als Gegenbegriff zum e-business) bekanne 3 , bei denen jegliche Papierfonn entfällt und die eine dialogische Interaktion 24 zwischen Bürger und Verwaltung ennöglichen. Deutschland gehört dabei bereits zu den ersten zehn Ländern der Weles. Die Bundes- und Landesverwaltungsbehörden nutzen die Online-Kommunikation sowohl als Möglichkeit der PR- und Pressearbeit, der Infonnation der Bürger sowie zum Angebot von elektronischen Dienstleistungen. Mittlerweile können bei einzelnen Behörden Anträge, Einwendungen oder Einsicht in elektronische Register (z. B. Grundbücher, Handelsregister), seit neuestern auch Vergabeverfahren 26 im Wege der Online-Transaktion vonstatten gehen 27. Fonnularserver, Bezahlsysteme, Beschaffungsplattfonnen oder Verschlüsselungs19 Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Fn.4), S.30ff.; Schulte, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 335 f. 20 Nachweise bei Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 22. 21 §§ 28 II Nr.4, 37 IV, 39 II Nr.3 VwVfG; § 91 11 Nr.4 AO; §§ 33 IV, 35 II Nr. 3 SGB X. 22 Z. B. § 5 der Verordnung zur Durchführung des § 117 I und II des Bundessozialhilfegesetzes v. 21.1.1998, BGBI.I 1998, S. 103; § 79 SGB X; §§ 10, 11 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolitischen Angelegenheiten v. 7.7.1997, BGBI. 1997 I, S.1650, 1654. 23 Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 23; vergleiche hierzu auch Bilanz 2002 der Bundesregierung "Moderner Staat - Moderne Verwaltung", S. 48 ff. 24 Roßnagel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 303. 25 Schily (Fn.14), S.19; FAZ vom 27.6.2002, S.4 berichtet von einer entsprechenden Einlassung Otto Schilys. 26 Vgl. Berichte zu e-Vergabe.de im Berliner Behördenspiegel, Juni 2002, S.16, 19. 27 Schulte, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 336.

16

Michael Kloepfer

techniken werden bei der Bundesverwaltung derzeit zentral aufgebautz 8 • Vergleichbare Entwicklungen prägen die Landesverwaltungen. Allerdings werden die notwendigen Veränderungen noch einige Zeit brauchen: Gegenwärtig führen bereits die Steuerverwaltung, das Meldewesen und die Personalverwaltung des öffentlichen Dienstes ihre Akten in elektronischer Form 29 • 3. Informationstechnik und Verwaltungstransparenz Die Einführung moderner Informationstechnik allein bietet noch keine Gewähr für mehr Verwaltungstransparenz. Sie erleichtert nur Verwaltungstransparenz, z. B. durch vereinfachte Zugriffsmöglichkeiten auf Daten. Transparenz wird aber rechtlich nur durchsetzbar durch Ansprüche auf Informationszugang. Dabei geht das Verlangen nach Verwaltungstransparenz weit über Forderungen nach informationstechnischer "Aufrüstung" der Verwaltung hinaus. Auf die sonstigen Instrumente zur Gewährleistung von Öffentlichkeit der Verwaltung sei an dieser Stelle nur hingewiesen. Es handelt sich etwa um Gebote der Öffentlichkeit behördlicher Verhandlungen und Entscheidungsstrukturen, der Partizipation in Verwaltungsverfahren und der Publizität öffentlichen Handeins (z. B. öffentliche Verkündung von Verwaltungsentscheidungen). Verwaltungstransparenz kann im übrigen nicht zuletzt auch durch die Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung erreicht werden. Deshalb gewinnt in der Informationsgesellschaft auch die Medienkompetenz und -präsenz der Verwaltung zunehmendes Gewicht. Aus diesem Grund gibt es bei vielen Behörden heute besondere Stellen für die eigene Öffentlichkeits- und Pressearbeit. III. Informationsbeziehungen zwischen Bürgern und Staat 1. Staatliches Informationshandeln Der Umgang mit Informationen und ihr Einsatz gehören zu den traditionellen Erscheinungsformen von Staatlichkeit 30 • In der Informationsgesellschaft gewinnt staatliches Informationsverhalten zusätzlich an Umfang, Vielgestaltigkeit und technischer Raffinesse, aber auch an gedanklichen Bezugspunkten und an Fundierung im kommunikativen Gesamtgeschehen der Gesellschaft. Staatliches Informationshandeln umfasst die Informationserhebung, -generierung und -aufbewahrung, die Weitergabe von Informationen, Aufklärung, Unterrichtung und Beratung des Einzelnen sowie Warnungen, Empfehlungen und Hinweise 31 • Zu unterscheiden sind 28 29

30

31

Schily (Fn. 14), S. 22. Nachweise bei Hoffmann-Riem, in: ders.!Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 22. Zum staatlichen Infonnationshandeln: Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 78 ff. Kloepfer (Fn. 1), § 5 Rn. 25 ff.

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

17

hierbei öffentlichkeits bezogenes, staatsbezogenes und individualbezogenes Informationshandeln des Staates 32 • Die öffentlichkeitsbezogene Informationstätigkeit des Staates umfasst etwa periodische Berichterstattungspflichten. Die staatliche Berichterstattung ist eine wesentliche Grundlage für die politische Willensbildung, dient aber auch der Kontrolle staatlichen Handeins. Beispiele für Berichterstattungsptlichten sind die alle vier Jahre erscheinenden Umweltberichte nach § 11 UIG, die Statistikberichte nach § 5 Abs.3 BStatG oder die Tätigkeitsberichte der Datenschutzbeauftragten des Bundes (§ 26 Abs. 1 BDSG) und der Länder 33 • Warnungen, Empfehlungen und Hinweise dagegen erfüllen maßgeblich auch Lenkungsfunktion gegenüber dem Bürger. Je nach dem Grad der Willensbeeinflussung und der Grundrechtseinwirkung erscheint hier eine Verrechtlichung erforderlich, mindestens aber wünschenswert, besonders im Hinblick auf Warnungen, die als stärkste Beeinflussung jedenfalls Eingriffscharakter haben 34 • Zur individual bezogenen Informationstätigkeit rechnen die behördlichen Auskünfte sowie die Beratung des Bürgers bei der Abgabe von Erklärungen oder bei der AntragsteIlung. Auskunftsansprüche einerseits und Beratungsrechte andererseits sind unter anderem normiert insbesondere in § 25 VwVfG, aber auch in spezialgesetzlichen Regelungen, etwa in §§ 15 SGB und 89 S. 2 AO oder im Datenschutzrecht. Hierher gehören auch die bereits bestehenden Informationszugangsansprüche sowie - wenn er denn beschlossen wird - der geplante allgemeine Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IV.). Bereits bei dieser knappen Darstellung staatlichen Informationshandelns wird deutlich, dass die Informationsbeziehungen zwischen Bürgern und Staat ebenfalls differenziert gesehen werden müssen. Beim öffentlichkeitsbezogenen Informationshandeln kann es vor allem um Abwehrpositionen des Bürgers (z. B. gegen falsche Warnungen) gehen. Beim individual bezogenen Informationshandeln sind auch leistungsrechtliche Ansprüche des Bürgers erkennbar. Gerade dieses individualbezogene Informationshandeln des Staates kann auch dichte, informationsrechtliche Verwaltungsrechtsverhältnisse ausbilden.

2. System informationeller Rechte Zwischen Bürgern und Staat bestehen vielfältige Informationsbeziehungen. Sie können danach kategorisiert werden, in welchem subjektiv-rechtlichen Status der Bürger zum Staat steht und welche Rechte und Ptlichten sich daraus für ihn ableiten. In Anlehnung an die Lehre von G. Jellinek können grundsätzlich vier status der subjektiv-öffentlichen Rechte des Einzelnen im Hinblick auf Informationen unter32 33 34

Hierzu Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 78 ff. Hierzu mit weiteren Nachweisen Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 80. Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 82.

2 Kloepfer

18

Michael Kloepfer

schieden werden. Der - an sich grundrechtsfeme - status subiectionis, d. h. der grundsätzliche Gehorsamkeitsstatus (z. B. Kenntnispflicht bezüglich des geltenden Rechts), der status negativus, d. h. die klassischen Abwehrrechte (z. B. das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die Meinungs- und Informationsfreiheit), der status activus mit seinen Leistungsansprüchen (Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Petitionsfreiheit) sowie der status positivus (z. B. Recht auf Akteneinsicht und Auskunft, Informationszugangsfreiheit). IV. Informationszugangsrecht

1. Allgemeines Der allgemeine "voraussetzungslose" Zugang des Bürgers zu allen Informationen der Verwaltung, der durch die oben beschriebenen, modemen Kommunikationsformen instrumentell unterstützt werden kann, ist ein weiterer Baustein im Modernisierungsprozess der öffentlichen Verwaltung, der Transparenz und Kontrolle des Verwaltungshandelns bewirken soll. Die Informationszugangsfreiheit ist eine wesentliche Konsequenz des Prinzips des freien Informationsflusses. Die Möglichkeit, Verwaltungsakten in elektronischer Form ins Internet zu stellen, wird den Druck auf erweiterte Informationszugangsansprüche zusätzlich verstärken 35.

2. Funktionen von Injormationszugangsansprüchen a) Wahrung von Rechten Eine wesentliche Funktion von Informationsansprüchen gegenüber der Verwaltung ist zunächst die Verteidigung eines eigenen Rechts 36 • Die Funktion der Wahrung subjektiver Rechte ist seither Ausgangspunkt der verfahrensbezogenen Informationsansprüche, die Betroffene von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren unabhängig von einem allgemeinen Informationszugangsanspruch geltend machen können. Die Argumentation, Rechte könne der Einzelne tatsächlich nur soweit geltend machen, als er über den Stand des jeweiligen Verfahrens informiert sei, lässt sich auch auf die Durchsetzung anderer subjektiver Rechtspositionen übertragen: So liest man in den Begründungen zu den verschiedenen Informationsfreiheitsgesetzen auch, der "voraussetzungslose" Zugang zu behördlichen Informationen diene der Wahrnehmung von Bürgerrechten 37 und sei Voraussetzung für selbstbestimmtes Handeln 38 , das den Schutz der Freiheitsgrundrechte genießt. Roßnagel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 308. Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 52. 37 Allgemeine Begründung zum IFG-E, S. 11, abrufbar unter www.bmi.bund.de/top/ dokumente/Artikel. 38 Begründung zum Gesetzentwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes, S. 1, abrufbar unter www.bmi.bund.de/top/dokumente/Artikel. 35

36

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

19

b) Durchsetzung von Sachinteressen Von dieser Position aus ist auch der argumentative Weg nicht weit, Informationszugangsansprüchen die Funktion der Durchsetzung spezifischer Sachinteressen beizumessen. Exemplarisch hierfür ist das Umweltinformationsgesetz: Indem umweltbezogene Informationen von Jedermann eingesehen werden können, erhöht sich der Druck, Umweltstandards einzuhalten und darüber hinaus auf betrieblicher Ebene ständig zu verbessern. Den Schutz spezifischer Interessen hat sich aber auch der Entwurf zum Verbraucherinformationsgesetz zum Ziel gesetzt, indem er Informationsansprüche zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher sowie ihrer wirtschaftlichen Interessen einräumt 39• c) Demokratieverwirklichung Bei der Einführung eines allgemeinen, "voraussetzungslosen" Jedermannsrechts auf Informationszugang steht die demokratiebezogene Funktion von Verwaltungstransparenz im Vordergrund. Öffentlichkeit ist in der Tat Demokratiesicherung. Information als Voraussetzung der politischen Meinungsbildung im demokratischen Staat findet sich in den meisten Begründungen zu den Informationsfreiheitsgesetzen 40 als herausragendes Zie1 41 • Auf dem gleichen Gedanken ruht auch das Prinzip der Öffentlichkeit staatlichen Handelns 42 und auch die Forderung, zur Vermeidung manipulativer Effekte bei der Informationsvermittlung durch Massenmedien sei ein eigener Informationsanspruch des Bürgers zu schaffen 43 , wurzelt in einer solchen Überlegung. Insgesamt stärken Information und Informiertheit die Rationalität des politischen Diskurses sowie die Akzeptanz politischer Entscheidungen. Verwaltung in der Demokratie muss transparente Verwaltung sein. d) Verwaltungskontrolle Ein weiterer Begründungsstrang der Informationsfreiheitsgesetze44 fußt auf der These, der Informationszugang des Einzelnen erfülle die Funktion der Verwaltungskontrolle. Diese wird in vielerlei Hinsicht explizit gefordert, so als grundsätzliche Kontrolle der Machtausübung 45 oder als Korruptionskontrolle - beispielsweise im 39 Siehe die allgemeine Begrundung zum Gesetzentwurf, S. 11, abrufbar unter www.bmi.bund.deltopldokumenteIArtikel. 40 Begrundung zum IFG-E, S.ll f., abrufbar unterwww.bmi.bund.deltopldokumenteIArtikel. 41 Exemplarisch dafür § 1 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes. 42 Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 52; Scherer, Verwaltung und Öffentlichkeit, Baden-Baden 1978, S.27. 43 Gur/it, Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, Düsseldorf 1989, S.61. 44 § I des Berliner IFG; Begrundung zum IFG-E, S. 12, abrufbar unter www.bmi.bund.del topldokumentelArtikel. 45 Scherer (Fn. 42), S. 30.

2*

20

Michael Kloepfer

Vergaberecht -, aber auch als Überprüfung der Effizienz und der sachlichen Richtigkeit von Verwaltungsentscheidung. Infonnation und Kontrolle sind untrennbare Gefährten. Und dabei hat sich die Verwaltungskontrolle durch öffentliche Infonnationen (oder Pressemeldungen) häufig als mindestens so wirksam erwiesen wie die Kontrolle der Verwaltung durch die Rechtsprechung. e) Sonstige Funktionen

In Literatur und Rechtsprechung werden der Infonnationszugangsfreiheit zusätzliche, sonstige Funktionen beigemessen: So entschied das Bundesverwaltungsgericht, der Infonnationszugangsanspruch diene der Ennöglichung fachwissenschaftlicher Diskussion 46 , in der Literatur taucht auf die "Anerkennung vielgestaltiger und heterogener Infonnationsinteressen der Bürger, die anders nicht befriedigt werden können"47 und in der Begründung zum Verbraucherinfonnationsgesetz wird dem Infonnationsanspruch eine marktregulierende Funktion, nämlich zur Herstellung von "Markttransparenz und Steuerung des Marktes"48 sowie zum "Ausgleich einer strukturellen Infonnationsasymmetrie im Markt"49 zuerkannt. 3. Wirtschaftlicher Wert staatlicher Informationen Angesichts der immer wieder in den Vordergrund gestellten politischen Funktionen der Transparenz und Kontrolle der staatlichen Verwaltung durch ein Infonnationszugangsrecht ist zu betonen, dass dieses Recht auch zu wirtschaftlichen Zwecksetzungen ausgeübt werden kann: Die öffentliche Verwaltung gilt heute als die größte Quelle von Infonnationen 5o • Der technisch in immer größerem Ausmaß möglichen Aufbereitung und Weiterverteilung von Verwaltungsinfonnationen wird ein zunehmender Kommerzialisierungstrend vorausgesagt 51 , wie er in anderen Ländern bereits eingetreten ist, in Deutschland allerdings noch auf sich warten lässt 52 • Allein in den USA, die den Infonnationszugang zu öffentlichen Akten für Individuen, Organisationen und Wirtschafts unternehmen bereits seit 1966 kennen, kommen 80 Prozent der Anträge von Unternehmen, die sich über Mitbewerber infonnieren BVerwGE 104, 105 (109) zur Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen. Gurli! (Fn.43), S. 76. 48 Begründung zum Gesetzentwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes, S. I f, abrufbar unter www.bundesregierung.de/Anlage. 49 Begründung zum Gesetzentwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes, S. 1 f, abrufbar unter www.bundesregierung.de/Anlage. 50 Schoch/Kloepjer, Informationsfreiheitsgesetz (IFG-ProfE), Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2002, Einleitung Rn. 1 m. w. N. 51 Roßnagel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 299; Schiller, in: Leggewie/ Maar (Hrsg.), Internet & Demokratie. Von der Zuschauer- zur Beteiligungsdemokratie, Mannheim 1998, S. 134 ff. 52 So auch die Einschätzung von Schoch/Kloepfer (Fn. 50), Einleitung Rn. 1 m. w. N. 46

47

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

21

möchten 53. Bestrebungen in den USA und Kanada, wonach der Informationszugang in Zusammenarbeit mit verschiedenen Branchen weiter professionalisiert werden soll, bereiten dort den Weg für einen sich ausdehnenden Markt der Informationsdienstleistungen 54 • Den durch diese internationalen Trends ausgelösten wirtschaftlichen Wettbewerbsdruck hat die EG-Kommission aufgegriffen und treibt die informationelle Öffnung der mitgliedstaatlichen Verwaltungen voran 55. Aktuellster Vorstoß ist ihr Richtlinien-Vorschlag vom 5. Juni 2002 56, in dessen vorläufiger Fassung die Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Regime zur Verwertung öffentlicher Informationen angestrebt wird. Grundlage der Kommissionsinitiativen ist zunächst die Feststellung, dass die bei Verwaltungen verfügbaren Informationen aufgrund ihrer Menge und hohen Qualität ein großes ökonomisches Potential in sich bergen 57 • Dies zeigt sich auch daran, dass die Mehrheit der kommerziellen Informationsdienste in den Regionen angesiedelt sind, in denen die Verwaltungen über große Informationsbestände verfügen. Die Bedeutung der Ressource Information hebt die EGKommission auch mit dem Argument hervor, dass die informationsverarbeitende und informationsanbietende Wirtschaft in der EU derzeit vier Millionen Menschen beschäftigt und große Wachstumsraten erzielt 58 • Inwieweit die kommerzielle Nutzung von Verwaltungsinformationen mit mitgliedstaatlichem Verwaltungsrecht vereinbar ist, bleibt zu untersuchen. Frankreich beispielsweise hat die kommerzielle Nutzung von Verwaltungsinformationen ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen 59, auch in Deutschland widerspricht ein Kommerzialisierungstrend der Verwaltungsrechtstradition 60, die noch vom Grundsatz Theuer, NVwZ 1996, 326. Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 54. 55 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 23.10.200 I, "eEurope 2002: Schaffung europäischer Rahmenbedingungen für die Nutzung der Informationen des Öffentlichen Sektors", KOM (2001) 607; Grünbuch über Informationen des Öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft, KOM (1998) 585; Vorschlag für eine Richtlinie über die Verwertung und kommerzielle Nutzung von Dokumenten des Öffentlichen Sektors, KOM (2002) 207; Nachweise auch bei Scherzberg (Fn. 18), S. 265 f. 56 Vorschlag für eine Richtlinie über die Verwertung und kommerzielle Nutzung von Dokumenten des Öffentlichen Sektors, KOM (2002) 207. 57 Begründung zum Richtlinien-Vorschlag über die Verwertung und kommerzielle Nutzung von Dokumenten des Öffentlichen Sektors, KOM (2002) 207, S. 2; Grünbuch über Informationen des Öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft, KOM (1998) 585, Kapitell. 2. 58 Begründung zum Richtlinien-Vorschlag über die Verwertung und kommerzielle Nutzung von Dokumenten des Öffentlichen Sektors, KOM (2002) 207, S. 2; Entscheidung 88/524/EWG, ABI. Nr. L 288, S. 39; Beschluss des Rates über ein Programm zur Schaffung eines Binnenmarktes für Informationsdienste, 91/691/EWG, ABI. Nr. L 377, S. 41. 59 Grünbuch über Informationen des Öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft, KOM (1998) 585, Annex I, S.23. 60 Kritisch zu diesem Trend Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Fn. 4), S. 54; Roßnagel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn.4), S. 299. 53

54

22

Michael Kloepfer

der beschränkten Aktenöffentlichkeit ausgeht. Angestoßen von den internationalen und europäischen Entwicklungen ist immerhin der allgemeine Trend erkennbar, den Zugang zu Informationen der öffentlichen Stellen zu erleichtern und auch eine kommerzielle Nutzung dieser Informationen zu ermöglichen. Ob dabei der Markt wirklich als Allokationsinstrument für die Verteilung kommerziell genutzter Informationen taugt und welcher Rahmenbedingungen es hierbei bedarf, bleibt allerdings abzuwarten.

4. Internationale und europäische Entwicklungen In zahlreichen anderen Staaten wird die Informationszugangsfreiheit bereits seit längerem praktiziert. An dieser Stelle muss ein kursorischer Überblick 61 genügen. In den skandinavischen Ländern existieren Informationszugangsansprüche auf einfachgesetzlicher Ebene seit 1766 (Schweden), 1951 (Finnland)62, 1970 (Norwegen)63 und 1985 (Dänemark)64. Weitere Europäische Staaten wie die Niederlande (1978), Griechenland (1986), Österreich (1986), Portugal (1993), Belgien (1994)65, Island (1996)66 und die Schweiz (2002) sind diesbezüglich auch Vorreiter. Prominentes Vorbild außerhalb Europas ist der Freedom 0/ Information Act (FOIA) der USA aus dem Jahr 1966 67 , dessen Grundidee insbesondere im englischsprachigen Raum vielfach nachgeahmt wurde 68 . Die Vorreiterrolle der Europäischen Union bei der Modernisierung des Kommunikationswesens wird auch im Recht der Informationszugangsfreiheit deutlich. Insbesondere die Umweltinformationsrichtlinie 69 hat - wenn auch nur auf dem Gebiet des Umweltschutzes - den "voraussetzungslosen" Zugang des Bürgers zu staatlichen Informationen durchgesetzt. Weitere Verbesserungen dieses umweltrechtlichen Instruments sind aufgrund des Richtlinienvorschlags vom Juni 2002 70 zu er61 Siehe dazu Schoch/Kloepfer (Fn. 50), Einleitung, S. 25 ff.; sowie Kloepfer (Fn. 1), § 10. 62 Act on the Publicity of Official Documents 83/1951, 1951 - Act on the Openness of 00-

vemment Activities 621/1999, abrufbar unter www.home.online.no. 63 Offentlighetsloven 1970, abrufbar unter www.home.online.no. 64 Offentlighetsloven, LOV nr 572 af 19.12.1985, abrufbar unter www.home.online.no . 65 Nachweise bei Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 11. 66 Island (lnfonnation Act 1996 nr. 50 24. mai). 67 Public Law No. 104-231, 110 Stat. 3048, www.home.online.no; siehe auch Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 10 m. w. N. 68 Irland (Freedom of Infonnation Act 1997), England (Freedom of Infonnation Act 2000), Australien (Freedom of Infonnation Act 1982, Act No.3 of 1982 as amended), Neuseeland (The Official Infonnation Act 1982), Kanada (Access to Infonnation Act 1985), Hong Kong (Code on Access to Infonnation 1998), Nigeria (Freedom of Infonnation Bill 1999), Südafrika (Promotion of Access to Infonnation Bill 2000), Indien (Freedom of Infonnation Act 2000), abrufbar unter www.home.online.no. 69 Richtlinie 90/313/EWO des Rates v. 7.6.1990 über den freien Zugang zu Infonnationen über die Umwelt, ABt. Nr.L 158, S.56. 70 Vgt. dazu oben IV. 3. sowie dort Fn. 56.

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

23

warten. Mit der Arhus-Konvention 71 wird von internationaler Seite der Trend zur Informationszugangsfreiheit (im Umweltbereich) noch verstärkt. Da Transparenz bislang nicht gerade das hervorragende Markenzeichen Europäischer Politik und Europäischer Bürokratie war, ist der seit den neunziger Jahren erkennbare Trend zur Ermöglichung eines Zugangs der Öffentlichkeit zu den bei den EG-Institutionen vorliegenden Informationen zu begrüßen. Der Informationszugangsanspruch gegenüber den EG-Organen wurde mit der Erklärung Nr. 17 der Schlussakte 72 zum Maastricht-Vertrag erstmals gefordert und ging in die darauffolgende Kommissions-Mitteilung über den "Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Gemeinschaftsorgane befinden" 73, in den Verhaltenskodex von 1993 74 , sowie in die jeweiligen Geschäftsordnungsbeschlüsse von Kommission 75 , Rat1 6 und Präsidium 77 des Jahres 2001 ein. Im Amsterdamer Vertrag ist er inzwischen in Form des Art. 255 EGV 78 Bestandteil des Primärrechts geworden, das durch eine entsprechende Verordnung von 2001 79 konkretisiert wurde. Politische Stärkung des Gedankens der Informationszugangsfreiheit erfolgt durch Art. 42 der Grundrechts-Charta von Nizza, die aber nicht rechtsverbindlich ist.

5. Rechtslage in Deutschland a) Bundesrecht Bislang bestehen in Deutschland auf der Ebene des Bundesrechts nur in begrenztem Umfang Informationszugangsansprüche des Einzelnen. In den übrigen Fällen bleibt es im Ermessen der Exekutive, Informationen zu erteilen oder nicht. Auf verfassungsrechtlicher Ebene existiert nach ganz herrschender Meinung kein allgemeiner, "voraussetzungsloser" Informationszugangsanspruch 8o • Einige Stimmen in der Literatur leiten unterdessen Informations- und Auskunftsansprüche aus Art. 5 Abs. 1 GG ab 81 • 71 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, auszugsweise abgedruckt bei Schochl Kloepfer (Fn. 50), Anhang 11, S. 306 ff. n ABI. Nr.C 191 v. 29.7.1992, S.I01. 73 ABI. Nr.C 156/5 v. 8.6.1993. 74 Hetmeier, in: Lenz (Hrsg.), EGV, Kommentar, 2. Aufl. Basel 1999, Art. 255 Rn.2f. 75 ABI. Nr.L 345 v. 29.12.2001, S.94-98 . 76 ABI. Nr.L 313 v. 30.11.2001, S.40-43. 77 ABI. Nr.C 374 v. 29.12.2001, S.I-6. 78 Hetmeier, in: Lenz (Fn.74), Art. 255 Rn. 1 ff. 79 Verordnung Nr. 1040/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABI. NT. L 145/43, S.48 . 80 Kloepfer (Fn. I), § 10 Rn. 15; aA. Scherzberg (Fn. 18), S. 378 ff.; ders. auch zu den landesverfassungsrechtlichen Vorgaben. 81 Scherzberg (Fn. 18), S. 383.

24

Michael Kloepfer

Die politisch geforderte Einführung von umfassender Verwaltungs transparenz als Regel hat sich noch nicht durchgesetzt, bislang gilt auf bundesgesetzlicher Ebene der Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit 82 • Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte gibt es für Betroffene in Gerichtsverfahren 83 sowie innerhalb von Verwaltungsverfahren in zahlreichen Vorschriften 84; hinzu kommen etwa Auskunftsansprüche aus den §§ 19 I und 34 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), § 83 SGB X oder in raum- und umweltbedeutsamen Verfahren 85 . Verfahrensabhängige Jedermannsrechte auf Informationen existieren insbesondere im Planungsrecht86 . Sofern das Bundesrecht auch allgemeine, d. h. verfahrensunabhängige Informationszugangsansprüche 87 gegenüber den öffentlichen Stellen gewährt, sind sie auf den jeweiligen gesetzlich geregelten Sachbereich beschränkt, so z. B. § 4 I des Umweltinformationsgesetzes (UIG)88, das 1994 in Umsetzung der bereits erwähnten Umweltinformationsrichtlinie in Kraft trat, das Bundesarchivgesetz 89 , das Stasi-Unterlagengesetz 90 , die Strafprozessordnung 91 und das Bundesverfassungsgerichtsgesetz 92 . Auch der Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes 93, der erst kürzlich im Bundesrat an den Stimmen der unionsgeführten Bundesländer gescheitert ist, räumt nur für den Bereich der Verbraucherinformation Jedermannsrechte auf Auskunft ein 94 • Das Vorhaben eines Informationsfreiheitsgesetzes mit allgemeiner Informationszugangsfreiheit wurde in der 13. Wahlperiode durch einen entsprechenden Gesetzesentwurf von Bündnis 90/Die Grünen begonnen, scheiterte damals aber am Innenausschuss, der um die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung fürchtete. Die rotgrüne Koalition mit der Bundesregierung SchröderlFischer sah 1998 in ihrer Koalitionsvereinbarung die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes vor, Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 8. § 20 BVerfGG, §§ 147 III, 406e IV StPO, §§ 299,760 ZPO, § 100 I VwGO; Überblick bei Kloepfer (Fn.I), § 10 Rn. 18, 54ff. 84 Z. B. § 29 VwVfG, § 25 I I SGB X, § 49 I 1 OWiG; Überblick bei Scherzberg (Fn. 18), S. 386ff., sowie bei Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn.18, 52f. 85 §73 III VwVfG, §9 UVPG, § 10 III 3 BImSchG i.m. § 10 der 9. BlmSchVO, §7 IV 3 AtG i. m. § 6 AtVfV; Kloepfer (Fn. 1), § 10 Rn. 18, 52 ff. 86 § 73 III VwVfG; § 9 UVPG; § 10 III 3 BImSchG i. m. 9. BImSch VO; § 7 IV 3 AtG i. m. § 6 AtVfV; Nachweise bei Kloepfer (Fn. 1), § \0 Rn. 52. 87 Überblick bei Scherzberg (Fn. 18), S. 392 ff. 88 Umweltinformationsgesetz, Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates v. 7.6.1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt v. 8.7.1994, BGBI.I S. 1490, vgl. Normentext im Anhang. 89 Bundesarchivgesetz v. 6.1.1988, BGBl.I S. 62. 90 Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR v. 20.12.1991, BGBl.I S.2272, vgl. Auszug des Normentexts im Anhang. 91 §§ 474-482 StPO. 92 §§ 35a und 35b BVerfGG. 93 Abrufbar unter www.bundesregierung.de/Anlage.vgl. auch Normentext im Anhang. 94 Übersicht bei Kloepfer (Fn. I), § \0 Rn. 17. 82

83

Die öffentliche Verwaltung in der Infonnationsgesellschaft

25

was u. a. von den Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern begrüßt wurde. Das Bundesinnenministerium legte daraufhin im Jahre 2000 einen Referentenentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG-E) vor, der offensichtlich kontrovers innerhalb der Koalition diskutiert wurde 95 • Angeblich kam von Seiten von Bündnis 90/Die Grünen die Kritik, er sei zu eng gefasst. Dem Vernehmen nach sollte er aber andererseits mehreren SPD-geführten Bundesministerien zu weit gegangen sein. Bündnis 90/Die Grünen wollen ihr Vorhaben in der 15. Legislaturperiode erneut einbringen. Inzwischen liegt ein Professorenentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG-ProfE)96 vor. b) Landesrecht Das Landesrecht kennt seit längerem sektorelle, aber auch umfassende "voraussetzungslose" Informationszugangsansprüche. Daran lässt sich die innovationsfördernde Kraft des deutschen Föderalismus zeigen 97 . Sektorelle Informationsansprüche gegenüber öffentlichen Stellen kennt das Landesrecht als Statusprivileg der Presse. Das deutsche Reichspressegesetz von 1874, das nach 1949 in einigen wenigen Ländern weitergalt, gab der Presse zwar noch keinen allgemeinen Informationsanspruch 98 . Erst mit den Landespressegesetzen, die nach 1945 entstanden 99 und das bis dahin als Landesrecht weitergehende Reichspressegesetz ablösten, wurde in der jeweiligen Landesvorschrift (§ 4 LPG) 100 ein Informationsanspruch der Presse verankert, der sowohl die öffentlichen Stellen des Landes und des Bundes verpflichtete, sofern sie in dem jeweiligen Land ihren Sitz hatten. Erstaunlicherweise sind entsprechende Regelungen in den Landesrundfunk-, den Landesmediengesetzen sowie den Staatsverträgen bis auf wenige Ausnahmen 101 unterblieben. Die meisten Bundesländer haben jedoch die einschlägigen Vorschriften der Landespressegesetze für 95 Vgl. Wortlaut des Referentenentwurfs für ein Infonnationsfreiheitsgesetz (lFG-RefE) im Anhang. 96 Siehe dazu Schoch/Kloepfer (Fn. 50), vgl. Wortlaut des Professorenentwurfs für ein Infonnationsfreiheitsgesetz (lFG-ProfE) im Anhang 97 Wie z. B. im Sicherheitsrecht, aber auch im Umweltrecht (etwa im Immissionsschutzrecht), vgl. dazu Kloepfer, in: ders. (Hrsg.), Umweltföderalismus, Berlin 2002, S. 12. 98 Wenzel, in Löffler (Hrsg.), Presserecht, Kommentar, 4. Auf]. München 1997, § 4 Rn. 11. 99 Die meisten Landespressegesetze wurden in den Jahren 1948, 1949 erlassen, vgl. dazu Bullinger, in: Löffler (Fn. 98), Einleitung Rn. 80 ff. 100 Nachweis der Landesvorschriften bei Löffler (Fn. 98), §4, S. 186 ff., vgl. auch Auszug des Berliner Pressegesetzes im Anhang. 101 § 21 des Thüringer Rundfunkgesetzes v. 4.12.1996 i.d. F. v. 3.3.2000, GVBI. I S. 32; § 55 des Staatsvertrags über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks v. 29.2.1992 i. d. F. v. 13./26.2.2001, Berlin GVBI. 2001, S. 185; Brandenburg GVBI. 2001, S. 82; §6 II des Landesmediengesetzes Baden-Württemberg v. 19.7.1999 i.d. F. v. 19.12.2000, GBI. S. 753; § 24 des Hessischen Privatrundfunkgesetzes v. 25.1.1995 i. d. F. v. 31.1 0.2001, GVBl.I S.439 (nichtamtliche Fassung); § 11 Mediendienste-Staatsvertrag i. d. F. v. 7.8.2000, GBI. BW S. 753.

26

Michael Kloepfer

auf den Rundfunk anwendbar erklärt, in zwei Ländern 102 erfasst § 4 LPG den Rundfunk sogar unmittelbar. Inzwischen kennt das Recht einiger Länder über diesen sektorellen Ansatz hinaus Ansätze für ein allgemeines "voraussetzungsloses" Informationszugangsrecht gegenüber dem Staat. Vorreiter war Brandenburg, das als einziges Land die Informationszugangsfreiheit in seiner Verfassung (Art. 21 Abs. 4) verankert hat und 1998 das erste einschlägige Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet hat. Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind dem gefolgt. In anderen Bundesländern gibt es entsprechende Gesetzesvorhaben 103.

6. Folgenfür die Verwaltungspraxis Wesentliches Argument für die politischen Widerstände gegen den Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes einerseits sowie gegen die Länderinformationsfreiheitsgesetze andererseits waren und sind stets die Befürchtungen, der Informationszugangsanspruch könne missbräuchlich, vor allem aber in nicht zu bewältigendem Ausmaß geltend gemacht werden und dadurch die Verwaltung lahm legen 104. Während diese Einwände naturgemäß aus den Reihen der Verwaltung selbst kamen, brachten Wirtschaftsverbände vor, der Wirtschaftsstandort Deutschland werde geschwächt, da Unternehmen eine geschäftsschädigende Preisgabe ihrer Unternehmensdaten zu befürchten hätten. Die Berichte aus den Bundesländern, die nun schon einige Jahre mit ihren Informationsfreiheitsgesetzen leben "müssen", bestätigen diese Prognosen nicht; im Übrigen fehlen empirische Ergebnisse, die dies bestätigen 105. Im Gegenteil: Mit den bisher gesammelten Erfahrungen werden die angeführten Einwände entkräftet 106. Von den Informationszugangsrechten wird bislang eher zurückhaltend Gebrauch gemacht. Damit werden freilich nicht nur die Befürchtungen, sondern auch manche übersteigerten Hoffnungen der Befürworter von Informationszugangsrechten widerlegt. Allerdings könnte die Folge von Informationszugangsansprüchen sein, dass die Verwaltung ihre Akten in Zukunft doppelt, zumindest aber nach herauszugebender Information und nach nicht zu veröffentlichendem Material getrennt führt. Ob das 102 Harnburg und Sachsen, Nachweis der Landesvorschriften bei Löffler (Fn. 98), § 4, S.186-192, sowie die Kommentierung von Wenzel, in: Löffler (Fn. 97), §4 Rn. 13. 103 Schoch/Kloepjer (Fn. 50), Einleitung, Rn. 38. Normentexte der geltenden Informationsfreiheitsgesetze der Länder vgl. auch Anhang. 104 Blickpunkt Bundestag 1/98, S. 26; Schoch/Kloepjer (Fn. 50), Einleitung Rn. 34 und § 6 Rn.l. 105 Schoch/Kloepjer (Fn. 50), Einleitung Rn. 34 sowie dort Fn. 70 m. w. N. 106 Roßnagel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Fn. 4), S. 329; Schoch/Kloepjer (Fn.50), § 6 Rn. 4; Berliner Senat des Inneren, Auswertung Umfrage IFG 2000, S.2; Landesdatenschutzbeauftragte für Brandenburg, Tätigkeitsbericht 2000, S.146; Schubert, DuD 2001, 401.

Die öffentliche Verwaltung in der Infonnationsgesellschaft

27

den zu betreibenden Aufwand allerdings grundsätzlich oder nur einmalig erhöht, bleibt abzuwarten. In das schleswig-holsteinische Informationsfreiheitsgesetz ist mit § 15 eine diesbezügliche Regelung eingegangen. Danach wird die Verwaltung aufgefordert, jene Daten einer Akte, die nicht herausgegeben werden dürfen, von Anfang an getrennt zu speichern bzw. zu archivieren.

7. Rechtspolitisches Zwischenergebnis Die einschlägigen ausländischen und gemeinschaftsrechtlichen Erfahrungen, aber auch die Erfahrungen in den Bundesländern mit Informationsfreiheitsgesetzen machen das Scheitern des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes nur sehr schwer verständlich. In Sachen Informationsfreiheit wird Deutschland zur verspäteten Nation. Denn mit dem vorläufigen Scheitern des Informationsfreiheitsgesetzes wie des Verbraucherinformationsgesetzes in dieser Legislaturperiode hinkt der Bundesgesetzgeber der aktuellen Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft und in vielen ausländischen Staaten, aber auch in einigen Bundesländern deutlich hinterher. Angesichts dieser internationalen Entwicklung und ungeachtet weiterer Verbesserungsmöglichkeiten der vorgelegten Entwürfe erscheinen die grundsätzlichen politischen Widerstände gegen einen "voraussetzungslosen" Informationszugangsanspruch anachronistisch. Deshalb sollte der nächste Bundestag ein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz des Bundes unverzüglich beraten und verabschieden.

8. Begrenzungen der Informationszugangsfreiheit a) Keine völlig "gläserne Verwaltung" Bei aller Bereitschaft zu mehr Transparenz der Verwaltung darf aber nicht übersehen werden, dass die Vorstellung einer völlig gläsernen Verwaltung nicht nur utopisch, sondern auch rechtlich problematisch wäre; dies schon deshalb, weil die Verwaltung mit rechtlich geschützten Geheimnissen (Datenschutz, Betriebs- und Verwaltungsgeheimnisse, Amtsverschwiegenheit) umgeht 107 • Zwar gehören Verwaitungsgeheimnisse 108 als solche grundsätzlich auf den Prüfstand. Doch müssen sich Informationszugangsfreiheit und Geheimnisschutz auch wechselseitig begrenzen; zwischen ihnen ist ein schonender Ausgleich zu finden. Wenn freier Informationsfluss und schützende Informationsrestriktionen zugleich die tragenden Säulen des Rechts der Informationsgesellschaft sind, dann ist die Begrenzung der Informationszugangsfreiheit durch Informationsrestriktionen (wie auch umgekehrt) im Grundsatz selbstverständlich. 107 Zum Datenschutzrecht sowie dem noch relativ wenig untersuchten Geheimnisschutzrecht: Kloepfer (Fn. 1), §§ 8 und 9. 108 Kloepfer (Fn. 1). § 9 Rn. 35 ff.

28

Michael Kloepfer

Eine völlig gläserne Verwaltung ist auch deshalb nicht wünschenswert, weil es zur Sicherung der Entscheidungsfindung und der Urteilsfähigkeit der Verwaltung für diese Rückzugszonen vor der Öffentlichkeit geben muss, um die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben (etwa unangekündigte Untersuchungen) nicht zu gefährden. Dem tragen die Informationsfreiheitsgesetze der Länder, aber auch der Referentenentwurf des Bundes sowie der IFG-ProfE Rechnung, indem sie als Begründung für die Verweigerung des Informationszugangs grundsätzlich den Schutz des "behördlichen Willensbildungsprozesses" zulassen und die Herausnahme von "internen und nicht abgeschlossenen Dokumente" aus dem Einsichtsrecht erlauben 109. Hinzu kommt die Möglichkeit, Informationen dann zu verweigern, wenn ihre Preisgabe den "Erfolg behördlicher Maßnahmen" 110 oder "strafrechtliche, anhängige Gerichtsverfahren, Ordnungswidrigkeitenverfahren oder Disziplinarverfahren" III vereiteln würden. Dies findet sich auch im geltenden EG-Recht. Der Zugang zu Dokumenten kann dort zum Schutz der Organinteressen an der Geheimhaltung der Beratungen verweigert werden l12 b) Gebührenpflicht Gegen eine moderate Gebührenpflicht für den Zugang zu staatlichen Informationen ist grundsätzlich nichts einzuwenden 113. Damit werden einerseits unangemessen hohe, prohibitive Gebühren vermieden, aber in Zeiten knapper öffentlicher Finanzen dem Bürger auch eine Kostenanlastung von staatlichen Aufwendungen zugemutet. Eine Gebührenpflicht bei Ablehnung des Informationszugangs sollte - außer in Missbrauchsfällen - unterbleiben. Eine Differenzierung der Gebührenlast nicht nur nach den verursachten Kosten, sondern auch nach dem Verwendungszweck kann darüber hinaus sinnvoll erscheinen. Insbesondere bei gewerblicher Nutzung der durch den Informationszugang erlangten Informationen können auch Erwägungen staatlicher "Gewinn-Teilhabe" an der Fremdnutzung seiner Informationen ein mitbestimmender Faktor bei der Gebührenbemessung sein 114. 109 Z. B. § 6 I und III IFG-ProfE; § 6 I Nr. 3, Nr. 5, II IFG-Entwurf für Hessen, LT-Drucks. 15/1474; §3 I Nr.2, §4 I Nr.3 IFG-Entwurfdes Bundes; §7 II UIG; §4IIINr.1 VerbrIG-Entwurf; § 9 I, § 10 IFG-BerJin; § 4 I Nr.3, II Nr. I, Nr. 2, Nr. 3 AIG-Brandenburg; § 10 IFG-Schleswig-Holstein; § 7 IFG-Nordrhein-Westfalen. 110 Z. B. § 6 III Nr. 1 und 3 IFG-ProfE; § 9 I IFG-BerJin; § 4 I 1 Nr. 3, § 4 II Nr. 2 und 4 AIGBrandenburg; § 10 I und 5 IFG-Schleswig-Holstein; § 7 I Nr. 3, II, III UIG; § 4 Nr.3 IFG-E. III Z.B. § 3 Nr.4 IFG-E; §9 I und II IFG-BerJin; §4 I Nr.4 AIG-Brandenburg; §9 Nr. 2 und 3 IFG-Schieswig-Holstein; § 6a und b IFG-Nordrhein-Westfalen; § 5 Nr. 2 IFG-ProfE. 112 Hetmeier, in: Lenz (F. 74), Art. 255 Rn. 8. 113 Eine Gebührenpflicht ist vorgesehen in § 16 IFG-BerJin; § 10 AIG-Brandenburg; § 8 IFGSchleswig-Holstein; § 11 IFG-Nordrhein-Westfalen; § 10 UIG; § 14 IFG-ProfE; vgl. dazu Schoch/Kloepfer (Fn.50), Kommentierung zu § 14, insbesondere Rn. 12; bejahend die EGKommission in ihrem Grünbuch über Informationen des Öffentlichen Sektors in der Informationsgesellschaft, KOM (1998) 585 endg. Tz. 94. 114 V gl. dazu Schoch/ Kloepfer (Fn. 50), Kommentierung zu § 14.

Die öffentliche Verwaltung in der Informationsgesellschaft

29

9. Flankierende Maßnahmenjür die Injormationszugangsjreiheit a) Infonnations"ansprüche" gegen den Staat Die Infonnationszugangsfreiheit des Staates bezieht sich nach allgemeiner Auffassung nur auf die beim Staat vorliegenden Infonnationen. Insbesondere enthält sie keinen Infonnationsverschaffungsanspruch des Bürgers gegenüber dem Staat. Der Bürger kann den Staat mit der Infonnationszugangsfreiheit also nicht zwingen, ihm bestimmte Infonnationen überhaupt erst zu verschaffen. Darüber wird jedoch langfristig weiter nachzudenken sein. In Einzelfällen jedenfalls können solche Infonnationsverschaffungsansprüche durchaus sinnvoll sein. Unter dem Aspekt der Effektivierung der Infonnationszugangsfreiheit sind allerdings auch verbesserte Infonnationsverschaffungszuständigkeiten des Staates zu erwägen. Zwischen ihnen und der Infonnationszugangsfreiheit bestehen funktionelle Verschränkungen: Infonnationsansprüche gegen den Staat sind letztlich nur so viel wert wie die Infonnationen, über die der Staat bereits verfügt. Je mehr und je bessere Infonnationen der Staat hat, desto wertvoller wird die Infonnationszugangsfreiheit für den Bürger. Deshalb ist zu erwägen, wie die Infonnationsbeschaffung durch den Staat - dort wo notwendig - verbessert werden kann. Natürlich sind dabei verfassungsrechtlich vorgegebene Infonnationsrestriktionen (unstrittig Kerngehalte des Daten- und Geheimnisschutzes) zu beachten; dies um so mehr, als der Staat sich Infonnationen natürlich primär für eigene Zwecke, nicht aber zur Effektivierung der Infonnationszugangsfreiheit der Bürger beschafft. Gleichwohl muss etwa an den Ausbau von Auskunfts- und Meldepflichten Privater gegenüber dem Staat nachgedacht werden, damit dieser Dritten einschlägige und zutreffende Infonnationen geben kann. Diese Fallgestaltung spielte etwa auch beim gescheiterten Verbraucherinfonnationsgesetz eine große Rolle und wird in Zukunft primär politisch zu lösen sein. b) Infonnationsansprüche zwischen Privaten Schließlich ist langfristig zu entscheiden, ob es bei einem Infonnationszugangsanspruch des Bürgers allein gegen den Staat bleiben muss oder ob nicht auch Informationszugangsansprüche Privater gegen andere Private geschaffen werden sollten, ob also das Prinzip des freien Infonnationsflusses auch als ein gesellschaftliches Prinzip begriffen werden soll. Immerhin bleibt erklärungs bedürftig, warum der Datenschutz nicht nur zwischen Privaten und dem Staat, sondern auch zwischen Privaten gelten soll, das Prinzip des freien Infonnationsflusses aber nur zwischen Privaten und dem Staat. Die Asymmetrie ist unverkennbar. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass gesetzliche Infonnationsverpflichtungen Privater Grundrechtseinschränkungen darstellen (ebenso wie übrigens auch

30

Michael Kloepfer

die Datenschutzverptlichtungen Privater). Im Ergebnis können solche Grundrechtseinschränkungen praktisch aus verschiedensten Gründen (z. B. Gefahrenabwehr, Umweltschutz) gerechtfertigt sein. Immerhin gibt es ausländische Vorbilder für solche Informationsansprüche zwischen Privaten (z. B. Südafrika). Erste Ansätze - allerdings erst im Hinblick auf Auskunftsrechte von Geschädigten - sind aber auch schon in Deutschland vorhanden (z. B. § 8 UHG, § 84 a Arzneimittelgesetz bzw. Auskunftsansprüche im allgemeinen Schadensersatzrecht). Das Prinzip des freien Informationsflusses wird sich wahrscheinlich auf Dauer nicht auf den Staat beschränken können, sondern mittelfristig auch die Gesellschaft erfassen. Das wäre eine plausible Konsequenz eines Konzepts der Informationsgesellschaft als Gesellschaft des freien Informationsflusses. Dieser freie Informationsfluss ist nicht nur von einer transparenten Verwaltung, sondern gerade auch von den Bürgern selbst in Bewegung zu halten. V. Zusammenfassende Thesen (1)

Der Begriff der Informationsgesellschaft bündelt Phänomene wie die Fortentwicklung der Kommunikationstechnologie und deren zunehmende Verbreitung in allen Lebensbereichen, das steigende gesamtwirtschaftliche Gewicht der IuK-Branche sowie die wachsende Bedeutung von Informationen als Gegenstand von wirtschaftlichen Transaktionen. Die Informationsgesellschaft und ihre öffentliche Verwaltung stehen zwischen den Polen des freien Informationsflusses einerseits und den schützenden Informationsrestriktionen andererseits. Zwischen ihnen bestehen Spannungen, aber auch Funktionsverschränkungen.

(2)

Der Einzug moderner Kommunikationstechnologien in die öffentliche Verwaltung und das "e-government" verfolgen maßgeblich Zwecke der Verwaltungsrationalisierung, erleichtern die Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung, verändern das Verwaltungshandeln sowie die Verwaltungsorganisation und bedingen einen sukzessiven Aufgabenwandel des Staates. In der Informationsgesellschaft gewinnt auch die Medienkompetenz und -präsenz der Verwaltung zunehmendes Gewicht.

(3)

Staatliches Informationshandeln geschieht u. a. durch Generierung, Aufbewahrung, Weitergabe von Informationen (Auskünfte, informationelle Amtshilfe etc.) sowie durch Aufklärung, Unterrichtung, Warnungen, Berichterstattungsptlichten und Empfehlungen. In einem Rechtsstaat bedarf dies eines rechtlichen Rahmens.

(4)

Informationsbeziehungen zwischen Bürgern und Staat finden sich im status subiectionis (z. B. Ptlicht zur Rechtskenntnis ), im status negativus (z. B. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Informationsfreiheit), im status activus (z. B. Pressefreiheit) und im status positivus (z. B. Informationszugangsfreiheit).

Die öffentliche Verwaltung in der Infonnationsgesellschaft

31

(5)

Auskunfts- und Einsichtsansprüche gegenüber dem Staat sind wesentliche Voraussetzung für die Durchsetzung von Rechten und rechtlich geschützten Interessen. Viele Informationszugangsansprüche dienen deshalb der Wahrung von subjektiven Rechten.

(6)

Die Zuwendung der Politik zum Prinzip "voraussetzungsloser" Informationszugangsfreiheit betont dessen objektiven Gehalt und dessen Bedeutung für das Gemeinwohl. Öffentlichkeitsgewähr ist Demokratiesicherung. Verwaltung in der Demokratie muss transparente Verwaltung sein.

(7)

Die durch freien Informationszugang gewährleistete Transparenz staatlichen Handeins dient der politischen Meinungsbildung im demokratischen Staat, der Rationalität der politischen Auseinandersetzung, der Akzeptanz und der Richtigkeitsgewähr staatlicher Entscheidung. Informationszugangsansprüche der Bürger ermöglichen vor allem auch eine verstärkte öffentliche Kontrolle der Verwaltung einschließlich der Effizienzkontrolle und der Korruptionskontrolle. Teilweise hat sich die Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit als mindestens so wirksam erwiesen wie die Kontrolle der Verwaltung durch die Rechtsprechung.

(8)

Verwaltungsinformationen haben einen ökonomischen Wert und sind u. a. für den Ausbau und die Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes bedeutsam. Ziel des Informationsrechts muss es sein, der Gesellschaft einen angemessenen Anteil (bzw. Zugang) an (bzw. zu) diesen Informationen zu sichern. Ein Weg dazu kann die teilweise Privatisierung von Verwaltungsinformationen sein, bei der allerdings die rechtlich geschützten Geheimnisse unangetastet bleiben müssen. Die Informationszugangsfreiheit wird bisher überwiegend zu ökonomischen Zwecken genutzt.

(9)

Die Umweltinformationsfreiheit wird im Ausland (insbesondere in Skandinavien und USA) seit längerem erfolgreich praktiziert. Wichtige Impulse zur Schaffung von freiem Informationszugang kommen auch von Seiten der EU: vom Grünbuch über Informationen im öffentlichen Sektor (1998), von der Umweltinformations-Richtlinie (1994) und von Art. 255 EGV als Eigenverwaltungsrecht der EG.

(10) Die traditionelle Arkankultur deutscher Verwaltung hat sich bisher dem Gedanken der Informationszugangsfreiheit nur sehr schwer geöffnet. Die Beteiligtenrechte in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, das Akteneinsichtsrecht, die Partizipation der Öffentlichkeit bei komplexen Verwaltungsentscheidungen, der Informationsanspruch der Presse sind allerdings wichtige Vorläufer der "voraussetzungslosen" Informationszugangsfreiheit. Bundesweit wurde dies erstmals durch das Umweltinformationsgesetz - sektorell - eingeführt. Wichtige Öffnungen auf anderen Teilgebieten stellen auch das Stasi-Unterlagen-Gesetz, das Bundesarchivgesetz und landesrechtlich die presserechtlichen Informationsansprüche dar.

32

Michael Kloepfer

(11)

Allgemeine, nicht nur sektorelle Informationszugangsansprüche des Bürgers gegen den Staat kennen im deutschen Recht bislang die Länder Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Die innovationsfördernde Kraft des deutschen Föderalismus bewährt sich auch hier.

(12)

Soweit es Informationsfreiheitsregelungen in Deutschland gibt, ist die befürchtete Verwaltungsblockade durch Geltendmachung von Informationszugangsansprüchen ebenso ausgeblieben wie Schädigungen des Wirtschaftsstandortes durch die Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

(13)

Der deutsche Bundesgesetzgeber hinkt mit den in dieser Legislaturperiode gescheiterten Gesetzen - Informationsfreiheitsgesetz, Verbraucherinformationsgesetz - der aktuellen Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft und in vielen ausländischen Staaten, aber auch im Vergleich zu den Bundesländern hinterher. Ungeachtet weiterer Verbesserungsmöglichkeiten der Entwürfe erscheinen die grundsätzlichen politischen Widerstände gegen einen "voraussetzungslosen" Zugang zu Verwaltungsinformationen angesichts der weiten Verbreitung von Informationsfreiheitsgesetzen in vielen Staaten Europas und der Welt anachronistisch. Der nächste Bundestag sollte deshalb ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes unverzüglich beraten und verabschieden.

(14) Trotz des begrüßenswerten Trends zu mehr Verwaltungstransparenz ist eine völlig "gläserne" Verwaltung nicht anzustreben, weil sie rechtlich geschützte Geheimnisse (z. B. Personen- und Betriebsgeheimnisse) preisgeben würde. Im übrigen erschiene auch die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung essentiell gefährdet, die in bestimmten Bereichen zwingend auf Geheimhaltung angewiesen ist. (15) Gegen eine moderate Gebührenpflichtigkeit staatlicher Informationserteilung ist grundsätzlich nichts einzuwenden, insbesondere wenn und weil solche Informationen auch ökonomisch nutzbar sind. (16) Informationsansprüche gegen den Staat sind so wertvoll wie die Information, über die der Staat verfügt. Deshalb ist zu erwägen, wie die Informationsbeschaffung durch den Staat im verfassungsrechtlichen Rahmen (insbesondere im Rahmen des verfassungsgeforderten Daten- und Geheimnisschutzes) verbessert werden kann. Dabei ist vor allem an Informationspflichten Privater gegenüber dem Staat zu denken. Das Prinzip des freien Informationsflusses auch als gesellschaftsinternes Prinzip kann u. U. auch Informationspflichten Privater gegenüber Privaten legitimieren. Deshalb gibt es in ausländischen Regelungen (z. B. Südafrika) auch Informationsansprüche Privater gegen private Unternehmen.

Verbraucherschutz durch Informationszugang Das Verbraucherinformationsgesetz I Von Renate Künast Die moderne Gesellschaft, die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts wird gerne auch als Wissens- und Informationsgesellschaft bezeichnet. Und in der Tat stand unseren Bürgerinnen und Bürgern niemals zuvor so viel Information zur Verfügung wie heute. Hinzu kommt, dass es dank Internet und moderner Medien noch nie so leicht war, alle möglichen Informationen zu beschaffen. Information ist etwas, was scheinbar jederzeit und überall verfügbar, was aber dennoch ein kostbares Gut ist, nämlich dann, wenn es eine sichere und die richtige Information sein soll. Das machen sich Dienstleister wie Medien-, Unternehmens- und Finanzberater, aber auch Sie als Anwälte zu Nutze, indem sie die relevanten Informationen entsprechend aufbereitet gegen Bezahlung an die Frau oder an den Mann bringen. Bei all der Flut an Bildern, Berichten, Kommentaren, Zahlen und Fakten kommt es eben darauf an, die für sich richtige Information herauszufiltern. Beim Surfen durch die Informationswelt läuft man schnell Gefahr, ohne Lotsen den Überblick zu verlieren und Schiffbruch zu erleiden. So kommt es, dass wir zwar im Informationszeitalter leben, uns aber dennoch über Informationsdefizite beklagen. Nach einer aktuellen Umfrage der Europäischen Kommission fühlen sich beispielsweise nur 20 % der Europäer genügend darüber informiert, wie Lebensmittel hergestellt und verarbeitet werden. Oder anders formuliert: 80% wissen nicht, was drin ist! Das liegt u. a. daran, dass die Menschen entweder mit den Begriffen und Bildern auf den Verpackungen nichts anfangen können, dass sie teilweise auch getäuscht werden oder dass die Information, die sie interessiert, einfach nicht drauf steht. Ich denke da jetzt an Allergiker, an Vegetarier, an Diabetiker, an Mitglieder religiöser Gruppen. Sie alle brauchen Informationen, die ihnen beispielsweise die schönen E-Nummern auf den Packungen nicht unbedingt liefern können. Denn das Lexikon für Fachchinesisch haben Sie beim Einkauf nicht zufälligerweise in der Tasche. I Die Vortrags form wurde beibehalten. Zum Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes vgl. Anhang.

3 Kloepfer

34

Renate Künast

Eine andere Ursache für Infonnationsdefizite ist die Intransparenz der Produktion. Nicht selten fragen sich sogar die Produzenten und Hersteller, was alles in ihren Produkten ist. Nehmen wir hierzu das Beispiel Landwirtschaft. Man glaubt es kaum, aber bei den Futtermitteln galt bis zur BSE-Krise: Was nicht ausdrücklich verboten ist, darf zur Herstellung von Futtennitteln verwendet werden. Wohin das geführt hat, konnten wir schon vor BSE am belgisehen Dioxinskandal sehen, als offenbar wurde, was alles so an Abfallen in Futtennitteln landete. Inzwischen haben wir im Rahmen unseres Programms zur Futtennittelsicherheit das System größtenteils umgestellt. Seit letztem Jahr haben wir die so genannte offene Deklaration, nach der bei Mischfuttennitteln die darin enthaltenen Einzelfuttennittel in Gewichtsprozenten anzugeben sind. Außerdem arbeiten wir gemeinsam mit der Wirtschaft an einer Positivliste, die angibt, was in Futtennitteln drin sein darf. Diese Liste ist im Prinzip fertig und es geht jetzt nur noch um Detailfragen. Ein ähnliches Problem haben wir bei Futtennitteln aus genveränderten Pflanzen. Da gibt es Infonnationsdefizite, weil es keiner deklarieren muss. Ich aber sage: Wo Gentechnik drin ist, muss Gentechnik draufstehen. Auch da wird es EU-weit im Zuge der Novel FoodlNovel Feed-Verordnung bald konkrete Fortschritte geben. In unserem Wirtschaftsleben gibt es immer mehr Spezialisten. Zugleich wird die Produktion anonymer. Das macht die Waren anfälliger für Mängel. Und es macht die Produktion anfälliger für Betrügereien. Dem kann man nur mit scharfen Sicherheitsvorschriften, Kontrollen und eben Transparenz begegnen. Das ist zunächst einmal Aufgabe der Wirtschaft selbst. Aber da, wo die Wirtschaft versagt, muss der Staat eingreifen. Da setzt dann unsere neue Verbraucherpolitik an. Eine Verbraucherpolitik, die das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt politischen Handeins stellt, die an die Umwelt, an unsere natürlichen Lebensgrundlagen denkt und die - und das ist ein Punkt, den mancher noch nicht so Recht einsehen will- für Arbeitsplätze und für eine dynamische Wirtschaft steht. Eine moderne Verbraucherschutzpolitik stellt die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher über die Interessen der Wirtschaft. Gerade was den gesundheitlichen Verbraucherschutz angeht, kann es keine Kompromisse geben. Doch, worin liegen eigentlich die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher? John F. Kennedy sprach am 15. März 1962 vor dem US-Kongress von den vier Verbrauchergrundrechten, denen der Staat Geltung zu verschaffen habe: Dem Recht auf Sicherheit. Dem Recht auf Wahlfreiheit. Dem Recht auf Information. Und dem Recht Gehör zu finden.

Das Verbraucherinfonnationsgesetz

35

Das ist es, was wir mit unserer Verbraucherpolitik anstreben. Sicherheit steht dabei - wie die Futter- und Lebensmittelskandale der Vergangenheit zeigen - ganz bewusst an oberster Stelle. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dass die schöne bunte Waren welt um sie herum gesund und sicher ist, dass die Kontrollen stimmen und dass ein Rechtsrahmen da ist, mit Hilfe dessen sie sich gegen Personen und Firmen wehren können, die sie wirtschaftlich übers Ohr hauen wollen.

Mindestens ebenso wichtig wie Sicherheit sind Information und Transparenz - ganz gleich, ob es um Lebensmittel, Kosmetika, Kleidung oder Kinderspielzeug geht. Dabei setzen wir auf die mündigen Bürgerinnen und Bürger. Und wir setzen auf die selbstbestimmt und verantwortungsbewusst handelnden Bürger. In einer freiheitlichen Gesellschaft hat jeder das Recht, das Leben nach eigenen Wünschen und Werten zu gestalten. Aber nur die Verbraucher, die frei und selbstbestimmt handeln, können ihre Aufgabe als Marktteilnehmer erfüllen. Die Menschen wollen und müssen möglichst schnell wissen, wann und wo irgendetwas schief läuft. Sie müssen wissen, wenn Unternehmen sich nicht an die Spielregeln halten und damit nicht nur den Verbrauchern, sondern der Branche und darüber hinaus der gesamten Volkswirtschaft schaden können. Moderne Verbraucherpolitik muss die rechtlichen und informationellen Voraussetzungen dafür schaffen. Deshalb habe ich mich so vehement für ein Verbraucherinformationsgesetz eingesetzt. Unser Entwurf enthielt zwei Kernelernente: - Erstens: Verbraucherinnen und Verbraucher hätten das Recht bekommen, sich bei Behörden über Inhaltsstoffe und Rückstände in Lebensmittel- und Bedarfsgegenständen zu informieren. - Zweitens: Behörden hätten die Möglichkeit gehabt, die Öffentlichkeit schon bei unklarer Risikolage aktiv über Gesetzesverstöße zu informieren, d. h. also auch dann, wenn keine akute Gesundheitsgefahr besteht. Beide Punkte wären z. B. dann von Bedeutung, wenn Grenzwerte deutlich überschritten oder Herstellungsvorschriften verletzt und Verbraucher getäuscht würden. Wenn ein Unternehmen Kochschinken mit Wasser streckt, ist das so ein Fall. Behörden hätten dann Ross und Reiter nennen dürfen. Und Sie alle kennen auch den berühmten Birkel-Fall, der genau das zum Problem hatte. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz wären wir von der noch immer vorherrschenden Verschwiegenheitsphilosophie weg gekommen. Wir hätten also auch Täuschungsmanöver an die Öffentlichkeit bringen können, um so den Druck zu erhöhen, Qualitätsfragen ernster zu nehmen. 3*

36

Renate Künast

Darüber hinaus - und dies ist ein zentrales Anliegen meiner Politik - hätten wir den Vorsorgegedanken gestärkt. Die Behörden hätten bereits im Vorfeld tätig werden können, bevor das Kind endgültig in den Brunnen gefallen ist. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz hätten wir- um es in der Fußballersprache zu sagen - dem Schiedsrichter, also den Behörden, die Möglichkeit gegeben, Unternehmen, die gegen die Spielregeln verstoßen haben, vor aller Öffentlichkeit die gelbe Karte zu zeigen. Das hätte so manchen vorsichtiger werden lassen, weil es sich keiner leisten kann, das Vertrauen der Verbraucher zu verlieren! Es ist kein Geheimnis, dass ich ursprünglich auch direkte Auskunftsansprüche der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Firmen in dem Gesetz festschreiben wollte. Wir hatten diesen Punkt aber zurückgestellt, weil es für uns vordringlicher war, zunächst den ersten Schritt zu tun. Es wäre ein Schritt, aber eben ein sehr wichtiger Schritt, in Richtung mehr Verbraucherschutz gewesen. Nun hat uns fürs erste der Bundesrat mit der Mehrheit der unionsregierten Länder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Unser Entwurf ist schlichtweg ein Opfer des Wahlkampfes geworden, denn die Opposition konnte keine wirklich stichhaltigen Argumente gegen das Gesetz vorbringen. Im Gegenteil: Sie hat sich sogar in Widersprüche verstrickt! Da heißt es einerseits, das Gesetz ginge nicht weit genug. Es müsse auch ein Informationsanspruch gegenüber Unternehmen mit hinein. Andererseits wurde kritisiert, dass wir mit unserem Vorschlag über EU-Recht hinausgehen. Ja, was denn nun? Wer so redet, hat mit Verbraucherschutz nichts am Hut. So spricht jemand, der den Verbrauch und nicht die Verbraucher schützen will! Da passt es doch genau ins Bild, dass die unionsregierten Länder im Bundesrat unseren Vorstoß zum Schutz der Verbraucher vor Missbrauch mit 0190er Nummern blockiert haben. Pikanterweise hat jetzt die bayerische Landesregierung von ihren eigenen Landsleuten die rote Karte gezeigt bekommen für ihr Abstimmungsverhalten beim Verbraucherinformationsgesetz im Bundesrat. Denn ein von 450 zufällig ausgewählten Bayerinnen und Bayern erstelltes Bürgergutachten, das Herr Sinner über die Uni Wuppertal in Auftrag gegeben hatte, macht deutlich, wo die Verbraucher der Schuh drückt: Sie wollen mehr Informationen und bessere Aufklärung, sie wollen mehr Kontrollen und Forschung und sie wollen Verbrauchererziehung schon im Kindergarten. Das sollten sich Herr Stoiber und seine Mannschaft einmal zu Herzen nehmen! Das Verbraucherinformationsgesetz hätte für die Verbraucherrechte einen enormen Schub gebracht. Und das wäre für unsere gesamte Wirtschaft von Vorteil gewesen. So wie auch der Umweltschutz nun Eingang in die Wirtschaft gefunden hat und mit dem viele Unternehmen jetzt werben. Die großen blauen Bände müssten noch mal geschrieben werden: Nicht nur Kapital und Arbeit sind die zwei wichtigen Faktoren für die Produktion. Hier muss noch ein dritter wichtiger Faktor dazukommen: die Konsumenten. Die Konsumen-

Das Verbraucherinfonnationsgesetz

37

tinnen und Konsumenten stehen gleichwertig neben Kapital und Arbeit. Denn: "Der Verbrauch ist das einzige Ziel und der einzige Zweck einer jeden Produktion" - so der Aufklärer und Ökonom Adam Smith schon im Jahre 1776. Und auch die NGOs nehmen sich des Themas an: Greenpeace sucht jetzt in Anzeigen Lebensmittel-Campaigner für seine Aktionen. Das Thema Informationen über Lebensmittel steht also mitten in der Gesellschaft. Die Wirtschaft ist gut beraten, sich hierauf frühzeitig einzustellen. Wenn die Wählerinnen und Wähler uns am 22. September erneut ihr Vertrauen aussprechen, werden wir das Verbraucherinformationsgesetz in der kommenden Legislaturperiode noch einmal anpacken. Ich bin da gnadenlos beharrlich. Unabhängig davon erwarten wir natürlich auch eigene Anstrengungen der Wirtschaft für mehr Information und Transparenz. Stichwort: Selbstverpjlichtung. Da können die Unternehmen eine ganze Menge tun, um den Bedürfnissen der Verbraucher nach mehr Information und Transparenz Rechnung zu tragen. Schließlich hat es langfristig noch keinem Unternehmen gut getan, Verbraucher mit berechtigten Anliegen vor den Kopf zu stoßen. Bereits heute gibt es Hersteller, die von sich aus auf das Etikett schreiben, dass z. B. ihre Corn Flakes allergene Stoffe enthalten. Zu einer transparenten Kennzeichnung gehört für mich aber auch, dass auf Eierkartons keine Bilder von freilaufenden Hühnern gedruckt werden, wenn die Eier aus Legebatterien kommen. Ein anderer Punkt ist, dass Unternehmen Hotlines oder Infocenter einrichten, über die sie besorgte Verbraucher informieren. Wichtig dabei ist, offen und ehrlich zu sein. Nicht mit Informationen geizen, sondern im Gegenteil: mehr sagen als das, was der Gesetzgeber ohnehin vorschreibt. Nur wenn die Unternehmen sich selbst möglichst hohe Standards setzen und keine Informationen zurückhalten, werden sie bei den Verbrauchern Pluspunkte sammeln. Auch Untersuchungen, die Mängel im Informationsverhalten der Unternehmen aufdecken, sollten nicht als Angriff verstanden werden, sondern als Ansporn, es eben besser zu machen. Ich könnte mir außerdem vorstellen, dass Branchen- und Industrieverbände als zentrale AnlaufsteIlen entsprechende Websites für Verbraucher einrichten, die auch auf individuelle Anfragen reagieren können. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Hauptsache, es dient dazu, die Verbraucher zu informieren und aufzuklären. Deshalb sind Selbstverpflichtungen der Wirtschaft für mich die ideale Ergänzung zum Verbraucherinformationsgesetz. Unsere modeme Verbraucherpolitik wird das Koordinatensystem des öffentlichen Bewusstseins verändern. Sicherheit, Wahlfreiheit und Transparenz: Darauf pochen die Verbraucher. Und die Wirtschaft wird sich mehr denn je an diesen Zielen messen lassen müssen. Die Vergabe des Wirtschafts-Nobelpreises im vergangenen Jahr an George Akerlof und zwei weitere Forscherkollegen zeigt, dass diese modeme Verbraucherpolitik

38

Renate Künast

auch im globalen mainstream entscheidendes Thema geworden ist. Die Preisträger sind die Begründer der modernen Informationsökonomie - also diejenigen, die den Verbraucherschutz überhaupt erst einmal in den Wirtschaftswissenschaften verankert haben! Das alles spricht für einen strukturellen Wandel hin zu einer neuen Verbraucherund Informationskultur. Nur wenn wir die Verbraucherinnen und Verbraucher zu maßgeblichen Akteuren in unserem Denken und Handeln machen, dann werden wir den Anforderungen einer modemen Gesellschaft in einer sich beständig globalisierenden Welt gerecht. Denn die Verbraucherinnen und Verbraucher möchten wissen, was sie sich für ihr Geld kaufen. Information ist ein grundlegendes Menschenrecht.

Bundes-Informationsfreiheitsgesetz Die öffentliche Verwaltung in der Bürgergesellschaft 1 Von Claus Henning Schapper I. Bisheriger Verlauf des Gesetzgebungsvorhabens, Problemschwerpunkte . . . . . . . . . . . . H. Gedankliche Grundlagen .. . .... . .... . ....... .. ... .. ....... .. ... . .... . ... .. ... .. ... . .. III. Inhalt des Gesetzentwurfs, Problemschwerpunkte .. . . ... . .. .. . . .. . . . .. . .. .. ..... . .. .

39 42 44

I. Bisheriger Verlauf des Gesetzgebungsvorhabens, Problemschwerpunkte Sie wissen, dass in der Koalitionsvereinbarung vom Oktober 1998 festgelegt wurde, ein Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen. Im Bundesministerium des Innem wurde ein Entwurf für dieses Gesetz erarbeitet. Den Text haben wir im Juni 2001 ins Internet eingestellt, verbunden mit einem sechswöchigen Diskussionsforum. Leider sind wir bei der Abstimmung mit den Bundesressorts und den Ländern nicht so vorangekommen wie erwartet. Zwischen Ende März und Anfang Juni diesen Jahres haben sich die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN intensiv um die Schlussabstimmung eines gemeinsamen Textes bemüht. Sie wollten diesen Text als Fraktionsentwurf in den Deutschen Bundestag einbringen und dem Vorhaben dadurch doch noch in dieser Legislaturperiode zum Erfolg verhelfen. Am Abend des 3. Juni 2002 kam dann aber das Aus: Die Spitzen bei der Fraktionen haben am Ende einer intensiven Beratung der noch offenen Gesetzgebungsvorhaben entschieden, dass der Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz nicht mehr in dieser, sondern in der kommenden Legislaturperiode eingebracht werden soll. Unseren Entwurfhaben sich die Fraktionen zu eigen gemacht; er wird Grundlage der Beratungen in der kommenden Wahlperiode sein. Dieser Aufschub gibt uns Gelegenheit, den Gesetzentwurf in einigen sachlichen Punkten nochmals zu überdenken. Ein wesentlicher Mangel an dem Entwurf ist aus meiner Sicht der unzureichende Gleichklang mit dem Landesrecht. Leider lehnten es die Länder von Anfang an ab, dass der Bund ein umfassendes, auch die Landesverwaltungen einbeziehendes Informationsfreiheitsgesetz schafft. An diesem Standpunkt hat sich bis heute nichts geändert. I Die Vortragsform wurde beigehalten. Für den Wortlaut des Entwurfs eines Informationsfreiheitsgesetzes vgl. Anhang.

40

Claus Henning Schapper

Ohne Zustimmung des Bundesrates kann der Bund nur eine Regelung für die bundeseigene Verwaltung und die Bundesauftragsverwaltung erlassen. Nun liegt der Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit in Deutschland bei der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen. Es wäre daher wünschenswert, ein zustimmungsbedürftiges Gesetz zu schaffen, das auch für den Vollzug von Bundesrecht als eigene Angelegenheit der Länder gilt. Darüber hinaus sollte eine Simultangesetzgebung von Bund und Ländern erwogen werden. Damit könnte man einheitliche Informationszugangsrechte auch für den Vollzug von Bundes- und Landesrecht schaffen. Besonders deutlich wird die Notwendigkeit einer größeren Stimmigkeit mit bestehenden Vorschriften, wenn man die Informationszugangsrechte nach § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit denen des Entwurfs für ein Informationsfreiheitsgesetz vergleicht. Es ist höchst unbefriedigend, dass im laufenden Verwaltungsverfahren der Betroffene engere Voraussetzungen erfüllen muss, um Zugang zu Behördenakten zu erhalten, als dies außerhalb des Verfahrens von einem beliebigen Antragsteller verlangt wird. Eine bessere Abstimmung des Entwurfs insbesondere mit dem Verwaltungsverfahrensrecht, und zwar entsprechend dem bewährten Usus in gleicher Weise auf Bundes- und auf Länderebene, tut hier Not. Ein weiterer Punkt, der offenkundig zu kurz gekommen ist, ist die Einbindung der Betroffenen selbst. Es hat sich gezeigt, dass das Thema nicht hinreichend ausdiskutiert worden ist. Ich glaube, es wird von vielen unterschätzt, welche persönliche Anpassungsleistung diese grundlegende Änderung der Verwaltungskultur von dem Einzelnen verlangt. An eine solche Änderung müssen alle Beteiligten behutsam herangeführt werden. Aus mehreren Bundesressorts beispielsweise kam während des Abstimmungsprozesses das Signal, dass ein Informationsfreiheitsgesetz zu begrüßen sei, jedoch für den eigenen Arbeitsbereich nicht in Betracht käme, weil die Geheimhaltungsinteressen überwiegen. Dieser Standpunkt hat natürlich teilweise seine Berechtigung. Ob es sich um die innere und äußere Sicherheit Deutschlands, die informationelle Selbstbestimmung oder den Schutz vor Wirtschaftsspionage handelt: Niemand wird bestreiten, dass das Geheimhaltungsinteresse mitunter Vorrang zu genießen hat. Andererseits bestehen hier auch einige unbegründete Vorbehalte gegen den Grundsatz des freien Informationszugangs, die sich nur durch die tradierten Denkweisen vor dem Hintergrund des Amtsgeheimnisses und der Vertraulichkeit der Verwaltung erklären lassen. Solche inneren Vorbehalte finden sich in allen Ebenen der Exekutive, bis hinein in den politischen Bereich. Das lässt sich am Beispiel der Gebührenregelung gut aufzeigen. Von einigen wurde die Einführung kostendeckender Gebühren verlangt. Richtig ist daran der Gedanke, dass der Verursacher von Kosten grundsätzlich für diese aufzukommen hat. Andererseits lässt sich die Gebührenregelung auf diese Weise auch dafür benutzen,

Bundes-Inforrnationsfreiheitsgesetz

41

Bürgerinnen und Bürger überhaupt von der Stellung eines Antrages auf Informationszugang abzuhalten. Das kann natürlich nicht Sinn der Sache sein. Gefragt ist also ein vernünftiger Kompromiss, der einerseits nicht zur Stellung unsinniger Anträge führt, andererseits aber auch nicht prohibitiv wirkt. Ich meine, die Regelung des Umweltinformationsgesetzes, die uns als Vorbild für unseren Entwurf diente, zeigt hier einen gangbaren Mittelweg. Auch von Seiten der freien Wirtschaft erfuhr der Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes wesentlich größeren Widerstand als erwartet. Befürchtet wird hier vor allem eine verstärkte Wirtschafts spionage auf dem Umweg über die unternehmensinternen Informationen, die aufgrund unterschiedlicher Verpflichtungen den Behörden vorgelegt worden sind. Da sich aber zum Beispiel im Bauplanungs- und Baugenehmigungsrecht, aber auch in anderen Bereichen eine Betroffenheit von privaten Unternehmen durch ein Informationsfreiheitsgesetz gar nicht vermeiden lässt, werden wir uns noch einige Gedanken machen müssen, wie wir die Unternehmen für das Vorhaben des Informationsfreiheitsgesetzes gewinnen können. Ich rate jedenfalls dringend von jedem Versuch ab, ohne oder gar gegen die Wirtschaft dieses Projekt durchsetzen zu wollen. Ebenfalls von großer Bedeutung sind in diesem Kontext der Datenschutz und sein Verhältnis zur Informationsfreiheit. Beide stehen in einem natürlichen Spannungsverhältnis zueinander, sind aber gleichzeitig zwei Seiten derselben Medaille. Um sich schützen zu können, muss der Bürger informiert sein. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat insofern nicht nur eine abwehrrechtliche Funktion, sondern dient auch der Kommunikations- und Handlungsfahigkeit, die den Zugang zu Informationen erfordert. Informationszugang und Datenschutz sind Funktionsbedingungen einer modemen Demokratie, die eine faire Informationsverteilung zwischen Bürger und Staat voraussetzen. Seinen praktischen Ausdruck findet dieses Verhältnis darin, dass in den Bundesländern, die bereits Informationszugangsgesetze haben, die bisherigen Datenschutzbeauftragten zusätzlich die Aufgabe der Beauftragten für Informationszugang übernommen haben. Gleiches ist in unserem Gesetzentwurf für die Bundesebene vorgesehen. Meine Damen und Herren, Sie wissen, die zweite Stufe der Reform des Bundesdatenschutzgesetzes steht in der kommenden Legislaturperiode ins Haus. Das ist ein rechtlich komplexes und auch politisch schwieriges Vorhaben. Meiner Meinung nach empfiehlt es sich - jedenfalls zunächst - nicht, das Datenschutzgesetz in ein Informationsgesetz zu integrieren, wie dies verschiedentlich vertreten wird. Das Bundesdatenschutzgesetz betrifft, anders als es beim Informationsfreiheitsgesetz der Fall sein wird, nicht nur den öffentlichen Bereich. Zudem würde das Gesetzgebungsverfahren unnötig belastet, wenn die beiden Materien - von denen jede für sich schon genügend Streitstoff bietet - miteinander verknüpft würden.

42

Claus Henning Schapper

Längerfristig halte ich es allerdings durchaus für erwägenswert, ein Informationsgesetzbuch als übergreifende, rechtsbereinigende und -harmonisierende Kodifikation des Informationsrechts des Bundes zu konzipieren. In diesem Zusammenhang werden wir auch darüber nachdenken müssen, ob und inwieweit neben dem Informationsfreiheitsgesetz noch bereichsspezifische Gesetze erforderlich sind. Damit meine ich etwa das Umweltinformationsgesetz. Es wurde verabschiedet, um die europarechtliche Verpflichtung aus der Umweltinformationsrichtlinie zu erfüllen. Ebenso meine ich auch das Verbraucherinformationsgesetz, dessen Verabschiedung ja der Bundesrat verhindert hat, obwohl gerade vor dem Hintergrund der Probleme mit verunreinigtem Tierfutter das Bedürfnis für eine Neuregelung virulent ist. Für die Schaffung eines gesonderten Verbraucherinformationsgesetzes sprach in den letzten Monaten einiges, darunter nicht zuletzt der schleppende Beratungsverlauf beim Informationsfreiheitsgesetz. Mittelfristig sollte es aber doch gelingen, über das politische Tagesgeschehen hinausblickend, auch in diesem Bereich die Rechtszersplitterung einzudämmen und damit einen wichtigen Beitrag zur Klarheit und Verständlichkeit des Rechts zu leisten.

H. Gedankliche Grundlagen Die Kernpunkte aller Überlegungen zum Zweck des Gesetzes lassen sich mit den Stichworten "moderne Verwaltung" und "effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten" zusammenfassen. Das geltende Recht in Deutschland ist gekennzeichnet durch den Grundsatz des Aktengeheimnisses und der Vertraulichkeit der Verwaltung. Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht grundsätzlich nur innerhalb eines Verwaltungsverfahrens und auch nur dann, wenn die Aktenkenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich ist. Die Auskunftsansprüche im Bundesdatenschutzgesetz und Melderechtsrahmengesetz setzen ebenfalls eine eigene Betroffenheit voraus. Weitergehende Rechte werden bisher nur in besonderen Bereichen gewährt, etwa aufgrund des Stasi-Unterlagengesetzes oder des Umweltinformationsgesetzes. Zwar ist der Informationszugang auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften nicht ausgeschlossen. Hier bescheidet die Behörde Anträge auf Informationszugang aber nach pflichtgemäßem Ermessen, und das auch nur dann, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse geltend machen kann. Das Informationsfreiheitsgesetz wird - und das halte ich für den entscheidenden Punkt - das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehren. Während der bisherige Grundsatz der Geheimhaltung von eher obrigkeitsstaatlichen Vorstellungen geprägt ist, liegt einem gesetzlich geregelten Anspruch auf Informationszugang ein partnerschaftliches Verständnis des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger zu Grunde. In Zukunft wird der Grundsatz gelten: "Soviel Information wie möglich,

Bundes-Infonnationsfreiheitsgesetz

43

soviel Geheimschutz wie nötig." Das Informationsfreiheitsgesetz regelt damit einen Teilbereich der Entwicklung des Staates hin zum modernen Dienstleister. Die Bundesregierung verfolgt das Leitbild des "aktivierenden Staates". Sie will die Bürgerinnen und Bürger stärker als bisher am staatlichen Leben teilhaben lassen und sie gleichzeitig ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Transparenz behördlicher Entscheidungen ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Dies gilt angesichts des wachsenden Einsatzes moderner Informations- und Kommunikationstechniken heute mehr denn je. Den Gefährdungen, die sich durch die Entwicklung der modernen Informationstechnik für den einzelnen und für die Demokratie ergeben, muss mit Datenschutzrechten auf der einen und Informationszugangsrechten auf der anderen Seite begegnet werden. Lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen. Das Informationsfreiheitsgesetz dient vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung. Jedermann soll gegenüber den Behörden und Einrichtungen des Bundes allgemeine Ansprüche auf Auskunft oder auf Akteneinsicht haben, ohne dass er hierfür ein rechtliches oder berechtigtes Interesse geltend machen muss. Denn unabhängig von einer individuellen Betroffenheit sind Sachkenntnisse entscheidende Voraussetzung für eine Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen. In diesem Sinn verbessert und effektiviert das Informationsfreiheitsgesetz die von Art. 5 Abs. I Satz I Grundgesetz gewährleistete Informationsfreiheit. Eine intensivere öffentliche Partizipation wird auch dazu beitragen, die Akzeptanz staatlichen Handeins zu stärken.

In der Presse war viel vom Nutzen eines Informationsfreiheitsgesetzes für die Korruptionsbekämpjung zu lesen. Die neuen Informationszugangsrechte verbessern gewiss die Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, staatliches Handeln zu durchschauen und zu kontrollieren und sind insofern auch ein Mittel zur Korruptionsbekämpfung. Diesen Aspekt sollte man aber nicht überschätzen. Es wird gerne darauf verwiesen, dass Schweden, wo es seit mehr als 200 Jahren gesetzliche Regelungen zum freien Informationszugang gibt, einen erfreulichen Platz in der Liste der von Korruption betroffenen Staaten einnimmt. Der Nachweis dafür, dass zwischen diesen beiden Tatsachen ein direkter Zusammenhang besteht, steht allerdings bisher noch aus. Wie groß der Nutzen eines Informationsfreiheitsgesetzes hier letztlich sein wird, hängt natürlich maßgeblich von der Reichweite und Ausgestaltung der Ausnahmen vom freien Informationszugang ab. Ob sich aber allein mit Hilfe dieses Gesetzes Korruptionsfälle aufdecken lassen, erscheint mir zumindest zweifelhaft. Nehmen Sie den Umgang mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Wir hatten vorgeschlagen, beim Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eine Interessenabwägung durch die Behörde vornehmen zu lassen. Dagegen hat sich die Wirt-

44

Claus Henning Schapper

schaft vehement gewandt. Sie ist der Meinung, dies würde der Ausforschung von Unternehmen durch Konkurrenten Tür und Tor öffnen. Nur bei ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen darf ihrer Auffassung nach der Zugang gewährt werden. Dem halten die Befürworter der Interessenabwägung entgegen, dass dann ja endgültig die Aufdeckung von Korruptionsfällen mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes ausgeschlossen sei. Ein weiterer Aspekt des Gesetzgebungsvorhabens ist die Gefahrenbekämpfung beispielsweise im Lebensmittelbereich, aber auch in anderen Zusammenhängen. Was die Lebensmittel und Bedarfsgegenstände betrifft, hätten wir mit dem Verbraucherinformationsgesetz ja schon fast die erforderlichen Regelungen bekommen. Jetzt aber bleibt es bei der vordringlichen Aufgabe, mit Hilfe des freien Informationszugangs das Bekanntwerden von Gefahrenlagen zu verbessern und zu beschleunigen, mag es sich dabei um Gefahren durch verunreinigte Lebensmittel, durch Emissionen aus Industrieanlagen oder durch andere Ereignisse handeln. IH. Inhalt des Gesetzentwurfs, Problemschwerpunkte Ich möchte jetzt auf die inhaltlichen Regelungen unseres Entwurfs für ein Informationsfreiheitsgesetz eingehen. Ich nehme an, der Text ist Ihnen allen bekannt. Kern der Debatte - und darauf werde auch ich mich beschränken - sind Inhalt und Reichweite der Ausnahmen vom Grundsatz des freien Informationszugangs. Die Grundnorm des Gesetzentwurfs finden Sie in § 1 Abs.l. Darin wird ein voraussetzungsloser Informationszugangsanspruch für jedermann gewährt. Damit sind Deutsche und Ausländer im In- und Ausland eingeschlossen. Bürgerinitiativen und Verbände bekommen keinen eigenen Anspruch, weil dafür kein Bedürfnis besteht: jedes einzelne Verbandsmitglied hat ja ein eigenes, voraussetzungsloses Zugangsrecht. Darin besteht ein grundlegender Unterschied zu sonstigen Informationsrechten, bei denen der Informationszugang an besondere Voraussetzungen geknüpft ist. Das Konzept der grundsätzlichen Informationszugangsfreiheit kann nur funktionieren, wenn andererseits auch allen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen ausreichend Rechnung getragen wird. Die Ausnahmetatbestände sind diejenigen Vorschriften, die bei der Ausarbeitung des Gesetzes am meisten umstritten waren und zum Teil noch sind. §§ 3 und 4 enthalten Ausnahmetatbestände, die im öffentlichen Interesse liegen, §§ 5 und 6 solche, die im privaten Interesse liegen. Die §§ 3 und 4 enthalten eine differenzierende Abstufung: Während § 3 zwingende Ausschlussgründe vom freien Informationszugang enthält, statuiert § 4 eine SollRegel und belässt damit der entscheidenden Behörde ein gebundenes Ermessen. Unter den politischen Akteuren unstreitig sind die Regelungen in § 3 Nr. 1, wonach die internationalen Beziehungen, die Belange der inneren und äußeren Sicher-

Bundes-Informationsfreiheitsgesetz

45

heit sowie die öffentliche Sicherheit vor Gefahren durch Bekanntgabe von Informationen geschützt werden müssen. Schwieriger wird es schon beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der erste Vorschlag lautete, die Landesverteidigung vom freien Informationszugang auszunehmen. Teilweise wird jedoch eine Notwendigkeit für eine Bereichsausnahme für den gesamten Geschäftsbereich gesehen. Das Argument dafür ist, dass selbst Informationen über die Organisationsstruktur des Verteidigungsministeriums oder auch konkrete Beschaffungen Rückschlüsse auf strategische Vorhaben der Streitkräfte zulassen. Ebenfalls noch offen ist die Frage, ob auch Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr generell vom Informationszugang ausgenommen sein sollen. Argumentiert wird, dass die im Rahmen von Vorfeldüberprüfungen und in Hinweisdateien gesammelten Daten, die zur Verhinderung illegaler Exporte regelmäßig erhoben werden, vertraulich bleiben müssten, desgleichen Informationen im Zusammenhang mit der Durchführung von wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen. Das Gegenargument, dass diese Daten durch § 4 Nr. 2 als vertraulich übermittelte oder erhobene Informationen bereits hinreichend geschützt seien, wird bisher nicht von allen Beteiligten akzeptiert. Der Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden in § 3 Nr.2 wurde in den politischen Beratungen abgesegnet, ebenso die Regel in § 3 Nr. 3, wonach kein Anspruch auf Informationszugang besteht, wenn die Informationen einer durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen. Weiterhin besteht Einigkeit darüber, dass Gerichtsverfahren, strafrechtliche Ermittlungsverfahren, Disziplinar- und Bußgeldverfahren vor Störungen geschützt werden müssen, die dadurch entstehen, dass die Unterlagen zu diesen Verfahren nicht ständig verfügbar sind (§ 3 Nr.4). § 3 Nr. 5 - ebenfalls unter Ressorts und Fraktionen unstreitig - trägt dem sogenannten Urheberprinzip Rechnung, also dem Gedanken, dass die Verfügungsbefugnis über eine Information grundsätzlich zunächst deren Urheber zusteht. § 3 Nr.6 schützt die fiskalischen Interessen des Bundes. Die Vorschrift ist ein Pendant zum Schutz wirtschaftlicher Interessen von Privaten nach § 6. Es ist wohl einsichtig, dass in Situationen, wo sich Staat und Private auf der Ebene der Gleichordnung als Vertragspartner gegenüber stehen, eine einseitige Pflicht zur Offenbarung von Informationen nicht gerechtfertigt ist. Wenn potentielle Vertragspartner beispielsweise bei einem Grundstücksverkauf Motive und Grenzen der Preisgestaltung ausforschen könnten, würde das die Verhandlungsposition des Bundes unangemessen schwächen.

Erst im Frühjahr diesen Jahres wurde § 3 Nr. 7 in den Gesetzentwurf eingefügt. Er soll die Nachrichtendienste und die Behörden und Stellen des Bundes, die entspre-

46

Claus Henning Schapper

chende Aufgaben wahrnehmen, vor Ausforschung schützen. Diese Regel spiegelt die Sensibilität für den Geheimhaltungsbedarf der Nachrichtendienste wider. Das Argument derer, die diese Schutzvorschrift ablehnen, ist nicht, dass die betreffenden Informationen nicht geheimhaltungsbedürftig seien, sondern dass in anderen Staaten und den Bundesländern eine solche Ausnahme nicht bestehe und dort auch nichts Schlimmes passiert sei. Dieses Argument überzeugt natürlich nicht, weil jedes Gesetz in seinem speziellen Kontext rechtlicher Regelungen und auch unter den konkreten Bedingungen der bestehenden Verwaltungspraxis und Rechtsprechung seine ganz eigene Wirkung entfaltet. Durch das gebundene Ermessen der Behörde, das in den Fällen des § 4 vorgesehen ist, kann und muss die Verwaltung bei besonderen Umständen auch in den hier aufgeführten Fallgruppen den Informationszugang gewähren. Betroffen hiervon sind Informationen über vorbereitendes Verwaltungshandeln, es sei denn, es handelt sich um Ergebnisse von Beweisaufnahmen, Gutachten und Stellungnahmen von Dritten. In der selben Weise geschützt sind vertraulich übermittelte oder erhobene Informationen. Diese Vorschrift hat ihre hauptsächliche Bedeutung im Verhältnis zwischen Behörden und Bürgern. Auf Behördenseite betrifft dies insbesondere das Bundeskartellamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den militärischen Abschirmdienst, die naturgemäß in hohem Maße auf eine Informationskooperation mit Bürgern angewiesen sind. Ihre Arbeit könnte empfindlich gestört werden, wenn Namen und Aussagen von Informanten allgemein zugänglich würden. Die Bereitschaft der Bürger zur Zusammenarbeit hängt in vielen Fällen davon ab, ob sie sich sicher sein können, dass ihre Angaben anonym bleiben. Auch Fälle, in denen durch das vorzeitige Bekanntwerden der Erfolg bevorstehender behördlicher Maßnahmen gefährdet würde, müssen vom Informationszugang ausgenommen werden können. Alle Vorschriften des § 4, wie ich sie Ihnen eben skizziert habe, sind auf der politischen Ebene weitgehend unstreitig. Dasselbe gilt für die Vorschriften des § 5 zum Schutz personenbezogener Daten. § 5 ist Spezialvorschrift gegenüber § 16 des Bundesdatenschutzgesetzes, der die Übermittlung personenbezogener Daten an nicht-öffentliche Stellen betrifft. Grundsatz ist in diesem Bereich, dass der Schutz personenbezogener Daten Vorrang vor dem Informationsinteresse des Antragstellers hat. Dennoch kann der Einzelfall anders gelagert sein. Um dies festzustellen, haben wir eine Interessenabwägung vorgesehen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist zu Gunsten des Antragstellers das Informationsinteresse der Allgemeinheit mit zu berücksichtigen, denn die mit dem Informationsfreiheitsgesetz bezweckte Transparenz dient nicht

Bundes-Infonnationsfreiheitsgesetz

47

nur dem Einzelnen, sondern ebenso der Öffentlichkeit insgesamt. Zugunsten des Dritten ist auch der Verwendungszusammenhang, insbesondere im sicherheitsbehördlichen Bereich, zu berücksichtigen. Größere Probleme gibt es im Bereich des Schutzes von privaten Interessen bei § 6 des Gesetzentwurfs. Er regelt den Schutz von geistigem Eigentum und Betriebsoder Geschäftsgeheimnissen. Dass der Anspruch auf Informationszugang nicht besteht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht, findet dabei die allgemeine Zustimmung. Umstritten ist dagegen - das habe ich ja vorhin schon einmal erwähnt -, ob auch beim Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eine Interessenabwägung durch die Behörde durchgeführt werden soll. Dafür spricht der Aspekt der Korruptionsbekämpfung, dagegen die Furcht der Unternehmen vor Ausforschung durch Konkurrenten. Beide Argumente haben beachtliches Gewicht. In diesem Punkt zu einem für alle Seiten akzeptablen Interessenausgleich zu kommen, wird eine der Hauptaufgaben der Beratungen in der kommenden Legislaturperiode sein. Meine Damen und Herren, dies ist - in zusammengefasster Form - der Diskussionsstand auf Bundesebene zum Informationsfreiheitsgesetz. Sie haben sich für heute die verdienstvolle Aufgabe gestellt, das Thema des freien Informationszugangs umfassend von allen Seiten zu beleuchten. Damit leisten Sie, wie ich gezeigt habe, einen wichtigen Beitrag zu Verständnis und Akzeptanz des Projekts eines Informationsfreiheitsgesetzes. Bei einem solchen Engagement für das Thema kann ja eigentlich in der kommenden Legislaturperiode nichts mehr schief gehen. Ich wünsche Ihnen noch einen fruchtbaren Verlauf der Tagung.

Der Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes Von Friedrich Schoch I. Ausgangslage . .. . . . ... . .. . ..... ... .. . ..... .. . . ..... . ........... .. ... .. .. . . . .... .. . . ... 49 I. Restriktionen des geltenden deutschen Infonnationszugangsrechts ..... . . . . . . . . . 50 a) Verfassungsrechtliche Infonnationsfreiheit ... .. ..... .. .. . .... ..... ...... .. ... 50 b) Gesetzeslage zum Infonnationszugang im öffentlichen Sektor nach Bundesrecht ...... . . . . . .. . . . ... . ... . ......... . . . ... . . . . . .. . . . ... . ..... . . .... . . . ... . ... . 52 2. Aktuelle Entwicklungen zur Einführung der Infonnationszugangsfreiheit ... .. .. 53 a) Europarecht und Völkerrecht . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Landesrecht . . . .. . ... . . .. ............ . . . ... . . . . . .. . ... . . . ....... ...... . . . . ... . . 53 H. Konzept der Infonnationsfreiheit im IFG-ProfE .... . ............. . ... . ........ .. .... 54 1. Grundsatz: Freiheit des Infonnationszugangs .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Anwendungsbereich des Infonnationsfreiheitsgesetzes . . .. .. . . .. .... . .... .. .. . . . 56 a) Gesetzgebung und Rechtspflege ....................... . ........ .. ............ 57 b) Regierung und Verwaltung ... . . . .. .. ... .... .. . . . . .. . . ... .... . . . . .. . . . . .. . . . . .. 58 c) Verhältnis des IFG zu spezialgesetzlichen Regelungen. .. ..... .. .. . ... . . ... . . 59 III. Grenzen des Infonnationszugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Notwendigkeit eines differenzierenden Schutzkonzepts . . . . ........... . . . .. . .. . .. 60 2. Einschränkungen des Infonnationszugangs ............... . . .. ... .. .... . ..... . . . .. 60 a) Schutz öffentlicher Belange .. ..... .. ......... . . . .... . .... . ............. . . . .... 60 b) Schutz privater Interessen .... . . . . . . .. ... .. ... .. ..... . ... .... . ... . . ....... . ... . 62 c) Beschränkter Infonnationszugang .................... . ....... . .... . .... . ..... 63 IV. Verfahren und Organisation des Infonnationszugangs ....... . .... . ............. . .... 64 I. Verfahren des Infonnationszugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Antragsverfahren ........... . ................ . .. . .... . ... ...... . .. . . . ... . ... . .. 64 b) Kostenpflicht ... . . . .................. ... . ... . .. .. .. . ......... . .... . ...... . ..... 65 2. Organisationsvorschriften .. . ......... . . . . ... . .... . . . . ... . .. .. . . . . .. . . . ......... . .. 65 V. Fazit und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 66

I. Ausgangslage

Wer es unternimmt, zum sog. Informationsverwaltungsrecht im Bereich des individuellen Zugangs zu staatlichen Informationen Reformvorschläge zu unterbreiten, wie dies der hier zu präsentierende sog. Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes 1 tut, sollte sich im Ausgangspunkt wenigstens in den Grundlinien der I Schoch/Kloepjer (unter Mitwirkung von Garstka), Infonnationsfreiheitsgesetz (lFG-ProfE) - Entwurf eines Infonnationsfreiheitsgesetzes für die Bundesrepublik Deutsch-

4 Kloepfer

50

Friedrich Schoch

geltenden Rechtslage vergewissern. Nur dann werden der Entwicklungsrückstand des deutschen Informationszugangsrechts im öffentlichen Sektor2 einerseits und die Komplexität sowie Schwierigkeit der zu bewerkstelligenden rechtspolitischen Aufgabe andererseits erkennbar. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Begründung, dass es vom Standpunkt einer - keiner "Kabinettsdisziplin" unterworfenen und keinen "Ressortegoismen" ausgesetzten - rechtswissenschaftlichen Innovationsforschung her gesehen vorgegebene "Tabus" nicht geben darf. Im Gegenteil, manches "Tabu thema" ist als solches kenntlich zu machen, und "politische Tabus" sind zu brechen, nicht aber wissenschaftlich zu legitimieren. 1. Restriktionen des geltenden deutschen Informationszugangsrechts Um einen festen Ausgangspunkt zu gewinnen, sollte mit Blick auf die geltende innerstaatliche Rechtslage zwischen dem Verfassungsrecht und dem einfachen Gesetzesrecht unterschieden werden. Nur so kann es gelingen, die Dimension auch des objektiven Verfassungsrechts zu erkennen, die dem Gesetzgeber möglicherweise gewisse Handlungsanleitungen gibt 3 • a) Verfassungsrechtliche Informationsfreiheit Verfassungsrechtlich ist die Informationsfreiheit durch Art. 5 Abs. I S. 1 GG geschützt. Danach hat jeder das Recht, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Die rechtliche und politische Bedeutung der Informationsfreiheit in einem freiheitlichen und demokratischen Gemeinwesen hat das Bundesverfassungsgericht eindringlich wie folgt beschrieben 4 : "Für die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Informationsfreiheit sind ... zwei Komponenten wesensbestimmend. Einmal ist es der Bezug zum demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG: Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen. Daneben weist die Informationsfreiheit eine individualrechtliche, aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Komponente auf. Es gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten, das eigene Wissen zu erweitern und sich so als Persönlichkeit zu entfalten. Zudem ist in der modemen Industriegesellschaft der Besitz von Informationen von wesentlicher Bedeutung für die soziale Stellung des Einzelnen. Das Grundrecht der Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]). Erst mit seiner Hilfe wird der Bürger in den Stand gesetzt, sich selbst die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung seiner perland, Schriftenreihe "Beiträge zum Informationsrecht", Band 1, Duncker & Humblot, 2002; vgl. dazu auch den Abdruck des Wortlauts des IFG-ProfE im Anhang. 2 Zusammenfassend dazu Schoch, Die Verwaltung 35 (2002), l49ff. 3 Vgl. zu diesem Konzept in Bezug auf die Gerichtsöffentlichkeit nach §§ 169ff. GVG das Sondervotum in BVerfGE 103, 72ff. 4 BVerfGE 27, 71 (8lf.).

Der Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes

51

sönlichen und politischen Aufgaben zu verschaffen, um im demokratischen Sinne verantwortlich handeln zu können."

Dieses Zitat entstammt nicht etwa einer Entscheidung aus diesen Tagen, sondern einem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Oktober 1969. Man könnte kritisch fragen, was in den vergangenen über drei Jahrzehnten gesetzgeberisch getan worden ist, um die grund gesetzliche Informationsfreiheit in Bezug auf den öffentlichen Sektor zur Entfaltung zu bringen. Anlass für die Fragestellung gibt die rechtsdogmatische Ausgestaltung der Informationsfreiheit des Grundgesetzes. Deren grundrechtlicher Schutzbereich umfasst kein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle; als Abwehrrecht sichert die Informationsfreiheit nur den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen gegen staatliche Beschränkungen 5 • Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit einer Informationsquelle kann der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG möglicherweise betroffen sein. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle aber nur dann, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen 6• Über die Zugänglichkeit und die Art der Zugangseröffnung entscheidet, wer nach der Rechtsordnung über ein entsprechendes Bestimmungsrecht verfüge. Behördliche Informationen, insbesondere Behördenakten und sonstige Informationsträger im Verwaltungsbereich, sind im Sinne "allgemein zugänglicher Quellen" der Öffentlichkeit - bislang - nicht gewidmet 8• Hier nun kommt die Verantwortung des Gesetzgebers zur Geltung. In seinem Urteil vom 24. Januar 2001 zur Zulässigkeit von Fernseh-Rundfunkaufnahmen in Gerichtsverhandlungen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt 9 ; "Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet."

Eindrucksvoll wird damit die partielle Normgeprägtheit des Grundrechts der Informationsfreiheit zum Ausdruck gebracht. Im Sinne einer klaren Verantwortungszuweisung wird aber auch dokumentiert, wer im funktionengegliederten Staat die Verantwortung für die Schaffung eines zeitgemäßen Konzepts zur Ausgestaltung der Informationsfreiheit trägt: der Gesetzgeber.

BVerfGE 103,44 (59f.). BVerfGE 27, 71 (83f.); 27,104 (l08); 33, 52 (65); 90, 27 (32). 7 BVerfGE 103,44 (60); zu möglichen Konsequenzen bei (zunehmender) Kommerzialisierung von Informationsquellen vgl. Schoch, VVDStRL 57 (1998),158 (180, 189f.). 8 BVerfG, NJW 1986, 1243; BVerwGE 47,247 (252); 61,15 (22). 9 BVerfGE 103,44 (61). 5 6

4*

52

Friedrich Schoch

b) Gesetzeslage zum Infonnationszugang im öffentlichen Sektor nach Bundesrecht Analysiert man auf dieser Basis die Gesetzeslage im geltenden Bundesrecht, tritt ein eher ernüchternder Befund zu Tage: Im Verwaltungsrecht dominiert nach wie vor der Grundsatz des Amtsgeheimnisses. Nach Allgemeinem Verwaltungsrecht gilt das Prinzip der sog. begrenzten Aktenöffentlichkeit (§ 29 VwVfG). Berechtigt zur Akteneinsicht sind nur Verfahrensbeteiligte. Das Akteneinsichtsrecht besteht lediglich während eines laufenden Verwaltungsverfahrens und auch dann nur, wenn die Kenntnis des Akteninhalts zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen des Verfahrensbeteiligten erforderlich ist 10. - Bereichsspezijisch bestehen diverse Infonnationszugangsrechte, die jedoch in der Regel ein "berechtigtes Interesse" (0. ä.) des Anspruchstellers voraussetzen 11 bzw. sich lediglich auf bestimmte Register beziehen 12.

Einzig im Umweltinformationsrecht verfügt das deutsche Bundesrecht über einen an keine materiellen Voraussetzungen gebundenen Anspruch auf freien Zugang zu Infonnationen über die Umwelt, die bei einer Behörde oder bestimmten Personen des Privatrechts vorhanden sind (§4 Abs.l UIG). Selbstkritisch muss man allerdings einräumen, dass dieser Rechtszustand im Grunde durch die EG-Umweltinfonnationsrichtlinie erzwungen worden ist, die die Bundesrepublik Deutschland zudem eher halbherzig umgesetzt hat 13 • Im Ergebnis zeigt der Befund, dass es ein allgemeines, materiell voraussetzungsloses Recht des Einzelnen auf Zugang zu staatlichen Infonnationen im geltenden Bundesrecht nicht gibt l4 . Dieser Rechtszustand ist - in einer sehr zurückhaltenden Fonnulierung - als "defizitär" kritisiert worden 15. Streng genommen muss man Deutschland bei der Infonnationszugangsfreiheit im öffentlichen Sektor das wenig schmeichelhafte Etikett eines "Entwicklungslandes" verpassen.

10 Zusammenfassend und mit umfangreichen Nachweisen Schoch, Die Verwaltung 35 (2002), 149 (153); ausführlich Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001, S. 245 ff. 11 Einzelheiten dazu bei Schild, RDV 2000, 96ff. 12 Zusammenstellung dazu bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. 1), Einleitung Rn. 17. 13 Vgl. dazu Rossi, UPR 2000, 175 ff.; Heselhaus, EuZW 2000, 298 ff. 14 Reinhardt, Die Verwaltung 30 (1997),161 (166ff.); Burkert, DuD 1998,430; Hatje, EuR 1998, 734 (736f.); Kugelmann, Informatorische Rechtsstellung (Fn. 10), S. 54 ff.; a. A. Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 403 f., der unter Rückgriff auf EG-Recht und Verfassungsrecht einen allgemeinen öffentlichrechtlichen Anspruch des Bürgers gegenüber der Verwaltung konstruiert. 15 Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 10 Rn. 7.

Der Professorenentwurf eines Inforrnationsfreiheitsgesetzes

53

2. Aktuelle Entwicklungen zur Einführung der Informationszugangsfreiheit

Diese Kritik ist allein schon veranlasst und gerechtfertigt auf Grund aktueller Entwicklungen im supranationalen und internationalen Bereich sowie angesichts der neueren Gesetzgebung in einigen Ländern. Mit Blick hierauf hat das geltende Bundesrecht die moderne Rechtsentwicklung einstweilen verpasst. a) Europarecht und Völkerrecht Im Europarecht gewährt Art. 255 Abs. 1 EGV für das sog. EG-Eigenverwaltungsrecht jeder natürlichen und juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem EGMitgliedstaat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Die dazu ergangene Ausführungsverordnung 16 erweist sich in ihrem Kern als "Transparenzverordnung" auf dem Gebiet des Informationszugangsrechts 17. Als Grundsatz ist das Recht des Einzelnen auf Informationszugang statuiert; der legitime Schutz gegenläufiger öffentlicher und privater Interessen wird durch Ausnahmebestimmungen zum Informationszugang sichergestellt. Rechtspolitisch proklamiert Art. 42 EG-Grundrechtecharta das Recht des Einzelnen auf Zugang zu Dokumenten der EG-Organe. Dadurch könnte die Informationszugangsfreiheit im öffentlichen Sektor einen weiteren Impuls erhalten. Auf der Ebene des Völkerrechts statuiert die sog. Aarhus-Konvention 18 einen materiellrechtlich voraussetzungslosen Anspruch des Einzelnen auf Zugang zu Umweltinformationen, die bei Behörden vorhanden sind. Dies stellt den Grundsatz dar. Nur unter bestimmten und eng auszulegenden Voraussetzungen darf der Anspruch abgelehnt werden. Im Übrigen hat der Informationszugang grundsätzlich in der gewünschten Form und spätestens einen Monat nach AntragsteIlung zu erfolgen l9 • b) Landesrecht Auf nationaler Ebene hat die Informationszugangsfreiheit im öffentlichen Sektor in den letzten Jahren im Landesrecht anerkennenswerte Fortschritte erzielt: - Brandenburg hat im Jahr 1998 den entsprechenden Verfassungsauftrag (Art. 21 Verf Bbg) eingelöst und ein "Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG)" geschaffen 20 • Im Grundsätzlichen wurde ein wichtiger Durchbruch erVO 1049/200 lIEG, abgedruckt bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. I), S. 321 ff. Einzelheiten dazu bei B. Wägenbaur, EuZW 2001, 680ff.; Partsch, NJW 2001, 3154ff.; Kloepfer, Inforrnationsrecht, § 10 Rn. 23. 18 Abgedruckt bei Schoch/Kloepjer, IFG-ProfE (Fn. 1), S. 306ff. 19 Einzelheiten bei Scheyli, ArchVR 38 (2000), 217 (228 ff.); Zschiesche, ZUR 2001, 177 ff.; Kloepjer, Inforrnationsrecht, § 10 Rn. 26. 20 Erläutemd dazu Breidenbach/Palenda, LKV 1998, 252ff.;dies., NJW 1999, 1307 ff.; Kneijel-Haverkamp, DuD 1998, 438ff.; monographisch Angelow, Grundlagen und Grenzen eines 16

17

54

Friedrich Schoch

zielt, in Einzelheiten bleibt das Gesetz hinter manchen Erwartungen 21 sicherlich zurück 22 . - Berlin verfügt seit 1999 über das "Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz - IFG BIn)". Auf etliche Restriktionen, die das AIG Bbg kennzeichnen, wurde verzichtee 3 • Eine erste umfangreichere Evaluation zur Anwendung des IFG BIn seitens der Senatsverwaltung für Inneres zeigt bestimmte Problemfelder auf und gibt Anlass zum Nachdenken über eine behutsame Fortentwicklung des Gesetzes 24 . - Schleswig-Holstein kennt seit 2000 das "Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein (Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein - IFG SH)"25. Dieses Gesetz vermeidet manche Unzulänglichkeit der in Brandenburg und Berlin bestehenden "Parallelgesetze"26. Aus der Praxis wird berichtet, dass sich die Mehrzahl der Verwaltungen auf die neue Gesetzeslage rasch und ohne größere Schwierigkeiten einstellen konnte 27 • - Nordrhein-Westfalen hat das "Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW)" erlassen, das am 1. I anuar 2002 in Kraft getreten ises. Praktische Erfahrungen liegen naturgemäß noch nicht vor.

Weitere Länder der Bundesrepublik Deutschland werden in den nächsten Monaten und Iahren sicherlich ebenfalls Informationsfreiheitsgesetze erlassen. Dadurch gewinnt das Landesrecht zunehmend Anschluss an die modeme Rechtsentwicklung; zugleich tritt jedoch eine fortschreitende Rechtszersplitterung auf dem Gebiet des Informationszugangsrecht im öffentlichen Sektor ein.

11. Konzept der Informationsfreiheit im IFG-ProfE Der IFG-ProfE knüpft an die geltende Rechtslage im Europarecht, Umweltinformationsrecht und im einschlägigen Landesrecht an, begreift den Entwicklungsrückstaatsbürgerlichen Informationsanspruchs, 2000, S.200ff.; Winterhagen, Der Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes des Landes Brandenburg, 2002. 21 Sehr kritisch zum AIG Bbg Partsch, NJ 1998, 346ff.; ders., NJW 1998, 2559ff. 22 Über praktische Erfahrungen nach drei Jahren AIG Bbg berichtet Dix, DuD 2002, 291 ff. 23 Einzelheiten bei Partsch, LKV 2001, 98ff. 24 Vgl. dazu Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2001, S. 155ff. 25 Kommentierung dazu von Friedersen/Lindemann, Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (IFG-SH), 2000. 26 Vgl. Weichert, DuD 2002, 262ff.; Nordmann, Die Gemeinde SH 20m, 40ff.; dies., RDV 2001,71 ff.; Friedersen, NordÖR 2001, 89ff. 27 Jürgens, DSB 6/2002, 9f. 28 Vgl. zur Entstehungsgeschichte LT-Drucks. 13/321, 13/1311, 13/1748.

Der Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes

55

stand des Bundesrechts als besondere rechtspolitische Herausforderung 29 , setzt auf den überfälligen Bewusstseinswandel zum Recht auf Informationszugang im öffentlichen Sektor in Deutschland 30 und ist von der Überzeugung getragen, dass die Zeit für ein Informationsfreiheitsgesetz bezüglich des Zugangs zu staatlichen (i. w. S.) Informationen reif ist 3' . Diese Grundannahmen sind nicht nur rechtswissenschaftlieh begründet, sondern sehen sich auch rechtspraktisch bestätigt; durchgehend verarbeitet sind im IFG-ProfE die belegbaren Erfahrungen mit dem Vollzug des UIG und der Landesgesetze. Die Systematik des IFG-ProfE behandelt im 1. Abschnitt die Informationszugangsfreiheit als allgemeinen Grundsatz und als individuellen Anspruch; ferner wird dem Regelungsvorschlag ein breiter Anwendungsbereich eingeräumt. Im 2. Abschnitt werden die Einschränkungen des Informationszugangs behandelt; es geht um den Schutz öffentlicher und privater Belange sowie um das beschränkte Informationszugangsrecht. Der 3. Abschnitt ist dem Verfahren des Informationszugangs gewidmet; AntragsteIlung und Antragsbescheidung sowie die Durchführung des Informationszugangs und Fragen der Kostentragung sind die wesentlichen Regelungsgegenstände. Der 4. Abschnitt schließlich befasst sich mit Organisationsvorschriften; er unterbreitet Regelungsvorschläge zu Informationsverzeichnissen und zum Beauftragten für Informationszugangsfreiheit. 1. Grundsatz: Freiheit des InJormationszugangs

Als Eingangsvorschrift eines modernen Informationsfreiheitsgesetzes muss als Grundsatz die InJormationszugangsJreiheit im öffentlichen Sektor normiert werden. Nur durch einen solchen gesetzlichen "Einstieg" in die Materie können der Entwicklungsrückstand des deutschen Informationszugangsrechts überwunden, der anachronistische Grundsatz des Amtsgeheimnisses beseitigt und der Anschluss an die moderne Rechtsentwicklung in jenem Bereich gewonnen werden. Der IFG-ProfE schlägt zu diesem zentralen Ausgangspunkt eine "Doppelstrategie" vor: Als primäre Zweckbestimmung wird der grundsätzlich freie Zugang zu den bei bestimmten öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen zum Ausdruck gebracht (§ I Nr. 1 IFG-ProfE). Zugleich soll die Informationszugangsfreiheit jedoch auch die demokratische Meinungs- und Willensbildung fördern und eine - verbesserte - Kontrolle staatlichen Handeins ermöglichen (§ 1 Nr.2 IFG-ProfE). Dieser Regelungsvorschlag bringt sowohl die individualrechtliehe Seite der Informationszugangsfreiheit als auch ihre institutionelle Dimension zur Geltung. Dadurch wird für die rechtliche Bewältigung gegenläufiger Interessen eine wichtige Auslegungshilfe im Konfliktfall geboten, die letztlich der Stärkung des individuel29

30 31

Dazu (am Beispiel des defizitären Rechts auf Akteneinsicht) Nolte, DÖV 1999, 363ff. SchochlKloepfer, IFG-ProfE (Fn. 1), Einleitung Rn. 26ff. Vgl. auch Schubert, DuD 2001, 400ff.

56

Friedrich Schoch

len Anspruchs auf Informationszugang dient 32 . Dieser Anspruch ist als materiellrechtlich voraussetzungsloser allgemeiner Informationszugangsanspruch im öffentlichen Sektor ausgeformt (§ 2 Abs. 1 IFG-ProfE). Er setzt weder eine "persönliche Betroffenheit" noch ein "berechtigtes Interesse" des Anspruchstellers voraus und besteht unabhängig von einem laufenden Verwaltungsverfahren 33 . Gegenstand des Anspruchs sind die bei der anspruchsverpflichteten öffentlichen Stelle vorhandenen Informationen; eine Art "behördliche Beschaffungspflicht" besteht nicht. "Informationen" sind - unabhängig vom Informationsträger (§ 4 Abs. 2 S. I IFG-ProfE) - alle in Form von Schrift, Bild, Ton oder sonstigen Daten vorliegenden Aufzeichnungen, soweit sie amtlichen Zwecken dienen (§ 4 Abs. 1 IFG-ProfE). Nicht erfasst werden Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil des Vorgangs sind und spätestens nach dessen Abschluss vernichtet werden (§ 4 Abs. 2 S. 2 IFG-ProfE)34. Eine gesonderte inhaltliche Richtigkeitskontrolle erfolgt seitens der anspruchsverpflichteten Stelle nicht; allerdings sind bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit der Information mitzuteilen (§ 2 Abs. 2 IFG-ProfE)35.

2. Anwendungsbereich des InformationsJreiheitsgesetzes Die so skizzierte Informationszugangsfreiheit hängt in ihrem praktischen Gebrauch entscheidend vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ab 36 . Rechtstechnisch wird der Anwendungsbereich des Gesetzes durch die Bemessung der Anspruchsverpflichteten markiert. An diesem Punkt zeigt sich in besonderer Weise, wer Informationsfreiheit nicht nur in "Sonntagsreden predigt", sondern sie auch wirklich will. Der IFG-ProfE weicht mit seinen Vorschlägen zum Anwendungsbereich eines Informationsfreiheitsgesetzes erheblich von den restriktiven bis geradezu ängstlichen Regelungen im einschlägigen Landesrecht (§ 2 AIG Bbg 37 , § 2 Schoch/ Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 1 Rn.6. Nach § 3 Abs.4 IFG-ProfE wird der Infonnationszugang in laufenden Verwaltungsverfahren nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt. Dadurch wird einstweilen insbesondere der Einheit des Verwaltungsverfahrensrechts (vgl. § 137 Abs. 1 Nr.2 VwGO) Rechnung getragen. Die Auflösung der Wertungswidersprüche zwischen demIFG und § 29 VwVfG (sowie verwandter Vorschriften) stellt indessen eine weitere rechtspolitische Aufgabe dar. Schmitz, NVwZ 2000, 1238 (1243), schlägt eine Streichung von § 29 Abs. I S. I HS.2 VwVfG vor. Auf dieser Linie liegt z. B. §4a Abs. I BlnVwVfG. Damit ist aber nur eine Teillösung erzielt, vgl. Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 3 Rn. 28. - Aus Brandenburg wird berichtet, dass sich die generelle Ausnahme laufender Verwaltungsverfahren vom Anwendungsbereich des AIG Bbg nicht bewährt habe; vgl. Dix, DuD 2002, 291 (293f.). 34 Zur Verhinderung gesetzeswidriger Intransparenz unterbreitet Voßkuhle, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Infonnationsgesellschaft, 2000, S. 349 (384 ff.), folgenden Vorschlag: Verwertet und ggf. in einem Verwaltungsprozess berücksichtigt werden dürfen nur diejenigen Infonnationen, die öffentlich zugänglich sind und jene Infonnationen, die einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse unterliegen. 35 Vgl. dazu Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. I), § 2 Rn. 25 f. 36 Friedersen, NordÖR 2001, 89. 37 Einzelheiten dazu bei Breidenbach/Palenda, LKV 1998,252 (253 f.); Kneifel-Haverkamp, DuD 1998,438 (439f.); kritisch Partsch, NJ 1998,346 (348); ders., NJW 1998,2559 (2560f.). 32

33

Der Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes

57

IFG Bln 38 , § 3 IFGSH 39 , § 3 IFG NW 40) und den Gesetzentwürfen des Bundes zum allgemeinen Infonnationszugangsrecht 41 und zum Verbraucherinfonnationsrecht42 ab. Die außerordentlich komplexe Thematik weist mehrere Problemschichten auf. Dabei soll an dieser Stelle nicht auf die bundesstaatliche Dimension der Fragestellung eingegangen, sondern lediglich der Hoffnung Ausdruck verliehen werden, dass sich der Bund letztlich nicht vom tagespolitischen Machtkalkül der Länder (mit der wenig erfreulichen Aussicht auf eine unzeitgemäße "Kleinstaaterei" beim Infonnationszugangsrecht) beeindrucken lässt 43 , sondern doch noch die Kraft für eine umfassende bundesgesetzliehe Regelung der Infonnationsfreiheit im öffentlichen Sektor findet 44 • Vielleicht kommt ja das Europarecht demnächst der Bundesrepublik Deutschland zu Hilfe, wenn es um den sachangemessenen und inhaltlich sinnvollen Einsatz der Gesetzgebungskompetenzen geht. Abgesehen von der bundesstaatlichen Dimension der rechtspolitischen Perspektiven wirft die Frage nach dem Anwendungsbereich eines Infonnationsfreiheitsgesetzes drei wesentliche Problemstellungen auf: (a) unter dem Aspekt der Funktionenordnung die Einbeziehung von Gesetzgebung und Rechtspflege, (b) innerhalb der vollziehenden Gewalt die Zulassung bereichsspezifischer Ausnahmen sowie die Einordnung bestimmter Privatrechtssubjekte und (c) unter rechtssystematischen Vorzeichen das Verhältnis eines Infonnationsfreiheitsgesetzes zu spezialgesetzlichen Bestimmungen. a) Gesetzgebung und Rechtspflege Die Überwindung des rechtlichen Prinzips des Amtsgeheimnisses zielt in erster Linie selbstverständlich auf die Einführung der Infonnationszugangsfreiheit im Bereich von Regierung und Verwaltung. Gesetzgebung und Rechtspflege sollten in diesem Zusammenhang der notwendigen Aufmerksamkeit jedoch nicht entgehen. Das geltende Landesrecht nimmt beide Bereiche - jedenfalls soweit sie keine VerwalErläuternd dazu Partsch, LKV 2001, 98. Einzelheiten dazu bei Nordmann, Die Gemeinde SH 2001,40 (41); dies., RDV 2001, 71 (74); Friedersen, NordÖR 2001, 89f. 40 Zu den gesetzgeberischen Erwägungen hierzu vgl. LT-Drucks. NW 1311311, S.lO. 41 § 1 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu amtlichen Informationen des Bundes - IFG - (Stand: 29.09.2001 mit Einfügungen/Streichungen vom 12.04.2002), dazu Begründung S. 21 ff. 42 Vgl. zu den verschiedenen Entwurfsfassungen im Gesetzgebungsverfahren § 2 VerbIG-E BT-Drucks. 14/8738 (kritisch dazu die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/8992, S. 1 f.; einlenkend die Bundesregierung aaO S. 7), Art. 1 § 2 VerbIG-E BT-Drucks. 14/9065, Art. 1 § 2 VerbIG-E BR-Drucks. 425/02. 43 Zur - vorläufigen - Haltung des Bundes in der Frage der Gesetzgebungskompetenz Schmitz, NVwZ 2000, 1238 (1243). 44 Zur juristischen Lösung der Kompetenzfrage vgl. Schoch/ Kloepjer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 3 Rn.9ff. 38

39

58

Friedrich Schoch

tungstätigkeit ausüben - von der Infonnationszugangsfreiheit aus. Inhaltlich begründet wird dies nicht 45 • In Bezug auf die Gesetzgebung ist in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen jedoch nicht ersichtlich, wieso ihr bei der Schaffung von Transparenz eine Privilegierung gegenüber der Exekutive eingeräumt werden soll. Das EG-Recht nimmt übrigens eine unterschiedliche Behandlung von Europäischem Parlament, Rat und Kommission nicht vor 46 • Der IFG-ProfE (§ 3 Abs.2 S. 1 Nr. 1) schlägt deshalb vor, den Anwendungsbereich eines Infonnationsfreiheitsgesetzes auch auf die gesetzgebenden Körperschaften zu erstrecken; eine Ausnahme wird für deren nicht-öffentliche Tätigkeit anerkannt. Im Bereich der Rechtspflege werden Bereichsausnahmen für Gerichte, Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden sowie Disziplinarbehörden vorgeschlagen. Allerdings gilt dies nur, soweit diese Stellen als Organe der Rechtspflege tätig werden (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr.2 IFG-ProfE). Keine Ausnahme kann bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben anerkannt werden. Im Übrigen bleibt es bei den bereichsspezifischen Bestimmungen des (gerichtlichen) Verfahrensrechts 47 • b) Regierung und Verwaltung Für den Bereich der Exekutive besteht die verbreitete Neigung, gleichsam "großflächig" für den Geschäftsbereich ganzer Ministerien oder für bestimmte Behörden die Infonnationszugangsfreiheit von vornherein auszuschließen 48 • Derartige Privilegierungen sind nicht gerechtfertigt und daher abzulehnen. Hilfreich ist auch an dieser Stelle wiederum ein Blick in das Europarecht. Dort wird die Infonnationszugangsfreiheit von ihrem Anwendungsbereich her sogar auf den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 28 Abs. 1 EUV) und auf die Polizeiliche und lustizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 41 Abs. 1 EUV) erstreckt 49 • Der - in der Sache ja nicht bestrittene - notwendige Schutz gegenläufiger öffentlicher Interessen erfolgt nicht mittels bereichsspezifischer Ausnahmen, sondern durch sachbezogene Ausnahmeregelungen, die anerkennenswerte öffentliche Belange präzise benennen (Art.4 VO 1049/2001/EG)5o. Nicht anders sollte in einem deutschen Infonnationsfreiheitsgesetz verfahren werden. Vor diesem Hintergrund müssen Verpflichtungsadressaten im exekutiven Bereich zunächst einmal selbstverständlich "Behörden" (§ 1 Abs.4 VwVfG) sein. Einzubeziehen sind darüber hinaus aber auch sonstige öffentliche Stellen (im funktionalen 45 Weichert, DuD 2000, 262 (263), verweist auf eine entsprechende "deutsche Verfassungstradition" . 46 Vgl. Art. 255 Abs.l EGV, Art. 2 Abs.4 VO 1049/2001/EG. 47 Dazu Schoch/Kloepjer, IFG-ProfE (Fn. I), § 3 Rn. 21. - Ferner findet sich eine Ausnahmebestimmung für den Rechnungshof in § 3 Abs.2 S. I Nr.3 IFG-ProfE. 48 Exemplarisch insoweit § 3 IFG-E des Bundes (Fn.4I). 49 Dazu B . Wägenbaur, EuZW 2000, 193. 50 Einzelheiten dazu bei B. Wägenbaur, EuZW 2001, 680 (682ff.).

Der Professorenentwurf eines Inforrnationsfreiheitsgesetzes

59

Sinn). Andernfalls führt z. B. allein schon die Verlagerung öffentlicher Aufgaben auf Eigengesellschaften von Bund, Ländern oder Kommunen (sog. Organisationsprivatisierung) zur Unanwendbarkeit des Infonnationsfreiheitsgesetzes 51 • Der IFG-ProfE geht aber noch einen Schritt weiter und erfasst auch den anhaltenden Trend zur funktionalen Privatisierung und zur materiellen Aufgabenprivatisierung. Vorgeschlagen wird, den Anwendungsbereich des Infonnationsfreiheitsgesetzes auf solche Privatrechtssubjekte zu erstrecken, deren sich Behörden zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bedienen und die insoweit der Aufsicht oder entsprechenden behördlichen Einflussnahme unterstehen (§ 3 Abs.l Nr.4 IFG-ProfE)52. Einbezogen werden dadurch nicht nur Beliehene, sondern auch z. B. Verwaltungshelfer und (Betriebs-)Beauftragte. Maßgeblich ist immer der öffentlichrechtliche Funktionszusammenhang, in dem agiert wird. Die Handlungsfonn (der Verwaltung) darf keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des Infonnationsfreiheitsgesetzes haben 53 • c) Verhältnis des IFG zu spezialgesetzlichen Regelungen Von besonderer Brisanz für die Durchsetzung der allgemeinen Infonnationszugangsfreiheit im öffentlichen Sektor ist schließlich das Verhältnis des allgemeinen Anspruchs zu spezialgesetzlich nonnierten Ansprüchen des Infonnationszugangs. Dabei muss man sehen, dass diese nicht selten Voraussetzungen statuieren, die nach dem Infonnationsfreiheitsgesetz gerade nicht bestehen sollen. Der IFG-ProfE erteilt einer Regelungsstrategie eine Absage, die allen bereichsspezifischen Regelungen generell einen Vorrang einräumt54 • Der Vorrang spezialgesetzlicher Bestimmungen wird nur bei deren Existenz vor Inkrafttreten eines Infonnationsfreiheitsgesetzes anerkannt. Später erlassene Vorschriften genießen in ihrem Regelungsbereich Vorrang, abschließend sollen sie jedoch bei weniger weit gehenden Ansprüchen nicht sein. Nach dem unterbreiteten Regelungsvorschlag (§ 2 Abs. 3 IFG-ProfE) setzt das Infonnationsfreiheitsgesetz fortan Mindeststandards und greift subsidiär ein, wenn Spezial gesetze nur Teil-Regelungen zum Infonnationszugang treffen. Anderes gilt nur dann, wenn der "Fach"gesetzgeber dies ausdrücklich bestimmt55 .

Hiergegen bereits Häfner/Gerlach, ZRP 1998, 123 (125). Erläuternd dazu Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 3 Rn. 6 f. und Rn. 14 f. 53 Nordmann, RDV 2001, 71 (74). 54 So aber § 1 AIG Bbg; § 1 Abs. 1 S. 1 IFG-E des Bundes (Fn.41), dazu Begründung S. 18 f. und S. 22 f. (grundsätzlich keine ergänzende Geltung des IFG im Anwendungsbereich von Spezialgesetzen, keine Verdrängung weiter gehender oder restriktiverer Spezial gesetze); ebenso zu § 17 IFG SH Friedersen, NordÖR 2001, 89 (91); anders Nordmann, RDV 2001,71 (82). 55 Einzelheiten zu dem Konzept bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. l), §2Rn.27ff. und §3 Rn. 24f. 51

52

60

Friedrich Schoch

IU. Grenzen des Informationszugangs J. Notwendigkeit eines differenzierenden Schutzkonzepts

Auch eine zeitgemäße Durchsetzung der Infonnationszugangsfreiheit im öffentlichen Sektor muss - selbstverständlich - gegenläufige schutzwürdige Belange respektieren. Ein schrankenloses allgemeines Infonnationszugangsrecht kann es nicht geben. Aufgegeben ist der Rechtspolitik die ausgewogene Austarierung antinomischer Interessen. Das dafür zu entwickelnde Konzept muss beachten, dass eine allzu großzügige Zulassung von Ausnahmen die Infonnationszugangsfreiheit nicht unerheblich einschränkt 56. Außerdem sollte von vornherein unstreitig sein, dass ein Großteil der dem Infonnationszugang unterfallenden Unterlagen weder wegen öffentlicher Belange geheimhaltungsbedürftig ist noch Bezüge zu personenbezogenen Daten aufweist 57 • Soweit eine den Infonnationszugang begrenzende Schutzwürdigkeit besteht, sollte zwischen dem Schutz öffentlicher Belange (a) und privater Interessen (b) unterschieden werden; soweit sich der vollständige Ausschluss des Infonnationszugangs bei entgegenstehenden Schutzrechten venneiden lässt, ist schon aus Gründen des Übennaßverbots ein beschränkter InJormationszugang vorzusehen (c). Erfahrungen aus dem Landesrecht, die die dortige zu großzügige Zulassung von Ausnahmen als "problematisch" bezeichnen 58 , sollten für ein differenzierendes Schutzkonzept fruchtbar gemacht werden. Dazu schlägt der IFG-ProfE ein Modell vor, das nach dem Gewicht des Versagungsgrundes differenziert und die dem Infonnationszugang entgegen stehenden Gründe in Fonn von "Ist-", "Soll-" und "Kann"- Ablehnungstatbeständen zur Geltung bringt 59 • 2. Einschränkungen des InJormationszugangs

a) Schutz öffentlicher Belange Bei der Ausgestaltung der dem Infonnationszugangsanspruch widerstreitenden öffentlichen Interessen sollte angesichts der im Umweltinfonnationsrecht mit dem EG-Recht gemachten Erfahrungen 60 darauf geachtet werden, dass nur hochrangige oder doch gewichtige öffentliche Belange in die Ausnahmetatbestände aufgenommen werden. Einen zwingenden Ausschlusstatbestand zum Schutz bestimmter öffentlicher Interessen und der Rechtsdurchsetzung schlägt § 5 IFG-ProfE vor. DaKloepjer, Informationsrecht, § 10 Rn.40 (in Bezug auf den IFG-E des Bundes). Bleyl, DuO 1998, 32 (33 f.). 58 Dix, DuO 2002, 291 (293), zum AIG Bbg. 59 Zum Konzept vgl. Schoch/Kloepjer, IFG-ProfE (Fn.l), Vorbemerkung zu §§ 5 bis 9. 60 Vgl. EuGHE 1999,5087 = DVBI 1999, 1494 (m. Anm. Pitschas/Lessner, DVBI 2000, 332) zu § 7 Abs. 1 Nr.2 UIG (a. F.). 56 57

Der Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes

61

nach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informationen dem Wohle des Bundes oder eines Landes schwerwiegende Nachteile bereiten würde, insbesondere die internationalen und supranationalen Beziehungen, die Beziehungen zwischen Bund und Ländern oder zwischen den Ländern, die Landesverteidigung oder die innere Sicherheit schädigen würde 61 . Sodann ist der Informationszugang - ebenso wie im einschlägigen Landesrecht 62 - zum Schutz der Strafverfolgung, der allgemeinen Rechtspflege sowie des Ordnungswidrigkeiten- und des Disziplinarrechts ausgeschlossen (Schutz der Rechtsdurchsetzung). Schließlich besteht der Anspruch auf Informationszugang auch dann nicht, wenn durch das Bekanntwerden der Informationen Angaben und Mitteilungen von öffentlichen Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Informationsfreiheitsgesetzes offenbart würden und jene Stellen in die Offenbarung nicht eingewilligt haben oder von einer Einwilligung nicht auszugehen ist 63 . Im Grundsatz unumstritten, in der konkreten Ausgestaltung jedoch schwierig ist der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses gegenüber dem Informationszugang. § 6 IFG-ProtE präsentiert einen Regelungsvorschlag, der auf der Tatbestandsseite der Schutzvorschrift anerkennenswerte Ausschlussgründe normiert und auf der Rechtsfolgenseite abgestufte Befugnisse beinhaltet64 • In Bezug auf den Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen 65 und vorbereitenden Aufzeichnungen (Vorentwürfe, Notizen) ist der Informationszugang obligatorisch ausgeschlossen 66 . Ferner soll der Informationszugang versagt werden, wenn er missbräuchlich ist 67 ; dem steht der Fall gleich, dass der Antragsteller über die begehrten Informationen bereits verfügt (§ 6 Abs. 2 IFG-ProtE)68. Schließlich wird zur generellen Sicherung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung eine Ermessensvorschrift vorgeschlagen (§ 6 Abs. 3 IFG-ProtE); Schutzgegenstand sind insbesondere der Erfolg behördlicher Maßnahmen, der Ablauf des Verwaltungsverfahrens und die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der öffentlichen Stelle 69 . 61

Erläuternd SchochlKloepjer, IFG-ProfE (Fn. I), § 5 Rn. IOf.

62 Ebenso § 9 Nr.2 und Nr. 3 IFG SH; ähnlich § 6 Satz 1 lit. a) und b) IFG NW; extensiver § 4

Abs. 1 Nr.4 und Nr. 5 AIG Bbg; restriktiv § 9 Abs. 1 S.2 IFG Bin. 63 Ebenso § 10 Abs. 3 IFG Bin; § 4 Abs. 1 Nr.2 AIG Bbg; § 6 Satz 1 lit. c) IFG NW, - Anders § 9 IFG SH; zu dadurch verursachten Schwierigkeiten Nordmann, RDV 2001,71 (75). - Zum Gebot der Rücksichtnahme bei Informationen von anderen Hoheitsträgern BreidenbachlPalenda, LKV 1998, 252 (255). 64 Anders, d. h. zu weit gehend § 4 Abs. 1 und 2 AIG Bbg; vgl. die Kritik von Partseh, NJ 1998, 346 (349) und NJW 1998,2559 (2561 f.); nicht überzeugend der Rechtfertigungsversuch von BreidenbachlPalenda, NJW 1999, 1307 (1309). - Zu eng § 10 IFG SH; vgl. dazu Nordmann, RDV 2001, 71 (76). 65 Dazu am Beispiel von Kabinettsvorlagen OVG SH, NVwZ 2000, 341. 66 Einzelheiten bei SchochlKloepjer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 6 Rn. 14. 67 Dazu aus der Praxis am Beispiel des Umweltinformationsrechts VG München, GewArch 1996,173 (174) = NVwZ 1996,410 (411). 6& Weiter gehend § 6 Abs. 4 AIG Bbg und § 5 Abs.4 IFG NW: ausreichend, dass der Anspruchsteller sich die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. 69 Einzelheiten dazu bei SchochlKloepjer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 6 Rn. 17 ff.

62

Friedrich Schoch

b) Schutz privater Interessen Beim Schutz privater Interessen gegenüber dem Informationszugang geht es zunächst um den Schutz personenbezogener Daten. Der hierzu unterbreitete Regelungsvorschlag (§ 7 Abs. I IFG-ProtE) folgt nicht dem im Landesrecht anzutreffenden Modell, demzufolge sich der Datenschutz regelmäßig gegenüber dem Informationszugangsrecht durchsetzt 70. Favorisiert wird vielmehr eine rechtlich strukturierte und konditionierte Abwägungsklausel. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang grundsätzlich nicht, soweit durch das Bekanntwerden der Informationen personenbezogene Daten offenbart, dadurch schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden und das Informationsinteresse des Antragstellers das Schutzinteresse des Betroffenen nicht überwiegt 7\. Ausdrücklich wird sodann bestimmt (§ 7 Abs. 2 IFG-ProtE), dass die Offenbarung personenbezogener Daten unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist (Einwilligung des Betroffenen, gesetzliche Zulassung, Schutz erheblicher Gemeinwohlbelange, Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigungen der Rechte Anderer). Spezielle Bestimmungen werden zur Offenbarung personenbezogener Daten von Amtsträgern vorgeschlagen (§ 7 Abs. 3 IFG-ProtE). Verfahrensrechtlich sollte grundsätzlich die Anhörung Betroffener vorgeschrieben werden 72. Zur Vermeidung von Verzögerungen beim Informationszugang ist die Bestimmung einer Frist zweckmäßig, nach deren Ablauf von der Einwilligung des Betroffenen auszugehen ist (§ 7 Abs.4 S. 2 IFG-ProtE). Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn der Betroffene nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand erreicht werden kann; allerdings muss dann eine unverzügliche Unterrichtung des Betroffenen über die Offenbarung der personenbezogenen Daten erfolgen (§ 7 Abs. 4 S. 3 und4 IFG-ProtE). Unbestritten ist im Grundsätzlichen die Notwendigkeit eines Schutzes 73 von Betriebs- und Geschäjtsgeheimnissen 74 im Informationszugangsrecht15 • Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit durch das Bekanntwerden der Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart würde und das Interesse Betroffener an der Geheimhaltung das Offenbarungsinteresse Dritter oder der Öffentlichkeit überwiegt (§ 8 Abs. 1 S. 1 IFG-ProtE). Zulässig ist die Offenbarung von So § 5 Abs. I S. I Nr. I AIG Bbg; kritisch dazu Dix, DuO 2002, 291 (294). Einzelheiten zu Struktur und Inhalt dieses Modells bei SchochlKloepfer, IFG-ProfE (Fn. I), § 7 Rn. 7 ff. und Rn. 12 ff. 72 Eine obligatorische Anhörung ist vorgeschrieben in § 14 Abs.2 IFG Bin; § 6 Abs.3 AIG Bbg; § 9 Abs.2 S. 2 IFG NW; § 12 Abs.2 IFG SH. 7J Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterfallen dem Schutzbereich des Art. 14 Abs.1 S. I GG; Breuer, NVwZ 1986, 171 (174); Berg, GewArch 1996, 177 (178); Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung im Verwaltungsrecht, 1998, S. 323 ff. 74 Zur Begriffsbestimmung (im Anschluss an § 203 StGB, § 17 UWG, § 30 VwVfG) vgl. NdsOVG, NJW 1997, 2469; Rudo, GewArch 1998, 224f.; Trantas, Akteneinsicht (Fn.73), S.483. 75 Zum einschlägigen Landesrecht vgl. § 7 IFG Bin; § 5 Abs. 1 S. 1 Nr.3 AIG Bbg; § 8 IFG NW; § 11 IFG SH. 70 7\

Der Professorenentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes

63

Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter denselben Voraussetzungen wie die Preisgabe personenbezogener Daten (§ 8 Abs. 1 S. 2 IFG-ProfE). Der Schutz des geistigen Eigentums muss gewahrt werden (§ 8 Abs. 1 S.3 IFG-ProfE). Wichtig ist die verfahrens rechtliche Einbeziehung Betroffener in das Schutzkonzept. Wer gegenüber öffentlichen Stellen Angaben zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen über seinen Gewerbebetrieb macht, sollte verpflichtet werden, diese zu kennzeichnen, getrennt vorzulegen und darzulegen, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt1 6 • c) Beschränkter Informationszugang Stehen dem geltend gemachten Anspruch auf Informationszugang öffentliche oder private Belange entgegen, kann dies zur Ablehnung des Informationszugangs führen. Das ist freilich eine vergleichsweise rigide Lösung des Interessenkonflikts. Im Umweltinformationsrecht wurde vom EuGH 77 - gegen die vormalige deutsche Rechtslage nach dem UIG (a. E) - die Eröffnung eines beschränkten Informationszugangs durchgesetzt 78, um nicht erforderliche "entweder-oder-Entscheidungen" zu vermeiden 79. § 9 IFG-ProfE schlägt ein gestuftes Modell zum beschränkten Informationszugang vor, das den gegenseitigen Interessen wie folgt Rechnung trägt 80 :

- Zur Gewährleistung des beschränkten Informationszugangsrechts sind geheimhaltungsbedürftige Angaben durch Schwärzung 81 oder auf andere Weise unkenntlich zu machen. - Scheidet dies im konkreten Fall jedoch aus, sind die geheimhaltungsbedürftigen Informationsanteile auszusondern, um den beschränkten Informationszugang sicherzustellen 82. - Kommt auch dies im Einzelfall nicht in Betracht, tritt an die Stelle des unmittelbaren Informationszugangs zur Quelle die bloße Auskunfterteilung 83 • Daraus wird deutlich: Die vollständige Ablehnung des Informationszugangs im öffentlichen Sektor kann in einem modemen Informationsfreiheitsgesetz immer nur ultima ratio sein 84 • 76 Hierzu sowie zu weiteren Mitwirkungspflichten und -obliegenheiten Betroffener vgl. Schoch/Kloepjer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 8 Rn. 21 ff. 77 EuGHE 1999,5087 = DVBI 1999, 1494 - Tz. 34ff. 78 Vgl. nunmehr § 4 Abs. 2 UlG. 79 Vgl. zum Landesrecht § 12 IFG Bin; § 6 Abs. 2 AIG Bbg; § 14 IFG SH. 80 Einzelheiten dazu bei Schoch/Kloepjer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 9 Rn. 9ff. 8\ Am Beispiel des Umweltinformationsrechts BVerwGE 108, 369 (379). 82 VG München, GewArch 1996, 173 (174) = NVwZ 1996,410 (411) zum UlG. 83 Nordmann, Die Gemeinde SH 2001, 40 (44); dies., RDV 2001, 71 (79). 84 Auf die Möglichkeit sogar von Teil-Auskünften weist (am Beispiel von § 50 ASOG Bin) BVerfG, DVBI2ool, 275 (277) = NVwZ 2001,185 (186), hin.

64

Friedrich Schoch

IV. Verfahren und Organisation des Informationszugangs Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die praktische Wirksamkeit des Informationszugangsrechts sind - wie leidvolle Erfahrungen aus dem Umweltinformationsrecht belegen 85 - verfahrensrechtliche und organisatorische Vorkehrungen. Insoweit stellen sich viele Detailfragen, die eine eigenständige Untersuchung erfordern. Hier kann nur in der gebotenen Kürze auf einige wenige Problemfelder eingegangen werden, die die Praxis in besonderem Maße beschäftigen. 1. Verfahren des Informationszugangs

a) Antragsverfahren Aus rechtsstaatlichen Gründen empfiehlt § 10 IFG-ProfE ein Antragsverfahren, das mit klaren gesetzlichen Anforderungen an die ordnungsgemäße AntragsteIlung verbunden ist und der öffentlichen Stelle Beratungspflichten und sonstige Serviceleistungen auferlegt 86 • Ein besondere~ Gewicht kommt der Bescheidung des Antrags in angemessener Zeit zu. Fehlende gesetzliche Fristen werden in der Praxis als erheblicher Mangel des Informationszugangsrechts kritisiert 87 • Über das angemessene Zeitmaß lässt sich naturgemäß trefflich streiten. Dabei ist die Zügigkeit des Verfahrens nur ein Aspekt, der die gesetzliche Vorgabe zu steuern vermag 88 • In Rechnung zu stellen sind auch die Sorgfalt der Antragsprüfung und vor allem die notwendige Anhörung Betroffener, soweit deren schutzwürdigen Interessen betroffen sind. § 11 Abs. 1 IFG-ProfE schlägt vor, die unverzügliche Bescheidung eines ordnungsgemäßen Antrags vorzuschreiben, der öffentlichen Stelle jedoch längstens einen Monat Zeit zu geben (Satz 1); bei der erforderlichen Anhörung Betroffener verlängert sich die Frist auf drei Monate (Satz 2). Die praktischen Erfahrungen aus dem Umweltinformationsrecht lehren, dass der Fall der Untätigkeit öffentlicher Stellen regelungsbedürftig ist. Im einschlägigen Landesrecht wird bei nicht fristgemäßer Bescheidung des Antrags eine Ablehnungsentscheidung fingiert 89 • § 11 Abs. 1 S.3 IFG-ProfE macht einen entgegengesetzten Vorschlag und erklärt die Fiktion einer Stattgabe des Antrags für vorzugswürdig. Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass die Untätigkeit der anspruchsverpflichteten Stelle nicht auch noch prämiert werden soll und die Last eines Rechtsschutzverfahrens dem Antragsteller auferlegt wird 90. Vgl. LeniuslEkardt, ZAU 1998, 278 ff. Einzelheiten bei SchochlKloepfer, IFG-ProfE (Fn.I), § 10 Rn. 7ff. 87 Dix, DuD 2002, 291 (294); zum IFG-E des Bundes (Fn.4l) Kloepfer, Informationsrecht, § 10 Rn.46. 88 Vornehmlich allein hierauf abstellend aber Partsch, LKV 2001, 98 (IOOf.). 89 § 7 Abs.4 IFG SH; dazu Nordmann, Die Gemeinde SH 2001, 40 (44); Friedersen, NordÖR 2001, 89 (91). 90 Vgl. SchochlKloepfer, IFG-ProfE (Fn.I), § II Rn. 14. 85

86

Der Professorenentwurf eines Infonnationsfreiheitsgesetzes

65

b) Kostenpflicht Als besonders sensibler Punkt erweist sich die Kostenpflicht beim Informationszugang. Einerseits ist der Zustand der öffentlichen Haushalte nicht so beschaffen, dass ein völliger Verzicht auf die Kostenerhebung befürwortet werden kann 91 • Andererseits muss jede Kostenregelung im Informationsfreiheitsgesetz eine prohibitive Wirkung für Anspruchsberechtigte vermeiden; auch insoweit bietet das Umweltinformationsrecht abschreckende Beispiele 92 • § 14 IFG-ProfE schlägt eine eigenständige Kostenregelung im Informationsfreiheitsgesetz vor, die auf eine sachangemessene und ausgewogene Preis gestaltung zielt, auf das gebührenrechtliche Kostendeckungsprinzip ebenso verzichtet wie auf das Äquivalenzprinzip und außerdem vorschreibt, dass das öffentliche Interesse am Informationszugang zu berücksichtigen ist 93 • Bei der Auslagenerstattung dürfen die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschritten werden. Gebührentatbestände, Gebührenhöhe, Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände etc. sollten in einer Rechtsverordnung geregelt werden.

2. Organisationsvorschriften

In Bezug auf organisatorische Vorkehrungen für die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Informationszugangs sollten bestimmte Informationsverzeichnisse den öffentlichen Stellen zur Pflicht gemacht und ihre allgemeine Zugänglichkeit vorgeschrieben werden (§ 15 IFG-ProfE). Dabei sollten tunlichst auch elektronische Zugangsformen vorgesehen werden; Entlastungseffekte der Verwaltung und Kosteneinsparungen werden die Folge sein 94 • Ratsam ist schließlich die Bestellung eines Beauftragten für Informationszugangsfreiheit (§ 16 IFG-ProfE). Schon jetzt kann gesagt werden, dass eine derartige Institution auf Grund der mit dem Landesrecht gemachten Erfahrungen nützlich und wirkungsvoll ist 95 • Einstweilen kann die Funktion mit derjenigen des Datenschutzbeauftragten verbunden werden. Im Vordergrund der Aufgabenstellung steht die nichtförmliche außergerichtliche Streitbeilegung. Außerdem sollte eine Berichtspflicht gegenüber dem Parlament vorgesehen werden. Dadurch können Praxiserfahrungen dokumentiert und öffentlich gemacht werden.

Für Gebührenbefreiung bei ablehnender Entscheidung Dix, DuD 2002, 291 (294). Vgl. aus der Praxis VG Braunschweig, NVwZ-RR 1998,413; ferner BVerwG, NVwZ 2000,913. 93 Einzelheiten dazu bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn.I), § 14 Rn. 12ff. 94 Dix, DuD 2002, 291 (294); Kloepfer, Infonnationsrecht, § 10 Rn.47. 95 Vgl. Nachweise zur Praxis bei Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE (Fn. 1), § 16 Rn. 4f. 91

92

5 Kloepfer

66

Friedrich Schoch

V. Fazit und Ausblick

In der Vergangenheit sind Bemühungen im Deutschen Bundestag zur Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes mit der durch nichts belegten Behauptung torpediert worden, durch die Schaffung der Informationszugangsfreiheit im öffentlichen Sektor werde die Verwaltung "gestört, behindert und lahmgelegt" werden 96 • Die mittlerweile aus dem Landesbereich vorliegenden aussagekräftigen Erfahrungen zeigen, dass derartige Befürchtungen unberechtigt gewesen sind 97 • Mit jenen Parolen kann die Ablehnung eines Informationsfreiheitsgesetzes also seriöserweise nicht länger zu begründen versucht werden. Die jahrelange Untätigkeit in diesem rechtspolitischen Sektor hat indessen bewirkt, dass Deutschland - gemessen an vergleichbaren Staaten - auch hier Schlusslicht in Europa ist. Auf der anderen Seite wird von der Politik fortwährend und vollmundig der Übergang in die Informationsgesellschaft propagiert98 . Wenn dem so ist, wird der Zugang zu Informationen wichtiger denn je. Der öffentliche Sektor weist den größten "Informationsbesitz" aus. Unabhängig davon ist einem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen ein Armutszeugnis auszustellen, wenn es sich auch noch im 21. Jahrhundert dem Prinzip des Amtsgeheimnisses verpflichtet fühlt. "Exklusive Verfügungsmöglichkeiten über Informationen" - hat ein Kollege formuliert - "bedeuten Macht. Geheimhaltung von staatlichen Informationen als Prinzip gehört zu den Funktionsbedingungen des totalitären Staates"99. Aber vielleicht dürfen wir die Hoffnung haben, dass uns im Informationszugangsrecht des öffentlichen Sektors in absehbarer Zeit doch noch die US-amerikanische Grundhaltung überzeugt. Danach ist der Zugang zu Informationen - ganz im Sinne des eingangs erwähnten Zitats des Bundesverfassungsgerichts - wesentlich für die Demokratie, dient der Kontrolle der Verwaltung, und die staatlichen Informationen gehören sowieso dem Volk 100.

Vgl. Blickpunkt Bundestag 1/98,26. BInBOI, Jahresbericht 2001 (Fn.24), S.156; Dix, DuD 2002, 291 (293); ausführliche Dokumentation bei Schoch/Kloepjer, IFG-ProfE (Fn.l), § 2 Rn. 7ff. 98 Vgl. Z. B. BT-Drucks. 13/4000; BT-Drucks. 13/11004; BT-Drucks. 14/8649. 99 Bieber, DÖV 1991,857. !OO Partseh, NJW 1998,2559. 96 97

Internationale Entwicklungen des Informationszugangsrechts I Von Hansjürgen Garstka Ich möchte zu Beginn eine Reise nach Afrika unternehmen. In einem Aufsatz habe ich gelesen, dass das Wort für "Regierung" in der Lingua Franca üstafrikas, dem Kisuaheli, "Sirikali" heißt - wörtlich übersetzt "Böses Geheimnis". Nicht nur, weil derzeit ja sehr intensiv die Herkunft des Menschen aus diesem Teil Afrikas diskutiert wird, sondern weil dort auch kulturelle Werte bewahrt worden sind, die in unserer Gesellschaft verloren gegangen sind, hat mir diese sprachliche Eigenheit sehr zu denken gegeben. Man kann aus diesem einfachen linguistischen Sachverhalt erkennen, dass das Arkanprinzip als Grundprinzip des Staates ganz tief in der Menschheitsgeschichte verwurzelt ist. Hochinteressant ist, dass genau in jenem Teil Afrikas, in dem dieser Sprachgebrauch üblich ist, in den letzten Jahren das wohl progressivste Gesetzgebungsprojekt auf dem Gebiet des Informationsrechts durchgeführt wurde: In der Republik Südafrika wurde in den vergangenen Jahren nicht nur ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet, das die Verarbeitung der Apartheidvergangenheit fördern soll, sondern das umfassend Informationsfreiheit im öffentlichen und privaten Bereich regelt - die parallel laufende Datenschutzgesetzgebung wurde nur deshalb zurückgestellt, um die Arbeit der Wahrheitskommission nicht zu behindern. Ich möchte im Folgenden darstellen, wie die Idee der Informationsfreiheit in der Welt verbreitet ist, welche Probleme in der Welt damit bestehen und was weltweit als Zukunftsproblem auf diesem Gebiet diskutiert wird. Werfen wir einen Blick in die Geschichte der Informationsfreiheit: Hier wird immer das Jahr 1776 genannt. In diesem Jahr wurde in Schweden (und auch in Finnland, das damals zu Schweden gehörte), die Tryckfrihetsförordning erlassen, also die Pressefreiheitsverordnung, in der (weltweit zum erstenmal, darüber sind sich die Forscher einig) nicht nur die Pressefreiheit, sondern auch der freie Zugang zu den Unterlagen der öffentlichen Verwaltung geregelt wurde. Man muss allerdings dazu sagen, dass dies eine relativ kurze Zeit der Liberalität in Schweden war, als es Probleme mit der Monarchie gab. Die aufklärerische Regierung unter Kanzler Fresenius hatte eine Reihe liberaler Gesetze durchgesetzt, zu denen das Informationsfreiheitsgesetz gehörte - sieben Jahre später schränkte der neue König Christian III. die 1 Die Vortragsfonn wurde beigehalten. Zahlreiche Hinweise und Links zu verschiedenen Rechtsquellen finden Sie unter www.datenschutz-berlin.de.

5*

68

Hansjürgen Garstka

Gesetzgebung wieder ein, ohne sie jedoch auf Dauer außer Kraft setzen zu können. Jedenfalls ist seit dieser Zeit die Idee der Infonnationsfreiheit in den skandinavischen Ländern ganz tief verankert. Ich zitiere aus dem aktuellen Text des Gesetzes, der an den alten angelehnt ist: "Um den freien Austausch von Meinungen und die allgemeine Aufklärung zu fördern, haben alle schwedischen Bürger freien Zugang zu allen Dokumenten": So schlicht fonnuliert es der schwedische Gesetzgeber in Anlehnung an die Gedankenwelt der Aufklärung. Die aktuelle Debatte um die Infonnationsfreiheit beginnt nach dem 2. Weltkrieg vor dem Hintergrund der Infonnationspolitik der Achsenmächte. Bei der Gründung der Vereinten Nationen wurde diskutiert, ob man eine (bindende!) Konvention zur Infonnationsfreiheit (Convention for Freedom of Infonnation) beschließen sollte. Diese sollte die Mitgliedsstaaten zwingen, dem Gedanken der Infonnationsfreiheit zu folgen. Dieses Vorhaben scheiterte allerdings in den Vorphasen des beginnenden kalten Krieges. Was übrig blieb, war Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948, der sich interessanterweise deutlich unterscheidet von Art. 5 Grundgesetz, dessen Inhalt ja gerade von Herrn Schoch referiert worden ist. Diese Bestimmung lautet: "Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Infonnationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten". Die Einschränkung, die wir im Grundgesetz haben, dass es sich um allgemein zugängliche Infonnationen handeln muss, enthält interessanterweise die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht. Man kann also sagen, dass die Idee der Infonnationsfreiheit trotz des Scheiterns des ursprünglichen Projektes in der Erklärung der Menschenrechte aufgegangen ist. Der nächste Schritt fand 1966 statt, der Freedom of Infonnation Act der USA trat in Kraft. Er war das Ergebnis einer Diskussion, die sich zunächst anschloss an die Diskussion nach dem 2. Weltkrieg, aber unterbrochen war durch die unrühmlichen Ereignisse in der McCarthy-Zeit. John F. Kennedy, der heute von Frau Künast ja schon in Zusammenhang mit der Verbraucherinfonnation erwähnt worden ist, griff die Thematik in seiner Präsidentschaftskampagne auf; sie wurde auch nach seiner Ennordung von seinem Nachfolger Johnson weitergeführt. Allerdings brachte das 1966 erlassene Gesetz zunächst keine sonderlichen Fortschritte für die Infonnationsfreiheit. Es zeigte sich, dass die Behörden versuchten, die Durchsetzung der Bestimmungen zu blockieren. Man hatte sehr lange Bearbeitungszeiten, man bestand darauf, dass die Bürger exakt angaben, in welche Akten sie einsehen wollten und baute weitere bürokratische Hemmnisse auf - die wir im Übrigen in unserer aktuellen Situation auch bereits kennen. Diese Erfahrungen haben 1974 nach der Watergate-Affare zu einer Novellierung des Gesetzes geführt, die eine erhebliche Verschärfung des Gesetzes mit sich brachte. Es wurden u. a. Bearbeitungsfristen eingeführt, es gab nunmehr eine Beratungspflicht hinsichtlich der vorhandenen Akten.

Internationale Entwicklungen des Infonnationszugangsrechts

69

Der Gedanke des Freedorn of Information Act verbreitete sich - allerdings langsam - über den Globus, im Übrigen bis hinauf auf die Ebene internationaler Organisationen. Bei der G8-Konferenz in Osaka vor drei Jahren wurde die Informationsfreiheit als weltweites Prinzip anerkannt, im November 2000 fand in Paris zum zweitenmal der UNESCO-Kongress InfoEthics 2000 statt, wo bei großer Beteiligung auch von Entwicklungsländern die globalen Fragen der Informationsgesellschaft diskutiert wurden. Drei Tagungsbestandtei1e repräsentierten die drei Säulen der Informationsgesellschaft: Informationsfreiheit, Geistiges Eigentum, Datenschutz. Dies ist eine Bestätigung des Zusammenspiels dieser drei Aspekte, die bereits von Herrn Schoch heute als wesentliche Säulen der Informationsgesellschaft dargestellt wurden. Wo stehen wir heute? Nach einer Zählung von EPIC (Electronic Privacy Informations Center) gab es im März 2002 57 Länder mit Informationsfreiheitsgesetzen. Nicht mitgezählt sind hier die unterstaatlichen Gesetze, etwa in den USA, Kanada, Australien, aber auch Deutschland oder der Schweiz. Nicht mitgezählt sind auch die legislativen Projekte überstaatlicher Organisationen, etwa die Verordnung C 49 2001 der Europäischen Union zur Informationsfreiheit innerhalb der Institutionen der Europäischen Union. Die meisten Gesetze, und auch das ist interessant, sind in den letzten 10 Jahren erlassen worden. Man kann sagen, dass die anfangs zögerliche Verbreitung des Gedankens der Informationsfreiheit sich deutlich beschleunigt hat, und es gibt über die 57 genannten Staaten hinaus eine ganze Reihe von Ländern, bei denen weitere Gesetzgebungsprojekte bekannt sind. Dazu zählt natürlich auch Deutschland, wenngleich hier die Gesetzgebung für diese Legislaturperiode ja wohl gescheitert ist. Interessant ist, dass nicht nur die klassischen Demokratien, sondern auch die neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa sich des Gedankens angenommen haben. Z. B. hat das neue Rumänien, das nach der Wende ja im Hinblick auf Demokratisierung zunächst nicht sonderlich vorbildlich erschien, ein besonders strenges Gesetz über die Informationsfreiheit. Danach sind sogar disziplinarische Maßnahmen gegen die beteiligten Bediensteten bei Verstößen gegen die Informationsfreiheitsgesetzgebung möglich. Vorhin wurde gefragt, ob die Verweigerung der Akteneinsicht sanktioniert ist: In Rumänien ja! In Asien, im Pazifik, in Südamerika und - das wurde schon erwähnt - in Südafrika haben wir eine entsprechende Gesetzgebung. Kolumbien hat sich 1888 in revolutionären Zeiten ein Informationsfreiheitsgesetz gegeben, offensichtlich ein fruchtbarer Boden auch für die Informationsfreiheit. Es gibt weltweit neben den allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen sektorielle Bestimmungen. Mit der deutschen Situation haben wir uns ja heute hier schon beschäftigt. Weltweit ist das bedeutendste Thema sektorieller Gesetzgebung die Aufarbeitung diktatorischer Vergangenheiten, nicht nur mit dem Stasi-Unterlagengesetz in Deutschland und ähnlichen Projekten im ehemals sozialistischen Raum, sondern auch in Ländern wie Südafrika, Argentinien und - wie der Presse zu entnehmen

70

Hansjürgen Garstka

war - seit neuem selbst in Osttimor. Auch die Russische Föderation hat im Hinblick auf die Katastrophe von Tschernobyl ein Informationsfreiheitsgesetz geschaffen, wo insbesondere die Verpflichtung zur Veröffentlichung von "ungewöhnlichen Ereignissen" dokumentiert ist. Überhaupt gibt es verbreitet Sonderregelungen für die Umweltinformationen. Für Verbraucherinformationen hätte Deutschland bahnbrechend sein können, wenn das Gesetzgebungsprojekt der Bundesregierung Erfolg gehabt hätte, im Bereich der Korruptionsbekämpfung gibt es weltweit vielfache Initiativen. Bei letzteren Projekten wird die Bedeutung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen diskutiert. Herr Schoch hat dies ja auch schon angesprochen. Das zentrale Problem scheint mir zu sein, in welchem Umfang die Unternehmen selbst definieren können, was in diesen Geheimnisbereich gehört. Was ist der Inhalt von Informationsfreiheitsgesetzen? Natürlich ganz generell der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ohne Voraussetzung wie etwa berechtigtes Interesse, rechtliches Interesse, Betroffenheit. Dabei zeigt sich allerdings, dass dann, wenn Abwägungsprozesse erforderlich sind, etwa die Abwägung des Informationsinteresses gegenüber den schutzwürdigen Interessen Betroffener gleichwohl eine Begründungslast auf Seiten der Antragsteller besteht. Diese kann bis zu einem bestimmten Punkt pauschal erfolgen, etwa indem man die Beteiligung öffentlicher Bediensteter nicht privilegiert oder man - wie in Berlin - Grunddaten über Personen, die in Kontakt mit der Verwaltung getreten sind (Antragsteller, Mieter, Sachverständige usw.), hinter dem Informationsinteresse zurücktreten lässt. Auf der ganzen Welt gibt es Beschränkungen im Hinblick auf öffentliche Interessen, internationale Beziehungen, Rechtspflege. Überall gibt es die Diskussion über die Reichweite des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. In den USA herrscht eine relativ großzügige Handhabung, die dort zur Kritik geführt hat, die Informationsfreiheit diene der Wirtschaftsspionage. Natürlich liegt es auf der Hand, dass auch der Datenschutz der Informationsfreiheit weltweit Grenzen setzt. Auch gibt es Länder, die gar keine eigenständige Datenschutzgesetzgebung haben, sondern den Datenschutz in Informationsfreiheitsgesetze hineinpacken. Dies ist z. B. der Fall im neuen thailändischen Informationsfreiheitsgesetz, das im vergangenen Jahr verabschiedet worden ist. Weiter weltweit diskutierte Probleme sind: Zugang zu Daten bei laufenden Verwaltungsverfahren, Vertraulichkeit der Entscheidungsfindung, Zeitpunkt der Einsicht nach Abschluss von Verwaltungsverfahren. Die Lösungen der Gesetzgeber sind sehr unterschiedlich. So gibt es radikale Lösungen, wie z. B. in Neuseeland, wo nach jeder Kabinettssitzung sämtliche der Regierung vorliegenden Akten veröffentlicht werden müssen. Dies wäre bei uns undenkbar. Überall gibt es die Frage nach dem angemessenen Verfahren, nach den Fristen für die Bearbeitung, nach der Schriftlichkeit der Antragstellung, seit jüngstem die Frage des elektronischen Zugangs zu den Unterlagen der Verwaltung. Selbst der daten-

Internationale Entwicklungen des Infonnationszugangsrechts

71

schutzrechtliche Anspruch der Betroffenen auf Einsicht in die eigenen Unterlagen über das Internet wird international diskutiert. Was die Kontrolle der Einhaltung betrifft, haben es die Antagonisten der Informationsfreiheit Schweden und USA bei der gerichtlichen Nachprüfung belassen. Später hinzugekommene Länder haben eigene Beschwerdeinstanzen, die allerdings unterschiedlich angesiedelt sind und unterschiedliche Befugnisse haben. Es gibt Länder, die nur interne Überprüfungsverfahren haben, andere, insbesondere in den neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa, wo diese Aufgabe den Ombudsleuten zugeordnet wird (wie im Übrigen auch der Datenschutz, wie z. B. in Rumänien). Wir haben Länder, in denen zwei verschiedene Institutionen für Datenschutz und Informationsfreiheit zuständig sind. Ein herausragendes Beispiel ist Frankreich, wo sich die CNIL (Datenschutz) und die CADA (Informationsfreiheit) mitunter vor Gericht treffen. Das Gegenmodell stammt aus Kanada, wo zunächst auf Provinzebene beide Aufgaben auf eine Institution übertragen worden sind, und das Vorbild für die Regelung in den deutschen Ländern ist, die bislang über eine Informationsfreiheitsgesetzgebung verfügen. Dieses Modell existiert in Europa auch in Großbritannien, Ungarn oder Lettland - und in Deutschland. Ich denke, dies ist ein sehr geeignetes Modell. In unserer Dienststelle hat es sich sehr bewährt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es keinen Fall gab, in dem Datenschutz und Informationsfreiheit nicht miteinander vereinbar waren. Was sind die aktuellen, weltweit nach vorne weisenden Diskussionen? Weltweit wird diskutiert, ob im Hinblick auf das Internet besondere Regelungen erforderlich sind. Die Amerikaner haben uns dies wieder vorgemacht: Im Jahre 1996 wurde der Freedom of Information Act novelliert durch den Telecommunications Freedom of Information Act. Die Behörden werden darin verpflichtet, Unterlagen, auf die von den Bürgern mehrfach zugegriffen worden ist, in das Internet einzustellen. Dieser Gedanke ist übrigens in Deutschland bereits im Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz der Freien Hansestadt Bremen aufgenommen worden, wo unter der etwas merkwürdigen Überschrift "Veröffentlichung öffentlicher Informationen" das Thema auf sehr akzeptable Weise abgehandelt wird. Dies führt zu einem weiteren Thema, nämlich in welchem Umfang der Staat zu einer "pro-aktiven" Informationspolitik verpflichtet ist. Dies bedeutet, dass der Staat nicht nur mehrfach abgerufene Dokumente oder Unterlagen, mit denen er meint, Publicity machen zu können, ins Internet stellt, sondern aktiv die Frage gestellt wird, welche Dokumente für den Bürger nützlich sind. Dies beginnt mit der Verpflichtung, wie z. B. im bremischen Entwurf, alle Verwaltungsvorschriften ins Netz zu stellen, das umfasst die Verpflichtung, alle Verwaltungsformulare zur Verfügung zu stellen, und vieles mehr. Ein weiterer Schritt ist die "sunshine legislation", wie z. B. in Florida, wo nicht nur die Öffnung von Unterlagen geregelt, sondern auch die Öffentlichkeit von Sitzungen staatlicher Gremien zum Grundsatz erklärt wird. Die Durchführung nicht-

72

Hansjürgen Garstka

öffentlicher Sitzungen wird damit grundsätzlich rechtfertigungs bedürftig. Egal, wo sich öffentliche Gremien zusammenfinden, sie müssen grundsätzlich die Öffentlichkeit zulassen. Dies ist eine Radikallösung, die unserem Denken noch fremd ist, die aber ohne Zweifel auch bei uns aufgegriffen werden muss. Ein weiterer Punkt internationaler Diskussionen ist die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, Informationsfreiheits- und Datenschutzgesetzgebung in ein einheitliches Gesetzgebungsprojekt zusammenzuführen. Das hat Kanada nicht nur hinsichtlich der Kontrollkompetenzen, sondern auch hinsichtlich der legislativen Grundlagen von Anfang an getan, das gibt es zumindest in einem Kanton (in anderen wird es vorbereitet) auch in der Schweiz. Das wird es, Sie werden hören und staunen, auch in Berlin geben, wo in der vergangenen Woche der Datenschutzausschuss des Abgeordnetenhauses den Beschluss gefasst hat, dass das Informationsfreiheits- und Datenschutzgesetz zusammen mit anderen Regelungen in ein einheitliches Informationsgesetzbuch zusammengeführt werden sollen. Ein ganz großes internationales Thema, das ja bereits von Herrn Kloepfer und Frau Künast angesprochen wurde, ist die Ausdehnung der Informationsfreiheitsgesetzgebung auf den privaten Bereich. "What about the fourth sector?" - war ein großes Thema in einer großen Informationsfreiheitskonferenz in Neuseeland im März diesen Jahres. Dort wurde der Trend diskutiert, den privaten Sektor in den Geltungsbereich der Informationsfreiheit einzubeziehen, natürlich unter modifizierten Bedingungen, wie dies Herr Kloepfer hier bereits dargelegt hat. Dies ist übrigens auch ein besonderes Anliegen der Schwellen- und Entwicklungsländer, dort natürlich mit der Vorstellung, nicht vom technischen Know-How abgeschnitten zu werden, das sich in der Verfügungsgewalt großer Privatunternehmen befindet. Diese Verknüpfung der bei uns vorherrschenden eher politischen Diskussion mit ökonomischen Aspekten ist kennzeichnend für die globale Diskussion der Entwicklung der Informationsgesellschaft. Es gibt inzwischen auch Bemühungen zur internationalen Zusammenarbeit, und damit will ich schließen. Es gibt zwar noch keine Internationale Konferenz der Informationsbeauftragten, ähnlich der Internationalen Konferenz der Datenschutzbeauftragten. Aber wir in Berlin haben uns, in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Brandenburg, vorgenommen und in Neuseeland auch schon verkündet, dass im kommenden Jahr die Informationsfreiheit weltweit thematisiert und eine Initiative ergriffen wird, entsprechende Institutionen einzurichten. Hierfür wird es im Laufe des kommenden Jahres in Berlin eine Veranstaltung im Rahmen der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz geben. Auch auf gesellschaftlicher Ebene gibt es Aktivitäten: So hat in den vergangenen Wochen die Bertelsmann-Stiftung beschlossen, die internationale Entwicklung der Informationsfreiheit zu einem Forschungsschwerpunkt zu machen. Auch vor diesem Hintergrund wäre es inakzeptabel, wenn gerade Deutschland zusammen mit Luxemburg das einzige Land der Europäischen Union bliebe, das auf Bundesebene nicht über ein Informationsfreiheitsgesetz verfügt.

Der Zugang zu Verwaltungsinformationen in Österreich I Von Alfred Duschanek I. Einleitung............................................................................. 11. Materienspezifischer Zugang zu Verwaltungsinfonnationen . . ... .... .. .. . ........ ... III. Die allgemeine Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane ........... . ................ 1. Historische Wurzeln.. . . . ........ . . .. . .. . . ... .... .. .. . .... . .. .. .... .. .. .. . . ........ 2. Verfassungs grundlagen der Auskunftspflicht .................................. ... 3. Auskunftspflichtige Organe . " ...... . .... . .... .. ..... " . . . ... .... . . . .. . ........ . . . 4. Anspruch auf Auskunft ..................................... . .... .. ... . ....... . ... 5. Auskunftspflicht und Geheimhaltungsinteressen . .... . ... . ....... . ...... .. .. . . . .. 6. Auskunftsverfahren ............... . ......................... . ..................... 7. Die Auskunftspraxis in Österreich. .. ..... ...... .. ... . . ...... ...... ....... ..... . ..

73 74 75 75 76 78 78 79 83 84

I. Einleitung "Informationsfreiheit" als Rechtsbegriff wird man in der österreichischen Rechtsordnung vergeblich suchen. Nur fallweise wird der Begriff in der verfassungsrechtlichen Literatur und Lehre verwendet 2, wenn die grundrechtliehe Absicherung des von staatlichen Restriktionen freien Empfanges und der Beschaffung von Informationen und Nachrichten angesprochen wird. In Österreich beruht die entsprechende Grundrechtsgarantie unmittelbar auf Art. 10 Abs. 1 der EMRK, deren Grundrechtskatalog in Österreich in die Verfassung inkorporiert wurde und daher unmittelbar anzuwenden ist. In inhaltlicher Hinsicht besteht jedenfalls weitgehende Übereinstimmung mit der vergleichbaren Regelung des Art. 5 Abs.l S.l GG, zumal auch in Österreich nur das Recherchieren aus (ohnehin allgemein) zugänglichen Informationsquellen grundrechtlichen Schutz genießt 3 • Transparenz von Verwaltungsvorgängen ist damit aber noch nicht gesichert. Damit Unkundige (also Durchschnittsbürger) gewünschte Informationen auffinden und ansprechen können, bedarf es zusätzlicher Vorkehrungen. Notwendig erscheint vor allem die (aktive) Unterstützung der Informationssuchenden seitens der Verwaltungsorgane, z. B. durch Belehrung, Auskunftserteilung, Gewährung der Einsichtnahme in 1 Die Vortragsfonn wurde weitgehend beibehalten, Fußnoten daher auf das zum Verständnis notwendige Mindestmaß beschränkt. 2 Z. B. Berka, Die Grundrechte, Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, 1999, Rz. 550 m. w. H. 3 VfSlg 11297/1987, 12104/1989.

74

Alfred Duschanek

Akten und Dokumente, Bereitstellung von Kopien, Ablichtungen, Auszügen, Ausdrucken usw. Ohne Komplementärleistungen dieser Art wäre ein Grundrecht auf "Informationsfreiheit" ziemlich wertlos, um so mehr als sie mangels der für Freiheitsrechte charakteristischen Abwehreigenschaft wohl nicht als Bestandteil der grundrechtlichen Verbürgung der Informationsfreiheit selbst angesehen werden können 4 • Nach einem Überblick verschiedener materiengesetzlicher Vorschriften über den Zugang zu Verwaltungsinformationen werden die österreichischen Rechtsvorschriften über die Einführung einer allgemeinen Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane im Mittelpunkt meiner Ausführungen stehen. Das in Umsetzung der entsprechenden EG-Richtlinie 5 ergangene Umweltinformationsgesetz 6 werde ich nur streifen, soweit sich Berührungspunkte mit der Auskunftspflicht ergeben - auf einen detaillierten Rechtsvergleich mit den entsprechenden deutschen Regelungen kann ich mich allein schon aus Zeitgründen nicht einlassen. 11. Materienspezifischer Zugang zu Verwaltungsinformationen Keinesfalls möchte ich versäumen, auf den reichhaltigen und vielf