Die Schuldenhaftung nach § 25 HGB beim Erwerb von unselbständigen Unternehmensteilen [1 ed.] 9783428498161, 9783428098163

Der Erwerber eines Handelsgeschäftes haftet nach § 25 HGB für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeite

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Die Schuldenhaftung nach § 25 HGB beim Erwerb von unselbständigen Unternehmensteilen [1 ed.]
 9783428498161, 9783428098163

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MICHAELA THEISSEN

Die Schuldenhaftung nach § 25 HGB beim Erwerb von unselbständigen Untemehmensteilen

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 125

Die Schuldenhaftung nach § 25 HGB beim Erwerb von unselbständigen Untemehmensteilen Von Michaela Theißen

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Theißen, Michaela:

Die Schuldenhaftung nach § 25 HGB beim Erwerb von unselbständigen Untemehmensteilen / von Michaela Theißen. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 125) Zug!.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 1998/99 ISBN 3-428-09816-1

Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gerrnany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-09816-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Vorwort Die Teilung von Unternehmen weist vielfältige Rechtsprobleme auf. Den Fragen des Gläubigerschutzes, die bei der Spaltung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auftreten, hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des Umwandlungsgesetzes Rechnung getragen. Die Lösung der Probleme, die sich bei der Teilung von Unternehmen im Wege der Einzelrechtsnachfolge stellen, ist gesetzlich nicht umfassend geregelt. Die Arbeit geht der Frage nach, ob und unter welchen Voraussetzungen der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils, der den Unternehmensteil im Wege der Einzelrechtsnachfolge erwirbt, den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmensinhabers rur bereits begründete Verbindlichkeiten haftet. Als Rechtsgrundlage wird die analoge Anwendung des § 25 HGB untersucht. Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 1998/1999 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin eingereicht worden. Die Thematik der Erwerberhaftung beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile soll die Diskussion um die Dogmatik und die zukünftige Änderung des § 25 HGB neu anstoßen. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thomas Raiser, möchte ich rur die stete Diskussionsbereitschaft und die große Unterstützung bei der Erstellung der Arbeit danken. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski rur die zügige Zweitbegutachtung. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie und meinem Freund Heinrich Theißen, die mich während der Anfertigung der Arbeit in jeder Hinsicht unterstützt haben. Zum Schluß, aber nicht zuletzt danke ich Frau Kleingeist und Frau Müller vom Verlag Duncker & Humblot rur die gute Zusammenarbeit und Betreuung bei der Drucklegung. Düsseldorf, im Mai 1999

Michaela Theißen

Inhaltsverzeichnis Einleitung § I Gründe rur die Teilung eines Unternehmens ................................................ . § 2 Schutz der Gläubiger bei Unternehmensteilung ....... .................... .................

3

A. Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz .................. ................................

5

B. Einzelrechtsnachfolge ................... ......... ................... ................................

5

§ 3 Untersuchungs gegenstand .............................................................................

7

§ 4 Gang der Untersuchung ......................................................... ........................

10

1. Teil

Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB § 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB ............................................... A. Erwerb eines handelsrechtlichen Unternehmens .......................................

12 12 13

I.

Der Kautmannsbegriffals Anknüpfungspunkt ...................................

14

11.

Organisationsbezogene Definition ... ...................................................

15

1. Planmäßige, dauerhafte, selbständige Tätigkeit mit Außenwirkung

16

2. Organisierte Wirtschaftseinheit .....................................................

16

a) Sachen, Rechte, Verbindlichkeiten ..........................................

16

b) Sonstige wirtschaftliche Werte .................................................

17

c) Organisation ....................... ................. .....................................

18

d) Zwischenergebnis .... ...... .......... .............................. ..... .............

19

3. Wert des Unternehmens ................................................................

20

4. Wirtschaftlicher Zweck .................................................................

20

5. Zusammenfassung ................... ........ ......... ............. ............. ...........

21

III. Lösung des Unternehmens vom Handelsgewerbe? ........................... l. Handelsrecht als Außenprivatrecht der Unternehmen ...................

21 22

Inhaltsverzeichnis

VIII

2. Kritik ............ ....... ....... ..... ....... ... ...... .......... ............. .... ... ..... .... .......

24

3. Stellungnahme ..............................................................................

25

IV. Definition ...........................................................................................

26

B. Erwerb einer selbständigen Zweigniederlassung ................... .... .... ........ ....

27

Allgemeine Merkmale eines selbständigen Unternehmensteils ...... ...

27

l. Organisierte Teileinheit ...................... ........... .... ...... ...... ......... ......

28

a) Sachen, Forderungen und Rechte ............................................

28

b) Verbindlichkeiten ....................................................................

28

c) Sonstige wirtschaftliche Werte ................................................

29

d) Organisation ....... ........... .... ...... ................. ...... .... ..... .... ...... .......

30

aa) Allgemeines ..... ...... .... ................ ........... ...... ..... .... ...... ... ....

30

bb) Besondere Organisationsformen .......................................

32

e) Zusammenfassung ....................................................................

33

2. Planmäßige und dauerhafte Tätigkeit ... ................. ........ ..... .... .......

34

3. Wert des Unternehmensteils ............................. ................... .........

34

4. Außenwirkung und Selbständigkeit ....... ........ ............... .... ..... .......

34

5. Definition ......................................................................................

35

Merkmale der Zweigniederlassung ....................................................

35

I. Selbständigkeit .................................................................... ....... ...

36

2. Abhängigkeit .................................................................................

37

111. Stellungnahme ...................................................................................

38

Erwerb anderer Unternehmensteile ...........................................................

39

Definiton des unselbständigen Unternehmensteils ................... ...... ....

39

1. Notwendige Merkmale eines unselbständigen Unternehmensteils

39

2. Abgrenzung zur selbständigen Zweigniederlassung ............... .......

41

3. Abgrenzung zu einer bloßen Ansammlung von Vermögensgegenständen ..........................................................................................

43

4. Definition .......... ............... ............ .... ........ ... ....... ... ....... .................

44

Direkte Anwendung des § 25 HGB auf unselbständige Unternehmensteile? ...........................................................................................

44

D. Ergebnis ............................ .................... .......... ............ ..... .... ......... ............

45

I.

11.

c.

I.

11.

Inhaltsverzeichnis

IX

§ 2 Regelungslücke ........................... ...................................................................

45

A. Historischer Gesetzgeber ................... ........................................................

46

B. Gesetze neueren Datums ...........................................................................

47

I.

Umwandlungsgesetz ..........................................................................

47

11.

Insolvenzordnung ......................... .....................................................

48

c. Ergebnis ........ ...................... ........ ...... ..... ....................................................

50

§ 3 Vergleich der Interessenlage ..........................................................................

50

A. Ursprünglicher Inhaber des Unternehmens .......................... ~....................

50

B. Erwerber des Unternehmens oder des Unternehmensteils .........................

51

C. Gläubiger des Erwerbers ............................................................................

54

D. Gläubiger des ursprünglichen Inhabers .....................................................

55

I.

Interessenlage .... ............... ...... .............. ...... ...... ... ...... ... ...... ........... .....

55

11.

Schutzbedürftigkeit der Gläubiger .. ... ................. ....... ........... .............

58

E. Interessenausgleich ........................... ................................... .....................

61

I.

Übertragung eines Unternehmens durch § 25 HGB .. ........................

6I

11.

Übertragung eines Unternehmensteils ................................................

62

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB .......................................

64

A. Fortfilhrung des unter Lebenden erworbenen Unternehmensteils .............

64

I.

Erwerb des unselbständigen Unternehmensteils ................................

64

11. Fortfilhrung des unselbständigen Unternehmensteils ........................

65

I. Allgemeines .................. ...... ............. ... ......... ....... ..........................

65

2. Voraussetzungen der Fortfilhrung des Unternehmensteils ............

67

3. Kriterien zum wesentlichen Kern des Unternehmensteils .............

68

111. Zusammenfassung ............. .... ........ ................................. ....................

70

B. Fortfilhrung der Firma? ............................................................................

71

I.

Erklärungstheorie ...............................................................................

72

11. Rechtsscheintheorie ...........................................................................

74

111. Haftungsfondstheorie .................. .......................................................

76

IV. Theorie der Erfilllungsübernahme ......................................................

77

V. Theorie der Unternehmenskontinuität ................................................

80

VI. Zusammenfassung............ ......... .......................... ................................

82

x

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Ergebnis .................................................................................... .....................

83

2. Teil

Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

84

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts .......... ........................

86

A. Grundsätze des weiterentwickelten Haftungskonzepts ... ........ ... ... .............

86

B. Fa1lgestaltungen ........................................................................................

89

C. Begründung des Haftungskonzepts ...........................................................

90

I.

Wortlaut .............................................................................................

91

II.

Historische Auslegung .......................................................................

91

1. Denkschrift ................................................................. ..................

92

2. Entstehungsgeschichte ..................................................................

94

3. Wille des Gesetzgebers bis heute ..................................................

96

a) § 25 HGB ........... ......................................... ............................

97

b) Umwandlungsgesetz ................................................................

97

c) Insolvenzordnung ....................................................................

97

4. Zusammenfassung .........................................................................

98

III. Systematische Auslegung ....... ...... ............. ............. ...... ...... ...... .........

98

l. Kontinuitätsprinzip im Bürgerlichen Recht .... ................. .............

99

a)§419BGB ...............................................................................

99

aa) Allgemeines ....... ...... ................. .............................. .......

100

bb) Vergleichbarkeit .............................................................

101

b) § 556 Abs. 3 BGB .................................................................

103

c)§613aBGB ..........................................................................

104

aa) Betrieb ..................................................... ...... .................

104

bb) Betriebsteil .....................................................................

106

cc) Folgerungen ...................................................................

107

dd) Vergleichbarkeit .............................................................

108

d) Zusammenfassung .................................................................

109

2. Regelungsmechanismus des § 25 HGB ............................ .........

I \0

Inhaltsverzeichnis

XI

a) Unternehmenskontinuität als haftungsbegrundendes Element

110

b) Enthaftung als Möglichkeit rur den Erwerber ........ ...............

116

c) Vereinbarkeit des weiterentwickelten Konzepts mit §§ 28, 130 und 173 HGB .................................................................

118

aal § 28 HGB

......................................................................

118

bb) Vergleich zwischen § 25 HGB und §§ 130, 173 HGB .

122

3. Zusammenfassung ......................................................................

123

IV. Teleologische Auslegung ................................................................

123

D. Ergebnis ..................................................................................................

128

§ 2 Vorteile des entwickelten Haftungskonzepts ...............................................

128

§ 3 Folgerungen rur unselbständige Unternehmensteile ....................................

130

A. Kontinuität bei unselbständigen Untemehmensteilen .............................

130

B. Möglichkeiten der Enthaftung rur den Erwerber ....................................

133

§ 4 Umfang der Haftung ....................................................................................

135

A. Wertmäßig begrenzte Haftung ................................................................

135

B. Im Innenverhältnis auszugleichende Haftung ............... ..........................

136

C. Haftung rur im Unternehmensteil begründete Verbindlichkeiten ...........

136

I.

Allgemeines.............................. ........... ............................................

136

11.

Inhalt der Haftung ............................................................................

137

§ 5 Ergebnis .......................................................................................................

138

3. Teil Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

139

§ I Art der Verbindlichkeiten ............................................................................

141

A. Allgemeines ..... .... ........... ............ .... ...... ...... ........ ...... ........... .... .... ...........

141

B. Teilbare Verbindlichkeiten .....................................................................

142

C. Unternehmenskontinuität und teilbare Verbindlichkeit ..........................

143

D. Problem der VertragsUberleitung ............................................................

145

E. Ergebnis ...... ...... ...... .... .... .... ....................................................................

145

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten ................................

146

Inhaltsverzeichnis

XII

A. Anerkannte Zuordnungsmöglichkeiten ...................................................

146

B. Vollständige Zuordnung ................ .. .......................................................

147

Handelsbücher.................................................................................

147

I. Jahresabschluß ............................................................................

148

a) Bilanz ....................................................................................

148

b) Gewinn- und Verlustrechnung ..............................................

150

c) Anhang des Jahresabschlusses ...............................................

150

d) Zusammenfassung .................................................................

151

2. Inventarerrichtung .......... ............ ................ ........ ......... ...............

151

3. Buchführung ...............................................................................

151

a) Allgemeines ........................... ...... .................. ........................

152

b) Kostenartenrechnung .............................................................

154

c) KostensteIlenrechnung ..........................................................

156

d) Zusammenfassung .................................................................

157

Vereinbarung zwischen Erwerber und Veräußerer ..........................

158

I.

II.

III. Auslegung der Verbindlichkeit nach §§ 133, 157 BGB .................

160

l. Ansprüche auf Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen .............

161

a) Kaufvertrag ............................................................................

161

aa) Verpflichtung des Erwerbers zur Zahlung des Kauf-

preises nach § 433 Abs. 2 BGB .. ........ .........................

161

(I) Warenkauf ..............................................................

162

(2) Rechtskauf .......................... ............ ........................

163

(3) Grundstückskauf .....................................................

163

bb) Verpflichtung zur Übergabe und Verschaffung von Eigentum nach § 433 Abs. I Satz I BGB .....................

164

(I) Pflicht zur Übergabe ...............................................

164

(2) Pflicht zur Übereignung .........................................

165

cc) Zusammenfassung .............. ............................................

166

b) Verbindlichkeiten aus Miet- und Pachtvertrag ......................

166

aal Verpflichtung zur Zahlung des Miet- oder Pachtzinses

nach §§ 535 Satz 2,581 Abs. I Satz 2 BGB ...............

167

Inhaltsverzeichnis

XIII

bb) Gewährung des Gebrauchs oder der Nutzung nach §§ 535 Satz 1, 581 Abs. 1 Satz 1 BGB .........................

167

cc) Zusammenfassung ..........................................................

168

c) Leasing ..................................................................................

168

d) Darlehensvertrag ...................................................................

169

e) Arbeitsvertrag und Dienstvertrag mit Mitarbeitern ...............

170

aal

Lohn- und Gehaltsansprüche .........................................

171

bb) Ruhestandsverhältnisse .............. ........................ ............

171

cc) Handelsvertreterverhältnisse ..........................................

171

dd) Vergütung freier Mitarbeiter ..........................................

172

ee) Zusammenfassung ..........................................................

172

t) Dienstvertrag mit Dritten .......................................................

172

aal

Anspruch auf Zahlung der Vergütung nach §§ 611 Abs. 1,612 BGB ...................................................................

173

bb) Anspruch auf Erbringung der Dienste nach § 611 Abs. I BGB ...........................................................................

173

cc) Zusammenfassung ..........................................................

174

g) Werkvertrag ...... ............................................ ...... ...................

174

h) Versicherungsvertrag .............................................................

176

i) Unentgeltliche Verträge .........................................................

177

j) Bürgschaftsvertrag .................................................................

177

k) Atypische Verträge ................................................................

177

2. Herausgabeansprüche .................................................................

I 78

a) Vertragliche Herausgabeansprüche .......................................

178

b) Dingliche Herausgabeansprüche ...........................................

178

c) Deliktische Herausgabeansprüche .........................................

179

d) Herausgabeansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung..

180

e) Zusammenfassung .................................................................

180

3. Schadensersatzansprüche ...........................................................

181

a) Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Vertragspflichten .................................................................................

181

XIV

Inhaltsverzeichnis b) Schadensersatzansprüche bei vertragsähnlichen Verhältnissen

182

c) Schadensersatzansprüche bei Geschäftsführung ohne Auftrag

182

d) Schadensersatzansprüche im Rahmen eines EigentümerBesitzer-Verhältnisses ................ ........ .......... .... ......... ...... ......

183

e) Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung ............

183

f) Schadensersatzansprüche aus Gefährdungshaftung ...............

184

g) Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung

184

h) Zusammenfassung .................................................................

185

4. Gewährleistungsansprüche ...................................... ...................

185

5. Ansprüche aus Rückabwicklung ................................................

185

6. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche ...............................

185

7. Anspruch auf Auskunft oder Rechnungslegung .......... ...............

186

8. Zusammenfassung zur Auslegung ..............................................

187

IV. Ergebnis zu den vollständig zuordnenbaren Verbindlichkeiten ......

187

C. Nur teilweise zuordnenbare Verbindlichkeiten .................... .......... .........

188

D. Ergebnis ..................................................................................................

190

§ 3 Realisierung des Anspruchs nach § 25 HGB analog durch die Gläubiger ..

190

A. Auskunftsanspruch .................................................................................

191

B. Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast ...................................

192

C. Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten ...................................................

193

D. Zusammenfassung ..................................................................................

194

§ 4 Ergebnis .......................................................................................................

194

4. Teil Folgen der Erwerberhaftung für die Praxis

196

§ 1 Folgen für die Sanierung von Unternehmen ................................................

196

§ 2 Umgehungsschutz des Umwandlungsgesetzes ............................................

197

§ 3 Änderung des § 25 HGB? ..........................................................................

199

Inhaltsverzeichnis

xv

5. Teil

Ergebnisse

20 I

§ 1 Tatbestand ...................................................................................................

201

§ 2 Umfang der Haftung ....................................................................................

202

§ 3 Folgen ..........................................................................................................

202

Literaturverzeichnis

204

Stichwortverzeichnis

210

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Auffassung

Abs.

Absatz

AcP

Archiv fiir die civilistische PrclXis

a.F.

alte Fassung

allg.

allgemein

Anm.

Anmerkung

AnwBI

Anwaltsblatt

AP

Arbeitsrechtliche Praxis

Art

Artikel

AT

Allgemeiner Teil

Aufl

Auflage

BAG

Bundesarbeitsgericht

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BB

Betriebs-Berater

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBI.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BR-Drucks.

Bundesratsdrucksache

BT-Drucks.

Bundestagsdruckssache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

EGInsO

Einfiihrungsgesetz zur Insolvenzordnung

Einl

Einleitung

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis EuGH

Europäischer Gerichtshof

f

folgende

ff

fortfolgende

FN

Fußnote

GesR

Gesellschaftsrecht

GG

Grundgesetz

GmbHRdsch

GmbH-Rundschau

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

HdR

Handelsrecht

HGB

Handelsgesetzbuch

HRR

Höchtrichterliche Rechtsprechung

Hrsg.

Herausgeber

InsO

Insolvenzordnung

i.V.m.

in Verbindung mit

Jura

Juristische Ausbildung

JurBl

Juristische Arbeitsblätter

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

KGJ

Jahrbuch für die Entscheidungen des Kammergerichts

LBO

Leveraged-Buy-Out

LG

Landgericht

LM

Lindenmaier-Möhring

MBO

Management-Buy-Out

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

mwN

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport

n.F.

neue Fassung

Nr.

Nummer

ÖJZ

Österreich ische Juristenzeitung

2 Theißen

XVII

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

OLG

Oberlandesgericht

RdA

Recht der Arbeit

RegE

Regierungsentwurf

RG

Reichsgericht

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn

Randnumrner

ROHG

Reichsoberhandelsgericht

ROHGE

Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts

S.

Seite

SchR

Schuldrecht

Überbl

Überblick

UmwG

Umwandlungsgesetz

UmwBerG

Umwandlungsbereinigungsgesetz

usw.

und so weiter

v

von

vgl.

vergleiche

Vor, Vorb

Vorbemerkung

VS

Vorderseite

VVG

Versicherungsvertragsgesetz

WM

Wertpapier-Mitteilungen

z.B.

zum Beispiel

ZGR

Zeitschrift filr Untemehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift filr das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift filr Wirtschaftsrecht

Einleitung Die Haftung des Erwerbers eines Unternehmens im Ganzen rur bestehende Verbindlichkeiten nach § 25 HGB ist Gegenstand vielfliltiger Untersuchungen. Die Voraussetzungen der Haftung hängen entscheidend von der Bewertung des Sinns und Zwecks des § 25 HGB ab. Hierzu werden bis heute unterschiedliche Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung vertreten I. Trotz der Meinungsvielfalt sind die Grundprobleme des § 25 HGB umstritten und haben nicht an Aktualität verloren2. Dagegen wird die Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils nur sehr vereinzelt erörteIf. Eine Diskussion dieser Frage in der Literatur und eine gefestigte Rechtsprechung fehlen. Dies überrascht, weil unselbständige Unternehmensteile im Rechtsverkehr wie Unternehmen Gegenstand des Erwerbs sind und im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen werden4 • Das Problem der Erwerberhaftung stellt sich im Falle der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils in gleicher Weise wie bei der Übertragung eines Unternehmens. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung des § 25 HGB unter einem neuen Gesichtspunkt, der bisher in Literatur und Rechtsprechung keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Haftet der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils im Außenverhältnis den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers filr bereits begründete Verbindlichkeiten nach § 25 HGB analog?

§ 1 Gründe rur die Teilung eines Unternehmens Die Gründe tUr die Übertragung eines Unternehmensteils sind vielfliltig. Die Unternehmensteilung kann aufgrund eines Wandels wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, technischer Entwicklungen oder der Rechtsordnung erforderlich sein. Häufig auftretende Gründes rur die Umstrukturierung eines Unternehmens durch Teilung sind die Schaffung kleinerer Einheiten am Markt, die Änderung I Vgl. zum Meinungsstand Großkomm.HGBlHüffer § 25 Rn 3 ff; MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 8 ff. 2 Vgl. Entscheidungsrezension von K. Schmidt, JuS 1997, 1069 zu OLG Hamm NJW-RR 1997, 733. 3 K. Schmidt, HdR, § 8 11. I. e); ders. ZGR 1992,621,625; ders., GesR, § \3 5. b). 4 Vgl. hierzu Rohnke WM 1991, 1405 f. 5 Vgl. amtliche Begründung des Umwandlungsgesetzes, III.; Duvinage, S. 6.

2'

Einleitung

2

des Leistungsprogramms, die Isolierung von Haftungsrisiken, die Auseinandersetzung von Mitinhabern sowie die Auflösung vollzogener Unternehmenszusammenschlüsse. Aus Sicht des Erwerbers gesehen sind die Motive fiir den Kauf eines Unternehmensteils denen des Veräußerers ähnlich. Sie reichen von Kapazitätsausweitung, ProduktdiversifIkation, Verbesserung der Wettbewerbsposition, Ausdehnung der Niederlassungen, Integration unternehmerischer Tätigkeiten, Erwerb von Management oder technischem Personal bis zur Notwendigkeit, die derzeitige Position im Markt zu verteidigen oder überschüssige liquide Mittel zu investieren6 • Unabhängig von der Vielzahl der Motive besteht das Ziel einer erfolgreichen Akquisition filr den Erwerber darin, durch den Erwerb des unselbständigen Unternehmensteils einen möglichst großen Gewinn zu erwirtschaften. Der Anstoß rur die Übertragung eines Unternehmensteils kann von dem Inhaber des Unternehmens oder von dritter Seite ausgehen. Entschließt sich der Unternehmensinhaber selbst zur Teilung seines Unternehmens, wird er versuchen, einen Erwerber zu fInden, der bereit ist, den Unternehmensteil zu kaufen, zu pachten oder unentgeltlich zu übernehmen. Die Übernahme eines Unternehmensteils muß aber nicht notwendigerweise auf die Initiative des Untern ehmensinhabers zurückgehen. Sie kann ebenso auf Veranlassung anderer Personen geschehen. Der Kauf durch das Management eines Unternehmens wird dabei als Management-Buy-Out (MBO), der Kauf durch außenstehende Personen als Leveraged-Buy-Out (LBO) verstanden 7 . Diese Übernahme formen betreffen sowohl Unternehmen wie auch Unternehmensteile. Die Besonderheit der Übernahmeformen des MBO und des LBO besteht darin, sich die Werte des übernommenen Unternehmens oder des Unternehmensteils rur die Finanzierung des Kaufpreises zunutze zu machen. Für den Fall, daß rechtlich nicht selbständige Unternehmensteile gekauft werden sollen, stellt der Erwerb des Vermögens des betreffenden Unternehmensteils (asset acquisition)8 die einzige Möglichkeit dar, den unselbständigen Unternehmensteil zu erwerben. Das gilt insbesondere dann, wenn der veräußernde Unternehmensträger eine rechtliche Verselbständigung dieses Unternehmensteils ablehnt9 • Ein Anteilserwerb scheidet in diesen Fällen aus. Besondere Aufmerksamkeit wird den Möglichkeiten und Risiken der Finanzierung des MBO und des LBO geschenkt lO . Die haftungsrechtlichen Pro-

Jung, S. 3 f. Zum MBO und LBO vgl. Duo OB 1989. 1389; ders. OB 1988, Beilage 12; Hauschka BB 1987,2169; Peltzer OB 1987,973; Hitschier BB 1990. 1877. 8 Dtto OB 1989. 1389, 1392 f; Hitschier BB 1990, 1877, 1881. 9 Hitschier BB 1990. 1877, 1881. 10 Vgl. etwa Peltzer OB 1987. 973, 975 ff. 6

7

§ 2 Schutz der Gläubiger bei Unternehmensteilung

3

bleme werden demgegenüber als gering angesehenli. Sie werden eher auf das Innenverhältnis bezogen, etwa auf die Haftung der Altgesellschaft gegenüber der Zielgesellschaft oder die Haftung der Geschäftsfilhrer, falls eine GmbH betroffen ist I2 . Die in dieser Arbeit zu untersuchende Frage der Haftung im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmens inhabers nach § 25 HGB wird dagegen vernachlässigt. Der Erwerb von Unternehmensteilen spielt in der Praxis auch in anderem Zusammenhang eine Rolle. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann die Teilung eines Unternehmens und die Veräußerung eines Untemehmensteils das Mittel zur Sanierung des Gesamtunternehmens sein. Bei der Sanierung notleidender Unternehmen ist die Absicht des Erwerbers in der Regel auf die Übernahme der wirtschaftlich interessanten Unternehmensteile ausgerichtet. Bei der sogenannten übertragenden Sanierung wird der übernommene Unternehmensteil auf einen neuen Rechtsträger übertragen, der häufig eine Auffanggesellschaft ist. Der bisherige Rechtsträger wird, soweit möglich, liquidiert. Der zu sanierende und fortgefilhrte Unternehmensteil wird auf diese Weise von dem zu liquidierenden Rechtsträger getrennt 13 • Damit verbunden ist häufig eine Trennung von Aktiven und Passiven des dem Unternehmensteil zugeordneten Vermögens. Die Aktiven werden von dem neuen Rechtsträger übernommen, während die Verbindlichkeiten bei dem zu liquidierenden Rechtsträger verbleiben. In diesem Zusammenhang wird die Frage interessant, unter welchen Voraussetzungen die Trennung der Aktiven und Passiven durch die Veräußerungsparteien möglich ist, oder ob die gesetzliche Haftungsnorm des § 25 HGB zu einer Inanspruchnahme des Erwerbers durch die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers filhren kann.

§ 2 Schutz der Gläubiger bei Unternehmensteilung Wird ein Unternehmen geteilt, sind nicht nur die Interessen der Veräußerungsparteien, sondern auch die Interessen der Gläubiger des Unternehmensinhabers und die Interessen der Gläubiger des Erwerbers berührt l4 . Besondere Aufmerksamkeit wird der Interessenlage der Gläubiger des Unternehmensinhabers gewidmet. Dies ist gerechtfertigt, weil § 25 HGB als Gläubigerschutzvorschrift eingeordnet wirdis. Durch die Teilung des Unternehmens und 11

Hitsch/er BB 1990, 1877, 1881. Wittkowski GmbHRdsch 1990, 544 ff. 13 Bork, Insolvenzrecht, Rn 375. 14 Zur ausfiIhrlichen Darstellung der Interessenlage siehe unten 1. Teil § 3. 15 RGZ 154, 334, 339; 169, 133, 137; BGHZ 31, 321, 328; 32, 62, 67; Lieb, Festschrift Börner, 747, 749; Hueck ZHR 108 (1941), 1,7. 12

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Einleitung

die Übertragung von Vennögenswerten wird die Haftungsmasse verkleinert, die den Gläubigern zur Durchsetzung ihrer Forderungen zur Verfilgung steht. Je nach Größe und Bedeutung des veräußerten Unternehmensteils beinhaltet die Teilung des Unternehmens die Gefahr fllr die Gläubiger, ihre Forderungen gegen den Unternehmensinhaber nicht mehr oder nicht vollständig durchsetzen zu können. Aufgrund dieser Situation stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber die Gläubiger als schutzbedürftig angesehen und in welcher Weise er den Schutz der Gläubiger im Falle der Teilung eines Unternehmens nonniert hat. Die gesetzliche Ausgestaltung des Gläubigerschutzes hängt davon ab, welche Art und welches Verfahren zur Übertragung des Unternehmensteils der Inhaber des Unternehmens wählt. Für die Teilung eines Unternehmens stehen die beiden Grundtypen des sogenannten share deal und des sogenannten asset deal zur VerfUgung. Welche dieser beiden Fonn gewählt wird, richtet sich vor allem nach steuerlichen Erwägungen!6, die hier nicht weiter verfolgt werden sollen. Beim share deal werden die Gesellschaftsanteile eines Unternehmensträgers an eine dritte Person übertragen!'. Der share deal ist im folgenden nicht mehr Gegenstand der Untersuchung, weil der Erwerb des Rechtsträgers des Unternehmens von § 25 HGB nicht erfaßt wird. Die Untersuchung beschränkt sich auf den asset deal. Beim asset deal werden die Bestandteile des Unternehmens oder des Unternehmensteils auf eine dritte Person übertragen. Die Folge ist die Abtrennung des Unternehmens oder des Unternehmensteils von seinem bisherigen Rechtsträger!8. Für diese Teilung eines Unternehmens durch die Übertragung der Vermögensbestandteile eines Unternehmensteils stehen zwei unterschiedliche Verfahren zur Verfilgung, die Einzelrechtsnachfolge oder die partielle Gesamtrechtsnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz. In beiden Fällen kann der Unternehmensinhaber sein Unternehmen vollständig auf zwei oder mehrere Rechtsträger aufteilen, die entweder schon bestehen oder neu gegründet worden sind. Zudem besteht die Möglichkeit, den Unternehmensteil auf einen bestehenden oder neu gegründeten Rechtsträger zu übertragen und das verbleibende Unternehmen fortzufUhren. Unterschiedlich ist der Gläubigerschutz ausgestaltet.

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Vgl. hierzu Holzapjel/Pöl/ath Rn 137 ff. Holzapjel/Pöl/ath Rn 131. Holzapjel/Pöl/ath Rn 131.

§ 2 Schutz der Gläubiger bei Untemehmensteilung

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A. Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz Die Teilung eines Unternehmens im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge, die sogenannte Spaltung, regelt das Umwandlungsgesetz in den §§ 123 ffUmwG. Sie ist als Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung möglich. Die Spaltung vereinfacht die Umstrukturierung des Unternehmens, weil sie die Vielzahl der Übertragung einzelner Vermögensgegenstände nach den jeweils für sie geltenden Vorschriften entbehrlich macht. Den Schutz der Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers hat das Umwandlungsgesetz besonders umfassend ausgestaltet. Der übertragende und der übernehmende Rechtsträger haften den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers nach § 133 Abs. 1 UmwG als Gesamtschuldner für nicht übernommene Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind. Weiterhin haben die Gläubiger nach § 125 iVm §§ 25, 26 UmwG einen Anspruch auf Ersatz der durch die Spaltung eventuell entstandenen Schäden. DarUberhinaus steht den Gläubigem gemäß § 133 Abs. I Satz 2 UmwG ein Anspruch auf Sicherheitsleistung zu. Insgesamt sind die Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers im Fall der Spaltung durch das Umwandlungsgesetz vor einer Geflihrdung ihrer Forderungen geschützt. Dies ist um so beachtenswerter als es sich bei dem Umwandlungsgesetz um ein Gesetz neueren Datums handelt, in welchem der Schutz der Gläubiger bei der Spaltung von Unternehmen ein ausdrückliches Ziel des Gesetzgebers war J9 •

B. Einzelrechtsnachfolge Im Gegensatz zur Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz ist der Schutz der Gläubiger, die sich einer Teilung des Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge gegenübersehen, nur äußerst rudimentär ausgestaltet. Die Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge wird durch die Spaltungsvorschriften des Umwandlungsgesetzes nicht eingeschränkt. Eine umfassende gesetzliche Regelung für die Übertragung eines Unternehmensteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge fehlt. Die Übertragung der einzelnen Bestandteile des Unternehmensteils erfolgt vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften. Besondere Aufinerksamkeit ist auf den übertragenden, dinglichen Teil der Veräußerung zu richten. Bewegliche Sachen werden nach §§ 929 ffBGB, Grundstücke nach §§ 873, 925 BGB, Forderungen nach §§ 398 BGB u.s.w. übertragen. Sachgesamtheiten müssen qualitativ und nicht nur quantitativ abgegrenzt werden. Bei der Übertragung eines Unternehmensteils bedarf es daher einer sorgflUtigen Aufzählung der einzelnen Gegen-

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Limmer, S. 13.

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Einleitung

stände, die auf den neuen Inhaber übergehen sollen, und der Beachtung der jeweiligen Übertragungsvorschriften. Die Praxis hilft sich mit umfassenden Listen, die dem Vertrag zwischen dem ursprünglichem Inhaber und dem Erwerber als integrierender Bestandteil beigefilgt werden 20 • Die Gegenstände des Anlagevermögens (Grundstücke, Maschinen, Anlagen, Betriebsausstattung) und des Umlaufvermögens sowie zu übertragende gewerbliche Schutzrechte werden aufgelistet. Bei Schutzrechten, die zwar auch den zu übertragenden Unternehmensteil betreffen, auf die der Unternehmensveräußerer im Hinblick auf das verbleibende Restunternehmen aber nicht verzichten kann, werden die beiderseitigen Interessen in Lizenzverträgen abgegrenzt. Vereinbarungen über die körperliche Bestandsaufnahme von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, von unfertigen und fertigen Erzeugnissen sowie Zubehör, die am Stichtag auf den Käufer übergehen sollen, sind zu treffen. Nach präziser Definition der zu erwerbenden Aktiva bedarf es zusätzlich einer Regelung, welche mit dem Unternehmensteil in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten von dem Erwerber übernommen werden und welcher Personenkreis im Sinne des § 613 a BGB dem Unternehmensteil zuzurechnen isr 1• Beim Kauf eines Unternehmensteils ist der Käufer im Interesse einer reibungslosen Fortsetzung des Betriebs weiterhin darauf angewiesen, in beiderseits noch nicht erfilllte gegenseitige Verträge einzutreten, einerseits in die Bezugsverträge, um die Versorgung des Betriebs mit Vormaterialien zu sichern, andererseits in die Vertriebs verträge, um die Kontinuität der Geschäftsbeziehungen zu den Kunden zu gewährleisten. Im Unternehmenskaufvertrag ist daher zu regeln, in welche Verträge der Unternehmenskäufer eintreten soll. Die Ansprüche des Verkäufers sind abzutreten. Der Käufer hat den Verkäufer durch Schuld- oder Erfilllungsübernahme freizustellen 22 • Die hier interessierende Frage besteht jedoch darin, ob die Gläubiger des ursprünglichen Inhabers den Erwerber in Anspruch nehmen können, wenn eine solche Vertrags- oder Erfilllungsübernahme gerade nicht vereinbart worden ist. Ein solcher Anspruch kann sich nur aus allgemeinen Haftungsnormen ergeben. In Betracht kommen § 25 HGB und § 419 BGB, der zum Zeitpunkt der Einreichung der Dissertation noch galt und daher mitberücksichtigt worden ist. Die Gläubigerschutzvorschrift des § 419 BGB findet bei der hier interessierenden Fallgestaltung der Übernahme unselbständiger Unternehmensteile keine Anwendung. Gemäß § 419 BGB haftet der Erwerber den Gläubigem des ursprünglichen Vermögensinhabers, wenn er durch Vertrag dessen Vermögen übernimmt. Die Übernahme eines unselbständigen Unternehmensteils erfilllt in

20 Hierzu ausfilhrlich Wessing ZGR 1982, 455, 461; Jung, S. 366 ff; Beisel/Klumpp Rn 1044. 21 Wessing ZGR 1982, 455, 460; Jung, S. 366 ff. 22 Wessing ZGR 1982, 455, 461.

§ 3 Untersuchungsgegenstand

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keinem Fall die Voraussetzung des wesentlichen Vermögens des ursprünglichen Inhabers. Vielmehr handelt es sich nur um einen Teil des Vermögens. Als Schutzvorschrift filr die von der Teilung des Unternehmens betroffenen Gläubiger kommt ausschließlich die allgemeine Haftungsnorm des § 25 HGB in Betracht. § 25 HGB enthält eine Anordnung ftlr die rechtliche Behandlung der in der Hand des Veräußerers vorhandenen Geschäftsbeziehungen.

§ 3 Untersuchungsgegenstand Der Untersuchungsgegenstand der Arbeit wird bestimmt durch die Frage, ob

§ 25 HGB bei der Übernahme eines unselbständigen Unternehmensteils im

Wege der Einzelrechtsnachfolge analoge Anwendung findet. Bei einer analogen Anwendung des § 25 HGB könnten die Gläubiger den ursprünglichen Unternehmensinhaber und den Erwerber gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen. Die Folge wäre ein Schutz der Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers. Obwohl hinsichtlich des Sinns und Zwecks des § 25 HGB unterschiedliche Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung vertreten werden23 , besteht Einigkeit darüber, daß bei § 25 HGB Gläubigerschutzgesichtspunkte eine wesentliche Rolle spielen24 • Ausdrücklich regelt § 25 HGB den Übergang von Verbindlichkeiten und Forderungen auf denjenigen, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortftlhrt. Unter Handelsgeschäft wird nach überwiegender Ansicht das handelsrechtliehe Unternehmen verstanden2s . Für den Unternehmenserwerb wird es als ausreichend angesehen, wenn der wesentliche Teil des Unternehmens übertragen worden ise6• Die Haftung des Erwerbers ist dispositiv. Sie greift nach § 25 Abs. 2 HGB nicht ein, wenn eine abweichende Vereinbarung zwischen dem ursprünglichen Inhaber und dem Erwerber in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder einem Dritten mitgeteilt worden ist. Andererseits haftet nach § 25 Abs. 3 HGB der Erwerber auch ohne die Fortfilhrung der Firma, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt. Hierzu zählen die handelsübliche Bekanntmachung der Übernahme der Verbindlichkeiten und die Haftung wegen Vermögens23 Vgl. zum Meinungsstand Großkomm.HGB/Hüjfor § 25 Rn 3 ff; MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 8 ff; hierauf wird später zurückzukommen sein, siehe unten I. Teil § 4 B. 24 RGZ 154,334,339; 169, 133, 137; BGHZ 31,321,328; 32, 62, 67; Lieb, Festschrift Börner, 747, 749; Hueck ZHR \08 (1941), 1,7. 25 Heymann/Emmerich § 22 Rn 3; Baumbach/Hopt § 22 Rn 1; Glanegger § 25 Rn 2. 26 BGHZ 18,248,250; NJW 1982, 1647, 1648; Heymann/Emmerich § 25 Rn 16, § 22 Rn 5; Commandeur, S. 129.

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Einleitung

übernahme nach § 419 BGB, der mit Wirkung zum 01.0l.l999 durch Art. 33 Nr. 16 EGInsO jedoch aufgehoben wird. Nach überwiegender Ansicht ist § 25 HGB über den Wortlaut hinaus ebenfalls auf den Erwerb einer Zweigniederlassung als selbständiger Unternehmensteil anwendbar7 . Der Erwerber einer Zweigniederlassung haftet den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers fi1r die im Geschäftsbereich der Zweigniederlassung begründeten Verbindlichkeiten gesamtschuldnerisch. Dagegen wird es als nicht ausreichend angesehen, wenn die Merkmale einer Zweigniederlassung nicht erfllllt sind, der unselbständige Unternehmensteil aber flUschlicherweise im Handelsregister als Zweigniederlassung eingetragen isfB• Eine weitergehende analoge Anwendung des § 25 HGB auf Unternehmensteile, welche nicht als selbständige Zweigniederlassung organisiert sind und die im folgenden als unselbständige Unternehmensteile bezeichnet werden, ist bislang nicht anerkannt. Die Haftung des Erwerbers fi1r die im Betrieb eines unselbständigen Unternehmensteils begründeten Verbindlichkeiten, die in dieser Arbeit untersucht werden soll, wird überwiegend ohne nähere Begründung abgelehnt29 • Allein Karsten Schmidt wirft die Frage auf, ob eine Haftung beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile nach § 25 HGB vertretbar iseo, ohne diesem Problem jedoch näher nachzugehen. Die ablehnende Ansicht des überwiegenden Schrifttums und der Rechtsprechung erklärt sich daraus, daß die Fortfilhrung der Firma als haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal eingeordnet wird31 • Fehlt dieses Merkmal, kommt folgerichtig eine Haftung des Erwerbers nicht in Betracht. Die Gläubiger können nur den ursprünglichen Inhaber als Schuldner und nicht den Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils in Anspruch nehmen. Aus diesen Gründen fehlt eine Kasuistik der Rechtsprechung zu der in dieser Arbeit untersuchten Fragestellung. Vergleicht man den Schutz der Gläubiger nach den Spaltungsvorschriften des Umwandlungsgesetzes mit dem Schutz Gläubiger, die von der Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge betroffen sind, so flUlt bereits bei erster Betrachtung der unterschiedlich stark ausgeprägte Gläubigerschutz auf. Im Gegensatz zur gesamtschuldnerischen Haftung des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers fi1r die zum Zeitpunkt des Wirksamwer27 BGH WM 1963, 664, 665; MünchKomm.HGBILieb § 25 Rn 37, 94; Großkomm.HGBlHüffer § 25 Rn 42 f; HeymanniEmmerich § 25 Rn 28; SchlegelbergeriHildebrandtlSteckhan § 25 Rn 5; Holzap[eIIPöllath Rn 562. 28 HeymanniEmmerich § 25 Rn 17. 29 RGZ 169, 133, 139; BaumbachiHopt § 25 Rn 3; Großkomm.HGB/WÜrdinger § 25 Rn 7; Duvinage, S. 55 f; Commandeur, S. 129; Schricker ZGR 1972, 121, 153. 30 K. Schmidt, HdR, § 8 11. l. e); ders. ZGR 1992, 621, 625 ausdrücklich bezogen auf Unternehmensteile. 31 Siehe unten l. Teil § 4 B.

§ 3 Untersuchungsgegenstand

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dens der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten und dem Anspruch der Gläubiger auf Schadensersatz und Sicherheitsleistung nach dem Umwandlungsgesetz sind die Gläubiger einer Unternehmensteilung im Wege der Einzelrechtsnachfolge nach der bisher überwiegenden Auffassung durch § 25 HGB nicht geschützt. Dies ist überraschend, weil die Interessenlage der jeweils betroffenen Gläubiger vergleichbar und unabhängig davon ist, ob die Teilung des Unternehmens im Wege der Einzel- oder der partiellen Gesamtrechtnachfolge erfolgt. Der fehlende Gläubigerschutz nach § 25 HGB bei der Teilung eines Unternehmens wiegt um so schwerer, wenn man zusätzlich die Vorschriften der neuen Insolvenzordnung berücksichtigt. In der Praxis greifen die Gläubiger auf § 25 HGB zurück, wenn der ursprüngliche Inhaber ihre Forderungen nicht erflillt. Der Schritt bis zur Insolvenz ist in diesen Fällen nicht mehr weit. Daher ist § 25 HGB im Zusammenhang mit der neuen Insolvenzordnung zu sehen32 • Die neue Insolvenzordnung ermöglicht durch die Regelungen der §§ 160 ffInsO den Gläubigem mitzubestimmen, in welcher Weise das Vermögen ihres Schuldners verwendet wird. Das Ziel ist, den Gläubigem einen Gegenwert zur Verfiigung zu stellen, mit dem ihre Forderungen erfUllt werden können. Eine mögliche Entscheidung besteht darin, einen Unternehmensteil zu veräußern. Diese Möglichkeiten, welche die Insolvenzordnung den Gläubigem des Unternehmensinhabers zur VerfUgung stellt, bieten den Gläubigem Schutz. Aus welchen Gründen die Gläubiger nicht geschützt sein sollen, wenn der Unternehmensinhaber einen Unternehmensteil im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf einen Dritten überträgt, ohne insolvent zu sein, bedarf zumindest einer Begründung. Es liegt aber nahe, in diesem unterschiedlich ausgestalteten Gläubigerschutz einen Wertungswiderspruch zu sehen. Festzuhalten ist, daß der Gläubigerschutz, den das Umwandlungsgesetz rur Spaltungen und die Insolvenzordnung im Falle der Insolvenz des ursprünglichen Unternehmens inhabers zur VerfUgung stellen, den aktuellen Anlaß fi1r die spezielle Untersuchung der Frage bietet, ob eine analoge Anwendung des § 25 HGB zu einem Mindestschutz fi1r die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmens inhabers fUhrt, die von der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge betroffen sind.

J2 Auf den Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme des Erwerbers nach § 25 HGB und der Insolvenz des ursprünglichen Untemehmensinhabers weisen Canaris, Festschrift Frotz, I I, 12 ffund Scheerer OB 1996,2321,2323, hin.

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Einleitung

§ 4 Gang der Untersuchung Die Untersuchung der Frage, ob und in welchem Umfang der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils filr bereits bestehende Verbindlichkeiten den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmensinhabers nach § 25 HGB analog haftet, nimmt folgenden Gang: Im ersten Teil der Arbeit wird untersucht, zu welchen Ergebnissen der bisherige Meinungsstand zum Sinn und Zweck des § 25 HGB beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile fUhrt und ob diese Ergebnisse überzeugend sind. Hierzu wird eine Definition des unselbständigen Unternehmensteils in Abgrenzung zum Unternehmen und zur Zweigniederlassung auf der einen Seite und einer Ansammlung einzelner Vermögensgegenstände auf der anderen Seite entwickelt. In methodischer Hinsicht sind die Voraussetzungen der analogen Anwendung des § 25 HGB zu untersuchen, d.h. das Vorliegen einer ungewollten Regelungslücke sowie die Ähnlichkeit der Sach- und Interessenlage des geregelten Falls des Erwerbs eines Unternehmens mit dem ungeregelten Fall des Erwerbs eines unselbständigen Unternehmensteils. Im Anschluß daran wird festgestellt, ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 25 HGB auf den Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils übertragbar sind. Besondere Berücksichtigung findet das Merkmal der Firmenfortfilhrung. Die Bedeutung der Firmenfortfilhrung hängt dabei von der jeweils zum Sinn und Zweck des § 25 HGB vertretenen Auffassung ab. Im zweiten Teil der Arbeit wird der Versuch unternommen, diejenigen Auffassungen zum Sinn und Zweck des § 25 HGB weiterzuentwickeln, die zwar zu einer Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils filhren, aber infolge der gegen sie vorgebrachten Kritik mit der bisherigen Begründung nicht vertreten werden können. Im Anschluß wird untersucht, ob und in welchem Umfang der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers haftet. Der dritte Teil der Arbeit widmet sich der Rechtsfolgenseite der analogen Anwendung des § 25 HGB beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile. Die Schwierigkeit besteht darin zu bestimmen, filr welche Verbindlichkeiten der Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils den Gläubigem gesamtschuldnerisch mit dem ursprünglichen Inhaber haftet. Es wird erörtert, filr welche Verbindlichkeiten der Erwerber im Einzelfall haftet, und welche Möglichkeiten die Gläubiger haben, einen Anspruch nach § 25 HGB analog gegen den Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils zu realisieren. Im vierten Teil der Arbeit werden die gegenwärtigen und künftigen Folgen der analogen Anwendung des § 25 HGB beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile filr die Praxis erörtert. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf die Sanierungsmöglichkeiten von Unternehmen gelegt. Es ist zu untersuchen, ob

§ 4 Gang der Untersuchung

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die hier vertretene Auffassung zu § 25 HGB und der Haftung des Erwerbers mit den Wertungen der Insolvenzordnung vereinbar ist. Weiterhin erfolgt ein Vergleich mit den Wertungen des Umwandlungsgesetzes. Es ist zu prüfen, ob die analoge Anwendung des § 25 HGB einen Schutz vor Umgehungen des Umwandlungsgesetzes und dem dort normierten Gläubigerschutz bietet. Weiterhin erfolgt ein kurzer Ausblick auf die Erforderlichkeit einer Änderung des § 25 HGB durch den Gesetzgeber und die Erweiterung aufUnternehmensteile. Im filnften Teil werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefaßt.

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB Im ersten Teil der Arbeit wird der Frage nachgegangen, ob eine analoge Anwendung des § 25 HGB in seiner geltenden Fassung auf den Erwerb unselbständiger Unternehmensteile unter methodischen Gesichtspunkten möglich ist. Zugrundegelegt werden die bislang in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen hinsichtlich der dogmatischen Einordnung des § 25 HGB. Die Voraussetzungen der Analogie müssen erfilllt sein. Zusätzlich zu der ungewollten Regelungslücke muß die Sach- und Rechtslage beim Erwerb eines ganzen Unternehmens mit der Interessenlage beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils vergleichbar sein.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB In einem ersten Schritt ist zu erörtern, bei welchen Fallgruppen die direkte Anwendung des § 25 HGB anerkannt ist. Hierbei ist das Augenmerk auf den Erwerbsgegenstand zu legen. Besteht Klarheit über den Erwerbsgegenstand, läßt sich beurteilen, inwieweit unter diesem Aspekt eine Ausdehnung des § 25 HGB auf andere, ähnliche Erwerbsgegenstände möglich ist. Unbestritten ist § 25 HGB direkt auf das bis zum Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.07.1998 (BGBI. I S. 1474) als vollkaufinännisch bezeichnete Unternehmen anwendbar. Eine, wenn auch nur analoge, Anwendung des § 25 HGB auf den vor der Handelsrechtsreform als Minderkaufinann bezeichneten Kaufinann wird überwiegend abgelehnt l . Die Definition des handelsrechtlichen Unternehmens, wie sie in § 25 HGB verstanden wird, kommt als Ausgangspunkt rur die Bestimmung weiterer möglicher Erwerbsgegenstände wie selbständige und unselbständige Unternehmensteile in Betracht. Das Unternehmen ist im Verhältnis zu den Unternehmensteilen der Oberbegriff. Wie bereits in der Einleitung ausgefllhrt, wird die direkte Anwendung auf die selbständige Zweigniederlassung in Rechtsprechung und Literatur bejaht. Es ist daher zu untersuchen, welche Elemente der Zweigniederlassung diese Gleichsetzung mit dem Unternehmen rechtfertigen. Im Anschluß daran stellt sich die Frage, welche Elemente einen unselbständigen Unternehmensteil

I BGH NJW 1992, 112, 113; Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 83; Röhricht/Graf von WestphaleniAmmon § 25 Rn 2.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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kennzeichnen, der Gegenstand des Erwerbs im Sinne des § 25 HGB sein kann, und ob ein Vergleich mit den prägenden Elementen des Unternehmens und der Zweigniederlassung eine Ausdehnung der direkten Anwendung des § 25 HGB auf unselbständige Unternehmensteile rechtfertigt. Hilfreich rur die Definition des Unternehmens und des Unternehmensteils könnte zusätzlich die Untersuchung verwandter Rechtsbegriffe sein. Als verwandte Begriffe bieten sich der Betrieb und der Betriebsteil an. Die zwischen Betrieb und Betriebsteil differenzierenden Kriterien, die von der Rechtsprechung und der Literatur entwickelt worden sind, könnten fi1r die Abgrenzung zwischen Unternehmen und Unternehmensteil herangezogen werden. Bei der Defmition des unselbständigen Unternehmensteils ist eine Abgrenzung in zweierlei Hinsicht erforderlich. Zum einen sind Kriterien zu bestimmen, welche den unselbständigen Unternehmensteil vom Unternehmen und vom selbständigen Unternehmensteil abgrenzen. Andererseits muß der Unterschied zwischen einem unselbständigen Unternehmensteil und einem Vermögensbestandteil bzw. einer Summe von Vermögensbestandteilen entwickelt werden. Als Folge ist ein Vergleich zwischen den prägenden Merkmalen des Unternehmens sowie des selbständigen Unternehmensteils auf der einen Seite und des unselbständigen Unternehmensteils auf der anderen Seite möglich. Dieser Vergleich ermöglicht die Entscheidung, ob eine direkte Anwendung des § 25 HGB beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile wie beim Erwerb eines Unternehmens möglich ist, oder ob allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht kommt. A. Erwerb eines handelsrechtlichen Unternehmens Der Gegenstand des Erwerbs nach dem Wortlaut des § 25 HGB ist das unter Lebenden erworbene Handelsgeschäft. Unter Handelsgeschäft wird das handeisrechtliche Unternehmen verstanden2• Durch diese Begriffsbestimmung ist jedoch noch nichts gewonnen. Vielmehr ist eine Untersuchung erforderlich, welche Merkmale ein handelsrechtliches Unternehmen auszeichnen. Aus den rur das Unternehmen notwendigen Elementen läßt sich sodann ableiten, welche dieser Elemente vorliegen müssen, um von einem unselbständigen Unternehmensteil ausgehen zu können. Obwohl es sich beim Unternehmen um einen Grundbegriff des Handels- und Wirtschaftsrechts, aber auch des Zivil- und des Öffentlichen Rechts handelt, ist ein allgemeiner, gesetzesübergreifender Unternehmensbegriff weder gesetzlich

2 HeymanniEmmerich § 22 Rn 3; Baumbach/Hopt § 22 Rn 1; Glanegger § 25 Rn 2; K. Schmidt JuS 1997, 1069, 1070.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

geregelt noch in Rechtsprechung und Literatur anerkanne. Vielmehr bezeichnet das Unternehmen sehr unterschiedliche Fallgestaltungen. Dies ist eine Folge der Auslegung des Unternehmensbegriffs nach dem Zweck des jeweiligen Gesetzes, das diesen Begriff verwendet. Es gibt daher unter anderem einen aktienrechtlichen, einen kartellrechtlichen und auch einen handelsrechtlichen Unternehmensbegritr. Die nachfolgende Untersuchung beschränkt sich auf die Defmition und die Rechtsnatur des handelsrechtlichen Unternehmens. Der Gesetzgeber verwendet das Unternehmen nur vereinzelt als Tatbestandsmerkmal im Handelsgesetzbuch. Das Unternehmen steht in §§ 2 und 3 Abs. 2 HGB in direktem Zusammenhang mit dem Handelsgewerbe. Bei der Untersuchung, welche Elemente das handelsrechtliche Unternehmen kennzeichnen, ist dieser Zusammenhang zu berücksichtigen.

I. Der Kaufmannsbegriff als Anknüpfungspunkt

Eine frühzeitig vertretene Definition des Handelsgeschäftes stellte den Kaufmannsbegriff in den Mittelpunkt. Das Handelsgeschäft wurde als das vom Kaufmann betriebene Unternehmen angesehens. Das Unternehmen diente dazu, die dem kaufmännischen Betrieb eigentümlichen Werte zusammenzufassen6 . Eine darüber hinausgehende eigenständige Bedeutung kam dem handelsrechtlichen Unternehmen gegenüber dem Kaufmann nicht zu. Dieses Verständnis des Unternehmens ist heute überholt, weil es der Funktion des Unternehmens im Handelsverkehr nicht gerecht wird. Diese Begriffsbestimmung des Unternehmens wird im folgenden nicht weiter verfolgt.

11. Organisationsbezogene Definition

Im Laufe der Zeit löste sich die Definition des Handelsgeschäftes vom Element des Kaufmanns als Anknüpfungspunkt. Das Unternehmen selbst rückte in den Mittelpunkt. Das Handelsgeschäft wird nach der heute überwiegend vertretenen Auffassung als dasjenige Unternehmen angesehen, das einem Handelsgewerbe seines Inhabers diene. Damit liegt eine tatbestandlich umrissene Defi3 Baumbach/Hopt Einl v § 1 Rn 31; Brox, HdR, Rn 154; Gierke/Sandrock § 13 I. 2. und 3.; AA. Raiser, S. 115 f. 4 Baumbach/Hopt Einl v § 1 Rn 32; K. Schmidt, HdR, § 4 I. 1; Gierke/Sandrock § 13 I. 4.; Brox, HdR. Rn 154. 5 Düringer/Hachenburg/Hoeniger. 3. Aufl .• § 25 Anm. 2; Gierke/Sandrock § 13 I. I. b); Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 22 Rn 4. 6 Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 22 Rn 4. 7 Großkomm.HGBlHüffer Vor § 22 Rn 7.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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nition nicht vor. Um eine Abgrenzung zwischen dem Handelsgeschäft als handeisrechtlichem Unternehmen und dem Handelsgewerbe im Sinne der §§ 1 ffHGB vornehmen zu können, sind Versuche unternommen worden, eine Präzisierung vorzunehmen. Aus diesem Grund müssen die Merkmale, welche das handelsrechtliehe Unternehmen kennzeichnen, genauer untersucht werden. Die heute überwiegend vertretene Ansicht defmiert das handelsrechtliche Unternehmen als den durch ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe geschaffenen Tätigkeitsbereich mit den ihm regelmäßig ein- und angegliederten Sachen und Rechten einschließlich der zu ihm gehörenden Verbindlichkeiten8 • Im Mittelpunkt dieser Defmition steht die organisatorisch-wirtschaftliche Einheit, die personelle und sachliche Mittel zur Erreichung eines wirtschaftlichen Zwecks verbindet, d.h. der einheitlich zusammengefaßte Geschäftsorganismus 9 . Neue Literaturstimmen zu dieser Frage liegen filr die Zeit nach Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes noch nicht vor. Die tatsächliche Ausübung eines Handelsgewerbes ist damit der Bezugspunkt filr das Unternehmen 10 • Voraussetzung des Handelsgewerbes war vor Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes eine Tätigkeit, die eines der Grundhandelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB a.F. umfaßte oder einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb bei gleichzeitiger Eintragung in das Handelsregister erforderte, §§ 2 und 3 HGB a.F. In § 1 Abs. 2 HGB n.F. ist diese Unterscheidung aufgegeben worden. Unter Handelsgewerbe wird nunmehr jeder Gewerbebetrieb verstanden, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Ob ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb erforderlich ist, ergibt sich aus dem Gesamtbild. Hierzu gehören der Umsatz, die Art der Tätigkeit und die Struktur des Betriebes, die Höhe des Anlage- und Betriebskapitals, die Zahl der Beschäftigten, die Größe des Geschäftslokals, die geordnete Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen, die Kalkulation, die Inanspruchnahme von Bankkredit, die Buchfilhrung, die regelmäßige Inventur und Bilanz; nicht jedes dieser Merkmale muß vorliegen 11. Durch den Betrieb des Handelsgewerbes hat das Unternehmen den erforderlichen handeisrechtlichen Bezug.

8 Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 34, Vor § 22 Rn 6; MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 36; Gierke/Sandrock § 13 III. 1.; Röhricht/Graf von WestphaleniAmmon § 25 Rn 2 sieht den Anwendungsbereich des § 25 HGB ausdrücklich nur bei einem vollkaufinännischen Unternehmen eröffnet. 9 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, 3. Aufl., § 25 Rn 2; Roth, HdR, § 3 1.; Holzapfel/Pöllath Rn 48 a (Unternehmen als Inbegriffvon Rechts- und Sachgesamtheiten). 10 Großkomm.HGBlHüffer Vor § 22 Rn 7. 11 Holzapfel/Pöllath Rn 561; OLG Koblenz DB 1988,2506,2507.

3 Theißen

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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Das zeigt, daß Handelsgewerbe und Unternehmen zwar keine deckungsgleichen Begriffe sind, sich aber gegenseitig bedingen. Das Handelsgewerbe ist die Tätigkeit des Kaufmanns, während das Unternehmen die infolge der Tätigkeit geschaffene Wirtschaftseinheit ist. Die Funktionselemente des Handelsgewerbes sind damit gleichzeitig Elemente des handelsrechtlichen Unternehmens. Bei diesen Funktionselementen handelt es sich um Selbständigkeit, anbietende und entgeltliche rechtsgeschäftliche Tätigkeit sowie Planmäßigkeit und Ausrichtung auf Dauer J2 • Damit ein Unternehmen vorliegt, muß ein Mindestmaß an sachlichen und personellen Mitteln sowie eine bestehende Organisation zur Erreichung eines wirtschaftlichen Zwecks hinzukommen. Diese betriebsfähige Wirtschaftseinheit erlangt Außenwirkung durch das Auftreten am Markt l3 • Auf diese Merkmale des handelsrechtlichen Unternehmens wird im folgenden näher eingegangen, um in einem zweiten Schritt aufzeigen zu können, welche dieser Merkmale filr die Definition des Unternehmenteils von Bedeutung sind.

1. Planmäßige, dauerhafte und selbständige Tätigkeit mit Außenwirkung

Ein handelsrechtliches Unternehmen erfordert eine planmäßige, dauerhafte und selbständige Tätigkeit mit Außenwirkung. Ausgeschlossen sind rein interne oder gelegentliche Tätigkeiten 14. Es ist nicht erforderlich, solche Tätigkeiten den besonderen Vorschriften des Handelsrechts zu unterstellen. 2. Organisierte Wirtschaftseinheit

Der Kern des Handelsgeschäfts als handelsrechtlichem Unternehmen ist der zur Verwirklichung des Handelsgewerbes hervorgebrachte Tätigkeitsbereich und die hierzu von dem Unternehmer geschaffene Organisation lS • Zu diesem organisierten Tätigkeitsbereich können sehr unterschiedliche Elemente gehören. a) Sachen, Rechte, Verbindlichkeiten In der Regel gehören zum Tätigkeitsbereich des Unternehmens die unternehmensbezogenen Sachen, Rechte und Verbindlichkeiten; sie sind dem Unter12

K. Schmidt, HdR, § 4 I. 2. b); ders. JuS 1985,249,255. K. Schmidt, HdR, § 41. 2. a); Großkomm.HGB/HüjJer Vor § 22

Rn 6. Gierke/Sandrock § 6 11. 1., 2., 4. 15 Gierke/Sandrock § 13 III. I. a); Roth, HdR, § 3 I. b); Raiser, S. 115, spricht von der Unterscheidung des Unternehmens von anderer Organisationen durch die Zielsetzung, Groch/a, S. 38, betrachtet die Unternehmung als zielgerichtetes System. \3

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§ I Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

17

nehmenszweck gewidmet. Auf die Ausnahmen, etwa die Veräußerung aller unternehmensbezogener Bestandteile infolge Kriegs trotz Fortbestehens des Unternehmens, wird nicht näher eingegangen l6 • Bei den unternehmensbezogenen Sachen handelt es sich etwa um Waren, Wertpapiere, Grundstücke, Einrichtungsgegenstände, Geld und Handelsbücher. Zu den unternehmensbezogenen Rechten zählen zum Beispiel beschränkt dingliche Rechte, Geschäftsforderungen, Beteiligungen sowie Vertragsrechte. Hinzu kommen die immateriellen Rechte wie die Finna, Patentrechte, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Urheberrechte und andere Immaterialgüterrechte. Die immateriellen Rechte sind unternehmensbezogene Rechtspositionen 17 • Schließlich gehören die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten zum Unternehmen l8 . b) Sonstige wirtschaftliche Werte Zusätzlich zu Sachen, Rechten und Verbindlichkeiten können einem Unternehmen weitere wirtschaftliche Werte l9 zugeordnet sein. Es handelt sich um Werte, die sich nicht ohne weiteres als Sache oder Recht einordnen lassen, die aber rur den Tätigkeitsbereich des Unternehmens von Bedeutung sind. Zu den sonstigen wirtschaftlichen Werten eines Unternehmens gehören Unternehmensgeheimnisse20 und das Know-Howl l • Unter Know-How wird das Erfahrungswissen auf technischem oder kaufmännischem 22 Gebiet verstanden, das gegenüber Dritten einen Vorteil gewährt und nicht durch Schutzrechte gesichert ist23 • Hierzu gehören Erfmdungen, Fabrikationsverfahren, Konstruktionen und sonstige technische Leistungen, also die Gesamtheit der einem Unternehmen eigenen Fabrikations- und Betriebserfahrungen24 • Es handelt es sich um einen rur das Unternehmen entscheidenden Wert2S ; denn die Übernahme des speziellen Wissens ist in den meisten Fällen billiger als eine eigene langwierige und kostspielige Forschung. Ein bestimmtes Know-How kann daher ft1r den Erwerber der entscheidende Gesichtspunkt ft1r die Übernahme eines Unternehmens sein.

V gl. hierzu Gierke/Sandrock § 13 III. I. a). Schwanda, S. 102; Gaul GRUR 1987, 590, 592; ders. ZIP 1989, 757, 758. 18 Gierke/Sandrock § I3 III. I. c); Brox, HdR, Rn 153; Gross, HdR, Rn 66. 19 BGH NJW 1970,556,557. 20 BGHZ 16, 172, 175; 64, 325, 329. 21 Gaul GRUR 1987, 590, 592; vgl. zum Know-How die Anhandlungen von Pfister und Stumpf 22 Stumpf Rn 10, Rn 18 (Aufstellung). 23 Schwanda, S. 100. 24 Stumpf Rn 5. 25 Angermann, S. 72, 73. 16

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I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

Weiterhin stellt der Goodwill einen unternehmensbezogenen Wert dar26 • Unter Goodwill wird der geschäftliche Ruf und Kredit eines Unternehmens verstanden. Als Ergebnis einer mehr oder minder erfolgreichen Tätigkeit ist er bei der Bewertung des Unternehmens und der Entscheidung eines Erwerbers wichtig, ob er das Unternehmen übernimmt. Als weiterer wirtschaftlicher Wert eines Unternehmens sind die Geschäftsbeziehungen zu nennen. Von besonderer Bedeutung sind die Kundenbeziehungen und die zu ihr ftlhrende Arbeitsorganisation. Gerade die Lieferbeziehungen stellen ein Kriterium der Unternehmensbewertung dar7 • Zu den Geschäftsbeziehungen gehören weiterhin die Bezugsquellen und die dazugehörende Einkaufsorganisation. c) Organisation Die vorbezeichneten Bestandteile, die einem Unternehmen zugeordnet werden können, stehen jedoch nicht ohne Zusammenhang nebeneinander. Allein die Ausftlhrung bestimmter Tätigkeiten läßt ein Unternehmen nicht entstehen28 • Vielmehr ist eine Verknüpfung der einzelnen Bestandteile zur Ausfilhrung einer Tätigkeit erforderlich, so daß eine organisatorische Einheit entstehr9 • Gerade das Kriterium der organisatorischen Einheit charakterisiert das Unternehmen als einen Funktionszusammenhang, der mehr ist als nur eine Ansammlung vieler oder einzelner Wirtschaftsgüter. Die Organisation des Unternehmens ermöglicht es dem Unternehmensträger, mit dem Unternehmensvermögen am Markt tätig zu sein und einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Damit wird deutlich, daß es sich bei dem handelsrechtlichen Unternehmen um eine Wirkungseinheieo, eine Handlungs- und Erfolgseinheit handelt. Kundschaft, Absatzmöglichkeiten, Bezugsquellen, Geschäftsgeheimnisse, Goodwill und Chancen bilden mit den materiellen Werten eine wirtschaftliche Funktionseinheie I. Die Organisation unterscheidet sich dabei nach Art und Größe des Unternehmens 32 .

26 BaumbachiHopt Einl v § 1 Rn 34; Gierke/Sandrock § I3 111. I. b); Schwanda, 100; AA. SöjJing, Festschrift Döllerer, 593,600 (Goodwill als Finanzierungshilfe). 27 Schwanda, S. 103. 28 Schwanda, S. 126. 29 BaumbachiHopt Einl § 1 Rn 33; Hopt, ZGR 1987, 145, 178; K. Schmidt, HdR, § 41., § 4 11. 1.; Gierke/Sandrock § I3 111. I. a); Schwanda, S. 125 rur den Betrieb; Konzen, Unternehmensaufspaltungen, S. 25. 30 Flume 1/2, S. 48.

s.

§ I Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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Diese organisierte Einheit einzelner Wirtschaftsgüter zu einem wirtschaftlichen Zweck unterscheidet das Unternehmen vom Vermögen. Das Vermögen stellt zwar wie das Unternehmen eine Rechtsgesamtheit dar. Vermögen und Unternehmen sind jedoch keine deckungsgleichen Begriffe. Ein Unternehmen braucht nicht betrieben zu werden, obwohl Geschäftsvermögen vorhanden ist. Andererseits kann ein Unternehmen ohne Geschäftsvermögen fortgefilhrt werden. Das Unternehmen ist vielmehr die Summe des Geschäftsvermögens, des besonderen inneren Aufbaus und der Beziehungen zur äußeren Umwelt. Im einzelnen gehören zum Unternehmen die Aktiva, die Passiva, die Tätigkeiten des Unternehmers und der Arbeitnehmer, immaterielle Werte wie tatsächliche Beziehungen, Geschäftsgeheimnisse und das Ansehen im Geschäftsleben33 • Es stellt sich die Frage, ob die einzelnen Bestandteile, die in ihrer organisierten Gesamtheit das Unternehmen bilden, alle vorhanden sein müssen, damit begrifflich ein Unternehmen vorliegt. Welche Bestandteile in ihrer organisierten Einheit als Unternehmen zu bewerten sind, läßt sich nicht allgemein feststellen. Sie sind im Einzelfall verschieden. Wesentlich ist ein gewisser Kern der genannten Bestandteile, der das Unternehmen in seinem bisherigen individuellen Charakter prägt. Bei Unternehmen, welche hauptsächlich die Produktion von Waren betreiben, prägen die Produktionsmaschinen den Charakter des Unternehmens. Dagegen kommt den sächlichen Mitteln bei einem Dienstleistungsunternehmen 34 eine eher untergeordnete Bedeutung zu. Jedenfalls gehören die Verbindlichkeiten nicht zum wesentlichen Kern des Unternehmens 3S • d) Zwischenergebnis Das besondere Merkmal, welches das handelsrechtliche Unternehmen auszeichnet, ist die Organisation der vorhandenen, fllr die Ausübung des Handelsgewerbes erforderlichen materiellen, immateriellen und sonstigen Werte des Unternehmensinhabers. Diese Organisation unterscheidet das Unternehmen vom Vermögen und verbindet die einzelnen Bestandteile zu einem Funktionszusammenhang.

31

Hübner, HdR, 1980, Rn 51. Konzen, Unternehmensaufspaltungen, S. 41 ff zu den verschiedenen Organisationsmöglichkeiten. 33 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, 3. Aufl., § 25 Anm. 2; Brox, HdR, Rn 153. 34 Schwanda, S. 97 mit Verweis auf Beisel/Klumpp Rn 136. 35 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, 3. Aufl., § 25 Anm. 3. 32

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

3. Wert des Unternehmens

Das Unternehmen besitzt als organisatorische Einheit im Verkehr einen Wert, der über die Summe der einzelnen Vermögensgegenstände hinausgehe 6 . Der besondere Wert des Unternehmens ergibt sich aus einer Abschätzung der Erwerbschancen eines Unternehmens sowie seiner zukünftigen langfristigen Gewinnerwartung. Die Erwerbschancen hängen wiederum nur zum Teil von der sachlichen Ausstattung des Unternehmens ab. Entscheidend sind insbesondere das dem Unternehmen zur Verftlgung stehende Know-How, sein Goodwill, die Stellung am Markt, das Management, die Versorgung mit Arbeitskräften sowie die Entwicklungsflihigkeit seiner Leistungspalette37 • Weiterhin kommt der Organisation des Unternehmens ft1r die Bewertung des Unternehmens besondere Bedeutung zu. Die effiziente Verbindung der einzelnen Vermögensbestandteile macht die Ertragskraft eines Unternehmens aus. Hieraus resultiert der Kredit, welchen der Rechtsverkehr dem Unternehmen entgegenbringt. 4. Wirtschaftlicher Zweck

Der Unternehmer verfolgt mit dem Einsatz seines Unternehmens als organisierte Einheit einen über den räumlich-technischen Bereich dieser Einheit hinausgehenden wirtschaftlichen Zweck38 . Das bedeutet nicht, daß die Absicht dauernder Gewinnerzielung erforderlich ist, damit von einem Unternehmen gesprochen werden kann. Vielmehr ist die Gewinnerzielungsabsicht kein notwendiges Element des handelsrechtlichen Unternehmens39 . Der Grund hierftlr liegt in der Differenzierung des Gewinnbegriffs in der modemen Betriebswirtschaftslehre, der Verlagerung des Gewinnanfalls zwischen konzernabhängigen Unternehmen, der Vermehrung der öffentlich-rechtlichen Unternehmen sowie der Kreditinstitute und Abschreibungsgesellschaften. Objektivierend wird auf die Verkehrsanschauung sowie die Führung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen abgestellt40 •

BaumbachiHopt EinI v § I Rn 35. Roth, HdR, § 3 I. a). 38 Roth, HdR, § 3 I.; Brox, HdR, Rn 154. 39 BGHZ 95, 155, 159; BaumbachiHopl § I Rn 2; Hopl ZGR 1987, 145, 178; K. Schmidl, HdR, § 9 IV 2 b d; Canaris § 2 2. b); Gierke/Sandrock § 6 11 5; HeymanniEmmerich § 1 Rn 9; Raisch, Festschrift Ballerstedt, 1975,443,445. 40 BGHZ 95, 155, 159; BaumbachiHopl § I Rn 2; Hopl ZGR 1987, 145; K. Schmidt, HdR, § 9 IV 2 b). 36 37

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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5. Zusammenfassung

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß nach der überwiegenden Auffassung das Handelsgeschäft als handelsrechtliches Unternehmen vom Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes bzw. des Handelsgewerbes eines Istkaufmanns nicht zu trennen ist41 • Notwendig ist, daß das Unternehmen einer gewerblichen Tätigkeit dient, die nach ihrer Art Handelsgewerbe im Sinne des § I HGB a.F. und n.F. ist oder diese Eigenschaft durch Registereintragung erworben hat, § 2 HGB a.F. und n.F. Ein handelsrechtliches Unternehmen können damit nur Unternehmensinhaber filhren, denen eine Firma zugeordnet werden kann. Neben dem Einzelkaufmann kommen die Kapitalgesellschaften sowie die Offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft in Betracht42 • Hiermit ist der Adressatenkreis des § 25 HGB bei direkter Anwendung festgelegt. Mit dem Verweis auf das Erfordernis der firmenfllhigen Rechtsform ist noch keine Entscheidung darüber getroffen, welche Bedeutung das Merkmal der Firmenfortfilhrung filr die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB hat. Dieser Frage wird erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgegangen43 • Folglich wird das handelsrechtliche Unternehmen defmiert als organisierte Einheit zum Zwecke wirtschaftlicher Betätigung am Markt, mit deren Hilfe planmäßig, dauerhaft und selbständig ein Handelsgewerbe betrieben wird. Damit unterscheidet sich das Handelsgeschäft als handelsrechtliches Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen durch den Bezug zum Handelsgewerbe.

III. Lösung des Unternehmens vom Handelsgewerbe?

Ein Teil der Literatur44 vertritt gegenüber der vorbezeichneten Defmition des handelsrechtlichen Unternehmens, die an das Handelsgewerbe anknüpft, einen weitergehenden Ansatz. Sie definiert das handelsrechtliche Unternehmen als organisatorisch-wirtschaftliche Einheit, die auf einer Verbindung personeller und sachlicher Mittel beruht und planmäßig, dauerhaft und selbständig am Markt auftritt.

Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 34, § 22 Rn 6. MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 36. 43 Siehe unten 2. Teil § 1 A., B. 44 K Schmidt, HdR, § 4 l. 2. b); ders. JuS 1985, 249, 255; K Schmidt JuS 1997, 1069, 1070; Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 193; BaumbachiHopt Einl v § I Rn 33; MünchKomm.HGB/KSchmidt Vor § 1 Rn 5 ff, § 1 Rn 12; Brox, HdR, Rn 153; ders. AT, Rn 743; Roth, HdR, § 3 1.; Köhler, AT, Rn 16 mwN; HolzapjellPöllath Rn 130. 4\

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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Trotz ihrer großen Ähnlichkeit besteht ein erheblicher Unterschied gegenüber der Begriffsbestimmung der überwiegend vertretenen Ansicht. Die Funktionsmerkmale des Gewerbebegriffes liegen zwar auch in der erweiterten Defmition des Unternehmens vor; der Betrieb eines Handelsgewerbes im Sinne der §§ 1 ffHGB ist jedoch nicht erforderlich. Folge des Absehens vom Betrieb des Handelsgewerbes ist eine Ausdehnung der Unternehmenseigenschaft auf wirtschaftliche Tätigkeiten, die nicht als Gewerbe angesehen werden4s . Hierunter fielen bis zum Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes die nicht in das Handelsregister eingetragenen Sollkaufleute, die Minderkaufleute nach § 4 HGB a.F., die freien Berufe und bei weiter Auslegung des Unternehmensbegriffs auch eine Vielzahl von Gesellschaften des Bürgerlichen Rechts46 . Seit Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes stellt sich die vorbezeichnete Frage fllr die letzten beiden der genannten Fallgruppen sowie die Kannkaufleute nach §§ 2 und 3 HGB n.F. Es stellt sich daher die Frage, ob das handelsrechtliche Unternehmen tatsächlich einen Bezug zum Handelsgewerbe aufweisen muß, wie die überwiegende Ansicht es vertritt. Eine Entscheidung dieses Punktes ist erforderlich, um zu bestimmen, welche Sachverhalte dem Unternehmensbegriff unterfallen, bei denen es als Folge zur Teilung des Unternehmens und zur Bildung von Unternehmensteilen kommen kann. Damit steht auch der Anwendungsbereich des § 25 HGB in Frage.

J. Handelsrecht als Außenprivatrecht der Unternehmen

Die Anwendbarkeit handelsrechtlicher Normen hängt nach dem Gesetzeswortlaut und der überwiegend vertretenen Auffassung davon ab, ob der Normadressat Kaufmann ist oder nicht. Diese Anknüpfung an den Kaufmannsbegriffwird aber bereits seit längerer Zeit von einem Teil der Lehre als zu eng empfunden47 • Vielmehr sei das Unternehmen allgemein und nicht der Kaufmann der Zuordnungspunkt handelsrechtlicher Normen48 . Die damit verbundene Erweiterung des handelsrechtlichen Unternehmensbegriffs hat ihre Wurzeln in der

BaumbachiHopt Einl v § 1 Rn 33; K. Schmidt, HdR, § 4 I. 2. a). K. Schmidt, HdR, § 5 11. I., § 8 11. I. 47 Großkomm.HGB/Brüggemann Einl Rn 48; K. Schmidt JuS 1985,249,251; so wohl auch RährichtlGrafvon WestphaleniAmmon Vor §§ 25-28 Rn I. 48 Raisch, Festschrift Ballerstedt, 443, 445 sowie FN 11; ders. JuS 1967, 533, 538 f. 45

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§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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Diskussion, ob das Handelsrecht statt als Sonderprivatrecht der Kaufleute als Außenprivatrecht der Unternehmen49 anzusehen ist. Der Hauptkritikpunkt an der traditionellen Auffassung bestand bis zum Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes darin, die Aufzählung in § 1 Abs. 2 HGB a.F. werde der Rechtswirklichkeit nicht mehr gerecht und ftlhre zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen. Stets angeftlhrt wird das Beispiel des Bauupternehmers, der kein Kaufinann im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB a.F. ist. Weiterhin weisen die Kritiker der traditionellen Auffassung daraufhin, diejenigen Tätigkeiten, welche dem Dienstleistungs- und dem Geschäftsbesorgungssektor zuzurechnen seien, und die sich seit Inkrafttreten des Handelsgesetzbuchs stark entwickelt hätten, unterfielen nicht dem Katalog des § 1 Abs. 2 HGB a.F. Wird in diesen Fällen die Anmeldung zum Handelsregister unterlassen, besteht die Kaufinannseigenschaft auch nicht nach § 2 HGB a.F. Als Folge findet das Handelsgesetzbuch und damit auch § 25 HGB keine direkte Anwendung. Um dies zu vermeiden, sind die Vertreter der Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen der Auffassung, Normadressat des Handelsrechts sei nicht der Kaufinann, sondern der Unternehmensträger. Er sei das Rechtssubjekt des Unternehmens, das wiederum Zuordnungsobjekt fU.r Rechte und Verbindlichkeiten sei50 . Das Handelsrecht enthalte im Keim bereits das Außenprivatrecht der Unternehmen. § 1 HGB a.F. zähle schließlich bestimmte Handelsgeschäfte auf l . Die Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen löst den Begriff des Unternehmens von den Voraussetzungen des Handelsgewerbes. Folglich ist ein Unternehmen jede organisatorisch-wirtschaftliche Einheit, die auf einer Verbindung personeller und sachlicher Mittel beruht und planmäßig, dauerhaft und selbständig am Markt auftritt. Auf eine Eintragung in das Handelsregister nach § 2 HGB a.F. kommt es dann bei Unternehmensträgern nicht mehr an, die § 1 Abs.2 HGB a.F. nicht unterfallen. Auch die freien Berufe und die Minderkaufleute werden in den Unternehmensbegriff mit einbezogen. In der Erweiterung des Adressatenkreises des Handelsgesetzbuchs liegt nach Auffassung der Vertreter der Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen kein Bruch mit dem gesetzlichen Kaufinannsbegriff. Beim Unternehmensträger handele es sich zwar gegenüber dem Kaufinann um den weiteren Begriff, weil jeder Kaufinann ein Unternehmensträger, aber nicht jeder Unternehmensträger ein Kaufinann ist. Das Handelsgesetzbuch bleibe als Folge Kaufinannsrecht, falls der in Rede stehende Unternehmensträger die Voraussetzungen der 49 MünchKomm.HGBIKSchmidt Vor § 1 Rn 5 ff; K Schmidt, HdR, § 3; K Schmidt JuS 1985,249; ders. JurB11995, 341, 344 ff. 50 K Schmidt JurB11995, 341, 346. 51 K Schmidt JuS 1985,249,251.

I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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§§ 1 ffHGB erfillle. Darüber hinausgehend handele es sich um Sonderprivatrecht filr Unternehmen in dem Sinne, daß es Privatrecht filr einen in §§ 1 ffHGB unvollkommen beschriebenen Kreis von Unternehmensträgern sei 52 . In diesem zweiten Bereich sei dann über die Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen die Möglichkeit einer analogen Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften auf Unternehmen eröffnet, welche kein Handelsgewerbe betrieben53 • Durch das Handelsrechtsreformgesetz ist zwar einem Teil der Kritikpunkte, die von der Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen angefilhrt werden, Rechnung getragen worden; gleichwohl hat der Gesetzgeber eine unternehmensrechtliche Generalrevision des Handelsrechts als Unternehmensrecht nicht vorgenommen54 Für die hier zu beantwortende Frage der Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils folgt aus der Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen eine Erweiterung des möglichen Adressatenkreises der analogen Anwendung des § 25 HGB. Adressaten sind in diesem Fall nicht nur Einzelkaufleute, Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften, die einen Teil ihres Unternehmens auf einen Dritten übertragen. Adressat wäre jeder, der mittels einer organisierten Einheit planmäßig, dauerhaft und selbständig am Markt auftritt. Hierzu gehören neben den freien Berufe auch die nicht in das Handelsregister eingetragenen Unternehmen. Bei der Teilung von Unternehmen in diesem weiten Sinne wäre dann ebenfalls eine Haftung nach § 25 HGB zu prüfen. 2. Kritik

Die Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen ist auf vielflUtige Kritik gestoßen55, die sich sowohl auf die Vereinbarkeit dieser Lehre mit dem geltenden Handelsrecht als auch auf ihre Bedeutung filr eine zukünftige Änderung des Handelsgesetzbuches bezieht. Im folgenden beschränken sich die Ausfilhrungen auf die Kritik hinsichtlich des geltenden Rechts, die im Rahmen der in dieser Arbeit behandelten Fragestellung der analogen Anwendung des § 25 HGB auf unselbständige Unternehmensteile allein Bedeutung erlangt. K. Schmidt, HdR, § 1 11. MünchKomm.HGB/K.Schmidt Vor § 1 Rn 8. 54 K. SchmidtNJW 1998,2161. 55 HeymanniHorn Einl I Rn 18 f; Koller/Roth/Morck Einl Rn 8; Canaris § I 111.; Baumann AcP 184 (1984), 45. 52; HüfJer ZGR 1986, 603, 619 f; Neuner ZHR 157 (1993) 243, 269; Vossius JuS 1985. 936; Wolter Jura 1988. 169. 178; Zöllner ZGR 1983, 82, 85 ff. 52 53

§ I Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HOB

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Der Hauptkritikpunkt an der Ausdehnung des Unternehmens begriffs im Handelsrecht und der Lösung vom Handelsgewerbe besteht darin, die Aufgabe der Anknüpfung an das Handelsgewerbe und den Kaufinann als Voraussetzungen fiir die Anwendbarkeit des Handelsgesetzbuchs sei nach geltendem Recht wegen des eindeutigen Gesetzeswortlautes der §§ 1 ffHGB nicht vertretbars6 • Bei einer Abweichung von der Regelung der §§ 1 ffHGB unterwerfe man nicht eingetragene Soll- bzw. Kannkaufleute und die freien Berufe dem Handelsgesetzbuch. Als Folge wäre die konstitutive Wirkung der Eintragung nach § 2 HGB aufgehoben. Bei den vor Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes als Minderkaufleute bezeichneten Kaufleuten komme die Haftung nach § 25 HGB zum Tragen. Diese Ausdehnung der Anwendbarkeit des HGB sei wegen des eindeutigen Wortlauts der §§ 1 ffHGB weder unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit akzeptabel noch mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung nach Art 20 Abs. 3 GG vereinbars7 •

3. Stellungnahme Es stellt sich nunmehr die Frage, inwieweit die Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen filr die in dieser Arbeitet interessierende Frage Bedeutung hat, ob der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils den ursprUnglichen Gläubigem filr bereits bestehende Verbindlichkeiten nach § 25 HGB haftet. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu unterscheiden, ob der Unternehmensträger gleichzeitig Kaufinann ist oder nicht. Ist der Unternehmensträger, der sein Unternehmen veräußert, gleichzeitig Kaufinann, filhren die traditionelle Definition des Unternehmens und der erweiterte Ansatz der Lehre vom Außenprivatrecht der Unternehmen zum gleichen Ergebnis. Ein Unternehmen ist in diesem Fall Gegenstand des Erwerbs. Eine Auseinandersetzung mit der Konzeption des Außenprivatrechts des Unternehmens ist rur diese Fallgruppe nicht erforderlich. Hinsichtlich des weitergehenden Adressatenkreises, d.h. derjenigen Unternehmensträger, die nicht gleichzeitig Kaufmann im Sinne des § 1 HGB sind, wie etwa die freien Berufe, die nicht eingetragenen Soll- bzw. Kannkaufleute oder die Minderkaufleute, stellt sich die Beurteilung anders dar. Hier filhrt die traditionelle Auffassung zu dem Ergebnis, ein handelsrechtliches Unternehmen liege nicht vor. § 25 HGB ist in diesem Fall weder direkt noch analog anwendbar. Demgegenüber filhren nach dem erweiterten Ansatz auch diejenigen Unternehmensträger ein Unternehmen, die nicht Kaufmann sind. Sie sind Adressat 56 KollerlRothiMorck Einl Rn 8; Neuner ZHR 157 (1993), 243, 269; Canaris § I 111. I. a). 57 Canaris § I 1lI. I. a); Neuner ZHR 157 (1993) 243, 261.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

des § 25 HGB, so daß sich fiIr sie die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 25 HGB beim Erwerb wlselbständiger Unternehmensteile stellt. Für diese Fälle muß entschieden werden, ob das handelsrechtliche Unternehmen auf ein Handelsgewerbe bezogen sein muß oder nicht. Für das Handelsrecht in seiner geltenden Fassung und damit fiIr die Anwendbarkeit des § 25 HGB ginge eine völlige Lösung des handelsrechtlichen Unternehmens vom Handelsgewerbe zu weit. Die Grundentscheidung des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit des Handelsgesetzbuchs auf solche Unternehmen zu beschränken, die ein Handelsgewerbe betreiben, ist zu respektierens8 . Zu Recht verweisen die Kritiker darauf, bereits aus Gründen der Rechtssicherheit sei es nicht vertretbar, handelsrechtliche Normen generell auf Personen anzuwenden, welche nicht Kaufmann sind und kein Handelsgewerbe betreiben. Eine Konzeption des Handelsrechts als Unternehmensrecht ist darüber hinaus bislang nicht anerkannt. Ob eine Analogie handelsrechtlicher Normen im Einzelfall auf Unternehmen möglich ist, die kein Gewerbe betreiben, ist stets sorgflUtig zu untersuchen und im Einzelfall zu entscheidens9 . Nach geltendem Recht ist der Ansatz, daß es sich beim Handelsrecht um das Außenprivatrecht der Unternehmen handelt, abzulehnen, soweit handelsrechtliche Normen auf Unternehmensträger angewandt werden sollen, welche nicht gleichzeitig die Kaufmannseigenschaften erfiillen. Die später zu erörternde Frage, ob der Fortfiihrung des handelsrechtlichen Unternehmens eine haftungsbegründende Wirkung zukommt, ist hiervon zu trennen. Es verbleibt daher bei der Definition des Handelsgeschäfts als handelsrechtlichem Unternehmen nach der traditionell vertretenen Auffassung. Eine Ausdehnung des Unternehmensbegriffs auf Unternehmensinhaber, die kein Handelsgewerbe betreiben, wird im folgenden nicht weiterverfolgt.

IV. Definition

Unter Handelsgeschäft im Sinne des § 25 HGB ist das handelsrechtliche Unternehmen zu verstehen. Das handelsrechtliche Unternehmen ist eine organisierte Einheit am Markt, die über den Wert der zusammengefaßten materiellen und immateriellen Mittel hinausgeht, mit Hilfe derer ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird und die auf den Betrieb eines Handelsgewerbes bezogen ist. Diese Definition des handelsrechtlichen Unternehmens als voll- bzw. istkaufmännisches Unternehmen wird im folgenden zugrundegelegt.

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Großkomm.HGB/Hüjfer § 25 Rn 85; Zöllner ZGR 1983,82,83. Großkomm.HGBlHüjfer § 25 Rn 34: a.A. Glanegger § 25 Rn 3.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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B. Erwerb einer selbständigen Zweigniederlassung Die Haftung nach § 25 HGB kommt nach Rechtsprechung60 und Literatur61 nicht nur bei der Veräußerung eines Unternehmens, sondern auch bei der Veräußerung einer selbständigen Zweigniederlassung filr die in ihrem Betrieb begründeten Verbindlichkeiten in Betracht. Voraussetzung hierfilr ist jedoch, daß die Zweigniederlassung in tatsächlicher Hinsicht nach außen und innen wie ein selbständiger kaufinännischer Betrieb auftritt und handelt; nur dann steht sie dem Handelsgeschäft gleich62 • Ist eine Zweigniederlassung tatsächlich unselbständig, entfällt nach der bislang überwiegend vertretenen Auffassung eine Anwendung des § 25 HGB 63 • Die Zweigniederlassung läßt sich als Fallgruppe eines selbständigen Unternehmensteils einordnen. Es stellt sich daher die Frage, welche Elemente eines selbständigen Unternehmensteils im allgemeinen und welche Elemente der selbständigen Zweigniederlassung im besonderen die Gleichsetzung mit dem handelsrechtlichen Unternehmen rechtfertigen.

I. Allgemeine Merkmale eines selbständigen Unternehmensteils

Geht man zwanglos an eine Definition des Unternehmensteils heran, dann handelt es sich bei einem Unternehmensteil um eine Untergliederung des Unternehmens. Der Unternehmensteil umfaßt nur einen Teilbereich des Gesamtunternehmens. Das handelsrechtliche Unternehmen ist definiert worden als eine organisierte Einheit am Markt, die über den Wert der zusammengefaßten materiellen und immateriellen Mittel hinausgeht, mit Hilfe derer ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird und die auf den Betrieb eines Handelsgewerbes bezogen ist64 • Es stellt sich daher die Frage, welche Merkmale der vorstehend entwickelten Definition des handelsrechtlichen Unternehmens filr die Definition eines Unternehmensteils im Sinne des Handelsrechts Bedeutung haben und wie diese Merkmale modifiziert sind, damit von einem Unternehmensteil ausgegangen werden kann. Eine Differenzierung zwischen selbständigem und unselbständigem Unternehmensteil bleibt zunächst außer Betracht, um eine allgemeine Definition des Unternehmensteils zu entwickeln. 60 RGZ 77, 60, 64; 169, 133, 139; BGH BB 1963, 747; BGH NJW 1972, 1859; BGH DB 1979, 1124, 1125. 61 DüringerlHachenburglHoeniger, 3. Aufl., § 25 Anm 16; HeymanniEmmerich § 25 Rn 17,28; Baumbach/Hopl § 25 Rn 3; Glanegger § 25 Rn 4; RöhrichllGrafvon WeslphaleniAmmon § 25 Rn 8. 62 Glanegger § 25 Rn 4. 63 BGH NJW 1972, 1860; BGH DB 1979, 1124, 1125. 64 Siehe oben, 1. Teil § 1 A. IV.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HOB

J. Organisierte Teileinheit

Die Besonderheit des handelsrechtlichen Unternehmens besteht in der organisierten Einheit, mit Hilfe derer verschiedene Bestandteile und Mittel funktional zusammengefaßt werden, um eine handelsgewerbliche Tätigkeit auszuüben. Dieses Merkmal der organisierten Einheit ist auf den Unternehmensteil zu übertragen. a) Sachen, Forderungen und Rechte Einem Unternehmensteil können wie einem Unternehmen Sachen und Rechte zugeordnet werden. Sachen, welche zu einem Unternehmensteil gehören, sind z.B. Arbeitsmittel, mit Hilfe derer die Funktionen des jeweiligen Unternehmensteils ausgefUhrt werden. Hierzu zählen bei einem Unternehmensteil, in dem bestimmte Waren produziert werden, die speziellen Arbeitsmaschinen. Auch Grundstücke können einem Unternehmensteil zugeordnet sein. Das ist dann der Fall, wenn ein Unternehmensteil auf ein vom restlichen Unternehmen getrenntes Grundstück ausgegliedert ist. Weiterhin kann ein Grundstück filr die Tätigkeit, die in einem Unternehmensteil ausgeübt wird, von entscheidender Bedeutung sein, z.B. ein Steinbruch filr ein Unternehmen, das Steine liefert. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, bestimmte Forderungen des Unternehmensträgers einem bestimmten Unternehmensteil zuzuordnen. Es handelt sich um Ansprüche, welche den speziellen Tätigkeitsbereich des Unternehmensteils betreffen. Als Beispiel kommen etwa Verpackungskosten oder Frachtgebühren in Betracht, falls ein Unternehmen eine eigene Verpackungsabteilung oder eine Speditionsabteilung unterhält. Weiterhin können Rechte auf einen Unternehmensteil bezogen sein. In Betracht kommen etwa Patente, die nicht im Gesamtunternehmen, sondern ausschließlich in einem bestimmten Teil des Unternehmens Verwendung finden. b) Verbindlichkeiten Darüber hinaus ist es möglich, bestimmte Verbindlichkeiten dem Unternehmensteil zuzuordnen. Um dies zu illustrieren, braucht man sich nur spiegelbildlich vorzustellen, daß die Gegenstände, welche dem Unternehmensteil zugeordnet werden können, in der Regel gekauft worden sind.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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Der Kaufpreiszahlungsanspruch, den der jeweilige Veräußerer der Sache gegenüber dem Unternehmensinhaber hat, ist beispielsweise eine Verbindlichkeit, welche einem Unternehmensteil zugeordnet werden kann. Ist etwa ein Gebäude gemietet, in dem ausschließlich ein bestimmter Unternehmensteil betrieben wird, dann ist der Mietzinsanspruch des Vermieters eine Verbindlichkeit, welche dem Unternehmensteil zugeordnet werden kann. So existieren vielflUtige Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers, die einem Unternehmensteil zugeordnet werden können. Ob im Einzelfall eine einzelne Verbindlichkeit einem speziellen Unternehmensteil zugeordnet werden kann, ist schwierig zu bestimmen. Welche Möglichkeiten es zur Lösung dieser Frage gibt, wird im dritten Teil der Arbeit untersucht6s . Festzubalten bleibt, daß es Verbindlichkeiten gibt, die einem Unternehmensteil alleine zugeordnet werden können. c) Sonstige wirtschaftliche Werte Zu den sonstigen wirtschaftlichen Werten, die zu einem Unternehmen gehören, wurden unter anderem Know-How, Goodwill, Unternehmensgeheimnisse und Kundenbeziehungen gezählt. Einem Unternehmensteil können sonstige wirtschaftliche Werte ebenfalls ausschließlich zugeordnet werden. In Betracht kommt ein bestimmtes Know-How, etwa Fabrikationstechniken, die in einem Teilbereich des Unternehmens eingesetzt werden. Ein bestehendes Know-How kann unter Umständen sogar der Anlaß sein, daß ein Erwerber Interesse an einem bestimmten Unternehmensteil bekundet66 • Das gleiche gilt fiIr andere Unternehmensgeheimnisse. Eine Firma kann nicht von jedem Unternehmensteil gefUhrt werden. Nur die Zweigniederlassung eines handelsrechtlichen Unternehmens, die ein selbständiger Unternehmensteil ist, kann eine eigene Firma filhren, welche in das Handelsregister eingetragen werden muß. Die übrigen selbständigen und unselbständigen Unternehmensteile sind nicht fmnenfähig 67 • Ein Unternehmensteil kann weiterhin einen eigenen Goodwill aufweisen68 . Ein spezieller Abnehmerkreis, Absatzmöglichkeiten und Chancen, welche allein den Tätigkeitsbereich des Unternehmensteils betreffen, können hinzutreten. So hat etwa jede Sparte eines Unternehmens einen eigenen AbnehmerSiehe unten 3. Teil § 2. BGH GRUR 1956, 284 betreffend technische Konstruktionszeichnungen, die zum Tätigkeitsbereich der veräußerten Abteilung gehörten; BAG NJW 1986, 450 bezogen auf ein Unternehmen, das Maschinen herstellte, vertrieb und wartete. 67 Siehe unten 1. Teil § 4 B. 68 SöjJing, Festschrift Döllerer, S. 593 zum Geschäfts- oder Firmenwert beim Teilbetrieb. 65

66

30

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

und Lieferantenkreis, der sich nicht notwendigerweise auf die anderen Sparten des Unternehmens bezieht. Das gleiche gilt rur Unternehmensteile, die aus dem Sortiment eines Unternehmens einen Teilbereich abdecken und die entsprechenden Produkte selbständig am Markt vertreiben, ohne rechtlich selbständig zu sein. Weiterhin kommen einzelne Betriebseinheiten als Beispiel in Betracht, die speziell filr ihren Betrieb Leistungen am Markt nachfragen, um nur einige Beispiele zu nennen. d) Organisation Fraglich ist, in welcher Weise das Merkmal der organisierten Einheit auf den Unternehmensteil übertragen werden kann. Das handelsrechtliche Unternehmen zeichnet sich gerade durch die Organisation aus, welche es ermöglichte, mit den einzelnen Unternehmensbestandteilen einen wirtschaftlichen Zweck zu verfolgen. aa) Allgemeines Der Unternehmensteil wird als eine organisatorische Untergliederung des Gesamtunternehmens angesehen, als "lebender Organismus", mit dem ein Teilzweck innerhalb des unternehmerischen Gesamtzwecks verfolgt werden kann 69 . Mit Hilfe des Unternehmensteils wird es ermöglicht, ein wirtschaftliches Teilprodukt in Form von Gütern und Dienstleistungen herzustellen oder einen eigenen Beitrag zur Wertschöpfung im Gesamtunternehmen zu leisten. Es muß also eine Teilorganisation gegeben sein, mit Hilfe derer ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt werden kann. Ohne ein eigenständiges unternehmerisches Teilprodukt ist ein Unternehmensteil nicht vorstellbar. Weiterhin ist es erforderlich, daß der Tätigkeitsbereich des Unternehmensteils organisatorisch verselbständigt iseo. Entscheidend ist, ob eine Einheit von ökonomischem Eigenwert aus dem bisherigen Gesamtkomplex herausgelöst werden kann 7!. Damit kommt es wie beim Unternehmen auf den organisierten Funktionszusammenhang der Teileinheit an. Es muß eine innere Verknüpfung zwischen den einzelnen Vermögensgegenständen des Unternehmensteils bestehen, welche die einzelnen Gegenstände

69 Gross Rn 68; HolzapjellPöllath Rn 582; Schwanda, S. 234 f sowie Lorit= RdA 1987,65,68, und Pietzko, S. 18, mit Bezug auf den arbeitsrechtlichen Betriebsteil. 70 HolzapJellPöllath Rn 142. 71 Schwanda, S. 234; kritisch Pietzko. S. 18 zum Betriebsteil.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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zu einer organisierten Einheit verbindet72 • Allein die Übertragung einer Sachgesamtheit oder eines Teils reicht nicht aus, damit ein Unternehmensteil vorliegt. Es handelt sich dann um den Übergang von Bestandteilen, die einen über den bloßen Sachwert hinausgehenden, wirtschaftlichen Eigenwert repräsentierenden Funktionszusammenhang nicht verkörpern. Ohne einen entsprechenden, die einzelnen Bestandteile verbindenden Funktionszusammenhang ist die Leistung eines eigenständigen Beitrags zur Wertschöpfung nicht möglich 73 • Wird die zugehörige Organisation mitübertragen, wird der über den bloßen Gebrauchswert hinausgehende funktionale Zusammenhang der übertragenen Betriebsmittel ermöglicht. Das hängt entscheidend davon ab, ob der neue Inhaber mit den übernommenen Mitteln den Unternehmensteil im wesentlichen unverändert fortfilhren kann 74 • Hierzu ist es nicht erforderlich, daß alle Wirtschaftsgüter übergehen. Bestandteile des Unternehmensteils, die fUr die Fortfilhrung unwesentlich sind, bleiben außer Betracht. Welche Bestandteile im Einzelfall vorliegen müssen, damit durch eine hinzutretende Organisation ein Unternehmensteil angenommen werden kann, ist von Fall zu Fall verschieden. Wie beim Unternehmen ist auch fUr den Unternehmensteil nur ein bestimmter Kern von Bestandteilen erforderlich, welche ihm sein besonderes Gepräge geben. Welche Bestandteile diese Bedeutung haben, läßt sich nicht allgemein feststellen. Jedenfalls gehören die Verbindlichkeiten nicht zum wesentlichen Kern des Unternehmensteils, da sie keinen prägenden Charakter haben. Den fUr die Verwirklichung des Zwecks des Unternehmensteils wesentlichen Sachen, Rechte und tatsächlichen Beziehungen kommt wiederum besondere Bedeutung zu. Bei einem Dienstleistungsunternehmen können daher das Know-How und die Kundenbeziehungen im Vordergrund stehen 7S , während bei Unternehmensteilen, bei denen die Produktion im Vordergrund steht, die Produktionsmaschinen den Charakter des Unternehmensteils prägen. Die Organisation, die der Unternehmensteil aufweisen muß, bedingt eine bestimmte Abgrenzbarkeit des Unternehmensteils vom restlichen Unternehmen. Diese Abgrenzung des Unternehmensteils vom restlichen Unternehmen ist jedoch nicht so weitgehend, daß eine vollständig abgeschlossene Einheit, ein Subsystem, vorliegt. Dem Unternehmensteil muß vielmehr eine bestimmte Aufgabe zukommen. Läßt sich der Tätigkeitsbereich, welcher in das Gesamtunternehmen eingebunden ist, nicht abgrenzen, liegt ein Unternehmensteil nicht vor. Diese Abgrenzbarkeit ist insbesondere bei Abteilungen des Unternehmens mit

72 73 74

75

4 Theißen

Schwanda, S. 234 f. Schwanda, S. 239. Holzapjel/Pöllath Rn 581, 583. Holzapjel/Pöllath Rn 581.

I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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eigenem Aufgabengebiet gegeben76 • Das sind zum einen die Sparten des Unternehmens. In Betracht kommen aber auch bloße Abteilungen, wie z.B. Druckerei eines Verlages, Filialen, Vertriebsabteilungen eines Unternehmens 77, Betriebsschlosserei, Kantine, Hochbauabteilung eines Bauunternehmens, Fuhrpark und dergleichen mehr78 • Mit dem Unternehmensteil muß ebenfalls ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt werden. Bezogen auf das Gesamtunternehmen kann es sich bei diesem Zweck nur um einen Teilzweck handeln. Dieses Merkmal ist eng verbunden mit dem Vorhandensein einer organisierten Teileinheit. Die Tätigkeit des Unternehmensteils dient dazu, einen Beitrag zur Verwirklichung des Gesamtzwecks zu leisten und den Gewinn möglichst zu optimieren. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist jedoch ebensowenig erforderlich wie beim handelsrechtlichen Unternehmen. Aus dem Gesagten läßt sich entnehmen, daß absolut verläßliche Kriterien rur die Abgrenzung von Unternehmensteilen nicht gegeben werden können. Es ist eine Entscheidung des Einzelfalls. bb) Besondere Organisationsformen In der Praxis haben sich verschiedene Organisationsformen gebildet, in welcher Weise ein Unternehmen in verschiedene Unternehmensteile untergliedert werden kann. Die Bildung einer Zweigniederlassung ist dabei nur eine mögliche Organisationsform. Die Gesamtaufgabe des Unternehmens kann erftlllt werden durch die Bildung von Teilaufgaben. An der ErfUllung der unternehmerischen Teilaufgaben orientiert sich die Organisation des Unternehmens. Die kleinsten selbständig handelnden Einheiten sind die Stellen, die einen Teil der Gesamtaufgabe erfUIlen 79 • Die Zuordnung der Aufgaben ist abhängig von verschiedenen Strukturformen, durch welche die Aufgabenteilung und die Koordination der einzelnen Aufgaben in Einklang gebracht werden 80• Beim Prinzip der Verrichtungszentralisation werden gleichartige Arbeiten zu Teilaufgaben zusammengefaßt. Es entsteht eine funktionsorientierte Organisationsstruktur, etwa durch die Bildung von Abteilungen rur Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzierung etc. 81 •

76

77 78

79

80 81

HolzapJellPöllath Rn 582. RGZ 169, 133, 139; Holzap[eIIPöllath Rn 582. Holzap[eIIPöllath Rn 582. Grochla, S. 45. Grochla, S. 47, 57. Konzen, S. 43; Grochla, S. 60, 178 f.

§ I Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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Demgegenüber stellt die Zusammenfassung unterschiedlicher Arbeiten, die auf ein Objekt bezogen sind, die zweite Art der Organisation eines Unternehmens dar. Hieraus folgt eine Spartenorganisation, welche die einzelnen Unternehmensbereiche transparenter macht82 • Das Kennzeichen der Sparten sind wirtschaftlich weitgehend autonome Einheiten83 • Die Ziele der Sparten können unmittelbar auf die Märkte ausgerichtet werden. Änderungsprozesse sind besser einzuschätzen und zu berücksichtigen. Wird dem Leiter der Sparte die Verantwortung filr den Gewinn des Unternehmensteils übertragen, entsteht ein ProfitCenter84 • Auf diese Weise bilden sich selbst verwaltende Subsysteme innerhalb des Gesamtunternehmens. Festzuhalten bleibt, daß aufgrund der beiden unterschiedlichen Organisationsmethoden verschiedene Arten von Unternehmensteilen entstehen können. Entweder bilden sich Abteilungen, welche eine bestimmte Aufgabe innerhalb des Gesamtunternehmens wahrnehmen und hierzu die ihnen zugeordneten Bestandteile in ihrer organisierten Form benötigen, oder es werden Sparten gebildet, welche verschiedene Funktionen, bezogen auf eine konkrete Aufgabe, wahrnehmen. Diese beiden Arten der Unternehmensteile können wie die Zweigniederlassung Gegenstand des Erwerbs sein. e) Zusammenfassung Zusammenfassend ist der Unternehmensteil wie das Unternehmen eine organisierte Einheit verschiedener Gegenstände, Rechte und sonstiger wirtschaftlicher Werte. Es ist möglich, einem Unternehmensteil Verbindlichkeiten zuzuordnen. Im Gegensatz zum Unternehmen umfaßt der Unternehmensteil nur einen Teil des Tätigkeitsbereichs des Gesamtunternehmens. Voraussetzung filr das Vorliegen eines Unternehmensteils ist jedoch, daß der Tätigkeitsbereich abgrenzbar ist. Die Organisation der einzelnen Bestandteile unterscheidet den Unternehmensteil von einem reinen Vermögensbestandteil oder einer Gesamtheit von Vermögensgegenständen. Mit Hilfe der organisierten Teileinheit ist es möglich, im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit des Gesamtunternehmens einen wirtschaftlichen Teilzweck zu erfUllen. Je nach Art der gewählten Organ isationsform handelt es sich bei den Unternehmensteilen entweder um Abteilungen, um Sparten oder um Zweigniederlassungen.

82 83 84

Konzen, S. 44; Grochla, S. 180, 187 ff. Konzen, S. 44. Grochla, S. 189; Konzen, S. 45 spricht beim Profit-Center vom Unternehmen im

Unternehmen.

I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

34

2. Planmäßige und dauerhafte Tätigkeit

Die Tätigkeit, die im Rahmen des abgrenzbaren Unternehmensteils ausgeübt wird, erfordert wiederum eine planmäßige und dauerhafte Tätigkeit, die nicht nur bei Gelegenheit erfolgt. Insoweit unterscheidet sich der Unternehmensteil nicht vom Unternehmen. 3. Wert des Unternehmensteils

Wie das Unternehmen besitzt auch der Unternehmensteil als organisierte Einheit einen über die einzelnen Vermögensgegenstände hinausgehenden Wert. Der Wert des Unternehmensteils wird auf die gleiche Art und Weise ermittelt wie der Wert der Unternehmens. Er ergibt sich aus einer Abschätzung der Chancen, welche die Einbindung des Unternehmensteils in ein anderes Unternehmen oder die Fortführung eines selbständig fortfilhrbaren Unternehmensteils bieten. Auch das ist eine Frage der Ausstattung und des innovativen Potentials des Unternehmensteils. Es ist abhängig einerseits von der sachlichen Ausstattung, andererseits von dem vorhandenen Know-How und Goodwill, der Versorgung mit Arbeitskräften, der Entwicklungsflthigkeit seiner Leistungspalette8s • In diesem Punkt bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Unternehmen und Unternehmensteil.

4. Außenwirkung und Selbständigkeit

Merkmale des Unternehmens waren die selbständige und anbietende Tätigkeit am Markt. Es ist zu untersuchen, ob diese beiden Merkmale filr das Vorliegen eines Unternehmensteils zwingend erforderlich sind. Die Selbständigkeit der Tätigkeit tritt definitionsgemäß bei selbständigen Unternehmensteilen auf; bei unselbständigen Unternehmensteilen fehlt sie. Die anbietende Tätigkeit am Markt ist ebenfalls kein notwendiges Element eines Unternehmensteils. Unternehmensteile nehmen bezogen auf das Gesamtunternehmen Teilaufgaben wahr. Dazu ist es nicht in jedem Fall erforderlich, selbst am Markt tätig zu sein; am Markt tritt vielmehr das Unternehmen auf. Das schließt jedoch Außenbeziehungen des Unternehmensteils nicht aus. Das gilt sowohl filr Sparten als auch filr Abteilungen. Sparten sind Unternehmensteile, mit Hilfe derer verschiedene Aufgaben bezogen auf ein bestimmtes Produkt wahrgenommen werden. Im Rahmen der Erfllllung dieser Aufgaben wird es regelmäßig erforderlich sein, Kunden- sowie Lieferbeziehungen zu 8S

Siehe oben I. Teil § 1 A. 11. 3.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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Dritten zu unterhalten. Ebenso werden bei der Aufgabenerfilllung einer Abteilung, in der gleichartige Aufgaben wahrgenommen werden, wie etwa die Produktion, der Einkauf oder der Vertrieb, Geschäftsbeziehungen zu außenstehenden Dritten vorhanden sein. Das reicht filr das Merkmal der Außenbeziehungen aus. Ob fehlende Außenbeziehungen eines Unternehmensteils im Rahmen der Haftungsanordnung des § 25 HGB eine Bedeutung erlangen, ist eine andere Frage86 und fiir die Defmition des Unternehmensteils ohne Bedeutung. 5. Definition

Aus der Ableitung der Merkmale des handelsrechtlichen Unternehmens ergibt sich die Definition des handelsrechtlichen Unternehmensteils als organisierte Teileinheit eines handelsrechtlichen Unternehmens, die mittels der ihr zugeordneten Mittel planmäßig und dauerhaft einen Teilzweck des Unternehmens verwirklicht und die einen über die einzelnen Bestandteile hinausgehenden Wert aufweist. Selbständigkeit und anbietende Tätigkeit am Markt sind keine konstitutiven Merkmale des Unternehmensteils. Regelmäßig werden bei Unternehmensteilen Außenbeziehungen zu Dritten im Rahmen der zu erfilllenden Teilaufgabe erforderlich sein.

11. Merkmale der Zweigniederlassung

Nachdem die Merkmale eines Unternehmensteils allgemein entwickelt worden sind, ist zu untersuchen, welche speziellen Merkmale eine Zweigniederlassung als selbständigen Unternehmensteil prägen. Die Zweigniederlassung ist gesetzlich nicht definiert. Das HGB regelt in §§ 13 bis 13 h HGB lediglich die Voraussetzungen einer Eintragung der Zweigniederlassung in das Handelsregister. Das Reichsgericht definierte die Zweigniederlassung als Zweiggeschäft, von dem aus selbständig Geschäfte getätigt werden und dessen Leiter eine gewisse Freiheit der Entschließung habe 87 . Diese frühe Definition macht bereits einen wichtigen Punkt deutlich. Die Zweigniederlassung selbst ist kein Unternehmen; denn sie ist abhängig von dem Gesamtunternehmen, in deren Organisation sie eingebunden ist. Andererseits handelt es sich bei der Zweigniederlassung wegen ihrer Selbständigkeit nicht um eine bloße Abteilung des Unternehmens 88 . Die Zweigniederlassung wird

86 87 88

Siehe unten 2. Teil § 1 B. RGZ 50, 428, 429 f.

BaumbachiHopt § 13 Rn 3; K. Schmidt, HdR, § 4 III. 2. a).

I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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vielmehr als selbständiger Unternehmensteil angesehen 89 • Sie erfiillt die Merkmale, die in der vorstehenden Defmition fiir den Unternehmensteil90 als maßgeblich angesehen worden sind. Sie ist eine organisierte Teileinheit, die sich auf ein handelsrechtliches Unternehmen bezieht, am Markt auftritt und dort einen wirtschaftlichen Zweck erfiillt. Weiterhin kommt der Zweigniederlassung ein eigener Wert im Rechtsverkehr zu, der über die ihr zugeordneten Vermögensgegenstände hinausgeht. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, lassen sich die einzelnen Merkmale der Zweigniederlassung in selbständige und abhängige Elemente einteilen, welche die Charakteristika der selbständigen Zweigniederlassung ausmachen.

1. Selbständigkeit Die Selbständigkeit der Zweigniederlassung kommt in den im folgenden aufgefiihrten Merkmalen zum Ausdruck. Eine Zweigniederlassung ist in personeller und organisatorischer Sicht eine Einheit, der Vermögensbestandteile zugeordnet sind 91 • In gegenständlicher Hinsicht werden in der Zweigniederlassung dauerhaft und selbständig Geschäfte erledigt. Bloße Hilfs- oder Ausfiihrungsgeschäfte reichen nicht aus, um eine Zweigniederlassung zu begründen92 • Die Zweigniederlassung könnte auch ohne die Hauptniederlassung als völlig selbständiges Unternehmen am Rechtsverkehr teilnehmen und weitergefUhrt werden 93 • Zur Durchfiihrung der Geschäfte hat die Zweigniederlassung einen eigenen Leiter, der im Geschäftsverkehr selbständig fiir die Zweigniederlassung auftritt94 • Die Zweigniederlassung kann eine Firma fiihren. Sie ist in der Wahl ihrer Firma frei, solange sich eindeutig ergibt, daß es sich um die Zweigniederlassung eines bestimmten Unternehmens handelt95 . Bei der Bildung der Firma der Zweigniederlassung müssen die geltenden Firmengrundsätze, wie etwa die Unterscheidbarkeit der Firma, § 30 Abs. 3 HGB, beachtet werden. Die Zweigniederlassung wird im Handelsregister eingetragen, § 13 HGB. Über § 15 Abs. 4 HGB nimmt die Zweigniederlassung an der Publizität des Handelsregi89 90 91

K. Schmidt, HdR, § 4 III. 2. b); Bakelmann GmbHRdsch 1978,265. Siehe oben I. Teil § I B. I. 5. Köbler BB 1969,845,846.

BaumbachiHapt § \3 Rn 3; HeymanniSannenscheinlWeitemeyer § \3 Rn 7. KGJ 28 A 208, A 209; BayObLG BB 1980, 335; HeymanniSannenscheinlWeitemeyer § \3 Rn 7; K. Schmidt, HdR, § 4 III. 2. a). 94 BaumbachiHapt § 13 Rn 3; HeymanniSannenscheinlWeitemeyer § \3 Rn 7; K. Schmidt, HdR, § 4 III. 2. a). 95 Bake/mann GmbHRdsch 1978, 265. 92

93

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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sters teil. Weiterhin besteht die Möglichkeit, eine Prokura zu erteilen, die auf eine Zweigniederlassung beschränkt ist, § 50 Abs. 3 HGB. Unter örtlichen Gesichtspunkten erfordert die Selbständigkeit der Zweigniederlassung eine räumliche Trennung von der Hauptniederlassung96. Die Zweigniederlassung darf nicht in denselben Räumen betrieben werden. Die räumliche Trennung muß jedoch nicht so weitgehend sein, daß die Zweigniederlassung ihren Sitz in einer anderen Gemeinde hat97 • Diese Selbständigkeit im Außenverhältnis bedingt im Innenverhältnis typischerweise, jedoch nicht begriffsnotwendig eine Vermögenssonderung98 . Angesichts moderner Innenzentralisierung der Unternehmen ist das Merkmal gesonderter Buch- und KontenfUhrungjedoch entbehrlich99 • Die vorbezeichneten Merkmale machen die Selbständigkeit der Zweigniederlassung deutlich. 2. Abhängigkeit

Im Gegensatz zur Selbständigkeit der Zweigniederlassung steht ihre gleichzeitige Abhängigkeit vom Gesamtunternehmen, die sie als bloßen Unternehmensteil kennzeichnet. Die Abhängigkeit der Zweigniederlassung kommt insbesondere darin zum Ausdruck, daß sie nicht selbst Rechtssubjekt ist, sondern stets zum Vermögen des Unternehmensinhabers gehört 100. Die Zweigniederlassung tritt zwar unter ihrer Firma im Rechtsverkehr auf. Aus allen ihren Geschäften wird jedoch der Unternehmensinhaber berechtigt und verpflichtet. Die Zweigniederlassung hat kein rechtlich selbständiges Vermögen und keine rechtlich von denen des Inhabers gesonderten Verbindlichkeiten 101. Im Verhältnis zum Gesamtunternehmen unterliegt die Zweigniederlassung dem Weisungsrecht des Unternehmensträgers. Er bestimmt die grundlegenden Fragen der Geschäftspolitik 102 • Hieraus wird deutlich, daß die Zweigniederlas96 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 Rn 7; K. Schmidt, HdR, § 4 III. 2. a); Brox. HdR. Rn 157, 159. 97 BaumbachJHopt § 13 Rn 3. 98 BGH NJW 1972. 1859; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 Rn 7; K. Schmidt. HdR. § 41II. 2. a); Brox, HdR, Rn 157, 159. 99 BaumbachiHopt § 13 Rn 3; BGH NJW 1972, 1860; a.A. BayObLG BB 1980, 335. hierzu ausfiihrIich Doellerer BB 1981, 25. 100 RGZ 107, 44, 45 f; BGHZ 4, 62, 65; K. Schmidt, HdR, § 4 111. 2. a) aal. 101 BaumbachiHopt § 13 Rn 4. 102 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 13 Rn 7.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

sung in die Organisation des Gesamtunternehmens eingebunden ist und damit eine organisierte Teileinheit darstellt. Hierzu gehört auch, daß häufig die Einrichtung der Zweigniederlassung mit der der Hauptniederlassung vergleichbar ist 103 • Ebenso ist der Tätigkeitsbereich zwischen Hauptgeschäft und Zweigniederlassung im wesentlichen gleich lO4 • Die Abhängigkeit der Zweigniederlassung kommt ebenfalls in den Vorschriften über die Eintragung der Zweigniederlassung in das Handelsregister in §§ 13 bis 13 c HGB zum Ausdruck. Nach § 13 HGB wird die Zweigniederlassung bei dem fUr sie zuständigen Gericht eingetragen. Alle weiteren Eintragungen erfolgen zunächst nach § 13 c HGB beim Gericht der Hauptniederlassung und werden dann in das Register der Zweigniederlassung übernommen.

III. Stellungnahme

Die Zweigniederlassung zeichnet sich dadurch aus, daß sie ein selbständiger Unternehmensteil ist. Sie weist die fUr einen Unternehmensteil erforderliche Organisation, die dauerhafte und planmäßige Tätigkeit, den Bezug zum Handelsgewerbe des Unternehmensträgers und die erforderliche Außenwirkung auf. In personeller und organisatorischer Hinsicht stellt sie sich als Einheit dar, die auch ohne die Hauptniederlassung als selbständiges Unternehmen am Rechtsverkehr teilnehmen und weitergefilhrt werden könnte. Andererseits ist die Zweigniederlassung ein abhängiger und weisungsgebundener Teil des Gesamtunternehmens, der im wesentlichen den gleichen Tätigkeitsbereich wie das Gesamtunternehmen aufweist. Trotz der Eingebundenheit der Zweigniederlassung in das Gesamtunternehmen rechtfertigen die Merkmale der Zweigniederlassung, welche den charakteristischen Merkmalen des handelsrechtlichen Unternehmens vergleichbar sind, die direkte Anwendung des § 25 HGB auf die selbständige Zweigniederlassung; denn der Unterschied zwischen der selbständigen Zweigniederlassung und dem Unternehmens ist nur gradueller Art. Ist die Zweigniederlassung demgegenüber tatsächlich unselbständig, weist sie nicht die erforderliche Selbständigkeit auf; diese Art der Zweigniederlassung kann dann allenfalls ein unselbständiger Unternehmensteil sein, fUr die die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB bislang nicht anerkannt ist. Ob eine direkte Anwendung auch in diesem Fall möglich ist, bleibt zu untersuchen.

103

104

Baumbach/Hopt § 13 Rn 3. RGZ 107, 44, 45 f; HeymanniSonnenscheinlWeitemeyer § 13 Rn 7.

§ 1 Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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C. Erwerb anderer Unternehmensteile Es hat sich gezeigt, daß die Elemente, die das handelsrechtliche Unternehmen und die Zweigniederlassung als einen zumindest partiell rechtlich selbständigen Unternehmensteil kennzeichnen, vergleichbar sind. Es ist daher zu untersuchen, ob es nachvollziehbare Gründe gibt, bezogen auf den Erwerbsgegenstand, die selbständige Zweigniederlassung der Haftung zu unterstellen und andere Unternehmensteile von der direkten Anwendung des § 25 HGB auszunehmen. Das Handelsgesetzbuch enthält keine allgemeine Regelung des Rechts der Unternehmensteile. Nur die Zweigniederlassung als selbständiger Unternehmensteil ist erwähnt. Unselbständige Unternehmensteile sucht man jedoch vergebens. Das verwundert um so mehr, weil dem Erwerb unselbständiger Unternehmensteile, insbesondere dem Kauf eines Unternehmensteils, eine ähnliche Bedeutung zukommt wie dem Erwerb ganzer Unternehmen oder dem Erwerb von Zweigniederlassungen. Die in Betracht kommenden Unternehmensteile sind oftmals rechtlich und auch wirtschaftlich unselbständig. Die bereits getroffene allgemeine Defmition des Unternehmensteils dient als Ausgangspunkt filr die Defmition des unselbständigen Unternehmensteils, welche der weiteren Untersuchung der Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB analog zugrundegelegt wird. Für die Definition des unselbständigen Unternehmensteils ist die Abgrenzung zur selbständigen Zweigniederlassung hilfreich. Im Gegenschluß zu den prägenden Merkmalen der Zweigniederlassung lassen sich die notwendigen Elemente des unselbständigen Unternehmensteils aufzeigen. Besondere Aufmerksamkeit muß darüber hinaus die Abgrenzung des unselbständigen Unternehmensteils zu einer bloßen Ansammlung einzelner Vermögensgegenstände fmden. Steht fest, was genau in dieser Arbeit unter einem unselbständigen Unternehmensteil verstanden wird, ist in einem zweiten Schritt zu entscheiden, ob bereits eine direkte Anwendung des § 25 HGB in Betracht kommt.

I. Definition des unselbständigen Unternehmensteils

Zunächst ist zu untersuchen, welche Merkmale einen unselbständigen Unternehmensteil auszeichnen.

J. Notwendige Merkmale eines unselbständigen Unternehmensteils

Als unselbständige Unternehmensteile kommen Abteilungen und Sparten eines Unternehmens und unselbständige Zweigniederlassungen in Betracht, die

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

weder als selbständiges Unternehmen noch als selbständige Zweigniederlassung organisiert sind. Die allgemeinen Merkmale eines Unternehmensteils müssen bei einem unselbständigen Unternehmensteil ebenfalls vorliegen. Folglich muß es sich bei einem unselbständigen Unternehmensteil um eine organisierte Teileinheit handeln, die planmäßig und auf Dauer den Tätigkeitsbereich eines Handelsgewerbes aufweist, einen gewissen Wert hat und einen wirtschaftlichen Teilzweck verfolgtlOS. Das bedeutet, daß der unselbständige Unternehmensteil ebenfalls eine Organisation aufweisen muß, aufgrund derer ein Teilzweck des Gesamtunternehmens verfolgt werden kann. Besondere Bedeutung erlangt die Abgrenzung des unselbständigen Unternehmensteils zu einzelnen Vermögensbestandteilen oder einer Gesamtheit von Vermögensbestandteilen. Zur Verdeutlichung der Notwendigkeit dieser Unterscheidung dient folgendes Beispiel: Verkauft ein Unternehmensinhaber betrieblich genutzte Fahrzeuge, die Mitarbeitern des Unternehmens zur Verfilgung standen, ist dies keine Veräußerung eines unselbständigen Unternehmensteils, weil keine organisierte Einheit veräußert wird, welche einen über den Wert der Einzelteile hinausgehenden Wert hat. Wird jedoch eine Einheit aus Dienstwagen, Personal, Einsatzplänen usw. veräußert, die eine Fahrbereitschaft ftlr Mitarbeiter des Unternehmens zum Gegenstand hat, handelt es sich um die Veräußerung eines unselbständigen Unternehmensteils, da die einzelnen Bestandteile und Personen organisatorisch verbunden sind und einen bestimmten Zweck erfilllen können, der einem Gesamtunternehmen dienen kann. Dem organisierten Tätigkeitsbereich des unselbständigen Unternehmensteils, welcher dem Gesamtunternehmen dient, lassen sich wiederum Sachen, Forderungen, Rechte, Verbindlichkeiten, Know-How und weitere Vermögensgegenstände zuordnen. Die Art und Anzahl der einzelnen Bestandteile können im Einzelfall wie bei Unternehmen und Unternehmensteilen sehr verschieden sein. Wie die Zweigniederlassung gehört jedoch auch der unselbständige Unternehmensteil zum Vermögen des Unternehmensträgers. Eine eigene Rechtspersönlichkeit kommt dem unselbständigen Unternehmensteil nicht zu. Weiterhin erfordert das Vorliegen eines unselbständigen Unternehmensteils eine planmäßige und dauerhafte Tätigkeit. Tätigkeiten bei Gelegenheit scheiden aus. Die Außenwirkung des Unternehmensteils, d.h. das Auftreten am Markt, und die Selbständigkeit sind, wie gezeigtl06, keine konstitutiven Merkmale. Sie sind

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Siehe oben I. Teil § 1 B. I. 5. Siehe oben I. Teil § 1 B. I. 4.

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daher filr das Vorliegen eines unselbständigen Unternehmensteils entbehrlich. Das bedeutet aber nicht, daß der unselbständige Unternehmensteil nicht mit dem Geschäftsverkehr in Verbindung stehen könnte. Sowohl eine Sparte als auch eine Abteilung, die beide nicht als selbständiger Unternehmensteil ausgestaltet sind, und auch eine unselbständige Zweigniederlassung können durch eigene Geschäftsbeziehungen, etwa Bezugs- und Kundenbeziehungen, mit dem Rechtsverkehr in Kontakt treten. Der unselbständige Unternehmensteil hat weiterhin einen eigenen Wert, der über die Summe der ihm zugeordneten Vermögensgegenstände hinausgeht. Er ist Gegenstand des Rechtsverkehrs und kann veräußert werden. Wegen seiner Unselbständigkeit ist die genaue Kennzeichnung des unselbständigen Unternehmensteils im Fall der Übertragung von besonderer Bedeutung. Wie bereits ausgefilhrt J07 , behilft sich die Praxis mit Listen, in denen die einzelnen Positionen des Vermögens einschließlich Forderungen und Verbindlichkeiten aufgefiIhrt werden. Festzuhalten bleibt, daß der unselbständige Unternehmensteil eine organisierte Teileinheit ist, die einen bestimmten Teilzweck im Rahmen des Gesamtunternehmens verfolgt und im Rechtsverkehr einen Wert hat, der über die Summe der ihm zugeordneten Werte hinausgeht. Die organisierte Teileinheit muß im Rahmen der gesamten, nach außen gerichteten wirtschaftlichen Tätigkeit, bezogen auf das Handelsgewerbe qualitativ eine eigene Bedeutung haben. Auf die Größe des unselbständigen Unternehmensteils kommt es dabei nicht an. 2. Abgrenzung zur selbständigen Zweigniederlassung

Die Abgrenzung des unselbständigen Unternehmensteils zur Zweigniederlassung kann an sehr unterschiedlichen Merkmalen ansetzen. Einen Ansatzpunkt bietet der Tätigkeitsbereich des unselbständigen Unternehmensteils. Im Unterschied zur Zweigniederlassung können Geschäfte erledigt werden, die zwar dem Handelsgewerbe dienen, die aber bezogen auf das Gesamtunternehmen nur Hilfs- oder AusfUhrungsgeschäfte sind, beispielsweise eine Produktionsstätte oder ein Warenlager. Weiterhin können verschiedene Unternehmensteile unterschiedliche Funktionen wahrnehmen, die gemeinsam den Unternehmenszweck verwirklichen. Als Beispiel dient ein Unternehmen, das CD's herstellt und vertreibt, und diesen Unternehmenszweck durch zwei unselbständige Unternehmensteile verwirklicht, von denen der eine die Produktion und der andere den Vertrieb übernimmt. Schließlich können in einem unselbständigen Unternehmensteil Geschäfte getätigt werden, die mit dem Tätig-

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Siehe oben Einleitung § 2 B.

l. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 2S HGB

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keitsbereich des restlichen Unternehmens nichts zu tun haben. In diesem Fall handelt es sich um die Tätigkeit einer Unternehmenssparte, die zwar eine gewisse Selbständigkeit aufweist, die aber in die Organisation des Gesamtunternehmens eingebunden ist. Es schadet dem Vorliegen eines unselbständigen Unternehmensteils nicht, wenn er räumlich mit dem Gesamtunternehmen verbunden ist. Die einzelnen Tätigkeiten können, müssen aber nicht im selben Gebäudekomplex durchgefUhrt werden. Der unselbständige Unternehmensteil wird häufig einen Leiter haben, weIcher die Arbeiten des Unternehmensteils koordiniert. Begriffsnotwendig ist das nicht. Dieser Leiter tritt aber nicht nach außen fUr den unselbständigen Unternehmensteil, sondern fUr das Gesamtunternehmen auf. Weiterhin erfordert das Vorliegen eines unselbständigen Untemehmensteils keine Vermögenssonderung und keine eigene Buchfilhrung. Angesichts moderner Innenzentralisierung der Unternehmen sind jedoch die Positionen feststellbar, die den unselbständigen Unternehmensteil betreffen. Hierzu wird bei der Bestimmung der einzelnen Verbindlichkeiten noch zurückzukommen sein 108 • Im Gegensatz zur Zweigniederlassung weist ein unselbständiger Unternehmensteil weder eine eigene Firma auf noch kann er ins Handelsregister eingetragen werden. Das Fehlen einer eigenständigen Regelung des unselbständigen Unternehmensteils im Handelsgesetzbuch bedeutet nicht, daß eine Haftung des Erwerbers bei der Übertragung des Unternehmensteils nicht in Betracht kommt. Ob die von der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils betroffenen Gläubiger zu schützen sein werden, ist eine Frage der analogen Anwendbarkeit des § 25 HGB und des Sinns und Zwecks der Norm 109• Für die Frage der Definition des unselbständigen Unternehmensteils ist dies ohne Bedeutung. Es ist eine Besonderheit des unselbständigen Unternehmensteils, daß er im Gegensatz zur Zweigniederlassung nicht in jedem Fall als rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen weitergefUhrt werden kann. Handelt es sich bei dem unselbständigen Unternehmensteil um eine Abteilung, muß sie vielmehr in ein anderes Unternehmen eingebunden oder mit anderen Unternehmensteilen zu einem Unternehmen verbunden werden. Erst nach der Einbindung kann der Teilzweck des unselbständigen Unternehmensteils wieder erreicht werden. Bei einer Unternehmenssparte kommt es auf die Art der Organisation an, ob auch im Hinblick auf die Verwaltung eine selbständige Weiterfilhrung nach der Trennung des Unternehmensteils erforderlich ist oder nicht. Ent-

108 109

Siehe unten 3. Teil. Siehe unten l. Teil § 3, § 4.

§ I Heutiger Anwendungsbereich des § 25 HGB

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scheidend ist jedoch, ob die dem unselbständigen Unternehmensteil zuzuordnenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten eine organisatorische Einheit bilden, mit Hilfe derer der geschäftliche Organismus des Unternehmensteils aufrechterhalten werden kann. Zusammenfassend weist ein unselbständiger Unternehmensteil, ebenso wie ein Unternehmen und eine selbständige Zweigniederlassung, eine gewisse Organisation auf, die seine Eigenart bestimmt. Ihm können Vermögensgegenstände, ein innerer Aufbau und bestimmte Beziehungen zur äußeren Umwelt zugeordnet werden. Darüber hinaus erfUllt der unselbständige Unternehmensteil hinsichtlich des gesamten Unternehmens eine bestimmte oder bestimmbare Aufgabe. Diese besondere Funktion kann er bei Einbindung in ein anderes Unternehmen, d.h. im Zusammenhang mit anderen Unternehmensteilen, weiter erfilllen. Eine Fortfilhrung als selbständiges Unternehmen nach Ausgliederung aus dem Gesamtbetrieb ist ohne zusätzliche Maßnahmen in der Regel nicht möglich. Bei Unternehmenssparten gilt dies nur mit Einschränkungen.

3. Abgrenzung zu einer bloßen Ansammlung einzelner Vermögensgegenstände

Die Abgrenzung eines unselbständigen Unternehmensteils zu einer bloßen Ansammlung einzelner Vermögensbestandteile erfolgt in gleicher Weise wie die Abgrenzung des handelsrechtlichen Unternehmens zu einzelnen Wirtschaftsgütern. Die einzelnen Bestandteile, die einem unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden können, stehen nicht ohne Zusammenhang nebeneinander. Vielmehr ist eine Verknüpfung der einzelnen Bestandteile erforderlich, so daß eine organisatorische Einheit entsteht. Gerade das Kriterium der organisatorischen Einheit charakterisiert den Unternehmensteil als einen Funktionszusammenhang, der mehr ist als nur eine Ansammlung vieler oder einzelner Wirtschaftsgüter. Die Organisation ermöglicht es dem Unternehmensträger, mit dem Unternehmensteil einen bestimmten Teilzweck des Gesamtunternehmens zu verfolgen. Der unselbständige Unternehmensteil ist wie das Unternehmen eine Wirkungseinheit, die allerdings die jeweilige Aufgabe nicht alleine, sondern nur in Zusammenarbeit mit weiteren Unternehmensteilen oder Unternehmen erfilllen kann. Ein unselbständiger Unternehmensteil liegt daher im Gegensatz zu einer Ansammlung einzelner Vermögensgegenstände nur dann vor, wenn die Organisation die jeweiligen Bestandteile zu einer wirtschaftlichen Funktionseinheit verknüpft. Die Organisation unterscheidet sich dabei nach Art und Größe des Unternehmensteils. Ob diese Funktionseinheit vorliegt, ist eine Entscheidung des Einzelfalls.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

4. Definition

Der unselbständige Unternehmensteil ist eine abgrenzbare und organisierte Teileinheit, der ein eigenständiger Wert im Rechtsverkehr zukommt. Sie ist als partiell selbständige Einheit anzusehen, die in ein Unternehmen eingegliedert ist, das ein Handelsgewerbe betreibt. Der unselbständige Unternehmensteil weist notwendigerweise einen eigenen Tätigkeitsbereich auf, mit dessen Hilfe ein Teilzweck des Gesamtunternehmens verfolgt wird. Außenwirkung kommt dem unselbständigen Unternehmensteil durch die ihm zuzuordnenden Beziehungen zum Markt zu. Eine weitergehende Außenwirkung durch die Führung einer eigenen Firma oder die Eintragung in das Handelsregister ist jedoch nicht möglich. Als unselbständige Unternehmensteile, die als Erwerbsgegenstand im Rahmen des § 25 HGB in Betracht kommen, sind vor allem die Sparten, die Abteilungen und die unselbständigen Zweigniederlassungen zu nennen.

11. Direkte Anwendung des § 25 HGB auf unselbständige Unternehmensteile?

Es stellt sich die Frage, ob unselbständige Unternehmensteile, wie sie vorstehend defmiert worden sind, eine so große Ähnlichkeit mit dem handelsrechtlichen Unternehmen aufweisen, daß eine direkte Anwendung des § 25 HGB gerechtfertigt ist. Die Ausprägungen unselbständiger Unternehmensteile und die Art der Untergliederung des Unternehmens sind vielfliltig. Unselbständige Unternehmensteile sind zum einen die organisierten Teileinheiten eines handeisrechtlichen Unternehmens, die selbständige Subsysteme oder Sparten darstellen, ohne räumlich von dem restlichen Unternehmen getrennt zu sein. Es besteht die Möglichkeit, je nach Organisation der Sparte, der selbständigen WeiterfUhrung nach der Trennung vom Gesamtunternehmen. Zu den unselbständigen Unternehmensteilen gehören aber auch Unternehmensabteilungen und Zweigniederlassungen, die zwar als solche bezeichnet, aber tatsächlich unselbständig sind. Bei allen unselbständigen Unternehmensteilen, die bei der zu untersuchenden Frage der Erwerberhaftung als Erwerbsgegenstand in Betracht zu ziehen sind, handelt es sich um abgrenzbare Teileinheiten. Sie nehmen bestimmte Teilaufgaben des Gesamtunternehmens wahr, die nur im Zusammenspiel mit anderen Unternehmensteilen die Gesamtaufgabe des Unternehmens errullen. Diese Unternehmensteile können ohne Änderung der Organisation nicht selbständig fortgefilhrt werden, sondern müssen nach der Veräußerung in ein anderes Unternehmen eingebunden werden, um dort ihre Teilfunktion zu erfilllen. Diese vorbezeichneten Arten von unselbständigen Unternehmensteilen weisen zwar strukturelle Ähnlichkeiten mit den Merkmalen des Unternehmens auf.

§ 2 Regelungslücke

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Gleichwohl ist die Unselbständigkeit des Unternehmensteils ein derart prägendes Merkmal, daß es von dem ausdrücklich genannten Erwerbsgegenstand des Handelsgeschäfts nicht mehr umfaßt ist. Eine direkte Anwendung des § 25 HGB scheidet daher aus. Es bleibt aber die Frage, ob wegen der vorbezeichneten Ähnlichkeit des unselbständigen Unternehmensteils zum handelsrechtlichen Unternehmen eine analoge Anwendung des § 25 HGB in Betracht kommt. Der Erwerber eines solchen unselbständigen Unternehmensteils, d.h. einer Abteilung oder einer Sparte oder einer tatsächlich unselbständigen Zweigniederlassung, haftete in diesem Fall ftlr Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt der Übertragung des unselbständigen Unternehmensteils bestanden.

D. Ergebnis Der bisher anerkannte Anwendungsbereich des § 25 HGB beschränkt sich auf das handelsrechtliehe Unternehmen und die selbständige Zweigniederlassung. Darüber hinaus ist eine direkte Anwendung des § 25 HGB auf andere Unternehmensteile nicht möglich. Die Ähnlichkeiten zwischen dem unselbständigen Unternehmensteil und dem handelsrechtlichen Unternehmen bieten aber gerade den Anlaß, die analoge Anwendung des § 25 HGB auf unselbständige Unternehmensteile, wie sie vorstehend definiert worden sind, zu untersuchen.

§ 2 Regelungslücke Damit eine analoge Anwendung des § 25 HGB auf den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Fall des Erwerbs eines unselbständigen Unternehmensteils im Wege der Rechtsfortbildung zulässig ist, muß eine ausftlllungsbedürftige Gesetzeslücke vorliegen. Es bedarf eines positiven Nachweises, daß die vermißte Regelung eine planwidrige Unvollständigkeit der geltenden Rechtsordnung darsteUe lO • Hierbei ist die gesamte Rechtsordnung ft1r die Feststellung einer Lücke heranzuziehen 111 • Eine solche Lücke kann darauf beruhen, daß der Gesetzgeber bei Erlaß des Gesetzes einen bestimmten Umstand nicht oder nicht richtig in seine Willensbildung mit einbezogen hat. Sie kann aber auch erst später entstehen ll2 • Die bestehende Lücke des Gesetzes ist durch eine analoge Anwendung des in Betracht kommenden Rechtssatzes zu schließen, wenn die Sachlage zwischen dem gere110 111 ll2

Canaris, Lücken, S. 37, 39, 51,96; Larenz, Methodenlehre, S. 370. Canaris, Lücken, S. 38. Brox, AT, Rn 64.

l. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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gelten und dem ungeregelten Fall vergleichbar ist und die Lücke "aus dem Geist des Gesetzes"113 ausgeftlllt werden kann. Es ist daher zu untersuchen, ob § 25 HGB hinsichtlich des Erwerbs eines unselbständigen Unternehmensteils eine planwidrige Lücke enthält, die von Anfang an bestand oder die im Laufe der Zeit entstanden ist. A. Historischer Gesetzgeber

Die Gesetzesmaterialien des Handelsgesetzbuchs geben keinen Anhaltspunkt dafilr, aus welchen Gründen eine Haftung des Erwerbers beim Erwerb von Unternehmensteilen im Wege der Einzelrechtsnachfolge nicht in die Regelung des § 25 HGB mit aufgenommen worden ist. Die Entstehungsgeschichte des § 25 HGB verdeutlicht, daß im Vorfeld einer Regelung der Erwerberhaftung in Rechtsprechung und Literatur keine Einigkeit hinsichtlich der Ausgestaltung der Haftung bestand. Es wurden sehr unterschiedliche Positionen vertreten 1l4 , die bis heute die lebhafte Diskussion um den Sinn und Zweck der Haftungsanordnung des § 25 HGB prägen. Ein Teil der Lehre hebt auf das Unternehmen als Inbegriff der Aktiva und Passiva ab und hält eine Schuldenhaftung des jeweiligen Unternehmensinhabers ft1r unausweichlich. Andere Autoren setzen dagegen bei den das Unternehmen tragenden Personen an und erblicken im Übergang der Aktiva und Passiva den Gegenstand privatautonomer Regelung der am Unternehmensübergang beteiligten Vertragsparteien. Der historische Gesetzgeber entschied sich daraufuin ft1r eine Kombinationslösung der vertretenen Ansichten, indem er sowohl die Fortfilhrung des Unternehmens und den Willen der Veräußerungsparteien berücksichtigte IIS. Es entsteht der Eindruck, der historische Gesetzgeber habe bereits genügend Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, um überhaupt einen Konsens hinsichtlich der Regelung einer handelsrechtlichen Erwerberhaftung bei der Übertragung eines Unternehmens zu erzielen. Die Frage einer weitergehende Regelung hinsichtlich der Haftung eines Erwerbers beim Erwerb von Unternehmensteilen stellte sich angesichts der ohnehin sehr unterschiedlichen Auffassungen erst gar nicht. Damit bildet die fehlende Regelung einer Haftung des Erwerbers bei Unternehmensteilen aus Sicht des historischen Gesetzgebers eine unbewußte Gesetzeslücke.

113 114 115

Brox, AT, Rn 64. Waskönig, S. 54 ffund 95 ff; Brockmeier, S. 4 ff. Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 22.

§ 2 Regelungslücke

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B. Gesetze neueren Datums Zusätzlich zu der Untersuchung der Regelungslücke zur Zeit der Entstehung des § 25 HGB ist zu prüfen, ob die zunächst unbewußte Gesetzeslücke im Laufe der Zeit vom Gesetzgeber bewußt offen gelassen worden ist oder, falls man die vorbezeichnete Ansicht einer unbewußten Gesetzeslücke nicht teilt, ob die fUr eine Analogie erforderliche Gesetzeslücke erst im Laufe der Zeit entstanden ist. Dies beurteilt sich anhand der Gesetze neueren Datums, bei denen der Gesetzgeber die Erwerberhaftung nach § 25 HGB bezüglich unselbständiger Unternehmensteile in die Entscheidungsfmdung mit einbezogen hat.

I. Umwandlungsgesetz

Insbesondere das Umwandlungsgesetz bietet sich fUr eine Betrachtung an, ob eine Haftung des Erwerbers, der einen unselbständigen Unternehmensteil im Wege der Einzelrechtsnachfolge erwirbt, bewußt nicht angeordnet worden ist. Das Umwandlungsgesetz regelt in §§ 123 ffUmwG die Spaltung im Wege der Gesamtrechtnachfolge. Bei der Spaltung handelt es sich um die Teilung eines Rechtsträgers durch die Übertragung von Vermögensgegenständen gegen Anteilsgewährung. Der Gesetzgeber gestaltete den Schutz der Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers umfassend und ordnete in § 133 UmwG die gesamtschuldnerische Haftung des erwerbenden Rechtsträgers mit dem übertragenden Rechtsträger an. Diese gesamtschuldnerische Haftung erfaßt die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers. Sie dient dem Gläubigerschutz bei der Übertragung von Unternehmensteilen und gilt unabhängig davon, ob es sich um einen selbständigen oder einen unselbständigen Unternehmensteil handelt. Der Gesetzgeber hätte jedoch aufgrund der Regelung der Spaltung im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge durch das Umwandlungs gesetz Anlaß gehabt, den Schutz der Gläubiger bei der Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge zu überdenken. Für die Gläubiger macht es keinen Unterschied, ob der Unternehmensinhaber die Teilung des Unternehmens im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge oder im Wege der Einzelrechtsnachfolge durchfUhrt. Bereits aus diesem Grund besteht durch die Regelung der Spaltung im Umwandlungsgesetz eine unbewußte Regelungslücke fUr die hier interessierende Frage der Erwerberhaftung bei Unternehmensteilen im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Ohne Bedeutung ist, daß § 25 HGB durch die Regelung des Umwandlungsgesetzes nicht berührt werden sollte. Dies stellt § 133 Abs. I Satz 2 UmwG klar. Damit brachte der Gesetzgeber nur zum Ausdruck, er wolle zu den bis heute sehr unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur zu § 25 HGB keine abschließende Stellung nehmen. 5 Theißcn

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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Sollte nicht bereits eine Regelungslücke seit Inkrafttreten des Handelsgesetzbuchs hinsichtlich der Haftung beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge bestehen, ist diese unbewußte Lücke spätestens durch die Spaltungsvorschriften des Umwandlungsgesetzes entstanden. Es bietet sich an, diese Lücke im Wege der analogen Anwendung des § 25 HGB zu schließen, der die Erwerberhaftung beim Erwerb ganzer Unternehmen regelt.

11. Insolvenzordnung

Ein weiteres Gesetz, das bei der Beantwortung der Frage Berücksichtigung fmden muß, ob § 25 HGB hinsichtlich der Haftung eines Erwerbers unselbständiger Unternehmensteile eine ausftlllungsbedürftige Regelungslücke aufweist, ist die Insolvenzordnung, die am 01.01.1999 in Kraft tritt und das entsprechende Einftlhrungsgesetz. Durch Artikel 33 Nr. 16 des Einftlhrungsgesetzes zur Insolvenzordnung wird § 419 BGB aufgehoben. Gleichzeitig wurde von einer Änderung des § 25 HGB abgesehen. In der Begründung wird ausgeftlhrt, § 419 BGB passe nicht in die heutige Wirklichkeit. Der Kredit weiter Bevölkerungskreise beruhe überwiegend auf der Erwerbsflihigkeit des Einzelnen, nicht aber auf dem gegenständlichen Vermögen. Durch die Mithaftung des Vermögensübernehmers werde der Gläubigerschutz überbewertet. Das ftlhre zu Ungerechtigkeiten. Da die Haftungsmasse des bisherigen Schuldners sich um das Entgelt vermehre, beschenke § 419 BGB den Gläubiger auf Kosten des Vermögensübernehmers. Der Übernehmer, der selbst keinen Kredit gewährt habe, trage nach der Vermögensübernahme das Insolvenzrisiko des Schuldners. Die wesentlichen Anwendungsgebiete der Vorschrift seien heute die entgeltliche Geschäftsübertragung und die Veräußerung von Grundstücken 116. Zudem behindere § 419 BGB die freie außergerichtliche Sanierung von Unternehmen durch Übertragung auf einen neuen Unternehmensträger. Das Unternehmen stelle bei Kapitalgesellschaften praktisch immer, bei sonstigen Unternehmensträgern häufig das gesamte Vermögen im Sinne der Vorschrift dar. Übernahmeinteressenten schreckten vor dem Haftungsrisiko zurück; auch wirtschaftlich sinnvolle Sanierungen scheiterten. Stets werden zeit- und kostenaufwendige Verhandlungen notwendig; immer wieder komme es zu wirtschaftlich sachwidrigen Umgehungskonstruktionen 117. Es sei sachgerecht, § 419 BGB ersatzlos aufzuheben. Die Verschärfung des Anfechtungsrechtes innerhalb und

116 117

Schmidt-Räntsch, Einzelerläuterungen, Artikel 33 Rn 7. Schmidt-Räntsch, EinzeIerläuterungen, Artikel 33 Rn 8.

§ 2 Regelungslücke

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außerhalb des Insolvenzverfahrens mache den über sein Ziel hinausschießenden Gläubigerschutz des § 419 BG B gänzlich entbehrlich 118. Das Handelsgesetzbuch enthalte in § 25 HGB eine dem § 419 BGB ähnliche Vorschrift. Eine Änderung des § 25 HGB sei jedoch nicht erforderlich. Der Normzweck der Vorschrift sei mit § 419 BGB nicht identisch. Die Haftung nach § 25 HGB sei nach § 25 Abs. 2 HGB abdingbar. Dies sei der entscheidende Unterschied zu § 419 BGB. Zu einer unangemessenen Behinderung von Geschäftsübernahmen komme es aus diesem Grund nicht. Soweit eine kontinuierliche Haftung des jeweiligen Unternehmensträgers fiIr die Unternehmensverbindlichkeiten gefordert werde, stehe der eindeutige Wortlaut des § 25 HGB dieser Auffassung entgegen ll9 . Die amtliche Begründung zur Abschaffung des § 419 BGB und der Beibehaltung des § 25 HGB läßt die verfolgte Intention des Gesetzgebers erkennen. Ein Ziel der neuen Insolvenzordnung bestand darin, die Sanierungsmöglichkeiten bei Unternehmen zu verbessern und die Haftung des Erwerbers zu begrenzen. Dieser Wille des Gesetzgebers steht im direkten Gegensatz zu der Intention des Umwandlungsgesetzes. Dort wurde die Haftung des Erwerbers sowohl bei der Verschmelzung als auch bei der Spaltung von Unternehmen durch die zwingende Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung fiIr bereits begründete Verbindlichkeiten verschärft. Insoweit relativieren sich die Ausfilhrungen in der amtlichen Begründung der Insolvenzordnung. Selbst wenn man davon ausgeht, der Gesetzgeber habe durch die Insolvenzordnung, die gegenüber dem Umwandlungsgesetz das jüngere Gesetz ist, die Sanierungsflihigkeit von Unternehmens erleichtern wollen, geht aus der amtlichen Begründung der Insolvenzordnung hervor, daß § 25 HGB nicht geändert werden sollte. In seiner jetzigen Fassung sieht ihn der Gesetzgeber nicht als sanierungsfeindlich an. Der Gesetzgeber hat damit zu den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen keine abschließende Entscheidung getroffen. Eine Festlegung der dogmatischen Einordnung des § 25 HGB läßt sich hieraus nicht ableiten. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Gesetzgeber die Kontinuitätslehre, auf die später noch einzugehen ist 120, als nicht mit dem Wortlaut des § 25 HGB vereinbar ansieht. Hinsichtlich einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 25 HGB durch eine analoge Anwendung auf den Erwerb unselbständiger Unternehmensteile hat der Gesetzgeber durch die Verabschiedung der Insolvenzordnung und die Abschaffung des § 419 BGB bei gleichzeitiger Beibehaltung des § 25 HGB keine Entscheidung getroffen.

118

119 120

S"

Schmidt-Räntsch, Einzelerläuterungen, Artikel 33 Rn 11. Schmidt-Räntsch, Einzelerläuterungen, Artikel 33 Rn 14. Siehe unten l. Teil § 4 B. V.

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I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

Durch die Insolvenzordnung ist daher nicht die Möglichkeit verwehrt, eine analoge Anwendung des § 25 HGB auf den Erwerb unselbständiger Unternehmensteile zu prüfen.

C. Ergebnis Die Haftung des Erwerbers beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils ist in § 25 HGB ausdrücklich nicht erwähnt. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht eine unbewußte Gesetzeslücke. Es ist daher möglich zu untersuchen, ob diese Lücke im Wege der analogen Anwendung des § 25 HGB nach dem Sinn und Zweck der Norm ausgefllllt werden kann.

§ 3 Vergleich der Interessenlage Um eine analoge Anwendung des § 25 HGB auf den Erwerb unselbständiger Unternehmensteile vertreten zu können, muß eine ähnliche Interessenlage des im Gesetz geregelten Falls mit dem nicht geregelten Fall bestehen. Zu vergleichen ist die Interessenlage der Betroffenen beim Erwerb eines handelsrechtlichen Unternehmens mit der Interessenlage beim Erwerb des unselbständigen Unternehmensteils eines handelsrechtlichen Unternehmens. In beiden Fällen sind der ursprüngliche Inhaber und der Erwerber, darüber hinaus die Gläubiger des ursprünglichen Inhabers und die Gläubiger des Erwerbers betroffen, deren Interessen nachfolgend untersucht werden.

A. Ursprünglicher Inhaber des Unternehmens Beabsichtigt der Inhaber eines Unternehmens, dieses ganz oder zum Teil zu veräußern, dann ist er in erster Linie daran interessiert, möglichst frei und unbeschränkt die Bedingungen der Veräußerung mit dem späteren Erwerber aushandeln zu können. So muß z.B. eine Einigung darüber erzielt werden, ob das Unternehmen ganz oder zum Teil auf ihn übergehen soll, welche Vermögensgegenstände und welche Verbindlichkeiten vom Erwerber übernommen werden, ob es sich um einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerb handelt, welche Gewährleistung der Veräußerer dem Erwerber bietet. Auch eine Trennung der Aktiva und Passiva, die dem Erwerbsgegenstand zugeordnet werden, kann beabsichtigt sein. Weiterhin ist rur den Inhaber des Unternehmens von Bedeutung, aus den Verpflichtungen entlassen zu werden, die er den Gläubigem nur erfllllen kann, wenn er das Unternehmen behält. Hierbei kommen etwa Geldleistungen in Betracht, die aus dem künftigen Ertrag des Unternehmens erwirtschaftet werden sollen. Weiterhin handelt es sich um unternehmens-

§ 3 Vergleich der Interessenlage

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bezogene Leistungspflichten wie etwa Werkleistungen und unternehmensbezogene Verpflichtungen, wie z.B. Versicherungen. Diese Interessen des Inhabers eines Unternehmens bestehen sowohl bei der Veräußerung des gesamten Unternehmens als auch bei der Veräußerung eines selbständigen oder unselbständigen Unternehmensteils. Selbst wenn nicht das gesamte Unternehmen, sondern nur ein Unternehmensteil auf einen Erwerber übertragen werden soll, muß eine Einigung über die grundsätzlich gleichen Fragen zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer erzielt werden. Um die Interessen des Veräußerers eines Unternehmensteils zu verwirklichen, ist es erforderlich, dem Grundsatz der Privatautonomie möglichst uneingeschränkte Geltung zukommen zu lassen. Diese fiir den Inhaber des Unternehmens so wichtige Vertragsfreiheit wird durch eine gesetzliche Vorschrift wie § 25 HGB eingeschränkt, die unter bestimmten Voraussetzungen die Haftung eines möglichen Erwerbers gegenüber den Gläubigem des Unternehmens inhabers anordnet. Je umfassender dabei der Anwendungsbereich des § 25 HGB ist, desto schwieriger wird es sein, einen Interessenten zu fmden, der das Unternehmen oder einen Teil hiervon erwirbt. Für ein Unternehmen kurz vor oder in der Krise bedeutet diese Einschränkung der Privatautonomie durch das bestehende Haftungsrisiko des Erwerbers möglicherweise eine Verschlechterung der Sanierungsmöglichkeiten fUr den Unternehmensinhaber. Haftet der Erwerber auch in dem Fall, in dem er nur einen Teil des Unternehmens erwirbt, dann kann der Erwerb und die Weiterftlhrung sanierungsfähiger Unternehmensteile durch Abtrennung unrentabler Teile gefährdet sein. Zusammenfassend geht das Interesse des ursprünglichen Unternehmensinhabers sowohl bei der Veräußerung des gesamten Unternehmen als auch bei der Veräußerung eines Unternehmensteils dahin, die Bedingungen der Veräußerung möglichst unbeschränkt mit dem Erwerber aushandeln zu können. Besondere Bedeutung hat hierbei das Interesse des Inhabers, fUr Verbindlichkeiten nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, die sich nur mit Hilfe des auf den Erwerber übertragenen Unternehmensteils erfilllen lassen. Insoweit ist die Interessenlage zwischen dem geregelten Fall des § 25 HGB und dem ungeregelten Fall vergleichbar .

B. Erwerber des Unternehmens oder des Unternehmensteils Der Erwerber eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils hat wie der Inhaber seinerseits ein Interesse daran, die Bedingungen des Erwerbs möglichst frei und unbeschränkt aushandeln zu können.

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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Ist ein ganzes Unternehmen der Erwerbsgegenstand, wird der Erwerber beabsichtigen, das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen. Er kann das Unternehmen weiterftlhren oder in ein bereits bestehendes Unternehmen eingliedern. Durch die Eingliederung kann das bereits bestehende eigene Unternehmen erweitert oder effektiver gestaltet werden. In Betracht kommt etwa der Einsatz des Know-Hows oder der Kundenbeziehungen des übernommenen Unternehmens. Aus diesem Grund ist dem Erwerber daran gelegen, aushandeln zu können, welche Vermögenswerte und auch welche Verbindlichkeiten er übernimmt. Diese Faktoren sind beim entgeltlichen Erwerb fiir die Höhe des Kaufpreises des Unternehmens relevant. Beim unentgeltlichen Erwerb ist die Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten ebenfalls von Bedeutung. Der Erwerber muß das wirtschaftliche Risiko bewerten können, dem er sich durch die Übernahme bestehender Verbindlichkeiten aussetzt. Zu berücksichtigen ist, daß die Haftung des Erwerbers filr bestehende Verbindlichkeiten filr diesen eine schwere Belastung sein kann, die ihn unter Umständen in den wirtschaftlichen Ruin treiben wird 121. Es gibt aber auch Fälle, in denen der Erwerber durchaus ein Interesse daran hat, gegenüber den Gläubigem des Veräußerers eine eigene Haftung zu übernehmen und "deren Vollstreckungsmasse unverhofft zu vermehren"l22. Das Interesse des Erwerbers, der ein Unternehmen fortfUhrt, besteht in diesen Fällen darin, die bereits bestehenden Geschäftsverbindungen zu sichern. Dazu gehören die Bezugsquellen und die Kundschaft 123 • Das entbindet den Erwerber vom Aufbau eigener Geschäftsbeziehungen. Um die Bezugsquellen zu sichern, müssen die Schulden des früheren Unternehmens inhabers übernommen werden. Dadurch stellt der Erwerber den Kontakt zu den Gläubigem her; er bezahlt etwa die laufenden Rechnungen der Lieferanten, bestellt neue Sachen etc. Um die Kundschaft zu sichern, müssen die Kunden Gelegenheit haben, mit dem Erwerber in Kontakt zu treten. Wenn Forderungen und Schulden auf den Erwerber mit übergehen, so ist ein aktives Geschäftsverhältnis vorhanden, das fortgefiihrt wird l24 • An dieser Kontinuität hat der Erwerber ein Interesse. Ansonsten müßte er das Unternehmen neu aufbauen. Gerade diese Möglichkeit, auf bereits Gewachsenem aufbauen zu können, ist häufig der Anlaß, der den Erwerber dazu bewegt, ein bestehendes Unternehmen zu erwerben anstatt, ein neues zu begründen. Hat das Unternehmen hingegen das Ende seiner Lebensdauer erreicht, sind die Geschäftsbeziehungen, falls sie überhaupt noch existieren, fiir den Erwerber von untergeordneter Bedeutung. Er wird sich auf die Übernahme der Bestand-

121 122 123 124

Hierauf hinweisend Canaris, Festschrift Frotz, S. 11. A.A. Canaris § 7 I. 1. a. So ausdrücklich Heinsen, S. 137. Heinsen, S. 137.

§ 3 Vergleich der Interessenlage

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teile beschränken 12s . Zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Situationen der Übernahme eines florierenden und eines untergehenden Unternehmens liegt ein breiter Bereich, in denen ein lebensfllhiges Unternehmen unter mangelhaften Außenbeziehungen, säumiger Kundschaft oder hohen Schulden leidet. Um ein Unternehmen zu sanieren, das sich in dieser Situation befindet, müssen die Verbindlichkeiten erforderlichenfalls beim Veräußerer zurückgelassen werden, um den Unternehmensfortbestand nicht von Anfang an zu starken Belastungen auszusetzen 1126. Insgesamt liegt das Interesse des Erwerbers nicht notwendigerweise darin, ausschließlich die Aktiven eines Unternehmens zu erwerben. In seinem Interesse liegt insbesondere die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen 127 • Die gleiche Interessenlage besteht filr den Erwerber im Grundsatz auch beim Erwerb eines Unternehmensteils. Beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils ist filr den Erwerber ebenfalls von Bedeutung, die einzelnen Bedingungen des Erwerbs mit dem Inhaber des Unternehmensteils aushandeln zu können, um der wirtschaftlichen Lage, in der sich der Unternehmensteil befindet, gerecht werden zu können. Der Erwerber beabsichtigt im Regelfall, durch den Erwerb des Unternehmensteils einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, sei es durch eine Einbindung in das eigene Unternehmen oder durch Bildung eines neuen Unternehmens aus mehreren Unternehmensteilen. Der Erwerb eines Unternehmensteils kann eine günstige Möglichkeit filr den Erwerber darstellen, das eigene Unternehmen zu erweitern, indem etwa auf bereits bestehendes Know-How oder die Kunden- und Lieferbeziehungen des übernommenen Unternehmensteils zurückgegriffen werden kann, die dem Unternehmensteil zugeordnet sind. Weiterhin ist filr den Erwerber wichtig, welche Verbindlichkeiten dem Unternehmensteil zugeordnet sind und filr welche Verbindlichkeiten er einzustehen hat. Die Höhe der den Erwerber belastenden Verbindlichkeiten des ursprünglichen Unternehmensinhabers stellt einen Faktor dar, der die Höhe des Kaufpreises bestimmt, falls es sich um einen entgeltlichen Erwerb des Unternehmensteils handelt. Auch bei einem unentgeltlichen Erwerb muß der Erwerber die Höhe der Verbindlichkeiten in seine Entscheidung einbeziehen, ob er den Unternehmensteil übernimmt. In jedem Fall ist die Höhe der Verbindlichkeiten ein wirtschaftliches Risiko filr ihn. Die privatautonome Verhandlungsmöglichkeit des Erwerbers und sein Interesse an der unbeschränkten Möglichkeit, mit dem Unternehmensinhaber die Bedingungen des Erwerbs auszuhandeln, wird eingeschränkt durch eine gesetz-

125 126 127

Waskönig, S. 47. Waskönig, S. 48. Krejci ÖJZ 1975, 449, 458.

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l. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

Iiche Haftungsanordnung wie § 25 HGB, welche dem Erwerber unter bestimmten Bedingungen die Haftung fUr bereits bestehende Verbindlichkeiten des Inhabers auferlegt. Das gilt unabhängig davon, ob Gegenstand des Erwerbs ein Unternehmen oder ein Unternehmensteil ist. Der Erwerber hat die Folgen einer solchen gesetzlichen Haftungsanordnung, nach der er fUr bestimmte Verbindlichkeiten des ursprünglichen Unternehmensinhabers haftet, in seine Entscheidung mit einzubeziehen, ob und gegebenenfalls fUr welche Gegenleistung er ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil erwirbt. Kann der Erwerber die Haftung fUr Verbindlichkeiten des Unternehmens oder des Unternehmensteils nicht genau absehen, überwiegt das Risiko des Erwerbs möglicherweise den erwarteten Nutzen. In diesem Fall wird der Erwerber im Zweifel vom Erwerb des Unternehmens oder des Unternehmensteils Abstand nehmen. Das Ausmaß des den Erwerber treffenden Risikos richtet sich nach unterschiedlichen Faktoren. Ob er angesichts einer gesetzlichen Haftungsanordnung wie § 25 HGB einen Unternehmensteil erwirbt, ist abhängig von der Struktur und der Größe des übernommenen Unternehmensteils. Entscheidend ist jedoch das Verhältnis von Forderungen und Verbindlichkeiten sowie die Prognose, ob sich zukünftig mit den dem Unternehmensteil zugeordneten Mitteln und Geschäftsbeziehungen Umsätze in ausreichender Höhe erzielen lassen. Zusammenfassend ist das Interesse des Erwerbers eines Unternehmens mit dem Interesse des Erwerbers eines Unternehmensteils vergleichbar. In beiden Fällen hat der Erwerber ein Interesse daran, möglichst frei von zwingenden Haftungsnormen die Bedingungen des Erwerbs, sei er entgeltlich oder unentgeltlich, aushandeln zu können. Der Erwerber kann auch ein Interesse an der Übernahme der bestehenden Verbindlichkeiten haben, um die Geschäftsbeziehungen zu den Unternehmensgläubigern aufrechterhalten zu können. Eine gesetzliche Haftungsanordnung beschränkt diese Möglichkeit der privatautonomen Gestaltung der Bedingungen, unter denen das Unternehmen oder der Unternehmensteil auf den Erwerber übertragen wird.

c. Gläubiger des Erwerbers Die Gläubiger des Erwerbers sind vom Erwerb eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils ihres Schuldners ebenfalls betroffen. Ist das übernommene Unternehmen überschuldet oder erftlllen sich die wirtschaftlichen Erwartungen des Erwerbers nicht, besteht die Möglichkeit, daß der Erwerber selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Eine wirtschaftliche Belastung des Erwerbers ist etwa dann zu befUrchten, wenn die übernommenen Verbindlichkeiten des Unternehmens die übernommenen Vermögensgegenstände übersteigen.

§ 3 Vergleich der Interessenlage

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Das gleiche gilt, wenn infolge einer Haftungsanordnung wie § 25 HGB der Erwerber von zusätzlichen Gläubigem, d.h. den Gläubigem des Inhabers des übernommenen Unternehmens, in Anspruch genommen wird und die Inanspruchnahme die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erwerbers übersteigt. In diesem Fall besteht die Gefahr, daß die Gläubiger des Erwerbers die Forderungen gegen ihren eigenen Schuldner nicht mehr realisieren können. Ist ein unselbständiger Unternehmensteil Gegenstand des Erwerbs, hängt die Beurteilung, ob die Gläubiger des Erwerbers durch den Erwerb beeinträchtigt werden, von dem Verhältnis des erworbenen Unternehmensteils zum restlichen Unternehmen des Erwerbers ab. Bindet der Erwerber einen unselbständigen Unternehmensteil in sein Unternehmen ein, bei dem die Passiva die Aktiva überwiegen, und sieht er sich dann einer Haftung der Gläubiger des ursprünglichen Inhabers ausgesetzt, kann dies dazu fUhren, daß der Erwerber die Erfilllung der Verbindlichkeiten wirtschaftlich nicht bewältigt. Das Risiko der Gläubiger des Erwerbers beurteilt sich nach den gleichen Faktoren, die das Risiko des Erwerbers bei der Übernahme eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils bestimmen. Im Interesse der Gläubiger des Erwerbers liegt es daher, die Inanspruchnahme des Erwerbers, der ihr Schuldner ist, durch die Gläubiger des ursprünglichen Inhabers möglichst auszuschließen. Eine gesetzliche Haftungsanordnung wie § 25 HGB begrenzt dieses Interesse der Gläubiger des Erwerbers.

D. Gläubiger des ursprünglichen Inhabers Da § 25 HGB einhellig als Gläubigerschutzvorschrift 128 angesehen wird, stellt sich die wichtige Frage, welche Interessen die Gläubiger des ursprünglichen Inhabers bei der Veräußerung eines Unternehmens und eines Unternehmensteils haben und ob diese Interessen schützenswert sind. Es handelt sich bei den Gläubigem etwa um Lieferanten, Kunden, Banken oder Arbeitnehmer des ursprünglichen Inhabers.

I. Interessenlage

Ausgangspunkt ist der Vergleich der Interessenlage der Gläubiger, die von der Übertragung des gesamten Unternehmens betroffen sind, mit der Interes-

128 RGZ 154,334,339; 169, 133, 137; BGHZ 31,321,328; 32, 62, 67; Lieb, Festschrift Börner, 747, 749; Hueck ZHR 108 (1941), 1,7.

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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senlage der Gläubiger, die sich "nur" der Übertragung eines Unternehmensteils gegenübersehen. Die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers sind von der Veräußerung eines Unternehmens besonders in wirtschaftlicher, nicht in rechtlicher Hinsicht betroffen. Die Person ihres Schuldners ändert sich zwar nicht; es handelt sich vor und nach der Veräußerung des Unternehmens um den ursprünglichen Unternehmensinhaber, der seinen Gläubigern verpflichtet bleibt. Jedoch steht das Unternehmen dem ursprünglichen Inhaber nicht mehr zur VerfUgung. Das bedeutet zunächst, daß der Tätigkeitsbereich nicht mehr vorhanden ist, mit dessen Organisation der Unternehmensinhaber Einnahmen erwirtschaften konnte. Die Ertragskraft des Unternehmens bildete fIlr die Gläubiger die Gewähr, die eigenen Forderungen realisieren zu können. Solange die Ertragskraft eines Unternehmens vorhanden ist, wird die Haftungsmasse ständig erneuert. Die Zwangsvollstreckung bietet dann das endgültige Mittel, die Forderungen zu realisieren. Hinzu kommt, daß regelmäßig ein Teil der Aktiva, welche dem Unternehmen zugeordnet werden, im Zuge der Unternehmensveräußerung auf den Erwerber übergehen, wenn nicht sogar alle Aktiva auf den Erwerber übertragen werden. Dadurch verringert sich die Haftungsmasse, die den Gläubigern zur Durchsetzung ihrer Forderungen gegen den Unternehmensinhaber zur VerfUgung steht. Insoweit haben die Gläubiger ein Interesse an der Erhaltung der Haftungsmasse ihres Schuldners, des ursprünglichen Unternehmensinhabers. Wichtig fUr die Gläubiger ist der Rückgriff auf Substanz und Ertrag 129 • Durch den Verlust der Aktiva und der Ertragskraft infolge der Übertragung des Unternehmens bestehtfUr die Gläubiger insgesamt die Gefahr, daß das Unternehmen und die zukünftige Möglichkeit der Gewinnerzielung dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden. Hieraus drohen Verluste fUr die Gläubiger. Sie haben daher bei der Übertragung eines Unternehmens ein großes Interesse daran, diese möglichen Verluste zu vermindern oder sogar zu verhindern. Bestehende Forderungen sollen in ihrem Bestand und in ihrer Durchsetzbarkeit nach Möglichkeit erhalten werden. Es ließe sich einwenden, bei einem entgeltlichen Erwerb eines Unternehmens seien die Gläubiger nicht benachteiligt, weil dem Vermögen des Unternehmensinhabers ein Gegenwert in Form des Kaufpreises zufließe. Dieser Einwand ist jedoch nicht stichhaltig. Ein Geldzuwachs bietet den Gläubigern nicht die gleiche Sicherheit wie das Unternehmen. Geld ist "flüchtiger" als eine organisierte Funktionseinheit wie das Unternehmen. Weiterhin berücksichtigt der Einwand der Entgeltlichkeit nicht, daß der Kredit, der einem Schuldner entgegengebracht wird, auf seiner Ertragskraft beruht. Die Ertragskraft wird durch die Veräußerung eines Unternehmens aber gerade aufgegeben. Weiterhin erfaßt

129

Lieb, Festschrift Börner, 747, 750.

§ 3 Vergleich der Interessenlage

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der vorbezeichnete Einwand nicht die Fälle, in denen der Kaufpreis niedriger als der Wert des veräußerten Unternehmens ist oder eine unentgeltliche Übertragung erfolgt. Daher spielt es tUr die Interessenlage der Gläubiger keine entscheidende Rolle, ob der Erwerber als Gegenleistung einen Kaufpreis an den ursprünglichen Inhaber gezahlt hat oder nicht. In der Erhaltung der Haftungsmasse und der Ertragskraft des Unternehmens erschöpft sich das Interesse der Gläubiger nicht. Hinzu kommt das Interesse, die laufende Geschäftsverbindung fortzusetzen. Die Gläubiger müssen die Möglichkeit haben, sich an den Erwerber zu halten, der ihre Forderungen aus dem Geschäft erfUllen kann, während der Veräußerer dazu möglicherweise nicht mehr in der Lage ist 130. Schon auf dem 15. Deutschen Juristentag wurde aufgezeigt, daß eine Erwerberhaftung ftlr die bestehenden Verbindlichkeiten und ein Forderungsübergang sowohl den Interessen von Geschäftserwerber und Geschäftsveräußerer als auch den Interessen von Gläubigern und Schuldnern entsprechen kann 13l. Allen Beteiligten sei es bei der FortfUhrung des Handelsgeschäfts dienlich, wenn der Erwerber in die bestehenden Bezugsquellen und Absatzmöglichkeiten eintreten könne und diese ihm voll erhalten blieben. Würde hingegen der Geschäftsveräußerer selbst seine Verträge voll abwickeln, müßte der Erwerber das Geschäft im wesentlichen neu organisieren. So aber können die Schuldner an den Übernehmer mit befreiender Wirkung zahlen und die Gläubiger von diesem Zahlung verlangen, ohne daß sie eine gesonderte Abrechnung mit dem Veräußerer vornehmen müßten. Insgesamt ist die Interessenlage der Gläubiger durch zwei Gesichtspunkte bestimmt. Zum einen sollen Beeinträchtigungen der bestehenden Forderungen vermieden werden. Diese Verluste können auf einer Verminderung der Haftungsmasse durch die Übertragung von Vermögensgegenständen auf den Erwerber, auf der Minderung der Ertragskraft des ursprünglichen Schuldners und auf einer Störung der Geschäftsbeziehung beruhen. Zum anderen sollte das weitere Interesse der Gläubiger, die bestehenden Geschäftsbeziehungen zu dem jeweiligen Unternehmensinhaber fortsetzen zu können, nicht aus dem Auge verloren werden. Das gilt sowohl ftlr die Bezugs- wie auch die Absatzbeziehungen. Überträgt der Unternehmensinhaber nicht sein gesamtes Unternehmen, sondern nur einen Unternehmensteil auf einen Erwerber, dann sind die vorbezeichneten Interessen der Gläubiger in vergleichbarer Weise betroffen. Wird ein Unternehmensteil übertragen, fehlen dem Unternehmen eine Teilorganisation und die dazu gehörenden Vermögenswerte. Das bedeutet in wirtschaftlicher Hinsicht tUr die Gläubiger eine ähnliche Gefahr wie bei der Übertragung des

130 131

Heinsen, S. 138. Heinsen, S. 133 f, 137 f.

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I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

gesamten Unternehmens. Durch die Veräußerung der Teilorganisation geht ein Tätigkeitsbereich des Unternehmens verloren. Hierdurch besteht die Gefahr, daß die Ertragskraft des Unternehmens eingeschränkt wird. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Möglichkeit der Realisierung bestehender Forderungen der Gläubiger aus. Diese Situation wird verschärft, wenn dem ursprünglichen Inhaber durch die Übertragung von Aktiva ein Teil der bestehenden Haftungsmasse entzogen wird. Handelt es sich um Verbindlichkeiten, die in dem übertragenen Unternehmensteil begründet sind, etwa die Miete rur Geschäftsräume, dann ist auch die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung geflihrdet, die im Interesse der Gläubiger liegt. Die Gläubiger eines Inhabers, der einen Teil seines Unternehmens veräußert, trifft der "Verlust" eines Teils des Unternehmens möglicherweise weniger schwer als die Veräußerung des gesamten Unternehmens. In welchem Maße die Gläubiger von der Veräußerung eines Teils des Unternehmens betroffen sind, richtet sich nach der Größe und der Bedeutung des veräußerten Unternehmensteils. Wird etwa ein Unternehmensteil veräußert, dem ein spezielles KnowHow zugewiesen ist, kann dies ftlr das restliche Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Einbußen zur Folge haben. Dieses wiederum fUhrt dazu, daß der ursprüngliche Unternehmensinhaber die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern nicht mehr bedienen kann. Zusammenfassend haben die Gläubiger des Unternehmensinhabers ein Interesse daran, so behandelt zu werden, als unterliege das veräußerte Unternehmen oder der veräußerte Unternehmensteil weiter ihrem Zugriff und lasse eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zu. In diesem Fall ist die Durchsetzbarkeit der bestehenden Forderungen durch die Übertragung des Unternehmens oder des Unternehmensteils nicht geflihrdet. Dieses Interesse steht dem Interesse der Veräußerungsparteien nach einer möglichst privatautonomen und unbeschränkten Möglichkeit, die Übertragung des Unternehmens oder des Unternehmensteils zu regeln, entgegen. Hinsichtlich der Erhaltung der Haftungsmasse ist die Interessenlage der Gläubiger des Unternehmensinhabers geradezu gegensätzlich gegenüber dem Interesse der Veräußerungsparteien. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß die Interessen der Gläubiger hinsichtlich der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit der Interessenlage des Inhabers und des Erwerbers übereinstimmen. 11. Schutzbedürftigkeit der Gläubiger

Trotz der unmittelbaren wirtschaftlichen Betroffenheit der Gläubiger eines Unternehmensinhabers von der Übertragung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils stellt sich die Frage, ob die Gläubiger bei der Übertragung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils schutzbedürftig sind.

§ 3 Vergleich der Interessenlage

59

Zu bedenken ist, ob eine Haftung des Erwerbers und das Vorliegen eines solventen Schuldners nicht ein "blankes Zufallsgeschenk" rur die Gläubiger ist, rur das schlechterdings kein schützenswertes Interesse der Gläubiger vorliegen. Dies ist um so gravierender als eine Untersuchung der Rechtsprechung den Verdacht erhärtet, daß § 25 HGB den Gläubigern dazu dient, eine Bonitätsschwäche ihres Schuldners auszugleichen 133. Allein die Tatsache, daß der Schuldner einen Teil der Haftungsmasse auf einen Dritten überträgt, welche den Gläubigern nicht mehr zu Verfllgung steht, kann rur die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger nicht ausschlaggebend sein. Kein Gläubiger hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, daß ihm das Vermögen seines Schuldners als Haftungsgrundlage erhalten bleibt l34 • Er ist daher vor solchen Handlungen seines Schuldners nicht geschützt. Erst wenn der Schuldner im wesentlichen sein gesamtes Vermögen überträgt, kommt eine Haftung nach § 419 BGB in Betracht. Sollte der Schuldner sein Vermögen verschenken oder Rechtsgeschäfte vornehmen in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, kann der Gläubiger erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, im Rahmen der Zwangsvollstreckung, nach dem Gläubigeranfechtungsgesetz die Rechtshandlung anfechten. Erst dann hat er Zugriff auf den veräußerten oder verschenkten Vermögensbestandteil. Diese Wertungen der Rechtsordnung sind zu berücksichtigen. Die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger ist trotz der vorbezeichneten Wertungen der Rechtsordnung aus einem anderen Grund gegeben. Ein Unternehmen ist rur die Kreditwürdigkeit seines Inhabers von Bedeutung. Diese Eigenschaft des Unternehmens berücksichtigen die Gläubiger bei ihrer Entscheidung, mit dem Unternehmensinhaber zu kontrahieren. Im Gegensatz zum Vermögen oder anderen Rechtsgesamtheiten kommt dem handelsrechtlichen Unternehmen im Handelsverkehr eine besondere Bedeutung zu, die bei der Frage der Schutzbedürftigkeit der Gläubiger Berücksichtigung finden muß. Das Unternehmen ist das Zuordnungsobjekt der Verbindlichkeiten und Forderungen. Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens gewährleistet, daß die bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten von dem jeweiligen Inhaber errullt werden können. Dieses Interesse der Gläubiger, bei der Weiterfllhrung dieses Zuordnungsobjektes den jeweiligen Inhaber in Anspruch nehmen zu können, ist schützenswert. Die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Handelsverkehrs würden leiden, wenn die Gläubiger bei der Veräußerung eines Unternehmens stets klären müßten, ob ihr bisheriger Schuldner weiter in der Lage ist, die Verbindlichkeiten zu errullen, obwohl ihm das Unternehmen nicht mehr zur Verfllgung steht, und sie möglicherweise mit dem Erwerber eine neue Geschäftsbeziehung aufbauen müßten. \32 \33

134

Canaris, Festschrift Frotz, S. 11, 13; Scheerer DB 1996, 2321, 2323. Canaris, Festschrift Frotz, S. 11, 15 ff. Hecke/mann, Festschrift Bartholomeyczik, S. 129, 135.

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I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

Dem Interesse der Gläubiger entspricht es daher, die Rechtsbeziehungen mit dem Erwerber fortzusetzen 13S • Den Gläubigem kommt es auf Klarheit und Sicherheit an; sie wollen sich darauf verlassen, daß ihnen auch der Erwerber als Schuldner zur Verfilgung steht, so daß sich ein überhastetes Vorgehen gegen den Veräußerer erübrigt136. Die Gläubiger sollen vor der Unklarheit in der Haftungsfrage geschützt werden 137. Entledigt sich der Unternehmensinhaber nunmehr seiner wirtschaftlichen Grundlage, ohne daß die Gläubiger hierauf Einfluß nehmen können, dann benachteiligt sie diese Vorgehensweise unangemessen. Dies ist gerade fUr Unternehmens verbindlichkeiten wichtig, weil ihre Erfilllung häufig erst aus dem zukünftigen Unternehmensertrag erfolgen kano l38 . Das gleiche gilt, wenn nicht das gesamte Unternehmen übertragen wird, sondern nur ein Unternehmensteil. Auch der Unternehmensteil faßt die ihm zuordnenbaren Verbindlichkeiten und Forderungen zusammen. Ihm kommt ebenfalls eine bestimmte Ertragskraft fUr die von ihm wahrzunehmenden Aufgaben zu. Wie beim Unternehmen gibt es Verbindlichkeiten, die nur durch die Organisation desjenigen bestimmten Unternehmensteils erfilllt werden können, welcher die betreffende Funktion erftlllt. Als Beispiel kommt die Herstellung oder die Lieferung eines bestimmten Produkts in Betracht. Auch bei der Übertragung eines Unternehmensteils würde die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Handelsverkehrs leiden, wenn die Gläubiger nicht den jeweiligen Inhaber des Unternehmens in Anspruch nehmen könnten. Insgesamt haben die Gläubiger ein schützenswertes Interesse daran, den jeweiligen Inhaber eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils wegen der hierauf bezogenen Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen zu können. Die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger besteht nicht allein wegen der Reduzierung der Haftungsmasse, sondern aufgrund der Bedeutung, die das Unternehmen und der Unternehmensteil im Handelsverkehr als Zuordnungsobjekt haben. Die Gläubiger haben an sich nur das Recht, von dem bisherigen Inhaber des Geschäfts die geschuldete Leistung zu fordern. Dieses Recht geht ihnen durch die Übertragung des Unternehmens oder des Unternehmensteils nicht verloren. Für die Gläubiger sollen aber keine Unsicherheiten entstehen, daß ihre Verbindlichkeiten durch den jeweiligen Unternehmensinhaber erfilllt werden, der die Grundlage fUr die Erfilllung der Verbindlichkeiten erworben hat. Es geht nicht darum, den Gläubiger besser zu stellen und ihm einen zweiten Schuldner zu geben. Vielmehr sollen die Schwierigkeiten und Unklarheiten gemindert werden,

13S 136 137

\38

Lieb, Festschrift Börner, Lieb, Festschrift Börner, Hueck ZHR 108 (1941), Lieb, Festschrift Börner,

747, 751. 747, 751; Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 27. 1,8 f. 747, 750; Canaris § 811 I.

§ 3 Vergleich der Interessenlage

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die durch die Veräußerung des Unternehmens oder des Unternehmensteils entstehen. Ein optimaler Schutz bestünde darin, die Gläubiger wirtschaftlich so zu stellen, als sei die Veräußerung bzw. die Teilung des Unternehmens nicht erfolgt. Könnten sie stets den Inhaber des Unternehmens oder des Unternehmensteils zur Erfilllung der bestehenden Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen, wäre dies der Fall. Dieser weitgehende Schutz würde jedoch die Privatautonomie und die Möglichkeit der Vertragsgestaltung zwischen Erwerber und Veräußerer stark einschränken. E. Interessenausgleich Es stellt sich nunmehr die Frage, auf welche Weise die vorbezeichneten Interessen zwischen den von der Veräußerung eines Unternehmens Betroffenen bei der Übertragung von Unternehmen durch § 25 HGB ausgeglichen werden und ob dies ein gangbarer Weg filr den Interessenausgleich bei der Übertragung von Unternehmensteilen ist. I. Übertragung eines Unternehmens durch § 25 HGB

Bei der Übertragung des gesamten Unternehmens dient § 25 HGB dem Interessenausgleich der Betroffenen. Der Erwerber haftet den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers unter bestimmten Voraussetzungen gesamtschuldnerisch fiir die im Betrieb des Unternehmens begründeten Verbindlichkeiten. Dadurch wird dem vorbezeichneten Interesse der Gläubiger Rechnung getragen, weiterhin auf das Unternehmen Zugriff nehmen zu können. Hierin liegt eine Einschränkung der Privatautonomie des Erwerbers und des ursprünglichen Unternehmensinhabers. Diese gesetzlich angeordnete Einschränkung der Privatautonomie ist jedoch nicht zwingend ausgestaltet. Mehrere Elemente handelsrechtlicher Publizität, wie etwa die fehlende Firmenfortfilhrung und die Eintragung in das Handelsregister, eröffnen dem Erwerber die Möglichkeit, die Haftung gegenüber den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers auszuschließen. Hierdurch werden die Interessen des Erwerbers und des Inhabers gewahrt, die internen Vereinbarungen und die Zuweisung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigem zur Geltung bringen zu können. Den Gläubigem wird mit Mitteln der handelsrechtlichen Publizität die interne Entscheidung der Veräußerungsparteien verdeutlicht, daß der Erwerber filr die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten nicht in Anspruch genommen werden kann.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

Die Leichtigkeit des Handelsverkehrs wird durch diese Vorgehensweise nicht mehr als notwendig beeinträchtigt.

§ 25 HGB ist ein Versuch, die bei der Veräußerung eines Handelsgeschäfts bestehenden Rechtsunsicherheiten zu lösen, indem dem Gläubiger ein eigener Anspruch gegen den Erwerber gegeben wird, ohne an den Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Es zeigt sich ein allgemeines Prinzip der Gesetzgebungstechnik. Um eine Ordnung unklarer Rechtsverhältnisse herbeizufiihren, stellt der Gesetzgeber eine möglichst interessengerechte Regelbestimmung auf, die aber durch andere Vereinbarungen modifiziert oder ausgeschlossen werden kann l39 • Die Folge ist der Schutz der Gläubiger in bestimmten Fallkonstellationen. Betrachtet man diese Lösung des Interessenkonflikts durch § 25 HGB fiir die Veräußerung von handelsrechtlichen Unternehmen als änderungsbedürftig, um den Schutz der Gläubiger zu verstärken, ist dies nur durch eine Gesetzesänderung möglich. Sie ist insbesondere wegen der Wertungen des Umwandlungsgesetzes, das den Gläubigerschutz bei Spaltungen umfassend ausgestaltet, und der Insolvenzordnung erforderlich. Die Notwendigkeit, § 25 HGB de lege ferenda zu ändern, ist aber nicht Gegenstand dieser Arbeit und bleibt einem Ausblick vorbehalten 14o •

11. Übertragung eines Unternehmensteils

Die Interessenlage der Beteiligten beim Erwerb eines Unternehmensteils ist mit der Interessenlage beim Erwerb eines Unternehmens vergleichbar. In beiden Fällen sind der Inhaber des Unternehmens oder des Unternehmensteils und der Erwerber an einer möglichst frei zu treffenden Vereinbarung hinsichtlich der Modalitäten der Veräußerung interessiert. Das gilt besonders hinsichtlich der Übernahme bestehender Verbindlichkeiten und der Übertragung von Vermögensgegenständen. Das schließt nicht aus, daß der Erwerber sich entscheidet, die bestehenden Geschäftsbeziehungen fortzusetzen und die untemehmensbezogenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Eine gesetzliche Anordnung, daß der Erwerber fiir bestehende Verbindlichkeiten oder einen Teil hiervon von den Gläubigern in Anspruch genommen werden kann, erschwert den Erwerb und gegebenenfalls die Sanierungsmöglichkeiten fiir den ursprünglichen Unternehmensinhaber. Auf der anderen Seite besteht ein schützenswertes Interesse der Gläubiger des ursprünglichen Inhabers daran, den Erwerber als neuen Inhaber des Unter-

139 140

Hecke/mann, Festschrift Bartholomeyczik, S. 129, 143. Siehe unten, 4. Teil § 3.

§ 3 Vergleich der Interessenlage

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nehmens oder des Unternehmensteils weiterhin filr die bestehenden Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen zu können. Bei der Veräußerung eines Unternehmens bietet § 25 HGB einen Ausgleich der jeweiligen Interessen; bei der Übertragung einer Zweigniederlassung als selbständigem Unternehmensteil ist die Anwendung des § 25 HGB anerkannt. Die Interessenlage des geregelten Falls der Unternehmensveräußerung ist mit dem ungeregelten Fall der Veräußerung eines unselbständigen Unternehmensteils vergleichbar. Bei der Übertragung eines Unternehmensteils müssen die Interessen der Betroffenen, insbesondere des Inhabers und des Erwerbers sowie der Gläubiger des Inhabers, ebenfalls zum Ausgleich gebracht werden. Der Übergang des Unternehmensteils und die Folgen filr die Gläubiger kann durch die Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung des Erwerbers mit dem ursprünglichen Inhaber ausgeglichen werden. Die Gläubiger werden dann wirtschaftlich so behandelt, als habe die Veräußerung des Unternehmensteils nicht stattgefunden. Um die Interessen des Erwerbers und des Veräußerers zu berücksichtigen, darf es sich bei der gesamtschuldnerischen Haftung nicht um eine zwingende Haftung handeln. Sie muß dem Erwerber die Möglichkeit bieten, die Haftung filr bestehende Verbindlichkeiten des ursprünglichen Schuldners auszuschließen. Hierfilr können die in § 25 HGB vorgesehenen handelsrechtlichen Publizitätskriterien Anknüpfungspunkte sein. Das schützenswerte Interesse der Gläubiger des ursprünglichen Inhabers, den Erwerber fiir die unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen zu können, besteht unabhängig vom Wert des Unternehmensteils. Wie bei der Interessenlage bereits ausgefilhrt, war filr die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger das entscheidende Argument, daß ein unselbständiger Unternehmensteil wie das Unternehmen Zuordnungsobjekt filr Rechte und Verbindlichkeiten ist. Der Geschäftsbetrieb gewährleistet, die jeweiligen Forderungen erfiiHen zu können. Bei der Beurteilung dieser Frage spielt der Wert des Unternehmensteils keine Rolle. Gerade die Entziehung der Haftungsmasse, welche den Wert eines Unternehmensteils berücksichtigte, war fiir die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger nicht von tragender Bedeutung 141 • Auf die Wertrelation des übertragenen Unternehmensteils zum Wert des Gesamtunternehmens oder des beim Unternehmensinhaber verbleibenden Unternehmens kommt es filr die Beurteilung der Erwerberhaftung nach § 25 HGB nicht an. Daher ist unter dem Gesichtspunkt der vergleichbaren Sachlage eine analoge Anwendung des § 25 HGB bei der Übertragung unselbständiger Unternehmensteile möglich.

\4\

6 Theißen

Siehe oben I. Teil § 3 D.

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB setzt voraus, daß ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Finna fortgeftlhrt wird. Eine analoge Anwendung des § 25 HGB auf den Erwerb unselbständiger Unternehmensteile ist daher nur möglich, wenn die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 25 HGB auf diesen ungeregelten Fall übertragbar sind, ohne gegen den Sinn und Zweck der Norm zu verstoßen. A. Fortführung des unter Lebenden erworbenen Unternehmensteils Bei einer analogen Anwendung des § 25 HGB ist das Merkmal der Fortfilhrung des Unternehmens zu modifizieren. Ein unter Lebenden erworbener unselbständiger Unternehmensteil muß vom Erwerber fortgeftlhrt werden. Es könnte der grundsätzliche Einwand bestehen, § 25 HGB finde nur auf Handelsgeschäfte bzw. Unternehmen im Ganzen Anwendung l42 , so daß eine analoge Anwendung auf Unternehmensteile an sich ausgeschlossen wäre. Die Anwendbarkeit der §§ 22 und 25 HGB auf Unternehmen als Ganzes erklärt sich daraus, daß die Finna nach § 23 HGB nicht ohne das Handelsgeschäft veräußert werden kann. Hieraus wird allgemein gefolgert, eine übertragene Finna dürfe von dem Erwerber nur so lange gebraucht werden, wie das erworbene Geschäft auch tatsächlich betrieben wird l43 • Das bedeutet im Umkehrschluß jedoch nicht, daß ein Handelsgeschäft immer nur dann veräußert werden kann, wenn eine Übertragung der Finna möglich ist l44 • Die Bedeutung der Finnenfortfilhrung filr die Begründung der Haftung ist eine eigenständige Frage, die von der Möglichkeit der Fortfilhrung eines Unternehmensteils zu unterscheiden ist. Der vorbezeichnete Einwand steht der Untersuchung der analogen Anwendbarkeit nicht entgegen.

I. Erwerb des unselbständigen Unternehmensteils

Für den Erwerb des unselbständigen Unternehmensteils gelten die gleichen Grundsätze wie filr den Erwerb eines Unternehmens. Es genügt jedes Rechtsgeschäft, das den vollständigen Inhaberwechsel bewirkt und zur Übertragung oder

142 143 144

Heymann/Emmerich § 22 Rn 5, § 25 Rn 16. Bokelmann GmbHRdsch 1978, 265. So schon ROHG 2, 46, 52.

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

65

Überlassung des Erwerbsgegenstandes filhrt14S. Ein unselbständiger Unternehmensteil kann ebenso wie ein Unternehmen verkauft, verschenkt oder verpachtet werden. Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich des § 25 HGB ist in beiden Fällen der Erwerb vom Konkursverwalter l46 . Wegen der Unselbständigkeit des Unternehmensteils ist im Gegensatz zur Veräußerung eines Unternehmens oder einer Zweigniederlassung besonderes Augenmerk auf den Erwerbsgegenstand zu richten. Es muß deutlich werden, ob nur eine Ansammlung einzelner Vermögensgegenstände oder eine abgrenzbare und organisierte Teileinheit des Unternehmens auf den Erwerber übergegangen ist. Dies ist eine Entscheidung des Einzelfalls l4 '.

11. Fortfilhrung des unselbständigen Unternehmensteils

Schwieriger ist die Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen der übertragene unselbständige Unternehmensteil vom Erwerber fortgeftlhrt worden ist. J. Allgemeines

Der Erwerb allein genügt für die Anwendbarkeit des § 25 HGB nicht. Vielmehr muß der Erwerber den Erwerbsgegenstand auch fortfilhren. Zweifel, ob die Fortftlhrung eines unselbständigen Unternehmensteils überhaupt möglich ist, könnten unter dem Gesichtspunkt bestehen, ob der erworbene Gegenstand beim Erwerb Selbständigkeit aufweisen und selbständig weitergefUhrt werden muß. Der unselbständige Unternehmensteil ist notwendigerweise in ein Unternehmen eingegliedert und tritt nach außen nicht selbständig hervor. Das hindert aber nicht die Fortftlhrung des Unternehmensteils. Es ist ausreichend, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs eine betriebsfähige Wirtschaftseinheit vorliegtl48. Für die Fortftlhrung kommt es nicht darauf an, ob diese Wirtschaftseinheit nach dem Erwerb eigenständig wird 149. Überträgt man dies auf den unselbständigen Unternehmensteil, der eine betriebsfähige Wirtschaftseinheit ist, so hindert die fehlende Selbständigkeit eine Fortfilhrung des Unternehmensteils nicht. 145 BGH MDR 1984, 646; Großkomrn.HGBlHüffer § 25 Rn 38; HolzapjellPöllath Rn 561; Wessei BB 1989, 1625; BaumbachiHopt § 25 Rn 4; HeymanniEmmerich § 25 Rn 11 ff; K. Schmidt JuS 1997, 1069, 1070. 146 BaumbachiHopt § 25 Rn 4. 141 Vgl. Ausfilhrungen zum Unternehmensteil, I. Teil § I B., C. 148 MünchKomrn.HGB/Lieb § 25 Rn 60. 149 MünchKomrn.HGB/Lieb § 25 Rn 60.

6'

66

l. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

Es ist daher zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen von einer Fortfilhrung des unselbständigen Unternehmensteils ausgegangen werden kann. Ausgangspunkt sind die Kriterien filr die Fortfilhrung eines Unternehmens und die Übertragbarkeit dieser Kriterien auf die Fortfilhrung eines unselbständigen Unternehmensteils. Für die Fortfilhrung des Unternehmens genügt die Fortfilhrung des wesentlichen Kerns l50 . Es kommt auf die Kontinuität des erworbenen Unternehmens an \SI. Die Rechtsprechung differenziert danach, ob der nach außen filr den Rechtsverkehr in Erscheinung tretende Tatbestand sich als Weiterfllhrung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt lS2 • Das Unternehmen muß hierbei als betriebsflihige Wirtschaftseinheit erhalten bleiben \S3. In einem solchen Fall bleibt die Identität des Unternehmens gewahrt. Folgerichtig stellt die Rechtsprechung beim Erwerb von Zweigniederlassungen darauf ab, ob der erworbene Unternehmensteil wie ein selbständiges Handelsgewerbe gefilhrt worden war 154 • Vor diesem Hintergrund ist der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen davon gesprochen werden kann, der unselbständige Unternehmensteil sei vom Erwerber fortgefilhrt worden. Hierbei sind die unterschiedenen Arten unselbständiger Unternehmensteile, d.h. die Abteilungen und die Sparten sowie die unselbständige Zweigniederlassung, zu untersuchen. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei einem unselbständigen Unternehmensteil um eine abgrenzbare organisierte Teileinheit eines Unternehmens, dem bestimmte Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zugeordnet sind. Mit Hilfe dieser Teileinheit ist es möglich, eine bestimmte Funktion, die dem Gesamtunternehmen im weitesten Sinne dient, wahrzunehmen. Ein solcher Unternehmensteil kann eine rechtlich unselbständige aber wirtschaftlich selbständige Sparte des Unternehmens oder aber eine Abteilung des Unternehmens sein, der eine bestimmte Aufgabe im Funktionszusammenhang des Gesamtunternehmens zukommt, oder eine unselbständige Zweigniederlassung ISS.

150 BGHZ 18,248,250; BGH NJW 1982, 1647, 1648; NJW 1992,911; OLG Bremen ZIP 1988, 1396; Baumbach/Hopt § 25 Rn 6. 151 BGH NJW 1992,911; Baumbach/Hopt § 25 Rn 6. 152 BGHZ 18,248,250; BGH NJW 1982, 1647, 1648; BGH NJW 1992,911; OLG Bremen ZIP 1988, 1396. 153 MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 38. 154 BGH NJW 1972, 1859; WM 1979,576. 155 Siehe oben l. Teil § I C. I. 4.

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

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2. Voraussetzungen der Fortführung des Unternehmensteils

Die These, es sei möglich, einen unselbständigen Unternehmensteil fortzuführen, wird nachfolgend begründet. Voraussetzung ftlr die Fortfilhrung ist in Übertragung der Rechtsprechung, daß der unselbständige Unternehmensteil im wesentlichen Kern identisch bleibt. Einfach zu beurteilen ist der Fall, wenn der Erwerber den unselbständigen Unternehmensteil in ein anderes Unternehmen einbindet, ohne die Struktur und Funktion des erworbenen Teils wesentlich zu ändern. Übernimmt der Erwerber die dem Unternehmensteil zugeordneten Vermögensgegenstände und die dazu gehörende Organisation der Teileinheit, dann wird der unselbständige Unternehmensteil identisch fortgeführt. Die Kontinuität des Unternehmensteils ist gewahrt. Das gilt sowohl filr die Übernahme einer wirtschaftlich selbständigen Sparte als auch filr Abteilungen und unselbständige Zweigniederlassungen. Problematischer ist die Bestimmung, ob der unselbständige Unternehmensteil vom Erwerber fortgeführt wird, bei zwei Fallgestaltungen. Bei der ersten Fallgestaltung läßt der Erwerber den Tätigkeitsbereich des unselbständigen Unternehmensteils zwar bestehen, er benutzt jedoch einen Teil der zu dem unselbständigen Unternehmensteil gehörenden Vermögensgegenstände nicht weiter. Im umgekehrten Fall behält der Erwerber die übernommenen Vermögensbestandteile zwar im wesentlichen bei, den Tätigkeitsbereich des unselbständigen Unternehmensteils ändert er jedoch wesentlich. Ruft man sich die Rechtsprechung zur Fortfilhrung eines Unternehmens in Erinnerung, dann war der Übergang aller dem Unternehmen gewidmeten Werte ftlr die Unternehmensfortfilhrung nicht erforderlich. Vielmehr mußte der Schluß gerechtfertigt sein, daß die Geschäftstradition vom Erwerber fortgeführt wird lS6 • Überträgt man dies auf unselbständige Unternehmensteile, dann ist entscheidend, ob sich der Charakter des Unternehmensteils beim Betrieb durch den Erwerber wesentlich verändert hat oder nicht. Bei Berücksichtigung der Anforderungen, welche die Rechtsprechung bei der Fortfilhrung eines Unternehmens stellt, kommt es bei der Fortfilhrung eines Unternehmensteils darauf an, daß der Kern des unselbständigen Unternehmensteils übertragen und fortgeführt wird. Eine völlige Identität des Unternehmensteils vor und nach der Übertragung ist damit nicht zu fordern. Für die Fortfilhrung des Kerns des unselbständigen Unternehmensteils ist entscheidend, ob nach der Einbindung des "Erworbenen" eine Organisationseinheit vorhanden ist, mit Hilfe derer eine Aufgaben des Gesamtunternehmens ausgeführt werden kann, die im wesentlichen mit der ursprünglichen Funktion des Unternehmensteils vergleichbar ist. Dies gilt sowohl ftlr die wirtl56

OLG DüsseldorfNJW-RR 1993,45.

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I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

schaftlich selbständige Sparte als auch ft1r eine Abteilung und ft1r eine unselbständige Zweigniederlassung. Werden einzelne Wirtschaftsgüter nicht übernommen oder aus der übernommenen Organisationseinheit ausgenommen, ohne die die Organisationseinheit nicht aufrechterhalten werden kann, dann wird der unselbständige Unternehmensteil nicht fortgeftlhrt. Falls andererseits mit den übernommenen Vermögensgegenständen eine völlig andere Organisation aufgebaut wird und eine völlig andere Funktion dem Unternehmensteil zugeordnet wird, kann ebenfalls nicht von einer Fortfilhrung des unselbständigen Unternehmensteils gesprochen werden. Es kommt also im Ergebnis darauf an, ob der besondere Geschäftsorganismus des unselbständigen Unternehmensteils in seiner Eigenart erhalten geblieben und die ursprüngliche Funktion im wesentlichen beibehalten worden ist. 3. Kriterien zum wesentlichen Kern des Unternehmensteils

Kriterien, welche den wesentlichen Kern eines unselbständigen Unternehmensteils und sein Gepräge ausmachen, sind in Rechtsprechung und Schrifttum bislang nicht erörtert worden. Die Entwicklung solcher Kriterien lehnt sich daher an die Rechtsprechung und Literatur zum wesentlichen Kern eines Unternehmens an. Als wesentliches Kriterium kommt die Übernahme und Weiterverwendung der Vermögensbestandteile des unselbständigen Unternehmensteils in Betracht. Gerade die sächlichen Vermögensbestandteile sind es, die einer Vielzahl von Unternehmen das typische Gepräge geben, auf das es ankommt. Aus diesem Grund ist die Fortftlhrung eines Unternehmensteils ohne die Übertragung der wesentlichen sächlichen Unternehmensbestandteile nur schwer vorstellbar. Während bei Produktionsunternehmen die sächlichen Betriebsmittel eine große, wenn auch nicht die entscheidende Rolle spielen, haben diese bei Dienstleistungsunternehmen eine untergeordnete Bedeutung. Einzelne Bestandteile können eine prägende Bedeutung haben, müssen es aber nicht. Bei standortgebundenen Unternehmen, wie etwa einem Steinbruch, kann das zugehörige Grundstück allein ein prägender Vermögensgegenstand sein. Werden einzelne Bestandteile nicht übertragen, hat dies möglicherweise überhaupt keine Aussagekraft. Je mehr Bestandteile eines Unternehmensteils jedoch übertragen werden, desto mehr indizielle Bedeutung ft1r die Fortftlhrung des Unternehmensteils kommt ihnen zu. Kann der Erwerber hinsichtlich einzelner nicht übernommener Unternehmensbestandteile selbst Abhilfe schaffen, so kommt diesen Bestandteilen nur geringe Indizwirkung ft1r die Fortftlhrung des Unternehmensteils zu.

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

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Dennoch läßt sich allein aus der Übertragung und Fortftlhrung der sächlichen Vennögensbestandteile die Fortftlhrung des Unternehmensteils nicht herleiten. Um die Fortfilhrung des Unternehmensteils von der irrelevanten Übertragung einer bloßen Ansammlung von Vennögensgegenständen zu unterscheiden, muß der Funktionszusammenhang und die Organisation des Unternehmensteils gewahrt sein\S7. Gerade die besondere Verknüpfung der einzelnen Bestandteile zur Erreichung eines bestimmten Teilzwecks zeichnet den unselbständigen Unternehmensteil aus und unterscheidet ihn von anderen Unternehmensteilen und dem Gesamtunternehmen. Es stellt sich die Frage, ob der Übergang immaterieller Unternehmensbestandteile und der Chancen 158 als tatsächliche Beziehungen aussagekräftiger hinsichtlich der Fortfilhrung eines Unternehmensteils als die Übertragung der sächlichen Bestandteile ist. Als wesentliche immaterielle Bestandteile bieten sich insbesondere das Know-How sowie die Kunden- und Lieferbeziehungen des Unternehmensteils an. Unbestritten ist, daß gerade die vorbezeichneten Bestandteile den Unternehmensteil prägen. Steht und flillt etwa die Produktion einer Sache mit dem Know-How, das zusätzlich zu den Maschinen essentiell erforderlich ist, kommt ihm eine entscheidende Bedeutung fUr die Fortftlhrung des Unternehmensteils zu. Wird es nicht mit übertragen, ändert sich das Gepräge des Unternehmensteils, der in seiner ursprünglichen Fonn nicht weitergefUhrt wird. Liefer- und Kundenbeziehungen haben bei Einzelhandels- und Großhandelsgeschäften eine starke Indizwirkung. Entscheidend sind die immateriellen Unternehmensbestandteile fUr die Fortftlhrung des unselbständigen Unternehmensteils jedoch nicht. Auch bei den immateriellen Bestandteilen kommt es wesentlich auf das Organisationselement und den Funktionszusammenhang an. Ohne die entsprechende Organisation ist es dem Erwerber der immateriellen Bestandteile des Unternehmensteils nicht möglich, das spezielle Know-How oder die Kunden- und Lieferbeziehungen in einer Weise zu nutzen, welche als Fortftlhrung des unselbständigen Unternehmensteils angesehen werden kann. Die vorstehenden Ausfilhrungen zeigen, daß der Übergang der materiellen und immateriellen Bestandteile des Unternehmensteils weder generell fUr noch gegen die Fortfilhrung des Unternehmensteils spricht. Maßstab ist vielmehr die Funktion und die Organisation des zu beurteilenden Unternehmensteils. Je nach Art der ausgeübten Tätigkeit und der Organisation kommt den einzelnen Bestandteilen des Unternehmensteils fUr dessen Gepräge unterschiedliche Bedeutung zu. Da eine wirtschaftliche Einheit insoweit in bestimmten Branchen ohne relevante materielle oder immaterielle Betriebsmittel tätig sein kann, kann die Wahrung der Identität einer solchen Einheit nicht von der Übertragung einzelIS7 IS8

Schwanda, S. 167. DüringerlHachenburglHoeniger, 3. Aufl., § 25 Anm. 3.

70

I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

ner Bestandteile abhängen. Entscheidend ist, ob der Erwerber eine organisierte Gesamtheit von Bestandteilen in einer Weise einsetzt, die ihm die Fortsetzung der Tätigkeiten und der Funktion des übertragenen Unternehmensteils auf Dauer erlaubt 1S9 • Zu berücksichtigen ist weiterhin, daß die Herauslösung eines unselbständigen Unternehmensteils aus dem bisherigen Unternehmen und die Einbindung in ein neues Unternehmen oder die Verselbständigung dieses Unternehmensteils durch die Hinzufilgung weiterer Vermögensbestandteile und einer Änderung der Organisation zwangsläufig eine Veränderung zur Folge hat. Diese Organisationsveränderung ist so lange unbeachtlich, wie sie das Gepräge des Unternehmensteils nicht ändert. Um dies zu beurteilen, ist eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls vorzunehmen. Die filr den betroffenen unselbständigen Unternehmensteil typischen Umstände sind zu untersuchen. Die im einzelnen zu berücksichtigenden Faktoren sind zueinander in Beziehung zu setzen. Es muß eine Bewertung dahingehend erfolgen, ob der Erwerber mit den übernommenen Vermögensbestandteilen und der dazugehörenden Organisation einen funktionsflihigen Organismus übernommen hat und dessen Gepräge sich durch die alleinige Fortfilhrung oder Einbindung in ein anderes Unternehmen nicht wesentlich verändert hat. Das kann, wie bereits ausgeftlhrt, bei Produktions- und Dienstleistungsunternehmen zu sehr unterschiedlichen Gewichtungen ftlhren.

III. Zusammenfassung

Das Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs. I Satz I HGB, die Fortfilhrung des unter Lebenden erworbenen Unternehmens, ist auf den Unternehmensteil übertragbar. Der unselbständige Unternehmensteil kann erworben und fortgeftlhrt werden. In der Fortftlhrung des Unternehmensteils kommt ein Kontinuitätsgedanke zum Ausdruck, auf den später zurückzukommen sein wird. Es ist filr die Fortfilhrung des Unternehmensteils nicht zu fordern, daß der Unternehmensteil in Bestand und Organisation identisch bleibt. Vielmehr kommt es darauf an, ob er sein wesentliches Gepräge behält. Entscheidend hierfilr ist die jeweilige Funktion und die Organisation des zu beurteilenden Unternehmensteils. Ohne Bedeutung ist, ob der unselbständige Unternehmensteil durch Hinzufilgung weiterer Vermögensbestandteile und Organisationselemente zum selbständigen Unternehmen ausgestaltet wird oder in ein anderes, neu gegründetes oder bereits bestehendes Unternehmen eingebunden wird.

(59

EuGH ZIP 1997, 516, 518 für Betriebsteile.

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

71

B. Fortführung der Firma?

Nach dem Wortlaut des § 25 HGB muß das Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortgefilhrt werden. Im Hinblick auf die in dieser Arbeit interessierende Fragestellung ist zu untersuchen, bei welchen Fällen der Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Fortfilhrung der Firma überhaupt möglich ist. Es sind mehrere Fallgestaltungen zu unterscheiden. Bei dem ersten Fall bleibt der frrmenftlhrende Rechtsträger trotz der Abtrennung eines Teils des Unternehmens erhalten. Die Firma geht auf den abgetrennten Teil nicht über, sondern verbleibt bei dem ursprünglichen Rechtsträger. Diese Fallgestaltung betriffi: die Übertragung einer unselbständigen Sparte als auch einer bloßen Abteilung und die Bildung einer unselbständigen Zweigniederlassung bei Fortfilhrung des restlichen Unternehmens. Eine weitere Fallgruppe besteht darin, daß das gesamte Unternehmen auf zwei oder mehrere Rechtsträger vollständig aufgeteilt wird. Diese Rechtsträger können entweder neu gegründet worden sein oder bereits bestehen. Geht bei dieser Aufteilung der wesentliche Teil des Unternehmens auf einen Rechtsträger über, kann die Firma mitübertragen werden, und § 25 HGB findet direkt Anwendung. Eine Haftung des Erwerbers in diesen Fällen ist anerkannt. Stellt der übertragene unselbständige Unternehmensteil jedoch nicht den wesentlichen Teil des Unternehmens dar, ist eine Firmenfortfilhrung ausgeschlossen. Die Bildung einer Teilfrrma ist nicht möglich. Zudem verbietet § 23 HGB eine Veräußerung der Firma ohne gleichzeitige Veräußerung des Handelsgeschäftes. Für die zu Unrecht im Handelsregister eingetragene und eine Firma ftlhrende unselbständige Zweigniederlassung gilt nichts anderes. Erkennt der Erwerber, daß die Voraussetzungen einer Zweigniederlassung nicht vorliegen und eine Berechtigung zur Führung der Firma fehlt, wird er die Firma nicht weiterfilhren und die Berichtigung im Handelsregister veranlassen. Ansonsten wird die Firma unberechtigterweise weitergefilhrt. Daher gibt es keine Fallgestaltungen, in denen bei der Teilung eines Unternehmens und Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils die Firma berechtigterweise fortgefilhrt werden kann, wenn der übertragene Unternehmensteil nicht den wesentlichen Teil des Unternehmens ausmacht 160. Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, daß auf den ersten Blick das Merkmal der Firmenfortftlhrung einer Haftung des Erwerbers fUr bestehende Verbindlichkeiten des ursprünglichen Unternehmensinhabers entgegensteht, falls er einen unselbständigen Unternehmensteil erworben hat, der nicht den wesentlichen Teil des Unternehmens ausmacht.

160

So auch Rohnke WM 1991, 1405, 1406.

1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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Mit der Feststellung, die Fortftlhrung der Firma sei in der in dieser Arbeit interessierenden Fallgestaltung nicht verwirklicht, ist noch nicht abschließend entschieden, ob eine Haftung des Erwerbers beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile möglich ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist die dogmatische Bedeutung der Firmenfortftlhrung maßgebend. Handelt es sich bei der Firmenfortftlhrung um ein haftungsbegrUndendes Tatbestandsmerkmal des § 25 HGB, kommt eine Haftung des Erwerbers in keinem Fall in Betracht. Hat die Firmenfortftlhrung jedoch eine andere dogmatische Bedeutung, dann steht einern Anspruch der Gläubiger gegen den Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils nicht grundsätzlich entgegen, daß die Firma in den hier interessierenden Fallgestaltungen nicht fortgefilhrt werden kann. Um die Bedeutung der Firmenfortfilhrung zu klären, ist § 25 HGB unter Berucksichtigung des Sinns und Zwecks der Norm auszulegen. Zum Haftungskonzept werden seit der Entstehung des Handelsgesetzbuchs vielfliltige Meinungen 161 vertreten, die dem Merkmal der Firmenfortftlhrung eine unterschiedliche Bedeutung zumessen. Die Wurzeln des Meinungsstreits reichen bis in die Zeit vor dem ADHGB zurück l62 • Die breite Diskussion um die ratio legis des § 25 HGB soll nicht erneut in vollem Umfang dargestellt werden. Vielmehr beschränkt sich die Untersuchung darin aufzuzeigen, welche Konsequenzen die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Haftung beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile haben. Eine Untersuchung des Haftungsgrundes ist dabei nicht bereits aus dem Grund überflüssig, weil das Gesetz die Haftung des Erwerbers angeordnet hat l63 • Maßgeblich ftlr die Auslegung eines Gesetzes ist nicht nur der Zweck, sondern auch der vernünftige Grund der zu beurteilenden Regelung l64 • Die hier interessierende Frage zeigt, daß der Meinungsstreit zum Sinn und Zweck des § 25 HGB nicht dahinstehen l6s , sondern praktische Auswirkungen beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile haben kann.

I. Erklilrungstheorie

Nach der Erklärungstheorie l66 , die vom überwiegenden Teil der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur vertreten wird, bringt der Erwerber durch Überblick bei Großkomm.HGBlHüffer § 25 Rn 3 ff; K. Schmidt, HdR, § 8 I 2. Zur Entwicklung Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 19 ff. \63 So aber Großkomm.HGBlHüffer § 25 Rn 20. \64 Larenz, Methodenlehre, S. 336. \65 So aber Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 27; AA. Brockmeier, S. 116. \66 RG Recht 1931, Nr. 832; RGZ 60,296,300; 93, 227, 228; 142,98, 104; 149, 25, 28; BGHZ 18, 248, 250; 22, 234, 239; 38, 44, 46; BGH BB 1953 1025, BGH NJW \6\

\62

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

73

die Finnenfortfilhrung gegenüber der Öffentlichkeit zum Ausdruck, in die Geschäftsbeziehungen des früheren Inhabers eintreten zu wollen. Die Kundgabe liegt in der Fortfilhrung des erworbenen Unternehmens unter der bisherigen Finna ohne die Bekanntgabe einer abweichenden Vereinbarung. Für die Erklärungstheorie ist das Merkmal der Finnenfortfilhrung ein haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal. Die Folge filr die hier zu untersuchende Frage, ob der Erwerber auch beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers haftet, besteht darin, daß der Erwerber wegen der fehlenden Finnenfortfilhrung keine Erklärung an die Öffentlichkeit abgegeben hat. Eine Haftung des Erwerbers scheidet daher nach der Erklärungstheorie aus. Die Erklärungstheorie ist jedoch aus folgenden Gründen abzulehnen. Die Kritiker l67 der Erklärungstheorie weisen zu Recht darauf hin, eine Erklärung des Erwerbers durch die Fortfilhrung der Finna existiere tatsächlich gar nicht. Der Übernehmer eines Unternehmens wolle regelmäßig nichts erklären, schon gar nicht einen Schuldbeitritt, sondern sich lediglich der mit dem Unternehmen und der Geschäftsbezeichnung verbundenen Vorteile und Gewinnchancen bedienen. Daher müsse die Erklärungstheorie mit der Fiktion eines Haftungswillens arbeiten l68 ; denn das in der Fortfilhrung des Unternehmens mit und ohne Finna liegende Verhalten weise auch vom Standpunkt des betroffenen Dritten als eines potentiellen Erklärungsempfllngers nicht die erforderliche Eindeutigkeit auf. Gerade der Lehre Säckers von der zwingenden gesetzlichen Auslegungsregel bedürfte es gerade nicht bei einem hinlänglich eindeutig erklärten Verpflichtungswillen l69 • Weiterhin sieht sich Säcker als Hauptvertreter der Erklärungstheorie einem weiteren Einwand ausgesetzt. Er weist auf die Schutzbedürftigkeit des auf die Haftungsübernahme vertrauenden Rechtsverkehrs hin l7O • Hierbei handelt es sich um einen Rechtsscheingesichtspunkt, so daß sein Ansatz der Erklärungstheorie nicht mehr konsequent ist l71 . Bereits diese grundsätzliche Kritik beraubt die Erklärungstheorie ihrer rechtstatsächlichen Basis und ist daher erheblich 172 •

1982,577,578; NJW-RR 1990, 1251, 1253; BGH WM 1990, 1573, 1576; OLG Köln MDR 1994, 133 mit Anm. K. Schmidt MDR 1994, 134; OLG Hamm NJW-RR 1997, 733; Säcker, ZGR 1973,261,268 ff. 167 Düringer/Hachenburg/Hoeniger, 3. Aufl., § 25 Rn 19; Pisko in Ehrenberg, S. 255; Canaris, Vertrauenshaftung, 183 f; Ger/ach, S. 14; Kozio/ JurBI 1967,550,558; Schricker ZGR 1972, 121, 131; Kreyci ÖJZ 1975, 449, 456. 168 Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 7; Kozio/ JurBI 1967, 550, 558. 169 Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 13. 170 Säcker ZGR 1973,261,275,277,278. 171 Waskönig, S. 16. 172 Waskönig, S. 12.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

Weiterhin läßt sich § 25 Abs. 2 HGB nicht in das Konzept der Erklärungstheorie einbinden. Das Gesetz verlangt ausdrücklich eine Vereinbarung der veräußernden und der erwerbenden Partei, die bekanntzugeben ist. Die einseitige Erklärung des Erwerbers ist nicht ausreichend. Mithin wird die Haftung fiir Altschulden durch eine allein vom Übernehmer abgegebene Willenserklärung begründet, kann aber nur unter Beteiligung des Veräußerers beseitigt werden 173. Aus welchen Gründen bei der Entstehung der Haftung eine einzelne Willenserklärung ausreichend sein soll, die Lösung von der Haftung aber zwei Willenserklärungen erfordert, wird nicht begrUndet. Insgesamt begrUndet die Erklärungstheorie keine Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils, weil sie die FirmenfortfUhrung als haftungsbegrUndend einordnet. Dieses Ergebnis ist jedoch aufgrund der aufgezeigten Kritik nicht überzeugend.

11. Rechtsscheintheorie

Einen anderen Ansatz zur Erklärung des Sinns und Zwecks der Haftung nach § 25 HGB und der Bedeutung der Firmenfortftlhrung bietet die Rechtsscheintheorie. Sie hat ebenfalls in Rechtsprechung 174 und Literatur 17S Anhänger gefunden. Der Erwerber haftet nach der Rechtsscheintheorie, weil er durch die FortfUhrung des Geschäfts unter bisheriger Firma den Rechtsschein gesetzt habe, fUr die Forderungen der Gläubiger einstehen zu wollen. Für den kaufmännischen Geschäftsverkehr seien das Geschäft und die Firma wesentlicher als der jeweilige Inhaber. Insbesondere sei das Vertrauen der Außenstehenden in der Hauptsache mit dem Geschäft und der Firma verknüpft. Dieses Vertrauen beruhe auf einer zwar rechtlich nicht zutreffenden, aber doch bestehenden Verkehrsauffassung, nach welcher das Unternehmen bzw. sein jeweiliger Inhaber als Träger der durch den Handelsbetrieb begrUndeten Rechte und Verbindlichkeiten erachtet werde. Demgemäß müsse jedes Gesetz, das die Möglichkeit eines Wechsels in der Inhaberschaft eines Handelsgeschäfts unter Beibehaltung der bisherigen Firma bejahe, Vorsorge dafUr treffen, daß das auf die Tatsache des Weiterbetriebs unter der bisherigen Firma gestützte Vertrauen der Außenwelt, eine wesentliche Veränderung der Haftungsverhältnisse sei nicht eingetreten, nicht Waskönig, S. 19. RGZ 169, 133, 138; BGHZ 18,248,250 f; 22, 234, 239; 29, 1, 3; 32, 60, 61; 36,265,272; 38, 44, 47; BGH JZ 1956,58 mit Anm. Langen JZ 1956, 59; BGH WM 1961,917,918; OLG DUsseldorfNJW-RR 1993,45; OLG Celle MDR 1994,263,264. 17S Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 25 Rn 1 f; Hueck ZHR 108 (1941), 1,7; Hofmann, D IV 1. a) aa); NickelNJW 1981, 102; Brockmeier, S. 116 ff. 173

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§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

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enttäuscht werde. Ein solcher Schutz könne nur darin bestehen, daß der neue Inhaber grundsätzlich an die Stelle des alten trete. § 25 HGB schütze damit nicht den guten Glauben an eine falsche Rechtsansicht, sondern das durch den Fortbestand der Firma begründete Vertrauen auf den tatsächlichen Anschein, an der Inhaberschaft des Unternehmens habe sich nichts geändert; eine Neudisposition sei in diesem Fall nicht erforderlich 176 • Die Rechtsscheintheorie sieht die FortfUhrung der Finna ebenfalls als haftungsbegründendes Merkmal des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB an. Aus diesem Grund filhrt sie beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile wie die Erklärungstheorie nicht zu einer Haftung des Erwerbers, weil die Finna, wie bereits erörtert, bei der Teilung eines Unternehmens nicht auf den unselbständigen Unternehmensteil übergeht. Die Rechtsscheintheorie erklärt den Sinn und Zweck der Erwerberhaftung jedoch nicht überzeugend. Ein grundsätzlicher Kritikpunkt steht dabei im Vordergrund. Die Rechtsscheintheorie widerspricht dem Prinzip der allgemeinen Rechtsscheinhaftung, wonach der Gläubiger auf einen Rechtsscheintatbestand vertraut haben muß 177 • Nach § 25 HGB kommt es aber gar nicht darauf an, ob der Gläubiger im Vertrauen auf die Haftung des Erwerbers Vennögensdispositionen vorgenommen hat. Aus welchen Gründen der Gläubiger zwei unbeschränkt haftende Schuldner hat, bleibt nach der Rechtsscheintheorie offen 178. Weiterhin ist mit der Annahme eines Rechtsscheins die Ausschlußmöglichkeit der Haftung nach § 25 Abs. 2 HGB nicht erklärbar. Es besteht jedoch ein weiterer Kritikpunkt, der in der wissenschaftlichen Diskussion bislang keine Beachtung gefunden hat. Der Ansatzpunkt der Rechtsscheintheorie, das Vertrauen beruhe auf einer zwar rechtlich nicht zutreffenden, aber doch bestehenden Verkehrsauffassung, nach welcher das Unternehmen bzw. sein jeweiliger Inhaber als Träger der durch den Handelsbetrieb begründeten Rechte und Verbindlichkeiten erachtet werde, bedarf genauerer Analyse. Es flUlt auf, daß als wesentlich die FortfUhrung des Unternehmens betrachtet wird. Dieser Ansatzpunkt stellt entscheidend auf ein Kontinuitätskriterium ab und fUgt sich nicht in die Begründung des Sinns und Zwecks der Haftung unter Rechtscheingesichtspunkten ein. Insgesamt fUhrt die Rechtsscheintheorie zwar nicht zu einer Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils, weil sie die Finnen-

176 SchlegelbergeriHildebrandtlSteckhan § 25 Rn I; Brockmeier, S. 117 (Rechtsschein der Inhaberidentität). 177 Säcker ZGR 1973, 261, 269; Heckelmann, Festschrift Bartholomeyczik, S. 129, 134 f; Canaris, Vertrauenshaftung, S.184 f; ders. Festschrift Frotz, S. 11, 21; KollerlRoth/Morck § 25 HGB Rn 2. 178 Großkomm.HGBIHüffer § 25 Rn 14.

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l. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

fortftlhrung in der Vordergrund der Haftung stellt. Dieses Ergebnis der Rechtsscheintheorie ist jedoch aus den angesprochenen Gründen und Wertungswidersprüchen nicht überzeugend. III. Haftungsfondstheorie

Einen anderen Begründungsansatz ftlr die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB bietet die Haftungsfondstheorie 179 • Sie erklärt § 25 HGB als zweigliedrigen Haftungstatbestand, der zum einen die Fortftlhrung des Unternehmens und zum anderen nach außen tretende Elemente enthalte. § 25 HGB sei eine Parallelnorm zu § 419 BGB. Der Unternehmenserwerber hafte, weil er den Altgläubigern des Unternehmensveräußerers die Haftungsmasse entziehelBo. In § 25 HGB komme der Grundsatz zum Ausdruck, der Gläubiger solle seine Forderungen dort durchsetzen können, wo das Schuldnervermögen als natürliche Grundlage des Kredits geblieben ist lB1 . Die Haftungsfondstheorie stellt zwar nicht alleine die Firmenfortftlhrung in den Vordergrund der Haftung, sondern berücksichtigt auch die Fortftlhrung des Unternehmens als haftungsbegründendes Element. Dennoch ist die Unternehmensfortftlhrung ftlr die Begründung der Haftung alleine nicht ausreichend. Da, wie gezeigt, die Firma beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils nicht fortgefilhrt wird, kommt eine Haftung des Erwerbers nach der Haftungsfondstheorie selbst bei einer Fortftlhrung des Unternehmensteils nicht in Betracht. Die Haftungsfondstheorie überzeugt jedoch als Erklärung des Normzwecks nicht 182 • Der Ansatzpunkt widerspricht allgemeinen Prinzipien der Haftung bei einer Vermögensübernahme. Bei der Übernahme eines Vermögens ist die Haftung zwingend und nicht, wie in § 25 Abs. 2 HGB, dispositiv ausgestaltet. Weiterhin ist bei der Vermögensübernahme die Haftung beschränkt auf den übernommenen Teil des Vermögens. Im Gegensatz dazu filhrt die Rechtsfolge des § 25 HGB zu einer Haftung des Erwerbers mit seinem gesamten Vermögen 183 • Die Haftungsfondstheorie kann damit nicht nachvollziehbar erklären, warum der Zugriff auf das Privatvermögen des Erwerbers eröffnet ist.

179 RGZ 135, 104, 108; 142,98, 106; 164, 115, 120; BGHZ 32, 62, 66; 38, 44, 47; Morisse 32 ff, 69 ff; Schricker ZGR 1972, 121, 150 ff; Koziol JurBI 1967,550,558. 180 SchrickerZGR 1972,121,150. 181 BGHZ 38,44,47. 182 Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 15; Waskönig, S. 34 ff; KSchmidt ZHR 1945 (1981),2,10 f; Heckelmann, Festschrift Bartholomeyczik, S. 129, 135 f. 183 Säcker ZGR 1973,261,271; KollerlRothiMorck § 25 HGB Rn 2.

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

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Hinzu kommt, daß das von der Haftungsfondstheorie vertretene Prinzip bei § 25 HGB eine Durchbrechung erflihrt. Der Erwerb des Haftungsfonds hat keinen Schuldbeitritt, sondern eine Schuldübernahme zur Folge, wenn der Erwerber sich in bestimmter Weise verhält l84 • Damit wird weder § 25 Abs. 1 HGB, der ein Fall des gesetzlichen Schuldbeitritts ist, noch § 25 Abs. 2 HGB hinreichend erklärt. Weiterhin berücksichtigt die Haftungsfondstheorie nicht hinreichend, daß der Gläubiger keinen Anspruch auf eine Erhaltung des Vennögens seines Schuldners hat. Das Anfechtungsgesetz und die Konkursanfechtung ziehen ft1r den Fall der Veräußerung von Vennögensgegenständen vielmehr enge Grenzen 18S. Insgesamt kommt nach der Haftungsfondstheorie eine Haftung des Erwerbers beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils wegen der haftungsbegrUndenden Bedeutung der Firmenfortfilhrung nicht in Betracht. Aufgrund der angesprochenen Kritikpunkte ist sie jedoch nicht überzeugend.

IV. Theorie der ErfDllungsilbernahme

Ein Teil der Literatur favorisiert einen Erklärungsansatz zur ratio legis des § 25 HGB, der maßgeblich an das Rechtsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber anknüpft 186 • Die in § 25 HGB getroffene Regelung wird dabei als Außenwirkung des Innenverhältnisses zwischen den Veräußerungsparteien angesehen. In der BegrUndung treten jedoch Unterschiede auf. Das Konzept der Vertragsübernahme 187 oder weitergehend der in das Außenverhältnis übertragenen Schuldübernahme 188 knüpft an den Übergang von Forderungen an, der sich als Weiterftlhrung des Rechtsgedankens aus § 409 BGB darstellt. § 25 HGB wird dabei die Anordnung eines vollständigen Parteiwechsels in unternehmensbezogene Schuldverhältnisse entnommen. Die zur Zeit des Unternehmensübergangs bestehenden Vertragsverhältnisse werden mit dem Erwerber fortgesetzt 189 • Eine Mitwirkung der Gläubiger als dritte Partei der Vertragsübernahme wird als entbehrlich angesehen, um den Fortbestand des

Waskönig, S. 38. Hecke/mann, Festschrift Bartholomeyczik, S. 129, 135. 186 Kozio/ JurBI 1967,550,558; Krejci. Betriebsübergang, S. 212; ders. ÖJZ 1975, 449, 456; Lieb, Dauerschuldverhältnisse, S. 12; Börner, Festschrift Möhring, 37 ff; Hecke/mann, Festschrift Bartholomeyczik, 129, 143. 187 Börner, Festschrift Möhring, 37 ff. 188 Hecke/mann, Festschrift Bartholomeyczik, 129, 143; Ger/ach, S. 36 ff. 189 Kreyci, Betriebsübergang, S. 212 ff; ders. ÖJZ 1975,449,458. 184

185

I. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

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auf die Geschäftsbeziehungen angewiesenen Unternehmens nicht zu gefiihrden l90 • In neuerer Zeit rückt der Gesichtspunkt der Erfllllungsübernahme in den Mittelpunkt der Haftungsanordnung des § 25 HGB I9l • Es handele sich um eine Regelung, mit welcher der Gesetzgeber der im Zweifel dem Parteiwillen entsprechenden ErfUllungsübernahme Außenwirkung verleihe und durch diese Haftungskontinuität den reibungslosen Unternehmensübergang deutlich erleichtere 192 • Der Erwerber hafte, weil in den meisten Fällen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber eine kaufpreismindernde ErfUllungsübernahme vereinbart werde. Der Erwerber sei dann verpflichtet, die Forderungen der Altgläubiger zu erfUllen. Da die Übertragung des Unternehmens inklusive aller Passiva die Regel darstelle, entspreche § 25 HGB der Verkehrserwartung. Die Firmenfortfllhrung habe nur die Bedeutung eines Indizes. Sie diene dazu, der vermuteten ErfUllungsübernahme Außenwirkung zu verschaffen l93 . Bei der hier interessierenden Frage der Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils kann zwischen dem ursprünglichen Inhaber und dem Erwerber eine ErfUllungsübernahme hinsichtlich der Verpflichtungen des Inhabers erfolgen, die zu dem veräußerten Unternehmensteil gehören. Nur die Fortfllhrung eines Unternehmensteils und die damit verbundene typisierte Außenwirkung des Parteiwillens ist entscheidend. Der Firmenfortfllhrung, die rur die hier interessierende Fallgestaltung Probleme bereitet, kommt dagegen keine haftungsbegründende Wirkung zu. Die Auslegung des § 25 HGB nach der Theorie der ErfUllungsübernahme fllhrt zu einer Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils gegenüber den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers. Für die Vertreter der Theorie der ErfUllungsübernahme schließt sich die Frage an, fllr welche Verbindlichkeiten des ursprünglichen Inhabers der Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils haftet und wie diese Verbindlichkeiten zu bestimmen sind. Der Versuch einer Lösung dieses Problems, der im 3. Teil dieser Arbeit unternommen wird l94 , müßte dann rur die Bestimmung der einzelnen Verbindlichkeiten herangezogen werden. Der Vorteil dieses Haftungskonzepts liegt darin, daß die Anknüpfung an den Parteiwillen den dispositiven Charakter des § 25 HGB angemessen berücksichtigt. Es bestehen jedoch Bedenken gegen die Lehre von der Vertragsübertragung kraft Gesetzes. § 25 HGB erfaßt nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzlich begründete Verbindlichkeiten und Forderungen. Die Auslegung des

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Waskönig, S. 2, 129. MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 9; Lieb, Dauerschuldverhältnisse, S. 12. Lieb, Dauerschuldverhältnisse, S. 12. MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 9; Lieb, Dauerschuldverhältnisse, S. 8. Siehe unten 3. Teil.

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

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§ 25 HGB als gesetzliche Vertragsübernahme widerspricht zudem dem Wortlaut des § 25 HGB. § 25 Abs. I Satz 2 HGB wäre überflüssig, wenn alle Geschäftsforderungen schon kraft gesetzlicher Vertragsübernahme auf den Erwerber übergingen l9s . Darüber hinaus verletzte ein gesetzlicher Übergang sämtlicher Vertragsverhältnisse die Vertragsfreiheit der Unternehmensgläubiger, die sich plötzlich und ohne ihre Mitwirkung einem neuen Schuldner gegenübersähen l96 . Den Unternehmensgläubigem hilft auch die Abdingbarkeit nach § 25 Abs. 2 HGB nicht, da sie an der Vereinbarung zwischen den Veräußerungsparteien nach dem Regelungsmechanismus des § 25 HGB nicht beteiligt sind l97 .

Das zu § 25 HGB vertretene Haftungskonzept der Erfilllungsübernahme setzt sich diesen Einwänden zwar nicht aus. Gegen die Annahme einer Erfilllungsübernahme läßt sich gleichwohl einwenden, der Wille der Veräußerungsparteien eines Unternehmensteils könne auf die BegrUndung von Ansprüchen gerichtet sein, müsse es aber nicht. Aus welchen Gründen der Wille der Beteiligten regelmäßig auf die Übertragung von Ansprüchen auf den Erwerber gerichtet sein soll, bleibt unklar. Sie überzeugt auch nicht; denn dem Erwerber des Unternehmens oder des Unternehmensteils bringt die Haftung fl1r Verbindlichkeiten des ursprünglichen Inhabers nicht in jedem Fall einen Vorteil. Der Veräußerer gewinnt nur die Enthaftung nach dem Ablauf der Verjährungsfrist l98 , da er aus seiner Verpflichtung gegenüber seinen Gläubigem gerade nicht entlassen wird. Die Theorie der Erfilllungsübernahme erklärt damit die Haftung des Erwerbers nicht allgemeingUltig. Sie beruht wie die Theorie der Vertragsübernahme auf der Annahme einer Regel, ohne diese jedoch zu verifizieren. Gerade die Fälle, in denen ein Unternehmen oder ein Unternehmensteil ohne die Übernahme der Passiva fortgefilhrt wird und die Gläubiger in wirtschaftlicher Hinsicht betroffen sind, erklärt diese Theorie nicht. Insgesamt filhren die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Theorie der Vertrags- oder Erfilllungsübernahme zwar dazu, eine analoge Anwendung des § 25 HGB beim Erwerb von Unternehmensteilen als vertretbar anzusehen. Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Einordnung der Firmenfortfilhrung, die nicht als haftungsbegrUndendes Merkmal angesehen wird, sondern allenfalls als Indiz. In der bisherigen Ausgestaltung unterliegt dieser Erklärungsansatz zur ratio legis des § 25 HGB jedoch so großen Bedenken, daß er nicht ohne ModifIkation vertreten werden kann.

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7 Theißen

Beuthien, NJW 1993, 1737. Beuthien, NJW 1993, 1737, 1738. Beuthien, NJW 1993, 1737, 1739. Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 16; K. Schmidt ZHR 145 (1981), 2, 12.

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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

V. Theorie der Unternehmenskontinuitlit

Die Theorie der Unternehmenskontinuität, entwickelt von K. Schmidt, erklärt das Haftungskonzept des § 25 HGB und die Bedeutung der Firmenfortftlhrung aufgrund eines anderen Ansatzpunktes l99 . Es ist eine Tendenz der Annäherung durch die Rechtsprechung200 und einen Teil der Litera~OI festzustellen. Die §§ 25 und 28 HGB dienen nach der Theorie der Unternehmenskontinuität dazu, die Haftungskontinuität bei der Einzelrechtsübertragung von Unternehmen auf einen neuen Unternehmensträger sicherzustellen202• Der Erwerber hafte in beiden Fällen, weil er ein Unternehmen bei gleichzeitigem Wechsel des Inhabers fortfUhre. § 25 HGB sei dabei Ausdruck des Prinzips, daß Unternehmensschulden zum Unternehmen gehören und im Falle des Unternehmensüberganges kraft Gesetzes zu einer gesamtschuldnerischen Haftung des vormaligen Unternehmensinhabers und des Unternehmenserwerbers fUhren. Entscheidend fiI.r die Haftung sei die Kontinuität des Unternehmens. Auf eine Erklärung oder einen Rechtsschein komme es nicht an. Die Haftung des Erwerbers wird konsequenterweise als zwingende Haftung verstanden. Das Merkmal der FirmenfortfUhrung ist fiI.r die Begründung der Haftung verzichtbar. Die Fortftlhrung der Firma hat lediglich Indizfunktion fiI.r die Unternehmensfortftlhrung. Bei der Firma handelt es sich nicht um den Namen des Geschäfts, sondern es ist der Name, unter welchem der Kaufmann sein Geschäft betreibt. Ihr kommt damit keine haftungsbegründende Wirkung ZU203. Die FirmenfortfUhrung hat zwar eine wesentliche, letztlich aber keine tragende Bedeutung; diese kommt der UnternehmensfortfUhrung ZU204. Durch die haftungsbegründende Wirkung der Unternehmensfortfilhrung wird ein Ausgleich dafil.r geschaffen, daß dem Unternehmen zwar eine wichtige Bedeutung zukommt, das Unternehmen aber nach dem bisherigen Stand in Literatur und Rechtsprechung nicht Träger der Rechte und Pflichten ist. Rechtsträger 199 K. Schmidt, HdR, 1. Aufl., § 8; ders., HdR, 4. Aufl., § 8 I. 3.; ders. ZHR 145 (1981),2 ff; ders. JuS 1985,249; ders. ZHR 151 (1987),316; ders. ZIP 1989, 1028; ders. AcP 1991,495; ders. ZGR 1992,624; ders. JuS 1997, 1069, 1070. 200 BGH NJW 1974, 1186; BGH NJW 1984, 1186 mit Anm. K. Schmidt JuS 1984, 486; BGH NJW 1986, 581; BGH NJW 1992, 911 mit Anm. K. Schmidt JuS 1992, 348 Nr.9 und EWiR 1992,284; LG Berlin NJW-RR 1994,609; BGH WM 1992, 55; BGH OB 1992, 989 zu Forderungsübergang. 201 HeymanniEmmerich § 25 Rn 8; Lieb, Dauerschuldverhältnisse, S. 11; ders. Festschrift Börner, 747; HolzapJellPöllath Rn 562 (Die Kontinuität spielt eine zunehmend stärkere Rolle). 202 K.Schmidt ZHR 145 (1981), 2, 5 f; ders., HdR, § 8 I. 3. 203 So schon Heinsen, S. 136, 138. 204 Großkomm.HGBlHüffer § 25 Rn 28.

§ 4 Bisherige dogmatische Einordnung des § 25 HGB

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bleibt stets der jeweilige Unternehmensinhaber. Die Interessen der Gläubiger werden geschützt, weil sie den jeweiligen Unternehmensinhaber rur die bestehenden unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen können. Der Gläubigerschutz spricht ftlr die Allgemeingültigkeit des Prinzips der Haftungskontinuitäros. Die Rechtsprechung nähert sich der Kontinuitätstheorie an. Der Bundesgerichtshof ftlhrte aus, die Haftung nach § 25 HGB gründe sich auf die Kontinuität des Unternehmens, die durch die Fortftlhrung der bisherigen Firma lediglich nach außen in Erscheinung trete206 • Eine vollständige Abkehr von der Erklärungstheorie ist hiermit noch nicht verbunden. Hieraus kann wegen eines einzelnen Urteils aber noch nicht von einer Kehrtwende und einer Aufgabe der Firmenfortftlhrung als haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal in der Rechtsprechung gesprochen werden207 • Für die Haftung des Erwerbers eines Unternehmensteils bedeutet die Kontinuitätstheorie208 , daß es allein auf die Kontinuität des Unternehmensteils ankommt. Die Fortftlhrung des Unternehmensteils begründet die Haftung des Erwerbers ftlr die in dem Unternehmensteil begründeten Verbindlichkeiten. Die Firmenfortftlhrung, die beim Erwerb von Unternehmensteilen ohnehin keine Bedeutung hat, ist damit keine Voraussetzung ftlr das Eingreifen der Erwerberhaftung. Hinsichtlich der Rechtsfolgen beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils stellt sich ftlr die Kontinuitätslehre ebenfalls das Problem, wie die einzelnen Verbindlichkeiten bestimmt werden sollen, rur die der Erwerber haftet; auf den dritten Teil der Arbeit wird insoweit verwiesen209 • Die Theorie der Unternehmenskontinuität wird jedoch in der Literatur heftig angegriffen und als unvereinbar mit dem geltenden Recht angesehen2lO• Die Hauptkritik2l1 besteht darin, die Kontinuitätslehre filhre zu einer zwingenden Haftung des Erwerbers ftlr bereits begründete Verbindlichkeiten, obwohl die Haftung durch § 25 Abs. 2 HGB dispositiv ausgestaltet sei. Weiterhin werde das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Firmenfortfilhrung ignoriert. Das Han-

Anm. Ebenroth zu BGH EWiR 1992, 757, 758 =NJW 1992,912. BGH NJW 1992,911,912. 201 Vgl. hierzu OLG Hamm NJW-RR 1997, 733. 208 Angedeutet bei K. Schmidt, HdR, § 8 11. I. e). 209 Siehe unten, 3. Teil. 210 Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 17; Röhricht/Graf von WestphaleniAmmon Vor §§ 25-28 Rn 5; Zöllner ZGR 1983, 88 f; Canaris § 7 I. I. d); ders. Festschrift Frotz, S. 11,23; ders. ZIP 1989, 1161, 1165; Lieb, Dauerschuldverhältnisse, 10 f; ders. Festschrift Börner, 749; Scheerer OB 1996,2321,2323. 2lI Canaris § 7 I. I. d); ders. ZIP 1989, 1161, 1164; Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 17; Zöllner ZGR 1983,82,87 ff; Wilhelm NJW 1986, 1797 f; Koller/RothiMorck § 25 HGB Rn 2. 20S

206



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1. Teil: Kritik an der bisherigen Auffassung zu § 25 HGB

deisgesetzbuch kenne keine zwingende Haftungskontinuität, sondern überantworte die Haftungsfrage privatautonomer Regelung. Nur wo sie nicht getroffen oder nicht gehörig publiziert sei, greifen die gesetzlichen Haftungsregeln ein 2l2 . Schließlich beruhe die Kontinuitätstheorie auf einem Zirkelschluß. Die Voraussetzungen der Haftung seien so formuliert, daß die zwingende Rechtsfolge die Haftungskontinuität sei. Ein weiterer Einwand gegen die Kontinuitätstheorie besteht darin, es lasse sich folgerichtig nur eine Haftung mit dem übernommenen Unternehmen und nicht mit dem gesamten Vermögen des Erwerbers herleiten 2l3 • Schließlich wird angefllhrf l4 , auf eine Begründung des Konzeptes sei ausdrücklich verzichtet worden. Es flinden sich nur die Ausfilhrungen, die rechtspolitischen Vorzüge der Unternehmenskontinuität seien offenbar und sollten als Prämisse genommen, also nicht ausdiskutiert und gegen Einwände gesichert werden 21S • Diese fehlende Begründung des Haftungskonzepts läßt sie bereits nicht vertretbar erscheinen. Zusammenfassend fllhrt die Theorie der Unternehmenskontinuität filr die in dieser Arbeit zu untersuchende Frage zwar zu dem Ergebnis, daß eine analoge Anwendung des § 25 HGB auf den Erwerb unselbständiger Teile vertretbar ist. Der Erwerber haftet in diesem Fall ft1r die unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten. Die Begründung des Sinns und Zwecks der Norm unterliegt jedoch so erheblichen Bedenken, daß die Theorie der Unternehmenskontinuität ohne Modifikation nicht vertreten werden kann. VI. Zusammenfassung

Die bisherigen Erklärungen zum Haftungskonzept des § 25 HGB helfen bei der Begründung einer analogen Anwendung bei Unternehmensteilen entweder nicht weiter oder sehen sich erheblichen Einwänden ausgesetzt. Eine erneute Untersuchung des Haftungskonzeptes des § 25 HGB und der Bedeutung der Firmenfortfilhrung ist daher erforderlich. Als Ansatzpunkte filr eine Weiterentwicklung kommen die Theorie der Erfilllungsübernahme und die Theorie der Unternehmenskontinuität in Betracht, die das Merkmal der Firmenfortfilhrung nicht als konstitutives Merkmal ft1r die Haftung des Erwerber einordnen. Ist alleine die Fortfilhrung des Erwerbsgegenstands der haftungsbe-

Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 17. Canaris, Festschrift Frotz, S. 11, 19. 214 Canaris, Festschrift Frotz, S. 11,23. 215 K.Schmidt ZHR 145 (1981), 2,8.; K.Schmidt verweist in JuS 1997, 1069, 1071, FN 32 darauf, die Begründung in einem Festschriftbeitrag fllr 1998/1999 aufzugreifen. 212 213

§ 5 Ergebnis

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gründende Umstand, ohne daß es auf die Fortfilhrung der Firma ankommt, ist eine Haftung beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile nach § 25 HGB analog möglich.

§ 5 Ergebnis Als Ergebnis des ersten Teils bleibt festzuhalten, daß es aufgrund der vergleichbaren Sach- und Rechtslage geboten ist, eine Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils nach § 25 HGB analog anzunehmen. Der unselbständige Unternehmensteil ist wie das Gesamtunternehmen und eine Zweigniederlassung als selbständiger Unternehmensteil eine organisierte Einheit, der bestimmte Sachen, Rechte und Verbindlichkeiten zugeordnet sind. Der unselbständige Unternehmensteil nimmt einen Teilzweck des Gesamtunternehmens wahr und kann von dem Erwerber fortgefilhrt werden. Da eine Firmenfortfilhrung jedoch bei der Fortfilhrung eines unselbständigen Unternehmensteils nicht möglich ist, hängt die Vertretbarkeit der Haftung des Erwerbers von der Einordnung des Sinns und Zwecks des § 25 HGB ab. Die Erklärungs-, die Rechtsschein- und die Haftungsfondstheorie ordnen die Firmenfortfilhrung als haftungsbegrilndendes Tatbestandsmerkmal ein und kommen konsequenterweise zu dem Ergebnis, eine Haftung des Erwerbers bei der Fortfilhrung eines unselbständigen Unternehmensteils sei nicht möglich. Sie sind aus den dargelegten Gründen abzulehnen. Nur die Theorie der ErftUlungsübernahme und die Theorie der Unternehmenskontinuität, welche die Firmenfortfilhrung nicht als konstitutiv ftlr die Haftung ansehen, fUhren zu einer Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils. Diese Auffassungen können jedoch wegen der aufgezeigten Bedenken nicht ohne eine erneute Untersuchung zum Sinn und Zweck des § 25 HGB der weiteren Arbeit zugrundegelegt werden.

2. Teil: Plädoyer f"ür ein weiterentwickeltes Haftungskonzept Im zweiten Teil der Arbeit wird filr die analoge Anwendung des § 25 HGB auf den Erwerb unselbständiger Unternehmensteile nach geltendem Recht plädiert. Wie Karsten Schmidt selbst anmerkt', ist zu untersuchen, ob es ein Prinzip des Inhalts gibt, daß Unternehmensschulden vom Altinhaber auf den Neuinhaber übergehen, wenn nichts Gegenteiliges kundgetan wird. Die Notwendigkeit der Haftung des Erwerbers bei der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils ist im ersten Teil der Arbeit erörtert worden 2 • Die Ergebnisse der bisher zu § 25 HGB vertretenen Auffassungen fUhrten bei ihrer Anwendung auf unselbständige Unternehmensteile, wie gezeigt3, nicht weiter. Bei der Erklärungs-, der Rechtsschein- und der Haftungsfondstheorie scheitert eine Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils bereits am Merkmal der Firmenfortfilhrung. Nach der ErfUllungs- und der Vertragsübernahmetheorie sowie der Theorie der Unternehmenskontinuität ließe sich zwar die Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils filr die im Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils begründeten Verbindlichkeiten vertreten; denn diese Erklärungen des Haftungskonzeptes des § 25 HGB ordnen das Merkmal der Finnenfortfilhrung nicht als haftungs begründendes Tatbestandsmerkmal ein. Diese Erklärungsansätze sehen sich aber erheblicher Kritik ausgesetzt. Die Kritik zielt bei der Kontinuitätstheorie auf die Überschreitung der methodischen Grenzen der Gesetzesauslegung. Bei der Erfilllungstheorie steht die zugrundegelegte Annahme einer in der Regel geschlossenen Vereinbarung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Unternehmens im Vordergrund der Kritik, weil sie nicht verifiziert wird. Bei der Theorie der Vertragsübernahme kommt hinzu, daß sie nur die Haftung filr vertragliche Verbindlichkeiten, nicht jedoch filr gesetzlich begründete Verbindlichkeiten erklären kann. Es besteht daher Anlaß, das Haftungskonzept und den Sinn und Zweck des § 25 HGB zu überdenken. Entscheidend wird sein, ob die Bedeutung der Finnenfortfilhrung und die Abdingbarkeit der Haftung nach § 25 Abs. 2 HGB nachvollziehbar in das Haftungskonzept einbezogen werden können.

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2 l

K. Schmidt JuS 1997, \069, \071. Siehe oben I. Teil § 3, § 4. Siehe oben I. Teil § 4 B.

2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

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Dem zu entwickelnden Haftungskonzept werden die Theorie der Unternehmenskontinuität und die Theorie der Erftlllungsübernahme zugrundegelegt. Diese beiden Erklärungsansätze des Haftungsgrundes der in § 25 HGB angeordneten Rechtsfolgen haben gegenüber den vielfliltigen anderen Konzepten zwei entscheidende Vorzüge hinsichtlich der Beantwortung der in dieser Arbeit zu entscheidenden Frage, ob der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils von den Gläubigern des ursprünglichen Inhabers wegen der im Geschäftsbetrieb begründeten Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann. Beide Ansätze sehen das Merkmal der Finnenfortftlhrung nicht als konstitutiv ftlr die Haftung des Erwerbers an. Da die Finna bei der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils nicht fortgefilhrt werden kann 4 , läßt sich eine Erwerberhaftung nur vertreten, wenn die Finnenfortftihrung ftir die Haftungsbegründung unerheblich ist. Der zweite Vorteil der vorbezeichneten Erklärungsansätze des § 25 HGB besteht darin, daß die Erftlllungstheorie und die Theorie der Unternehmenskontinuität sich nicht auf Argumente stützen, die im Widerspruch mit dem jeweiligen eigenen Begrundungsansatz stehen, wie etwa die Erklärungs-, die Rechtsschein- und die Haftungsfondstheorie. Die Kontinuitätstheorie bietet sich als Ausgangspunkt einer erneuten Untersuchung aus einem weiteren Grund an. Sie erklärt die Haftung des Erwerbers als Folge der fehlenden Rechtsfllhigkeit des Unternehmens und gibt so einen Nonnzweck an, der den Übergang der Verbindlichkeiten und die gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers verständlich machts. Der anerkannte Zweck der Haftung, der als Schutz bestimmter Verkehrserwartungen fonnuliert wird, wird auf diese Weise konkretisiert6 • Es wird daher untersucht, ob die Erftillungs- und die Kontinuitätstheorie in einer Weise weiterentwickelt werden können, die der berechtigterweise erhobenen Kritik nicht mehr ausgesetzt ist. Zunächst erfolgt die Darstellung und Begründung eines Haftungskonzeptes, das eine Weiterentwicklung der Kontinuitäts- und der Erftlllungstheorie darstellt und damit nicht den im ersten Teil der Arbeit angesprochenen Kritikpunkten unterliegt. Besonderes Augenmerk gilt der Finnenfortftlhrung. Die hier vertretene Konzeption muß anband der allgemeinen Kriterien der Gesetzesauslegung7 vertretbar sein. Sie muß § 25 HGB in sich und im Vergleich mit anderen Nonnen des Handelsrechts und des allgemeinen Zivilrechts widerspruchsfrei erklären und insbesondere dem Sinn und Zweck der Nonn genügen.

4

6 7

Siehe oben I. Teil § 4 B.

Großkomm.HGB/HüjJer § 25 Rn 19. Großkomm.HGB/HüjJer § 25 Rn 28. Larenz. Methodenlehre, S. 320 ff.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Erst im Anschluß an die Darstellung und Begründung des entwickelten Haftungskonzepts ist die eigentliche Frage zu untersuchen, ob der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils bei der analogen Anwendung des § 25 HGB filr Verbindlichkeiten des ursprünglichen Unternehmensinhabers haftet. Es handelt sich hierbei um die Tatbestandsseite des § 25 HGB. Die analoge Anwendung des § 25 HGB auf den Erwerb unselbständiger Unternehmensteile kann erst beurteilt werden, wenn das Haftungskonzept des § 25 HGB aufgrund des Sinns und Zwecks der Nonn feststeht. Die Möglichkeiten, die einzelnen Verbindlichkeiten zu bestimmen, filr die der Erwerber möglicherweise haftet, betrifft die Untersuchung der Rechtsfolgenseite; sie ist dem dritten Teil der Arbeit vorbehalten.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts Das Haftungskonzept des § 25 HGB in seiner direkten Anwendung erschließt sich aus der Dualität der Fortfilhrung des Unternehmens und verschiedener Publizitätselemente, die dem Erwerber des Unternehmens nach § 25 HGB zur Verfilgung stehen. A. Grundsätze des weiterentwickelten Haftungskonzepts

Auffallend an der Haftungskonzeption des § 25 HGB ist, daß die Fortfilhrung des Unternehmens in keinem Fall filr die Haftung des Erwerbers verzichtbar ist. Weiterhin hat das Gesetz aus der Vielzahl der vorkommenden Fälle nur diejenigen geregelt, bei denen der Gegenstand der Übernahme fortbestehen soll. Alle weiteren Fallgestaltungen bleiben außer Betracht. Es liegt daher nahe, die Fortfilhrung des Unternehmens als das haftungsbegrUndende Tatbestandsmerkmal des § 25 HGB anzusehen. Durch die FortfUhrung des Unternehmens werden als Folge die Verbindlichkeiten, filr die der jeweilige Unternehmens inhaber in Anspruch genommen werden kann, dem Unternehmen als Haftungsobjekt zugeordnet. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Haftung des Erwerbers filr die bestehenden und auf das Unternehmen bezogenen Verbindlichkeiten folgerichtig. Andererseits ist die Abdingbarkeit der Erwerberhaftung charakteristisch filr § 25 HGB. Dem Erwerber stehen unterschiedliche Handlungsalternativen zur Verfilgung. Die Wahl der einzelnen Handlungsalternative filhrt zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Entweder kann der Erwerber filr bestehende Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden oder die Inanspruchnahme durch die Gläubiger ist ausgeschlossen. Betrachtet man die unterschiedlichen, dem Erwerber zur Verfilgung stehenden Handlungsalternativen, dann stellt sich die Frage, ob die FortfUhrung der Firma überhaupt ein haftungsbegründendes Tat-

§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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bestandsmerkmal des § 25 HGB sein kann, wie dies von der Erklärungs-, der Rechtsschein- und der Haftungsfondstheorie vertreten wird. Zweifel an der haftungsbegründenden Bedeutung der Firmenfortfilhrung ergeben sich bereits daraus, daß die Firma nicht das einzige Merkmal mit handeisrechtlicher Publizität ist, das in § 25 HGB verwandt wird. Neben der dogmatischen Bedeutung der Firmenfortfilhrung müssen die Bedeutung der Eintragung in das Handelsregister und die Mitteilung an die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers ebenfalls bedacht werden. Weitere Zweifel an der haftungsbegrundenden Wirkung der Firmenfortfilhrung bestehen wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, die an die Fortfilhrung und die Nichtfortftlhrung der Firma geknüpft werden. Dies erschließt sich durch eine Untersuchung des Regelungszusammenhangs und der Folgen, welche die Verwendung der Firmenfortfilhrung und die einzelnen, zusätzlich zu der Firmenfortfilhrung in § 25 HGB verwandten Publizitätselemente haben. Nach dem Wortlaut des § 25 HGB greift eine Haftung des Erwerbers auch dann ein, wenn die Firma gerade nicht fortgeftlhrt wird, der Erwerber aber die Übernahme der Haftung auf andere Weise in handelsrechtlicher Form publiziert hat. Andererseits haftet der Erwerber nicht immer dann, wenn er die Firma auch fortgeflihrt hat. § 25 Abs. 2 HGB bietet dem Erwerber die Möglichkeit, trotz der Fortflihrung des Unternehmens und der Firma nicht flir die Verbindlichkeiten des ursprünglichen Unternehmens inhabers in Anspruch genommen zu werden. Voraussetzung hierfilr ist, daß die entsprechende Vereinbarung in handelsüblicher Weise bekannt gemacht wird. Trotz Fortfilhrung der Firma haftet der Erwerber in diesem Fall gerade nicht. Hinzu kommt, daß die Firma ein Identifizierungsmerkmal ist, aber kein Zuordnungsobjekt, auf das Rechte und Pflichten bezogen werden können. Der Fortfilhrung der Firma und den Möglichkeiten des § 25 Abs. 2 und 3 HGB kommen daher keine haftungsbegründende Funktion zu. Die Bedeutung der Firma und der weiteren Merkmale handelsrechtlicher Publizität besteht vielmehr in der Möglichkeit filr den Erwerber, sich von der durch die Fortfilhrung des Unternehmens begründeten Haftung zu lösen. Betrachtet man diesen Regelungsmechanismus, so zeigt sich, daß der Erwerber sich von der grundsätzlich begründeten Haftung flir bereits bestehende Verbindlichkeiten des ursprünglichen Unternehmens inhabers lösen kann, wenn er selbst aktiv wird. Führt er das Unternehmen fort, kann und muß er sich der in § 25 HGB aufgeflihrten handelsrechtlichen Publizitätsformen bedienen, um seine Haftung auszuschließen. Aus den von ihm verwandten handelsrechtlichen Publizitätsformen, d.h. aus der Nichtfortfilhrung der Firma oder den Möglichkeiten des § 25 Abs. 2 HGB, ergibt sich flir den Handelsverkehr, daß der Erwerber trotz der Fortfilhrung des Unternehmens nicht haftet. Durch diese Ausschlußmöglichkeiten können die Veräußerungsparteien in jedem Einzelfall den Gegebenheiten des übertragenen Unternehmens Rechnung tragen.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Der Erwerber und der Veräußerer erhalten hierdurch die Möglichkeit, das Schicksal der Geschäftsbeziehungen einvernehmlich in anderer Weise zu regeln als dies grundsätzlich vom Gesetz vorgesehen ist. Die Gläubiger sind in diesem Fall nicht schutzbedürftig, da sie nicht bei jeder Unternehmensveräußerung davor gefeit sein können, daß ihr Schuldner, d.h. der ursprüngliche Unternehmensinhaber, sein Unternehmen veräußert. Aus diesem Grund ist die Haftung des Erwerbers nicht zwingend angeordnet. Der Erwerber kann bewußt zwischen den einzelnen Möglichkeiten wählen. Unter läßt er dies jedoch, etwa aus Unkenntnis der Folgen einer Firmenfortfilhrung, dann tritt die Haftung dennoch ein. Wegen des Schutzes des Handelsverkehrs treten die Rechtsfolgen des § 25 HGB kraft Gesetzes bei Vorliegen der einzelnen Publizitätselemente ein, ohne daß es auf den Willen des Erwerbers ankommt. In diesem Fall wirkt sich § 25 HGB als "Haftungsfalle"g aus. Dieses Haftungskonzept benachteiligt den Erwerber nicht unangemessen, weil § 25 HGB nach geltendem Recht nur auf Kaufleute Anwendung findet. Voraussetzung fUr die Kaufinannseigenschaft ist grundsätzlich der Betrieb eines Handelsgewerbes, d.h. das Erfordernis eines nach Art und Umfang in kaufinännischer Weise eingerichteten Geschäfsbetriebs. Ausnahmsweise ist die Eintragung in das Handelsregister ausreichend. In beiden Fällen tritt der Kaufinann mit dem Handelsverkehr in Kontakt und sollte damit über die Fähigkeiten verfUgen, in Erfahrung zu bringen, unter welchen Vorausetzungen er bei dem Erwerb und der Fortfilhrung eines Unternehmens haftet. Das Mittel, mit dem das Gesetz seinen auf Verkehrs schutz gerichteten Zweck verfolgt, liegt demnach in einer Umkehr der Initiative. Es ist in den Fällen der Firmenfortfilhrung nicht Sache der Gläubiger, sich darüber Gewißheit zu verschaffen, ob der neue Inhaber ihre Forderungen bezahlt, sondern es ist Sache der Veräußerungsparteien, nach außen tätig zu werden, wenn sie diese Rechtsfolgen nicht wollen 9 • Im umgekehrten Fall, wenn die Finna nicht fortgefilhrt wird, ist nach außen erkennbar, daß der Erwerber filr die bestehenden Verbindlichkeiten nicht haftet. In diesem Fall gehen die Gläubiger leer aus. Bereits diese Ausfilhrungen zeigen, daß der Gläubigerschutz bei dem Haftungskonzept des § 25 HGB zwar eine Rolle spielt; gleichwohl kann der Gläubigerschutz aber nicht der alleinige Zweck des § 25 HGB sein, denn ansonsten wäre nicht erklärlich, warum es letztlich in der Hand des Erwerbers liegt, ob er den Gläubigem haftet oder nicht. Das Zusammenspiel zwischen der FortfUhrung des Unternehmens und den verschiedenen Publizitätselementen stellt die Besonderheit des § 25 HGB dar. Hieraus wird das Haftungskonzept deutlich. Nach dem weiterentwickelten

8 9

Canaris, Festschrift Frotz, 11, 17. So ausdrücklich Großkomm.HGBlHüffer § 25 Rn 30.

§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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Haftungskonzept des § 25 HGB begründet die Fortfllhrung des Unternehmens die Haftung des Erwerbers fllr die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten. Von dieser grundsätzlich bestehenden Haftung kann der Erwerber sich nur lösen, wenn er sich der in § 25 HGB vorgegebenen Publizitätselemente bedient. B. Fallgestaltungen Vier denkbare Fallgestaltungen des § 25 HGB verdeutlichen das vorbezeichnete Haftungskonzept der grundsätzlich mit der Fortfllhrung des Unternehmens entstehenden Haftung bei gleichzeitiger Möglichkeit der Enthaftung filr den Erwerber. Die erste Fallgestaltung besteht in der Fortfllhrung des Unternehmens und der Firma durch den Erwerber. In diesem Fall wird die Haftung durch die Fortfilhrung des Unternehmens begründet. Der Finnenfortfilhrung kommt, wie auch die Theorie der Unternehmenskontinuität und die Theorie der Erfilllungsübernahme annehmen, ausschließlich Indizwirkung filr die Unternehmensfortfilhrung zu. Beläßt es der Erwerber dabei, greift zu seinen Gunsten keine der Enthaftungsalternativen ein. Die durch die Unternehmensfortfilhrung begründete Haftung bleibt bestehen. Den Gläubigern wird der Nachweis der Unternehmensfortfilhrung durch die Fortfilhrung der Finna erleichtert. Die zweite Fallgestaltung liegt vor, wenn der Erwerber zwar das Unternehmen fortfilhrt, jedoch auf eine Fortfilhrung der Finna verzichtet. Dies hat nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 25 HGB zur Folge, daß der Erwerber filr die bestehenden Verbindlichkeiten des Unternehmensinhabers nicht haftet. Das hier vertretenen Haftungskonzept erklärt diese Rechtsfolge, weil der Erwerber sich von der grundsätzlich infolge der Unternehmensfortfilhrung begründeten Haftung lösen konnte. Er hat dazu von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch die Nichtfortfilhrung der Finna ein Element des Handelsrechts zu wählen und dem Rechtsverkehr zu verdeutlichen, er stehe trotz der Unternehmensfortfilhrung filr die bestehenden Verbindlichkeiten nicht ein. In diesem Fall stellt die Nichtfortfilhrung der Finna eine Enthaftungsmöglichkeit filr den Erwerber dar. Die dritte Fallgruppe ist verwirklicht, wenn der Erwerber zwar das Unternehmen und die Finna fortfilhrt, aber von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 HGB Gebrauch macht. Er läßt in das Handelsregister eintragen bzw. macht gegenüber den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmensinhabers die Vereinbarung bekannt, er hafte filr die bestehenden Verbindlichkeiten nicht. Haftungsbegründend wirkt auch in dieser Konstellation die Fortfilhrung des Unternehmens. Hierfilr stellt die Finnenfortfilhrung ein Indiz dar. Da der Erwerber jedoch von der Enthaftungsmöglichkeit des § 25 Abs.2 HGB und damit von einem Merkmal handelsrechtlicher Publizität Ge-

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

brauch gemacht hat, kann er von den Gläubigern des ursprünglichen Unternehmensinhabers nicht in Anspruch genommen werden. Die vierte Fallgestaltung beinhaltet den umgekehrten Fall. Der Erwerber fUhrt das Unternehmen ohne die Finna fort. Er macht jedoch von der Möglichkeit des § 25 Abs. 3 HGB Gebrauch und scham einen besonderen Verpflichtungsgrund, indem er die Übernahme der Haftung in das Handelsregister eintragen läßt oder die Haftungsübernahme den Gläubigern bekanntmacht. Im Ergebnis haftet der Erwerber filr die in dem Unternehmen entstandenen Verbindlichkeiten. Nach dem hier vertretenen Haftungskonzept ist das folgerichtig. Durch die Fortfiihrung des Unternehmens wird die Haftung des Erwerbers begründet. Der Verzicht auf die Fortfiihrung der Finna bewirkt eigentlich eine Lösung des Erwerbers von der grundsätzlich durch die Fortfiihrung des Unternehmens begründeten Haftung. Die Bekanntmachung im Handelsregister oder die Bekanntmachung an die Gläubiger, dennoch filr die Verbindlichkeiten einstehen zu wollen, stellt einen zusätzlichen besonderen Verpflichtungsgrund dar. Dieser besondere Verpflichtungsgrund hat mit der haftungsbegründenden Wirkung der Unternehmensfortfilhrung und den Enthaftungsmöglichkeiten des § 25 HGB nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen eigenen Haftungstatbestand, der von dem Haftungskonzept des § 25 HGB zu unterscheiden ist. Das wird bereits durch den Wortlaut des § 25 HGB deutlich. Die Haftung des Erwerbers nach § 25 Abs. 3 HGB widerspricht folglich dem hier vertretenen Haftungskonzept von der grundsätzlich durch die Unternehmensfortfiihrung begründeten Haftung und der Möglichkeit der Enthaftung ftlr den Erwerber nicht. Die vier vorbezeichneten Fallgestaltungen zeigen, daß der Erwerber sich der Publizitätsmittel des Handelsrechts bedienen muß, um seine fehlende Eintrittspflicht dem Handelsverkehr kundbar zu machen und um nicht wegen des fortgefUhrten Unternehmens von den Gläubigern des ursprünglichen Inhabers in Anspruch genommen zu werden.

C. Begründung des Haftungskonzeptes Das soeben dargestellte, hier vertretene Haftungskonzept des § 25 HGB der grundsätzlichen Begründung der Haftung durch die Fortfiihrung des erworbenen Unternehmens und die gleichzeitig bestehende Möglichkeit des Erwerbers, sich von dieser grundsätzlich bestehenden Haftung durch die in § 25 HGB vorgesehenen Möglichkeiten zu lösen, ist zu begründen. Entscheidend ftlr die Vertretbarkeit dieses Haftungskonzepts ist die Untersuchung, aus welchen Gründen allein die Fortftlhrung des Unternehmens und nicht die Fortftlhrung der Firma das haftungsbegründende Merkmal des § 25 Abs. 1 HGB ist.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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In einem zweiten Schritt ist die Besonderheit des § 25 HGB zu erklären, den Erwerber unter bestimmten Voraussetzungen von der grundsätzlich bestehenden Haftung freizustellen. Das vorbezeichnete Haftungskonzept muß nach den anerkannten Kriterien der Gesetzesauslegung vertretbar sein. Die Untersuchung erfolgt anhand des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte, der systematischen Auslegung und der Auslegung nach dem Zweck der Norm. I. Wortlaut

Zunächst erschließt sich aus dem Wortlaut als Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm 1o das aus Haftungsbegründung und Haftungsfreistellung bestehende Konzept des § 25 HGB. § 25 HGB ordnet grundsätzlich eine Haftung des Erwerbers an, weil er "das unter Lebenden erworbene Handelsgeschäft fortfilhrt". Da unter Handelsgeschäft nach heutiger Auslegung das Unternehmen verstanden wird, ist vom Wortlaut der grundsätzliche Eintritt der Erwerberhaftung unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenskontinuität umfaßt. Wie bereits bei der Darstellung des Haftungskonzepts ausgeftihrt, kommt der Firmenfortfilhrung nach dem Wortlaut des § 25 HGB aufgrund der vielfach möglichen Kombinationen der in § 25 Abs. 2 und Abs. 3 HGB aufgefilhrten Publizitätselemente keine haftungsbegründende Wirkung zu 11.

11. Historische Auslegung

Weiterhin stellt sich die Frage, ob das hier vertretene Haftungskonzept dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wie er bei der ersten Fassung des § 25 HGB und in der Folgezeit bis heute zum Ausdruck gekommen ist. Die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm in Verfolgung dieser Absicht erkennbar getroffenen Wertentscheidungen sind eine tUr die Auslegung verbindliche Richtschnur l2 . Dem Wandel der Normsituation kommt dabei unter den Faktoren eine hervorragende Bedeutung zu, die zu einer Überprüfung und damit zu einer Änderung der bisherigen Auslegung einer Norm Anlaß geben. Es handelt sich darum, daß die tatsächlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten, die der Gesetzgeber vor Augen hatte, als er die Regelung schuf, sich in solcher

10 11 12

Larenz, Methodenlehre, S. 313. Siehe oben, 2. Teil § I A., B. Larenz, Methodenlehre, S. 328.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Weise geändert haben, daß die gegebene Nonn den geänderten Verhältnissen nicht mehr gerecht wird. Es ist der Zeitfaktor, der sich bemerkbar macht l3 . 1. Denkschrift Ein Ansatzpunkt, von welchen Motiven sich der historische Gesetzgeber bei der Schaffung des § 25 HGB leiten ließ, könnte sich aus der Denkschrift zum Handelsgesetzbuch ergeben. Die Denkschrift hebt vier Gesichtspunkte hinsichtlich des Sinns und Zwecks des § 25 HGB hervor. Ihr ist zu entnehmen, die Übertragung des Handelsgeschäfts filhre nicht notwendig zum Übergang von Schulden und Forderungen; der Erwerber übernehme die einen wie die anderen nur dann, wenn die Parteien das beabsichtigt haben l4 • Weiterhin wird in der Denkschrift ausgefilhrt, zum Übergang von Aktiva und Passiva habe sich eine Verkehrsanschauung gebildet, wonach der jeweilige Inhaber der Finna als der Verpflichtete und Berechtigte angesehen werde. Weiterhin erkläre der Erwerber mit der Fortfllhrung der Firma seine Absicht, in die Geschäftsbeziehungen des früheren Inhabers einzutreten. Schließlich solle die Absichtserklärung es rechtfertigen, der konstatierten Verkehrsanschauung entgegenzukommen 15. Das Ergebnis dieses Entgegenkommens ist die Regelung des § 25 HGB I6 • Die Ausfilhrungen der Denkschrift sind im Laufe der Zeit nachhaltig kritisiert worden. Diese Kritik basiert darauf, die Regelungsabsicht der Gesetzesverfasser komme in der Denkschrift wegen ihres mehrdeutigen Sinnes nicht hinreichend zum Ausdruck 17 • Die angefilhrten Einwände gehen jedoch zu weit. Der Gesetzgeber wollte bei der Regelung des § 25 HGB wegen des unmittelbaren Bezugs zum Begriff des Handelsgeschäfts und der hierzu vertretenen unterschiedlichen Auffassungen nicht entscheidend eingreifen, sondern vielmehr vennitteln l8 • In der Konsequenz liest sich die Denkschrift zum Handelsgesetzbuch wie ein Spiegelbild sämtlicher vertretenen Meinungen. Sie kann wegen ihrer Mehrdeutigkeit jeder dogmatischen Einordnung des § 25 HGB als Beleg dienen, die eine der seit jeher zum Unternehmen vertretenen Auffassungen zugrunde legt. Daher eignet sich die Denkschrift allenfalls dazu, ein aus dem Gesetz entwickeltes Konzept mit dem Argument zu stUtzen, daß es sich innerLarenz, Methodenlehre, S. 350. Hahn-Mugdan VI, S. 218 (36). 15 Hahn-Mugdan VI, S. 219 (36). 16 Großkomm.HGBlHüffer § 25 Rn 21. 17 So etwa Heckelmann, Festschrift Bartholomeyczik, S. 129, 133; Pisko in Ehrenberg, S. 255. 18 Waskönig, S. 7. IJ

14

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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halb der Bandbreite der damals vertretenen und bedachten Auffassungen bewegt19. Auch das in dieser Arbeit vertretene Haftungskonzept des § 25 HGB steht im Einklang mit den Wertungen der Denkschrift. Die Haftung des Erwerbers wird begründet durch die Fortfilhrung des Unternehmens. Hierbei handelt es sich um ein Kontinuitätskriterium. Der historische Gesetzgeber knüpfte die Haftung des Erwerbers ebenfalls an ein Kontinuitätskriterium an. Er sah es jedoch in der Fortfilhrung der Firma, weil die Verkehrskreise sie als Trägerin des Handelsgeschäftes ansahen. Diese Einordnung der Firma wertet der Gesetzgeber selbst als fälschlich; denn die Firma ist nicht Trägerin von Rechten und Pflichten, sondern lediglich der Name des Kaufmanns. Die Firma bezeichnet aber im alltäglichen Sprachgebrauch das Unternehmen20. Berücksichtigt man dies, läßt sich vertreten, der ursprüngliche Gesetzgeber habe die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB an das Element anknüpfen wollen, auf das sich die Rechte und Pflichten beziehen, um der Kontinuität Rechnung zu tragen. Hierbei handelt es sich aber nicht um die Firma, sondern um das Unternehmen 21 . Dem in dieser Arbeit vertretenen Konzept könnte der Einwand aus historischer Sicht entgegenstehen, die Denkschrift weise aus, mit der bloßen Übertragung des Handelsgeschäftes oder deren Kundmachung könne der Eintritt in die Geschäftsschulden nicht verbunden werden, weil es Tatfrage sei, ob die Parteien dies beabsichtigt haben. Dies steht der haftungsbegründenden Wirkung der Unternehmensfortfilhrung jedoch nicht entgegen. Es bedeutet vielmehr, daß die Unternehmenskontinuität nicht zwingend angeordnet sein sollte. Der Vereinbarung der Parteien sollte Geltung verschafft werden. Aus diesem Grund wurde die Haftung des Erwerbers dispositiv ausgestaltet. Weiterhin kommt in der Denkschrift zum Ausdruck, der Rechtsverkehr solle durch die Erwerberhaftung geschützt werden. Den Anknüpfungspunkt ft!r den Verkehrsschutz sieht der Gesetzgeber aber in der Fortfilhrung der Firma. Das zeigt, daß auch Verkehrsschutzgesichtspunkte bei der Ausgestaltung des § 25 HGB eine Rolle spielten. Die Verkehrsschutzgesichtspunkte erfassen jedoch entgegen der Denkschrift nicht nur die Firmenfortfilhrung, sondern alle Elemente des § 25 HGB, die auf handelsrechtliche Publizität gerichtet sind. Daher sind die öffentliche Bekanntmachung und die Eintragung in das Handelsregister ebenfalls unter Verkehrsschutzgesichtspunkten zu würdigen. Bei der Bestimmung des Normzwecks sollte zusätzlich eine weitere Passage der Denkschrift berücksichtigt werden. Dort heißt es 22, die Lage des Schuldners 19

20

21 22

Waskönig, S. 7. Hübner, HdR, Rn 42 ausdrücklich. Siehe unten 2.Teil § 1 C. III. 2. a). Hahn-Mugdan VI, S. 219 (37).

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2. Teil: Plädoyer fiir ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

werde erschwert, wenn ihm zwei Gläubiger statt eines gegenüberständen und auch die Rechte des Erwerbers werden gefiihrdet, wenn sein Vorgänger das Recht hätte, über die Forderungen zu verfilgen. Diese Ausruhrungen verdeutlichen, warum zwar eine gesamtschuldnerische Haftung rur Schulden zwischen den Veräußerungsparteien, nicht aber eine Gesamtberechtigung statuiert wird. Es zeigt sich, daß die Gesetzesverfasser um eine interessengerechte Abwicklung der Übernahme des Unternehmens bemüht waren. Die Geschäftsbeziehungen der Gläubiger mit dem Erwerber als jetzigem Inhaber des Handelsgeschäfts sollten einen möglichst ungestörten Fortgang nehmen können 23 • Im Anschluß an die Denkschrift ist es möglich, § 25 HGB als eine Gläubigerschutzvorschrift anzusehen. Es lassen sich trotz des mehrdeutigen Wortlautes Anhaltspunkte rur die haftungsbegrUndende Wirkung der Unternehmensfortftlhrung fmden. Die Denkschrift bringt weiterhin zum Ausdruck, daß den Veräußerungsparteien die Möglichkeit belassen werden sollte, bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen die Frage der Übernahme von Verbindlichkeiten und Forderungen selbst zu regeln. Das in dieser Arbeit weiterentwikkelte Haftungskonzept berücksichtigt diese Wertungen des Gesetzgebers. 2. Entstehungsgeschichte

Da die Denkschrift die ratio legis des § 25 HGB nicht eindeutig zum Ausdruck bringt, wird die historische Entwicklung der Haftung des Geschäftsübernehmers bis zur Verabschiedung des § 25 HGB untersucht. Sie könnte über das Haftungskonzept der getroffenen Regelung genaueren Aufschluß geben. Die Rechtsentwicklung im 19. Jahrhundert macht die im vorbezeichneten Abschnitt aufgefllhrten Erwägungen des Gesetzgebers verständlich. Die Frage der Erwerberhaftung wurde erstmals 1826 aufgegriffen24 • Im frühen Schrifttum 25 finden sich die Grundpositionen, die zum Haftungsgrund des § 25 HGB bis heute vertreten werden. Ein Teil der Lehre 26 hebt auf das Unternehmen als Inbegriff der Aktiva und Passiva ab und hält eine Schuldenhaftung des jeweiligen Unternehmensinhabers rur unausweichlich. Hier kommt die Auffassung zum Tragen, das Unternehmen erschöpfe sich nicht in einem Inbegriff von Vermögensgegenständen. Zu den einzelnen Bestandteilen des Vermögens trete vielmehr ein dynamischer Aspekt hinzu, der seine Ursache im Auftreten des GeWaskönig. S. 107. Tabor, Beitrag zur Erörterung der Verbindlichkeiten, welche aus dem Eintritt in eine Handlungsfirma entspringen; Frankfurt 1826. 25 Vgl. die Darstellungen bei Waskönig, S. 54 ff. und bei Brockmeier. S. 4 ff. 26 Endemann, S. 54 ff. 23

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§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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schäfts im Wirtschaftsverkehr habe. Indem es seinem Inhaber als Einkommensquelle diene, fördere das Handelsgeschäft den Güterumsatz der Volkswirtschaft und gewinne einen eigenen selbständigen Charakter, der es von der Person des Kaufmanns abhebe. Das Unternehmen wurde daher schon frühzeitig als "Verkehrssubjekt" angesehen27 • Hier wird bereits die Loslösung des Unternehmens von seinem Inhaber und die eigenständige Funktion deutlich, welche dem Unternehmen im Rechtsverkehr zukommt. Andere Autoren 28 setzen dagegen bei den das Unternehmen tragenden Personen an und erblicken im Übergang der Aktiva und Passiva den Gegenstand privatautonomer Regelung der am Unternehmensübergang beteiligten Vertragsparteien. Der Gesetzgeber folgte diesem Begründungsansatz, freilich ohne die Klärung der wichtigen Frage, warum trotz einer angeblichen Erklärung durch die FirmenfortfUhrung gerade eine gesetzliche Normierung der Haftung fiIr erforderlich gehalten wurde. Die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts stellte sich auf den Standpunkt, eine Firmen- und Geschäftsfortfiihrung ohne besondere Kundbarmachung einer Haftungsübernahme gegenüber den Gläubigem des ursprünglichen Geschäftsherrn könne nicht zu einer Haftung des Erwerbers fUhren 29 • Das Reichsoberhandelsgericht ließ grundsätzlich die Parteivereinbarung darüber entscheiden, ob der neue Inhaber Schuldner und Gläubiger wird. Nur einen einzigen Haftungstatbestand mit Außenwirkung erkannte das Gericht an. Das war die öffentliche Bekanntmachung, vornehmlich in öffentlichen Blättern oder durch Zirkulare 30 . Der Bekanntmachung in handelsüblicher Weise kam damit eine besondere Bedeutung fiIr die Haftung des Erwerbers zu. Im Sinne des Verkehrsschutzes hatte dies die positive Folge, daß der Erwerber aufgrund dieser Erklärung auch dann haftete, wenn dieser eine entsprechende Vereinbarung mit dem Erwerber nicht zugrunde lag. Das Reichsoberhandelsgericht wollte den Fortbestand der Geschäftsbeziehungen mit dem Erwerber von einem Umstand aus der Sphäre der Veräußerungsparteien abhängig machen, verschaffte den Belangen des Handelsverkehrs aber insoweit Rechnung, als es seine Wirkungen von intern getroffenen Absprachen ablöste. Demgegenüber war die Rechtsprechung des Reichsgerichts uneinheitlich 31 . Im Jahre 1880 entschied das Reichsgericht32 jedoch erstmals, die Übernahme des Geschäfts unter der Beibehaltung der bisherigen Firma habe dieselbe Wirkung wie die handelsübliche BekanntEndemann, S. 58. Vgl. die Darstellung bei Waskönig, S. 60 f. 29 ROHGE 1,62,66; 2, 46, 47 f; 2,151,154 f; 3, 333; 3, 360, 363; 4, 5; 11, 149, 153; 16,271,272; 21, 232, 233. 30 ROHGE 1,62,68 f; 11, 149, 153. 3\ Vgl. die Darstellung bei Waskönig, S. 100 ff. 32 RGZ 2, 48, 55. 27

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8 Theißen

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

gabe einer passiven Schuldübernahme. Hieraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber eine Nebenlinie höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgegriffen und zum Grundsatz erklärte, während die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts in § 25 Abs. 3 HGB ihre Fortfilhrung fand 33 . Diese geschichtliche Entwicklung der zu § 25 HGB vertretenen Auffassungen und die Berücksichtigung der beiden gegensätzlichen Grundpositionen stützt das hier vertretene Haftungskonzept der haftungsbegrUndenden Wirkung der Unternehmensfortfilhrung und der gleichzeitig bestehenden Möglichkeit des Erwerbers, sich von dieser Haftung wieder zu lösen. Der Übernahme des Handelsgeschäfts wurde die gleiche Wirkung zugemessen wie den Zirkularen, nämlich eine haftungsbegründende Wirkung. Gleichzeitig sollte aber auch den Vereinbarungen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Unternehmens Geltung verschaffi werden, um der so wichtigen privatautonomen Gestaltung der UnternehmensUbertragung Geltung zu verschaffen. Daher sollte die Haftung des Erwerbers nicht zwingend sein, sondern dem Erwerber und dem Inhaber des Unternehmens die Möglichkeit bieten, eine Vereinbarung zur Geltung zu bringen, welche dem Erwerber nicht alle Verbindlichkeiten und Forderungen des Unternehmens zuwies. Dieser Wille einer abweichenden Vereinbarung mußte aus Verkehrsschutzgesichtspunkten aber bestimmte Formen der handelsrechtlichen Kundbarmachung berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um die in § 25 HGB angesprochenen Möglichkeiten. Der gewählte Ausgangspunkt der haftungsbegründenden Wirkung der Fortfiihrung eines Unternehmens, um die funktionelle Einheit und die dazu gehörenden Außenbeziehungen aufrechtzuerhalten, fmdet sich bereits in der Entstehungsgeschichte des § 25 HGB. Die Entstehungsgeschichte stützt daher die hier vertretene Auffassung zum Haftungsgrund des § 25 HGB.

3. Wille des Gesetzgebers bis heute Um eine abschließende Entscheidung zu treffen, ob die historische Auslegung die in dieser Arbeit vertretene Haftungskonzeption und den Grund der Erwerberhaftung stützt oder nicht, ist der Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen, wie er bis heute in weiteren Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist, die § 25 HGB direkt oder indirekt betreffen.

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Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 25.

§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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a) § 25 HGB

§ 25 HGB ist seit seiner Entstehung unverändert geblieben. Aus den Änderungen des Handelsgesetzbuches lassen sich daher keine Erkenntnisse über einen geänderten Willen des Gesetzgebers entnehmen. b) Umwandlungsgesetz Aus den Materialien des Umwandlungsgesetzes ergibt sich, daß die von dem neuen Umwandlungsgesetz eröffueten Möglichkeiten der Umwandlung in allen ihren Formen neben die nach allgemeinem Zivil- und Handelsrecht bereits möglichen Methoden der Umstrukturierung eines Unternehmens treten. Insbesondere die anerkannte Methode der Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge bleibt ausdrücklich erhalten34 • Der Gesetzgeber hat also einen geänderten Willen zu § 25 HGB nicht zum Ausdruck gebracht. Das Umwandlungsgesetz trägt darüber hinaus der gesteigerten Bedeutung des Unternehmens Rechnung. Zwar knüpft das Umwandlungsgesetz bewußt nicht an den Unternehmensbegriff an 3S , um der Diskussion um den Unternehmensbegriffnicht vorzugreifen; gleichwohl treten die beabsichtigen Wirkungen, insbesondere der Gläubigerschutz, bei der Übertragung von Unternehmen und Unternehmensteilen, nach dem Umwandlungsgesetz ein. c) Insolvenzordnung Ein weiteres Gesetz, das im Rahmen der historischen Auslegung des § 25 HGB Berücksichtigung finden muß, ist die Insolvenzordnung, die am 01.01.1999 in Kraft tritt, und das entsprechende Einftlhrungsgesetz. Durch Artikel 33 Nr. 16 des Einftlhrungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGlnsO) wird § 419 BGB aufgehoben. Gleichzeitig wurde von einer Änderung des § 25 HGB abgesehen. Wie bereits ausgeftlhrt36 , kam es dem Gesetzgeber insbesondere darauf an, bei der entgeltlichen Geschäftsübertragung37 die freie außergerichtliche Sanierung von Unternehmen zu verbessern38 • Eine gleichzeitige Änderung des § 25 HGB sah der Gesetzgeber nicht als erforderlich an. Insbesondere an der dispositiven Ausgestaltung der Haftung des § 25 HGB zeige

34 35 36

37 38

I.RegE - UmwBerG, BR-Drucks. 75/94 vom 04.02.1994, zu § I. Punkt 11. der amtlichen Begründung des Umwandlungsgesetzes. Siehe oben l.TeH § 2 B. 11. Schmidt-Räntsch, Einzelerläuterungen, Artikel 33 Rn 7. Schmidt-Räntsch, Einzelerläuterungen, Artikel 33 Rn 11.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

sich, daß der Nonnzweck der Vorschrift mit dem des § 419 BGB nicht identisch see 9 • Der Wille des Gesetzgebers, die Sanierungsmöglichkeiten bei Unternehmen zu verbessern und die Haftung des Erwerbers zu begrenzen, sagt nichts über den Haftungsgrund des § 25 HGB aus. Soweit die amtliche Begründung ausfiihrt, eine kontinuierliche Haftung des jeweiligen Unternehmensinhabers stehe dem eindeutigen Wortlaut des § 25 HGB entgegen und sei daher abzulehnen, läßt sich hieraus kein Gegenargument ft1r das in dieser Arbeit vertretene Haftungskonzept ableiten. Der Haftungsgrund wird nicht einseitig in der haftungsbegründenden Wirkung der Unternehmensfortfllhrung gesehen, sondern berücksichtigt ebenfalls unter Verkehrsschutzgesichtspunkten die Möglichkeiten des Erwerbers, seine Haftung auszuschließen. Das ist, wie bereits gezeigt, mit dem eindeutigen Wortlaut des § 25 HGB vereinbar. Diese Weiterentwicklung des Haftungsgrundes setzt sich nicht der vorbezeichneten Kritik aus. Insgesamt steht damit der im Rahmen der Insolvenzordnung zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers dem hier vertretenen Haftungskonzept nicht entgegen. 4. Zusammenfassung

Die historische Auslegung, insbesondere die Entstehungsgeschichte des § 25 HGB, stützt den hier vertretenen Haftungsgrund vom Eingreifen der Erwerberhaftung bei der UnternehmensfortfUhrung und gleichzeitiger Enthaftungsmöglichkeit des Erwerbers. Der in der Zeit seit dem Inkrafttreten des § 25 HGB bis heute zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers, insbesondere zum Umwandlungsgesetz und der Insolvenzordnung, steht der hier vertretenen Haftungskonzeption nicht entgegen.

III. Systematische Auslegung

Das aus der Theorie der Unternehmenskontinuität weiterentwickelte Haftungskonzept, das dem Erwerber eines Unternehmens die Lösung von einer grundsätzlich bestehenden Haftung ennöglicht, muß weiterhin der systematischen Auslegung standhalten. Der Sinn eines einzelnen Rechtssatzes erschließt sich zumeist erst dann, wenn man ihn als Teil der Regelung betrachtet,

39

Schmidt-Räntsch, Einzelerläuterungen, Artikel 33 Rn 14.

§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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der er zugehört40 . Die Frage nach dem Bedeutungszusammenhang leitet dabei bereits zu teleologischen Kriterien über41 • Gerade die systematische Auslegung kann die filr die hier vertretene Haftungskonzeption zunächst entscheidende Frage beantworten, ob es ein Prinzip des Inhalts gibt, daß bei der kontinuierlichen Fortfilhrung eines Unternehmens die Verbindlichkeiten auf den Erwerber übergehen. Hierbei ist es wichtig, das besondere duale Haftungskonzept des § 25 HGB in den systematischen Zusammenhang einzuordnen. Es muß deutlich werden, aus welchen Gründen die Fortfilhrung des Unternehmens das haftungsbegrundende Element des § 25 HGB ist und die weiteren Tatbestandsmerkmale der Lösung von dieser Haftung dienen. J. Kontinuitätsprinzip im Bürgerlichen Recht

Zur Untersuchung des Prinzips, ob unter Kontinuitätsgesichtspunkten der neue Inhaber eines Zuordnungsobjektes gesamtschuldnerisch mit dem ursprünglichen Inhaber filr die auf das Zuordnungsobjekt bezogenen Verbindlichkeiten haftet, bietet es sich an, ähnliche Fälle des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu betrachten. Es handelt sich um Normen, die einen gesetzlichen Schuldbeitritt darstellen und damit § 25 HGB, der ebenfalls als gesetzlicher Schuldbeitritt42 eingeordnet wird, vergleichbar sind. In Betracht kommen die §§ 419,565 und 613 a BGB als bürgerlich-rechtliche Normen des gesetzlichen Schuldbeitritts. Das Bürgerliche Recht kann Ausgangspunkt fiir eine eigentlich handelsrechtliche Frage sein, da es nach Art. 2 EGHGB ergänzende Anwendung fmdet. a) § 4198GB Zunächst bietet sich § 419 BGB an, um zu untersuchen, ob dieser Vorschrift das Prinzip der haftungsbegründenden Wirkung eines Zuordnungsobjekts zugrunde liegt und ob Parallelen zu § 25 HGB hergestellt werden können.

40 41

42

Larenz, Methodenlehre, S. 325. Larenz, Methodenlehre, S. 328. MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 38.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

aa) Allgemeines § 419 BGB regelt die Haftung des Übernehmers eines Vermögens eines anderen. Diese Haftung ist zwingend. Die rechtsgeschäftliche Vermögensübernahme hat die Wirkung eines gesetzlichen Schuldbeitritts43 •

Die Haftung des § 419 BGB greift ein, wenn nahezu das gesamte Vermögen auf den Übernehmer übergegangen ist. Hierbei ist unter Vermögen das Aktivvermögen zu verstehen; Verbindlichkeiten gehören nicht dazu. Die Übernahme des Vermögens setzt den dauernden Entzug der Haftungsgrundlage voraus44 • Die Literatur zu § 419 BGB ist vielfältig4s . Einigkeit besteht darüber, daß es sich bei § 419 BGB um eine Gläubigerschutzvorschrift handelt. Die Gläubiger können den Übernehmer eines Vermögens gesamtschuldnerisch mit dem ursprünglichen Inhaber des Vermögens in Anspruch nehmen. Der Haftungsgrund des § 419 BGB beruht auf dem Gedanken, den Gläubigem das Vermögen des Schuldners, das die natürliche Grundlage des diesem gewährten Kredites im weitesten Sinne bildet, als Zugriffsobjekt zu erhalten46 • Aus diesem Grund kommt es auf eine vereinbarte oder erbrachte Gegenleistung nicht an47 • Das ist Ausdruck der Wertung, wonach die Schulden eines Rechtsträgers Lasten des Vermögens sind und daher bei dessen Übertragung mit übergehen müssen 48 • Der Zweck der Norm besteht darin, die Schulden dem Aktivvermögen nachfolgen zu lassen49 • Die Gläubiger werden auf diese Weise vor der Übertragung des Vermögens als Ganzes geschützt. Sie sind schutzbedürftig, weil es sich um die bewußte Entledigung der gesamten Grundlagen durch den Schuldner handelt, welche die Grundlage des Kredits der Gläubiger sind. Die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger ist insoweit anders zu beurteilen als bei einem schleichenden Vermögensverfall des Schuldners, vor dem die Gläubiger nicht geschützt sind. Diese Ausfllhrungen machen bereits den Grund der Haftung deutlich. Der Erwerber haftet, weil den Gläubigem die Haftungsmasse des Schuldners erhalten bleiben soll; denn das Vermögen stellt die Grundlage des Kredites dar. Das Vermögen ist das Zuordnungsobjekt der Haftung. Hierbei handelt es sich um ein Kontinuitätskriterium. Entscheidend ist die Kontinuität des Vermögens als Zuordnungsobjekt, weil allein das Vermögen es dem jeweiligen Inhaber ermögPalandtJHeinrichs § 419 Rn 13. MünchKomm.BGB/Möschel § 419 Rn 25. 45 Vgl. hierzu MünchKomm.BGB/Möschel vor der Kommentierung zu § 419. 46 BGHZ 27,257,260; 62, 101; 108.320,323; 111, 14, 15; PalandtJHeinrichs § 419 Rn 2; MünchKomm.BGB/Möschel § 419 Rn I. 47 BGH NJW-RR 1988,996,997; ZIP 1993, 128, 129: Holzap/ellPöllath Rn 554. 48 BGHZ 27, 257, 260; 62, 101; 108,320; 323; 111, 14, 15; PalandtJHeinrichs § 419 Rn 2; MünchKomm.BGB/Möschel § 419 Rn I. 49 MünchKomm.BGB/Möschel § 419 Rn 6. 43

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§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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licht, die bestehenden Verbindlichkeiten zu erftlllen. Insgesamt trägt § 419 BGB dem Übergang der Haftungsmasse auf eine Dritte Person Rechnung, auf welche die Gläubiger des ursprünglichen Inhabers des Vermögens keinen Einfluß nehmen konnten. Gegen die Kontinuität der Haftung aufgrund der Vermögensübernahme ftlr die Verbindlichkeiten spricht nicht der Einwand, der vielfach gegen die Haftungsfondstheorie im Rahmen des § 25 HGB vorgebracht wird. Die Haftung des § 419 BGB ist nicht auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränkt. Die Haftung des Übernehmers ist vielmehr der Erbenhaftung nachgebildet. Der Übernehmer haftet grundsätzlich mit seinem gesamten Vermögen persönlich, kann dieses aber auf das übernommene Vermögen gegenständlich beschränken50 • Diese Beschränkung tritt nicht automatisch ein, sondern muß von dem Übernehmer herbeigefilhrt werdensl . Als Ergebnis bleibt festzuhalten: § 419 BGB ist Ausdruck eines Kontinuitätsprinzips. Die Gläubiger werden vor den Gefahren der Übertragung des gesamten Vermögens ihres Schuldners geschützt und können den Übernehmer des Vermögens wegen der bestehenden Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen. Der Haftungsgrund besteht in der Übernahme der Rechtsgesamtheit, auf welcher der Kredit des Schuldners beruht. Entscheidend ist, daß die Gläubiger auf die Übernahme dieser Haftungsmasse keinen Einfluß hatten und von der Beziehung zwischen Erwerber und ihrem Schuldner ausgeschlossen waren. bb) Vergleichbarkeit Das vorbezeichnete Ergebnis kann ftlr die dogmatische Einordnung und das Haftungskonzept des § 25 HGB nur Bedeutung haben, wenn § 419 BGB und § 25 HGB vergleichbare Vorschriften sind. Zwar wird betont, die Voraussetzungen und die Funktion des § 419 BGB und des § 25 HGB seien unterschiedlich; ihr Anwendungsbereich decke sich daher nichtS2 • Gleichwohl ist durch die bestehenden Unterschiede nicht ausgeschlossen, daß beiden Vorschriften ftlr unterschiedliche Sachverhalte das gleiche Prinzip zugrunde liegt. Beide Normen haben zur Folge, daß die Gläubiger vor der Übertragung des jeweiligen Zuordnungsobjektes geschützt werden, indem der Erwerber des Vermögens bzw. des Unternehmens ihnen haftet. Während sich § 419 BGB auf das Vermögen als Rechtsgesamtheit bezieht, ist das Zuordnungsobjekt des 50

SI S2

So ausdrücklich MünchKomm.BGB/Möschel § 419 Rn 44,39. MünchKomm.BGB/Möschel § 419 Rn 45. Vgl. nur Staudinger/Kaduk § 419 Rn 152 ff.

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2. Teil: Plädoyer fiir ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

§ 25 HGB das Unternehmen als Rechtsgesamtheit. In beiden Fällen sind die Interessen der Gläubiger betroffen, weil sie keinen Einfluß darauf nehmen können, ob der ursprüngliche Inhaber die Rechtsgesamtheit, welche den Gläubigem als Haftungsmasse und dem Schuldner als Grundlage fiir seinen Kredit zur Verrugung steht, auf den Erwerber überträgt.

Die Unterschiede und Modifikationen bei der Vorschriften erklären sich demgegenüber aufgrund der verschiedenen Lebenssachverhalte. § 419 BGB gilt allgemein fiir alle Verbindlichkeiten, sowohl fiir persönliche als auch rur unternehmensbezogene Verbindlichkeiten. Demgegenüber betrifft § 25 HGB nur einen Teilbereich, nämlich das handelsrechtliche Unternehmen mit seinen Besonderheiten. Aus diesem Grund sind die Möglichkeiten des Erwerbers, einer grundsätzlich bestehenden Haftung zu entgehen, den Gegebenheiten des Handelsrechts angepaßt. Es handelt sich um Publizitätselemente, die dem normalen bürgerlich-rechtlichen Geschäftsverkehr nicht zur Verfugung stehen. Aus diesem Grund hat der Übernehmer eines Vermögens allenfalls die Möglichkeit, seine grundsätzlich bestehende unbeschränkte und persönliche Haftung auf das übernommene Vermögen zu beschränken. Weitere Möglichkeiten der Enthaftung stehen ihm nicht zur Verfugung, so daß seine Haftung zwingend ist. Das Fehlen einer Beschränkungsmöglichkeit nach § 25 HGB im Gegensatz zu § 419 BGB auf den Bestand der übernommenen Bestandteile steht der Zuordnung beider Vorschriften zum Prinzip der haftungsbegrUndenden Wirkung der kontinuierlichen Fortruhrung des Zuordnungsobjekts nicht entgegen. Die Haftung allein mit den übernommenen Bestandteilen ist kein unabdingbares Element dieses Prinzips5J. Insoweit unterscheidet sich das hier vertretene Haftungskonzept nicht vom Prinzip der Vermögensübernahme. Da der Erwerber jedoch sowohl bei der Übernahme eines Vermögens als auch bei der Übernahme eines Unternehmens jederzeit unkontrolliert auf den Bestand der übernommenen Vermögensmasse Zugriff nehmen kann, bedarf der Verzicht auf die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung bei § 25 HGB einer Begründung54 • Das gilt um so mehr als beide Fallgestaltungen die Singularsukzession betreffen55 . Zusammenfassend ist § 419 BGB Ausdruck des Prinzips, daß sich die Haftung fiir Verbindlichkeiten an die Übertragung des jeweiligen Haftungsgegenstandes bindet. § 419 BGB bildet dabei einen Anwendungsfall des Kontinuitätsprinzips im Bürgerlichen Recht. Der in § 419 BGB geregelte Sachverhalt ist dabei mit der in § 25 HGB geregelten Situation vergleichbar. Die unbestreitbaren Unterschiede beider Vorschriften erklären sich aus den Besonder-

53 54 55

Waskönig, S. 37, fiir das Prinzip der Vermögensübernahme. Waskönig, S. 37. Zur Begründung siehe unten 2. Teil § I C. IV.

§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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heiten, denen § 25 HGB als handelsrechtliche Vorschrift Rechnung tragen muß. Hierauf wird später zurückzukommen sein. b) § 556 Abs. 3 BGB Als weitere Ausprägung des Prinzips der Kontinuität im Bürgerlichen Recht kommt § 556 Abs. 3 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung von einem Dritten zurückfordern, falls sein Mieter dem Dritten die Sache zum Gebrauch überlassen hat. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen gesetzlichen Schuldbeitritt. Es stellt sich daher die Frage, ob in dieser Vorschrift ebenfalls ein haftungsbegründender Kontinuitätsgesichtspunkt zum Ausdruck kommt. Der Vermieter erlangt durch § 556 Abs. 3 BGB einen eigenen vertraglichen Rückforderungsanspruch gegen einen Dritten, dem sein Vertragspartner den Gebrauch der Mietsache befugt oder unbefugt überlassen hat. Der Dritte ist in diesem Fall Schuldner der Rückgabeverpflichtung. Der Bezugspunkt dieser Verpflichtung ist das Mietobjekt. In den Fällen des § 556 Abs. 3 BGB stellt sich eine ganz ähnliche Ausgangslage dar wie bei § 419 BGB oder § 25 HGB. Die Durchsetzung der Ansprüche des Gläubigers ist gefährdet, weil ohne seine Beteiligung der Zuordnungsgegenstand seiner Forderung auf einen Dritten übertragen worden ist. Der Mieter ist grundsätzlich Schulder rur die Rückgabe der Mietsache an den Vermieter. Überläßt der Mieter den oder die gemieteten Gegenstände einem Dritten, ohne daß der Vermieter als Gläubiger hierauf Einfluß nehmen könnte, dann wäre die Durchsetzbarkeit der Forderung des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache ohne den gesetzlichen Schuldbeitritt des § 556 Abs. 3 BGB gefährdet. Das gilt um so mehr, wenn der Vermieter nicht gleichzeitig Eigentümer der vermieteten Sache ist. Für die Errullung der Rückgabeverpflichtung haften daher der Mieter und der Dritte gesamtschuldnerisch. Zuordnungsobjekt der durch die kontinuierliche Fortfilhrung begründeten Haftung ist in diesem Fall die Mietsache. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Gesamtheit einzelner Gegenstände wie das Vermögen oder das Unternehmen, sondern um einen Einzelgegenstand. Daher ist neben § 419 BGB auch § 556 Abs. 3 BGB Ausdruck eines Prinzips, das die Haftung eines Dritten an die Übernahme eines Haftungsobjektes, hier des Gebrauchs des Mietgegenstandes, knüpft. Hierbei wird das Kontinuitätsprinzip, das im Bürgerlichen Recht verschiedenen Haftungsnormen zugrundeliegt, deutlich.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

c) § 613 a BGB § 613 a BGB bietet sich ebenfalls fiir eine Untersuchung an, inwieweit die Kontinuität eines Zuordnungsobjektes eine haftungsbegrUndende Wirkung fiir denjenigen hat, der das jeweilige Zuordnungsobjekt übernimmt. Nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt derjenige, auf den ein Betrieb oder Betriebsteil übergegangen ist, in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Als Zweck dieser Haftungsanordnung filr den neuen Betriebsinhaber werden unterschiedliche Aspekte angesehen. Zum einen wird als Zweck der Schutz der Arbeitnehmer durch Sicherung der Arbeitsplätze angefilhrtS6 • Das hilft filr die hier zu entscheidende Frage nicht weiter. Darüber hinaus bezweckt § 613 a BGB den Schutz der Funktion und der Kontinuität des Betriebss7 • Wegen dieses Schutzzwecks ist § 613 a BGB zwingends8 . Voraussetzung rur das Eingreifen der Haftung des § 613 a BGB ist die Übertragung eines Betriebs oder eines Betriebsteils. Gerade die Haftung bei der Übertragung eines Betriebsteils macht eine Untersuchung des § 613 a BGB hinsichtlich der in dieser Arbeit untersuchten Frage der Haftung des Erwerbers eines Unternehmensteils interessant. Um zu entscheiden, ob es sich bei dem Betrieb und dem Betriebsteil um Zuordnungsobjekte handelt, welche durch ihre FortfUhrung die Haftung des Übernehmers begründen, muß geklärt werden, was genau darunter zu verstehen ist. aa) Betrieb Der Betrieb wird defmiert als eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Inhaber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgts9. Der Betriebsübergang muß nach außen deutlich werden; das ist aber bereits dann der Fall, wenn der neue Inhaber in bestehende Liefer- und Bezugsbeziehungen eintritt60 • Kernpunkt ist der Übergang der sachlichen Grundlage rur die Erbringung der Arbeitsleistung der mit dem Betrieb verbundenen Arbeitnehmer. Die Übernahme einzelner Maschinen ohne organisatori-

S6 S7

HolzapjellPöl/ath Rn 580; PalandtiPutzo § 613 a Rn l. PalandtlPutzo § 613 a Rn I.

S8 Allg. Meinung: BAG NJW 1982, 1607; NJW 1986, 454, 455; PalandtiPutzo §613aRn7. 59 BAG DB 1985, 2459, 2460; ZIP 1988. 1272, 1274; Moll AnwBI 1991. 282. 285; HolzapjellPöllath Rn 581; zum Ganzen Schwanda, S. 49 ffund 147. 60 BAG DB 1985,2459.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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sche Zusammenfassung genügt hierfilr nicht. Vielmehr muß der Erwerber in der Lage sein, mit den vorhandenen und übertragenen sachlichen und immateriellen Betriebsmitteln den Betrieb weiterzufilhren61 • Aus diesem Grund ist nicht erforderlich, daß alle Wirtschafts güter übergehen. Teile des Betriebsvermögens, die filr die Fortfilhrung unwesentlich sind, bleiben außer Betracht. Bei einem Dienstleistungsunternehmen können daher das Know-How und die Kundenbeziehungen im Vordergrund stehen62 • Der Betrieb muß weiterhin auf Dauer angelegt sein. Wie sich aus dem Erfordernis der betrieblichen Organisation ergibt, ist eine über einen gewissen Zeitraum fortgesetzte Betätigung, ein Betreiben, notwendig63 • Entscheidend filr den Übergang des Betriebs ist das Vorliegen eines Funktionszusammenhangs von ökonomischem Eigenwert64 • Es darf sich dabei nicht allein um die Übertragung einer bloßen Ansammlung von Wirtschaftsgütern handeln. Vielmehr ist die innere Verknüpfung zwischen den einzelnen Betriebsmitteln, d.h. das Vorliegen einer organisatorischen Einheit, unabdingbare Voraussetzung filr die Übertragung eines Betriebs6s . Der Betrieb stellt als organisierte Einheit aber auch die Grundlage filr das Bestehen der Arbeitsplätze dar. Bei einer Übertragung des Betriebs wird den Arbeitnehmern die Grundlage entzogen, ihre Arbeitsleistung zu erbringen und ihren Vergütungsanspruch zu erwerben. Daher gehen die Arbeitsverhältnisse auf den neuen Betriebsinhaber über. Hinsichtlich der bestehenden Verbindlichkeiten, die bis zum Übergang des Betriebs entstanden sind, haften den Arbeitnehmern der ursprüngliche Inhaber und der Erwerber als Gesamtschuldner. Insoweit handelt es sich bei § 613 a BGB um einen gesetzlichen Schuldbeitritt. Auch bei § 613 a BGB zeigt sich die haftungsbegründende Wirkung der kontinuierlichen Fortfilhrung des Zuordnungsobjekts, auch aus Gründen des Gläubigerschutzes. Die Arbeitnehmer als Gläubiger vielfllitiger Forderungen gegen den Betriebsinhaber sind an der Übertragung des Betriebs nicht beteiligt. Um sie zu schützen und ihre Ansprüche weiter verwirklichen zu können, ist die gesamtschuldnerische Haftung des ursprünglichen Betriebsinhabers und des Erwerbers gesetzlich angeordnet. Die Privatautonomie der Veräußerungsparteien wird insoweit beschränkt.

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6S

BAG ZIP 1988,1272, 1274; OB 1989,2176; Holzap[ellPöllath Rn 581. BAG OB 1985, 2459; 2460; BAG OB 1989, 2176; Holzap[ellPöllath Rn 581. Schwanda, S. 95. Schwanda, S. 234; kritisch Pietzko, S. 18. Loritz RdA 1987,65,69; Schwanda, S. 234 f.

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2. Teil: Plädoyer für ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

bb) Betriebsteil Interessanterweise knüpft § 613 a BGB die vorbezeichneten Rechtsfolgen nicht nur an den Übergang eines ganzen Betriebes, sondern läßt den Übergang eines Betriebsteils hierftlr ausreichen. Das legt die ftlr diese Arbeit bedeutsame Frage nahe, aus welchen Gründen die Übertragung eines Teils des Zuordnungsgegenstandes die Haftung des neuen Betriebsinhabers ftlr Verbindlichkeiten begründen kann, die zum Zeitpunkt der Übertragung des Betriebsteils bestanden. Der Betriebsteil wird defmiert als eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebes, mit dem ein Teilzweck66 innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks verfolgt wird. Arbeitsrechtliche Entscheidungen, den Übergang eines Betriebsteils betreffend, stellen im wesentlichen auf das Bestehen einer Teilorganisation und auf die Fortftlhrungsmöglichkeit eines arbeitstechnischen Teilzwecks ab 67 • Teilbetriebe sind dagegen organisatorisch verselbständigte Tätigkeiten mit ihren wesentlichen Betriebsgrundlagen68 . Zur Qualifikation als Betriebsteil gehört eine gewisse Abgrenzbarkeit vom übrigen Betrieb. Diese ist insbesondere bei Nebenbetrieben und Betriebsabteilungen mit eigenem Aufgabengebiet gegeben69• Als Beispiele könnte man die Druckerei eines Verlages, Filialen des Handels und des Bankgewerbes, den Vertrieb eines Unternehmens, Betriebsschlosserei, Kantine, Hochbauabteilung eines Bauunternehmens, Fuhrpark und dergleichen mehr nennen 70 • Entscheidend ftlr die Bestimmung, ob ein Betriebsteil vorliegt, ist die Abgrenzung zu der Veräußerung einzelner beweglicher Anlagegüter oder einer Summe von Wirtschaftsgütern. Es handelt sich um ein ähnliches Problem wie bei der Abgrenzung eines Unternehmensteils. Die Frage, ob ein Betriebsteil übernommen worden ist, hängt entscheidend davon ab, ob der neue Inhaber mit den übernommenen Betriebsmitteln und der übernommenen Organisation den Betriebsteil und den mit ihm verfolgten Teilzweck im wesentlichen unverändert fortfUhren kann 71. Beim Betriebsteil handelt es sich um einen lebenden Organismus, der es dem Erwerber in Zukunft erlaubt, dasselbe unternehmerische Teilprodukt in Form von Gütern und Dienstleistungen herzustellen 72 • Der Be-

BAG NJW 1986, 450, 454; HolzapfellPöllath Rn 582. BAG AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, S. 3 VS; Schwanda, S. 234 f; Loritz RdA 1987,65,69; Moll AnwB11991, 282, 286. 68 HolzapfellPöl/ath Rn 142. 69 HolzapfellPöl/ath Rn 582. 70 HolzapfellPöllath Rn 582. 71 BAG AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, S. 3 VS; Schwanda, S. 234 f; Loritz RdA 1987, 65. 69; HolzapfellPöl/ath Rn 583. 72 Schwanda, S. 234 f; Loritz RdA 1987, 65, 68; Pietzko, S. 18. 66 67

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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triebsteil muß einen eigenen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten vennögen 73 • Allein die Übertragung einer Sachgesamtheit oder eines Teils reicht hierfilr nicht aus. Es handelt sich dann um den Übergang von Bestandteilen des Betriebs, die einen Uber den bloßen Sachwert hinausgehenden, wirtschaftlichen Eigenwert repräsentierenden Funktionszusammenhang nicht verkörpern. Ohne einen entsprechenden, die einzelnen Betriebsteile verbindenden Funktionszusammenhang ist die Leistung eines eigenständigen Beitrags zur Wertschöpfung nicht möglich 74 • Wird die zugehörige Organisation mitUbertragen, wird der über den bloßen Gebrauchswert hinausgehende funktionale Zusammenhang der übertragenen Betriebsmittel ennöglicht. Hieraus läßt sich entnehmen, daß absolut verläßliche Kriterien ftlr die Abgrenzung von Betriebsteilen nicht gegeben werden können. Insbesondere beim Übergang des Betriebsteils ist es erforderlich zu unterscheiden, ob es sich um das betriebliche Substrat und damit um die Übertragung einzelner Vennögensbestandteile oder die Fortfilhrung betrieblicher Aufgaben handelt. Damit zeigt sich auch bei der Übertragung eines Betriebsteils die haftungsbegrUndende Wirkung der kontinuierlichen Fortfilhrung des Zuordnungsobjekts. Dies dient ebenfalls dem Gläubigerschutz. Die Arbeitnehmer als Gläubiger vielflUtiger Forderungen gegen den Betriebsinhaber sind an der Übertragung des Betriebsteils nicht beteiligt. FUr sie bedeutet die Übertragung des Betriebsteils ebenfalls eine Geflihrdung ihrer Arbeitsplätze und Forderungen gegen den Inhaber des Betriebsteils. Um sie zu schUtzen und ihre Ansprüche weiter verwirklichen zu können, ist die gesamtschuldnerische Haftung des ursprünglichen Inhabers des Betriebsteils und des Erwerbers gesetzlich angeordnet. Die Privatautonomie wird insoweit beschränkt. cc) Folgerungen Sowohl für die Übertragung eines Betriebs wie auch eines Betriebsteils hat sich gezeigt, daß sie Ausdruck der haftungsbegrUndenden Wirkung des Kontinuitätsprinzips sind. In beiden Fällen wird das Zuordnungsobjekt, mit Hilfe dessen die Ansprüche der Arbeitnehmer als Gläubiger erfilllt werden können, ohne ihre Mitwirkung auf einen Dritten übertragen. Um den Erwerber in Anspruch nehmen zu können, ist die gesamtschuldnerische Haftung des § 613 a BGB erforderlich. Auf diese Weise wird dem SchutzbedUrfuis der Arbeitnehmer Rechnung getragen.

73 74

Willemsen ZIP 1986,477,482. Schwanda, S. 239; Willemsen ZIP 1986,477,481.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Festzuhalten bleibt, daß dieses Prinzip nicht nur bei der Übertragung des gesamten Zuordnungsobjekts, sondern ebenfalls bei der Übertragung eines Teils des Zuordnungsobjekts eingreift.

dd) Vergleichbarkeit Zu prüfen ist, ob die zu § 613 a BGB gefundenen Ergebnisse Aussagekraft fiir die Begründung des Haftungskonzepts nach § 25 HGB haben. Das wäre der Fall, wenn die geregelten Fallgestaltungen grundsätzlich vergleichbar wären.

Gemeinsam ist Unternehmen und Betrieb, daß ihnen Vermögensbestandteile unterschiedlicher Art zugeordnet sind, mit Hilfe derer sie mittels einer entsprechenden Organisation einen bestimmten Zweck verfolgen. Unternehmen und Betrieb unterscheiden sich jedoch in ihrer Zweckbestimmung. Das Verhältnis kann dahingehend bestimmt werden, daß ein Betrieb oder mehrere Betriebe dem Unternehmen dienen 7s . Der arbeitstechnische Zweck des Betriebs ist mithin das Mittel, um die dahinterstehende unternehmerische Zielsetzung zu realisieren76 • Nicht übersehen werden darf, daß der Unternehmensbegriff, dem neben der arbeitsrechtlichen Organisationseinheit Betrieb noch weitere Bestandteile zugeordnet sind, wie etwa Goodwill und weitere wirtschaftliche Werte, regelmäßig der weitere Begriff ise 7 • So hat etwa eine Betriebsstillegung keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Unternehmensfortbestand. Umgekehrt können mehrere Betriebe ein Unternehmen bilden. Das ist etwa dann der Fall, wenn wirtschaftlich getrennte Ziele verfolgt werden. Diese Unterschiede in der Zweckbestimmung wirken sich jedoch nicht auf den Grund der angeordneten Haftung des jeweiligen Erwerbers aus, unabhängig davon, ob ein Unternehmen oder ein Betrieb Gegenstand des Erwerbs ist. In beiden Fällen wird das Zuordnungsobjekt für die Rechte und Pflichten übertragen. Wegen des Schutzbedürfuisses der von der Übertragung eines Unternehmens oder eines Betriebs betroffenen Gläubiger ist die Haftung in beiden Fällen unbeschränkt. Das gleiche ergibt sich aus der Regelung der Haftung des Erwerbers eines Betriebsteils. Da auch er das Zuordnungsobjekt übernommen hat, haftet er, um den Schutz der Arbeitnehmer als Gläubiger zu gewährleisten. Betont werden muß, daß die Haftung in diesem Fall ebenfalls unbeschränkt ist. Diese Situation ist mit der Übertragung eines Unternehmensteils vergleichbar. Sowohl der Be-

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Schwanda, S. 49 ff. Schwanda, S. 51. Schaub § 18 IV.

§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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triebsteil als auch der Unternehmensteil stellen Teilorganisationen dar, denen bestimmte Bestandteile zugeordnet werden. Sie unterscheiden sich alleine durch den verfolgten Zweck. Beim Betriebsteil handelt es sich um einen arbeitstechnischen und beim Unternehmensteil um einen wirtschaftlichen Zweck. Die Übertragung von Teilen steht der Haftungskontinuität also nicht entgegen, solange die Teile so abgegrenzt und verfestigt sind, daß sie selbst als Zuordnungsobjekt angesehen werden können. Von der Grundstruktur der Haftungsanordnung sind § 613 a BGB und § 25 HGB vergleichbar. Erklärungsbedürftig ist jedoch, aus welchen Gründen die Haftung in § 613 a BGB zwingend ausgestaltet ist, in § 25 HGB aber dispositiv. Dieser Punkt betrifft die Frage, in welchem Maße sich der jeweilige Erwerber von der grundsätzlich bestehenden Haftung lösen kann. Dies wird bedingt durch die Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Gläubiger. Im Arbeitsrecht, zu dem § 613 a BGB gehört, wird die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer besonders hoch angesetzt. Aus diesem Grund ist die Haftung des Erwerbers zwingend. Er hat keine Möglichkeit, sich hiervon zu lösen. Alleine der Arbeitnehmer hat das Recht, durch einen rechtzeitigen Widerspruch die Rechtsfolgen des § 613 a BGB zu verhindern. Demgegenüber handelt es sich in den von § 25 HGB erfaßten Fallgestaltungen um "normale" Gläubiger des Unternehmensinhabers. Diese sind zwar grundsätzlich schutzbedürftig, aber nicht in gleichem Maße wie Arbeitnehmer. Hinzu kommt, daß es sich um Gläubiger handelt, die sich im Handelsverkehr bewegen. Den Belangen des Handelsverkehrs muß ebenfalls Rechnung getragen werden. Die Veräußerbarkeit von Unternehmen soll nicht über Gebühr erschwert werden. Aus diesem Grund ist dem Erwerber des Unternehmens ein Instrumentarium an die Hand gegeben, mit Hilfe dessen er seine Haftung mit Mitteln des Handelsrechts ausschließen kann. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß § 613 a BGB eine Ausgestaltung des Prinzips der Haftungskontinuität und mit § 25 HGB vergleichbar ist. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Haftung steht dem nicht entgegen. Die zwingende Abdingbarkeit der Haftung in § 613 a BGB rechtfertigt sich nach dem Maß des jeweiligen Verkehrs schutzes, der im Arbeitsrecht zum Schutz der Arbeitnehmer umfassend ausgeprägt ist. d) Zusammenfassung Gemeinsam ist den Fällen des gesetzlichen Schuldbeitritts, daß die Gläubiger bei der Fortfilhrung ihrer Haftungsgrundlage durch einen anderen auf diese noch bestehende Haftungsgrundlage nicht zurückgreifen können, obwohl sie auf den Übertragungsvorgang gar keinen Einfluß hatten. Der Gesetzgeber ordnete in den Fällen, in denen der neue Inhaber das Zuordnungsobjekt übernommen hat, die gesamtschuldnerische Haftung neben dem ursprünglichen Schuldner an.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Daher kommt dem Kontinuitätsgedanken in den angefilhrten Fällen des gesetzlichen Schuldbeitritts haftungsbegrUndende Wirkung zu. Diese Wirkung ist jedoch nicht grundsätzlich zwingend, sondern nach dem Zweck des jeweiligen Verkehrsschutzes abdingbar. Das Prinzip der haftungsbegründenden Kontinuität liegt der Haftungsanordnung verschiedener Normen des Bürgerlichen Rechts zugrunde, die grundsätzlich mit der in § 25 HGB geregelten Situation vergleichbar sind. Das vorbezeichnete Prinzip kann daher als allgemeines Prinzip des Zivilrecht festgestellt werden. 2. Regelungsmechanismus des § 25 HGB

Nachdem die haftungsbegrUndende Wirkung der FortfUhrung eines Zuordnungsobjekts im Zivilrecht festgestellt worden ist, schließt sich die Untersuchung an, ob § 25 HGB ebenfalls Ausdruck dieses Prinzips ist. Kann dies bejaht werden, dann wirkt die Übertragung des Unternehmens haftungsbegründend. Voraussetzung hierftlr ist, daß das handelsrechtliche Unternehmen ein Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten ist. Falls dies zutrifft, stellt sich die weitere Frage, aus welchen Gründen der FirmenfortfUhrung eine andere Bedeutung zukommt. Es ist weiterhin zu untersuchen, in welchem Verhältnis § 25 HGB zu §§ 28, 130 und 173 HGB steht. Hierüber gibt das Regel-/ Ausnahmeprinzip des § 25 HGB Aufschluß. a) Unternehmenskontinuität als haftungsbegründendes Element Im Vordergrund der nachfolgenden Überlegungen steht die Frage, aus welchem Grund die Fortfilhrung des handelsrechtlichen Unternehmens zu einem gesetzlich angeordneten Schuldbeitritt filhrt und den Gläubigern grundsätzlich den Zugriff auf das gesamte Vermögen des Erwerbers eröffnet. Die Rechtsnatur des handelsrechtlichen Unternehmens könnte Aufschluß darüber geben, ob das Unternehmen ein Zuordnungsobjekt filr Rechte und Pflichten ist und damit im Rahmen des § 25 HGB haftungsbegründende Wirkung entfalten kann. Hierbei sind drei Begriffe zu unterscheiden: Unternehmen, Unternehmensträger und Firma. Das handelsrechtliche Unternehmen ist, wie bereits gezeigt, eine organisierte Einheit am Markt. Demgegenüber ist der Unternehmensträger der Inhaber des Unternehmens. Er ist das Rechtssubjekt und damit der Träger von Rechten und Pflichten. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Firma um den Namen des Unternehmensinhabers, mit dem er am Markt auftritt. Die Firma ist nur ein Identifizierungsmerkmal.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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Obwohl über die Rechtsnatur des Unternehmens seit langer Zeit Uneinigkeit bestehes, verdeutlicht diese Begriffsbestimmung einen wesentlichen Punkt. Das handelsrechtliehe Unternehmen ist kein Rechtsträger. Es ist neben natürlichen und juristischen Personen nicht Subjekt der Zuordnung von Rechten, Pflichten und Rechtsverhältnissen 79 • Diese Funktion des Rechtsträgers kann nur dem Inhaber des Unternehmens zukommen. Das handelsrechtliche Unternehmen ist damit kein Rechtssubjekt. Das Handelsgeschäft als handelsrechtliches Unternehmen wird zum Teil als Rechtsgegenstand angesehenso. Das Gesetz selbst sehe in § 22 HGB die Veräußerung oder die Vererbung des handelsrechtlichen Unternehmens vor, weil das Unternehmen mehr sei als die Summe der in ihm zusammengefaßten Einzelgegenstände. Diese Einordnung der Rechtsnatur des Unternehmens als Rechtsobjekt überzeugt jedoch nicht. Zwar ist die Übertragbarkeit des Unternehmens im Handelsgesetzbuch in § 22 HGB und in anderen Gesetzen, z.B. in § 1833 Ziffer 3 BGB, § 143 Ziffer 1 KO und § 151 Abs. 2 VVG vorgesehen. Ein subjektives Recht, mittels dessen ein handelsrechtliches Unternehmen übertragen werden könnte, besteht gerade nicht. Das Unternehmen an sich kann in einem Schritt nicht übertragen werden. Vielmehr sind die einzelnen zu dem Unternehmen gehörenden Bestandteile einzeln zu übertragenSI, wenn nicht eine Form der Umwandlung nach dem Umwandlungs gesetz gewählt wird. Das ist eine Folge des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips und des Publizitätsprinzips. Weiterhin wäre die Verkehrssicherheit geflihrdet, weil das Unternehmen nicht scharf vom übrigen Vermögen des Unternehmensinhabers getrennt istS2 . Hiergegen spricht auch nicht die Gesamtrechtsnachfolge, wie sie im Umwandlungsgesetz in Fällen der Verschmelzung vorgesehen ist. Eine solche Anordnung fehlt gerade im Handelsgesetzbuch. Das Unternehmen wird in der heutigen Literatur als VermögensgesamtheitS3 , als ein "eigenartiges Sondervermögen"S4 angesehen, ohne gleichzeitig Rechtsobjekt zu sein. Es weise Ähnlichkeiten mit dem Schiffsvermögen, dem Grundvermögen, dem mittelalterlichen Lehnsvermögen aufS. Ihnen sei gemeinsam,

V gl. zur geschichtlichen Darstellung Raiser, S. 69 ff. Roth, HdR, § 3 1. b); K. Schmidt ZGR 1992,621,623; ders.. HdR, § 4 IV; a.A. Raiser. S. 171. 80 Großkomm.HGB/Hüjfer Vor § 22 Rn 6; AA. Roth, HdR, § 3 I. 8\ Gierke/Sandrock § 13 IV. 2. b); Baumbach/Hopt Einl v § 1 Rn 42. 82 RGZ 68, 49.51 f; BGH NJW 1968,392.393; Gierke/Sandrock § 13 IV. 2. b). 83 RGZ 69, 49, 51 f; BGH NJW 1968, 392; Hübner, HdR, Rn 51; Roth HdR § 3 1. a); a.A. Canaris § 1. III., der die Untersuchung der Rechtsnatur des handelsrechtlichen Unternehmens als nicht lohnend ansieht. 84 Gierke/Sandrock § 13 IV. 2. 85 Gierke/Sandrock § 13 IV. 2. a). 78

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9 Theißen

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2. Teil: Plädoyer tUr ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

daß sich um einen Hauptbestandteil regelmäßig Bestandteile und Zubehör in mannigfaltiger Weise gruppierten. Bezeichnend sei jedoch die Zweckbindung der zugeordneten Bestandteile, die es wegen ihres wirtschaftlichen Wertes zu erhalten gelte86 . Auf dem zweckgebundenen Vermögenskomplex, nicht auf der Person beruhe der von Dritten gewährte Kredit87 . Gerade diese Zweckbindung kennzeichnet das Unternehmen als Zuordnungsobjekt. Es ist nicht nur eine reine Bezeichnung im Objektbereich, sondern ein "wirtschaftlicher Bezugspunkt ftlr rechtliches Handeln,,88. Wie bereits gezeigt89, ist das Unternehmen als organisatorische Einheit mehr als die Summe der Vermögensgegenstände. Als organisatorische Einheit ist sie ein IdentifIkationspunkt ftlr die Gläubiger und Schuldner des "Unternehmens", genauer des Unternehmensträgers. Hinzu kommt, daß die Unternehmenssphäre sich gegenüber der Sphäre des Inhabers verselbständigt90. Diese Verselbständigung fmdet ihren Ausdruck in der Veräußerlichkeit des Unternehmens. Die Möglichkeit der Führung einer Firma spricht ebenfalls ftlr die Verselbständigung der Unternehmenssphäre. Obwohl nach § 17 HGB die Firma als Name des Kaufmanns bezeichnet ist, unter der er seine Geschäfte betreibt, so spricht § 2 HGB von der "Firma des Unternehmens". Diese Selbständigkeit der Unternehmenssphäre ist gleichwohl nicht so weitgehend, daß von einem Rechtssubjekt oder von einem Rechtsobjekt gesprochen werden könnte. Die Selbständigkeit, welche das Unternehmen als organisierte Einheit aufweist, rechtfertigt es jedoch, das Unternehmen als Bezugs- und IdentifIkationspunkt ftlr Gläubiger und Schuldner des Unternehmensinhabers91 anzusehen. Das handelsrechtliche Unternehmen ist damit das Zuordnungsobjekt fllr unternehmensbezogene Rechte und Pflichten des jeweiligen Inhabers. Weiterhin fIndet diese Verselbständigung des Unternehmens ihre Stütze in § 2 HGB. § 2 HGB a.F. wurde eingefllhrt, um den Anwendungsbereich des HGB nicht nur gewerblichen Betrieben, die eine begrenzte Anzahl von Handelsgeschäften betreiben, zu eröffnen, sondern den Betrieb jedes kaufmännisch betriebenen gewerblichen Unternehmens dem Handelsrecht zu unterstellen. Im Keim war damit eine unternehmensrechtliche Anknüpfung in dem neuen Ge-

86 Bekker ZHR 4 (1861), 499, 554 ff; Gierke/Sandrock § 13 IV 2. a); Hübner, HdR, Rn 51 filhrt aus, die Einordnung des Unternehmens als Sondervermögen sei wegen der Zweckbindung zu bejahen. 87 Bekker ZHR 4 (1861), 499, 553. 88 Roth, HdR, § 3 I. b); Waskönig, S. 52 f. 89 Siehe oben I. Teil § I A. 11. 90 Raiser, S. 16; Baumann AcP 184 (1984), 48, 49. 9\ Roth, HdR, § 3 I. b); Baumann AcP 184 (1984), 48, 49.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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setzgebungskonzept angelegt92. Durch das Handelsrechtsrefonngesetz wird dieser Punkt noch verdeutlicht; denn gewerbliche Unternehmen, die nicht schon nach § 1 Abs. 2 HGB n.F. ein Handelsgewerbe betreiben, werden nach § 2 HGB n.F. durch die Eintragung ihrer Finna in das Handelsregister dem Handelsrecht unterstellt. Diese Einordnung des Unternehmens als Zuordnungsobjekt wird weiterhin gestützt durch seine wirtschaftliche Bedeutung. In einer arbeitsteiligen Wirtschaft werden über den Tätigkeitsbereich des Unternehmens zu anderen Wirtschaftssubjekten mehr oder weniger enge Beziehungen geknüpft. Die besondere Art der Beziehungen, die von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich ist, gibt dem Unternehmen sein besonderes Gepräge. Es handelt sich um Bezugsgelegenheiten, Absatzmärkte, Finanzierungsquellen und ähnliches. Hieraus resultiert die Bedeutung des Unternehmens im gesamtwirtschaftlichen Güterverkehr und der Wert, den es für seinen Inhaber hat93 • Die vielfältigen Verbindungen, welche durch den Tätigkeitsbereich des Unternehmens aufgenommen werden, finden ihren juristischen Niederschlag im Abschluß von Verträgen und sonstigen rechtlich bedeutsamen Handlungen und Unterlassungen. Die hieraus entstehenden Forderungen und Verbindlichkeiten erhalten ihren eigentlichen Sinn durch die unternehmerische Organisation, auf die sie bezogen sind94 • Eine Trennung der Forderungen und Verbindlichkeiten vom Unternehmen löst diesen Bezug zum Unternehmen auf. Die enge Einbindung von Forderungen und Verbindlichkeiten in das Unternehmen gilt nicht nur, soweit die Erbringung der jeweiligen Leistung ihrer Natur nach vom Vorhandensein der unternehmerischen Organisation abhängig ist, sondern filr alle unternehmensbezogenen Forderungen und Verbindlichkeiten95 . Diese Zuordnung der Forderungen und Verbindlichkeiten zum Unternehmen beeinflußt das Verhalten derer, die mit ihm in Beziehung stehen, aber auch die Dispositionen der Veräußerungsparteien selbst, soweit sie an einer Erhaltung der organisierten Einheit interessiert sind96 • Das typische Interesse, die Unternehmensbindung von Geschäftsbeziehungen zu erhalten, wird gestört, wenn das Unternehmen veräußert wird. Geht das Unternehmen über, droht die den Geschäftsbeziehungen innewohnende Aussicht auf erneute Geschäftsabschlüsse für die Zukunft verloren zu gehen97.

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Henssler ZHR 161 (1997), 13, 18. Waskönig, S. 43. 94 Waskönig, S. 43. 95 Waskönig, S. 44; Pisko in Ehrenberg, S. 244; Schricker ZGR 1972, 121, 144. 96 Waskönig, S. 44 f. 97 Waskönig, S. 44; Heckelmann, Festschrift Bartholomeycik, 129, 142; Krejci ÖJZ 1975, 449, 458; Gerlach, S. 40. 93

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

§ 25 HGB trägt dieser Bedeutung des Unternehmens als organisatorischer Einheit, die im wirtschaftlichen Verkehr als Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten angesehen wird, Rechnung. Das Gesetz will den Zugriff der Gläubiger auf die in dem Unternehmen steckenden Werte erhalten. Da aber kein BedUrfuis fiir eine Befreiung des alten Schuldners besteht, tritt die gesetzliche Haftung des Erwerbers neben die Haftung des bisherigen Inhabers 98 • Die Unternehmensbindung von Geschäftsbeziehungen wird grundsätzlich aufrechterhalten, indem gesetzlich angeordnet wird, daß der Erwerber von den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmensinhabers filr die bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann. § 25 HGB geht von der grundsätzlichen Zusammengehörigkeit von Aktiven und Passiven aus99 und stellt dabei eine der Regeln des Handelsrechts dar, die filr die Zuweisung der unternehmerischen Rechte und Pflichten zum jeweiligen Unternehmensträger sorgen 100. Mit Hilfe des § 25 HGB wird die Unklarheit, an wen sich der Gläubiger bei einer Veräußerung des Unternehmens zu wenden hat, beseitigt. Sollte dies dem Willen der Veräußerungsparteien nicht entsprechen, sind sie verpflichtet, dies den Gläubigem mitzuteilen oder in handelsüblicher Weise bekannt zu machen. Dem Innenverhältnis kommt damit nur dann Wirksamkeit zu, wenn es nach außen in bestimmter Weise kundgetan wurde 10 I. Damit ist das Handelsgesetzbuch weder dem Vorschlag gefolgt, die unternehmensbezogenen Rechte und Pflichten in analoger Anwendung der Regeln über die Universalsukzession auf den Erwerber übergehen zu lassen 102 noch nach der Lehre von den Untern ehmenspertinenzen eine spezifische Zubehöreigenschaft zu postulieren 103. Daher ist der Anknüpfungspunkt der Haftung die Fortftlhrung des Unternehmens. Die vorbezeichnete Bindung der Forderungen und Verbindlichkeiten an das Unternehmen und die Fortfilhrung der Geschäftsbeziehungen ist nur sinnvoll, wenn das Unternehmen als organisierte Einheit erhalten bleibt. Aus diesem Grund ist der Schutz der Gläubiger durch die Inanspruchnahme des Erwerbers nur insoweit gewährleistet, als das Unternehmen fortgefilhrt wird lO4 . Eine Haftung kommt konsequenterweise nicht in Betracht, wenn das Unternehmen zerschlagen wird. Unklarheiten, die mit der Übertragung des Unternehmens verbunden sind, können überhaupt nur auftreten, wenn das Unternehmen im Rechtsverkehr nach So ausdrücklich SchlegelbergerlHildebrandtlSteckhan § 25 Rn 10. BOHZ 32, 60, 66. 100 K. Schmidt ZOR 1992,621,623; ders., HdR, § 4 V. 101 BOH ZIP 1992, 763, 764. 102 Kritisch hierzu Krejci ÖJZ 1975,449,452 f. 103 Oppikofer, S. 118 ff rur Rechte und Rechtsverhältnisse; Pisko in Ehrenberg, S. 202 frur unternehmensbezogene Sachen; kritisch hierzu Krejci ÖJZ 1975,449,453. 104 Waskönig, S. 50. 98

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§ I Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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außen in Erscheinung getreten ist. Nur in diesem Fall gibt es Gläubiger, die von der Übertragung des Unternehmens betroffen sind. Diese Außenwirkung kann zum einen durch das Auftreten unter einer bestimmten Firma erfolgen. Wird die Firma nach der Übertragung des Unternehmens weiter verwandt, dann wird dem Handelsverkehr signalisiert, das Unternehmen werde fortgefilhrt. Führt der neue Inhaber im umgekehrten Fall die Firma nicht fort, dann signalisiert er, er lege auf die Haftungskontinuität keinen Wert. Damit wird der Handelsverkehr von Schlüssen auf die Unternehmenskontinuität abgehalten und eine Unklarheit fUr die Gläubiger vermieden 105. Bereits aufgrund dieser Ausfilhrungen zeigt sich, daß die Fortfilhrung der Firma zwar mit der Außenwirkung des Unternehmens in Beziehung steht. Einerseits stellt sie aber nicht die einzige Möglichkeit dar, wie das Unternehmen nach außen in Erscheinung treten kann. Andererseits wird deutlich, daß sie mit der haftungsbegründenden Wirkung der Unternehmensfortfiihrung nichts zu tun hat. Dem Unternehmen kommt auch ohne die Fortfilhrung der Firma Außenwirkung zu, wenn etwa eine Geschäftsbezeichnung gefilhrt wird, wie Z.B. die Bezeichnung eines Hotels lO6 • Der Rechtsverkehr ist auch in diesen Fällen daran interessiert, die unternehmensbezogenen Rechte und Pflichten bei dem jeweiligen Unternehmensinhaber geltend machen und die Geschäftsbeziehungen unabhängig vom Inhaberwechsel aufrechterhalten zu können. Weiterhin kommt einem Unternehmen Außenwirkung zu, auch ohne eine Firma oder eine Geschäftsbezeichnung anzugeben, indem fUr das Unternehmen rein faktisch Geschäfte getätigt werden. Im Rahmen der Geschäftsabwicklung tritt der Unternehmensinhaber hinsichtlich der unternehmensbezogenen Rechte und Pflichten mit dem Rechtsverkehr in Kontakt. Auf diese Weise entwickeln sich Geschäftsbeziehungen. Für die Außenwirkung des Unternehmens ist damit nicht alleine die Firmenfilhrung entscheidend. Nicht in Abrede gestellt werden soll, daß es sich bei der Firmenfortfilhrung um die häufigste Art der Außenwirkung handelt. Aus diesem Grund kommt der Fortfilhrung der Firma der Charakter eines starken Indizes fUr die Unternehmensfortfilhrung ZU107. Es ginge jedoch zu weit, die Firmenfortfilhrung als das tragende und das die Haftungsanordnung rechtfertigende Element des § 25 HGB anzusehen 108. Die Fortfilhrung der Firma hat gerade keine haftungsbegründende Wirkung. Nach dem Wortlaut des § 25 HGB kommt es fUr die Erwerberhaftung auf die Fortfuhrung des Handelsgeschäfts, d.h. des handelsrechtlichen Unternehmens an. Entscheidend ist damit die Unternehmenskontinuität. Die Firma ist nach § 17 HGB Beuthien, NJW 1993, 1737, 1740. Vgl. hierzu K. Schmidt JuS 1997, 1069. 107 Lieb, Festschrift Börner, 747, 754; Wilhelm NJW 1986, 1797, 1798. 108 Lieb, Festschrift Börner, 747, 754; Großkomm.HGBIHÜffer § 25 Rn 28; Waskönig, S. 50; K. Schmidt ZHR 145,2, 18,23; ders., HdR, § 8 11. I. c). 105

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

aber nur der Name des Unternehmensinhabers, unter dem er im Handelsverkehr auftritt. Wäre die Finnenfortfilhrung haftungsbegrUndend, müßte es konsequenterweise auf eine Identität des Unternehmensinhabers ankommen. Das ist bei § 25 HGB aber gerade nicht der Fall. Vielmehr ist gerade der Wechsel des Unternehmensinhabers eine Voraussetzung rur die Begründung der Erwerberhaftung lO9 • Deshalb hat die Finnenfortführung mit der Haftungsbegründung des § 25 HGB nichts zu tun l1O • Nicht erforderlich ftlr die Begründung der Haftung nach § 25 HGB ist die Eintragung in das Handelsregister oder eine sonstige Bekanntmachung 1l1 . Hierauf wird bei der Darlegung der Folgen des hier vertretenen Haftungskonzeptes rur Unternehmensteile zurückzukommen sein. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die Fortfiihrung des Unternehmens das haftungsbegrUndende Tatbestandsmerkmal des § 25 HGB ist. Das Unternehmen ist zwar weder Rechtssubjekt noch Rechtsobjekt; gleichwohl ist es das Zuordnungsobjekt ftlr die unternehmensbezogenen Forderungen und Verbindlichkeiten. Demgegenüber kommt der Finnenfortfilhrung nur die Bedeutung eines Indizes ftlr die Fortfilhrung des Unternehmens zu. § 25 HGB trägt damit der Funktion des Unternehmens im Rechtsverkehr und den durch die Übertragung eines Unternehmens entstehenden Unklarheiten ftlr die Gläubiger Rechnung. b) Enthaftung als Möglichkeit ftlr den Erwerber Nachdem die haftungsbegrUndende Wirkung der Unternehmensfortftlhrung festgestellt worden ist, stellt sich die Frage, aus welchen Grunden der Gesetzgeber die Erwerberhaftung nicht zwingend ausgestaltet hat. Beim Übergang eines Unternehmens haben die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmens inhabers ein berechtigtes Interesse daran, den Erwerber hinsichtlich der Erftlllung der unternehmens bezogenen Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen zu können. Den Veräußerungsparteien sind jedoch Möglichkeiten an die Hand gegeben, die Haftung des Erwerbers auszuschließen. § 25 HGB verwirklicht dabei ein Haftungskonzept, das zwingend bestimmte Rechtsfolgen nach sich zieht, obwohl eine Auswahl aus verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Veräußerungsparteien getroffen werden kann 112. Die Haftung rur unternehmensbezogene Verbindlichkeiten ist dabei in die Hand der Veräu109 BGH NJW 1984, 1186, 1187; NJW 1992,911 als Annäherung an die Theorie der Unternehmenskontinuität. 110 So auch K. Schmidt JuS 1997, 1069, 1071 f; Holzap[el/Pöllath Rn 562 meint, die Kontinuität des Unternehmens spiele eine immer größere Rolle. 111 RGZ 143,368,371. 112 Waskönig, S. 50.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

117

ßerungsparteien gelegt, um den Besonderheiten des entsprechenden Einzelfalls Rechnung tragen zu können. Das Ziel, die Geschäftsbeziehungen möglichst aufrechtzuerhalten, darf nicht soweit gehen, die Übertragung bestehender Unternehmen zu blockieren. Aus diesem Grund ist der Schutz der Gläubiger nur eingeschränkt gewährleistet 113 • Damit eine Haftung des Erwerbers jedoch nicht eintritt, muß der Erwerber den internen Ausschluß der Übernahme der Verbindlichkeiten hinreichend publizieren ll4 . Die Geschäftsbeziehungen werden durch einen derartigen Haftungsausschluß möglicherweise gestört. Die Gläubiger werden hierdurch aber nicht unangemessen benachteiligt, wenn die entsprechende Vereinbarung der Veräußerungsparteien nach § 25 HGB publiziert wird. Eine Unklarheit auf Seiten der Gläubiger besteht in diesem Falle nicht mehr. Die Freistellung von der Haftung durch die Publizierung einer entsprechenden Vereinbarung nach § 25 Abs. 2 HGB stellt aber nur eine Möglichkeit fiir den Erwerber dar, seine "Freistellung von der Haftung" herbeizufilhren lls . Die weitere Möglichkeit besteht bei der Übertragung eines Unternehmens in der Nichtfortfiihrung der Firma. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 25 Abs. 1 HGB haftet der Erwerber eines Unternehmens nicht, wenn auf die Firmenfortfilhrung verzichtet wird. Da, wie gezeigt, der Firmenfortftlhrung keine haftungsbegrUndende Wirkung zukommt und die Firmenfortftlhrung allenfalls ein Indiz filr die Unternehmensfortftlhrung darstellt, muß die fehlende Fortfilhrung der Firma eine andere Bedeutung haben. Diese Bedeutung kann nur, will man den Wortlaut des § 25 HGB respektieren, in einer enthaftenden Funktion liegen. Der Nichtfortfilhrung der Firma käme dann die gleiche Bedeutung zu wie der Publizierung der Vereinbarung oder der Mitteilung an die Gläubiger nach § 25 Abs. 2 HGB. Dies ist folgerichtig; denn alle drei Möglichkeiten sind mit handeisrechtlicher Publizität ausgestattet. Führt der neue Unternehmensinhaber die alte Firma nicht fort, macht er mit Mitteln des Handelsrechts deutlich, trotz der Unternehmensfortftlhrung die Geschäftsbeziehungen nicht aufrechtzuerhalten und filr die bestehenden Verbindlichkeiten des ursprünglichen Unternehmensinhabers nicht zu haften. Die Gläubiger sind in diesem Fall nicht schutzbedürftig, weil ihnen mit Mitteln des Handelsrechts die Entscheidung der Veräußerungsparteien bekanntgemacht worden ist und Unklarheiten Uber die Haftungslage nicht bestehen. Der bewußten Entscheidung der Veräußerungsparteien wird auf diese Weise Geltung verschafft. 113 114

115

Waskönig, S. 50. Waskönig, S. 51. BGHZ 29, 1,4.

118

2. Teil: Plädoyer für ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Insgesamt kommt der Nichtfortfiihrung der Finna und den Möglichkeiten des § 25 Abs. 2 HGB enthaftende Wirkung zu, weil es sich um Merkmale mit handeisrechtlicher Publizität handelt. c) Vereinbarkeit des weiterentwickelten Haftungskonzepts mit §§ 28,130 und 173 HGB Das aufgrund der Theorie der Unternehmenskontinuität weiterentwickelte Haftungskonzept des § 25 HGB der haftungsbegrUndenden Unternehmenskontinuität bei gleichzeitiger Möglichkeit der Enthaftung muß sich daran messen lassen, inwieweit es das Verhältnis von § 25 HGB zu § 28 HGB und §§ 130, 173 HGB erklärt. §§ 28, 130 und 173 HGB regeln jeweils die Folgen, welche eine Änderung des Unternehmensträgers auf die bestehenden Verbindlichkeiten und Forderungen hat. aa) § 28 HGB Das weiterentwickelte Haftungskonzept des § 25 HGB müßte das Verhältnis von § 25 und § 28 HGB nachvollziehbar erklären. Nach § 28 HGB haftet eine Gesellschaft fllr alle im Betrieb eines Einzelkaufmanns entstandenen Verbindlichkeiten, falls jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns eintritt. Die Haftung in § 28 Abs. 2 HGB ist wie in § 25 HGB dispositiv ausgestaltet. Auf eine Finnenfortfiihrung kommt es in § 28 HGB jedoch nicht an. Bei §§ 25 und 28 HGB handelt es sich um Vorschriften, die beide fiir den Fall des Wechsels des Unternehmens inhabers Haftungsfolgen des Übernehmers anordnen. Sie stellen daher einen eigenständigen Komplex dar, der die Auswirkungen von Veränderungen des Unternehmensträgers auf die mit dem Unternehmen in Verbindung stehenden Gläubiger und Schuldner zum Gegenstand hat l16 • Es drängt sich die Frage auf, aus welchem Grund § 25 HGB und § 28 HGB, die im gleichen Kontext stehen, dennoch unterschiedlich ausgestaltet sind. Der offensichtliche Unterschied liegt darin, daß § 28 HGB auf das Merkmal der Firmenfortfiihrung vollständig verzichtet, während beide Vorschriften einer abweichenden Vereinbarung nur dann im Außenverhältnis Geltung zukommen lassen, wenn sie im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder dem jeweiligen Dritten mitgeteilt worden ist, § 25 Abs.2 HGB

116

MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 1.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

119

und § 28 Abs. 2 HGB. Diese Unterschiede fiihrten zu erheblicher Kritik an der Konzeption des Gesetzes ll7 . Legt man das hier vertretene Haftungskonzept zugrunde, lassen sich gleichwohl die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der §§ 25 und 28 HGB nachvollziehbar in Einklang bringen. Voraussetzung filr das Eingreifen der Haftung des § 28 HGB ist wie bei § 25 HGB die Fortfilhrung des Handelsgeschäftes, d.h. des handelsrechtlichen Unternehmens. Der Eintritt nach § 28 HGB entspricht dabei dem Erwerb nach § 25 HGB 118 • In beiden Fällen wird das Unternehmen nach außen fortgeftlhrt, so daß der Unternehmenskontinuität auch in § 28 HGB haftungsbegrUndende Wirkung zukommt 119 ; denn das Unternehmen als Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten wird nunmehr von dem neuen Unternehmensinhaber, nämlich der Gesellschaft, fortgeftlhrt. Die BegrUndung der Haftung erfolgt aufgrund der Unternehmenskontinuität. Das Zuordnungsobjekt wird übertragen. Der Fortbestand der Geschäftsbeziehungen und der dem Unternehmen zugeordneten Verbindlichkeiten und Forderungen ist ökonomisch sinnvoll und begrUndet die Haftung des Erwerbers. Die Firmenfortfilhrung als Indiz filr die Unternehmensfortfilhrung ist entbehrlich, weil bei § 28 HGB die Voraussetzungen der Unternehmenskontinuität leichter als bei § 25 HGB feststellbar sind 120. Im Falle des § 28 HGB tritt ein Dritter in das Geschäft des Einzelkaufinanns ein, das sodann eine Gesellschaft wird. Folglich ist eine gewisse persönliche Kontinuität zu verzeichnen, die es den Gläubigem erleichtert, den neuen Inhaber des Unternehmens zu bestimmen, während bei § 25 HGB das Unternehmen an einen Dritten übertragen wird. Allerdings ist zu begründen, aus welchen Gründen die Enthaftungsmöglichkeiten der erwerbenden Gesellschaft anders ausgestaltet sind als die Enthaftungsmöglichkeiten des Erwerbers bei § 25 HGB. Insbesondere das Fehlen der Firmenfortfilhrung ist zu berücksichtigen. Die Nichtfortfilhrung der Firma als Enthaftungsmöglichkeit fehlt bei § 28 HGB, weil die Anordnung der Haftung in § 28 HGB dringlicher ist als in § 25 HGB. Den Gläubigem steht bei § 25 HGB im Regelfall ein gewisser Gegenwert filr das veräußerte Unternehmen zu Verfilgung, während dies bei § 28 HGB nicht der Fall ise 21 • Die Zwangsvollstreckung in den entstehenden Geschäftsanteil des früheren Einzelkaufinanns ist zwar möglich; gleichwohl 117 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 187; Fischer in LM Nr. 3 zu § 28 HGB; Schrikleer ZGR 1972, 121, 150 FN 125 118 BaumbachiHopt § 28 Rn 3. 119 BaumbachiHopt § 28 Rn I, K. Schmidt § 81. 2. b). 120 K. Schmidt ZHR 145 (1981), 2, 18. 121 MünchKomm.HGB/Lieb § 28 Rn 2,3; Lieb, Festschrift Börner, 747, 752.

120

2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

bietet sie eine geringere Sicherheit. Die Vollstreckung würde wegen der damit verbundenen KUndigungsnotwendigkeit zum Ausscheiden des Einzelkaufmanns aus der gegründeten Gesellschaft fUhren. Als Auseinandersetzungsguthaben stünden den Gläubigem nach §§ 105 Abs. 2 HGB, 733 ffBGB nur die Vennögensbestandteile zur Verfilgung, die nach der Befriedigung der neuen Gläubiger übrig geblieben wären 122 • Gäbe es § 28 HGB nicht, würden die Altgläubiger ihren Zugriff auf das Unternehmensvennögen verlieren, das mit dem Eintritt des neuen Gesellschafters zum Gesamthandsvennögen aller Gesellschafter wird, § 718 Abs. 1 BGB. Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvennögen ist ein gegen die Gesellschaft gerichteter vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich, §§ 124 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB. Diese Gesellschaft hat aber zu der Zeit, als der fiilhere alleinige Unternehmens inhaber die Schuld begründete, noch nicht bestanden 123. Bereits aus diesem Grund sind die Möglichkeiten der Enthaftung bei § 28 HGB gegenüber § 25 HGB geringer; die Haftung des Erwerbers ist als Folge insgesamt strenger ausgestaltet. Die Fortfilhrung der Finna hat aus einem weiteren Grund keine Bedeutung

fiir § 28 HGB. Der in § 28 HGB geregelte Sachverhalt unterscheidet sich grundsätzlich von dem § 25 HGB zugrundeliegenden Sachverhalt. Im Gegensatz zu § 25 HGB handelt es sich bei § 28 HGB nicht um einen vollständigen

Wechsel der Inhaberschaft. Die Inhaberschaft wechselt nur teilweise, indem eine Person als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns eintritt. Daher kann die ursprüngliche Firma nicht ohne weiteres beibehalten werden, weil der neue Unternehmensträger eine Gesellschaft ist. Die Firma einer Gesellschaft wird aber nach anderen Grundsätzen gebildet als die Finna eines Einzelkaufmanns. Im Falle des Eintritts in ein Unternehmen des Einzelkaufmanns ist die Annahme einer neuen Finna durch die fortfUhrende Gesellschaft sinnvoller als die Beibehaltung der alten 124• Nur dadurch kann eine Verstärkung der Kreditwürdigkeit und anderer verkehrsrelevanter Unternehmensmerkmale, die mit dem Eintritt eines Teilhabers einhergehen können, in das Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Insbesondere dann, wenn ein potenter Partner aufgenommen wird, ist es ft1r das Unternehmen vorteilhaft, die Finna neu zu bilden. Es sollen auf der Basis der gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Einheit wirtschaftliche Erfolge erzielt werden. Das aber setzt voraus, daß die Funktionsfilhigkeit des Unternehmens gefördert wird 12S • Die personelle Komponente des Teilerwerbs hat zur Folge, daß auf die Fortfilhrung der Finna in vielen Fällen verzichtet wird l26 • Die Beibehaltung der Finna

122 123 124 125 126

MünchKomm.HGB/Lieb § 28 Rn 3. Beuthien, NJW 1993, 1737, 1741. Hierzu bereits Hahn-Mugdan VI, S. 221 (39). Waskönig, S. 109. Waskönig, S. 109.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

121

hat in den Fallgestaltungen, die § 28 HGB erfaßt, keine große Bedeutung. Daher kommt ihr weder als Indiz filr die Unternehmenskontinuität noch filr die Enthaftung eine entscheidende Wirkung zu. Die Möglichkeiten, welche das Gesetz der Gesellschaft zur VerfUgung stellt, um von den Gläubigem nicht in Anspruch genommen zu werden, sind nach § 28 Abs. 2 HGB beschränkt auf die Eintragung und Bekanntmachung der abweichenden Vereinbarung in das Handelsregister sowie die Mitteilung an die einzelnen Gläubiger. Die enthaftende Wirkung dieser beiden Merkmale wird bei den Unternehmensteilen noch einmal besondere Bedeutung erlangen 127 • Mit dem hier vertretenen Konzept läßt sich auch § 28 Abs. 2 HGB erklären. Er stellt gerade keine sinnwidrige Norm dar 128, weil er trotz des Fehlens der Firmenfortfiihrung als Tatbestandsmerkmal eine eigenständige Bedeutung rur den Erwerber hat, sich von der durch die Unternehmensfortfilhrung begründeten Haftung zu befreien. Eine Korrekturmöglichkeit, wie sie § 25 Abs. 3 HGB bietet, ist bei § 28 HGB folgerichtig nicht erforderlich, weil die Firmenfortfiihrung dort keine Bedeutung hat. Der Erhalt der Geschäftsbeziehungen trotz Firmenwechsels war daher in § 28 HGB nicht zu regeln. Dies ergibt sich bereits aus der Denkschrift. Dort heißt es zu § 28 HGB, wenn der frühere Geschäftsinhaber selbst das Geschäft als Teilhaber weiterbetreibe, so werde selbst bei Annahme einer neuen Firma die Absicht der Parteien kaum jemals auf eine Trennung der alten und neuen Geschäftsschulden und Forderungen mit Wirkung nach außen gerichtet sein. Eine solche Scheidung würde stets zu Schwierigkeiten und Verwicklungen fUhren. Das Naturgemäße sei, daß die Gesellschaft im Betriebe des Geschäfts die alten Schulden berichtige und die früher entstandenen Forderungen einziehe. Die Gläubiger des bisherigen Einzelkaufinanns dürfen voraussetzen, daß sie sich an das Gesellschaftsvermögen halten können 129. Die Denkschrift betont hier in wünschenswerter Klarheit den bereits bei Heinsen l30 herausgearbeiteten Gleichlauf der Interessen von Veräußerungsparteien und Geschäftspartnern. Den so als ökonomisch sinnvoll erkannten Ablauf einer Geschäftsübernahme durch die Vorgabe eines rechtlichen Rahmens zu sichern, war das Ziel der Gesetzesverfasser. Sie schufen in den §§ 25 und 28 HGB ein flexibles Aktionsmodell, das die Unternehmensbindung vor unreflektierten Abspaltungen sichern sollte 131. Auch § 28 HGB läßt sich daher wie § 25 HGB als eine an Zweckmä-

127 128

129 130 131

Siehe unten 2. Teil § 3 B. So aber MUnchKomm.HGB/Lieb § 28 Rn 35. Hahn-Mugdan VI, S. 221 (39). Heimen, S. 137 f. Waskönig, S. 108.

122

2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

ßigkeitsgesichtspunkten orientierte Entscheidung über den Verbleib der geschäftsbezogenen Rechtsverhältnisse charakterisieren 132. Zusammenfassend erlaubt das hier vertretene Konzept eine widerspruchsfreie Erklärung der §§ 25 und 28 HGB und ihrer unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale. Beide Vorschriften beruhen auf der haftungsbegrUndenden Wirkung der Unternehmenskontinuität. Um der Vertragsfreiheit zwischen dem Eintretenden und dem Einzelkaufmann Geltung zu verschaffen, sieht § 28 Abs. 2 HGB Möglichkeiten der handelsrechtlichen Publizität vor, eine Haftung der Gesellschaft auszuschließen. Die FirmenforttUhrung hat in diesem Zusammenhang wegen der Besonderheiten des geregelten Sachverhalts keine Bedeutung als Indiz oder als Möglichkeit der Enthaftung. § 28 HGB ist damit kein aliud l33 zu § 25 HGB. Vielmehr liegt § 28 HGB das gleiche Haftungskonzept zugrunde, d.h. eine grundsätzlich bestehende Haftung wegen der Fortfilhrung eines Unternehmens bei gleichzeitiger Möglichkeit der Enthaftung. bb) Vergleich zwischen § 25 HGB und §§ 130, 173 HGB Häufig wird die Frage nach dem Zusammenhang der §§ 25, 28 und 130 bzw. 173 HGB gestellt 134. Es wird untersucht, ob ihnen ein Haftungskonzept zugrundeliegt, das diese Vorschriften widerspruchsfrei erklärt 135 • Die §§ 130 und 173 HGB regeln die Einstandspflicht eines Gesellschafters tUr bestehende Verbindlichkeiten, der in eine bestehende Gesellschaft eintritt. Nach § 130 Abs. 2 HGB und § 173 Abs. 2 HGB ist die Haftungsanordnung gegenüber den Gläubigern zwingend. Dies unterscheidet §§ 130, 173 HGB von §§ 25 und 28 HGB, die dispositiv ausgestaltet sind. Nach den bisherigen Überlegungen steht die zwingende Haftungsanordnung der §§ 130, 173 HGB der Konzeption der §§ 25 und 28 HGB nicht entgegen; denn es geht nicht um einen grundsätzlichen Wechsel des Unternehmensinhabers. Vielmehr wird nur der Kreis der Gesellschafter unter Beibehaltung der Gesellschaftsform erweitert. Das ist jedoch keine Frage der Kontinuität nach außen. Vielmehr handelt es sich um eine rein gesellschafsrechtliche Frage, nämlich der Anzahl der haftenden Gesellschafter. Dies läßt sich bereits der Denkschrift entnehmen. Dort ist ausgefiihrt, bei § 130 HGB liege der Schwerpunkt der Frage nicht darin, welche Schulden als Gesell132

Waskönig, S. 53; so auch RöhrichtlGrafvon WestphaleniAmmon Vor §§ 25-28

133

Bis 1980 wohl überwiegende Meinung; vgl. GroßKomm.HGBIWÜrdinger,

Rn 5.

3. Aufl., 1967, § 28 Anm 1. 134 135

Lieb, Festschrift Westermann, 309 ff. K. Schmidt ZHR 145 (1981), 2, 24 ff; ders .. HdR, § 8 I. 3.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

123

schaftsschulden anzusehen seien, sondern darin, inwieweit die Gesellschafter rur die Gesellschaftsschulden hafteten l36 . Damit betreffen §§ 25 und 28 HGB einerseits und §§ 130 und 173 HGB andererseits unterschiedliche Fallgestaltungen, so daß eine weitergehende Untersuchung nicht vielversprechend ist. 3. Zusammenfassung

Die systematische Auslegung stützt das in dieser Arbeit vertretene Haftungskonzept des § 25 HGB der haftungsbegrUndenden Wirkung der Unternehmensfortfilhrung bei gleichzeitiger Möglichkeit der Enthaftung. Dieses Haftungskonzept steht im Einklang mit ähnlichen Normen des Zivilrechts. Weiterhin erklärt es die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des § 25 HGB zu §§ 28, 130 und 173 HGB.

IV. Teleologische Auslegung

Abschließend ist zu untersuchen, ob das weiterentwickelte Haftungskonzept unter dem Gesichtspunkt der teleologischen Auslegung, d.h. nach dem Sinn und Zweck der Norm, vertretbar ist. Wie im Rahmen der Auslegung nach Wortlaut, historischer und systematischer Auslegung gezeigt, sollten die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers und der Rechtsverkehr vor den Folgen geschützt werden, welche die Übertragung eines Unternehmens mit sich bringt. Im Vordergrund stand dabei nicht die Erhaltung der Haftungsmasse rur die Gläubiger. Der Schutz der Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers und des Rechtsverkehrs ist aber kein Selbstzweck, sondern bedarf einer Legitimation, die dem Gesetzgeber eine entsprechende Norm geboten erscheinen ließ 137. Der eigentliche Sinn und Zweck des § 25 HGB könnte dabei in der Gewährleistung der größtmöglichen Effizienz des Handels- und Wirtschaftsverkehrs liegen. Der Handels- und Wirtschaftsverkehr funktioniert nur leicht und schnell, wenn maßgebliche Entscheidungen für die Beteiligten erkennbar und damit auch ökonomisch effizient sind. Das Unternehmen als wichtiger Teil des Handeisverkehrs soll in seiner organisierten Einheit möglichst erhalten bleiben, um den Handelsverkehr reibungslos zu gestalten. Die dem Unternehmen zugeordneten Geschäftsbeziehungen, Rechte und Verbindlichkeiten sollen daher vor zu-

136 lJ7

Hahn-Mugdan VI., S. 221 (39). Waskönig. S. 46.

124

2. Teil: Plädoyer für ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

fallsbedingten, nicht reflektierten Abspaltungen der Forderungen und Verbindlichkeiten geschützt werden 138. Mit § 25 HGB sollen sowohl die Unternehmensgläubiger l39 wie die Unternehmens schuldner vor der Ungewißheie 40 geschützt werden, welche die Unternehmensveräußerung mit sich bringt. Gleichzeitig kann es sich hierbei wegen der Schnelligkeit und Leichtigkeit des Handeisverkehrs nicht um ein zwingendes Prinzip handeln, weil ansonsten die Möglichkeit der Unternehmensveräußerung im Wege der Einzelrechtsnachfolge unangemessen erschwert würde. Daher sind mit handelsrechtlichen Mitteln publizierte Entscheidungen der Veräußerungsparteien zu respektieren, da sie eine bewußte Maßnahme darstellen, die wegen der Publizitätswirkungen nicht zu Unklarheiten und Störungen im Geschäftsablauf ftlhrt. Die bei der Unternehmensveräußerung aufgezeigten Gefahren, die zu Unklarheiten und Störungen filhren können, haben ihre Ursache in der mangelnden rechtlichen Erfassung des Unternehmens im allgemeinen und des handelsrechtlichen Unternehmens im besonderen. Da das Unternehmen nicht rechtsfiUlig ist und auch nicht als Rechtsgegenstand übertragen werden kann, muß der Inhaber bei der Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge jeden Vermögensgegenstand, dessen Übergang vereinbart wurde, einzeln und unter Beachtung der jeweils vorgeschriebenen Form aus seiner Vermögenssphäre in die des Erwerbers überfilhren. Die Veräußerungsparteien haben damit die Möglichkeit, den Umfang des Übernommenen in jeder Hinsicht nach ihrem Willen zu bestimmen. Sie werden dabei die Zukunftserwartungen und Ziele des Erwerbers zugrundelegen, die er an die Fortfilhrung des Unternehmens je nach dessen wirtschaftlicher Lage knüpft. Die Gläubiger als Außenstehende wissen aber nicht, ob der jeweilige Erwerber sich entschieden hat, auf der Bandbreite möglicher Fälle nur einzelne Vermögensgegenstände zu übernehmen und das Unternehmen zu sanieren oder das Unternehmen unter Übernahme aller Aktiva und Passiva fortzufilhren. Die Konsequenzen, die die Veräußerungsparteien daraus hinsichtlich des Fortbestandes der Geschäftsbeziehungen ziehen, können sie keinesfalls vorhersehen. Die Dispositionsfreiheit der Veräußerungsparteien kollidiert mit den Interessen derjenigen, die zur Zeit des Inhaberwechsels noch Verbindlichkeiten offenstehen haben. Sie sehen sich aufgrund von Vorgängen, die ihrer Einflußsphäre entzogen sind, durch das Auftauchen des Erwerbers in einer Lage, in der ihnen die planmäßige Abwicklung geflihrdet erscheinen muß. Wegen des mangelnden Gleichlaufs von juristischer Zuordnung und wirtschaftlicher Bezogenheit wissen sie nicht mehr, an wen sie sich zu halten haben l41 • Der Verkehrserwartung ent138 139 140 141

Waskönig, S. 46. Siehe oben I. Teil § 3 D. Ausdrücklich Beuthien, NJW 1993, 1738. Waskönig, S. 48.

§ 1 Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzepts

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spricht es aber, Ansprüche gegen das im Rechtsverkehr auftretende Unternehmen zu haben, z.B. das "Hotel" oder das "Fitness-Studio" oder den "LebensmitteImarkt" . Auf dieser Divergenz zwischen Verkehrserwartung und juristischer Zurechnung beruht das Bestreben der Rechtsordnung, Rechte, Pflichten und Rechtsverhältnisse doch wieder zum jeweiligen "Unternehmen" zu ziehen l42 . Vollends undurchschaubar wird die Situation fllr die von der Veräußerung des Unternehmens Betroffenen, wenn die Veräußerungsparteien bei der Übertragung der Unternehmensbestandteile einzelne Forderungen oder Verbindlichkeiten übersehen, obwohl das Unternehmen fortbestehen soll und ihrer dringend bedarf. Dem Veräußerer stehen dann weiterhin Leistungen zu, mit denen er nunmehr wegen der Geschäftsbezogenheit überhaupt nichts mehr anfangen kann, und die ihm auch nicht mehr zukommen sollen, oder er muß Schulden errullen, die nur aus der nicht mehr zur Verfilgung stehenden unternehmerischen Organisation erbracht werden können. Der Erwerber kann demgegenüber den Nutzen, den er sich mit der Übernahme eines bestehenden Unternehmens erkauft zu haben glaubte, nicht umsetzen 143 • Eine mit derartigen Unwägbarkeiten behaftete Rechtslage kann nicht ohne Einfluß auf den Rechtsverkehr sein. Diese Unwägbarkeiten wirken sich auf die Veräußerung von Unternehmen erschwerend aus. Die Übertragung der Unternehmen wird über die wirtschaftlichen Risiken hinaus mit Unsicherheiten in der rechtlichen Zuordnung der Außenbeziehungen belastet. Die Leichtigkeit und Schnelligkeit des Handelsverkehrs wird dadurch beeinträchtigt. Angesichts dieser Störungen mußte die Rechtsordnung einen ausgleichenden Mechanismus zur Verfilgung stellen. Vor diesem Hintergrund kommt § 25 HGB die Aufgabe zu, Reibungsverluste zu vermeiden. Faktoren, die den Mechanismus der gegenseitigen Austauschbeziehungen in der arbeitsteiligen Wirtschaft negativ beeinflussen, sollen ausgeschaltet werden l44 • Um den Übergang hinsichtlich der Beziehungen zu Dritten in rechtlich geordneten Bahnen ablaufen zu lassen, stellt § 25 HGB verschiedene Gestaltungsformen zur Auswahl, die zwingend bestimmte Rechtsfolgen nach sich ziehen, bei deren Auswahl aber völlige Freiheit herrscht. Daß dabei das Schicksal der Forderungen und Verbindlichkeiten in die Hand der Veräußerungsparteien gelegt wird, ist berechtigt. Sie alleine haben die Informationen über das zu übertragende Unternehmen, um den Besonderheiten des entsprechenden Einzelfalls gemäß zu handeln. Die Zusammengehörigkeit von Außenbeziehungen und Unternehmen darf

142 143

K. Schmidt JuS 1997, 1069, 1070. Waskönig, S. 49.

144 Waskönig, S. 49; jUngst ordnet Röhricht/Graf von WestphaleniAmmon § 25 Rn 1 die Vorschrift als Kern eines allgemeinen Unternehmensverkehrsrechts ein.

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2. Teil: Plädoyer für ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

nicht soweit gehen, die Übernahme bestehender Unternehmen zu blockieren l4s . Die Anknüpfung an den Fortbestand des Unternehmens verdeutlicht die Entscheidung des Gesetzgebers, die unternehmensbezogenen Forderungen und Verbindlichkeiten an das Unternehmen zu binden. Der Erhalt der Unternehmensbindung ist aber nur sinnvoll, solange das Unternehmen fortgefilhrt wird. Aus diesem Grund ist der Schutz der Gläubiger nur eingeschränkt gewährleistet l46 . Nur soweit das Unternehmen fortbesteht, ist eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung sinnvoll. Bei einer Fortfiihrung des Unternehmens können Beeinträchtigungen des Güterverkehrs nur auftreten, wenn ein interner Übernahmeausschluß der Veräußerungsparteien nicht hinreichend publiziert wird. Die strikte Bindung der Forderungen und Verbindlichkeiten an das übertragene Unternehmen - an sich ein gangbarer Weg zur Vermeidung der aufgezeigten Gefahren filr den Geschäftsverkehr - würde zu einer unberechtigten Bevorzugung ftlhren. Grundsätzlich hat jede Partei die Gefahr einer Störung bestehender Leistungspflichten bis hin zu bewußt vertragswidrigem Verhalten des Partners selbst zu tragen. § 25 HGB dient nicht dem Individualschutz, sondern dem Funktionenschutz l47 • Es geht um die Erhaltung des Unternehmens um des Allgemeininteresses willen l48 • § 25 HGB ist daher die gesetzgeberische Konsequenz aus der "mit dem wirtschaftlichen Aufschwung" der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts "einhergehenden Mobilisierung der Unternehmen" 149. Von dieser Warte kommt § 25 HGB eine wirtschaftspolitisch-ordnende Funktion zu. Indem die Wahrscheinlichkeit von Marktstörungen im Gefolge von Veränderungen im Inhaberbestand des Handelsgeschäfts abgesenkt wird, fördert § 25 HGB die Funktionsfi1higkeit des gesamtwirtschaftlichen Güteraustauschs. In diesem Sinne reicht § 25 HGB über den Schutz der beteiligten Verkehrskreise weit hinaus 150 • Das bedeutet, die Verbindlichkeiten folgen dem ökonomischen Wert und begründen die juristische Zuordnung. Das gilt nur dann nicht, wenn eine entgegenstehende Publizierung vorliegt, so daß eine Störung des Rechtsverkehrs nicht in Betracht kommt. Allein im Gleichlauf des Drittinteresses mit dem Allgemeininteresse an optimaler Effizienz der Gesamtheit der Wirtschaftsvorgänge hat § 25 HGB eine Begünstigung der Altgläubiger zur Folge. Das ist nicht das Ziel des § 25 HGB, sondern lediglich ein Reflex ISI, weil der Gläubiger in die Kreditflihigkeit des Unternehmens vertraut. Keiner kann den Gläubiger zwar vor der Vermögenslo-

145 146 147

148 149 150 151

Waskönig, S. 50. Waskönig, S. 50. Waskönig, S. 51. Lehmann, Festschrift Cohn, 393, 397. Raiser, S. 2. Waskönig, S. 164. Waskönig, S. 51.

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127

sigkeit seines Schuldners schützen, gleichwohl besteht ein Schutz vor der bewußten "Weggabe" des Unternehmens, das im Rechtsverkehr aufgrund der bestehenden Außenwirkungen als Anknüpfungspunkt filr Geschäftsbeziehungen angesehen wird. Die Regelung des Forderungsübergangs in § 25 Abs. 1 Satz 2 HGB zeigt, daß es dem Gesetzgeber nicht ausschließlich um den Schutz der Geschäftspartner ging lS2 , sondern um ein einheitliches Konzept. Für den Gläubigerschutz hätte die Normierung einer Gesamtberechtigung näher gelegen. Ziel des Gesetzgebers war es vielmehr, klare, an den ökonomischen Realitäten orientierte Verhältnisse zu schaffen, indem er die Außenbeziehungen des Unternehmens ihrem wirtschaftlichen Bezugspunkt folgen ließ, sofern dieser fortbestehen soll und keine gegenteilige Verlautbarung erfolgt. § 25 HGB läßt sich damit als eine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ausgerichtete Entscheidung über den Verbleib der geschäftsbezogenen Rechtsverhältnisse charakterisieren 153. Insgesamt liegt der Sinn und Zweck des § 25 HGB im Schutz des Handelsverkehrs l54 , weil dem Unternehmen als Zuordnungsobjekt zwar eine wirtschaftlich große Bedeutung zukommt, die aber im Handelsrecht wegen der Kontroverse um den Unternehmensbegriffkeine rechtliche Entsprechung fmdet. § 25 HGB will Störungen der Geschäftsbeziehungen unterbinden, wie sie angesichts des Zwiespalts zwischen rechtlicher Zuordnung des Leistungsverhältnisses zum ursprünglichen Unternehmensinhaber und wirtschaftlicher Zugehörigkeit der Forderungen und Verbindlichkeiten zum Unternehmen leicht auftauchen; das Mittel hierzu besteht darin, den Gleichlauf beider im Fall des Unternehmenserwerbs sicherzustellen 155. Der Schutz der Gläubiger ist dabei nur ein Aspekt eines umfassenderen Schutzes der Leichtigkeit des Handelsverkehrs. Damit bietet § 25 HGB die Synthese zwischen der Bindung der Forderungen und Verbindlichkeiten an das Unternehmen als Zuordnungsobjekt und dem damit einhergehenden Schutz der Gläubiger und der zur Berücksichtigung der Belange der Veräußerungsparteien gebotenen Flexibilität, die sich nur durch eine Dispositivnorm erreichen läßt. Solange § 25 HGB in der geltenden Fassung vorliegt und nicht geändert worden ist, hängt die Haftung des Erwerbers von dessen Verhaltensweise ab. Die Gläubiger werden in unterschiedlichen Fallgestaltungen notwendigerweise unterschiedlich behandelt. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch bis zu einer Änderung des § 25 HGB hinzunehmen.

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154 155

Waskönig, S. 53. Waskönig, S. 53. So wohl auch jetzt K. Schmidt JuS 1997, 1069. Waskönig, S. 163.

10 Thcißen

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

D. Ergebnis Das weiterentwickelte Konzept der Unternehmenskontinuität wird durch die Auslegung des § 25 HGB nach den anerkannten Auslegungsmethoden unter historischen, systematischen und teleologischen Gesichtspunkten gestützt. Die Unternehmenskontinuität stellt ein handelsrechtliches Prinzip dar, das die Inanspruchnahme des Unternehmensinhabers fllr bestehende Verbindlichkeiten begründet. § 25 HGB ist neben anderen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts eine Ausprägung dieses Prinzips. Insoweit stimmt die hier vertretene Auffassung im Ergebnis mit der Theorie der Unternehmenskontinuität überein. Die Theorie der Unternehmenskontinuität muß jedoch in der Weise weiterentwickelt werden, daß das Haftungskonzept des § 25 HGB dem Erwerber des Unternehmens bestimmte publizitätstragende Elemente des Handelsrechts bietet, die Nichtfortfilhrung der Firma oder die Eintragung in das Handelsregister, um sich von der grundsätzlich bestehenden Haftung zu lösen.

§ 2 Vorteile des weiterentwickelten Haftungskonzepts Im Anschluß an die Darstellung des weiterentwickelten Haftungskonzeptes des § 25 HGB nach geltendem Recht ist zu überprüfen, welche Vorteile dieses Haftungskonzept gegenüber den vielfältigen, zur ratio legis des § 25 HGB bereits vertretenen Auffassungen hat. Das Konzept der Haftung des Erwerbers bei gleichzeitiger Möglichkeit der Enthaftung erklärt die im Einzelfall unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 25 HGB nachvollziehbar. Es wird ersichtlich, aus welchen Gründen die Haftung des Erwerbers dispositiv ausgestaltet ist, aber dennoch die verschiedenen Rechtsfolgen je nach Verhaltensweise des Erwerbers oder der Veräußerungsparteien zwingend angeordnet sind. Dabei ist das hier vertretene Konzept mit dem eindeutigen Wortlaut des § 25 HGB vereinbar, der die Grenze jeder Gesetzesauslegung bedeutet. Weiterhin lassen sich die Regelungen in § 25 Abs. 2 und 3 HGB folgerichtig einordnen. Obwohl die hier vertretene Konzeption an die haftungsbegrUndende Wirkung der Unternehmensfortfilhrung anknüpft, sind die methodischen Bedenken ausgeräumt, die gegen die Kontinuitätstheorie bei der Ausgestaltung des § 25 HGB nach geltendem Recht angeftlhrt werden. Weiterhin ist aufgrund des weiterentwickelten Haftungskonzeptes nachvollziehbar, daß sich § 25 HGB nur in den Fällen als "Haftungsfalle" fUr den Erwerber auswirkt, falls er das Unternehmen fortftlhrt, aber nicht von den zur VerfUgung stehenden Enthaftungsmöglichkeiten Gebrauch macht. Darüber hinaus wird deutlich, in welcher Weise der Gläubigerschutz des § 25 HGB ausgestaltet ist.

§ 2 Vorteile des weiterentwickelten Haftungskonzepts

129

Aufgrund der bislang vertretenen Theorien war nicht erklärbar, aus welchen Gründen § 25 HGB nicht in jedem Fall zu einem Anspruch der Gläubiger des ursprünglichen Inhabers gegen den Erwerber fUhrt. Die in dieser Arbeit vertretene Haftungskonzeption des § 25 HGB berücksichtigt das Interesse der Gläubiger an der Erhaltung des Unternehmens, stellt es aber nicht in den Vordergrund des Sinns und Zwecks des § 25 HGB. Vielmehr bietet das hier vertretene Konzept die Begründung, in welcher Weise die zum Teil widerstreitenden Interessen von den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmensinhabers und den Veräußerungsparteien in Einklang zu bringen sind. Die Gläubiger sind nicht in jedem Fall schutzbedürftig. Ihr Interesse an der Erhaltung der Haftungsmasse und der Durchsetzbarkeit ihrer Forderungen gegen den ursprünglichen Unternehmensinhaber darf nicht dazu filhren, die Veräußerung und Übertragung von Unternehmen unzumutbar zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. Wegen des Grundsatzes der Privatautonomie muß es den Veräußerungsparteien unbenommen bleiben, die Übertragung eines Unternehmens nach ihren Vorstellungen zu verwirklichen. Dazu gehört die Trennung der Aktiven und Passiven, auch wenn das aus der Sicht der Gläubiger nicht wünschenswert ist. Dies gilt um so mehr, als es sich bei dem Unternehmen um einen Veräußerungsgegenstand des Handelsrechts handelt. Diese Möglichkeit der privatautonomen Gestaltung fmdet jedoch ihre Grenze ebenfalls in den Prinzipien des Handelsrechts und dem dort geltenden Verkehrsschutz. Auf der anderen Seite besteht die Gestaltungsfreiheit zwischen den Veräußerungsparteien aber auch nicht uneingeschränkt. Ihnen obliegt es, die Signale, die sie bei der Unternehmensveräußerung an den Rechtsverkehr senden und die damit in § 25 HGB angeordneten Rechtsfolgen bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu der Erklärungs-, der Rechtsschein- und der Haftungsfondstheorie kommt die hier vertretene Haftungskonzeption ohne Annahmen aus, die dem zugrundegelegten Prinzip widersprechen. Gegenüber der Theorie der Erfilllungsübernahme kommt das hier vertretene Konzept ohne die Annahme einer nicht verifizierten Regel aus, sondern erklärt alle denkbaren Fallgestaltungen, unabhängig davon, ob und welche Vertragsgestaltung die Veräußerungsparteien im Einzelfall gewählt haben. Gegenüber der Haftungsfondstheorie hat das hier vertretene Konzept einen weiteren Vorteil. Es erklärt, warum die Gläubiger im Falle der Fortfllhrung des Unternehmens geschützt werden, aber nicht bei einer Zerschlagung der Haftungsmasse. In beiden Fällen verbleibt das Unternehmen nicht bei dem ursprünglichen Unternehmensinhaber. § 25 HGB trägt bei der Fortfllhrung des Unternehmens der Erwartung der Gläubiger in die Kreditfllhigkeit des Unternehmens Rechnung. Der Erwerber fUhrt das Unternehmen, das den Kredit ausmacht, fort und macht dies dem Rechtsverkehr kundbar, es sei denn, er bedient sich der weiteren Möglichkeiten des § 25 HGB. Das Zuordnungsobjekt wird einfach ausgetauscht. 10"

130

2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Dagegen ist kein Gläubiger davor geschützt, daß der ursprüngliche Schuldner sein Vennögen oder sein Unternehmen einfach aufgibt. Das wird durch das hier vertretene Haftungskonzept berücksichtigt. Weiterhin erklärt das weiterentwickelte Konzept das Verhältnis von § 25 HGB zu § 28 HGB, die beide auf dem haftungsbegründenden Prinzip der Unternehmenskontinuität beruhen, aber aus Gründen des unterschiedlichen Verkehrsschutzes unterschiedlich ausgestaltet sind. Schließlich läßt sich auch die Rechtsfolge, d.h. die Haftung des Erwerbers mit seinem gesamten Vennögen und nicht nur mit einem Teil, folgerichtig aus dem Prinzip der Unternehmenskontinuität begründen. Die rechtliche Selbständigkeit des Unternehmens geht nicht so weit, daß ftlr Geschäftsschulden das Geschäftsvennögen und filr private Schulden des Unternehmers das Privatvermögen haftet. Vielmehr ist der Inhaber des Unternehmens der Schuldner, der mit dem ganzen Vennögen haftet. Folgerichtig haftet auch der Erwerber mit seinem gesamten Vennögen. Das gilt auch ftlr die Übertragung einer Zweigniederlassung. Für die im Tätigkeitsbereich der Zweigniederlassung begründeten Verbindlichkeiten haftet der Unternehmensträger mit seinem ganzen Vennögen lS6 • Insgesamt erklärt das hier vertretene Haftungskonzept die Besonderheiten des § 25 HGB stimmig. Es wird deutlich, aus welchen Gründen die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers nicht in jedem Fall geschützt werden und die Dispositionsfreiheit der an der Unternehmensveräußerung Beteiligten gewahrt wird.

§ 3 Folgerungen für unselbständige Unternehmensteile Nach der Weiterentwicklung und Begründung des Haftungskonzeptes ist es möglich, die Ausgangsfrage zu beantworten. Eine analoge Anwendung des § 25 HGB auf den Erwerb unselbständigen Unternehmensteile ist möglich, wenn dieser nicht geregelte Fall vom erarbeiteten Sinn und Zweck des § 25 HGB umfaßt ist. A. Kontinuität bei unselbständigen Unternehmensteilen

Zunächst muß der Fortftlhrung eines unselbständigen Unternehmensteils ebenfalls eine haftungsbegründende Wirkung zukommen. Voraussetzung hierftlr ist, daß ein unselbständiger Unternehmensteil ähnlich wie ein Unternehmen 156

K. Schmidt, HdR, § 4 III. 2.

cl.

§ 3 Folgerungen

rur unselbständige Unternehmensteile

131

oder eine Zweigniederlassung im Rechtsverkehr als Zuordnungsobjekt angesehen wird. Wie bereits im ersten Teil der Arbeit ausgefilhrt, sind unselbständige Unternehmensteile dadurch gekennzeichnet, daß sie organisatorische Einheiten eines Unternehmens sind, die einen bestimmten wirtschaftlichen Teilzweck verfolgen. Hierunter sind sehr unterschiedliche Fallgestaltungen zu verstehen. Unselbständige Unternehmensteile können etwa Fahrbereitschaftsdienste, Verpackungsabteilungen, die Ketchup-Abteilung eines Lebensmittelkonzerns, das Kraftwerk eines Energiekonzerns oder die bestimmte Marke eines Kosmetikkonzerns sein. Die Möglichkeit, einen Unternehmensteil überhaupt fortzufilhren, wurde bereits im ersten Teil der Arbeit erörtert lS7 • Entscheidend filr die Begründung der Haftung ist, daß der Unternehmensteil Außenwirkungen hat. Diese organisierten Teileinheiten treten zwar nicht selbständig mit dem Rechtsverkehr in Kontakt; gleichwohl kommt ihnen Außenwirkung zu, indem die auf den Unternehmensteil bezogenen Geschäfte getätigt werden. Durch die Kunden- und Lieferbeziehungen oder den Leistungsbeziehungen anderer Art, die speziell auf den Aufgabenbereich des unselbständigen Unternehmensteils bezogen sind, entsteht die erforderliche Außenwirkung. Durch die Außenbeziehungen tritt der unselbständige Unternehmensteil mit dem Rechtsverkehr in Kontakt. Fehlen diese Außenbeziehungen, kann der unselbständige Unternehmensteil im Rechtsverkehr nicht als Zuordnungsobjekt eines Teils der Rechte und Pflichten des Unternehmens angesehen werden. Der Verkehrsschutz als Sinn und Zweck des § 25 HGB und der damit verbundene Gläubigerschutz werden nicht berührt; eine Haftung des Erwerbers scheidet in diesen Fällen aus. Alleine die Übertragung eines Unternehmensteils und die dadurch bedingte Schmälerung der Haftungsmasse reicht filr die Begründung der Erwerberhaftung, wie gezeigt\S8, nicht aus. Diese Voraussetzung der Außenwirkung erfilllen nicht alle Unternehmensteile. Vielmehr handelt es sich nur um diejenigen unselbständigen Unternehmensteile, die neben einer gewissen organisatorischen Selbständigkeit im Rahmen ihres Teilzwecks über Beziehungen zu Dritten verfilgen. Anderenfalls fehlt es am Zusammenhang zwischen dem übernommenen Unternehmensteil und den ihm zugeordneten Forderungen und Verbindlichkeiten. Vom Sinn und Zweck des § 25 HGB sind damit nicht nur Zweigniederlassungen als selbständige Unternehmensteile umfaßt. Vielmehr sind auch solche unselbständigen Unternehmensteile erfaßt, denen eine Außenwirkung zukommt. Hierzu gehören die unselbständigen Unternehmensteile, die im Rahmen ihres Teilzwecks über eigene Kunden- und Lieferbeziehungen und ähnliche Lei-

157 158

Siehe oben 1. Teil § 4 A. 11. Siehe oben 2. Teil § I C. IV.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

stungsbeziehungen zu Dritten verfilgen. Das sind die Sparten eines Unternehmens. Weiterhin gehören dazu die Abteilungen, die eine eigene Aufgabe des Gesamtunternehmens verwirklichen. Schließlich gehören dazu auch diejenigen Zweigniederlassungen, die im Rechtsverkehr auftreten, aber unselbständig arbeiten. Diese werden nach den bislang zu § 25 HGB vertretenen Auffassungen von der Haftung des Erwerbers wegen der fehlenden Selbständigkeit nicht erfaßt. Ausgenommen von der haftungsbegrUndenden Wirkung der FortfUhrung des Unternehmensteils sind damit nur diejenigen unselbständigen Unternehmensteile, die zwar in dem Unternehmen einen Teilzweck verfolgen, aber nicht über Außenbeziehungen verfilgen. Die Entscheidung, ob die Haftung durch die Veräußerung und FortfUhrung eines unselbständigen Unternehmensteils begründet ist, bleibt jedoch eine Frage des Einzelfalls. Zu beantworten bleibt die Frage, ob einer Haftungsbegründung nach § 25 HGB analog entgegensteht, wenn der Unternehmensteil von dem Erwerber nicht verselbständigt wird, sondern erneut in ein anderes Unternehmen eingebunden wird. Nach dem hier vertretenen Haftungskonzept ist die Außenwirkung ausreichend; auf eine Selbständigkeit des Unternehmensteils kommt es nicht an. Daher schadet es nicht, wenn der Unternehmensteil nach der Übertragung nach außen nicht mehr selbständig hervortritt 1S9 • Das Vorliegen einer betriebsflihigen Wirtschaftseinheit zur Abgrenzung der Übernahme bloßer Betriebsmittel ist nur filr den Erwerbszeitpunkt maßgebend. Dies sollte wegen des gleichen Haftungskonzepts der § 25 HGB und § 28 HGB gleich gehandhabt werden. In § 28 HGB ist die Aufrechterhaltung der Eigenständigkeit des eingebrachten Unternehmens nicht erforderlich l60 . Zur KlarsteIlung sei gesagt, daß zwar eine Fortfilhrung des Unternehmensteils erforderlich ist, aber nicht eine FortfUhrung als unterscheidbares Ganzes l61 • Neben der haftungsbegrUndenden Wirkung, die der Fortfilhrung eines unselbständigen Unternehmensteils zukommt, ist weitere Voraussetzung filr eine analoge Anwendung des § 25 HGB, daß nach dem Sinn und Zweck der Nonn die Veräußerung eines Unternehmensteils zu ähnlichen Unwägbarkeiten rur den Rechtsverkehr ftlhrt wie die Übertragung eines Unternehmens. Überträgt der ursprüngliche Unternehmens inhaber einen Teil seines Unternehmens, das im Rahmen des Teilzwecks Außenbeziehungen im weitesten Sinne unterhielt, dann sind die Gläubiger des Unternehmensinhabers und der So auch MünchKornm.HGB/Lieb § 25 Rn 60. MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 60, § 28 Rn 17. \6\ MünchKomm.HGB/Lieb § 28 Rn 17; a.A. DüringerlHachenburglHoeniger, 3. Autl .. § 28 Rn 5; HeymanniEmmerich § 28 Rn 19,21; Commandeur S. 180; SchlegelbergerlHildebrandtlSteclchan § 28 Rn 2. 159 \60

§ 3 Folgerungen rur unselbständige Untemehmensteile

133

Rechtsverkehr in einer ähnlichen Lage wie bei der Übertragung eines Unternehmens. Ein Großteil der Forderungen wird nur mit Hilfe des veräußerten Unternehmensteils sinnvoll erfilllt werden können. Hinsichtlich der Verbindlichkeiten stellt sich den Gläubigem zum einen das Problem der Schmälerung der Haftungsmasse. Dieses war allerdings nicht als der entscheidende Sinn und Zweck des § 25 HGB angesehen worden. Zum anderen sollten durch den zuordnenden Bezug des Unternehmensteils die speziellen Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten werden, um den Funktionszusammenhang des Unternehmensteils zu erhalten. Die Verbindlichkeiten sollen von dem Erwerber erfllllt werden, in dessen Hand sich der unselbständige Unternehmensteil befmdet. Dies war nicht nur mit Nachteilen filr den Erwerber verbunden, da er mit dem Unternehmensteil auch die Organisation und die Möglichkeit zu weiterem Arbeiten erwirbt. Die Situation zwischen der Veräußerung eines Unternehmens und eines unselbständigen Unternehmensteils ist daher vergleichbar. Nach dem Sinn und Zweck des § 25 HGB wirkt die Fortfilhrung des erworbenen unselbständigen Unternehmensteils haftungsbegrUndend.

B. Möglichkeiten der Enthaftung für den Erwerber Die grundsätzliche Rechtsfolge der analogen Anwendung des § 25 HGB beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile besteht in der Haftung des Erwerbers. Es stellt sich nunmehr das Problem, welche Möglichkeiten dem Erwerber bei analoger Anwendung des § 25 HGB zur Verfilgung stehen, um sich von der grundsätzlichen Haftung wieder zu lösen. Dies ist auch beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile erforderlich, weil den Veräußerungsparteien die Möglichkeit erhalten bleiben muß, die Übertragung des Unternehmensteils nach ihren Vorstellungen zu regeln. Hierzu gehört auch, daß der Erwerber filr bestehende Verbindlichkeiten nicht haftet. Für die Lösung von der Haftung mußte der Erwerber eines Unternehmens sich der Mittel bedienen, denen handelsrechtliche Publizität zukommt. Dies war erforderlich, um dem Rechtsverkehr zu verdeutlichen, daß trotz der Übertragung des Unternehmensteils als Zuordnungsobjekt filr Rechte und Pflichten eine Übernahme der Verbindlichkeiten und Forderungen nicht erfolgt ist. Hierfilr stehen dem Erwerber nach § 25 HGB die Nichtfortfilhrung der Firma, die Eintragung einer abweichenden Vereinbarung in das Handelsregister sowie die Mitteilung an den Dritten als Mittel der handelsrechtlichen Publizität zur Verfilgung. Fraglich ist nun, welche dieser Mittel bei der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils zu einer Enthaftung des Erwerbers fllhren. Die Nichtfortfilhrung der Firma scheidet bei der Übertragung eines Unternehmensteils aus.

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2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

Wie bereits erörtert, ist die Fortfiihrung der Firma bei der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils nicht möglich. Daher mißt der Rechtsverkehr der Firma bei Unternehmensteilen keine Bedeutung zu. Folglich entfaltet die Firma bei der Übertragung von Unternehmensteilen keinerlei Publizitätswirkungen. Daher kann sie in diesen Fällen weder als Indiz filr die Haftung noch als Merkmal der Enthaftung von dem Erwerber verwandt werden. Berücksichtigt man dies bei der analogen Anwendung des § 25 HGB, dann besteht die Folge filr den Erwerber darin, daß die unumgängliche Nichtfortfiihrung der Firma dazu filhrt, daß die durch die Fortfiihrung des Unternehmensteils begründete Haftung bestehen bleibt. Für die handelsrechtliche Bekanntmachung gilt das gleiche. Sie scheidet bei der Übertragung unselbständiger Unternehmensteile als Möglichkeit der Enthaftung aus, weil sie in diesen Fällen als Mittel der handelsrechtlichen Publizität untauglich ist. Anders als bei Unternehmen oder Zweigniederlassungen ist eine Eintragung im Handelsregister bei unselbständigen Unternehmensteilen nicht möglich. Die einzige Möglichkeit filr den Erwerber, sich von der grundsätzlich bestehenden Haftung zu lösen, ist die Mitteilung an die Gläubiger nach § 25 Abs. 2 HGB. Soll trotz der Fortfiihrung des Unternehmensteils eine Übernahme der Verbindlichkeiten nicht erfolgen, muß dies den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmensinhabers mitgeteilt werden. Die Mitteilung der abweichenden Bekanntmachung wirkt dabei gegenüber dem einzelnen Gläubiger, dem sie zugeht l62 • Problematisch könnte an diesem Ergebnis sein, daß dem Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils weniger Möglichkeiten zur Verfilgung stehen als dem Erwerber eines Unternehmens, um sich von der durch die Unternehmenskontinuität begründeten Haftung zu lösen. Das ist jedoch eine Folge des Haftungskonzeptes. Die Firmenfortfilhrung und die Handelsregistereintragung sind keine haftungs begründenden Tatbestandsmerkmale, sondern dienen dem Zweck, sich von der Haftung zu lösen. Sie sind jedoch bei unselbständigen Unternehmensteilen nicht anwendbar. Alleine die Benachrichtigung der Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers steht dem Erwerber als Enthaftungsmöglichkeit zur Verfilgung. Will er sich von der grundsätzlich bestehenden Haftung lösen, muß er sich in der Praxis dem Aufwand der Mitteilung an die einzelnen Gläubiger der unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten stellen. Die Mitteilung an die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers setzt die Verjährungsfrist nach § 26 HGB filr die Fortdauer der Inanspruchnahme des ursprünglichen Unternehmensinhabers in Gang. Da der ur162

Baumbach/Hopt § 25 Rn 14; KolierlRothiMorck § 25 Rn 8.

§ 4 Umfang der Haftung

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sprüngliche Unternehmensinhaber wegen des Beginns der Verjährung ebenfalls ein Interesse an der Unterrichtung der Gläubiger hat, ist nahezu sichergestellt, daß die Gläubiger unterrichtet werden, falls eine Haftung des Erwerbers fiir die unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden soll.

§ 4 Umfang der Haftung Haftet der Erwerber den Gläubigem bei Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils, stellt sich die Frage, welchen Umfang die Haftung hat. Eine Haftung des Erwerbers fiir alle Verbindlichkeiten, die in dem Geschäftsbetrieb des Unternehmens begründet waren, dessen Unternehmensteil veräußert wird, kommt nicht in Betracht. Wegen der Übernahme nur eines Teils des Unternehmens erfaßt die Haftung unter Kontinuitätsgesichtspunkten nur einen Teil der Verbindlichkeiten. Auch unter Gläubigerschutzgesichtspunkten ist eine Erstreckung auf alle in dem ursprünglichen Unternehmensteils begründeten Verbindlichkeiten nicht vertretbar. A. Wertmäßig begrenzte Haftung

In Betracht kommt eine anteilige Haftung gegenüber jedem Gläubiger, bezogen auf das Verhältnis zwischen dem veräußerten Unternehmensteil und dem Wert des Gesamtunternehmens. Diese Bestimmung des Umfangs der Haftung hat den Vorteil, daß es nicht erforderlich ist, dem veräußerten Unternehmensteil einzelne Verbindlichkeiten zuzuordnen. Alle Gläubiger können den Erwerber auf einen Teil ihrer Forderungen in Anspruch nehmen. Das behandelt alle Gläubiger des Unternehmens gleich. Nachteilig ist jedoch, daß eine Unternehmensbewertung des Gesamtunternehmens und des veräußerten Unternehmensteils filr alle Verbindlichkeiten erfolgen muß. Neben den Schwierigkeiten und Kosten, welche die Unternehmensbewertung mit sich bringt, ist diese Vorgehensweise nahezu undurchfUhrbar. Hinzu kommt, daß diese Beschränkung der Haftung nicht mit dem haftungsbegründenden Prinzip der Kontinuität des Unternehmensteils in Einklang gebracht werden kann, weil sich die Haftung auf Verbindlichkeiten erstreckt, die gar nicht von der Kontinuität des Unternehmensteils erfaßt sind. Daher ist diese Art der Beschränkung der Haftung abzulehnen.

136

2. Teil: Plädoyer rur ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

B. Im Innenverhältnis auszugleichende Haftung Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß der Erwerber den Gläubigem des Unternehmens zwar ft1r alle Verbindlichkeiten des Unternehmens haftet, obwohl er nur einen Unternehmensteil erworben hat. Dem Erwerb des Unternehmensteils wird dadurch Rechnung getragen, indem der Erwerber diese Haftung im Innenverhältnis auf die in dem Unternehmensteil begrUndeten Verbindlichkeiten beschränken und von dem ursprünglichen Inhaber Freistellung verlangen kann. Dieser Haftungsumfang hat den Vorteil, daß alle Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers den Erwerber des -unselbständigen Unternehmensteils in Anspruch nehmen können, ohne erst prüfen zu müssen, ob ihre Verbindlichkeit in dem Unternehmensteil begründet ist oder nicht. Die Zuordnung einer Verbindlichkeit zu dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils erfordert interne Kenntnisse, welche die Gläubiger nicht ohne weiteres erhalten. Der entscheidende Nachteil besteht jedoch darin, daß der Erwerber das Insolvenzrisiko des ursprünglichen Unternehmens inhabers trägt, falls dieser ihn bei einer Inanspruchnahme nicht freistellen kann. Hierdurch wäre der Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils unangemessen benachteiligt. Dieser Haftungsumfang fmdet in der Haftungskonzeption des § 25 HGB keine Stütze. Weiterhin sind die Veräußerungsparteien nicht von der Schwierigkeit entbunden zu bestimmen, welche Verbindlichkeiten dem unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden. Dieser Umfang der Haftung des Erwerbers ist daher ebenfalls abzulehnen.

C. Haftung für im Unternehmensteil begründete Verbindlichkeiten Die dritte Möglichkeit besteht darin, die Haftung des Erwerbers auf die im Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils begrUndeten Verbindlichkeiten zu beschränken.

I. Allgemeines

Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, daß sie in Einklang mit dem in dieser Arbeit entwickelten Haftungskonzept steht, wonach die FortfUhrung des unselbständigen Unternehmensteils das haftungsbegrUndende Merkmal der Erwerberhaftung ist. Die zu dem abgrenzbaren Unternehmensteil gehörenden Verbindlichkeiten werden dem Erwerber zugewiesen, der neben dem ursprünglichen Inhaber gesamtschuldnerisch haftet.

§ 4 Umfang der Haftung

137

Es wird berücksichtigt, daß es nicht die Funktion des § 25 HGB ist, eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers zu gewährleisten oder die Benachteiligung einzelner von ihnen zu verhindern, das ist vielmehr der Zweck insolvenzrechtlicher Vorschriften l63 . Die Schwierigkeit fllr die Gläubiger und die Veräußerungsparteien besteht vielmehr in der Feststellung, welche Verbindlichkeiten dem Unternehmensteil zugeordnet sind. Für die Lösung dieser Schwierigkeit werden im dritten Teil der Arbeit Lösungswege entwickelt. 11. Inhalt der Haftung

Es fragt sich, welchen Inhalt die Haftung des Erwerbers hat. Kann er von den Gläubigem des ursprünglichen Unternehmensinhabers auf Erfilllung der Verbindlichkeit in Anspruch genommen werden oder nur auf die Zahlung eines Geldbetrages? Ein ähnliches Problem stellt sich bei Frage des Verhältnisses von Gesellschafts- und Gesellschafterschulden 164. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung aufgrund eines Schuldbeitritts ist der Inhalt der Schuld des Beitretenden identisch mit der Schuld des ursprünglichen Schuldners. Bei Geldschulden ist die Frage der Haftung auf Erfilllung oder auf Geld unerheblich, weil der Anspruch des Gläubigers in jedem Fall auf Geld gerichtet ist. Die praktische Bedeutung besteht aber bei Schuldverpflichtungen, bei denen eine Sachleistung oder ein Tun, Dulden oder Unterlassen gefordert ist. In diesem Fall ist der Erwerber zu dem entsprechenden Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet, es sei denn, aus dem Inhalt der entsprechenden Verbindlichkeit ergibt sich etwas anderes l6S . Das bedeutet fllr den hier zu beurteilenden Fall, daß der Erwerber nur fllr die Verbindlichkeiten haftet, die allein in dem übernommenen unselbständigen Unternehmensteil begründet sind. Alle Verbindlichkeiten, die sich auf das Gesamtunternehmen beziehen oder auf andere Unternehmensteile, sind von der Haftung nicht umfaßt. Welche Möglichkeiten die Veräußerungsparteien und die Gläubiger hinsichtlich der Feststellung haben, ob eine konkrete Verbindlichkeit im Einzelfall ausschließlich zu dem übernommenen unselbständigen Unternehmensteil gehört, wird nachstehend im dritten Teil der Arbeit untersucht.

16]

164 165

Canaris. Festschrift Frotz, S. 11,25. Wiedemann § 5 IV 2. Wiedemann § 5 IV 2. a).

138

2. Teil: Plädoyer für ein weiterentwickeltes Haftungskonzept

§ 5 Ergebnis Der Erwerber kann nach § 25 HGB analog von den Gläubigern des ursprünglichen Inhabers gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden, wenn er den unselbständigen Unternehmensteil fortfilhrt und den Gläubigern nicht mitteilt, daß er fUr die in dem unselbständigen Unternehmensteil begründeten Verbindlichkeiten nicht einsteht. Die Haftung umfaßt dabei die in dem übernommenen unselbständigen Unternehmensteil begründeten Verbindlichkeiten, die sich ausschließlich dem übertragenen Unternehmensteil zuordnen lassen. Verbindlichkeiten, die dem Gesamtunternehmen oder anderen Unternehmensteilen zugeordnet werden, zählen hierzu nicht.

3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil Nach dem Ergebnis der bisherigen Untersuchung haftet der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils nach § 25 HGB analog den Gläubigem des ursprünglichen Inhabers. Es handelt sich um eine gesamtschuldnerische Haftung mit dem ursprünglichen Inhaber filr die in dem unselbständigen Unternehmensteil begründeten Verbindlichkeiten. Der Erwerber kann sich trotz der Fortführung des unselbständigen Unternehmensteils von der Haftung nur lösen, wenn er den Gläubigem mitteilt, er stehe rur die in dem unselbständigen Unternehmensteil begründeten Verbindlichkeiten nicht ein. Zu dem gleichen Ergebnis kommt nicht nur das hier vertretene, weiterentwickelte Haftungskonzept von der grundsätzlichen Haftung durch die Unternehmenskontinuität bei gleichzeitiger Möglichkeit der Enthaftung, sondern ebenfalls die im zweiten Teil erörterte Kontinuitätslehre und die Erfilllungstheorie. Nach diesen Ansätzen zum Sinn und Zweck der Norm ist eine Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB analog beim Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils rur die im Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils begründeten Verbindlichkeiten ebenfalls möglich. Vertritt man eines der vorbezeichneten Konzepte zum Haftungsgrund des § 25 HGB, dann hilft all eine die Feststellung, der Erwerber hafte rur alle in dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils begründeten Verbindlichkeiten, den Gläubigem nicht weiter. Vielmehr stellt sich die Frage, rur welche Verbindlichkeiten im konkreten Fall der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils in Anspruch genommen werden kann. Es sind Kriterien zu entwickeln, welche die Zuordnung einer speziellen Verbindlichkeit gerade zu dem veräußerten unselbständigen Unternehmensteil ermöglichen. Es muß sich um Verbindlichkeiten handeln, die einen Anknüpfungspunkt in dem zu beurteilenden Unternehmensteil haben. Verbindlichkeiten, die sich nur auf das Gesamtunternehmen beziehen oder ausschließlich auf andere Unternehmensteile, sind von der Haftung des Erwerbers des übertragenen Unternehmensteils nicht erfaßt. Die Lösung der Zuordnung von einzelnen Verbindlichkeiten zu einem unselbständigen Unternehmensteil ist schwierig. Es muß eine Differenzierung der vielfliltigen Verbindlichkeiten der Gläubiger gegen den Inhaber des Gesamtunternehmens dahingehend getroffen werden, welche dem übertragenen Unternehmensteil zugeordnet werden können. Diese interne Zuordnung der Verbindlichkeiten muß von den Gläubigem im Außenverhältnis festgestellt werden.

140 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Die Zuordnung von Verbindlichkeiten stellt bei den folgenden ähnlichen Fallgestaltungen kein Problem dar. Beim Erwerb ganzer Unternehmen ist eine Differenzierung nicht erforderlich, weil alle unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten von der Haftung umfaßt sind. Ist eine Zweigniederlassung Gegenstand des Erwerbs, dann lassen sich aufgrund der Selbständigkeit der Zweigniederlassung die in ihrem Geschäftsbetrieb begründeten Verbindlichkeiten ebenfalls ohne größere Schwierigkeiten feststellen. Bei der Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz hat der Gesetzgeber die Frage, fUr welche Verbindlichkeiten der Erwerber haftet, in einer Weise gelöst, welche die Gläubiger von einer Feststellung entbindet, zu welchem Unternehmensteil ihre Verbindlichkeiten gehört haben. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG haften die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner fUr die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind. Das bedeutet fUr die Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers, daß sie den Erwerber hinsichtlich aller Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen können. Sie brauchen nicht zu differenzieren, ob die betreffende Verbindlichkeit in den Spaltungsplan bzw. in den Spaltungsvertrag mit aufgenommen worden ist und auf den neuen Rechtsträger übergeht oder nicht. Es reicht aus, daß der übertragende Rechtsträger vor der Spaltung der Schuldner war. Eine Bestimmung, welche Verbindlichkeiten von der Haftung des Erwerbers umfaßt sind und welche nicht, ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Auf eine bestehende Praxis fUr die hier interessierende Fragestellung der Veräußerung eines Unternehmensteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge und die Zuordnung der Verbindlichkeiten im Außenverhältnis kann daher nicht zurückgegriffen werden. Dem steht nicht entgegen, daß im Innenverhältnis der Veräußerungsparteien die Zuordnung der Verbindlichkeiten im Regelfall vorgenommen wird. Zur Lösung der Frage, welche Verbindlichkeiten einem unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden können, sind in einem ersten Schritt entsprechende Kriterien zu entwickeln. Das alleine reicht aber nicht aus. Die Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers müssen die Möglichkeit haben, über diese interne Zuordnung der Verbindlichkeit Informationen zu erlangen, um ihren Anspruch gegen den Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils praktisch durchsetzen zu können. Hierzu ist es erforderlich, ihnen Hilfsmittel zur effizienten Geltendmachung der Verbindlichkeiten an die Hand zu geben. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei nochmals auf folgendes hingewiesen. Bei der Zuordnung der Verbindlichkeiten eines Unternehmensteils geht es darum festzustellen, ob die betreffende Verbindlichkeit im Geschäftsbetrieb des auf den Erwerber übertragenen unselbständigen Unternehmensteils begründet ist. Schuldner der Verbindlichkeit ist dabei nicht der unselbständige Unternehmensteil, der nicht Rechtsträger sein kann, sondern der Erwerber und der Veräußerer als Gesamtschuldner.

§ 1 Art der Verbindlichkeiten

141

§ 1 Art der Verbindlichkeiten Bevor die Kriterien untersucht werden, welche die Zuordnung von einzelnen Verbindlichkeiten zu dem übertragenen unselbständigen Unternehmensteil ermöglichen, ist es sinnvoll, einen Überblick über die Art der in Betracht kommenden Verbindlichkeiten zu geben.

A. Allgemeines Die Verbindlichkeiten lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Es gibt einzelne Verbindlichkeiten, die sich ausschließlich einem Unternehmensteil zuordnen lassen. Hierzu gehört die Vielzahl unteilbarer Rechte, die sich im Gegenzug als Verbindlichkeiten darstellen, etwa aus Eigentum, Grunddienstbarkeiten, Grundpfandrechten, Pfandrechten, Nießbrauch. Daran ändert nichts, daß es einen Anspruch auf teilweise Rückgewähr einer Grundschuld geben kann, wenn die persönliche Forderung teilweise getilgt worden ist; denn der Anspruch auf Rückübertragung ist rechtlich unteilbar). Unteilbar sind weiterhin die Werkvertragsverpflichtung zur Herstellung einer Sache2, die Verpflichtung zum Gebrauch einer Sache\ die Verpflichtung zum Schadensersatz in Natur4, Auskunftspflichten. In diesen Fällen ist allein das Problem zu lösen, welche Kriterien diese Zuordnung der Verbindlichkeit ermöglichen. Zusätzlich zu den unteilbaren Verbindlichkeiten gibt es teilbare Verbindlichkeiten. Diese können einem Unternehmensteil entweder gesamt oder nur zum Teil zugeordnet werden. Falls eine bestimmte Verbindlichkeit sich nicht einem Unternehmensteil alleine zuordnen läßt, sondern gleichzeitig zu mehreren Unternehmensteilen oder zu dem Gesamtunternehmen und dem Ubertragenen Unternehmensteil gehört, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob diese Verbindlichkeit anteilig dem übertragenen Unternehmensteil zugeordnet werden kann und nach § 25 HGB zugeordnet werden muß. Diese zweite Art der Verbindlichkeiten ist vielflUtig. Zur Veranschaulichung dient der Anspruch auf Zahlung der Telefonkosten, der Gehälter der leitenden Angestellten oder der Lieferung von Materialien, die im gesamten Unternehmen benötigt werden, wie z.B. GIUhbirnen oder Kopierpapier.

I

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BGH WM 1969, 209, 211; MünchKomm.BGB/Selb § 420 Rn 1. RG JW 1911,756. RG JW 1917,849. RGZ 67, 273, 275.

142 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

B. Teilbare Verbindlichkeiten Diejenigen Verbindlichkeiten, die nicht einem Unternehmensteil alleine zugeordnet werden können, sind daraufhin zu untersuchen, ob sie teilbar sind und in welcher Weise sie rechtlich behandelt werden. Die Teilbarkeit der Leistung wird von der rechtlichen Natur des durch die Rechtsordnung gebildeten Gegenstandes bestimmt. Eine Leistung ist teilbar, wenn ohne Wertminderung und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks Teilleistungen gebildet werden können und die Leistung ohne Wertverlust in nur mengenmäßig unterschiedene, qualitativ aber gleichartige Teile zerlegbar ist5 . Unproblematisch teilbar sind Geldschulden6 und Lieferverpflichtungen, die eine Vielzahl gleichartiger Gegenstände betreffen. Es gibt damit vielfllltige Leistungen, die grundsätzlich auf verschiedene Unternehmensteile oder einen Unternehmensteil und das restliche Unternehmen aufteilbar wären. Hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten, welche dem übertragenen unselbständigen Unternehmensteil nicht vollständig, sondern nur zum Teil zugeordnet werden könnten, stellt sich die Frage, ob die Verbindlichkeit in zwei Teile aufgegliedert werden können, die rechtlich unterschiedlich behandelt werden. Es könnte sich um Teilschulden handeln, fllr welche die Auslegungsregel des § 420 BGB eingreift. Eine Teilschuld liegt vor, wenn mehrere eine teilbare Leistung schulden, aber keine Gesamtschuld vorliegt. In diesen Fällen hat der Gläubiger gegen jeden Schuldner einen Anspruch auf die von ihm zu erbringende Teilleistung. Die Fälle des § 420 BGB sind jedoch selten; denn die Entstehung von Teilschulden muß vereinbart werden. Die Vereinbarung von Teilschulden braucht jedoch nicht ausdrücklich getroffen zu werden; sie kann dem Vertrage auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB zu entnehmen sein 7• Folglich sind die Voraussetzungen fllr eine Teilschuld bei Verbindlichkeiten nicht erfUllt, die zum Teil einem Unternehmensteil zugeordnet werden können. Erwerber und Veräußerer haften nicht jeweils nur fllr einen Teil der Verbindlichkeit. Vielmehr bleibt der Veräußerer gegenüber seinen Gläubigern der Schuldner rur die gesamte Verbindlichkeit. Hinsichtlich des Teils der Verbindlichkeit, welche auch den Erwerber triffi, tritt eine gesamtschuldnerische Haftung der Veräußerungsparteien ein.

5 6 7

PalandtlHeinrichs § 420 Rn I; Larenz, SchR AT I, § 36 I. a), S. 621. MünchKomm.BGB/Selb § 420 Rn I. Larenz, SchR AT I, § 36 11. a), S. 628.

§ 1 Art der Verbindlichkeiten

143

Die Auslegungsregel des § 427 BGB greift ebenfalls nicht ein. Nach § 427 BGB haften diejenigen als Gesamtschuldner, die sich durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung verpflichtet haben. Bei der Teilung eines Unternehmens und der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils auf den Erwerber, verpflichten sich die Veräußerungsparteien nicht gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung. Vielmehr wird die Verbindlichkeit durch die Veräußerung des unselbständigen Unternehmensteils in der Weise zugeordnet, daß der Veräußerer filr die gesamte Verbindlichkeit von den Gläubigem in Anspruch genommen werden kann und der Erwerber nur filr den Teil gesamtschuldnerisch haftet, der dem Unternehmensteil zuordnenbar ist. Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage des § 266 BGB, wonach der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt ist. Schuldner der gesamten Verbindlichkeit ist nach wie vor der ursprüngliche Unternehmensinhaber. Wird er von den Gläubigem in Anspruch genommen, ist er verpflichtet, sie zu erfUllen. Er kann die Gläubiger nicht an den Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils verweisen. Der Erwerber hingegen haftet ausschließlich filr den auf den Unternelunensteil entfallenden Anteil der Verbindlichkeit. ErfUllt er diesen Teil der Verbindlichkeit, handelt es sich nicht um eine Teilleistung, sondern um die Erfilllung des gesamten auf den Erwerber entfallenden Teils der Schuld. Zusammenfassend kommt bei teilbaren Verbindlichkeiten nur die folgende Haftungsverteilung zwischen Erwerber und Veräußerer in Betracht. Für den Teil der Verbindlichkeit, welcher dem Unternehmensteil zugeordnet werden kann, haften Erwerber und Veräußerer gesamtschuldnerisch, filr den auf das restliche Unternehmen oder andere Unternehmensteile entfallenden Teil haftet der ursprüngliche Inhaber alleine.

c. Unternehmenskontinuität und teilbare Verbindlichkeit Es stellt sich die Frage, ob die haftungsbegrUndende Wirkung der Unternehmenskontinuität ausschließlich Verbindlichkeiten als Ganzes oder auch Teile von Verbindlichkeiten erfaßt. Verbindlichkeiten, die sich einem Unternehmensteil allein zuordnen lassen, sind von der Haftung des Erwerbers umfaßt, unabhängig davon, ob sie teilbar sind oder nicht. Ob dies bei einer teilbaren Verbindlichkeit hinsichtlich des Teils der Verbindlichkeit gilt, die dem Geschäftsbetrieb eines unselbständigen Unternehmensteils zugeordnet werden kann, muß näher untersucht werden. Hierzu ist es erforderlich, sich nochmals den Sinn und Zweck der Erwerberhaftung zu verdeutlichen. Die Erhaltung der Haftungsmasse war nicht der entscheidende Zweck der Anordnung der Erwerberhaftung in § 25 HGB. Vielmehr kam der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen und der Regelung der Unwägbarkeiten, die durch die Übertragung des Unternehmens oder des 11 Thcißen

144 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Unternehmensteils fUr die Beteiligten entstehen, im Interesse des Rechtsverkehrs entscheidende Bedeutung zu. Berücksichtigt man diesen Aspekt, dann werden nicht nur Verbindlichkeiten in ihrer Gesamtheit von der haftungsbegründenden Wirkung der Kontinuität des Unternehmensteils erfaßt. Vielmehr sind auch Verbindlichkeiten, die nur teilweise einem Unternehmensteil zugeordnet werden können, fUr den Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils von Bedeutung. Handelt es sich beispielsweise um Lieferungen von Material, die in mehreren Unternehmensteilen Verwendung fmden, dann gehört der Teil der Kaufpreisforderung, die sich auf den übertragenen Unternehmensteil bezieht, zu den unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten. Dies entspricht dem Interesse der Beteiligten. Der ursprüngliche Unternehmensteilinhaber wird fUr den Teil des Materials, der in dem übernommenen Unternehmensteil verbraucht wird, keine Verwendung mehr haben. Im Gegensatz dazu benötigt der Erwerber das entsprechende Material, um das Geschäft des Unternehmensteils zu fUhren; ansonsten müßte er eine neue Bestellung aufgeben oder eine neue Geschäftsbeziehung knüpfen. Der Gläubiger wird an der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung ebenfalls ein Interesse haben. Berücksichtigt werden muß jedoch gerade bei den teilbaren Verbindlichkeiten, daß die Geschäfte des Unternehmensteils in irgendeiner Weise nach außen in Erscheinung getreten sein müssen. Erfaßt werden daher nur diejenigen teilbaren Verbindlichkeiten, bei denen dem Rechtsverkehr bekannt war, daß Teile der entsprechenden Verbindlichkeit auf mehrere Unternehmensteile bezogen waren. Werden beispielsweise Materialien geliefert, von denen ein Teil in den Geschäftsräumen des Unternehmensteils A und ein Teil in den Geschäftsräumen des Unternehmensteils B ausgeliefert wird, dann ist die Aufteilung der Materiallieferung auf zwei Unternehmensteile fUr den Gläubiger erkennbar. Die aus der Warenlieferung entstehende Zahlungsverbindlichkeit ist teilbar; entsprechend dem Anteil, der auf den übertragenen Unternehmensteil entfiel, ist die Zahlungsverbindlichkeit von der Haftung des § 25 HGB umfaßt. Damit erfaßt die Kontinuität des Unternehmensteils neben vollständig zuordnenbaren Verbindlichkeiten auch diejenigen teilbaren Verbindlichkeiten, deren Anteil in einem Unternehmensteil begründet ist. Wie der von der Kontinuität des Unternehmensteils erfaßte Anteil dieser Verbindlichkeiten bestimmt werden kann, wird später untersucht8 •

8

Siehe unten 3. Teil § 2 C.

§ I Art der Verbindlichkeiten

145

D. Problem der Vertragsüberleitung Es stellt sich die Frage, ob zusätzlich zu der Haftung des Erwerbers für die vorbezeichneten Verbindlichkeiten die Vertragsverhältnisse im Ganzen auf den Erwerber übergehen. Der Übergang der Vertrags beziehungen im Ganzen hätte zwar den Vorteil, daß in diesem Fall der Erwerber in das Schuldverhältnis im weiteren Sinne eintritt. Dies wird von den Vertretern der Vertragsübernahmetheorie und von K. Schmidt als Verfechter der Kontinuitätstheorie angenomrnen9 • Der Eintritt des Erwerbers in die Geschäftsbeziehungen ist in diesem Fall umfassend ausgestaltet. Wie bereits ausgefilhrt, ist diese Auslegung des § 25 HGB zu weitgehend. Sie ist mit dem eindeutigen Wortlaut des § 25 HGB nicht vereinbar. Es ist dort nur die Rede von Verbindlichkeiten und Forderungen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um Schuldverhältnisse im engeren Sinne. Inwieweit die Annahme des Beitritts in das gesamte Schuldverhältnis im Wege der analogen Anwendung des § 25 HGB möglich und geboten ist, soll hier nicht weiter verfolgt werden.

E. Ergebnis Zusammenfassend wird festgehalten, daß beide Arten von Verbindlichkeiten von der Haftung des Erwerbers umfaßt sind, weil sie der Unternehmenskontinuität unterfallen. Das gilt zum einen für die Verbindlichkeiten, die einem bestimmten Unternehmensteil vollständig zugeordnet werden können, unabhängig davon, ob sie teilbar oder unteilbar sind. Weiterhin gilt es für die teilbaren Verbindlichkeiten, von denen nur ein Teil einem unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden kann. Bei teilbaren Verbindlichkeiten haften Erwerber und Veräußerer gesamtschuldnerisch für den Teil der Verbindlichkeit, welcher dem Unternehmensteil zugeordnet werden kann; für den auf das restliche Unternehmen oder einen anderen Unternehmensteil entfallenden Teil haftet der ursprüngliche Inhaber alleine. Die Auslegungsregeln für Teilschulden helfen bei der Zuordnung der Verbindlichkeiten nicht weiter, so daß andere Kriterien gefunden werden müssen, um die Zuordnung der Verbindlichkeit im ganzen oder eines Teil zu dem übertragenen Unternehmensteil vornehmen zu können. Demgegenüber ist ein Übergang ganzer Vertragsverhältnisse nicht nach

§ 25 HGB in seiner geltenden Fassung möglich.

9 jj.

Siehe oben I. Teil § 4 B. IV., V.

146 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Untemehmensteil

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten Die Unterscheidung der Verbindlichkeiten, die einem unselbständigen Unternehmensteil grundsätzlich zugeordnet werden können, bedingt eine getrennte Untersuchung, nach welchen Kriterien eine Verbindlichkeit einem Unternehmensteil zugeordnet werdt:m kann. Hierbei ist nach Verbindlichkeiten zu unterscheiden, die in ihrer Gesamtheit oder nur teilweise auf den Unternehmensteil entfallen. A. Anerkannte Zuordnungsmöglichkeiten Im Handelsrecht stellt sich das Problem der Abgrenzung von Verbindlichkeiten in unterschiedlichen Formen, die möglicherweise bei der Zuordnung von Verbindlichkeiten zu einem unselbständigen Unternehmensteil hilfreich sein könnten. Die Abgrenzung wird jedoch zur Abgrenzung von Alt- und Neuschulden meist in zeitlicher Hinsicht getroffen, wie etwa beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Kommanditgesellschaft oder Offenen Handelsgesellschaft. Die gleiche Unterscheidung muß ebenfalls bei § 25 HGB selbst vorgenommen werden, da der Veräußerer des Unternehmens nicht mehr fUr die Neuschulden haftet 1o • Die Lehre von den Unternehmenspertinenzen ll , welche eine Zuordnung der Verbindlichkeiten über die Zubehöreigenschaft zu begründen versucht, hilft ebenfalls fUr die Entscheidung im Einzelfall nicht weiter, ob eine Verbindlichkeit ganz oder zum Teil dem übertragenen Unternehmensteil zugeordnet werden kann. Als Methode zur Abgrenzung der Verbindlichkeiten, die zu dem veräußerten Unternehmensteil gehören und den weiteren Verbindlichkeiten, die bei dem restlichen Unternehmen oder anderen Unternehmensteilen verbleiben, kommt die Auslegung der jeweils zu beurteilenden Verbindlichkeit in Betracht. Die Auslegung ist eine im Handelsrecht anerkannte Methode, um die Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit zum Unternehmen zu bestimmen. Nach der Auslegungsregel des § 344 Abs. I HGB gelten die vom Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als Handelsgeschäfte. § 344 HGB ist auch bei § 25 HGB anwendbar l2 • Die Auslegungsregel dient jedoch dazu, die privaten von den geschäftlichen Verbindlichkeiten des Unternehmensinhabers zu trennen. Insoweit fmdet § 344 HGB als Auslegungsregel auch beim Erwerb eines Unternehmensteils Anwendung. Eine Auslegungshilfe rur die Abgrenzung von 10 11 12

Hierauf weist Canaris, Festschrift Frotz, S. 11, 19 hin. Krejci ÖJZ 1975, 458. HeymanniHorn § 344 Rn 2; DüringerlHachenburglHoeniger § 25 Anm 21.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

147

Verbindlichkeiten einzelner Unternehrnensteile oder von Verbindlichkeiten, die zu dem Gesamtunternehrnen oder zu einem einzelnen Unternehrnensteil gehören, ist dies jedoch nicht. Eine solche Abgrenzung ist im Handelsrecht auch nicht nonniert. Die Auslegung der zu beurteilenden Verbindlichkeiten nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB ist eine Möglichkeit zu entscheiden, ob eine Verbindlichkeit zu einem bestimmten unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden kann oder nicht. Um die Auslegung zu erleichtern, ob eine Verbindlichkeit zu einem bestimmten Unternehrnensteil gehört, müssen entsprechende Kriterien entwickelt werden. Bei der Entwicklung der Kriterien ist zu differenzieren zwischen Verbindlichkeiten, die einem Unternehrnensteil vollständig zugeordnet werden können und solchen Verbindlichkeiten, die einem Unternehrnensteil nur zum Teil zuordnenbar sind. B. Vollständige Zuordnung Zunächst werden Kriterien rur die Auslegung entwickelt, ob eine Verbindlichkeit einem unselbständigen Untemehrnensteil vollständig zugeordnet werden kann. Hierbei ist nicht nach teilbaren und unteilbaren Verbindlichkeiten zu differenzieren.

I. Handelsbücher

Aufschluß über die vollständige Zuordnung einer Verbindlichkeit zu einem bestimmten Unternehrnensteil könnten die Handelsbücher eines Kaufinanns geben. Ein Anzeichen filr das Vorliegen einer Geschäftsschuld bildet die Führung der betreffenden Schuld in den Handelsbüchern 13. Daher ist zu untersuchen, inwieweit die Handelsbücher und die Geschäftsunterlagen im weitesten Sinne eine Verbindlichkeit einem bestimmten Unternehrnensteil zuordnen und inwieweit diese Zuordnung zwingend ist. Jeder Kaufinann und damit der Adressatenkreis des § 25 HGB nach der hier vertretenen Auffassung ist gemäß §§ 238 ffHGB verpflichtet, Bücher zu fUhren sowie Inventare und Bilanzen aufzustellen. Das Dritte Buch des HGB bildet eine Art Grundgesetz des Bilanzrechts, das die wesentlichen Teile des Rechts der Buchfilhrung, Bilanzierung, Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegung enthäle 4 . Es ist refonniert worden durch das Bilanzrichtliniengesetz vom

13 14

SchlegelbergerlHildebrandtlSteckhan § 25 Rn 11. Baumbach/Hopt Einl v § 238 Rn 2.

148 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

19.12.1985 15 • Ziel der Reform war der Schutz der mit dem Kaufinann oder der Gesellschaft in Rechtsverkehr tretenden Gläubiger oder Dritte. Damit wurde zugleich der Funktionenschutz der Wirtschaft beabsichtigtl6. Dies weist in die gleiche Richtung wie der in dieser Arbeit zugrunde gelegte Sinn und Zweck des § 25 HGB, der auf den Funktionenschutz des Unternehmens im Interesse des Handelsverkehrs und der Allgemeinheit abstellte 17 • Das Bilanzrichtliniengesetz zwingt die Unternehmensverwaltung zu ordnungsgemäßer Rechnungslegung und ermöglicht durch diese den Gesellschaftern und Gläubigem die Kontrolle über die Verwaltung. Dieser Schutz wird erreicht, wenn der Jahresabschluß zutreffend und zugänglich ist l8 . Die Handelsbücher 19 im Sinne der Überschrift des Dritten Buches des HGB umfassen das gesamte kaufinännische Rechnungswesen einschließlich der Inventare, Bilanzen, Buchfllhrungsunterlagen und der Geschäftskorrespondenz, § 257 Abs. 1 HGB. Diese Unterlagen sind im einzelnen zu untersuchen, ob sie bei der Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeiten zu einem unselbständigen Unternehmensteil weiterhelfen.

I. Jahresabschluß Der Jahresabschluß könnte zur Feststellung der zu einem Unternehmensteil gehörenden Verbindlichkeiten hilfreich sein. Es besteht rur den Kaufinann die Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses. Der Jahresabschluß besteht aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung und einem Anhang, § 242 Abs.3 HGB.

a) Bilanz Die Bilanz ist die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden eines Kaufinanns, bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt, § 242 Abs. I Satz 1 HGB. Sie ermöglicht einen Überblick über die Lage des Vermögens. Die Bilanz hat zunächst interne Bedeutung20, indem der Kaufinann sich durch die Bilanz Klarheit über den wirtschaftlichen Zustand seines Unternehmens verschaffen kann. Soweit die Bilanz zum Handelsregister eingereicht und im Bun-

IS 16

17

18 19

20

BGBll 2355.

BaumbachiHopt Einl v § 238 Rn 14. Siehe oben 2. Teil § 1 C. IV. BaumbachiHopt Einl v § 238 Rn 15. Brox, HdR, Rn 189. Döl/erer BB 1981,25.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

149

desanzeiger veröffentlicht werden muß, kommt der Bilanz darüber hinaus Bedeutung fiIr den Schutz des Rechtsverkehrs zu, da die Gläubiger sich ebenfalls über den wirtschaftlichen Zustand des handelsrechtlichen Unternehmens informieren können. Diese Pflicht zur Offenlegung betrifft nach § 325 ffHGB jedoch nur Kapitalgesellschaften. Die Bilanz wird aufgestellt auf einen bestimmten Stichtag. Damit die Bilanz überhaupt zur Bestimmung der Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit zu einem bestimmten Unternehmensteil herangezogen werden kann, müßte der Stichtag mit dem Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmensteils zusammenfallen. Bei der Erstellung der Bilanz im Rahmen des normalen Geschäftsjahres wird dieses Zusammentreffen eher zuflillig sein. Es könnte jedoch die Erstellung einer Sonderbilanz helfen. Eine Sonderbilanz wird aus Anlaß eines bestimmten, nicht regelmäßig wiederkehrenden Vorgangs erstellt, z.B. der Veräußerung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils. Beim Kauf eines Unternehmens ist die Erstellung einer Sonderbilanz sinnvoll, weil auf diese Weise das zu übertragende Vermögen, wozu auch die Verbindlichkeiten gehören, abgegrenzt werden kann21 • Der Stichtag als zeitlicher Bezugspunkt fiIr die Rechtswirkungen, die mit dem Übergang des rechtlichen und wirtschaftlichen Kaufgegenstandes verbunden sind, wird bei Unternehmensverkäufen in aller Regel als Abgrenzungszeitpunkt fiIr unentbehrlich gehalten. Dies gilt in besonders starkem Maße bei der Singularsukzession, d.h. beim Übergang des Unternehmens eines Einzelkaufmanns bzw. der Veräußerung von Wirtschaftsgütern als Verkörperung des Unternehmens ohne deren Rechtsträger 2• Die Erstellung der Sonderbilanz ist unentbehrlich, wenn der Kaufpreis nicht feststeht, sondern über eine vertragliche Formel bestimmt wird23 • Wird jedoch ein unselbständiger Unternehmensteil veräußert, rur den allein eine Bilanz nicht erstellt werden kann, dann ist zu untersuchen, ob die Zuordnung von Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Unternehmensteil aus der Bilanz des Gesamtunternehmens erkennbar ist. In der Bilanz des Gesamtunternehmens sind zwar die Verbindlichkeiten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern, § 247 Abs. 1 HGB; das Gliederungsschema ergibt sich aus § 266 HGB. Nach § 266 Abs. 3 Buchstabe C. HGB ist vorgegeben, in welcher Weise die einzelnen Arten von Verbindlichkeiten aufzugliedern sind. Gleichwohl hilft diese Aufgliederung der Verbindlichkeiten nach Arten in der Bilanz nicht bei der hier interessierenden Frage weiter, welche einzelnen Verbindlichkeiten einem Unternehmensteil zugeordnet 21 22 23

Wessing ZGR 1982,455,460; BeisellKlumpp Rn 159. Holzap[eIIPöllath Rn 22. Holzap[eIIPöllath Rn 26, 639 ff.

150 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

werden können; denn aus der Bilanz des Unternehmens ist nur die Summe der zusammengefaßten Verbindlichkeiten erkennbar. Nicht aufgefUhrt sind die Einzelbeträge der Verbindlichkeiten, die Fälligkeitstermine und die weiteren Konditionen sowie die Namen der einzelnen Gläubiger4 ; diese Angaben müssen auf andere Weise festgestellt werden. Diese Ausfiihrungen zeigen bereits, daß die im Rahmen eines Jahresabschlusses erstellte Bilanz ftlr die Zuordnung einer Verbindlichkeit zu einem unselbständigen Unternehmensteil nicht hilfreich ist, weil sie wegen ihrer Funktion nicht die notwendigen Detailinformationen aufweist. b) Gewinn- und Verlustrechnung Die Gewinn- und Verlustrechnung ist die ftir den Schluß eines jeden Geschäftsjahres aufzustellende Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres, § 242 Abs. 2 HGB. Es ist zwar ein festes Gliederungsschema vorgeschrieben, das die Aufwendungen ftlr Material, Personal und sonstige betriebliche Aufwendungen beinhaltet, § 275 HGB. Gleichwohl weist die Gewinn- und Verlustrechnung Aufwendungen nur in Summe auf. Eine Aufgliederung in einzelne Verbindlichkeiten, welche in ihrer Gesamtheit die Aufwendungen ausmachen, wird nicht erstellt. Wie bei der Bilanz fehlt es an der detaillierten Aufstellung. Eine Zuordnung der Verbindlichkeiten zu einzelnen Unternehmensteilen ist daher mit Hilfe der Gewinn- und Verlustrechnung nicht möglich. c) Anhang des Jahresabschlusses Der Anhang des Jahresabschlusses besteht nach § 285 Nr. 3 HGB aus einer Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Er enthält unter anderem den Gesamtbetrag der sonstigen fmanziellen Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz erscheinen und auch nicht nach § 251 HGB anzugeben sind, sofern diese Angabe ftlr die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung ist. Eine genaue Aufschlüsselung der einzelnen Verbindlichkeiten erfolgt durch den Anhang ebenfalls nicht.

24

Jung, S. 345.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

151

d) Zusammenfassung Insgesamt bietet der Jahresabschluß eines Unternehmens keine Anhaltspunkte hinsichtlich der Zuordnung einzelner Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Unternehmensteil, weil keine detaillierte Aufstellung der einzelnen Verbindlichkeiten erfolgt. 2. Inventarerrichtung

Die Pflicht des Kaufmanns zur Inventarerrichtung nach § 240 HGB könnte die notwendigen Informationen beinhalten, um eine einzelne Verbindlichkeit einem Unternehmensteil zuordnen zu können. Das Inventar ist das genaue Verzeichnis aller Vermögensgegenstände (Aktiva) und aller Schulden (Passiva) des Unternehmens nach Art, Menge und Wert zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Feststellung des Inventars hat dabei zum Beginn des Handelsgewerbes und zum Schluß eines Geschäftsjahres zu erfolgen, § 240 Abs. 2 HGB. Die Pflicht zur Inventarerrichtung hilft bei der Zuordnung der Verbindlichkeit zu einem Unternehmensteil nicht weiter. Die Verbindlichkeiten müssen zwar alle erfaßt werden. Gleichwohl erschöpft sich die Inventur in der Erfassung der Verbindlichkeiten, bezogen auf einen bestimmten Stichtag. Selbst wenn der Stichtag der Inventur mit dem Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmensteils übereinstimmte, helfen die festgestellten Angaben nicht weiter; denn eine Zuordnung der Verbindlichkeiten zu einzelnen Unternehmensteilen innerhalb des Gesamtunternehmens ist mit der Errichtung des Inventars nicht verbunden. 3. Buchführung

Um feststellen zu können, welche Verbindlichkeiten im einzelnen einem unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden, sind Unterlagen erforderlich, aus denen sich die einzelnen Geschäftsvorgänge im Detail ergeben. Bei den Unterlagen, aus denen sich die Zusammensetzung des Geschäftsvermögens des ursprünglichen Unternehmensinhabers zum Zeitpunkt des Erwerbs des Unternehmensteils ergibt, handelt es sich um die BuchfUhrungsunterlagen. Da der Kaufmann gemäß § 238 Abs. 1 HGB zu ordnungsgemäßer BuchfUhrung verpflichtet ist, stehen diese Unterlagen dem ursprünglichen Unternehmens inhaber, der einen Unternehmensteil veräußert und der Adressat des § 25 HGB ist, zur Verfiigung.

152 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Zu untersuchen ist, ob mit Hilfe der Informationen, welche über die Buchfilhrungsunterlagen erlangt werden können, eine Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zu einem unselbständigen Unternehmensteil möglich ist. a) Allgemeines Die Buchfilhrung hat in einer Weise zu erfolgen, die einem sachkundigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorflille und die Lage des Unternehmens ermöglicht, § 238 Abs. I Satz 2 HGB. Die Eintragungen in den Handelsbüchern müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden, § 239 HGB. Als Teil des betrieblichen Rechnungswesens kommt der Buchfllhrung die Aufgabe zu, alle GeschäftsvorflilIe in chronologischer Reihenfolge festzuhalten 2s • Durch die Buchfllhrung muß es möglich sein, jeden Geschäftsvorfall vom Beleg bis zum Abschluß zu verfolgen und die Zusammensetzung der einzelnen Positionen des Jahresabschlusses aus den einzelnen Geschäftsvorgängen zu rekonstruieren 26 Sie bildet die Grundlage der Bilanz, die aus den Zahlenwerten der Buchftlhrung ermittelt wird. Nach der Buchfllhrungsrichtlinie I muß ein geordnetes Rechnungswesen alle Geschäftsvorfl1lle und die verbundenen Mengen- und Wertbewegungen lükkenlos erfassen und planmäßig ordnen. Es bietet dadurch eine unerläßliche Voraussetzung ftlr eine Ordnung der Betriebe sowie ftlr eine dauerhafte Beobachtung des Betriebszustands. Der hier interessierende Zweck des Rechnungswesens liegt nach Ziffer 3 Buchfllhrungs-Ri I darin, Bestände an Vermögen und Schulden sowie ihre Veränderung, Aufwände, Leistungen und Erfolge in einem Zeitraum festzustellen. Da die Buchfllhrung eine Zeitrechnung darstellt, während die Bilanz eine Gegenüberstellung von Vermögen und Kapital eines Unternehmens ist, die sich auf einen Bilanzstichtag bezieht, stellt sich die Frage, wie diese Ziele der Buchfilhrung verwirklicht werden. Die Anforderungen an die Organisation der Buchfilhrung sind in der Buchftlhrungsrichtlinie II aufgefilhrt. Unabhängig davon, ob eine einfache oder doppelte Buchftlhrung angewandt wird, bedient sich die Buchftlhrung als Organisationsform der Kontierung, um Stand und Veränderung des Vermögens, des Kapitals und der Verbindlichkeiten, sowie die Aufwände,

25 Vgl. Richtlinien zur Organisation der Buchfilhrung (im Rahmen eines einheitlichen Rechnungswesens)(Buchfilhrungs-Ri) vom 11.11.1937 (MinBltWi 239), abgedruckt in Baumbach/Hopt Anhang (2). 26 LejJson, S. 155.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

153

Leistungen und Erfolge erfassen zu können27 • Dies ist möglich, weil alle in der Buchfilhrung erfaßten Größen in Geldeinheiten ausgedrückt werden. Die Konten, aus denen die Buchfilhrung besteht, sind zweiseitige Rechnungen, bei denen Soll und Haben einander gegenübergestellt werden28 • Zum einen gibt es Bestandskonten, welche Vermögenswerte erfassen und Kapitalpositionen aufhehmen29 ; es sind die Aktiv- oder Passivkonten. Hierbei sind so viele passive Bestandskonten einzurichten, wie Passivpositionen in der Eröffnungsbilanz enthalten sind. Für Verbindlichkeiten, die im Laufe eines Geschäftsjahres entstehen, müssen vom Zeitpunkt der Entstehung an neue Passivkonten eingerichtet werden30 • Wird durch einen Geschäftsvorfall ein Gewinn oder Verlust erzielt, wird dies auf einem speziellen Aufwands- oder Ertragskonto ausgewiesen, um die Quelle des Erfolgs sichtbar zu machen3l • Die Art und Zahl der Konten muß eine klare Erfassung und Abgrenzung der einzelnen Geschäftsvorfillle sowie eine ausreichend tiefe Gliederung ermöglichen. Die verschiedenen Konten sind in einem Kontenrahmen zusammengefaßt. Der Kontenrahmen ist ein Organisations- und Gliederungsplan rur das gesamte Rechnungswesen. Es gibt den Gemeinschaftskontenrahmen und den Industriekontenrahmen, die jeweils in zehn Kontengruppen und diese wiederum in zehn Untergruppen aufgeteilt sind32 • Die Kontenklasse 4 des Industriekontenrahmens nimmt die Verbindlichkeiten und passiven Rechnungsabgrenzungsposten auf Hierzu zählen Anleihen, Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Wechselverbindlichkeiten, Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen, sonstige Verbindlichkeiten. Klasse 5 nimmt die Konten der Kostenstellenrechnung auf. Das bedeutet, daß die bestehenden Verbindlichkeiten in Unterkonten dieser Kontengruppe gebucht werden. Da fUr jede Buchung nach dem Belegprinzip ein rechnungsmäßiger Beleg vorhanden sein muß, läßt sich durch die Buchung in Verbindung mit dem entsprechenden Beleg jederzeit feststellen, welche Verbindlichkeiten, bezogen auf das Gesamtunternehmen, in einem bestimmten Zeitpunkt bestehen. Interessant rur die zu beurteilende Frage der Zuordnung von Verbindlichkeiten sind alleine die passiven Bestandskonten. Sie weisen aus, welche Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen. Als Beispiele zur Verdeutlichung dienen die folgenden BuchungsflUle. 27

28 29

30

31 32

Wöhe, Bilanzierung, S. 71. K. Schmidt, HdR, § 15 JII. 1. a). Wöhe, Bilanzierung, S. 71. FalterbaumiBeckmann Rn 106. Wöhe, Bilanzierung, S. 73. Wöhe, Bilanzierung, S. 81 tf.

154 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Untemehmensteil

Werden Produktionsmittel wie Materialien, Löhne etc. benötigt und sofort bezahlt, sei es mit Buchgeld oder mit Bargeld, dann vergrößert sich der Investitionsbereich und der Bestand an Bankguthaben oder der Kassenbestand verkleinern sich. Da beide Positionen sich auf der Aktivseite befinden, kann man diesen Vorgang als Aktivtausch bezeichnen. Die Passivseite ist nicht betroffen, da eine Verbindlichkeit nicht bestehen bleibt. In diesem FaIl steIlt sich die hier interessierende Frage der Zuordnung einer Verbindlichkeit nicht. Werden jedoch Waren unter Einräumung eines sogenannten Lieferantenkredites gekauft, sind die entstehenden Verbindlichkeiten unter kurzfristige Verbindlichkeiten auszuweisen. Der Lieferantenkredit hat zur Folge, daß das erworbene Produkt dem Unternehmen bereits zur Verfilgung steht, andererseits die Gegenleistung noch offen ist. Gegenüber dem Gläubiger besteht in diesem FaIl eine Verbindlichkeit. Das gleiche gilt ftlr weitere kurzfristige Verbindlichkeiten, die als Geldforderungen bestehen. Langfristige Kredite werden demgegenüber auf gesonderten Konten auf der Passivseite gebucht. Es hat sich gezeigt, daß die im Laufe eines Geschäftsjahres entstehenden Verbindlichkeiten durch die Buchfilhrung voIlständig erfaßt werden. Damit ist aber noch nicht entschieden, welche Verbindlichkeiten einem bestimmten Unternehmensteil zugeordnet werden können. Es ist also eine weitere Differenzierung innerhalb der Buchftlhrung erforderlich, um hierüber Auskunft geben zu können.

b) Kostenartenrechnung Das aIlgemeine Rechnungswesen könnte Aufschluß darüber geben, welche Verbindlichkeit zu einem bestimmten unselbständigen Unternehmensteil gehört. Die Rechnungslegung dient der Dokumentation der Geschäftsverhältnisse33 • Hierzu gehören die Kostenarten- und die KostensteIlenrechnung. Die Kostenartenrechnung beantwortet die Frage, welche Kosten in einem Unternehmen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes angefaIlen sind. Sie läßt sich in unterschiedlicher Art und Weise durchfUhren. Eine Möglichkeit besteht darin, die Kosten nach ihrer Art zu erfassen, z.B. aIle Personalkosten, Materialkosten, Kosten ftlr Dienstleistungen Dritter, Kosten ftlr Steuern, Gebühren und Beiträge u.s.w. Weiterhin lassen sich Kosten nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionen des Unternehmens erfassen, etwa getrennt nach Kosten ftlr die Verwaltung, ftlr die Lagerung, ftlr die Fertigung, ftlr den Vertrieb. Die Kostenartenrechnung dient auf diese Weise der systematischen Erfassung aIler Kosten, die bei der ErsteIlung und Verwertung von GUtem und 33

K. Schmidt, HdR, § 15 I. 2.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

155

Dienstleistungen in einem bestimmten Unternehmen entstehen. Ziel der Kostenartenrechnung ist es, einen Überblick zu erhalten, in welcher Weise sich die unterschiedlichen Arten von Kosten in einem bestimmten Zeitraum entwickeln, um eine Entscheidung treffen zu können, ob Änderungen im unternehmerischen Bereich erforderlich sind. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zur Bilanz. Die Bilanz betrifft das Unternehmen als rechtliche Einheit und ist demzufolge nach außen gerichtet. Demgegenüber ist die Kostenrechnung eine innerbetriebliche Angelegenheit, die in das Ermessen des Unternehmensinhabers gestellt ise 4 • Trotz dieser primär internen Zielsetzung der Kostenartenrechnung bietet sie einen Ansatzpunkt rur die Zuordnung von Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Unternehmensteil, weil sie die entstandenen Kosten unter bestimmten Gesichtspunkten ordnet. Für die Frage, welche Kosten angefallen sind, ist entscheidend, welche Verbindlichkeiten entstanden sind; denn Kosten sind betriebswirtschaftlich definiert als in Geld bewertete Produktionsfaktoren und Dienstleistungen Dritter sowie öffentliche Abgaben. Die Kosten werden also bestimmt von der Menge der verbrauchten Kostengüter und deren Preis. Der Preis ist jedoch die Höhe der Verbindlichkeit. So sind beispielsweise Löhne und Gehälter die Kostenart rur Arbeitsleistungen, Materialkosten sind die Kosten rur den Verbrauch von Stoffen. Die Erfassung der jeweiligen Kosten erfolgt in Zusammenarbeit mit der Finanzbuchhaltung, insbesondere mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung, der Materialabrechnung und der Anlagenabrechnung3s . Diese Kosten ordnet die Kostenartenrechnung nach einer der beiden vorbezeichneten Kriterien. Das hat rur die Zuordnung der Verbindlichkeiten die positive Folge, daß eine Zuordnung der Verbindlichkeit zu einem Unternehmensteil möglich ist, wenn die Gliederung der Kostenart nach Funktionen mit der Aufgabe des Unternehmensteils übereinstimmt und die entsprechende Verbindlichkeit vollständig auf den Unternehmensteil entfiUlt. Wird etwa der produzierende Unternehmensteil veräußert und sind alle Verbindlichkeiten, die allein diesem Unternehmensteil zuzuordnen sind, auf entsprechenden Passivkonten gebucht, dann macht die Zuordnung einzelner Verbindlichkeiten keine Schwierigkeiten. Beispielsweise die Verbindlichkeit eines Gläubigers, der Material geliefert hat, das allein in dem übertragenen Unternehmensteil verbraucht worden ist, läßt sich dem Untemehmensteil in diesem Fall zuordnen. Das gilt rur alle Verbindlichkeiten, die nach diesem Prinzip der Einzelkosten gebucht worden sind. Die Behandlung von Gemeinkosten, die nicht alleine auf einen Unternehmensteil entfallen, wird zu einem späteren Zeitpunkt behandelt. 34 35

Wöhe, Bilanzierung, S. 7. Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 1254.

156 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Untemehmensteil

Die zweite Möglichkeit, die Kosten nach ihrer Art zu ordnen, hilft demgegenüber bei der Frage der Zuordnung von Verbindlichkeiten nicht weiter. Die Ordnung der Kosten nach der Art ihrer Entstehung sagt noch nichts darüber aus, welche Kosten einem Unternehmensteil zuzuordnen sind. In diesem Fall muß eine weitere Differenzierung vorgenommen werden. Insgesamt hilft die Kostenartenrechnung nur bedingt bei der Zuordnung von Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Unternehmensteil weiter.

c) KostensteIlenrechnung Werden die Kosten zunächst nach Kostenarten zusammengefaßt, dann muß die KostensteIlenrechnung zusätzlich angewandt werden, um zu entscheiden, ob eine Verbindlichkeit vollständig einem Unternehmensteil zugeordnet werden kann. Die KostensteIlenrechnung baut auf der Kostenartenrechnung auf. An die Erfassung der Kostenarten schließt sich ihre Verteilung auf die Unternehmensbereiche an, in denen sie angefallen sind36 • Die KostensteIlenrechnung erfaßt dabei die Kosten am Ort der Entstehung37 • Hierbei gibt es Kosten, die sich einer KostensteIle direkt zuordnen lassen und Gemeinkosten, die fUr mehrere Teile oder den Gesamtbetrieb von Bedeutung sind. Hier werden zunächst die Einzelkosten betrachtet, die einer KostensteIle vollständig zugeordnet werden können. Diese Einzelkosten werden nach dem Verursachungsprinzip verteilt, um durch die Feststellung, wo die Kosten verursacht worden sind, eine genaue Zurechnung der Kosten auf die Leistungen der Periode zu erreichen38 . Nach Ziffer 15 Buchfilhrungs-Ri 11 sind die wichtigsten Bilanz- und Aufwandsposten und KostensteIlengruppen allen Unternehmen gemeinsam. Die Eigenart beruht meistens auf den einzelnen KostensteIlen und der weiteren oder geringeren Gliederung der Bestands-, Aufwands- und Ertragskonten. Nach Ziffer 16 Buchfilhrungs-Ri 11 ist entweder eine KostensteIlenrechnung oder, falls die KostensteIlen in der Buchfilhrung nicht erfaßt werden, ein Betriebsabrechnungsbogen zu fUhren. Der Betriebsabrechnungsbogen ist nach Ziffer 17 Buchfilhrungs-Ri 11 fUr jede KostensteIlenrechnung geeignet, insbesondere rur die Divisionskalkulation mit KostensteIlenrechnung der Industrie und des Handwerks, fUr die Abteilungskalkulation des Handels, der Banken und der Versicherungsbetriebe.

36

31 38

Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 1270. Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 1271. Wöhe, Bilanzierung, S. 6.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

157

In der Organisation der Kostenstellen ist der Unternehmer weitgehend frei. Es bietet sich jedoch eine Organisation nach Funktionen an, so daß einerseits Kostenstellen der Produktion, der Fertigung, der Verwaltung u.s.w. gebildet werden können, aber andererseits auch Kostenstellen nach Unternehmensteilen möglich sind. Welche Wahl der Unternehmensinhaber getroffen hat, ist eine Frage des Einzelfalls. Aus diesem Grund kann die Kostenstellenrechnung bei der Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zu einem Unternehmensteil eine Hilfe sein, muß es aber nicht. d) Zusammenfassung Über die Buchfilhrung unter Berücksichtigung der Kostenarten- und Kostenstellenrechnung besteht die Möglichkeit, Verbindlichkeiten einem Unternehmensteil zuzuordnen, die vollständig auf den betreffenden Unternehmensteil entfallen. Voraussetzung hierftlr ist jedoch, daß die Buchfilhrung und das Rechnungswesen des betreffenden Unternehmens in entsprechender Weise organisiert sind. Ist eine Verbindlichkeit über die funktionsbezogene Kostenartenrechnung oder die KostensteIlenrechnung dem übertragenen Unternehmensteil alleine zugewiesen, dann gehört sie zum Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils und ist vom Haftungsumfang des § 25 HGB analog umfaßt. Die Grenze findet das vorbezeichnete Verfahren in mehreren Punkten. Erfaßt werden nur Verbindlichkeiten in Geld; Lieferverpflichtungen, Handlungen, Unterlassungen und andere Verbindlichkeiten, die nicht in Geld erfUllt werden können, werden durch die Buchfilhrung nicht erfaßt. Hinzu kommt, daß die Kostenarten- und die Kostenstellenrechnung in das Ermessen des Unternehmensinhabers gestellt und damit nicht zwingend angeordnet sind. Selbst wenn das Unternehmen über ein entsprechendes Rechnungswesen verfUgt, ist die Zuordnung der Verbindlichkeit mit großem Aufwand verbunden, weil die der Buchfilhrung zugrunde liegenden Unterlagen in der Zeit gesichtet werden müssen, um zu entscheiden, ob eine Verbindlichkeit unternehmensteilbezogen ist oder nicht. Schließlich handelt es sich bei dem aufgezeigten Verfahren um interne Vorgänge des Unternehmens, aufweIche die Gläubiger als Außenstehende keinen direkten Zugriff haben. Auf das sich hieraus ergebende Problem filr die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs nach § 25 HGB analog wird später zurückzukommen sein39 •

39

Siehe unten 3. Teil § 3.

158 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil 11. Vereinbarung zwischen Erwerber und Verllußerer

Ein weiteres Indiz rur die Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit zu einem bestimmten Unternehmensteil könnte der Inhalt der zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer geschlossenen Vereinbarung sein. Dem Erwerb eines Unternehmensteils liegt in der überwiegenden Zahl der Fälle ein Rechtsgeschäft zugrunde. Das kann ein Kauf-, ein Tausch- oder etwa ein Schenkungsvertrag sein. Für den Abschluß dieses Vertrages muß im vorhinein eine Bestandsaufuahme erfolgen. Es wird festgestellt, welche sächlichen und immateriellen Rechte, welche Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse von der Übertragung des Unternehmensteils betroffen sind. Im Anschluß daran muß entschieden werden, welche dem Unternehmensteil zuzuordnenden Aktiva und Passiva, welche Rechtsverhältnisse und welche tatsächlichen Angaben filr die Fortfilhrung des Unternehmensteils von Bedeutung sind. Hierüber ist ein Vermögensverzeichnis herzustellen40 • Es werden alle Vermögensgegenstände, die auf den Erwerber übergehen sollen, und die Verbindlichkeiten bezeichnet, filr die der Erwerber einzustehen hat. Im schuldrechtlichen Bereich ist dies relativ einfach, da man mit abstrakten Begrenzungen und Begriffen arbeiten kann. Im dinglichen Bereich treten Probleme wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes auf'. Wegen der Einzelübertragung jedes einzelnen Vermögensgegenstandes und jeder Verbindlichkeit ist es erforderlich, den Bestand an Aktiva und Passiva möglichst genau zu erfassen. Die in Betracht kommenden Verbindlichkeiten, über deren Übertragung Einigkeit erzielt werden muß, sind vielfältig. Es handelt sich um Verbindlichkeiten, die filr die Fortfilhrung des Unternehmensteils von Vorteil sind oder ohne den Unternehmensteil nicht erftlllt werden können. In Betracht kommen Zahlungsansprüche der Gläubiger aus Warenlieferungen, Dienst- und Werkverträgen, um die Geschäftsbeziehungen zwischen Erwerber und Gläubiger zu begründen, um Löhne und Gehälter der in dem Unternehmensteil Beschäftigten und um Verpflichtungen, die Lieferungen, Tätigkeiten oder Unterlassungen des jeweiligen Unternehmensinhabers zum Gegenstand haben. Es empfiehlt sich daher, eine Prüfung des Unternehmensteils (due diligence) vor Vertragsabschluß durchzuftlhren42 • Bei größeren Transaktionen sollte der Bericht eines Wirtschaftsprüfers die Regel sein. Durch die Prüfung hat der Erwerber die Möglichkeit, sich Kenntnisse über den Umsatz, die Kosten, das Produkt, die Stellung am Markt und die Entwicklungsmöglichkeiten zu verschaf-

40 41 42

Brox, HdR, Rn 165, 166; BeisellKlumpp Rn 1044. HolzapJellPöllath Rn 130. So HolzapJellPöllath Rn 13.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

159

fen 43 . Hierzu gehört auch die Erfassung der Verbindlichkeiten, welche dem Unternehmensteil zugeordnet werden können. Dies ist ein Punkt, der, wie gezeigt44, den Interessen des Erwerbers entspricht, wenn er beabsichtigt, in die laufenden Geschäftsverbindungen des Unternehmensteils einzutreten und diese fortzufiihren. Haben die Veräußerungsparteien eine bestimmte Verbindlichkeit in das Bestandsverzeichnis aufgenommen, gehen sie selbst von der Zuordnung der Verbindlichkeit zu dem übertragenen Unternehmensteil aus. Eine Berufung auf die fehlende Zugehörigkeit der betreffenden Verbindlichkeit zu dem übertragenen Unternehmensteil ohne nähere Begründung wäre ein venire contra factum proprium. Die Verbindlichkeit kann z.B. versehentlich in die Vereinbarung aufgenommen worden sein, obwohl sie nicht zum Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils gehört. Es bleib jedoch dabei, daß die Auffilhrung der Verbindlichkeit in der Vereinbarung der Veräußerungsparteien ein starkes Indiz fiir die Zugehörigkeit zu dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils ist. In diesem Fall ist die Verbindlichkeit vom Haftungsumfang des § 25 HGB analog umfaßt. Durch eine Auslegung der Vereinbarung zwischen den Veräußerungsparteien unter Berücksichtigung des erstellten Bestandsverzeichnisses lassen sich jedoch nicht die problematischen Fälle lösen, in denen die zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber geschlossene Vereinbarung unwirksam ist oder keine oder keine vollständigen Ausfilhrungen über die zu dem Unternehmensteil gehörenden Verbindlichkeiten vorliegen. Ob die Veräußerungsparteien letztendlich eine vollständige Auflistung der zu dem unselbständigen Unternehmensteil gehörenden Verbindlichkeiten aufsetzen und diese bei der Ausgestaltung ihrer Vereinbarung berücksichtigen, erscheint zweifelhaft. Die Fälle, in denen Verbindlichkeiten, die zu dem unselbständigen Unternehmensteil gehören, vergessen werden, sind vielfllltig. Der Erwerber ist nicht verpflichtet, vor der Übernahme eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils eine Prüfung durchzuführen. Es besteht nicht einmal eine Prüfungsobliegenheit45 . Weiterhin kann zwischen den Veräußerungsparteien auch eine bewußte Entscheidung getroffen worden sein, die zu beurteilende Verbindlichkeit bei dem ursprünglichen Inhaber zu belassen. In diesem Fällen hilft die Vereinbarung zwischen den Veräußerungsparteien fiir die Zuordnung der Verbindlichkeit nicht weiter. Zusammenfassend bietet die Vereinbarung zwischen den Veräußerungsparteien einen Ansatzpunkt rur die Zuordnung einer Verbindlichkeit zu einem Unternehmensteil. Ist die Verbindlichkeit von der Vereinbarung erfaßt, besteht ein starkes Indiz fiir die Zugehörigkeit der Verbindlichkeit zum Geschäftsbe-

43 44 45

Holzap[eIIPöl/ath Rn 14. Siehe oben, I. Teil § 3 B. HolzapjellPöllath Rn 15.

12 Theißen

160 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Untemehmensteil

trieb des Unternehmensteils, fiir die der Erwerber nach § 25 HGB analog grundsätzlich haftet. Ist die Verbindlichkeit von der Vereinbarung nicht erfaßt, müssen andere Auslegungskriterien herangezogen werden, um die Frage der Zugehörigkeit der Verbindlichkeit zu dem Unternehmensteil zu lösen. III. Auslegung der Verbindlichkeit nach §§ 133, 157 BGB

Da die Geschäftsunterlagen des ursprünglichen Unternehmensinhabers und der zwischen den Veräußerungsparteien geltende Vertrag nicht alle Verbindlichkeiten des Unternehmensteils erfassen können, ist es erforderlich zu untersuchen, ob durch eine Auslegung der jeweiligen Verbindlichkeit nach §§ 133, 157 BGB die Zugehörigkeit der Verbindlichkeit zu dem veräußerten unselbständigen Unternehmensteil nach allgemeinen Grundsätzen ermittelt werden kann46 • Das bedeutet, daß jede einzelne Verbindlichkeit dahingehend ausgelegt werden muß, ob sie zu dem übertragenen Unternehmensteil gehört oder nicht. Eine Untersuchung in der Literatur, welche Verbindlichkeiten beim Erwerb eines Unternehmens von der Haftung nach § 25 HGB im Einzelfall umfaßt sind, ist bislang nicht gefiihrt worden. Es findet sich allenfalls der Hinweis, die Geschäftsverbindlichkeiten seien auf Zahlungsansprüche nicht beschränkt47 • Die Haftung erstreckt sich vielmehr auf alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Das sind alle Verbindlichkeiten, die mit dem Betrieb in einem derartig engen Zusammenhang stehen, daß sie als Folge des Betriebs erscheinen48 . Im einzelnen sind zu Geschäftsverbindlichkeiten gerechnet worden: Ansprüche aus laufenden Verträgen, insbesondere Lohnverbindlichkeiten, Ansprüche aus Verträgen aller Art, Bereicherungsansprüche, Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder aus anderen Rechtsgründen, sofern nur der Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb gewahrt ist49 . Hierher gehören auch die Kosten eines von dem Veräußerer eines Geschäfts über die Geschäftsschuld gefilhrten Prozesses. Überträgt man diese Erwägungen, haftet der Erwerber eines Unternehmensteils fi1r alle Verbindlichkeiten, die mit dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils in einem derartig engen Zusammenhang stehen, daß sie als Folge des Betriebs erscheinen. Die Verbindlichkeiten müssen mit der von dem Unternehmensteil ausgeübten Funktion in Zusammenhang stehen. Es muß sich also um unternehmensteilbezogene Verbindlichkeiten handeln. HeymanniHorn § 344 Rn 4. MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 92. 48 RGZ 58, 21, 23; HRR 1937, Nr. 96; SchlegelbergerlHildebrandtlSteckhan § 25 Rn 11; Gross Rn 95. 49 SchlegelbergerlHildebrandtlSteckhan § 25 Rn 11. 46

47

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

161

Im folgenden werden verschiedene Anspruche der Gläubiger gegen den ursprünglichen Unternehmensinhaber dahingehend untersucht, ob es sich um unternehmensteilbezogene Verbindlichkeiten handelt, welche eindeutig einem Unternehmensteil zugeordnet werden können. Hierbei ist zu berUcksichtigen, daß es sich bei § 25 HGB um einen gesetzlichen Schuldbeitritt handelt. Der Übernehmer tritt zusätzlich neben den bisherigen Schuldner; seine Verpflichtung ist inhaltsgleich mit der bisherigen Verbindlichkeit50 . Beide haften infolge des gesetzlichen Schuldbeitritts als Gesamtschuldners •.

1. Ansprüche auf Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen

Zunächst wird die wichtige Gruppe der vertraglichen Verpflichtungen untersucht, die sich dem Erwerber als unternehmensteilbezogene Verbindlichkeit darstellen können. Es wird bei den einzelnen Vertragstypen unterschieden, ob die Verbindlichkeit den Zahlungsanspruch eines Gläubigers oder den Anspruch auf Erbringung der Vertrags leistung beinhaltet.

a) Kaufvertrag Bei den Verbindlichkeiten, welche auf einem Kaufvertrag beruhen, der vor der Übertragung des Unternehmensteils abgeschlossen wurde, handelt es sich einerseits um die Verpflichtung des ursprUnglichen Unternehmensinhabers zur Zahlung des Kaufpreises nach § 433 Abs.2 BGB und der Verpflichtung zur Übergabe und Verschaffung des Eigentums nach § 433 Abs. 1 Satz I BGB. Der Erwerber des Unternehmensteils haftet fiir die Verbindlichkeiten nach § 25 HGB analog, wenn sie unternehmensteilbezogen sind. aa) Verpflichtung des Erwerbers zur Zahlung des Kaufpreises nach § 433 Abs. 2 BGB Zunächst wird eine besonders häufig auftretende Verbindlichkeit untersucht, die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises nach § 433 Abs.2 BGB. Der Erwerber haftet rur diese Verbindlichkeit, wenn sie dem Geschäftsbetrieb des übernommenen unselbständigen Unternehmensteils zugeordnet werden kann. Da die Art der übertragenen unselbständigen Unternehmensteile sehr unterschiedlich sein kann, ist es eine Frage des Einzelfalls, ob ein Kaufso 51

12*

PalandtJHeinrichs Überbl v § 414 Rn 1,2. Jauernig/Stürner Vorb §§ 414, 415 Rn 2.

162 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

preiszahlungsanspruch einem Unternehmensteil zugeordnet werden kann. Wichtig ist der Inhalt des Kaufvertrages. Er entscheidet darüber, ob der Kaufgegenstand in einem derartig engen Zusammenhang mit der Funktion des Untemehmensteils steht, daß der Kaufpreiszahlungsanspruch als Folge des Geschäftsbetriebs erscheint. Es muß also der Inhalt des Kaufvertrages unter Berücksichtigung des Kaufgegenstands in Beziehung gesetzt werden zu der Funktion des übertragenen Unternehmensteils. (l) Warenkauf

Beim Warenkauf ist entscheidend, ob die gekaufte Ware allein in dem erworbenen unselbständigen Unternehmensteil verwandt wird und fllr den Betrieb des Unternehmensteils ausschließlich erforderlich ist. Das kann etwa eine bestimmte Produktionsmaschine sein, wenn in dem unselbständigen Untemehmensteil diese bestimmte Maschine benötigt wird, um die entsprechende Aufgabe in dem Gesamtunternehmen wahrzunehmen. Weiterhin kommt die lieferung von Materialien oder eine spezielle Standardsoftware in Betracht, welche in dem übertragenen Unternehmensteil benötigt werden. Hierbei muß es sich nicht um Waren handeln, welche fllr die Aufgabe des Unternehmensteils prägend sind. Ausreichend sind auch Waren, denen nur eine Hilfsfunktion zukommt, etwa Bleistifte oder Glühbirnen, sofern sie ausschließlich in dem übertragenen Unternehmensteil verwandt werden. Um die Zugehörigkeit der gekauften Sache zu einem Unternehmensteil feststellen zu können, sind auch die äußeren Umstände der Abwicklung des Kaufvertrages zu berücksichtigen. Hierzu gehört etwa der Einsatzort der gekauften Sache. Wird etwa eine Produktionsmaschine in Räumlichkeiten geliefert, in denen der übertragene Unternehmensteil untergebracht ist, spricht vieles dafilr, daß dies der Einsatzort des Kaufgegenstandes ist. Dem Gläubiger stehen möglicherweise Unterlagen zur Verftlgung, aus denen sich Informationen zur Anlieferung des Kaufgegenstandes ergeben und die Schlüsse auf die Verwendung in einem bestimmten Unternehmensteil zulassen, z.B. "Anlieferung Abteilung Produktion". Werden jedoch Waren gekauft, welche fllr den Betrieb mehrerer Unternehmensteile oder rur den Betrieb des Gesamtunternehmens von Bedeutung sind, ist eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmensteil nicht möglich. Dieser Fall wird später behandeltS2 •

52

Siehe unten 3. Teil § 2 C.

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163

(2) Rechtskauf Gegenstand eines Kaufvertrages kann nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB jedes übertragbare Recht sein. In Betracht kommen der Kauf von Forderungen, Anwartschaftsrechten, Nutzungsrechten, gewerblichen Schutzrechten oder Gesellschaftsanteilen. Für die Auslegung, ob ein gekauftes Recht und damit die entsprechende Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises zum Geschäftsbetrieb eines unselbständigen Unternehmensteils gehört, ist wiederum entscheidend, ob eine enge Beziehung zu dem von dem Unternehmensteil verfolgten Teilzweck besteht. Bei Gesellschaftsanteilen wird dies regelmäßig zu verneinen sein; denn es sind keine Fälle denkbar, in denen ein Gesellschaftsanteil eine enge Beziehung zu einem bestimmten Unternehmensteil aufweist. Vielmehr besteht eine enge Beziehung zu dem Gesamtunternehmen. Anders ist die Beurteilung, wenn der Kaufgegenstand ein Nutzungsrecht oder ein gewerbliches Schutzrecht ist. Hier ist eine enge Beziehung zum Zweck des Unternehmensteils denkbar. Eine enge Beziehung zwischen dem gekauften Recht und dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils besteht dann, wenn das Recht sich in den Aufgabenbereich des Unternehmensteils einfügen läßt. Das ist etwa bei Zugangs- oder Überfahrrechten zu Betriebsgrundstücken der Fall, wenn das entsprechende Betriebsgrundstück ausschließlich für den Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils verwandt wird. In diesem Fall sind die Verpflichtungen aus dem entsprechenden Kaufvertrag unternehmensteilbezogen. Beim Forderungskauf ist die enge Beziehung zu dem übertragenen Unternehmensteil allenfalls denkbar, wenn es sich bei dem Unternehmensteil um eine Abteilung oder eine Sparte handelt, deren Gegenstand der Forderungskauf ist. Anderenfalls ist eine enge Beziehung zwischen der Verpflichtung zur Zahlung eines Kaufpreises für eine Forderung mit dem Tätigkeitsbereich des Unternehmensteils nicht vorstellbar. Zusammenfassend beurteilt sich die Zuordnung der Zahlungsverpflichtung infolge des Kaufes eines Rechts zu einem bestimmten Unternehmensteil nach dem Inhalt des jeweiligen Kaufvertrages und dem Zusammenhang zu der Aufgabe des übertragenen Unternehmensteils.

(3) Grundstückskauf Für den Grundstückskauf stellt sich die Frage, ob der Erwerber für die Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises nach § 25 HGB haftet, im Ergebnis nicht anders dar.

164 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Untemehmensteil

Es ist möglich, einem unselbständigen Unternehmensteil ein bestimmtes Grundstück zuzuordnen. Das ist dann der Fall, wenn die Verfolgung des Teilzwecks durch den Unternehmensteil mit einem bestimmten Grundstück in engem Zusammenhang steht. Voraussetzung hierfilr ist die räumliche Trennung des unselbständigen Unternehmensteils von dem restlichen Unternehmen. Die grundsätzlich beim Grundstückskauf zu beachtende Formvorschrift des § 313 BGB findet auf den nach § 25 HGB übergegangenen Kaufpreiszahlungsanspruch keine Anwendung. Zwar gelten die rur die Begründung der Verpflichtung einschlägigen Formvorschriften auch rur den Schuldbeitritt53 • Die Formvorschrift des § 313 BGB greift aber nur bei der rechtsgeschäftlichen Begründung der Verpflichtung zur Veräußerung oder dem Erwerb eines Grundstücks ein 54 . § 25 HGB ist demgegenüber ein Fall des gesetzlichen Schuldbeitritts. Aus diesem Grund wird die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises rur ein Grundstück ebenfalls von § 25 HGB erfaßt, falls sie unternehmensteilbezogen ist. bb) Verpflichtung zur Übergabe und Verschaffung von Eigentum nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB Weiterhin ist die Verpflichtung des Erwerbers, die Sache an den Gläubiger zu übergeben und ihm Eigentum zu verschaffen, dahingehend zu untersuchen, ob sie vom Haftungsumfang des § 25 HGB analog umfaßt ist. (1) Pflicht zur Übergabe

Ist der Kaufgegenstand eine Sache und aufgrund der erfolgten Auslegung nach dem Inhalt des Kaufvertrages dem unselbständigen Unternehmensteil zuzuordnen, dann ist der Erwerber zur Übergabe verpflichtet. Entscheidend ist, ob der Verkauf der Sache einen engen Bezug zum Tätigkeitsbereich des Unternehmensteils hat. Das ist dann der Fall, wenn der Gegenstand des Unternehmensteils in dem Verkauf oder Vertrieb bestimmter Sachen besteht. Weiterhin liegt eine unternehmensteilbezogene Verpflichtung vor, wenn es sich um den Verkauf einer Sache handelt, die dem Tätigkeitsbereich des Unternehmensteils alleine zugeordnet ist. Als Beispiel sei der Verkauf einer Produktionsmaschine

53 PalandtJHeinrichs Überbl v § 414 Rn 3; Erman-Westermann Vor § 414 Rn 7; MUnchKomm.BGB/Möschel vor § 414 Rn 12. 54 Haegele Rn 310.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

165

angefilhrt, die in einem Unternehmensteil eingesetzt worden ist, das bestimmte Produkte herstellt. Hat der Erwerber die verkaufte Sache durch die Durchfiihrung der Übertragung der einzelnen Bestandteile des Unternehmensteils bereits im Besitz, ist die Erfilllung der Übergabeverpflichtung leicht möglich. Ist der betreffende Kaufgegenstandjedoch nicht in den Besitz des Erwerbers gelangt, ist filr ihn die Erfilllung unmöglich. Hierauf kann er sich nach § 325 BGB berufen. Er wird von der Pflicht zur Leistung frei.

(2) Pflicht zur Übereignung Ähnlich ist die Frage zu beantworten, ob die Pflicht zur Eigentumsverschaffung von der Haftung des Erwerbers umfaßt ist, wenn zum Zeitpunkt des Erwerbs des Unternehmensteils ein entsprechender Anspruch des Gläubigers gegen den ursprünglichen Unternehmensinhaber bestand. Handelt es sich nach dem Inhalt des Kaufvertrages um den Verkauf einer Sache, welche dem Tätigkeitsbereich des Unternehmensteils zuzurechnen ist, dann ist die Pflicht zur Verschaffung des Eigentums ebenfalls von der Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB analog umfaßt. Insoweit ist die Grundlage der Entscheidung, ob die Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung zu den unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten gehört, die gleiche wie bei der Beurteilung der Verpflichtung zur Übergabe der verkauften Sache. Berücksichtigt werden muß jedoch für die Frage der Haftung des Erwerbers, ob er bereits Eigentümer der von dem ursprünglichen Unternehmensinhaber an den Gläubiger verkauften Sache ist. Ist die verkaufte Sache dem Erwerber infolge der Übertragung des Unternehmensteils übereignet worden, dann kann er als Eigentümer dem Gläubiger das Eigentum an der Sache verschaffen und den Anspruch nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB erfUllen. Handelt es sich jedoch um eine Sache, die zwar dem Unternehmensteil zugeordnet werden kann, die aber nicht von dem Veräußerer des Unternehmensteils auf den Erwerber übereignet worden ist, dann ist der Erwerber als Nichtberechtigter anzusehen. Eine Ermächtigung des Veräußerers an den Erwerber nach § 185 Abs. I BGB kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht angenommen werden. Daher kommt entweder eine Genehmigung des ursprünglichen Unternehmens inhabers nach § 185 Abs.2 BGB in Betracht. Der ursprüngliche Unternehmens inhaber hat ein Interesse an der Genehmigung der VerfUgung des Erwerbers, um selbst von der bestehenden Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung gegenüber dem Gläubiger frei zu werden. Genehmigt der ursprüngliche Unternehmensinhaber nicht, bleibt rur den Eigentumserwerb des Gläubigers nur der Weg des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 932 ffBGB.

166 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil cc) Zusammenfassung Bei der filr den Geschäftsbetrieb eines Unternehmensteils wichtigen Fallgruppe der Kaufverträge muß unterschieden werden zwischen der Art der zu beurteilenden Pflicht und der Art des Kaufgegenstandes. Beim Sach- und Rechtskauf haftet der Erwerber des unselbständigen Untemehmensteils filr den Zahlungsanspruch nach § 433 Abs. 2 BGB, wenn die gekaufte Sache oder das Recht ausschließlich filr die Funktion des Unternehmensteils von Bedeutung ist. Der Erwerber haftet filr die Übergabe und Übereignung des Kaufgegenstandes nach § 433 Abs. 2 BGB unter der Voraussetzung, daß die Funktion des übertragenen Unternehmensteils entweder in der Veräußerung derartiger Gegenstände bestand oder daß der Kaufgegenstand alleine dem Organisationszusammenhang des Unternehmensteils zuzurechnen war. Eine Haftung filr Ansprüche aus Kaufverträgen, die Grundstücke betreffen, folgt den gleichen Grundsätzen. Die Fonnvorschrift des § 313 BGB ist auf den gesetzlichen Schuldbeitritt des § 25 HGB nicht anwendbar. Die bei der Erfilllung des Anspruchs auf Übergabe oder Eigentumsverschaffung entstehenden Probleme, wenn der Erwerber nicht Besitzer oder Eigentümer der verkauften Sache ist, lassen sich mit Hilfe der Grundsätze des allgemeinen Zivilrechts lösen. Diese Ausfilhrungen zeigen plastisch, daß durch die Haftungsnonn des § 25 HGB den aufgezeigten Interessen der Beteiligten Rechnung getragen wird. Das Interesse des Erwerbers an der Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen wird berücksichtigt. Dem Interesse des Veräußerers wird man gerecht, weil die untemehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten von dem Erwerber erfiIllt werden, soweit dies möglich ist. Die Interessen der Gläubiger sind ebenfalls gewahrt, weil die ErfiIllung ihrer Verbindlichkeit von der Übertragung des Unternehmensteils nicht beeinträchtigt wird, soweit die Haftung des § 25 HGB eingreift, und die Geschäftsbeziehungen mit dem Erwerber aufrechterhalten bleiben können. Eine Übertragung des gesamten Kaufvertrages auf den Erwerber ist damit jedoch nicht verbunden55 •

b) Verbindlichkeiten aus Miet- und Pachtvertrag

In diesem Abschnitt ist zu untersuchen, inwieweit Ansprüche der Gläubiger auf Zahlung des Miet- oder Pachtzinses nach §§ 535 Satz 2 BGB, 581 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie die Ansprüche der Gläubiger auf Gewährung des Gebrauchs bzw. der Nutzung nach §§ 535 Satz 1 BGB, 581 Abs. 1 Satz 1 BGB dem un55

Siehe oben, 3. Teil § 1 D.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

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selbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden können. Die jeweiligen Ansprüche stellen sich filr den Erwerber als Verbindlichkeiten dar. Es ist zu untersuchen, in welchen Fällen diejenigen Verbindlichkeiten unternehmensteilbezogen sind, die bis zur Übertragung des Unternehmensteils begründet waren. aa) Verpflichtung des Erwerbers zur Zahlung des Miet- oder Pachtzinses nach §§ 535 Satz 2,581 Abs. I Satz 2 BGB Die Verpflichtung des Erwerbers zur Zahlung des Miet- oder Pachtzinses nach §§ 535 Satz 2, 581 Abs. I Satz 2 BGB kann zum Zeitpunkt der Übertragung des unselbständigen Unternehmensteils rückständig sein. Es handelt sich bei diesen Ansprüchen um unternehmensteilbezogene Verbindlichkeiten, filr die der Erwerber haftet, wenn sie ihrem Inhalte nach dem Unternehmensteil zugeordnet werden können. Das ist dann der Fall, wenn die entsprechende Verbindlichkeit dem Funktionszusammenhang des Unternehmensteils zugeordnet werden kann. Mit dem Teilzweck, der mit dem Unternehmensteil verfolgt wird, haben diese Verbindlichkeiten wenig zu tun, weil die Miet- oder Pachtverträge, aufgrund derer sie entstehen, im Regelfall Hilfscharakter in Bezug auf den Unternehmenszweck haben. Die Verbindlichkeit kann aber in den Fällen dem Funktionszusammenhang des Unternehmensteils zugeordnet werden, wenn der ursprüngliche Unternehmensinhaber Räume gemietet oder gepachtet hat, in denen allein die Aufgaben des Unternehmensteils wahrgenommen werden. Das gleiche gilt fUr andere gemietete Sachen oder gepachtete Grundstücke. Entscheidend ist, ob sie allein der Funktion des übertragenen Unternehmensteils dienen. Ein starkes Indiz filr die Untemehmensbezogenheit dieser Verbindlichkeiten ist die Bezeichnung in dem entsprechenden Vertrag, fiir welchen Zweck die Miet- oder Pachtsache benötigt wird, z.B. die Anmietung als Produktionshalle. Die Formvorschrift des §§ 566, 580 BGB schadet nicht. Wird die Schriftform nicht beachtet, gilt der Mietvertrag dennoch als wirksam geschlossens 6 •

bb) Gewährung des Gebrauchs oder der Nutzung nach §§ 535 Satz I, 581 Abs. 1 Satz I BGB Die Verpflichtung zur Gewährung des Gebrauchs oder der Nutzung nach §§ 535 Satz I, 581 Abs. I Satz 1 BGB ist von der Haftung des § 25 HGB beim Erwerb eines Unternehmensteils in keinem Fall umfaßt. Diese Verpflichtungen können zum Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmensteils nicht rückständig 56

PalandtiPutzo § 566 Rn 13.

168 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

sein. Sollte der ursprüngliche Unternehmensinhaber dem Gläubiger den Gebrauch oder die Nutzung der Miet- oder Pachtsache nicht gewährt haben, ist eine Erftlllung in Natur rückwirkend nicht mehr möglich. In Betracht kommen nur Schadensersatzansprüche. Ob ein Schadensersatzanspruch wegen der Nichterfüllung von Hauptleistungspflichten zu den unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten gehört, wird zu einem späteren Zeitpunkt unter der Fallgruppe der Schadensersatzansprüche erörtert. cc) Zusammenfassung Bei Ansprüchen aus Miet- oder Pachtverhältnissen zählen nur die Zahlungsansprüche der Gläubiger zu den unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten. Voraussetzung hierfür ist, daß der Miet- bzw. der Pachtgegenstand allein ftIr den Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils von Bedeutung ist. Partizipieren andere Unternehmensteile ebenfalls an der vermieteten oder verpachteten Sache, kommt eine Haftung des Erwerbers nicht in Betracht. c) Leasing Zahlreiche Wirtschaftsgüter werden nicht gekauft, sondern geleast. Ein Leasingvertrag liegt vor, wenn der Leasinggeber eine Sache oder eine Sachgesamtheit dem Leasingnehmer gegen ein in Raten zu bezahlendes Entgelt zum Gebrauch überläßt. Die Besonderheit besteht darin, daß der Leasingnehmer allein ft1r die Instandhaltung, die Sachmängel, die Beschädigung und den Untergang der Sache haftet, während der Leasinggeber seine dementsprechenden Ansprüche gegen Dritte dem Leasingnehmer überträgt. Die häufig verwandten Arten des Finanzierungs- und des Operatingleasing werden als atypischer Mietvertrag eingeordnet. Die Hauptleistungspflichten der Gebrauchsüberlassung gegen periodisch fllllig werdende Zahlungen werden beim Miet- und beim Leasingvertrag als gleich angesehen. Aus diesem Grund kann auf die vorstehenden Grundsätze zur Auslegung der Verbindlichkeiten, die aus einem Mietvertrag entstehen, verwiesen werden. War der ursprüngliche Unternehmensinhaber der Leasingnehmer, kommt es rur die Untemehmensbezogenheit des Zahlungsanspruchs des Gläubigers darauf an, ob das Leasinggut allein rur die Aufgabe des Unternehmensteils von enger Bedeutung war. Dies kann der Fall sein beim Leasing eines Gegenstandes, der für die Erftlllung der Aufgabe des Unternehmensteils von herausragender Bedeutung ist, etwa einer geleasten Produktionsmaschine bei einem Unternehmensteil, dessen Aufgabe die Produktion entsprechender GUter ist.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

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Es besteht demgegenüber auch die Möglichkeit, daß der geleaste Gegenstand zwar filr den Aufgabenbereich eines Untemehmensteils von Bedeutung ist, gleichzeitig aber auch von anderen Untemehmensteilen oder dem Gesamtunternehmen benutzt wird. Wird etwa eine Computeranlage geleast, die vemetzt ist und mehrere Untemehmensteile verbindet, läßt sich eine abschließende Zuordnung zu einem Untemehmensteil nicht treffen. In diesem zweiten Fall handelt es sich nicht um untemehmensteilbezogene Verbindlichkeiten. War der ursprüngliche Untemehmensinhaber Leasinggeber, bestand seine Hauptverpflichtung in der Gebrauchsüberlassung. Diese Pflicht kann zum Zeitpunkt des Übergangs des Untemehmensteils nicht rückständig sein. Auf die Ausfilhrungen beim Mietvertrag wird verwiesen. d) Darlehensvertrag Bei der Auslegung, ob eine Verbindlichkeit aus einem Darlehensvertrag im Geschäftsbetrieb des Untemehmensteils begründet und damit unternehmensteilbezogen ist, muß unterschieden werden zwischen dem Anspruch der Gläubiger auf Rückzahlung des Darlehens und der vereinbarten Zinsen nach § 607 Abs. I BGB und dem Anspruch der Gläubiger auf Gewährung des vereinbarten Darlehens nach § 610 BGB. Ein Anspruch der Gläubiger auf Rückzahlung des Darlehens und der vereinbarten Zinsen nach § 607 Abs. 1 BGB kann eine untemehmensteilbezogene Verbindlichkeit sein. Voraussetzung hierfilr ist eine bestimmte Zweckbestimmung des Darlehens. Bestand der Zweck des Darlehens in der Finanzierung einer Sache, des Personals, des Know-Hows oder dem Aufbau einer Organisation, welche allein dem Unternehmensteil in seiner bestehenden Funktion zugute kommen sollte, dann ist das Darlehen unternehmensteilbezogen. Ein Indiz hiertUr ist die Aufnahme der Zweckbestimmung in den Darlehensvertrag. Ist der Zweck des Darlehens nicht feststellbar oder handelt es sich um ein Darlehen, das filr mehrere Untemehmensteile oder das Gesamtuntemehmen gedacht war, fehlt es an der erforderlichen Unternehmensteilbezogenheit. Der umgekehrte Fall der Darlehensgewährung durch den ursprünglichen Unternehmensinhaber hat zur Folge, daß ein Anspruch der Gläubiger auf Gewährung des Darlehens gemäß § 610 BGB besteht. Ist diese Verpflichtung zum Zeitpunkt des Übergangs des Untemehmensteils noch nicht erfilllt, stellt sich die Frage nach ihrer Unternehmensbezogenheit und der Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB analog. Eine Untemehmensbezogenheit des Anspruchs auf Darlehensgewährung wird nur in AusnahmeflUlen zu bejahen sein. Es muß sich um einen Unternehmensteil handeln, dessen alleinige Aufgabe in der Gewährung von Darlehen besteht. Hierbei handelt es sich um Bankgeschäfte, die den Banken vorbehalten sind.

170 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Zwar sind die Banken intern in Abteilungen gegliedert; gleichwohl wird eine Bank nur selten in einer Weise organisiert sein, daß eine Abteilung die Merkmale des unselbständigen Unternehmensteils erftlllt und die alleinige Funktion der Darlehensgewährung übernimmt; denn eine solche Abteilung hätte ohne das Gesamtunternehmen der Bank nicht die fmanziellen Möglichkeiten zur alleinigen Durchfllhrung dieser Aufgabe. Zusammenfassend sind Verbindlichkeiten nach § 607 Abs. 1 BGB dem Unternehmensteil zuzuordnen, wenn der Zweck des Darlehens der Finanzierung von Bestandteilen dient, die dem Unternehmensteil zugeordnet werden können. Demgegenüber stellen Verbindlichkeiten nach § 610 BGB die Ausnahme dar. e) Arbeitsvertrag und Dienstvertrag mit Mitarbeitern Für die Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen stellt sich die Frage der Abgrenzung zwischen § 25 HGB und § 613 a BGB. Zum Teil wird § 613 a BGB als eine § 25 HGB verdrängende Spezialvorschrift für Verbindlichkeiten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen eingeordnet57 ; zum Teil werden beide Vorschriften als nebeneinander anwendbar angesehensB. Folgt man dieser zweiten Auffassung, begründet § 25 HGB auch die Haftung des Erwerbers für Lohnansprüche. Doch ist die praktische Bedeutung der handelsrechtlichen Haftung seit der Einfilgung des § 613 a BGB gering59, weil § 613 a BGB gegenüber § 25 HGB zwingend ausgestaltet ist. Das gleiche gilt auch für die Lohn- und Gehaltsansprüche der in einem Betriebsteil Beschäftigten, die von der Haftung des § 613 a BGB direkt erfaßt werden. In jedem Fall bleibt § 25 HGB anwendbar im Bereich der arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten, die von § 613 a BGB nicht erfaßt werden, wie etwa bestehende Ruhestands- und Handelsvertreterverhältnisse60 sowie die Vergütung freier Mitarbeiter. Für die vorbezeichneten Verbindlichkeiten muß daher die Auslegung erfolgen, unter welchen Voraussetzungen sie einem unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden können.

MUnchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 93. Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 56; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 25 Rn 11; Erman/Hanau § 613 a Rn 73; MUnchKomm.BGB/Schaub § 613 a Rn 76. 59 Großkomm.HGB/Hüffer § 25 Rn 56. 60 MUnchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 93, 128. 57 58

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

171

aa) Lohn- und Gehaltsansprüche Die Lohn- und Gehaltsansprüche, die einem unselbständigen Unternehmensteil zugeordnet werden, sind danach zu bestimmen, ob die betreffenden Arbeitnehmer ausschließlich im Rahmen des Tätigkeitsbereichs des Unternehmensteils beschäftigt sind. Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die zum Gegenstand mehrerer Unternehmen gehören oder die übergeordnete Aufgaben darstellen, sind die aufgrund des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Unternehmensteilserwerbs bestehenden Verbindlichkeiten nicht allein im Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils begründet. Eine Haftung nach § 25 HGB scheidet in diesen Fällen aus. bb) Ruhestandsverhältnisse Bei Ansprüchen aus Ruhestandsverhältnissen ist ebenfalls entscheidend, inwieweit sie in dem Geschäftsbetrieb des übertragenen unselbständigen Unternehmensteils zum Zeitpunkt des Erwerbs begründet waren. Handelt es sich um die Ruhestandsbezüge ehemaliger Arbeitnehmer, deren Tätigkeit ausschließlich im Rahmen des Geschäftsbetriebs des übertragenen Unternehmensteils ausgeübt wurde, sind diese Verbindlichkeiten dem unselbständigen Unternehmensteil zuordnenbar. Handelt es sich jedoch um die Ruhegeldbezüge leitender Angestellter, deren Aufgaben nicht auf einen Unternehmensteil beschränkt waren, sind diese Verbindlichkeiten nicht in dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils begründet. cc) Handelsvertreterverhältnisse Nach § 87 Abs. 1 HGB kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer eine Provision fUr alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte verlangen. Hinzu kommt ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 87 d HGB und ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs. 1 HGB. Der Handelsvertreter hat die Pflicht, sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften zu bemühen. Diese Bemühenspflicht umfaßt grundsätzlich die gesamte Produktion des Unternehmers; sie kann jedoch durch vertragliche Vereinbarung erweitert oder beschränkt werden61 • Es besteht daher die Möglichkeit, daß ein Handelsvertreter ausschließlich im Rahmen des Geschäftsbereichs eines unselbständigen Unternehmensteils tätig wird. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Handelsvertreter die Abnahme der in einem unselb61

BaumbachiHopt § 86 Rn 12, 13.

172 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

ständigen Unternehmensteil produzierten Waren vennittelt. Ob der Tätigkeitsrahmen des Handelsvertreters in dieser Weise beschränkt ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Falls die Tätigkeit des Handelsvertreters ausschließlich dem übertragenen Unternehmensteil zugerechnet werden kann, sind die aus dem Handelsvertreterverhältnis entstehenden Ansprüche des Handelsvertreters dem Geschäftsbetrieb des Unternehmens zuzurechnen. Für die zum Zeitpunkt des Erwerbs des Unternehmensteils bestehenden Verbindlichkeiten haftet der Erwerber nach § 25 HGB analog. dd) Vergütung freier Mitarbeiter Ähnlich ist die Zugehörigkeit des Anspruchs der Vergütung freier Mitarbeiter zu beurteilen. Ausschlaggebend ist der vereinbarte Tätigkeitsbereich. Wird die vereinbarte Tätigkeit ausschließlich im Zusammenhang mit der Aufgabe erbracht, welche in dem unselbständigen Unternehmensteil erftlllt wird, ist der Vergütungsanspruch in dem unselbständigen Unternehmensteil begründet. Es kann sich um Aushilfskräfte handeln, die nur bei bestimmten Überbelastungssituationen beschäftigt werden. In Betracht kommen aber auch die freien Mitarbeiter in Redaktionen, Werbeagenturen u.ä., sofern ihre Tätigkeit im Rahmen der Funktion eines unselbständigen Unternehmensteils ausgeübt wird. ee) Zusammenfassung Vergütungsansprüche im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, Handelsvertreterverhältnissen und Beschäftigungsverhältnissen freier Mitarbeiter können im Geschäftsbetrieb eines unselbständigen Unternehmensteils begründet sein. Voraussetzung hierfilr ist, daß die jeweilige zu vergütende Tätigkeit ausschließlich dem Zweck des jeweiligen Unternehmensteils dient, darüber hinaus aber nicht ft1r weitere Unternehmensteile oder im Rahmen der Tätigkeit des gesamten Unternehmens von Bedeutung ist. Sollten zum Zeitpunkt des Erwerbs des Unternehmensteils derartige Verbindlichkeiten bestehen, sind sie vom Umfang der Erwerberhaftung nach § 25 HGB analog umfaßt. f) Dienstvertrag mit Dritten Beim Dienstvertrag mit außenstehenden Dritten sind hinsichtlich der Frage der Erwerberhaftung grundsätzlich zwei Arten von Verbindlichkeiten zu unterscheiden, die Pflicht zur Leistung vereinbarter Dienste nach § 61 1 Abs. 1 BGB und die Pflicht zur Zahlung der Vergütung nach §§ 611 Abs. 1,612 BGB.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

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aa) Anspruch auf Zahlung der Vergütung nach §§ 611 Abs. 1,612 BGB Hat der ursprüngliche Unternehmensinhaber aufgrund eines Dienstvertrages die Dienste eines anderen in Anspruch genommen, ist er zur Erbringung der Vergütung verpflichtet. Ist diese Verbindlichkeit zum Zeitpunkt der Übertragung des unselbständigen Unternehmensteils noch nicht erfilllt, stellt sich die Frage fiIr den Erwerber, ob es sich um eine unternehmensteilbezogene Verbindlichkeit handelt. Bei der Auslegung der entsprechenden Verbindlichkeit ist wiederum die Funktion des unselbständigen Unternehmensteils zu berücksichtigen. Erfolgt die nachgefragte Dienstleistung im Rahmen der Funktion des Unternehmensteils zur Verwirklichung des entsprechenden Teilzwecks, ist sie als unternehmensteilbezogen zu bewerten. Zur Illustration dient das Beispiel der Unternehmensteilbezogenheit von Kosten fiIr die Spedition von Waren. Der Speditionsvertrag ist ein selbständiger Dienstvertrag62 • Führt der Spediteur Transporte fiIr einen Unternehmensinhaber durch, der verschiedene Produkte herstellt und verkauft, der sein Unternehmen aber nicht in einer Weise gegliedert hat, daß eine unselbständige Vertriebsabteilung vorliegt, dann sind die Transportkosten einem bestimmten Untemehmensteil nicht zurechenbar. Die einzelnen Unternehmensteile erfilllen den Zweck der Herstellung des jeweiligen Produkts, jedoch nicht die Aufgabe des Vertriebs. Der Erwerber eines der produzierenden Unternehmensteile kann von dem Spediteur fiIr die entstandenen und bei Übergang des Unternehmensteils noch offenen Verbindlichkeiten nicht nach § 25 HGB analog in Anspruch genommen werden; denn die Aufgabe des Vertriebs ist dem Gesamtunternehmen zuzuordnen und damit nicht unternehmensteilbezogen. Gegenteilig flUlt die Entscheidung aus, wenn der unselbständige Unternehmensteil, der auf den Erwerber übertragen worden ist, den Vertrieb eines bestimmten Produktes zum Gegenstand hatte. Wird im Rahmen des Vertriebs eine externe Spedition mit dem Transport des Produkts beauftragt, besteht der notwendige enge Zusammenhang mit dem Zweck des Unternehmensteils. Als Folge haftet der Erwerber in diesem Fall fiIr die bestehende Verbindlichkeit.

bb) Anspruch auf Erbringung der Dienste nach § 611 Abs. 1 BGB Nunmehr ist der umgekehrte Fall zu untersuchen, ob der Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils rur die Erbringung einer Dienstleistung in Anspruch genommen werden kann. Diese Frage betrifft vor allem Unternehmensteile, deren Funktion in der Erbringung bestimmter Dienstleistungen liegt, z.B. Schreibdienste, Erteilung von Unterricht, Erbringung von Transportlei62

RGZ 109,85,87; Jauernig/Schlechtriem Vor § 611 Rn 25.

174 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

stungen. In diesen Fällen steht dem Erwerber durch die Übernahme des unselbständigen Unternehmensteils die sachliche Grundlage zur Verfilgung, um den Anspruch der Gläubiger auf die Erbringung der vertragsgemäßen Leistung zu erfilllen. Der notwendige enge Zusammenhang zwischen der speziellen Aufgabe des Unternehmensteils und der Verbindlichkeit der Gläubiger auf Erbringung der Dienste besteht ohne weiteres. Gerade bei den AnsprUchen auf Erbringung von Dienstleistungen werden der Ausgleich der Interessenlage und der Sinn und Zweck des § 25 HGB besonders deutlich. Die Inanspruchnahme des Erwerbers filhrt dazu, den bestehenden Anspruch auf Erbringung der Dienstleistung wegen der übernommenen Bestandteile des Unternehmensteils erfilllen zu können. Als Folge wird die bestehende Geschäftsverbindung zwischen dem Unternehmensinhaber und dem Gläubiger für den Erwerber nutzbar. Der ursprüngliche Inhaber des Unternehmensteils, der den Anspruch auf Erbringung der Dienste ohne weiteres nicht mehr erfilllen kann, weil er den Unternehmensteil auf den Erwerber übertragen hat, wird vor möglichen SchadensersatzansprUchen der Gläubiger wegen nachträglicher Unmöglichkeit der Leistungserbringung bewahrt. Für die Gläubiger besteht der Vorteil, den jeweiligen Inhaber des Unternehmensteils in Anspruch nehmen zu können, der die Möglichkeit hat, den Anspruch auf Erbringung der Dienstleistung zu erfilllen.

cc) Zusammenfassung Beim Dienstvertrag kommt es für die Zuordnung der Verbindlichkeit zu dem erworbenen Unternehmensteil wiederum darauf an, ob die zu beurteilende Verbindlichkeit in engem Zusammenhang mit der Aufgabe des Unternehmensteils steht. Bei ZahlungsansprUchen der Gläubiger muß die von dem Gläubiger zu erbringende Dienstleistung allein der Funktion des Unternehmensteils dienen. Bei AnsprUchen der Gläubiger auf Erbringung der Dienstleistung als umgekehrter Fall ist die Verbindlichkeit unternehmensteilbezogen, wenn die Erbringung der entsprechenden Dienste allein der Funktion des übernommenen Unternehmensteils zuzuordnen ist.

g) Werkvertrag Beim Werkvertrag müssen ebenfalls zwei Verbindlichkeiten unterschieden werden, die Pflicht zur Erbringung der Werkleistung nach § 631 Abs. 1 BGB und die Pflicht zur Zahlung der Vergütung nach § 631 Abs. 1, 632 BGB.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

175

Die Auslegung und die Zuordnung der jeweiligen Verbindlichkeit zu einem unselbständigen Unternehmensteil folgt ähnlichen Grundsätzen wie die Zuordnung der Verbindlichkeiten aus einem Dienstvertrag. Ist der ursprüngliche Unternehmensinhaber zur Erbringung der Vergütung verpflichtet, ist es durchaus möglich, daß diese Verbindlichkeit zum Zeitpunkt der Übertragung des unselbständigen Unternehmensteils noch nicht erfilllt ist. Die Entscheidung, ob es sich um eine unternehmensteilbezogene Verbindlichkeit handelt, muß wiederum berücksichtigen, weIche Funktion dem unselbständigen Unternehmensteil zukommt. Erfolgt die nachgefragte Werkleistung zur Verwirklichung des Teilzwecks des Unternehmensteils, wird sie von der Haftung des Erwerbers erfaßt. Als Beispiele63 kommen in Betracht die Wartung bestimmter Geräte oder die Herstellung von Individualsoftware, die allein im Tätigkeitsbereich des unselbständigen Unternehmensteils verwendet werden, oder der Bau eines Gebäudes, in dem ausschließlich der unselbständige Unternehmensteil betrieben werden soll. Ist das zu erstellende Werk jedoch filr mehrere Unternehmensteile von Bedeutung, dann handelt es sich bei der Vergütung des Werklohns um eine Verbindlichkeit, die dem Gesamtunternehmen zuzuordnen ist. Als Beispiel dient die Errichtung eines Gebäudekomplexes, weIcher das gesamte Unternehmen aufuehmen soll. Die Folge besteht darin, daß die betreffende Verbindlichkeit nicht von der Haftung des Erwerbers erfaßt wird. Der umgekehrte Fall besteht in dem Anspruch der Gläubiger auf Erbringung der Werkleistung. Diese Verbindlichkeiten betreffen vor allem Untemehmensteile, deren Funktion in der Erbringung bestimmter Werkleistungen liegt, z.B. die Wartung bestimmter Geräte, die Herstellung von Individualsoftware, der Bau eines Gebäudes. Die Beurteilung der Unternehmensteilbezogenheit ist ähnlich wie die Verbindlichkeit auf Erbringung der Dienstleistung zu beurteilen. Dem Erwerber stehen durch die Übernahme des unselbständigen Unternehmensteils die Mittel zur VerfUgung, um den Anspruch der Gläubiger auf die Erbringung der vertragsgemäßen Leistung, d.h. der Herstellung des Werks, zu erfUllen. Die bestehenden Geschäftsbeziehungen werden filr den Erwerber und den Gläubiger nutzbar gemacht, während der ursprüngliche Inhaber des Unternehmensteils vor möglichen Schadensersatzansprüchen der Gläubiger wegen nachträglicher Unmöglichkeit der Leistungserbringung bewahrt wird. Beim Werkvertrag kommt es filr die Zuordnung der Verbindlichkeit zu dem erworbenen Unternehmensteil wiederum darauf an, ob die zu beurteilende Verbindlichkeit in engem Zusammenhang mit der Aufgabe des Unternehmensteils steht. Bei Zahlungsansprüchen der Gläubiger muß die von dem Gläubiger zu erbringende Werkleistung allein der Funktion des Unternehmensteils dienen. Bei Ansprüchen der Gläubiger auf Erbringung der Werkleistung als umgekehrter Fall ist die Verbindlichkeit unternehmensteilbezogen, wenn die Erbringung 63

PalandtiThomas Einf v § 631 Rn 6 ff.

13 Theißen

176 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Untemehmensteil

der entsprechenden Werkleistung allein der Funktion des übernommenen Unternehmensteils zuzuordnen ist. h) Versicherungsvertrag Untersucht man beim Versicherungsvertrag die gegenseitigen Leistungspflichten, können Verbindlichkeiten der Gläubiger nur entstehen in Form der Erbringung der Versicherungs leistung, wenn der unselbständige Unternehmensteil Versicherungen anbietet oder in Form der Prämienzahlung, wenn filr den Unternehmensteil eine bestimmte Versicherung abgeschlossen worden ist. Zum Betrieb von Versicherungsgeschäften ist eine Erlaubnis erforderlich, die im wesentlichen nur Aktiengesellschaften und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit gewährt wird64 • Es ist daher nicht möglich, die Vornahme von Versicherungsgeschäften ausschließlich durch einen unselbständigen Unternehmensteil zu betreiben. Eine Verbindlichkeit, die in der Erbringung von Versicherungsleistungen gegen den Erwerber besteht, ist daher nicht denkbar. Im umgekehrten Fall stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche der Versicherung unternehmensteilbezogen sind und ob eine Haftung nach § 25 HGB analog überhaupt in Betracht kommt. Versicherungen, die Risiken absichern, welche allein mit der Funktion des Unternehmensteils verbunden sind, kommen als unternehmensteilbezogene Verbindlichkeiten in Betracht. Hierunter fallen z.B. Gebäudeversicherungen rur Gebäude, die ausschließlich dem unselbständigen Unternehmensteil dienen, oder Transportversicherungen, wenn der Transport zur Funktion des Unternehmensteils gehört etc. Es bestehen jedoch filr den überwiegenden Teil der Versicherungen Sonderregelungen, die zu beachten sind. Nach § 69 Abs. 1 VVG tritt der Erwerber an die Stelle des Veräußerers, wenn die versicherte Sache von dem Versicherungsnehmer veräußert wird. Auf diese Weise wird der Versicherungsschutz erhalten. § 69 VVG erstreckt sich nur auf Schadensversicherungen im Zusammenhang mit veräußerbaren Versicherungsobjekten im Rahmen von Eigenversicherungen6s • Für Betriebshaftpflichtversicherungen bestimmt § 151 Abs. 2 VVG, daß im Falle der Unternehmensveräußerung der Erwerber ebenfalls in die sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt.

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Weyers Rn 112. RömerlLangheidiLangheid § 69 Rn 2 f.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

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i) Unentgeltliche Verträge Bei unentgeltlichen Verträgen, wie etwa Verwahrungsverträgen, Schenkungsverträgen, Leihverträgen und Aufträgen stellt sich die Frage der unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeit nur in einem Fall. Ein Anspruch der Gläubiger gegen den Erwerber kommt nur in Betracht, wenn durch den unselbständigen Unternehmensteil die Leistung erbracht werden soll. Ob die Verwahrung, die Schenkung oder der Auftrag als Verbindlichkeit des Unternehmensteils bewertet werden kann, hängt wiederum von der Funktion des Unternehmensteils im Einzelfall ab. Die Verwahrung, die Leihe oder das unentgeltliche Tätigwerden im Rahmen eines Auftrags müssen zu den Aufgaben gehören, die der Unternehmensteil wahrnimmt. Das dürfte eher die Ausnahme sein. j) Bürgschaftsvertrag Der Anspruch auf Zahlung der Bürgschaftssumme kann eine Verbindlichkeit sein, die unternehmensteilbezogen ist. Die Bürgschaft ist akzessorisch zur Hauptschuld. Daher kommt es auf die Zugehörigkeit der Hauptschuld zu dem Unternehmensteil an. Ist die gesicherte Zahlungsverbindlichkeit eine unternehmensteilbezogene Verbindlichkeit, dann ist die Verpflichtung zur Zahlung der Bürgschaftssumme ebenfalls unternehmensteilbezogen. Der Haftung des Erwerbers steht die Formvorschrift des § 766 Satz 1 BGB nicht entgegenstehen. Zwar gelten die rur die Begründung der Verpflichtung einschlägigen Formvorschriften auch filr den Schuldbeitritt66 . § 766 Satz 1 BGB greift aber nur bei der rechtsgeschäftlichen Begründung der Verpflichtung aus der Bürgschaft ein. § 25 HGB ist demgegenüber ein Fall des gesetzlichen Schuldbeitritts. k) Atypische Verträge Auch bei atypischen Verträgen stellt sich die Frage der Zugehörigkeit von Verbindlichkeiten zu einem unselbständigen Unternehmensteil. Um diese Frage zu beurteilen, muß wiederum auf die Art der Verbindlichkeit und die Funktion des unselbständigen Unternehmensteils abgestellt werden. Besteht ein enger Zusammenhang, handelt es sich um eine unternehmensteilbezogene Verbindlichkeit. Als Beispiel dient ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot zwischen dem Veräußerer und dem Gläubiger. Dieses Wettbewerbsverbot muß der 66 PalandtJHeinrichs Überbl v § 414 Rn 3; Erman-Westermann Vor § 414 Rn 7; MünchKomm.BGB/Möschel vor § 414 Rn 12.

13*

178 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Erwerber gegen sich gelten lassen oder sich an sonstige rechtswirksame Vereinbarungen halten67 . Diese Wettbewerbsverbote beziehen sich ausschließlich auf den Unternehmensteil, wenn es sich um einen Unternehmensteil handelt, mit Hilfe dessen der Wettbewerbsverstoß allein begangen werden könnte. Ansonsten handelt es sich um eine Verbindlichkeit, die auf das gesamte Unternehmen bezogen war und damit vo~ Haftungsumfang des § 25 HGB nicht umfaßt wird.

2. lferausgabeansprüche Bei Verbindlichkeiten, die sich auf die Herausgabe einer bestimmten Sache richten, ist nach vertraglichen, dinglichen, deliktischen und AnsprUchen aus ungerechtfertigter Bereicherung zu unterscheiden. a) Vertragliche HerausgabeansprUche Der Erwerber eines unselbständigen Unternehmensteils kann wegen vertraglicher HerausgabeansprUche von dem Gläubiger in Anspruch genommen werden, wenn der Herausgabeanspruch eine in dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils begründete Verbindlichkeit ist. Die Frage ist ähnlich zu beurteilen, wie die Zugehörigkeit vertraglicher Verbindlichkeiten zu einem unselbständigen Unternehmensteil. Ist die ursprüngliche vertragliche Verbindlichkeit unternehmensteiJbezogen, dann gilt dies auch ftlr den Herausgabeanspruch, der aufgrund Kündigung, ZeitabJauf, Wandlung, Rücktritt oder Widerruf entsteht. b) Dingliche HerausgabeansprUche Bei dinglichen HerausgabeansprUchen, die sich gegen den Erwerber eines Unternehmensteils richten können, handelt es sich um AnsprUche des Eigentümers gegen den unberechtigten Besitzer nach § 985 BGB, des Erben gegenüber dem Erbschaftsbesitzer nach §§ 2018, 2030 BGB, des Pfandrechtsinhabers gegen den unberechtigten Besitzer nach §§ 1227, 1257, 985 BGB oder um AnsprUche aufgrund früheren Besitzes, §§ 861, 869, 1007 BGB. Voraussetzung ftlr die Haftung des Erwerbers ist zunächst, daß es sich um eine unternehmensteilbezogene Verbindlichkeit handelt. Die herauszugebende

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RGZ 88,103, 106; 96, 171, 173; MünchKomm.HGB/Lieb § 25 Rn 92.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

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Sache muß zum Funktionszusammenhang des Unternehmensteils gehören. Dies ist eine Frage des Einzelfalls. Die Zugehörigkeit der herauszugebenden Sache zum Funktionszusammenhang des Unternehmensteils reicht allein ftIr eine Inanspruchnahme des Erwerbers nicht aus. Der Herausgabeanspruch erfordert ein Tun, welches dem Erwerber nur möglich ist, wenn die herauszugebende Sache sich in seinem Besitz befmdet. In diesem Fall handelt es sich jedoch um einen direkten Anspruch des dinglich Berechtigten gegen den jeweiligen Besitzer, ohne daß es ftIr den Grund des Anspruchs auf die Rechtswirkungen des § 25 HGB ankommt. Allein ftIr die Frage der Einwendungen des Erwerbers gegen den Herausgabeanspruch muß auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und ursprünglichem Unternehmensinhaber Bezug genommen werden. Die Einwendungen des ursprünglichen Unternehmensinhabers bleiben dem Erwerber erhalten68 • Ist der Erwerber jedoch nicht im Besitz der herauszugebenden Sache, dann ist eine Erfilllung in Natur nicht möglich. In diesem Fall ist wie im vergleichbaren Fall der Inanspruchnahme eines Gesellschafters69 eine Inanspruchnahme des Erwerbers ausnahmsweise nicht möglich. Eine Verpflichtung des Erwerbers zur Herausgabe besteht in diesem Fall nicht. c) Deliktische HerausgabeanspTÜche Für die Fallgruppe der deliktischen HerausgabeanspTÜche nach §§ 823, 826 BGB ist wie bei den dinglichen HerausgabeanspTÜchen entscheidend, ob sich die herauszugebende Sache im Besitz des Erwerbers des unselbständigen Unternehmensteils befindet und eine Herausgabe möglich ist. Befindet sich die herauszugebende Sache im Besitz des Erwerbers, kommt es fiir die Inanspruchnahme des Erwerbers nach § 25 HGB darauf an, ob die un-

erlaubte Handlung, auf die sich der Anspruch des Gläubigers stUtzt, in so engem Zusammenhang mit der Funktion des übernommenen Unternehmensteils steht, daß sie als unternehmensteilbezogen bewertet werden kann. Eine Herausgabepflicht aufgrund eines deliktischen Anspruchs kann als unternehmensteilbezogen bewertet werden, wenn der ursprüngliche Unternehmensinhaber etwas erlangt hat, das in engem Zusammenhang allein mit den Aufgaben des unselbständigen Unternehmensteils stand, Z.B. eine Produktionsmaschine. Diese Fälle werden aber äußerst selten sein; eine Erlangung bei Gelegenheit, d.h. ohne Bezug zu dem Aufgabenbereich des unselbständigen Unternehmensteils scheidet aus. Befmdet sich die herauszugebende Sache nicht im Besitz des Erwerbers,

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BaumbachiHopt § 25 Rn 10. Vgl. Wiedemann § 5 IV 2. a).

180 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

kommt eine Inanspruchnahme nicht in Betracht. Wie bei den dinglichen Herausgabeanspruchen erflihrt die gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers in diesem Fall eine Durchbrechung. d)

Herausgabe~pruche

aus ungerechtfertigter Bereicherung

Für die Fallgruppe der Herausgabeanspruche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812, 816, 822 BGB ist wie bei den dinglichen und den deliktischen Herausgabeanspruchen entscheidend, ob sich die herauszugebende Sache im Besitz des Erwerbers des unselbständigen Unternehmensteils befmdet und eine Herausgabe möglich ist. Befmdet sich die herauszugebende Sache im Besitz des Erwerbers, kommt es

filr die Inanspruchnahme des Erwerbers nach § 25 HGB darauf an, ob die unge-

rechtfertigte Bereicherung, auf die sich der Anspruch des Gläubigers stützt, in so engem Zusammenhang mit der Funktion des übernommenen Unternehmensteils steht, daß sie als unternehmensteilbezogen bewertet werden kann.

Eine ungerechtfertigte Bereicherung kann in Fällen der Leistungskondiktion als unternehmensteilbezogen bewertet werden, wenn der ursprüngliche Unternehmensinhaber etwas erlangt hat, das in engem Zusammenhang allein mit den Aufgaben des unselbständigen Unternehmensteils stand, z.B. eine Produktionsmaschine, und der Rechtsgrund hierfilr fehlte. Das gleiche gilt bei Eingreifen der Nichtleistungskondiktionen. Entscheidend ist auch hier die Zugehörigkeit des Erlangten zu dem unselbständigen Unternehmensteil. Befindet sich die herauszugebende Sache nicht im Besitz der Erwerbers, kommt eine Inanspruchnahme nicht in Betracht. Wie bei den dinglichen und deliktischen Herausgabeanspruchen erflihrt die gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers in diesem Fall eine Durchbrechung. e) Zusammenfassung Zusammenfassend ist zu den Herausgabeanspruchen festzuhalten, daß es rur die Inanspruchnahme des Erwerbers nach § 25 HGB darauf ankommt, ob er die herauszugebende Sache im Besitz hat. Ist der Erwerber Besitzer der herauszugebenden Sache, kann er von dem Gläubiger hinsichtlich einer im Zeitpunkt des Übergangs des unselbständigen Unternehmensteils bestehenden Herausgabeverbindlichkeit in Anspruch genommen werden, wenn der ursprüngliche Unternehmensinhaber die herauszugebende Sache in einer Weise erlangt hat, die als unternehmensteilbezogen zu bewerten ist. Hat der Erwerber die herauszugebende Sache nicht im Besitz, dann haftet er nicht, weil der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung in diesem Fall eine Durchbrechung erflihrt.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

181

3. Schadensersatzansprüche Eine weitere wichtige Gruppe von Verbindlichkeiten, die auf ihre Zuordnenbarkeit zu einern Unternehmensteil untersucht werden müssen, sind die Schadensersatzansprüche der Gläubiger des ursprünglichen Unternehmensinhabers. Die Anspruchsgrundlagen fUr Schadensersatzansprüche sind vielfiUtig. In Betracht kommen Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Vertragspflichten, bei vertragsähnlichen Verhältnissen, bei Geschäftsftlhrung ohne Auftrag und im Rahmen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Gefilhrdungshaftung sowie Schadensersatzansprüche in Fallgestaltungen betreffend ungerechtfertigte Bereiche-

rung.

Die Fallgruppen der gesetzlichen Schadensersatzansprüche, fUr welche § 25 HGB ebenfalls eingreift, zeigen ganz deutlich, daß es bei dem Sinn und Zweck der Norm auf den Funktionszusarnrnenhang und die Erhaltung des Untemehrnensteils als organisierte Einheit ankommt und nicht auf den Erhalt der Haftungsmasse fUr die Gläubiger.

a) Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Vertragspflichten Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Vertragspflichten können aufgrund einer Unmöglichkeit der Leistung, des Verzugs infolge einer nicht rechtzeitigen Leistung, einer Schlechterfllllung der Hauptleistungs- und Nebenpflichten oder der Sachrnängelgewährleistung entstehen. Der Erwerber haftet bei Schadensersatzansprüchen, die zum Zeitpunkt des Übergang des unselbständigen Unternehmensteils noch nicht erfllllt sind, nur in dem Fall, in dem es sich um unternehmensteilbezogene Verbindlichkeiten handelt. Bei der Auslegung des jeweiligen Schadensersatzanspruchs kommt es darauf an, ob die betreffende Verbindlichkeit die erforderliche Nähe allein zum Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils hat. Hierbei wird der in dem Unternehmensteil wahrgenommenen Aufgabe wiederum besondere Bedeutung zukommen. Daher läßt sich generell fUr alle Schadensersatzansprüche festhalten, die auf der Verletzung vertraglicher Pflichten im weitesten Sinne beruhen, daß es entscheidend auf die Art des verletzten Vertragsverhältnisses ankommt. Sollten die vertraglichen Verpflichtungen als Primärverpflichtungen allein durch den unselbständigen Unternehmensteil erfllllt werden, dann handelt es sich bei den aus der Verletzung von Vertragspflichten resultierenden Ansprüchen ebenfalls um unternehmensteilbezogene Verbindlichkeiten.

182 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

b) Schadensersatzansprüche bei vertragsähnlichen Verhältnissen Bei Schadensersatzansprüchen aus vertragsähnlichen Verhältnissen ist dem Anspruch aus culpa in contrahendo besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Bei der Auslegung des Schadensersatzanspruchs kommt es darauf an, ob die betreffende Verbindlichkeit die erforderliche Nähe allein zum Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils aufweist. Hierbei kommt der in dem unselbständigen Unternehmensteil wahrgenommenen Aufgabe und der Art des angebahnten Vertragsverhältnisses entscheidende Bedeutung zu. Ist das Vertragsverhältnis allgemeiner Natur gewesen, wird sich die erforderliche Nähe zum Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils nicht feststellen lassen. Hätte die Vertragsanbahnung zum Abschluß eines Vertrages gefilhrt, welcher dem Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils allein zuordnenbar gewesen wäre, liegt die erforderliche Unternehmensteilbezogenheit vor. Daher läßt sich generell fiir alle Schadensersatzansprüche aus vertragsähnlichen Verhältnissen festhalten, daß es entscheidend auf die Art des angebahnten Vertragsverhältnisses ankommt. Hier kommt die haftungsbegründende Wirkung der Fortfilhrung des Unternehmensteils deutlich zum Ausdruck. c) Schadensersatzansprüche bei Geschäftsfilhrung ohne Auftrag Schadensersatzansprüche bei Geschäftsfilhrung ohne Auftrag aus Sicht des Gläubigers entstehen zum einen, wenn er als Geschäftsherr gegen den Geschäftsfilhrer einer berechtigten oder unberechtigten Geschäftsfilhrung ohne Auftrag Ansprüche nach §§ 678, 687 Abs. 2 BGB geltend macht. Diese Ansprüche weisen nur in Ausnahmefällen den erforderlichen Bezug zu der Geschäftstätigkeit des unselbständigen Unternehmensteils auf Die Geschäftsfilhrung ohne Auftrag erfordert auf Seiten des Geschäftsfilhrers die Vornahme eines fremden Geschäfts mit Fremdgeschäftsfilhrungswillen70• Zum Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils müßte es gehören, die Geschäfte anderer wahrzunehmen. Hierbei steht der Fremdheit des Geschäfts nicht entgegen, daß der Geschäftsfilhrer mit der Handlung auch eigene Geschäfte wahrnimmei. Dies wird etwa bei Unternehmensteilen der Fall sein, deren alleinige Aufgabe in der Bergung von Gegenständen oder Personen oder in der Unfallhilfe besteht, in Fällen, in denen kein Auftrag erteilt worden ist.

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Jauernig/Vollkommer § 677 Rn 3 f. Jauernig/Vollkommer § 677 Rn 3.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

183

Der umgekehrte Fall besteht darin, daß der Gläubiger als Geschäftsfilhrer tätig geworden ist und einen Anspruch bei Übergang des unselbständigen Unternehmensteils gegen den ursprünglichen Unternehmensinhaber als Geschäftsherrn bei berechtigter Geschäftsfilhrung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB analog hatte, der noch nicht erftillt war. Hierbei läßt sich die Unternehmensteilbezogenheit der Verbindlichkeit ebenfalls nur über die Zugehörigkeit zum Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils feststellen. Wurde etwa ein Brand in einem Lager gelöscht, das ausschließlich Materialien fUr die Produktion eines bestimmten Unternehmensteils enthielt, dann ist die Verbindlichkeit des Gläubigers unternehmensteilbezogen. Wurde aber ein Brand eines Gebäudes gelöscht, das nicht allein dem unselbständigen Unternehmensteil zuzuordnen ist, fehlt es an der erforderlichen Zusammengehörigkeit. Fraglich bei Verbindlichkeiten aus Geschäftsfilhrung ohne Auftrag ist jedoch, ob die einmalige Geschäftsfilhrung durch einen Dritten vom Sinn und Zweck der Haftung umfaßt ist. Die ratio legis bestand zum einen auch in der Zusammengehörigkeit des Funktionszusammenhangs des Unternehmensteils zur Aufrechterhaltung der Bezugs- und Absatzbeziehungen. Diese werden durch die Ansprüche eines Geschäftsftlhrers selbstverständlich nicht gellirdert. Andererseits ist dem Unternehmensteil der Einsatz des Gläubigers als Geschäftsfilhrer ohne Auftrag zugute gekommen, so daß seine Ansprüche aus der Haftung des übernehmenden Erwerbers nicht ausgeschlossen werden können. d) Schadensersatzansprüche im Rahmen eines EigentümerBesitzer-Verhältnisses Verbindlichkeiten, welche sich aus Sicht der Gläubiger als Schadensersatzansprüche aus einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis darstellen, richten sich gegen den bösgläubiger oder verklagten Besitzer nach § 989, 990 BGB, gegen den Deliktsbesitzer nach § 992 iVm § 823 BGB oder gegen den gutgläubigen Fremdbesitzer, §§ 991, 989 BGB. Bei diesen Verbindlichkeiten handelt es sich um unternehmensteilbezogene Verbindlichkeiten, wenn die Sache, auf die sich der Anspruch bezieht, allein zur Organisationseinheit des Unternehmensteils gehörte und während des Geschäftsbetriebs beschädigt worden ist. e) Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung Für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gelten ähnliche Grundsätze wie bei deliktischen Herausgabeansprüchen.

184 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Der erforderliche enge Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils muß gewahrt sein. Es muß sich um einen Schadensersatzanspruch handeln, der nicht nur bei Gelegenheit entstanden ist. Hierbei kommt insbesondere der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die im Rahmen des Geschäftsbetriebs zu beachten sind, gesteigerte Bedeutung zu. Bei den deliktischen Schadensersatzansprüchen kommt weniger der Zweck der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen als vielmehr die Erhaltung des Funktionszusammenhangs des Unternehmensteils zum Tragen.

f) Schadensersatzansprüche aus Gefährdungshaftung Schadensersatzansprüche aus Gefährdungshaftung sind dann unternehmensteilbezogen, wenn das entsprechende Schutzgesetz gerade vor den Gefahren schützen soll, die von dem unselbständigen Unternehmensteil ausgehen, und sich eine vom Schutzzweck umfaßte Gefahr verwirklicht hat. Bei der häufig auftretenden Fallgruppe der Haftung des Halters und des Fahrers eines Kraftfahrzeugs nach §§ 7, 18 StVG ist ft1r die Zuordnung des Schadensersatzanspruchs entscheidend, ob der Anspruch des Gläubigers auf eine Handlung ZUfÜckzufUhren ist, welche in engem Zusammenhang mit dem übertragenen Unternehmensteil steht. In diesem Fall handelt es sich um eine unternehmensteilbezogene Verbindlichkeit. In Betracht kommt beispielsweise der Unfall mit einem Fahrzeugs, das zur Organisationseinheit des Unternehmensteils gehört, in Ausübung einer Tätigkeit, die dem Unternehmensteil zuzurechnen ist. Auch bei dieser Fallgruppe wirkt sich die Erhaltung des Funktionszusammenhangs des Unternehmensteils haftungsbegrUndend aus. g) Schadensersatzansprüche bei ungerechtfertigter Bereicherung Für Schadensersatzansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. I, 820 iVm §§ 292, 989 ff BGB gelten ähnliche Grundsätze wie bei dem Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Der erforderliche enge Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils ist vorhanden, wenn die zugehörige Primärverpflichtung, die Herausgabepflicht, ebenfalls unternehmensteilbezogen ist. Auf die entsprechenden AusfUhrungen wird Bezug genommen.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

185

h) Zusammenfassung Zusammenfassend zu den Verbindlichkeiten, die Schadensersatzansprüche der Gläubiger umfassen, ist zu differenzieren zwischen originären Schadensersatzansprüchen, wie z.B. aus Delikt, und Schadensersatzansprüchen als Sekundäransprüchen. Bei originären Schadensersatzansprüchen muß die Unternehmensteilbezogenheit aus der Verletzung der entsprechenden Handlung hergeleitet werden, während es bei Sekundäransprüchen auf die Untemehmensteilbezogenheit der Primärpflicht ankommt. 4. Gewährleistungsansprüche

Weiterhin ist zu prüfen, ob Gewährleistungsansprüche zu den unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten gehören. Sie stellen eine Sonderregelung bei Mängeln der jeweiligen Vertrags leistung dar. Betrachtet man den Unternehmensteil als Funktionseinheit, sind die Gewährleistungsansprüche von den dem Unternehmensteil zugeordneten vertraglichen Verbindlichkeiten nicht zu trennen. Das wird gerade bei der Wandlung eines Kaufvertrages deutlich. Der Kaufvertrag wird abgewickelt, d.h. der verkaufte Gegenstand wird an den Inhaber des Unternehmensteils zurückgegeben, während der Kaufpreis an den Gläubiger zurückgezahlt wird. 5. Ansprüche aufRückabwicklung

Die gleiche Frage wie bei den Gewährleistungsansprüchen stellt sich bei den Ansprüchen der Gläubiger auf Rückabwicklung. Diese Rückabwicklungsansprüche können aufgrund eines vertraglichen Rücktrittsrechts nach §§ 346 ff BGB oder aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen nachträglicher Unmöglichkeit, Verzug oder positiver Forderungsverletzung bestehen. Aufgrund dieser Ansprüche müssen die gewährten Leistungen zurückabgewickelt werden. Der Anspruch des Gläubigers ist die zu beurteilende Verbindlichkeit. Sie kann als untemehmensteilbezogen bewertet werden, wenn das zugrunde liegende Schuldverhältnis unternehmensteilbezogen war. 6. Beseitigung- und Unterlassungsansprüche

Weiterhin sind die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zu untersuchen, rur welche eine Haftung des Erwerbers in Betracht kommt.

186 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Verbindlichkeiten infolge der Beseitigung bestehender oder drohender Beeinträchtigungen des Eigentums ergeben sich aus dem Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB, aus dem Beseitigungsanspruch einer gegenstandslosen Vormerkung nach § 886 BGB und aus dem quasinegatorischen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB. Der Grundbuchberichtigungsanspruch und der Beseitigungsanspruch nach § 866 BGB sind in keinem Fall von der Haftung des Erwerbers umfaßt. Beide Ansprüche erfordern nach formellem Grundbuchrecht die formelle Berechtigung des Anspruchsgegners. Berechtigter in diesem Sinne ist jedoch allein der ursprüngliche Unternelunensinhaber, unabhängig davon, ob eine enge Verbindung dieser Verbindlichkeit mit dem übertragenen Unternelunensteil festgestellt werden kann oder nicht. Ebenso ist die Sachlage bei dem negatorischen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB. Voraussetzung des Anspruchs ist eine andauernde Beeinträchtigung des Eigentums des Gläubigers. Anspruchsgegner ist der Störer. Störer ist dabei nicht nur derjenige, der den beeinträchtigenden Zustand geschaffen hat, sondern auch, wer den störenden Zustand durch seinen Willen aufrechterhält72 • Ist die Eigentumsstörung des Gläubigers von dem vom Erwerber übernommenen Unternelunensteil ausgegangen und die Beseitigung oder Unterlassung der Störung zum Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmensteils noch nicht erfolgt, besteht zwar ohne weiteres eine enge Beziehung zum Geschäftsbetrieb des Unternelunensteils. Der Erwerber ist aber selbst Anspruchsgegner nach § 1004 BGB, weil er die Störung durch den Unternelunensteil aufrechterhält. Auf eine Haftung nach § 25 HGB kommt es in diesen Fällen nicht an. Das gleiche gilt filr den quasinegatorischen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB analog. 7. Anspruch auf Auskunft oder Rechnungslegung

Die Gläubiger können zum Zeitpunkt der Übertragung eines Unternehmensteils auf einen Erwerber noch nicht erfilllte Ansprüche auf Auskunft oder Rechnungslegung haben, etwa nach §§ 402, 444, 666, 675, 681 Satz 2, 687 Abs. 2 oder 242 BGB. Der Erwerber haftet ftlr diesen Anspruch, wenn die begehrte Auskunft oder Rechnungslegung allein den Funktionszusammenhang des Unternelunensteils betrifft. Das ist eine Frage des Einzelfalls. Die mögliche Inanspruchnahme des Erwerbers hat ftlr den Gläubiger und den ursprünglichen Unternelunensinhaber den Vorteil, daß der Erwerber Auskunft und Rechnungslegung über Vorgänge

72

PalandtlBassenge § 1004 Rn 16.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

187

geben muß, welche zu dem erworbenen Unternehmensteil gehören. Der Erwerber verfUgt im Regelfall über die erforderlichen Unterlagen über Geschäftsvorgänge, die mit dem Unternehmensteil in Verbindung stehen. Der Erwerber hat den Vorteil, daß er die Angelegenheiten des erworbenen Unternehmensteils selbst in die Hand nehmen kann. Sollten dem Erwerber die filr die Erfilllung des Anspruchs erforderlichen Unterlagen nicht von dem ursprünglichen Unternehmensinhaber zur Verfilgung gestellt worden sein, kann er sich auf das anflingliche Unvermögen der Leistung berufen. Soweit es sich um ein unvorhersehbares, nicht aus der Sphäre des Erwerbers stammendes Leistungshindernis handelt, ergibt die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB oder § 242 BGB, daß die Einstandspflicht des Schuldners ausgeschlossen ist73 • 8. Zusammenfassung zur Auslegung

Die Untersuchung der verschiedenartigen Verbindlichkeiten hat gezeigt, daß der entscheidende Umstand die alleinige Zusammengehörigkeit mit der Funktion und dem Zweck des unselbständigen Unternehmensteils ist. Es gibt keine filr jeden Fall gültigen Kriterien, ob eine Verbindlichkeit unternehmensteilbezogen ist oder nicht. Es ist eine Bewertung des Einzelfalls. Für vertragliche Verbindlichkeiten und solche, die einen engen Bezug zu vertraglichen Verbindlichkeiten aufweisen, wie die resultierenden Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüche, kann die Zuordnung erfolgen. Für Nebenansprüche wie Auskunftsansprüche gilt das gleiche. Einbezogen in die Haftung des Erwerbers sind auch Schadensersatzansprüche und Herausgabeansprüche. Nicht vom Haftungsumfang umfaßt sind diejenigen Ansprüche der Gläubiger, die bestimmte Formerfordernisse aufweisen, die der Erwerber nicht in eigener Person erfilllt. Hierunter fallen ein Großteil der dinglichen Ansprüche.

IV. Ergebnis zu den vollständig zuordnenbaren Verbindlichkeiten

Wegen der Vielzahl der unselbständigen Unternehmensteile und der Vielzahl der möglichen Verbindlichkeiten, welche den Unternehmens inhaber treffen und filr die entschieden werden muß, ob der Erwerber bei der Übertragung des unselbständigen Unternehmensteils dafilr haftet, ist die Bestimmung der Unternehmensteilbezogenheit einer Verbindlichkeit schwierig.

7J

PalandtlBassenge § 306 Rn 10; Staudinger/Löwisch § 306 Rn 31.

188 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Es hat sich gezeigt, daß es auf die Funktion des unselbständigen Unternehmensteils ankommt und den im Rahmen des Gesamtunternehmens verfolgten Teilzweck. Diejenigen Verbindlichkeiten, welche sich vollständig einem Unternehmensteil zuordnen lassen, unterfallen der Haftung des Erwerbers. Das hat den Vorteil, daß der Sinn und Zweck des § 25 HGB beachtet ist. Die Gläubiger haben weiterhin die Ertragskraft des Unternehmensteils zur Verftlgung, um die Verbindlichkeit zu erftlllen. Hinzu kommt, daß der Funktionseinheit des Unternehmensteils im Rechtsverkehr Rechnung getragen wird. Das Interesse aller Beteiligten, die Bezugs- und Lieferbeziehungen und die Geschäftsbeziehungen möglichst zu erhalten, bleibt gewahrt.

C. Nur teilweise zuordnenbare Verbindlichkeiten Im Anschluß an die Behandlung von Verbindlichkeiten, die sich vollständig einem Unternehmensteil zuordnen lassen, stellt sich die Frage der Zuordnung von teilbaren Verbindlichkeiten, die nur zum Teil zum Geschäftsbetrieb des Unternehmensteils gehören. Wie gezeigt74, werden auch Verbindlichkeiten von der Haftung des § 25 HGB umfaßt, die sich nur zum Teil einem Unternehmensteil zuordnen lassen. Hierbei handelt es sich um Gemeinkosten, die im Gesamtunternehmen oder bezüglich mehrerer Unternehmensteile entstehen und in mittelbarer Beziehung zu dem veräußerten Unternehmensteil stehen. Ein Beispiel fllr diese Gemeinkosten sind etwa die Gehälter der Geschäftsleitung; auch Strom-, Telefon- oder Materialkosten, Miet- und Pachtzins können bei genereller Abrechnung Gemeinkosten sein. Sie können zwar mit Hilfe der KostensteIlenrechnung den einzelnen KostensteIlen und damit auch dem Unternehmensteil zugeordnet werden. Das Verursachungsprinzip ist bei ihnen entweder schwerer oder gar nicht anzuwenden. Die Verrechnung erfolgt mittels Schlüsseln, die meist durch Verwendung einer KostensteIlenrechnung ermittelt werden7S. Hierin wird die Schwierigkeit deutlich, welche die KostensteIlenrechnung bei der Verteilung von Gesamtkosten mit sich bringt. Der Verteilungsschlüssel auf die einzelnen KostensteIlen muß zwar sachlichen Kriterien genügen. Welches Kriterium rur die Verteilung verwandt wird, obliegt dem Unternehmensinhaber. Die Folge ist eine wertmäßige Aufteilung einer Verbindlichkeit, welche den Unternehmensteil nur zum Teil belastet. Diese Aufteilung einer Verbindlichkeit unter Wertgesichtspunkten auf einzelne KostensteIlen rechtfertigt es nicht, den entsprechenden Teil der Verbindlichkeit dem Unternehmensteil zuzuordnen; denn es handelt sich um eine rein wertmäßige Zurechnung nach betriebswirtschaftlichen 74

75

Siehe oben 3. Teil § 1 B. Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, S. 1271.

§ 2 Bestimmung der Zugehörigkeit der Verbindlichkeiten

189

Methoden. Der Anteil der Verbindlichkeit, der auf den übertragenen Unternehmensteil entfällt, läßt sich nur unter Zugrundelegung betriebsinterner Faktoren bestimmen. Diese Verbindlichkeiten, die als Gemeinkosten eingeordnet werden können, sind von der Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB nicht umfaßt. Eine Auslegung anband betriebswirtschaftlicher Methoden in Form der kombinierten Kostenarten- und KostensteIlenrechnung filhrt nur zu einem Ergebnis, wenn die entsprechende Verbindlichkeit bei der Buchung in diejenigen Teile aufgespalten wird, die auf die jeweiligen Unternehmensteile entfallen. Dies filhrt zu eher zuBilligen Ergebnissen. Die Veräußerungsparteien können aber Verbindlichkeiten, die sich nicht ausschließlich einem Unternehmensteil zuordnen lassen, in ihrer Vereinbarung regeln. Wie im Spaltungsplan bzw. im Spaltungsvertrag können die Veräußerungsparteien bei der Übertragung eines Unternehmensteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge regeln, welche Verbindlichkeiten welchem Rechtsträger zugeordnet werden. Der Unterschied besteht nur in der Art der Übertragung. Nach § 129 Abs. 1 Nr. 9 UmwG muß der Spaltungsvertrag die Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die an jeden der übernehmenden Rechtsträger übertragen werden, klar und eindeutig bezeichnen. Dabei sind die Parteien in der Zuweisung einzelner Vermögensgegenstände völlig frei. Sie können grundsätzlich jeden Gegenstand jedem beliebiger Rechtsträger zuweisen. Ob und inwieweit einzelne Rechte und Verbindlichkeiten aufgespalten und in Teilbeträgen verschiedenen Rechtsträgern zugewiesen werden können, mag fraglich sein76. Bei teilbaren Verbindlichkeiten steht einer Aufteilung kein rechtliches Hindernis entgegen. Für die Auslegung, daß eine teilbare Verbindlichkeit zum Geschäftsbetrieb eines unselbständigen Unternehmensteil gehört, können neben der Vereinbarung zwischen den Veräußerungsparteien auch die weiteren Umstände des Entstehens der Verbindlichkeit herangezogen werden. Auf die vorbezeichneten Ausfilhrungen hinsichtlich der Zuordnung einer ungeteilten Verbindlichkeit wird verwiesen. In Betracht kommt etwa die Vereinbarung einer Aufteilung der Verbindlichkeit auf mehrere Unternehmensteile bei Abschluß des entsprechenden Vertrages. Hiervon ist der Vertrag zur Übertragung des Unternehmensteils zu unterscheiden. Ist etwa die Lieferung von einer nach Art und Menge teilbaren Leistung an mehrere Unternehmensteile in der Weise vereinbart, daß bereits bestimmt ist, welche Menge an welchen Unternehmensteil geliefert wird, dann ist der zugehörige Zahlungsanspruch dem Geschäftsbetrieb der jeweiligen Unternehmensteile zuordnenbar. Zusammenfassend sind Verbindlichkeiten, die teilbar sind, einem Unternehmensteil in einer Weise zuordnenbar, daß ein Teil dieser Verbindlichkeit 76

So Heidenhain rur Spaltungen ZIP 1995,801,803.

190 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Untemehmensteil

zum Geschäftsbetrieb des unselbständigen Unternehmensteils gehört. Voraussetzung hierftlr ist, daß eine entsprechende Aufteilung der Verbindlichkeit sich entweder aus der Vereinbarung der Veräußerungsparteien oder aus den Umständen, die der Entstehung der Verbindlichkeit zugrunde liegen, ergibt.

D. Ergebnis Die Zuordnung der Verbindlichkeit zu einem unselbständigen Unternehmensteil kann durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB anband objektiver Kriterien entwickelt werden. Entscheidend ist der Zusammenhang mit der Funktion des Unternehmensteils. Läßt sich die Verbindlichkeit einem Unternehmensteil vollständig oder bei einer teilbaren Verbindlichkeit zum Teil zuordnen, ist sie unternehmensteilbezogen. Starke Indizwirkung kommt dabei der Behandlung der Verbindlichkeit in den Handelsbüchern, insbesondere der Buchftlhrung, dem zwischen den Veräußerungsparteien geschlossenen Vertrag und den weiteren Umständen des Entstehens der jeweiligen Verbindlichkeit zu.

§ 3 Realisierung des Anspruchs nach § 25 HGB durch die Gläubiger

Die Erörterungen zu den bestehenden Möglichkeiten, die Zuordnung einer einzelnen Verbindlichkeit zu einem bestimmten Unternehmensteil zu bestimmen, haben gezeigt, vor welchen Schwierigkeiten die Gläubiger stehen. Um einen Anspruch nach § 25 HGB analog gegen den Erwerber des unselbständigen Unternehmensteils nicht wertlos zu machen, muß den Gläubigem ein entsprechendes Instrumentarium an die Hand gegeben werden. Die Gläubiger müssen die Möglichkeit haben, die Tatsachen zu ermitteln, die sie zur Durchsetzung ihres Anspruch gegen den Erwerber benötigen. Entscheidend ftlr die Zuordnung einer Verbindlichkeit zu dem übertragenen Unternehmensteil war die Zugehörigkeit zu dem Funktionszusammenhang des übertragenen Unternehmensteils. Indizien rur die Zugehörigkeit einer bestimmten Verbindlichkeit bestanden in der entsprechenden Führung der Verbindlichkeit in den Handelsbüchern, die Führung in dem zwischen den Veräußerungsparteien abgeschlossenen Vertrages und den weiteren Umständen rur die Zugehörigkeit der Verbindlichkeit zum Funktionszusammenhang des Unternehmensteils. Betroffen ist jedoch nicht nur die Höhe des Anspruchs der Gläubiger sondern auch die haftungsbegründende Voraussetzung der Übernahme eines Unternehmensteils. Der Unternehmensgläubiger muß feststellen können, ob der Unternehmenserwerber gerade den streitgegenständlichen Unternehmensteil fortgefUhrt hat oder nicht 77 •

§ 3 Realisierung des Anspruchs nach § 25 HGB durch die Gläubiger

191

Als Hilfsmittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen kommen rur die Gläubiger der Auskunftsanspruch und Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast in Betracht. Hinzu kommen Autbewahrungs- und Veröffentlichungspflichten hinsichtlich der Handelsbücher. A. Auskunftsanspruch Den Gläubigem könnte ein Anspruch gegen den Erwerber zustehen auf Auskunft über alle zur Geltendmachung des Anspruchs aus § 25 HGB analog entscheidenden Tatsachen. Hierbei handelt es sich um die Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils und die Zugehörigkeit einer bestimmten Verbindlichkeit zu diesem Unternehmensteil. Ein Auskunftsanspruch könnte aufgrund allgemeiner Grundsätze bestehen. Nach § 242 BGB besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, daß der Berechtigte über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewißheit erforderlichen Auskünfte unschwer geben kann 78. Ein Auskunftsanspruch entfällt, wenn durch die Auskunft erst das notwendige Material filr die Geltendmachung eines Anspruchs gewonnen werden solf9, anders bei der Ermittlung des Umfangs eines entstandenen Schadens. Bezogen auf die in dieser Arbeit zu beurteilende Frage des Erwerbs eines unselbständigen Unternehmensteils ist zu erörtern, hinsichtlich welcher Einzelheiten des Erwerbs die Gläubiger vom Erwerber Auskunft verlangen können. Zu den Tatsachen, hinsichtlich derer der Gläubiger Auskunft verlangen kann, gehören der Erwerb eines unselbständigen Unternehmensteils und die Zugehörigkeit der Verbindlichkeit zum Funktionszusammenhang des unselbständigen Unternehmensteils. Über diese beiden Punkte kann der Erwerber des Unternehmensteils unschwer Auskunft geben. Er ist hierdurch nicht unzumutbar belastet. Der Gläubiger ist in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Anspruchs im Ungewissen. Sein ursprünglicher Schuldner hat durch die Veräußerung eines unselbständigen Unternehmensteils nach der hier vertretenen Auffassung die Voraussetzungen filr einen gesetzlichen Schuldbeitritt nach § 25 HGB analog geschaffen. Der Gläubiger war an diesem Vorgang nicht

77

worten.

Diese Frage stellt Beuthien, NJW 1993, 1737, 1739, ohne sie jedoch zu beant-

78 BGHZ 95, 278 f; 95, 285, 287 f; 126, 109, 113; NJW 1995, 1222, 1223; Jauernig/Vo/lkommer § 242 Rn 21; Lorenz JuS 1995,569,572. 79 BGHZ 74, 379, 383; 97, 188, 193.

14 Theißen

192 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

beteiligt und hatte keine Möglichkeit der Einflußnahme auf das Entstehen der Haftung des Erwerbers. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs in Form der unzulässigen Ausforschung sind demgegenüber noch nicht erreicht. Der unselbständige Unternehmensteil hat defmitionsgemäß Außenbeziehungen, auch wenn er nicht selbständig an Markt auftritt, sondern in ein Gesamtunternehmen eingebunden ist. Im Rahmen dieser Außenbeziehungen werden die Gläubiger erfahren, ob die Inhaberschaft gewechselt hat, da eine andere Person die zukünftigen Geschäftsbeziehungen fUhrt. Es besteht daher ein Anhaltspunkt filr die Haftung des Erwerbers. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Übergangs des Unternehmensteils, der Fortfilhrung des Unternehmensteils und der Zugehörigkeit der Verbindlichkeit zu dem unselbständigen Unternehmensteil benötigen die Gläubiger je nach Ausgestaltung des Einzelfalls weitere Tatsachen zur Durchsetzung ihres Anspruchs nach § 25 HGB analog. Hinzu kommt filr den Auskunftsanspruch der Gläubiger, daß im Gegensatz zur Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz eine Eintragung in das Handelsregister des übertragenden und des aufnehmenden Rechtsträgers, soweit vorhanden, nicht erfolgt. Dieses Publizitätselement fehlt den Gläubigem und ist durch einen Auskunftsanspruch aufzufangen. Zusammenfassend haben die Gläubiger gegen den Erwerber einen Anspruch auf Auskunft, falls ihnen die entsprechenden Informationen nicht bereits im allgemeinen Geschäftsverkehr bekannt geworden sind.

B. Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast Neben dem Auskunftsanspruch könnte es erforderlich sein, im Prozeß über einen Anspruch des Gläubigers nach § 25 HGB analog gegen den Erwerber Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast zugunsten des Gläubigers anzunehmen. Muß eine Partei Umstände beweisen, die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich ihres Prozeßgegners gehören, so entstehen erhebliche Beweisprobleme. Eine Umkehr der Beweislast wird jedoch als allgemeine Hilfe filr die beweisbelastete Partei abgelehnt. Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, ob dem Erklärungsgegner im Rahmen von § 138 Abs. 2 ZPO zuzumuten ist, dem Beweispflichtigen eine prozeßordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die betreffenden, zu seinem Wahmehmungsbereich gehörenden Aufgaben zu ermöglichen80. Das ist bei der Prozeßlage, der sich die Gläubiger eines Anspruchs aus § 25 HGB gegenübers ehen, der Fall. Im Rahmen der Darlegungs10

BGH NJW 1990, 3151, 3152; ZölleriGreger Vor § 284 Rn 34.

§ 3 Realisierung des Anspruchs nach § 25 HGB durch die Gläubiger

193

last sind Modifizierungen erforderlich, die es dem Gläubiger ermöglichen, seinen Anspruch durchzusetzen. Der Erwerber muß, um seiner Darlegungslast zu genügen, die entsprechenden Informationen offenlegen. C. Autbewahrungs- und Vorlagepflichten

Weiterhin helfen dem Gläubiger die Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten, die der Erwerber hinsichtlich wichtiger Geschäftsunterlagen hat. Es besteht eine Aufbewahrungspflicht fiir die Unterlagen der kaufinännischen Rechnungslegung, § 257 HGB. Handelsbücher, Inventare, Jahresabschlüsse und Bilanzen müssen zehn Jahre lang aufbewahrt werden, die kaufmännische Korrespondenz sechs Jahre. Diese Unterlagen dürfen mit Ausnahme der Eröfthungsbilanzen, Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse auf Datenträgern gespeichert werden, § 257 Abs. 3 HGB. Das bedeutet filr die hier interessierende Frage, daß bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist die Handelsbücher und Geschäftsunterlagen den Gläubigern ermöglichen, die Zuordnung der in Frage stehenden Verbindlichkeit zu einem bestimmten Unternehmensteil zu beweisen. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist ist die Durchsetzung ihrer Ansprüche filr die Gläubiger noch erschwert, weil sie auf die Geschäftsunterlagen des ursprünglichen Unternehmensinhabers nicht mehr zurückgreifen können. Da die Handelsbücher als schriftliche Gedankenerklärungen Urkunden im Sinne der ZPO sind, kommen sie filr den Urkundenbeweis im Zivilprozeß in Betracht. Die ZPO unterscheidet zwei Fälle der Vorlegungspflicht. Beruft eine Prozeßpartei sich zum Beweis einer streitigen Tatsache auf die in ihrem Besitz befmdlichen Handelsbücher, legt sie diese vor, § 420 ZPO. Hat jedoch der Prozeßgegner die Handelsbücher in seinem Besitz, so ist ihm bei Beweiserheblichkeit auf Antrag des Beweisfilhrers die Vorlegung aufzugeben, wenn der Gegner sich darauf berufen hat, § 423 ZPO. Nach § 258 HGB kann das Gericht von einem Kaufinann auf Antrag auch von Amts wegen die Vorlegung der Handelsbücher verlangen. Die Folge der Vorlage der Handelsbücher besteht darin, daß nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 286 ZPO, ordnungsgemäß gefilhrte Bücher eine hohe Wahrscheinlichkeit filr die Vollständigkeit und Richtigkeit der Eintragungen erbringen. Die weitere Folge besteht darin, daß die Behauptungen des Gegners über Beschaffenheit und Inhalt der Bücher als bewiesen angesehen werden, § 444 ZPO, wenn die vorlegungspflichtige Partei die Handelsbücher nicht vorlegt. Dem Gegner kann nach § 259 HGB Einsicht in die Bücher gewährt werden, soweit es den Streitpunkt betriffi:. Wenn es sich dagegen um eine Vermögensauseinandersetzung handelt, kann das Gericht die Vorlegung der Handelsbücher zur Kenntnisnahme ihres ganzen Inhalts anordnen, § 260 HGB, da es in diesen Fällen um das Unternehmen als Ganzes geht. 14·

194 3. Teil: Die Zuordnung der einzelnen Verbindlichkeit zum Unternehmensteil

Damit das Einsichtsrecht ausgeübt werden kann, muß der Kaufinann, der seine Bücher auf Datenträgern filhrt, die Unterlagen auf seine Kosten lesbar machen, § 261 HGB. Diese Beweisregeln spielen auf bei der Übertragung eines Unternehmensteils eine Rolle. Aus den Handelsbüchern im weitesten Sinne, insbesondere aus den Buchfiihrungsunterlagen, ist je nach Fallgestaltung erkennbar, welche Verbindlichkeiten dem Unternehmensteil zugeordnet werden. Dies ist aus seinen Büchern erkennbar, da er nach Erwerb des Unternehmensteils die offenen Positionen in seine Buchhaltung aufnehmen und entsprechende Konten einrichten muß. Das gleiche gilt fUr den Vertrag zwischen den Veräußerungsparteien. Sein Inhalt entzieht sich der Kenntnis des Gläubigers. Er kann aber im Wege des Urkundsbeweis hinsichtlich der fUr die Übernahme der Verbindlichkeiten entscheidenden Passagen vorgelegt werden.

D. Zusammenfassung Den Gläubigem kommt zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen den Erwerber sowohl ein Auskunftsanspruch wie auch Erleichterungen der Darlegungslast als auch die Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten und die Vorlage von Urkunden durch den Prozeßgegner zugute.

§ 4 Ergebnis Als Ergebnis des dritten Teils ist festzuhalten, daß die Bestimmung der Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit zu dem übertragenen unselbständigen Unternehmensteil im Wege der Auslegung dieser Verbindlichkeit nach §§ 133, 157 BGB erfolgen muß. Bestimmend fUr die Zugehörigkeit der Verbindlichkeit ist die jeweilige Funktion des in Rede stehenden Unternehmensteils. Sie entscheidet, ob die Verbindlichkeit dem Funktionszusammenhang zuzurechnen ist. Es ist eine Entscheidung des Einzelfalls. Festgehalten werden kann, daß bei Zugehörigkeit einer vertraglichen Verpflichtung zu einem Unternehmensteil auch die hieraus resultierenden Schadensersatzansprüche als Sekundäransprüche und Rückgewähransprüche unternehmensteilbezogen sind. Bei dinglichen Ansprüchen scheitert die Inanspruchnahme des Erwerbers häufig an den Formerfordernissen oder der erforderlichen Berechtigung des Unternehmensinhabers. Zur Durchsetzung der Ansprüche der Gläubiger sind ein Auskunftsanspruch sowie Darlegungs- und Beweiserleichterungen anzuerkennen. Hilfreich rur die Durchsetzung der Ansprüche sind die bestehenden Einsichts- und Vorlagerechte bezüglich der Handelsbücher im Prozeß.

§ 4 Ergebnis

195

Ist eine bestimmte Verbindlichkeit in den Handelsbüchern, insbesondere in der Buchhaltung, dem übertragenen Unternehmensteil zugeordnet, besteht ein starkes Indiz ftlr die Unternehmensteilbezogenheit. Das gleiche gilt bei der Aufuahme in den zwischen den Veräußerungsparteien abgeschlossenen Vertrag.

4. Teil: Folgen der Erwerberhaftung für die Praxis Die Untersuchung hat gezeigt, daß entgegen der überwiegend vertretenen Ansicht in Literatur und Rechtsprechung nach § 25 HGB analog eine Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils filr die unternehmensteilbezogenen Verbindlichkeiten begründet ist. Dies hat filr die Praxis die nachstehend aufgeftlhrten Folgen.

§ 1 Folgen f"tir die Sanierung von Unternehmen Die Verschärfung der Haftung beim Erwerb eines Unternehmensteils kann dazu fUhren, die Sanierungsmöglichkeiten eines Unternehmens zu erschweren. Die in dieser Arbeit entwickelte Erwerberhaftung bei der Übernahme eines unselbständigen Unternehmensteils steht in scheinbarem Gegensatz zu der Intention des Gesetzgebers, die Sanierungsmöglichkeiten filr Unternehmen zu verbessern I. Auf den ersten Blick verschärft das hier vertretene Konzept die Haftung des Erwerbers eines Unternehmensteils gegenüber der überwiegenden bisherigen dogmatischen Einordnung des § 25 HGB. Das beantwortet jedoch noch nicht die Frage, ob diese Haftungsverschärfung mit der Intention des Gesetzgebers vereinbar ist. Durch die Insolvenzordnung wird zwar aus Gründen der Erleichterung der Sanierungsmöglichkeiten § 419 BGB abgeschafft und § 25 HGB in seiner bisherigen Fassung beibehalten. Für den Fall der Insolvenz wird zum ersten Mal die übertragende Sanierung durch die Insolvenzordnung geregelt. Sie ist eine häufig angewandte Methode, um die Aktiven eines Rechtsträgers von den Passiven zu trennen. Daher eignet sie sich zu einem Vergleich mit der Sachlage bei der Übertragung eines unselbständigen Unternehmensteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Die übertragende Sanierung ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Unternehmen oder ein Teil davon auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird. Die §§ 160 ffInsO enthalten Regelungen, die sicherstellen sollen, daß den Gläubigern ein angemessener Gegenwert filr das übertragene Unternehmen oder den übertragenen Unternehmensteil zufließt. Die Insolvenzordnung bezweckt den Schutz der von der Veräußerung betroffenen Gläubiger rur den Fall der InI

Siehe oben I. Teil § 2 B. 11.

§ 2 Umgehungsschutz des Umwandlungsgesetzes

197

solvenz. Es führte zu einem Wertungswiderspruch, wenn man unter dem Gesichtspunkt der Erleichterung von Sanierungsmöglichkeiten zu dem Ergebnis käme, den Gläubigerschutz außerhalb der Insolvenz zu vernachlässigen. Ansonsten wäre die Situation der Gläubiger "in der Insolvenz" gegenüber den Gläubigem, deren Schuldner noch nicht insolvent ist, besser. Berücksichtigt man dies, widerspricht es der Intention des Gesetzgeber, die Sanierung von Unternehmen zu erleichtern, nicht, wenn außerhalb der Insolvenz ein Schutz der Gläubiger vor der Veräußerung von Unternehmensteilen entwickelt wird. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber in der Begründung zur Insolvenzordnung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, gerade die zwingende Rechtsnatur des § 419 BGB erfordere wegen der sanierungsfeindlichen Wirkung eine Abschaffung. § 25 HGB ist im Gegensatz zu § 419 BGB dispositiv. Der Erwerber hat es in der Hand, durch Beachtung der entsprechenden Elemente mit handelsrechtlicher Publizität eine Haftung gegenüber den Unternehmensgläubigem auszuschließen. Diese Erwägungen zeigen, daß die im Rahmen der Insolvenzrechtsreform zum Ausdruck gebrachte Intention des Gesetzgebers, die Sanierungsmöglichkeiten rur Unternehmen zu erleichtern, einer Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile nicht entgegensteht.

§ 2 Umgehungsschutz des Umwandlungsgesetzes Bejaht man die Haftung des Erwerbers eines unselbständigen Unternehmensteils nach § 25 HGB analog, könnte hieraus ein Umgehungsschutz bezüglich der zwingenden Vorschriften der Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz folgen. Wie bereits erörtert2 , ist der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht bei der Spaltung umfassend ausgestaltet. Die Gläubiger können den ursprünglichen Inhaber und den Erwerber gesamtschuldnerisch rur die Verbindlichkeiten in Anspruch nehmen, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung entstanden sind, § 133 Abs. I Satz 1 UmwG. Hinzu kommen Schadensersatzansprüche und Anspruche auf Sicherheitsleistung, § 133 Abs. I Satz 2, 22 UmwG. Sind die Gläubiger eines Unternehmensinhabers von der Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge betroffen, bietet die Inanspruchnahme des Erwerbers unter den Voraussetzungen des § 25 HGB den Gläubigem zumindest einen Minimalschutz. Dieser Schutz der Gläubiger des Unternehmensinhabers bei der hier vertretenen analogen Anwendung des

2

Siehe oben, Einleitung § 2 A.

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4. Teil: Folgen der Erwerberhaftung rur die Praxis

§ 25 HGB bietet beim Erwerb von Unternehmensteilen einen Umgehungsschutz vor den zwingenden Gläubigerschutzvorschriften des Umwandlungsgesetzes3 •

Hinzu kommt, daß die Verweisung des § 133 Abs. I Satz 2 UmwG nach der in dieser Arbeit vertretenen dogmatischen Einordnung des § 25 HGB einen Sinn bekommt. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 UmwG bleiben die §§ 25,26 und 28 des Handelsgesetzbuches unberührt. In der Kommentarliteratur fmdet sich zum Sinn dieser Verweisung immer nur der pauschale Hinweis, die allgemeinen Haftungsvorschriften seien weiterhin anwendbar, selbstverständlich nur soweit ihre tatbestandlichen Voraussetzungen erfilllt seien4 • Nach der bisher zu § 25 HGB vertretenen Meinung muß filr die Anwendung des § 25 HGB der wesentliche Kern des Unternehmens übertragen worden sein. Ist die Spaltung wirksam, kommt der Verweisung in § 25 HGB keine besondere Bedeutung zu, da bereits die Voraussetzung des Gläubigerschutzes nach dem Umwandlungsgesetz vorliegen. Allein die Verjährung ist unterschiedlich. Nach § 133 Abs.3 UmwG haften diejenigen Rechtsträger, denen die Verbindlichkeit im Spaltungsvertrag nicht zugewiesen worden ist, filr diese Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von filnf Jahren nach der Spaltung fällig und daraus Ansprüche gegen sie geltend gemacht sind. Die Frist beginnt nach § 133 Abs. 4 UmwG an dem Tag, an dem die Eintragung der Spaltung in das Register als bekanntgemacht gilt. Demgegenüber verjähren Ansprüche nach § 25 HGB in fUnf Jahren, beginnend mit dem Tag der Eintragung bzw. der Kundbarmachung. Hieraus können sich unterschiedliche Verjährungsfristen filr den ursprünglichen Inhaber ergeben. Handelt es sich jedoch nicht um den wesentlichen Teil des Unternehmens, der übertragen wird, greift zwar der Schutz des Umwandlungsgesetzes zugunsten der Gläubiger ein. Die Verweisung auf § 25 HGB in der überwiegend vertretenen Auslegung greift jedoch nicht ein. Ist die Spaltung in diesen Fällen unwirksam, tritt eine Ungleichbehandlung gegenüber den Gläubigem auf, deren Unternehmensinhaber einen wesentlichen Teil seines Unternehmens überträgt. Die hier vertretene Auffassung der Erwerberhaftung beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile verhindert diese Ungleichbehandlung. Die jüngst vertretene AuffassungS, das Umwandlungsgesetz sei auf die Ausgliederung durch Einzelrechtsübertragung entsprechend anzuwenden, ist abzulehnen. Zwar ist der vorbezeichneten Ansicht insoweit zuzustimmen, daß die

3 Umgehungsschutz vor den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes wird auch als wünschenswert angesehen von K. Schmidt DB 1994,515,519; ders., GesR, § 13 IV. 5. 4 GoutieriKnopflTullochiGoutier § 133 Rn 17. 5 LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 388; zur Anwendung des Umwandlungsgesetzes auf Ausgliederungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge siehe auch Veil ZIP 1998, 361, 369.

§ 3 Änderung des § 25 HGB?

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Sach- und Interessenlage einer Ausgliederung im Wege der EinzeIrechtsnachfolge und einer Ausgliederung im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge gleich sind. Dennoch sind die Wertungen des Umwandlungsgesetzes zu beachten, wonach die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes nur dann eingreifen, wenn eine der dort normierten Umwandlungsformen gewählt wird6 • Die Möglichkeit der Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge sollte durch das Umwandlungsgesetz nicht berührt werden. Ein Gläubigerschutz kann aus diesen Gründen nicht durch eine analoge Anwendung des Umwandlungsgesetzes, sondern nur im Rahmen der analogen Anwendung des § 25 HGB erreicht werden.

§ 3 Änderung des § 25 HGB? Die Untersuchung in dieser Arbeit hat gezeigt, daß eine Haftung des Erwerbers bereits nach geltendem Recht infolge einer analogen Anwendung des § 25 HGB bejaht werden kann. Gleichwohl hat die Untersuchung auch die Schwierigkeiten aufgezeigt, welche ein Gläubiger bei der Inanspruchnahme des Erwerbers zu überwinden hat, der einen unselbständigen Unternehmensteil im Wege der Einzelrechtsnachfolge erwirbt und fortfUhrt. Folgt man der hier vertretenen Auffassung nicht, dann stellt man die Gläubiger schutzlos. Die Benachteiligungen gegenüber den Gläubigem bei der Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz wurden aufgezeigt. Erkennt man die hier vertretene Auffassung der analogen Anwendung des § 25 HGB beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile an, dann ist die Dispositivität der Erwerberhaftung nach geltendem Recht zu respektieren. Der Schutz der Gläubiger ist dadurch gegenüber dem Schutz der Gläubiger nach dem Umwandlungsgesetz aber als eher schwach ausgestaltet zu bewerten. Die analoge Anwendung des § 25 HGB ist als nicht ausreichend zum Schutz der Gläubiger anzusehen, die von der Teilung eines Unternehmens im Wege der Einzelrechtsnachfolge betroffen sind. Dies zeigt, daß eine Änderung des § 25 HGB durch den Gesetzgeber erforderlich ist. Die Auslegung des § 25 HGB wird immer ihre Grenze am Wortlaut und den Möglichkeiten des Erwerbers fmden, sich zu enthaften. Eine Änderung des § 25 HGB müßte sowohl den Erwerb von Unternehmen als auch von Unternehmensteilen betreffen. Diese Forderung ist nicht neu7 und soll in Anbetracht der Ergebnisse der Untersuchung nochmals erhoben werden. Dem Vorschlag K. Schmidts8 ist zuzustimmen. Danach soll die Neufassung wie folgt lauten: Geht ein Unternehmen (Betrieb oder Betriebsteil) auf einen anderen In6 7

S

BT-Orucks. 12/6699, S. 80. K. Schmidt OB 1994,515, 519, zuletzt ders. JuS 1997, 1069, 1072. K. SchmidtOB 1994,515,519.

15 Theißen

200

4. Teil: Folgen der Erwerberhaftung fUr die Praxis

haber über, so tritt dieser in die Rechte, Pflichten und Rechtsverhältnisse des Vorgängers ein. Diese Neufassung des § 25 HGB ist im Zusammenhang zu regeln mit allgemeinen Vorschriften zur Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensteilen. Die Rechtslage ist bei der wirtschaftlich bedeutsamen Übertragung von Unternehmen und Unternehmensteilen vielfach zweifelhaft. Die richtige Erfassung des Kaufgegenstands und die Gewährleistungsproblematik sind zu nennen. Angesichts dieser Probleme des Innenverhältnisses und des Außenverhältnisses, insbesondere des Gläubigerschutzes, besteht die Aufgabe, den Gesamtkomplex der Unternehmensübertragung durch Singularsukzession einer sinnvollen gesetzlichen Regelung zuzufllhren9 . Das Handelsrechtsreformgesetz betrifft die in dieser Arbeit angesprochenen Fragen nur am Rande. Durch die Reform ist die Anknüpfung an den Kaufmann als Adressaten des Handelsrechts nicht geändert worden 10. Es wurde nur die Unterscheidung zwischen Muß- und Sollkaufmann sowie zwischen Voll- und Minderkaufmann aufgegeben. Für diejenigen Unternehmensinhabr, die nach dem HGB in seiner neuen Fassung Kaufmann sind, stellen sich die in dieser Arbeit aufgeworfenen Fragen, falls ein unselbständiger Unternehmensteil erworben oder veräußert wird. Insgesamt bleibt zu hoffen, daß der Vorschlag eines "Unternehmensgesetzbuchs,,11 unter Einbeziehung der Erwerberhaftung beim Übergang eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils l2 bei der künftigen Reform des Handelsgesetzbuches Berücksichtigung findet.

9 10

II

12

So auch Lieb, Festschrift Börner, 747, 762. Zur Handelsrechtsrefonn Henssler ZHR 161 (1997), 13 ff. K. Schmidt DB 1994,515,516 ff. K. SchmidtDB 1994, 515, 519.

5. Teil: Ergebnisse Die Untersuchung hat gezeigt, daß eine analoge Anwendung des § 25 HGB in der geltenden Fassung beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile aus Gründen des Gläubigerschutzes möglich und geboten ist. Den Interessen der Veräußerungsparteien wird durch die Dispositivität der Haftung nach geltendem Recht Rechnung getragen.

§ 1 Tatbestand Die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB analog wird begründet durch die Fortfilhrung des unselbständigen Unternehmensteils. Die Fortfilhrung der Firma ist entgegen der überwiegend in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung fiir die Begründung der Erwerberhaftung ohne Bedeutung. Ein unselbständiger Unternehmensteil ist eine organisierte Einheit, der bestimmte Mittel und Verbindlichkeiten zugeordnet sind und die im Rahmen eines Gesamtunternehmens einen bestimmten Teilzweck verfolgt. Der organisierte Funktionszusammenhang unterscheidet den Unternehmensteil dabei von einer Ansammlung von Vermögensgegenständen. Es ist nicht von entscheidender Bedeutung, daß der Unternehmensteil nicht selbständig am Markt auftritt; entscheidend ist, daß er überhaupt Außenbeziehungen aufweist. Wegen der Vielfalt des mit der organisierten Einheit verfolgten Zwecks, sind die Arten unselbständiger Unternehmensteile vielfliltig und eine Frage des Einzelfalls. Der Erwerber filhrt den unselbständigen Unternehmensteil fort, wenn er ihn in seinem Kern, d.h. im wesentlichen, erhält. Es schadet dabei nicht, daß der unselbständige Unternehmensteil nicht selbständig ist, sondern in einen anderen Organisationszusammenhang eingebunden werden muß, um seinen Teilzweck erfilllen zu können. Die Haftung des Erwerbers ist dispositiv. Wenn er von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Gläubiger von der fehlenden Übernahme der Verbindlichkeiten trotz Fortfilhrung des Unternehmensteils zu unterrichten, kann er nicht in Anspruch genommen werden. Der Firmenfortfilhrung und der Eintragung in das Handelsregister kommt bei der Fortfilhrung eines Unternehmensteils demgegenüber keine enthaftende Wirkung zu.

15"

202

5. Teil: Ergebnisse

§ 2 Umfang der Haftung Der Erwerber haftet filr die in dem Unternehmensteil begründeten Verbindlichkeiten. Hierbei handelt es sich um Verbindlichkeiten, welche ganz oder zum Teil ausschließlich den unselbständigen Unternehmensteil betreffen. Die Haftung des Erwerbers umfaßt keine Verbindlichkeiten, die dem Unternehmen insgesamt oder anderen Unternehmensteilen als dem übertragenen zuordnenbar sind. Die Verbindlichkeiten, filr welche der Erwerber haftet, sind nicht nur Zahlungsverbindlichkeiten. Grundsätzlich sind alle Anspruche der Gläubiger umfaßt, die sie gegen den ursprünglichen Unternehmens inhaber hatten. Die Feststellung der Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit ist im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Entscheidend ist die Zugehörigkeit zum Funktionszusammenhang des übertragenen Unternehmensteils. Das ist nur im Wege der Einzelfallbetrachtung zu ermitteln. Hilfsmittel sind die Buchfiihrung des Unternehmens und die Handelsbücher, die Aufuahme der Verbindlichkeit in den Vertrag zwischen den Veräußerungsparteien, sofern ein solcher Vertrag geschlossen worden ist, und die weiteren Umstände des Einzelfalls. Den Gläubigem ist wegen der Schwierigkeiten der Durchsetzung ihrer Anspruche ein Auskunftsanspruch gegen den Erwerber zuzubilligen sowie Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast im Prozeß. Hilfsmittel in einem Rechtsstreit bieten den Gläubigem auch die Aufbewahrungs- und Vorlegungspflichten der Geschäftsunterlagen.

§ 3 Folgen Die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB analog beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile steht nicht im Gegensatz zu der Intention des Gesetzgebers, die Sanierungsmöglichkeiten durch die Neuregelungen der Insolvenzordnung zu erleichtern. Der Schutz der Gläubiger außerhalb der Insolvenz des Unternehmensinhabers ist gemäß § 25 HGB analog nach geltendem Recht vertretbar. Die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB analog beim Erwerb unselbständiger Unternehmensteile bietet weiterhin einen Schutz vor Umgehungen der Spaltungsvorschriften und des Gläubigerschutzes nach dem Umwandlungsgesetz. Die handelsrechtliche Erwerberhaftung bietet den von der Übertragung des Unternehmensteils betroffenen Gläubigem einen Mindestschutz durch die Möglichkeit, den Erwerber filr die bestehenden Geschäftsverbindlichkeiten in Anspruch nehmen zu können.

§ 3 Folgen

203

Eine Änderung des § 25 HGB und die Einbeziehung des Gläubigerschutzes bei der Übertragung von Unternehmensteilen im Wege der Einzelrechtsnachfolge ist zukünftig erforderlich. Sie könnte im Rahmen der Neuordnung des Unternehmensrechts oder im Wege der Handelsrechtsreform erfolgen.

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Stichwortverzeichnis Arbeitsvertrag 170 ff

Firmenfortführung 71 ff, 133 f

Asset deal 4 Atypische Verträge 177

Gewinn- und Verlustrechnung 150

Aufbewahrungspflichten 193 f

GewährleistungsansprUche 185

Auskunftsanspruch 187, 191 f

Gläubigerinteressen 55 ff

Außenprivatrecht der Unternehmen 22 ff

Gläubigerschutz 3 ff

- Kritik 24 ff

Goodwill 18,29

BeseitigungsansprUche 185 f

Haftungsfondstheorie 76 f

Betrieb 104 f

Haftungskonzept neu

Betriebsteil 106 ff

- BegrUndung 90 ff

Beweislast 192 f

- Fallgestaltungen 89 ff

Bilanz 148 ff

- Folgerungen 130 ff

Buchführung 151 ff

- Grundsätze 86 ff

Bürgschaft 177

- Umfang 135 ff - Vorteile 128 ff

Darlegungslast 192 f

Handelsbücher 147 ff, 190

Darlehensvertrag 169 f

Handelsgeschäft 13

Denkschrift 92 ff, 121

Handelsgewerbe 14 f

Dienstvertrag 170 f, 172

HerausgabeansprUche 178 ff - deliktische 179

Einzelrechtsnachfolge 5

- dingliche 178 f

Enthaftung 116 ff, 139 ff

- ungerechtfertigte Bereicherung 180

Entstehungsgeschichte 46, 94 ff

- vertragliche 178

Erklärungstheorie 72 ff Erwerberinteressen 51 ff

Insolvenzordnung 48, 97

Stichwortverzeichnis Interessenausgleich 61 ff

211

Schadensersatzansprüche 181 ff - EBV 183 f

Kaufvertrag 161 ff

- Gefllhrdungshaftung 184

Know-How 17, 29, 69

- GoA 182 f

Kontinuitätsprinzip

- unerlaubte Handlung 183 f

- Bürgerliches Recht 99 ff

- ungerechtfertigte Bereicherung 184

- und § 25 HGB 110 ff

- Vertragspflichtverletzung 181 f

- und § 28 HGB 118 ff

Share deal 4

- und §§ 130, 178 HGB 122 f

Spaltung 5, 47

- Zweck 123 ff

Spartenorganisation 33

Kostenartenrechnung 154 ff KostensteIlenrechnung 156 ff

Theorie der Erftlllungsübemahme 77 ff

Leasing 168 f

Umgehungsschutz 197 ff Umwandlungsgesetz 47 f

Mietgebrauch 103 f

Unentgeltliche Verträge 177

Mietvertrag 166 ff

UnterlassungsansprUche 185 f

Minderkaufmann 12

Unternehmensbegriff 13 ff, 22 ff, 110 ff Unternehmensgeheimnisse 17, 29

Organisationsformen 32 ff

Unternehmenskontinuität 80 ff Unternehmensorganisation 16 f, 18 ff

Pachtvertrag 166 ff

Unternehmensteil (allgemein) - Definition 35

Rechte 16, 28

- Merkmale 27 ff

Rechtsscheintheorie 74 ff

Unternehmensteil (unselbständig)

Rückabwicklungsansprüche 185 f

- Anwendbarkeit § 25 HGB 44 ff

Regelungslücke 45 ff

- Auslegung 160 ff - Definition 44

Sachen 16, 28

- Erwerb 64 f

Sanierung 196 f

- Firma 71 ff

212

Stichwortverzeichnis

- Fortfiihrung 65 ff

- Schadensersatzansprüche 181 ff

- Kontinuität 130 ff

- teilbare 142 ff

- Merkmale 39 ff

- teilweise zuzuordnende 188 ff

- Übertragung 62 ff

- Unterlassungsansprüche 185 f

Unternehmensteilung

- vertragliche 161 ff

- Gründe 1 ff

- Zuordnung Unternehmensteil 146 ff

- Beteiligte 50 ff

Vereinbarung ErwerberNeräußerer 158 ff

Unternehmensträger 23

Vermögensübernahme 100 ff

Unternehmenswert 20

Versicherungsvertrag 176 f

Unternehmenszweck 16,41

Vertragsübergang 145 Vollkaufmann 12

Verbindlichkeiten 16,28, 131 ff - Arten 141 f - Auskunftsanspruch 187, 191 - BeseitigungsansprUche 185

Werkvertrag 174 ff Wesentlicher Kern 19. 66, 68 ff

- Gewährleistungsansprüche 185 - Herausgabeansprüche 178 ff

Zweigniederlassung 12

- Rückabwicklungsansprüche 185

- Merkmale 35 ff