Die Revision in Strafsachen [Reprint 2019 ed.] 9783110900514, 9783110097122


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German Pages 450 [452] Year 1983

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einleitung
A. Voraussetzungen der Revision
B. Revisionsgerichte
C. Einlegung der Revision
D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung
E. Revisionsrechtfertigung
F. Entscheidung durch Beschluß
G. Hauptverhandlung
H. Vom Revisionsurteil
Gesetzesregister
Sachregister
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Die Revision in Strafsachen [Reprint 2019 ed.]
 9783110900514, 9783110097122

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Werner Sarstedt, Rainer Hamm Die Revision in Strafsachen

Die Revision in Strafsachen Begründet von Kurt Gage und seit der 2. Auflage fortgeführt und wesentlich erweitert von Werner Sarstedt

5. Auflage neubearbeitet von

Werner Sarstedt und

Rainer Hamm

W DE G 1983 Walter de Gruyter • Berlin • New York

Professor Dr.jur.h.c. Werner Sarstedt Rechtsanwalt, Frankfurt am Main Dr. jur. Rainer Hamm Rechtsanwalt, Frankfurt am Main

Die 1. bis 4. Auflage erschienen im Verlag Ellinghaus, Essen

CIP-Kurztitelaufiiahme

der Deutschen Bibliothek

Sarstedt, Werner: Die Revision in Strafsachen / neubearb. von Werner Sarstedt u. Rainer Hamm. Begr. von Kurt Gage u. seit d. 2. Aufl. fortgef. u. wesentl. erw. von Werner Sarstedt. - 5. Aufl. - Berlin; Neu York: de Gruyter, 1983. Bis 4. Aufl. im Ellinghaus-Verl., Essen ISBN 3-11-009712-5 NE: Hamm, Rainer:; Gage, Kurt [Begr.] © Copyright 1983 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlüng, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektrischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Einbandgestaltung: Rudolf Hübler, 1000 Berlin 15 Satz: Dörlemann-Satz GmbH & Co. KG, 2844 Lemförde Druck: Druckerei Gerike, 1000 Berlin 61 Bindearbeiten: Verlagsbuchbinderei Dieter Mikolai, 1000 Berlin 10

Vorwort Die 1962 noch im Verlag Ellinghaus, Essen, erschienene 4. Auflage war nach unerwartet kurzer Zeit vergriffen. Seitdem haben das Strafrecht und das Strafverfahrensrecht eine gesetzgeberische Entwicklung durchgemacht, die zeitweise eine jährliche Neuauflage erfordert hätte. Hatte es in den 9 Jahren zwischen dem Erscheinen der 2. Auflage (1953) und der sehr viel umfangreicheren 4. Auflage ein einziges Bundesgesetz gegeben, das (geringfügige) Änderungen der Strafprozeßordnung vornahm (das Vierte Strafrechtsänderungsgesetz vom 11. 6. 1957, BGBl I S. 597), so sind in den 21 Jahren zwischen der 4. Auflage und heute 38 (achtunddreißig) Gesetze mit mehr oder weniger einschneidenden Veränderungen des Strafverfahrensrechtes verabschiedet worden. Einige dieser Novellen sind sogar mit dem Anspruch angetreten, eine „Reform" zu sein. Aber nicht jede Änderung hat sich bis heute gehalten und manche gut gemeinten Versuche, einen Fortschritt zu bewirken, haben sich als Rückschritt entpuppt. So wurden beispielsweise die Anforderungen an die Verwerfung einer Revision als „offensichtlich unbegründet" (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO) durch Art. 9 Abs. 2 des StPÄG vom 19. 12. 1964 (BGBl Teil I S. 1067 ff.) verschärft mit der Folge, daß der Anteil derartiger Entscheidungen nicht etwa gefallen, sondern gestiegen ist. Dabei darf bezweifelt werden, ob eine der Ursachen dieser Erscheinung die geringer gewordene Qualität der Revisionsbegründungen ist. Einiges deutet eher im Gegenteil darauf hin, daß die Zahl der gut begründeten Revisionen größer geworden ist und daß dadurch die Arbeitsbelastung der Revisionsgerichte einen Druck erzeugt hat, der in dem Ventil der Beschlußverwerfung seinen Ausweg sucht und findet. Eine Flut von strafprozessualer Fachliteratur, die Gründung gleich mehrerer speziell strafrechtlicher Fachzeitschriften (Strafverteidiger, N S t Z , wistra), das Entstehen von Strafverteidigervereinigungen mit einem breiten Angebot an Fortbildungsveranstaltungen und Tagungen und nicht zuletzt auch die zunehmende Zahl von Anwälten, die sich auf Strafsachen spezialisieren, kennzeichnen diese Entwicklung. Insofern ist auch die Bedarfssituation für ein Buch wie das vorliegende heute eine andere als noch zu der Zeit, als der überwiegend zivilrechtliche tätige und dort an eine Tatsacheninstanz gebundene Anwalt für seine sporadisch vorkommenden Verteidigungen und den vielleicht nur einmaligen Auftritt vor dem Bundesgerichtshof eine Einführung

VI

Vorwort

in das ihm fremde Gebiet der Revision in Strafsachen benötigte. Zu unseren Lesern wird heute eine aus dem kaum noch überschaubaren strafprozessualen Schrifttum vorinformierte und vor dem Hintergrund eigener praktischer Erfahrungen kritisch urteilende Kollegenschaft gehören, die das Buch keineswegs dazu benötigt, künftig bessere und aussichtsreichere Revisionsbegründungen zu verfassen; die also auf eine Vermittlung der (damals leidigen) Erfahrungen eines Revisionsrichters mit unerfahrenen Anwälten, wie sie im Jahre 1962 noch hilfreich gewesen sein mochten, nicht mehr angewiesen ist. Da aber andererseits weder aus der Anwaltschaft noch aus Kreisen der Justizjuristen und der Rechtswissenschaft der Ruf nach einer Neuauflage verstummen wollte, haben wir uns entschlossen, die Erfahrungen des Revisionsrichters mit denen des Strafverteidigers zusammenzuführen, um uns sowohl der Diskussion mit der uns mindestens ebenbürtigen Kollegenschaft zu stellen als auch den Berufsanfänger und den erstmals mit Revisionen befaßten Strafrichter oder Staatsanwalt mit Theorie und Praxis dieses Rechtsgebietes vertraut zu machen. Dieser Zielsetzung gemäß haben wir bewußt davon abgesehen, einzelne Abschnitte in der Bearbeitung unter uns aufzuteilen. Wir sind vielmehr so vorgegangen, daß der bisher alleinige Autor das gesamte Manuskript aus seiner Sicht auf den neuesten Stand gebracht hat und daß sodann der neu hinzugetretene Mitarbeiter dieser Auflage ihm erforderlich erscheinende Änderungen und Ergänzungen angebracht hat, auf die wir uns dann mit geringen Abweichungen geeinigt haben. Auf diese Weise ist eine Gemeinschaftsarbeit entstanden, von der wir hoffen, daß sie sich dem Leser als eine Symbiose der beiden beschriebenen Erfahrungshintergründe und Zielsetzungen vermittelt. Dabei mag es manchen überraschen, mit wie wenigen einschneidenden Eingriffen in den Text der Vorauflage wir dann doch letztlich ausgekommen sind. Das findet seine Erklärung nicht nur in dem Respekt des neu hinzugetretenen Autors vor dem seiner Auffassung nach unersetzbaren sprachlichen und literarischen Wert des bisher aus einem Guß geschmiedeten Werkes, sondern auch in der Erkenntnis, daß sich an der Rechtslage selbst sehr viel weniger geändert hat, als es die eingangs beschriebene hektische Geschäftigkeit des Gesetzgebers seit 1962 an sich hätte vermuten lassen. So hat sich die Aktualisierung mehr in den Fußnoten als im Text als notwendig erwiesen, was durchaus vielleicht auch symptomatisch für die Standfestigkeit des Revi-

Vorwort

VII

sionsrechtes im labiler gewordenen sonstigen Strafprozeßrecht sein kann. Dies würde sich erst dann ändern, wenn die z. Zt. immer lauter werdende Warnung vor der „Instanzenseligkeit" (ZEIDLER in seinem Festvortrag vor dem Deutschen Richtertag 1983) den „Reformvorschlägen" N a h r u n g gäbe, die zur „Entlastung" der Strafjustiz für einen Abbau von Revisibilität der Strafurteile eintreten. N u r wer die Bedeutung des geltenden Revisionsrechtes f ü r das sensible Gesamtgef ü g e unserer Strafprozeßordnung kennt, kann ermessen, welchen zentralen Angriff gegen die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens die Justizministerkonferenz vorbereitet, wenn sie vorschlägt, das Beweisantragsrecht beim amtsgerichtlichen Verfahren (also auch beim Schöffengericht) auf die Amtsaufklärungspflicht zu reduzieren und gleichzeitig die Sprungrevision abzuschaffen. D a ß auch eine Revisionsmöglichkeit, von der kein Gebrauch gemacht wird, schon allein dadurch, daß sie als „ D r o h u n g " über der Tatsacheninstanz schwebt, eine die prozessuale Gerechtigkeit sichernde Wirkung haben kann, sollte der Gesetzgeber, aber auch der Leser dieses Buches niemals vergessen. Gerade weil wir den Eindruck haben, daß der Druck auf die Strafjustiz, der inzwischen von immer gehaltvolleren und auch handwerklich besseren Revisionsbegründungen ausgeht, eine wirksamere Ursache für die z. Zt. diskutierten „Reformpläne" ist als die immer wieder in den Vordergrund gestellten „leeren K a s s e n " der Staatshaushalte, verbinden wir damit, daß wir dem Berufsanfänger hier ein Werkzeug anbieten, die Erwartung und H o f f n u n g , daß er davon einen sinn- und maßvollen Gebrauch macht. Ein Strafverteidiger sollte sich nicht als technokratischer „Revisionsingenieur" verstehen, der seinen Erfolg in der Revisionsinstanz mit dem Ertrag des Mandanten nach rechtskräftigem Abschluß des gesamten Verfahrens gleichsetzt oder verwechselt. Aber die Gerichte sollten auch nicht hinter jeder „ n u r " formalen R ü g e den Versuch des Verteidigers sehen, ein „sachlich richtiges"(?) Urteil mit Verfahrenstricks zu Fall zu bringen. Unser Anliegen ist es, in diesem Sinne mit dem Buch auch zur Verständigung zwischen den an Revisionsverfahren beteiligten juristischen Berufsgruppen beizutragen, ohne die notwendige und institutionalisierte Gegensätzlichkeit ihrer Funktionen aufzuheben. Literatur und Rechtsprechung konnten bis M ä r z 1983 berücksichtigt werden. Danach waren nur noch vereinzelte Nachträge möglich. Für ihre fachkundige Mitarbeit und die Bearbeitung des Sachregi-

Vili

Vorwort

sters sind wir Frau Rechtsanwältin R E G I N A M I C H A L K E ZU besonderem Dank verpflichtet. Die technische Herstellung des Manuskripts hat Frau C H R I S T A S C H O P R O N I besorgt. Ihr gilt ebenso unser D a n k wie Herrn stud. jur. D I E T E R STANG f ü r die Bearbeitung des Gesetzesregisters und des Literaturverzeichnisses.

Frankfurt im Juni 1983

Werner Sarstedt Rainer H a m m

Inhaltsverzeichnis Vorwort

Rdn. Seite V

Abkürzungsverzeichnis

XIII

Literaturverzeichnis

XIX

Einleitung

1

l

14 14 17 18 20 21 24 26 27 28 36 38

17 17 20 20 23 23 24 25 26 26 31 32

39

33

B. R e v i s i o n s g e r i c h t e

43

38

C. Einlegung der Revision

60

54

60 65 65 69 71 74

54 56 56 58 59 62

78 78 81 84

64 64 67 70

101 110 110

86 92 92

A. Voraussetzungen der Revision I. G e g e n s t a n d d e r Revision II. Subjekt d e r Revision ( B e s c h w e r d e f ü h r e r ) . . 1. Die Staatsanwaltschaft 2. Der Angeklagte 3. Der Verteidiger 4. Der gesetzliche Vertreter 5. Die Angehörigen des Angeklagten 6. Der Erziehungsberechtigte 7. Der Nebenkläger 8. Der Privatkläger 9. Andere Revisionsführer III. Beschwer

I. II. 1. 2. 3. III.

Frist Form Allgemeines Einlegung zu Protokoll Schriftliche Revisionseinlegung Empfänger

D . Verzicht, Rücknahme, Beschränkung . . . . I. Verzicht II. R ü c k n a h m e III. B e s c h r ä n k u n g E. R e v i s i o n s r e c h t f e r t i g u n g I. Allgemeines 1. Frist

X

Inhaltsverzeichnis

2. 3. II. 1.

Form Empfänger Sachlicher Inhalt der Revisionsbegründung . Verfahrensrügen a) Verfahrensvoraussetzungen, Verfahrenshindernisse b) Allgemeines über Verfahrensrügen c) Die häufigsten Verfahrensrügen § 338 Nr. 1: Besetzungsrüge § 338 Nr. 2 und 3: Befangenheit § 338 Nr. 4: Unzuständigkeit § 3 3 8 Nr. 5: Abwesenheit § 338 Nr. 6: Öffentlichkeit § 338 Nr. 7: Fehlen der Entscheidungsgründe; verspätete Urteilsabsetzung § 338 Nr. 8: Beschränkung der Verteidigung . Belehrung und Vereidigung von Zeugen . . . . Vereidigung von Zeugen Aufklärungsrüge Ablehnung von Beweisanträgen Hilfsbeweisanträge Urkundenbeweis und sogenannter Unmittelbarkeitsgrundsatz § 261 § 265 Grundgesetzwidrigkeit, Normenkontrolle Abwegige Rügen 2. Sachbeschwerde a) Tatfrage und Rechtsfrage b) Umfang der Darlegungspflicht in den Urteilsgründen c) Innerer Tatbestand d) Denkgesetze e) Erfahrungssätze f) Sprachgesetze und Auslegungregeln g) Offenkundige Tatsachen h) „In dubio pro reo" i) Strafzumessung k) Gesetzesänderung zwischen den Instanzen . .

129 141 145 159

104 114 116 129

159 129 165 136 191 157 194 158 212 170 214 173 215 174 219 177 222 227 233 238 243 277 279

181 185 188 192 196 218 220

295 312 316 317 318 319 324

233 246 248 249 250 251 256

330 334 338 362 367 370 381 414 444

261 264 268 281 286 289 296 316 333

Inhaltsverzeichnis

F. Entscheidung durch Beschluß I. Verwerfung als unzulässig 1. durch den Tatrichter 2. durch das Revisionsgericht

XI

447 336 448 336 448 453

336 339

II. Verwerfung als offensichtlich unbegründet durch das Revisionsgericht

454 340

G. Hauptverhandlung

473 352

H. Vom Revisionsurteil

519 376

Gesetzesregister Sachregister

383 387

Abkürzungsverzeichnis Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind die der Strafprozeßordnung. a.A. aaO. AbgO abl. Abs. a. E. AndG a. F. AG a. M. Anm. AnwBl. AO APressR Art. Aufl.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgabenordnung ablehnend Absatz am Ende Änderungsgesetz alte Fassung Amtsgericht anderer Meinung Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordung Archiv für Presserecht Artikel Auflage

BAnz. BayJMBL. BayObLG BayObLGSt.

Bundesanzeiger Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bayer. Verfassungsgerichtshof Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Band Beratungshilfegesetz betreffend Der Betrieb Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesjustizministerium Bundeskriminalamt Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis Bundesministerium des Innern Bundesrechtsanwaltsordnung Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

BayVerfGH BB BBG Bd. BerHG betr. Betrieb BFH BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BJM BKA Blutalkohol BMI BRAO BT-Drucks. BVerfG BVerfGE

XIV

Abkürzungsverzeichnis

BVerfGG BVerwGE BZRG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeszentralregistergesetz

DAR DDevRsch Dig. Diss. DJ DJT DJZ DOG

Deutsches Autorecht Deutsche Devisen-Rundschau Digesten Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Deutsches Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Recht Deutsche Rechts-Zeitschrift (bis 1950) Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtsprechung Deutsches Strafrecht (n. F. 1934-11. 1944; vorher: Archiv für Strafrecht u. Strafprozeß) Deutsche Strafrechts-Zeitung Deutsche Steuerzeitung Dienst- und Vollzugsordnung

DR DRZ DRiZ DRsp DStR DStrZ DStZ DVollzO EBAO EG EGGVG EGOWÏG EGStGB EGStPO Einl. Erl. EuGRZ ff. FGG

Einforderungs- und Beitreibungsordnung v. 25. 11. 1974 (BAnz. Nr. 230) Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung Einleitung Erlaß Europäische Grundrechte (Zeitschrift)

FGO FR

und folgende Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Finanz-Rundschau

G GA GerS GG GKG GnO GoltdA

Gesetz Goltdammers Archiv für Strafrecht Der Gerichtssaal Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gerichtskostengesetz Gnadenordnung Goltdammers Archiv für Strafrecht und Strafprozeß

Abkürzungsverzeichnis

XV

GrS GS GSSt GSZ GVB1. GVG

Großer Senat Der Gerichtssaal Großer Senat für Strafsachen Großer Senat für Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz

Hann Rpfl HdR HessJMBl. HESt. hM HRR

Hannoversche Rechtspflege (bis Juni 1947) Handwörterbuch der Rechtswissenschaft Justiz-Ministerialblatt für Hessen (1949 ff.) Höchstrichterliche Entscheidungen in Strafsachen herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung

i.d.F. i.d.M. i.e.S. i.V.m.

in der Fassung in der Mitte im engeren Sinne in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter Jugendgerichtsgesetz Justizministerialblatt Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Praxis Juristische Rundschau Juristische Analysen Das juristische Büro Juristische Schulung Die Justiz, Zeitschrift für Demokratie in Staat und Recht (1952 ff.) Justizverwaltungsblatt Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

JGG JMB1. JMB1NRW

JP JR

JurA JurBüro JuS Justiz JVB1. JW

JZ

KG KK KMR KRG Krim. KrimMonH KritJ L LG LK LKA

Kammergericht Karlsruher Kommentar zur StPO Kleinknecht-Müller-Reitberger, Kommentar zur StPO, jetzt bearb. von Müller-Sax-Paulus Kontrollratsgesetz Kriminalistik Kriminalistische Monatshefte Kritische Justiz Leitsatz Landgericht Strafgesetzbuch zum Leipziger Kommentar, 10. Auflage (erscheint in Lieferungen seit 1977) Landeskriminalamt

XVI LM LR l.Sp. LZ MDR MiStra.

Abkürzungsverzeichnis Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO linke Spalte Leipziger Zeitschrift (bis 1933)

MschrKrim.

Monatsschrift für Deutsches Recht Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen v. 1. 1. 1978 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform

NdsRpfl. n. F. NJ NJW NRW NStZ

Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Justiz (DDR) Neue Juristische Wochenschrift Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht (seit 1981)

Ob.-Trib. ÖJZ OGH BZ OGHSt.

Obertribunal Österreichische Juristen-Zeitung (1946 ff.) Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Strafsachen Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht Oberster Spruchgerichtshof in Hamm Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

MRK

OLG OLGSt. OSprGH OWiG

Rpfleger RS r. Sp. RuN

Rechtsanwaltskammer Das Recht des Kraftfahrers Randnummer Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Der Deutsche Rechtspfleger Rundschreiben rechte Spalte Rechtsanwalt und Notar

S. SchlHA SchweizZStR SJZ

Satz oder Seite Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Süddeutsche Juristenzeitung

RAK RdK Rdn. RG RGBl. RGSt. RiStBV

XVII

Abkürzungsverzeichnis SKStGB Sp. StAG StFreiG StGB StPÄG StPO str. StR StrV StrEG StRegVO StrRÄndG StrRG StrVollstrO st. Rspr. StuP StVG StVO StVollStrO StVollzG StVRG, I StVZO

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Spalte Strafrechtsänderungsgesetz Straffreiheitsgesetz Strafgesetzbuch Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes Strafprozeßordnung strittig Aktenzeichen der Strafsenate des Bundesgerichtshofs (z.B. 5 StR 797/82: Entscheidung des 5. Strafsenats in der Sache, die als 797ste im Jahre 1982 eingegangen ist) Strafverteidiger (Zeitschrift seit 1981) Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Strafregisterverordnung Strafrechtsänderungsgesetz Strafrechtsreformgesetz Strafvollstreckungsordnung ständige Rechtsprechung Studium und Praxis Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung Strafvollstreckungsordnung Strafvollzugsgesetz Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. 12. 1974 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten

u.a.m. u. E. U-Haft UHaftVollzO

und anderes mehr unseres Erachtens Untersuchungshaft Untersuchungshaftvollzugsordnung

VersR vgl. VO VOR VRS VwGO

Versicherungsrecht vergleiche Verordnung Zeitschrift für Verkehrs- und recht Verkehrsrechtssammlung Verwaltungsgerichtsordnung

wistra

Wirtschaft-Steuer-Strafrecht (Zeitschrift seit 1982)

ZAkDR z.B. ZfZ

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern

Ordnungswidrigkeiten-

XVIII ZPO ZRP ZStW ZuSEG zust.

Abkürzungsverzeichnis Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zustimmend

Literaturverzeichnis Alsberg, Max und Nüse, Karl-Heinz, Der Beweisantrag im Strafprozeß 4. unveränderte Auflage 1969 Der Beweisantrag im Strafprozeß bearb. von Karlheinz Meyer. 5. völlig neu bearb. und erweiterte Auflage 1983 Alsberg, Max, Die Wahrunterstellung im Strafprozeß. JW 1929, 977-981 Arndt, Adolf, Anm. zu BVerfG 2 BvR 456/64 vom 11. 8. 1964. NJW 1965, 147-148 Arzt, Gunther, Der befangene Strafrichter. 1969 Zum Verhältnis von Strengbeweis und freier Beweiswürdigung. FS für Karl Peters 1974, 223-237 Baldus, Paulheinz, Versäumte Gelegenheiten: zur Auslegung des 338 Nr. 8 und des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO. Ehrengabe für Heusinger 1968, 373-391 Barton, Stephan Günter, Anm. zu Urteil des OLG Celle vom 7. 7. 1981 - 1 Ss 243/81. Strafverteidiger 1981, 609 f. Batereau, Ludwig Hans, Die Schuldspruchberichtigung. Göttingen, Schwartz 1971, VIII, 135 S., (Göttinger Rechtswissenschaft. Studien) Bauer, Fritz, Anm. zu BGHSt 17, 248. JZ 1963, 35f. Baumann, Jürgen, Wider eine Verjährung von NS-Verbrechen. ZRP 1979, 159 Beck, Herbert, Anm. zu BGHSt 21, 72. NJW 1966, 1976 f. Beling, Ernst, Revision wegen „Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren", Binding-Festschrift II. 1911 ZStW Bd. 38, 816-826 ZStW Bd. 41, 147 Bender, Rolf, Zur Änderung des Revisionsrechts aus der Sicht des Tatrichter. DRiZ 1973, 377-379 Benz, Heribert, Einschränkung der Besetzungsrüge durch Einführung einer Rügepräklusion. ZRP 1977, 250-251 Beulke, Werner, Der Verteidiger im Strafverfahren. 1980 Biermann, Rudolf, Zur Revision des Staatsanwalts. GA 1953, 353

XX

Literaturverzeichnis

Blaese/Wielop, Die Förmlichkeiten der Revision in Strafsachen. Begründet von Ernst Blaese, fortgef. von Fritz Wielop. 2. völlig neu bearbeitete Auflage, 1983 Blomeyer, Jürgen, Die Revisibilität von Verfahrensfehlern im Strafprozeß (Kausalität und Finalität im Revisionsrecht). J R 1971, 142-150 Blunck, Detlev, Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung im Strafurteil. M D R 1970, 470-473 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Einführung der Unverjährbarkeit des Mordes. ZStrW. 1979, 888 Bode, Karl Heinrich, Die Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache selbst. 1958 Börtzler, Fritz, Die Fertigstellung des Protokolls über die Hauptverhandlung. M D R 1972, 185 ff. Brunner, Rudolf, Jugendgerichtsgesetz, 6. Auflage 1981 Bruns, Hans-Jürgen, Richterliche Uberzeugung bei „Prognose-Entscheidungen" über Sicherungsmaßregeln. J Z 1958, 647 ff. Teilrechtskraft und interprozessuale Bindungswirkung des Strafurteils. 1961 Zum Revisionsgrund der - ohne sonstige Rechtsfehler - ungerecht bemessenen Strafe. FS f ü r Karl Engisch 1969 708-723 Strafzumessungsrecht. Gesamtdarstellung. 2. Aufl. 1974 Der „Toleranzbereich" bei der revisionsgerichtlichen Kontrolle des Strafmaßes. FS f ü r Heinrich Henkel 1974 287-300 Leitfaden des Strafzumessungsrechts. 1980 Neue Wege zur Lösung des strafrechtlichen „V-Mann-Problems". 1982 Busch, Richard, Begründung, Anfechtung und Revisibilität der Verwerfungsurteile der §§ 329 I und 412 I StPO. J Z 1963, 457-462 Cramer, Peter, Zur Berechtigung absoluter Revisionsgründe. Zugleich ein Beitrag zur Reform des StrafProzeßrechts. Einheit und Vielfalt des Strafrechts. Festschrift f ü r Karl Peters zum 70. Geburtstag 1974, 239-251 Dahs, Hans sen., Die Vereidigung der Zeugen im Strafprozeß. Zur Anwendung des § 61 Ziff. 3 StPO. NJW 1950, 889 Das kommende Strafgesetzbuch. Ein Bericht über den derzeitigen Stand der Strafrechtsreform. NJW 1958, 1161 ff.

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XXI

Dahs, Hans, Die Wiedereinsetzung im Strafprozeß in der Krise. Anwaltsblatt 1973, 331 ff. Die Relativierung absoluter Revisionsgründe. GA 1976, 353-361 Zur Rechts Wirksamkeit des nach der Urteilsverkündung „herausgefragten" Rechtsmittelverzichts. FS für Schmidt-Leichner 1977, 17-30 Verfassungsrechtliche Gewährleistung umfassender Verteidigung im Revisionsverfahren. NJW 1978, 140 f. Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß. Bedeutung für die Praxis der Tatsacheninstanz. Von Hans Dahs sen. und Hans Dahs jun. 2. Auflage 1980 Dahs, Hans, Handbuch des Strafverteidigers, begr. von Hans Dahs sen., fortgef. von Hans Dahs jun. 5. Auflage, 1983 Dencker, Friedrich, Willensfehler bei Rechtsmittelverzicht und Rechtsmittelrücknahme im Strafprozeß. 1972 Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht und Vernehmung zur Person. M D R 1975, 359ff. Denkschrift zur Reform des Rechtsmittelrechts und der Wiederaufnahme des Verfahrens im Strafprozeß, erarbeitet und vorgelegt vom Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer, erarbeitet und vorgelegt von E.-W. Hanack, J. von Gerlach und E. Wahle 1971 Graf zu Dohna, Alexander, Die Problematik der Aufgaben des Revisionsgerichts in Theorie und Praxis. DStrR 1940, 65 Doller, Hans, Der schweigende Angeklagte und das Revisionsgericht. M D R 1974, 979 Klippen der Revisionsbegründung. M D R 1977, 370-371 Dreher, Eduard, Uber die gerechte Strafe. Eine theoretische Untersuchung für die deutsche strafrechtliche Praxis. 1974 Anm. zu BGHSt 18, 274. M D R 1963, 855 ff. Dreher/Tröndle, StGB-Kommentar. 40. Aufl., 1981 Drost, Das Ermessen des Strafrichters. 1930 Dünnebier, Hanns, Nicht mit der Revision anfechtbare Entscheidungen im Strafprozeß. FS für Dreher 1977, 669 Duske, Klaus, Die Aufgaben der Revision. Marburger Diss. 1960 Ehrig, Hans-Joachim, Anmerkung zu BGH Strafverteidiger. 1981, 7

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Einleitung

1

Einleitung Die Revision ist kein volkstümliches Rechtsmittel 1 . „Diese Eigen- 1 Schaft teilt sie mit noch anderen höchst nützlichen Stücken unseres Rechtslebens" 2 . Zwischen Tat- und Rechtsfrage zu unterscheiden, fällt schon Juristen schwer 3 ; die allerwenigsten Revisionsbegründungen halten sich frei von Tatsachenangriffen 4 , die von vornherein aussichtslos bleiben müssen. Noch weniger als dem Juristen leuchtet es dem Laien ein, warum er dem Gericht der letzten Instanz nicht soll vortragen dürfen, „wie es eigentlich gewesen". Nun hat sich die Sache seit dem Erscheinen von Schneidewins 2 grundlegendem Aufsatz 5 weiterhin stark verändert und verwickelt. Das liegt zu einem Teil an Eingriffen des Gesetzgebers. Dabei handelt es sich durchweg um solche Änderungen, denen auf den ersten Blick gar nicht anzusehen ist, daß sie imstande sein würden, das Wesen der Revision zu ändern. Der erste dieser Eingriffe war die „lex Lobe" vom 8. 7. 1922, die das Reichsgericht ermächtigte, „offensichtlich unbegründete" Revisionen ohne Verhandlung durch Beschluß zu verwerfen. Diese Vorschrift war schon in Kraft (damals als § 389 Abs. 2), als der erwähnte Aufsatz von Schneidewin 5 erschien; bezeichnenderweise wird sie darin gar nicht erwähnt. Sodann schaffte der Reichsjustizminister Emminger 6 das alte Schwurgericht ab, das zur Schuldfrage nur durch „Wahrspruch" der

1

Z u s t . Löwe-Rosenberg-MEYER R d n . 1 f f . v o r § 333; KLEFISCH N J W 1951,

350 nennt die Revision ein „ungeeignetes Rechtsmittel" und will sie durch die englische Berufung („Appeal") ersetzen; BRINKMANN R u N 1954 H e f t 27 S. 1 nennt die Revision ein „Un-Rechtsmittel"; gegen ihn BÖRKER JP 1955 H e f t 40 S. 4. Zutreffend EB. SCHMIDT Rdn. 40, 41 vor § 296. Die Eindrücke eines verständnisvollen Laien bei SLING Richter und Gerichtete (1929) S. 2 9 0 ; vgl. a u c h DAHS-DAHS, S. 1. 2

SCHNEIDEWIN D J T - F e s t s c h r i f t B d . I 1 9 6 0 S. 4 7 7 .

5

MANNHEIM S . 8, 2 8 , 3 3 f f . , 7 1 f f . ; EB. SCHMIDT z u § 3 3 7 ( k r i t i s c h z u d e r F r a -

g e s t e l l u n g R d n . 4 2 v o r § 2 9 6 ) ; POHLE S. 3; SCHWINGE S. 52 s a g t v o n d e r U n -

terscheidung, sie sei „sehr in Mißkredit geraten und der in ihr steckende richtige Kern . . . lange verkannt worden". 4

5 4

SCHNEIDEWIN J W 1 9 2 3 , 345; MITTELBACH J P 1 9 5 4 H e f t 3 0 S. 20: „ L e i d e r ist

der grundlegende Unterschied zwischen Berufung und Revision keineswegs so allgemein bekannt, wie man annehmen sollte." JW 1923, 345. Verordnung vom 4. 01. 1924 (RGBl S. 15).

3

2

Einleitung

zwölf Geschworenen („mit mehr als sieben Stimmen") entschieden hatte, und führte unter der Bezeichnung „Schwurgericht" einen aus drei Berufsrichtern und sechs Geschworenen bestehenden Spruchkörper ein, der - und das war das revisionsrechtlich Wichtige - zu seinen Urteilen Gründe schreiben mußte. Erst von da an bekam das Reichsgericht Gelegenheit, sich zur materiellrechtlichen Seite der schweren Kriminalität zu äußern. 1931 wurde die Beschluß Verwerfung auch auf die Oberlandesgerichte ausgedehnt 7 . Dabei ist es seitdem geblieben, obwohl die besonderen Verhältnisse des Jahres 1931 seitdem längst fortgefallen sind. Der Anteil der Beschlußverwerfungen an den Revisionsentscheidungen pendelte sich seitdem auf etwa die Hälfte ein. Da die Beschlüsse nicht begründet wurden, ging von ihnen keine belehrende Wirkung auf die Beschwerdeführer und ihre Verteidiger aus. Es gab bis 1965 vielbeschäftigte Strafverteidiger, die vor dem Bundesgerichtshof nichts als Verwerfungsbeschlüsse erzielten und deshalb aus ihren Mißerfolgen nichts lernen konnten. 4

Es hing wohl damit zusammen, daß das Reichsgericht seit 1924 in steigendem Maße mit der schweren Kriminalität befaßt wurde, wenn sich jetzt neuartige Rügen entwickelten, die Angriffe gegen die tatsächlichen Feststellungen der Schwur- und Landgerichte ermöglichten. Eine der wichtigsten war die Aufklärungsrüge, die bis etwa 1928 völlig unbekannt gewesen war und nunmehr steigende Bedeutung gewann 8 . Ein weiteres Einfallstor für tatsächliche Korrekturen an den tatrichterlichen Feststellungen war das Recht des Beweisantrages, das 1932 erstmals ausführlich kodifiziert wurde 9 . Insbesondere überließen es die Revisionsgerichte in immer geringerem Maße dem Ermessen der Tatrichter, wann sie sich der Hilfe von Sachverständigen bedienen wollten. Weiterhin gaben Verstöße gegen die Lebenserfahrung und gegen die Denkgesetze Gründe ab, mit denen die Revisionsgerichte eingriffen 10 . Schließlich wurden die Ansprüche an Ausführlichkeit und Schlüssigkeit der Urteilsgründe ständig heraufgesetzt. Hatte Schneidewin 11 noch 1923 unwidersprochen schreiben können:

7

Verordnung des Reichspräsidenten vom 06. 10. 1931. (RGBl I S. 537). Vgl. unten Rdn. 243 ff. ' Vgl. unten Rdn. 278 ff. 10 Vgl. unten Rdn. 338 ff. 11 JW 1923, 347 Ii. Sp. s

Einleitung

3

„Desto schärfer zu bekämpfen sind diejenigen Ausführungen, die sich äußerlich in das Gewand der Rechtsrüge kleiden, in Wahrheit aber keine sind. D a sind insbesondere die Verstöße gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung hervorzuheben. Gar nicht entschieden genug kann betont werden, daß hier dem Revisionsgericht jede Möglichkeit des Eingreifens versagt ist. Nur mit festgestellten Tatsachen hat es zu tun. Auf welchem Wege der Vorderrichter zu dieser Feststellung gekommen ist, ist bei der sachlich-rechtlichen Nachprüfung des Urteils durchaus ohne Belang. Unangreifbar sind auch die Schlußfolgerungen auf Tatsachen. Versuche, dem Tatrichter Fehlschlüsse auf Tatsachen nachzuweisen, sind in der Revisionsinstanz ganz und gar vergeblich . . .", so ist das in dieser entschiedenen Form inzwischen in der Praxis längst überwunden. „Revisionssichere" Urteile zu schreiben, ist für den Tatrichter deshalb immer schwieriger geworden. Andererseits ist es auch für den Beschwerdeführer zunehmend schwerer geworden, vorherzusehen, welche Beanstandungen Aussicht auf Erfolg haben. Die Revision hat in den letzten Jahrzehnten ihr Wesen stark geän- 5 dert 12 . Gesetzgeberische Eingriffe haben ihr Teil daran gehabt. Die Revisionsbegründungsfrist ist von einer Woche zunächst auf zwei Wochen und dann auf einen Monat verlängert worden; entsprechend konnten die Verteidiger ihre Ansprüche an sich selbst und an die Revisionsgerichte vergrößern. Die Beschlußverwerfung (§ 349 Abs. 2) wurde von einem Antrag der Staatsanwaltschaft (Bundesanwaltschaft) abhängig gemacht; sie sollte dadurch erschwert werden, wurde praktisch aber erleichtert. Geteilte Verantwortung ist eine weniger lastende Verantwortung. Den Hauptanteil an der Veränderung, die sich zu unseren Lebzeiten vollzogen hat, tragen aber nicht gesetzgeberische, sondern richterliche Entschlüsse. In manchen Stücken hatte das schon in der Zeit des Reichsgerichts begonnen, z. B. im Recht des Beweisantrags 13 und der Aufklärungsrüge 1 4 . Wichtiger war aber, daß mit dem Ende des Reichsgerichts dessen Uberlieferung völlig abgebrochen war. Die einzelnen Oberlandesgerichte, die nach 1945 die revisionsrichterlichen Aufgaben des Reichsgerichts zu übernehmen hatten, hielten sich an 12

13 14

Vgl. zum Folgenden Karl PETERS: Der Wandel im Revisionsrecht, in FS für Kurt Schäfer (1980), S. 137-153. Vgl. unten Rdn. 278 ff. Vgl. unten Rdn. 243 ff.

4

Einleitung

das Überkommene, vorsichtig gesagt, in sehr verschiedenem Maße gebunden. Persönliche Überlieferung hing nur noch an wenigen Männern, etwa dem früheren Reichsgerichtsrat Weinkauff zunächst in Bamberg, später als Präsident des Bundesgerichthofs in Karlsruhe; dem früheren Reichsanwalt Schneidewin, später Oberstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Celle und Generalstaatsanwalt beim Obersten Gerichtshof für die Britische Zone. Das in den einzelnen Besatzungszonen auseinanderlaufende Recht trug ebenfalls dazu bei, den traditionellen Zusammenhalt zu zerstören. Als 1950 der Bundesgerichthof errichtet wurde, gehörten zwar noch einige frühere Reichsgerichtsräte und Reichsanwälte zu seinen Mitgliedern, aber von einer wirklichen Fortsetzung der reichsgerichtlichen Überlieferung konnte - jedenfalls in Strafsachen - kaum die Rede sein. Der Einfluß, den Weinkauff als Vorsitzender des Großen Senats für Strafsachen nahm, gründete sich mehr auf seine eigenen naturrechtlichen Vorstellungen, fand nicht durchweg die Gefolgschaft der Einzelsenate und endete mit seiner Amtszeit 1960 so gut wie völlig. 6

Nach dieser Zwischenentwicklung sah sich die neue revisionsrichterliche Arbeit des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte darauf angewiesen, ein neues, eigenes Verhältnis zu dem hierfür grundlegenden § 337 zu finden. Gewiß war diese Vorschrift bei ihrer ursprünglichen Entstehung so gemeint gewesen, daß sie dem Revisionsrichter die Entscheidung über „Tatfragen" entziehen und ihm nur die rechtliche Nachprüfung vorbehalten sollte. Aber glücklicherweise - so darf man jetzt wohl sagen - hatte der Gesetzgeber von 1877 diesen Gedanken so undeutlich und allgemein ausgedrückt, daß der Wortlaut eine freiere Entwicklung nicht hinderte. Die gesetzliche Voraussetzung, daß „eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden" sein mußte, konnte schließlich, ohne den Worten besonderen Zwang anzutun, auch dann bejaht werden, wenn für den Revisionsrichter erkennbar war, daß der Sachverhalt, den der Tatrichter seiner Subsumtion zugrundegelegt hatte, tatsächlich nicht zutreffen konnte. Hilfreich für eine neue Entwicklung war auch, daß der Text des Gesetzes keine Vorschrift enthielt, die dem Revisionsrichter eine eigene Beweisaufnahme ausdrücklich verboten hätte. Man hatte das immer nur - gewiß mit Recht - der „Natur der Sache" entnommen. Aber das war kein Hindernis, sich nunmehr zu fragen, wie weit diese „Natur der Sache", nämlich die begrenzte Leistungsfähigkeit eines Zentralgerichts, das im Interesse der Güte seiner Arbeit nicht be-

Einleitung

5

liebig groß gemacht werden kann, — wie weit also diese Natur der Sache revisionsgerichtliche Eingriffe in „festgestellte" Tatsachen nicht doch gestattete. So gelangte man allmählich von der Trennung „Rechtsfrage/Tatfrage" zu einer „Leistungstheorie". Was ein Revisionsgericht zweifellos nicht leisten kann, ist eine eigene Wiederholung der tatrichterlichen Hauptverhandlung mit völlig erneuter Beweisaufnahme. Wo sich das als notwendig erweist, muß es einem Tatrichter aufgetragen werden - und es ist eine zwar nicht beweisbare, aber trotzdem kaum bestreitbare Erfahrung, daß dieser neue Tatrichter weitaus sorgfältiger zu arbeiten pflegt als der erste. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber gerade weil der Revisionsrichter die Möglichkeit hat, eine neue tatrichterliche Hauptverhandlung anzuordnen, braucht er bei der Verwertung eigener tatsächlicher Erkenntnisse nicht so ängstlich zu sein. Entnimmt er etwa den tatrichterlichen Urteilsgründen, daß eine Verurteilung wegen Brandstiftung auf der tatrichterlichen Annahme beruht, Kohlendioxyd (CO2, „Kohlensäure") sei brennbar und explosibel15, so hat er einen so verhängnisvollen Irrtum nicht etwa deshalb als bindend hinzunehmen, weil er nicht auf falsch angewendeten Rechtsnormen beruht, sondern auf Verkennung von (offenkundigen) Tatsachen. Nicht ohne Grund pflegen Revisionsgerichte umfangreiche Büchereien zu haben, die einen breiten Wissensstoff auch auf anderen Gebieten vermitteln als auf dem juristischen. Angelesenes oder auch erst ad hoc anzulesendes Wissen bei seinen Entscheidungen zu verwerten, ist Recht und Pflicht des Revisionsrichters. Es steht auch dem Verteidiger nicht nur vor dem Tatrichter, sondern auch vor dem Revisionsgericht durchaus zu, Anregungen in dieser Richtung zu geben. Was freilich über die Leistungsfähigkeit eines Revisionsgerichts 7 hinausgeht, und ihm deshalb nicht zustehen kann, ist die Einfügung eigener tatsächlicher Einzelerkenntnisse in das Ergebnis einer umfassenden Beweisaufnahme und -Würdigung, die ein anderer Richter vorgenommen hat. Das verstieße gegen den Geist des § 261, der mit dem Inbegriff „der" Verhandlung eine einheitliche, geschlossene Beweisaufnahme vor einem und demselben Gericht meint. Deshalb hat 15

Auf diese einfachsten physikalischen Erkenntnissen widersprechende Annahme hat das LG Wuppertal in einem Urteil vom 02. 04. 1981 (22 N s 11 Js 338/79 (90/80 II) einen Schuldspruch gestützt. Das Oberlandesgericht hob das Urteil aber schon aus anderen Gründen wieder auf (OLG Düsseldorf 2 Ss 477/81 - 2 9 3 / 8 1 III - Urteil vom 23. 09. 1981).

6

Einleitung

es der 52. Deutsche Juristentag 16 mit Recht abgelehnt, dem Revisionsgericht einzelne, ergänzende Vernehmungen, Verlesungen, Vereidigungen anzuvertrauen mit dem Ziel, ihm eigene Feststellungen zu ermöglichen, die dem Tatrichter nicht möglich oder aufgrund seiner bisherigen Verhandlung nicht erlaubt waren. Die zahlreichen Prüfungs- und Eingriffsmöglichkeiten, die sich die Revisionsgerichte während der letzten Jahrzehnte geschaffen haben, sind von tiefgreifender Wirkung auf die Natur des Rechtsmittels gewesen. Einerseits ist die Revision im Dienste der Einzelfallgerechtigkeit zweifellos praktisch brauchbarer geworden. Diese Praxis hat sicherlich jetzt schon mehr erreicht, als man sich von dem Plan des Diskussionsentwurfs zu versprechen gehabt hätte, dem Revisionsgericht bei „schwerwiegenden Bedenken" gegen die Richtigkeit der tatrichterlichen Feststellungen eigene ergänzende Beweiserhebungen zu gestatten 17 . Andererseits hat die angedeutete, im einzelnen in ihren Ergebnissen noch näher darzustellende Rechtsentwicklung zweifellos dazu beigetragen, die Rechtsprechung der Revisionsgerichte weniger durchschaubar zu machen. Die Voraussage, ob eine Revision Erfolg haben werde oder nicht, war zu der Zeit, da Schneidewin seinen berühmten Aufsatz 18 schrieb, wesentlich leichter als heute. Der Außenstehende kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, daß die Rechtsprechung - auch des Bundesgerichtshofs, auch seiner einzelnen Senate in sich - an Folgerichtigkeit verloren hat. Je öfter - dankenswerterweise - die Neigung erkennbar wird, bei „schwerwiegenden Bedenken" Abhilfe zu schaffen, und sei es aus manchmal überraschenden Gründen, desto häufiger werden ganz naturgemäß die Fälle, in denen der Revisionsrichter - gewiß meistens mit Recht - solche tatsächlichen Bedenken durchaus nicht hat und nun mit der lästigen Erscheinung fertig werden muß, daß der nunmehrige Beschwerdeführer sich auf die bei Gelegenheit jener früheren „Bedenkenfälle" vom Gericht aufgestellten Regeln beruft. Damit kann eine Versuchung entstehen, nunmehr kurzerhand von der begründungsfreien Beschlußverwerfung Gebrauch zu machen. Auf die Dauer ist das aber kaum eine brauchbare Lösung. Denn wenn nunmehr allzu Vieles von den „schwerwiegenden Bedenken" abhängt, kann man sich nicht wun-

" Sitzungsbericht L zum 52. DJT Seite L 223 unter Nr. 13. 17 Siehe Fußn. 16. 18 JW 1923, 345.

Einleitung

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dern, daß ein bemühter Revisionsverteidiger alles daransetzt, mit seiner Revisionsbegründung solche Bedenken zu erwecken, wobei er sie möglichst in ein rechtliches Gewand zu kleiden sucht. Darunter leidet dann wieder die erwünschte Kürze der Revisionsbegründungen, und die weitere Folge ist vermehrte Arbeitslast für das Gericht. Das Rechtsmittel ließe sich zweifellos verbessern, wenn auch kaum durch den Gesetzgeber und sicherlich nicht durch die Einführung von Beweisaufnahmen durch das Revisionsgericht. Es wird sich überhaupt wenig dadurch ausrichten lassen, daß man dem letzteren, insbesondere dem Bundesgerichtshof, mehr Arbeit zudenkt. Es ist deshalb auch mit der Klage über den hohen Anteil der Beschlußverwerfungen gemäß § 349 Abs. 2 allein nicht getan. Aber es scheint uns unzweifelhaft, daß die Revisionssenate sich auf andere Weise mehr Luft verschaffen könnten. Schon in der Geschäftsordnung des Reichsgerichts hieß es, die Urteile seien „in bündiger Kürze" zu begründen. Es stehen noch mehr solche frommen Wünsche darin. Dem Bundesgerichtshof ist es bisher noch weniger als dem Reichsgericht gelungen, sich kurz und bündig auszudrücken. Wenn er auch von Anfang an die verblasene Breite vermieden hat, durch die sich die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone „auszeichneten", so braucht man doch nur einen Band seiner „Amtlichen Sammlung" 1 9 mit einem Band der Reichsgerichtsentscheidungen zu vergleichen, um zu sehen, daß er auf dem gleichen Raum eine wesentlich geringere Zahl von Entscheidungen unterbringt. Obiter dicta, die manchmal sogar vom Senat zu Leitsätzen verdichtet werden, sind keine Seltenheit. Die Großen Senate gehen darin mit schlechtem Beispiel voran 20 .

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20

Sie ist nicht amtlich, man nennt sie nur so. Das Beiwort „amtlich" wird offenbar in Deutschland immer noch als Aufwertung aufgefaßt. Vgl. etwa BGHSt 11, 213: mehr als sechs Seiten Gründe für eine völlige Selbstverständlichkeit, die wirklich nur einen „o. u.-Beschluß" (des 4. Strafsenats) wert gewesen wäre. Ein Strafkammervorsitzender braucht nicht zu wissen, ja nicht einmal mit der Möglichkeit zu rechnen, daß einem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 zusteht. Deshalb kann es kein Revisionsgrund sein, wenn er ihn nicht darüber belehrt. Hat der Verteidiger Bedenken, so kann er ja die Belehrung beantragen und zur Begründung dieses Antrages alles vortragen, was der Zeuge zu der Auskunftsverweigerung wissen muß. Daran wendet der Große Strafsenat höchst umständliche Ausführungen, die (etwa hinsichtlich der „Rechtskreistheorie") sachlich recht bedenklich und zur Begründung dieses Beschlusses samt und sonders entbehrlich sind; vgl. unten Rdn. 236.

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D i e Mitglieder der deutschen Revisionsgerichte könnten sich (und anderen) viel Zeit und Arbeit sparen, wenn sie sich in höherem Maße bewußt würden, daß die Überzeugungskraft und die Autorität ihrer Urteilsgründe mit deren Länge nicht steigt, sondern sinkt 21 . Mit Neid liest man, wie knapp und entschieden sich manche ausländischen Rechtsmittelgerichte durchzusetzen verstehen. Die so zu ersparende Zeit und Kraft sollte verwendet werden, um weniger Dinge als „offensichtlich unbegründet" zu behandeln, die das gerade nach den Maßstäben der wenigen und zu langen Urteilsgründe nicht sind. Man hat sich darüber gestritten, ob die Rechtseinheit oder die Einzelfall-Gerechtigkeit das eigentliche Ziel der Revision sei 22 . Der Streit ist müßig 23 . Nicht nur hat das Revisionsgericht beiden Zwecken zu dienen 24 - beide Zwecke lassen sich auch rein begrifflich nicht trennen. Wenn einheitliche ungerechte Entscheidungen ergingen, so könnte man nicht von „Rechts"-Einheit sprechen. U n d wenn ein gleicher Fall beim Landgericht A anders entschieden wird als beim Landgericht B, so ist das nicht nur uneinheitlich, sondern auch ungerecht. Es gehört zur ältesten Begriffsbestimmung der Gerechtigkeit, daß sie 21

Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Beschluß BGHSt 6, 46: zwölf Seiten Gründe, in denen unter anderem erwähnt wird, daß die „grundlegende Entscheidung" des Reichsgerichts (RGSt 8, 172) nur einen „einzigen Satz" zur Begründung der Ansicht gebraucht habe, „daß der Geschlechtsverkehr zwischen Verlobten Unzucht im Sinne der Kuppeleitatbestände sei". Aber die zwölf Seiten haben weder die Verlobten noch deren Eltern noch auch den Gesetzgeber überzeugt; er hat die Strafbarkeit abgeschafft, an deren Aufrechterhaltung der Große Senat so viel Arbeit verwendet hatte. Aber auch das BVerfG nimmt immer wieder Einzelfälle zum Anlaß für allgemeine Rechtsausführungen und sogar zu Mitentscheidungen von Fallgruppen, nach denen es gar nicht gefragt war. Die verdeckte Vernehmung von VLeuten z. B., unter Ausschluß der Verteidigung im BtMG-Verfahren hat der 2. Senat des BVerfG in seiner „Stiller-Entscheidung" sozusagen nebenbei mitlegalisiert; BVerfGE 56, 396 = Strafverteidiger 1981, 381 (Anm. Kotz 591). Die Revisionsgerichte haben es seitdem schwer, diesen massiven Eingriff der Legislative in die Rechtsprechung einzudämmen, vgl. zuletzt BGH 2 StR 250/82 Urteil vom 5. 11. 1982, Strafverteidiger 1983, 49 = NJW 1983, 1005 = BGHSt 31, 149 und BGH 2 StR 437/82, Urteil vom 16. 2. 1983 bei Holtz MDR 1983, 450.

22

SCHWINGE S . 26ff.; D U S K E : Der Zweck der Revision, Marburger Diss. 1960 Zust. E B . S C H M I D T Rdn. 3 9 vor § 2 9 6 ; FISCHINGER in Gedenkschrift für Cüppers (Essen 1 9 5 7 ) S . 1 4 4 ; K L E I N K N E C H T Rdn. 1 vor § 3 3 3 ; L R - M E Y E R Rdn. 6 vor § 3 3 3 . KARL PETERS S. 602 ff.; v. H I P P E L S. 582; K K - P I K A R T Rdn. 6 vor § 333 StPO.

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24

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j e d e m d a s S e i n e g e b e 2 5 . J e d e m : E s ist b e g r i f f l i c h nicht m ö g l i c h , G e r e c h t i g k e i t f ü r einen Fall z u w o l l e n , o h n e a u f die a n d e r e n F ä l l e z u seh e n . D a s gilt v o m sachlichen R e c h t g a n z e b e n s o w i e v o m V e r f a h r e n s recht 2 6 .

Deshalb

ist

es

falsch,

die

Nachprüfung

der

sachlichen

R e c h t s a n w e n d u n g m e h r als D i e n s t an d e r R e c h t s e i n h e i t a u f z u f a s s e n , d e n V e r f a h r e n s r ü g e n d a g e g e n die S o r g e zu ü b e r l a s s e n , o b a u c h d e m e i n z e l n e n A n g e k l a g t e n sein R e c h t w e r d e 2 7 . G e r a d e die w i c h t i g s t e n z w i n g e n d e n A u f h e b u n g s g r ü n d e (§ 338 N r . 1, 5 u n d 6) h a b e n g e w ö h n lich s e h r w e n i g mit d e m e i n z e l n e n A n g e k l a g t e n u n d s e i n e m Fall z u tun28. F ü h r t hier die n e u e V e r h a n d l u n g w i e d e r z u d e m s e l b e n E r g e b n i s , s o hat das Revisionsverfahren nur Zeit, G e l d und Nerven gekostet. Sind

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ULPIAN Dig. I, 1, 10, pr.: „suum cuique". ROXIN StrVerfahrensrecht 17. Aufl., S. 304 hält alle drei Ansichten für unzutreffend. Unsere „Vereinigungstheorie" verkenne, „daß zwar eine materiell gerechte Entscheidung niemals die Rechtseinheit stören, daß umgekehrt aber eine die Rechtseinheit wahrende Entscheidung wegen Verfehlung des tatsächlichen Sachverhalts (von uns hervorgehoben) materiell grob ungerecht sein kann". Das ist zwar richtig, sagt aber nichts über die Frage nach dem Zweck der Revision. D a die Feststellung des tatsächlichen Sachverhalts nicht zu den Aufgaben des Revisionsgerichts gehört, kann diejenige Ungerechtigkeit, die auf falschen Feststellungen beruht, nicht dagegen angeführt werden, daß die Korrektur ungerechter Rechtsanwendung eine wesentliche Aufgabe der Revision ist. ROXIN selbst sagt aaO. im nächsten Absatz „der Gesetzgeber" habe „die Tatfrage" (Hervorhebung von ROXIN) der ausschließlichen (!) Beurteilung durch den Instanzrichter als den ,Tatrichter' überantwortet und das Revisionsgericht auf die . . . Überprüfung der Rechtsfrage beschränkt". Übrigens liegt der hier verborgene Konflikt auch der von ROXIN, PETERS und anderen führenden Theoretikern des Strafverfahrensrechts beschriebenen richterlichen Entwicklung des Revisionsrechts in Richtung auf eine immer weitergehende Nachprüfung der „festgestellten" Tatsachen zugrunde. Auch deshalb kann man sich in diesem Zusammenhang kaum noch auf die Absichten des Gesetzgebers (von 1877!) berufen. So SCHWINGE S. 34 ff. Er berücksichtigt dabei nicht hinreichend, in welcher unlösbaren Weise sachliches Recht und Verfahrensrecht aufeinander bezogen sind. Einheitliches sachliches Recht kann man überhaupt nur um den Preis eines einheitlichen Verfahrens haben - es sei denn, man wolle unter Rechtseinheit nicht verstehen, daß gleiche Taten zu gleichen Strafen führen, sondern nur, daß alle Gerichte sich zu gleichen Theorien bekennen! Das verkennt KNIESCH M D R 1955, 132; vgl. auch die Diskussion auf dem 54. D J T in Nürnberg 1982 zu § 338 Nr. 6 StPO.

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inzwischen Beweismittel verloren gegangen, so wird die neue Entscheidung vielleicht günstiger für den Angeklagten, sicherlich aber nicht gerechter. Diese Vorschriften bestellen den Angeklagten zum Wächter des Rechtsstaats. Er tritt ihrer Verletzung (die erfahrungsgemäß fast immer nur auf Versehen beruht) oft genug nur im vermeintlich eigenen Interesse entgegen. Damit dient er, ohne es zu wollen, dem rechtsstaatlichen Anliegen, das jenen Vorschriften zugrunde liegt29. Gerade im Hinblick auf den Einzelfall pflegen Aufhebungen wegen Verletzung von § 338 Nr. 1, 5 und 6 meist unbefriedigend zu sein, weil die angefochtene Entscheidung tatsächlich so gut wie niemals auf der Verletzung beruht. Trotzdem haben sie ihren guten Sinn. Selbst wo sie im Einzelfall der Gerechtigkeit geradezu Abbruch tun, befestigen sie für die Zukunft die Grundlagen der Rechtspflege. Einheitliches Strafverfahren ist ebenso nötig wie einheitliches Strafrecht, und beides um der Gerechtigkeit willen. Der Verteidiger, der für seinen Angeklagten Revision gegen ein unrichtiges Urteil einlegt, leistet der Rechtseinheit einen ebenso großen Dienst wie der Gerechtigkeit. Es ist ein schwerer Dienst. Er setzt gründliches Studium des Verfahrensrechts 30 voraus, das manchen durch seine vermeintliche Trokkenheit abstößt. Wer mit einer Revision etwas ausrichten will, wird sich nicht von der eingehenden Beschäftigung mit den großen, zusammenhängenden Darstellungen entbinden können 31 , die jetzt wieder erschienen sind. Auch mit den für das Revisionsrecht wichtigsten Einzelwerken 32 wird er sich befassen müssen. Vor allem aber muß er 29

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Für solche Fälle bezeichnete KERN Strafverfahrensrecht 7. Aufl. 1965 S. 226 mit Recht die „Einschärfung der Verfahrensnormen" als das eigentliche Anliegen; das gilt aber durchaus nicht von allen Verfahrensrügen. Uber dessen Bedeutung für den Rechtsstaat vgl. EB. SCHMIDT ZStrW 65, 161. LÖWE-ROSENBERG StPO 23. Aufl.; Karlsruher Kommentar zur StPO 1982; EB. SCHMIDT Lehrkommentar 1957 mit Nachträgen 1967; KMR: Kommentar zur StPO, 7. Aufl., 1980; KLEINKNECHT/MEYER StPO 36. Aufl., 1983; KARL PETERS Strafprozeß, Lehrbuch 3. Aufl. 1981. STEIN (1893) Das private Wissen des Richters; MANNHEIM: Beiträge zur Lehre von der Revision wegen materiell-rechtlicher Verstöße im Strafverfahren (1925); DITZEN Dreierlei B e w e i s im Strafverfahren (1926); POHLE

Revision und neues Strafrecht (1930); SCHWINGE Grundlagen des Revisionsrechts, 2. Aufl. 1960; KUCHINKE Grenzen der Nachprüfbarkeit tatrichterlicher Würdigung und Feststellungen in der Revisionsinstanz (1964); DAHS/ DAHS: Die Revision im Strafprozeß 2. Aufl. 1980.

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über die einschlägige Rechtsprechung und über die neuesten Aufsätze auf dem Laufenden sein. Dazu gehört - unter anderem - das regelmäßige Studium mehrerer Fachzeitschriften. Das Revisionsrecht eingehend zu kennen, ist für den Verteidiger 10 nicht erst wichtig, wenn er eine Revision zu begründen hat. Dann ist es oft schon zu spät. Nur wer sich völlig darüber im klaren ist, wie beschränkt die Anfechtungsmöglichkeiten sind und welche Voraussetzungen im tatrichterlichen Verfahren sie haben, wird den Angeklagten vor dem Landgericht sachgemäß verteidigen können 33 . Die Ansicht Lukanows, wonach die „Mithilfe an der Straffung der Prozeßführung" zu den Aufgaben des Verteidigers gehört, ist nicht mehr unumstritten34. Aber unbestreitbar ist die schwere Verantwortung des Verteidigers schon in der Tatsacheninstanz für das spätere Revisionsverfahren. Hier kommt es immer wieder zu Unterlassungen, die nicht mehr gutgemacht werden können. Es ist beschämend und - auch für das Revisionsgericht - bitter, wenn Angeklagter und Verteidiger erst aus den Gründen des Revisionsurteils erfahren, was der Verteidiger vor dem Tatrichter versäumt hat, sei es ein Beweisantrag, ein Widerspruch, eine Frage, eine Ablehnung, ein Aussetzungsantrag, die Ladung eines Zeugen. Bei der Revisionsbegründung selbst kann niemand dem Verteidiger die Alleinverantwortung für die prozeßordnungsgemäße und vollständige Erhebung der Rügen abnehmen35. Auch für den Revisionsrichter ist es eine seelische Belastung, wenn er ein möglicherweise falsches Urteil nur deshalb nicht aufheben kann, weil der Verteidiger die gebotene Rüge nicht richtig vorbereitet, nicht erhoben oder nicht richtig begründet hat. Neben dem Gesetzgeber und dem Richter aller Instanzen hat der Verteidiger auch bei der Gestaltung des Verfahrensrechts eine Rolle zu spielen, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Es gibt 33

Die Verteidiger darauf „mit der Nase gestoßen" zu haben, ist das „Verdienst" der durch das StVÄG 1979 neugefaßten §§ 222a, 222b, 338 Nr. 1; v g l . d a z u HAMM N J W 1 9 7 9 , 135 f f . ; RANFT N J W 1 9 8 1 , 1473 f f .

34

35

LUKANOW: Der Mißbrauch der Verteidigerstellung im englischen und deutschen Strafprozeß (1953) S. 21; Zum Diskussionsstand siehe BEULKE: Der Verteidiger im Strafverfahren (1980). Kritisch zu der „Haftung" des Angeklagten für die Versäumnisse seines Verteidigers in der Revision PETERS, Festschrift für Dünnebier (1982) S. 53 ff. (64).

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w i c h t i g e V o r s c h r i f t e n f ü r d a s V e r f a h r e n erster I n s t a n z , d i e p r a k t i s c h n u r a u f d e m P a p i e r s t e h e n , weil die V e r t e i d i g e r ihre V e r l e t z u n g nicht zu rügen pflegen36. A b e r es s i n d nicht n u r die V e r f a h r e n s r ü g e n , ü b e r h a u p t nicht n u r die s c h w i e r i g e n D i n g e , bei d e n e n die r e v i s i o n s r e c h t l i c h e M i t a r b e i t d e r V e r t e i d i g e r a l l z u o f t v e r s a g t . N i c h t selten m i ß r ä t a u c h d a s g a n z E i n f a che. I m m e r w i e d e r k o m m t v o r , d a ß einer R e v i s i o n z u m E r f o l g e nichts f e h l t als d e r S a t z : „ I c h r ü g e V e r l e t z u n g d e s s a c h l i c h e n R e c h t s . " 3 7 M a n g l a u b e nicht, d a ß e i n e m R e v i s i o n s r i c h t e r , d e r ein U r t e i l f ü r b e d e n k lich hält, S ä t z e w i e die f o l g e n d e n leicht a u s d e r F e d e r f l i e ß e n : „ D e r S e n a t f i n d e t in d e r R e v i s i o n s b e g r ü n d u n g t r o t z ihres U m f a n g e s nicht eine e i n z i g e W e n d u n g , die sich a u c h n u r a n d e u t u n g s w e i s e d a h i n vers t e h e n ließe, d a ß d e r B e s c h w e r d e f ü h r e r s a g e n will, die S t r a f k a m m e r h a b e a u f d e n S a c h v e r h a l t , w i e sie ihn als e r w i e s e n a n s a h , d a s sachli36

Vgl. z . B . B G H S t 7, 73 = N J W 1955, 191 = M D R 1955, 244 (mit abl. A n m . MITTELBACH) =

37

L M N r . 7 z u § 2 5 4 ( m i t A n m . SARSTEDT).

SCHMIDT-LEICHNER N J W 1963, 1000 fragt, ob man diesen Satz nicht „allein aus der Tatsache der Einlegung der Revision im Wege der ,Auslegung'" entnehmen könnte. Ginge das an, so müßte man es doch wohl immer tun (das meint anscheinend auch SCHMIDT-LEICHNER). Das wurde bedeuten, daß man auf die Revisionsbegründung überhaupt verzichten könnte und müßte, soweit keine Verfahrensrügen zu erheben sind. Und das wäre ja nun wohl eindeutig gegen das Gesetz, das ja außer der Einlegung noch eine Begründung verlangt, und zwar in anderer, strengerer Form. Reden läßt sich also nur über eine Auslegung der Revisionsbegründung. Dabei gehen die Revisionsgerichte manchmal recht weit. Sie verlangen nicht den angeführten Satz ausdrücklich oder auch nur umschrieben. Sie verlangen (vgl. oben den Text) nur „eine einzige Wendung, die sich auch nur andeutungsweise dahin verstehen ließe . . Aber es gibt Revisionsbegründungen, die es unmißverständlich klar machen, daß sie das eben nicht wollen, ja daß sie die Anwendung des sachlichen Rechts auf die festgestellten Tatsachen für völlig richtig halten, und eben nur die Feststellungen für unrichtig. Die sind bisweilen gegen „Auslegung" gefeit. Es gibt Verteidiger, die sich so unmißverständlich auszudrücken wissen, daß man sie selbst optima mente nicht mißverstehen kann. Übrigens eine Gegenfrage: Was mag sich wohl der Gesetzgeber dabei gedacht haben, als er die Unterschrift von Rechtsanwälten unter der Revisionsbegründung verlangte? Doch wohl nicht, daß man ebensogut auf die ganze Revisionsbegründung verzichten könnte? Eine Darstellung in der Begründungsschrift, die eine fehlerhafte Anwendung des sachlichen Rechts nur als möglich hinstellt, reicht nicht. Der Fehler muß - wenn auch mit Umschreibungen - bestimmt behauptet werden. KK-PIKART Rdn. 26 zu § 344 B G H S t 2 5 , 2 7 2 = N J W 1 9 7 4 , 6 5 5 ; SCHÖNBORN M D R 1 9 7 5 , 7.

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che Recht unrichtig angewendet. Auf diese Frage einzugehen, macht die Revisionsbegründung dem Senat daher unmöglich" 3 8 . „Zu den Garantien des Rechtsverfahrens gehört die Zulassung einer wirklichen, nicht nur scheinbaren Verteidigung des Angeklagten" 3 9 . Es ist aber in der Tat keine wirkliche, sondern nur eine scheinbare Verteidigung, wenn mangelnde Vertrautheit mit dem Verfahrensrecht den Verteidiger grobe Fehler und Versäumnisse begehen läßt. Die Sache wird dann nicht besser dadurch, daß der Schein hier auch den Angeklagten und oft sogar das Gericht trügt. Man kann jede Rechtseinrichtung ganz leicht so handhaben, daß 11 man sie ad absurdum führt. Das gilt besonders von so schwierigen Dingen wie dem Revisionsverfahren und der Beteiligung des Verteidigers an diesem Verfahren. Wenn der Revisionsrichter die gebotene Strenge des Verfahrens nur ein wenig übertreibt oder vernachlässigt, so gefährdet er im Einzelfall den Zweck seiner Arbeit und auf die Dauer den Sinn des ganzen Rechtsinstituts. Wenn manche Verteidiger eine immer nachlässigere Behandlung des Revisionsrechts bei sich einreißen lassen, wenn die Kunst sachgemäßer Handhabung der Verfahrensrügen allmählich in Vergessenheit gerät, wenn die redliche und mühsame Arbeit weiterhin bequemen, schablonenhaften Formeln Platz macht 40 , wenn auch bei enger Auslegung des Merkmals „offensichtlich" in § 349 Abs. 2 StPO noch die Mehrzahl als offensichtlich unbegründet verworfen werden müssen 41 , wenn es immer öfter dem Revisionsgericht überlassen wird, entweder einer unzulänglich begründeten Revision auf den verschlungensten Wegen um der Gerechtigkeit willen zum Siege zu verhelfen 42 oder zu resignieren - dann kann eines Tages die Frage gestellt werden, aus welchem Grund überhaupt Verteidiger am Revisionsverfahren teilnehmen sollen, oder ob

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41

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B G H 5 StR 350/53 vom 17. 11. 1953. Papst Pius XII. in seiner Ansprache an den VI. Internationalen Strafrechtskongreß am 3. 10. 1953, abgedruckt J Z 1953, 771; der französische Urtext ZStrW 66, 7. „Ich rüge Verletzung des gesamten materiellen und formellen Rechts, der Denkgesetze, der Lebenserfahrung und des Satzes ,in dubio pro reo' Daß auch Fälle des Mißbrauchs vorkommen, läßt sich leider nicht bestreiten. Will man ein Beispiel statt vieler, so lese man O L G Köln M D R 1954, 57 (allerdings eine zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle begründete Revision).

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es dazu nicht einer besonderen Ausbildung und Zulassung bedürfen sollte. Für die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht ist diese Frage schon gestellt worden43, wenn auch u. E. noch mit Unrecht44. Immerhin sollte mancher Verteidiger sich mehr als bisher mit den Fragen vertraut machen, die sich aus der Eigenart des Revisionsverfahrens ergeben. 12 Vielleicht ist sich auch nicht jeder Tatrichter der großen Verantwortung bewußt, die ihm die Eigenart des Revisionsrechts zumißt. Der Verfasser (Sarstedt) erinnert sich der Erleichterung, die er einmal als Tatrichter empfand, als das Reichsgericht ihm eine Entscheidung bestätigte, deren tatsächliche Grundlagen er nur mit inneren Kämpfen festgestellt hatte. Die Erleichterung war ganz unangebracht. Die Bestätigung des Revisionsgerichts bezog sich nur auf die Subsumtion, die in jenem Falle einfach genug war; nicht auf das, was die Kämpfe gekostet hatte. Es gehört zu den Aufgaben des Verteidigers, beim Tatrichter, wenn er vor ihm verhandelt, das Gefühl für die Verantwortung zu stärken; auch die Laienrichter immer wieder daran zu erinnern, daß sie die tatsächlichen Feststellungen in einziger und letzter Instanz treffen. Um hier in jedem Einzelfall das richtige Wort zu finden, bedarf der Verteidiger einer gründlichen Kenntnis des Revisionsrechts. 13 Es ist für den Richter eine kleine und wenig würdige Kunst, sich in der Abfassung von „revisionssicheren" Urteilsgründen zu üben. Das könnte man, wenn es nur darauf ankäme, jedem mittelmäßig begabten Referendar in einigen Monaten beibringen. Die Kritik hat angemerkt, gerade auch das bewirke dieses Buch. Das wäre zu bedauern. Aber wer sich alle Mühe gibt, ein gutes Werkzeug zu schmieden, kann nun einmal nicht hindern, daß es zu schlechtem Zweck mißbraucht wird. Um die Versuchung zu solchem Mißbrauch zu verringern, stehe hier ein Ratschlag für die Abfassung wirklich revisionssicherer Urteile (ohne Anführungszeichen): Man schreibe nichts in die Feststellungen, wovon man nicht mit allen Fasern wirklich überzeugt ist. Was der Kammergerichtsrat E.T.A. Hoffmann45 vom Dichter fordert (,Jeder prüfe wohl, ob er auch wirklich das geschaut, was er zu

43

44 45

L e ß S J Z 1 9 5 0 , 6 8 ; g e g e n i h n W I M M E R N J W 1 9 5 0 , 2 0 1 ; KRAEMER S J Z

1950,

300; vgl. auch HANACK, Festschrift f ü r Dünnebier, S. 319. Siehe unten Rdn. 483 f f . „Die Serapions-Brüder", Erster Band, Erster Abschnitt (das „serapiontische Prinzip").

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verkünden unternommen"), das muß der Richter, der Tatsachen festzustellen hat, von sich selbst fordern. Man unterrichte sich nicht in Revisionsurteilen, welche „Feststellungen" das Revisionsgericht „verlangt", sondern man frage sich selbst, was man nach dem „Inbegriff der Hauptverhandlung" als die eigene Uberzeugung niederschreiben kann. Man halte sich an die subjektive Wahrheit. Dann wird man wenigstens die leidigen Widersprüche aus den Urteilsgründen heraushalten. Und das ist mehr als ein Gewinn an „Revisionssicherheit". Der Tatrichter bedenke, welchen Vorwurf er dem Angeklagten oder Zeugen zu machen pflegt, sobald dieser sich „in Widersprüche verwikkelt". Die Revisionsgerichte sind nur zu höflich, sich gegenüber ihren tatrichterlichen Kollegen ebenso auszudrücken. Sie begnügen sich mit der Feststellung des Widerspruchs. Aber wer sich bei einer Sachdarstellung selbst widerspricht, der sagt nicht die subjektive Wahrheit. Man nehme sich die nötige Zeit in der Verhandlung und in der Beratung, um die Überzeugung des Gerichts oder der Mehrheit hinsichtlich aller erforderlichen Einzelheiten genau festzustellen. Man lasse sich als Berichterstatter nicht in der Beratung drängen und auch nicht aus der Beratung drängen, ehe das alles festgestellt ist; man lasse sich nicht sagen: „Sie werden das schon machen." Die Beratung muß so ausführlich sein, daß die Niederschrift der Gründe kein Problem mehr bietet 46 . Übrigens kann man irren, als Tatrichter wie als Revisionsrichter oder als Schriftsteller. Dann soll man den Mut haben, es zu sagen. Es gibt Tatrichter, die getrost in ihre Urteilsgründe schreiben, sie hätten dies oder jenes versehentlich falsch entschieden. Überflüssig zu sagen, daß das auf ein Revisionsgericht einen besonders guten Eindruck macht, und daß gerade solche Richter bei ihm die angesehensten sind. Einen erkannten Fehler einzuräumen, tut der richterlichen Würde keinen Abbruch.

46

Vgl. SARSTEDT J Z 1965, 238, 241 linke Spalte bei Fußn. 29, 30.

I. Gegenstand der Revision

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A

Voraussetzungen der Revision I. Gegenstand der Revision 1. Urteil D i e Revision kann nur gegen Urteile gerichtet werden (§ 333 bis 335). Das sind verkündete Entscheidungen, die aufgrund einer Hauptverhandlung ergehen und auf Freisprechung, Verurteilung, Anordnung einer M a ß r e g e l der Besserung und Sicherung, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Absehen von Strafe oder Einstellung des Verfahrens lauten (§ 2 6 0 Abs. 2 - 4 ) ; ferner sind es Entscheidungen der Strafkammern über Berufungen. Es kommt nicht auf F o r m oder Bezeichnung, sondern auf Unterlage und Inhalt der Entscheidung an 1 . Eine Entscheidung, die das Verfahren beenden will - einstellt, „für unzulässig erklärt" 2 - , weil eine Verfahrensvoraussetzung fehle oder ein Verfahrenshindernis gegeben sei, ist, wenn sie in der Hauptverhandlung ergeht, ein Urteil, auch wenn das Landgericht sie als Beschluß bezeichnet hat; sie kann also mit der Revision angefochten werden. E b e n s o eine Berufungsentscheidung, die das angefochtene Urteil aufhebt und die Sache an ein anderes Gericht erster Instanz verweist 3 , oder ein „Beschluß", der eine Berufung verwirft 4 . Stellt das Gericht dagegen wegen Abwesenheit des Angeklagten ein (§ 2 0 5 ) oder verweist es die Sache an ein Gericht höherer Ordnung (§ 2 7 0 ) , so ist die Entscheidung ein Beschluß und kann auch dann nicht mit der Revision angefochten werden, wenn sie sich fälschlicherweise als Urteil bezeichnet 5 . Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die mit Beschwerde anfechtbar sind, können nicht mit der Revision angefochten

1

BGHSt 18, 381 = NJW 1963, 1747 = MDR 1963, 943 = JZ 1963, 714 (mit Anm. von EB. SCHMIDT) = L M Nr. 1 zu § 14 StPO (mit Anm. von BUSCH).

2 3 4

5

R G S t 6 3 , 2 4 6 = J W 1 9 3 0 , 3 5 5 5 N r . 14 mit A n m . v o n OETKER. R G S t 6 5 , 3 9 7 = J W 1 9 3 2 , 1 7 5 4 N r . 4 2 mit A n m . v o n BOHNE; BLAESE NR. 9. K G J W 1 9 2 9 , 1 8 9 4 N r . 7 mit A n m . v o n GRAF v. PESTALOZZA.

BayObLGSt 1 9 4 9 / 5 1 , 302; B G H S t 25, 242, 243 = auch KK-PIKART § 333 Rdn. 3 m. w. Nachw.

N J W 1974, 154; vgl.

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A. Voraussetzung der Revision

werden 6 . Die Anordnung über die Dauer der Bewährungszeit gehört in einen besonderen Beschluß 7 . Nimmt das Gericht sie aber in das Urteil auf, so ist statt der Beschwerde die Revision das gegebene Rechtsmittel, jedoch kann das Urteil auch auf Revision nur in dem Umfange nachgeprüft werden, den § 305a Abs. 1 Satz 2 vorsieht 8 . Eine Entscheidung nach § 371 Abs. 2 ist ein Beschluß und nur mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar 9 . - Hat der Beschwerdeführer sich fälschlicherweise nach der äußeren Form der Entscheidung gerichtet, so wird sein Rechtsmittel gemäß § 300 in das zulässige umgedeutet. Hat er durch Wahl des falschen Rechtsmittels die Frist für das richtige versäumt, so kann er unter den Voraussetzungen der §§ 44, 45 auf seinen Antrag in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden.

2. Arten der Urteile 15

Die Revision ist gegeben: a) Gegen erstinstanzliche Urteile der Oberlandesgerichte gemäß § 120 GVG. b) Gegen alle Urteile der Strafkammern (einschließlich der Schwurgerichte), sowohl die des ersten Rechtszuges als auch die Berufungsurteile (ausgenommen im Jugendstrafverfahren § 55 Abs. 2 Satz 1 JGG). c) Gegen alle Urteile des Einzelrichters und der (einfachen oder erweiterten) Schöffengerichte, die mit der Berufung angefochten werden können (§ 335). Hier steht dem Beschwerdeführer die Wahl zwischen beiden Rechtsmitteln zu („Wahlrevision", wahlweise Sprungrevision 10 ). Er braucht innerhalb der Wochenfrist (§§ 314, 341) nur zu

6

DÜNNEBIER i n F S f ü r D r e h e r S . 6 6 9 ; v g l . a u c h L R - M E Y E R R d n . 3 z u § 3 3 3 .

BGH NJW 1954, 522 = M D R 1954, 309 = JZ 1954, 260 = LM Nr. 1 zu § 24 StGB (a. F.); KK-PIKART Rdn. 3 zu § 333. 8 BGH 5 StR 354/54 vom 2. 7. 1954. ' BGHSt 8, 383; gegen diese Entscheidung SCHWARZ N J W 1956, 757: nicht überzeugend, da er sich nur mit einem Teil der Gründe auseinandersetzt; abl. auch EB. SCHMIDT 10 zu § 371, resignierend dagegen Nachtrag 2 zu 7

§ 3 7 1 . W i e B G H BÖRKER N J W 1 9 5 1 , 3 9 0 ; HENKEL J Z 1 9 5 6 , 10

502.

Nachdem der frühere § 340 gestrichen ist, kann auch diese Revision uneingeschränkt auf Verfahrensverstöße gestützt werden. Will man jedoch ungenügende Aufklärung oder fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen rügen, so ist es entschieden besser, die Berufung zu wählen.

I. Gegenstand der Revision

19

erklären, daß er das Urteil „anfechte". Er ist aber auch nicht daran gebunden, wenn er bei der Einlegung das Rechtsmittel ausdrücklich als „Berufung" oder als „Revision" bezeichnet hat; er kann die Bestimmung noch bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ändern, dann allerdings nicht mehr. Entscheidet er sich nicht eindeutig, so ist das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln 11 . Hat ein Beteiligter (Staatsanwalt, Mitangeklagter, Privatkläger, Nebenkläger usw.) Berufung eingelegt, so wird die von einem anderen Beteiligten eingelegte Revision ebenfalls als Berufung behandelt. Das gilt auch dann, wenn die Berufung sich auf einen Tatvorwurf bezieht, der sich nur gegen einen Mitangeklagten richtet. 12 Es sollen nicht nur widersprechende Entscheidungen vermieden, sondern es soll auch verhindert werden, daß ein und dasselbe Verfahren gleichzeitig in mehreren Instanzen anhängig ist. Wird die Berufung des anderen Beteiligten zurückgenommen oder als unzulässig verworfen 1 3 , so wird über die Revision als Revision entschieden 14 . Für diesen Fall muß sie also den revisionsrechtlichen Vorschriften genügen, insbesondere form- und fristgerecht begründet worden sein. Zu a-c) Im Jugendstrafverfahren gelten mehrere Einschränkungen 15 . Hier kann Revision nicht einlegen, wer schon Berufung eingelegt hatte ( § 5 5 Abs. 2 J G G ) 1 6 . In dieser Beziehung gelten Angeklagter, Erziehungsberechtigter und gesetzlicher Vertreter zusammen als eine Partei. Hatte einer von ihnen Berufung eingelegt, so kann auch der andere nicht Revision einlegen (§ 55 Abs. 2 Satz 2 J G G ) . Im übri-

11 12

13

14 15

16

LR-MEYER R d n . 8 - 1 0 zu § 335. O L G H a m m N J W 1952, 677; LR-MEYER R d n . 1 zu § 335.

KMR-PAULUS

Rdn. 14 zu § 335 will es zulassen, daß die Anwendung der Vorschrift durch Verfahrensabtrennung ausgeschlossen wird. LR-MEYER a.a.O. wendet dagegen mit Recht ein, daß damit praktisch die Möglichkeit eröffnet werde, die Vorschrift des § 335 Abs. 3 außer Kraft zu setzen. Ist sachlich über die andere Berufung vorab entschieden, so bleibt es bei der Anwendung des § 335 Abs. 3, BayObLGSt 1949/51, 398. H a t das Revisionsgericht versehentlich über die Revision, z. B. gem. § 349 Abs. 2 StPO entschieden, so ist der Beschluß nichtig. B G H S t 17, 94 = N J W 1962, 818 („unbeachtlich"), KK-PIKART Rdn. 11 zu § 335. R G S t 59, 63. Über die Einzelheiten vgl. POTRYKUS Kommentar zum J G G ' z u § 55; BRUNNER J G G , 6. Aufl. 1981, § 55 Rdn. 13ff. D a z u BayObLGSt 1954, 27 und 1961, 258; O L G Celle N J W 1956, 521 Nr. 28; BRUNNER a.a.O. § 55 Rdn. 15.

16

20

A. Voraussetzung der Revision

gen sind hier gewisse Ermessensentscheidungen jeder Anfechtung entzogen. Eine Entscheidung, die nur Erziehungsmaßregeln (außer der Fürsorgeerziehung) oder Zuchtmittel anordnet oder dem Vormundschaftsrichter überläßt, kann zwar mit dem Ziel auf Freispruch oder auf Bestrafung angefochten werden, nicht aber mit dem Ziel der Änderung. Diese Regelung (§ 55 Abs. 1 J G G ) geht den allgemeinen Grundsätzen über die Beschränkung der Revision vor 17 . Eine Revision, die sich auf die Rüge beschränkt, es hätten andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet werden sollen, oder die Auswahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln hätte nicht dem Vormundschaftsrichter überlassen werden dürfen, müßte also als unzulässig verworfen werden18.

3. Unanfechtbar sind alle Urteile des Bundesgerichtshofs.

II. Subjekt der Revision (Beschwerdeführer) 17

Revision kann wirksam nur von solchen Personen eingelegt werden, denen das Gesetz die Befugnis dazu gibt. Nicht revisionsberechtigt ist der nach § 149 Abs. 1 als Beistand zugelassene Ehegatte und der gemäß § 69 Abs. 1 J G G bestellte Beistand in dieser Eigenschaft 19 ; die Beistände haben Rechte nur „in der Hauptverhandlung" (§ 149 Abs. 1; § 69 Abs. 3 Satz 2 J G G ) und allenfalls vorher (§ 149 Abs. 3; § 69 Abs. 3 Satz 1 JGG). Im übrigen sind revisionsberechtigt grundsätzlich alle Prozeßbeteiligten, ausnahmsweise auch andere Personen. Es kommen in Betracht:

1. Die Staatsanwaltschaft 18

Die Staatsanwaltschaft (§ 296) bei dem Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, kann stets Revision einlegen20. Für sie

17 18 19

Vgl. unten Rdn. 84 ff. Siehe ferner POTRYKUS NJW 1954, 1349; BRUNNER a.a.O. Rdn. 8 ff. POTRYKUS 4 zu § 69 JGG; im Widerspruch dazu und unrichtig 2 zu § 55

J G G . Wie hier LR-MEYER Rdn. 13 zu § 333. 20

Vgl. über Revisionen der Staatsanwaltschaft BIERMANN GoltdA 1955, 353.

II. Subjekt der Revision (Beschwerdeführer)

21

ist keine Beschwer 21 erforderlich. Ihr steht die Revision auch dann zu, wenn das Urteil ihrem Antrage entsprochen hat 22 . Sie kann Revision auch zugunsten des Angeklagten (§ 269 Abs. 2) 23 , zugunsten oder zu Ungunsten des Nebenklägers 2 4 und anderer Beteiligter einlegen. Im Privatklageverfahren kann sie auch dann Revision einlegen, wenn sie bis dahin nicht mitgewirkt hat. Die Revision der Staatsanwaltschaft kann immer dazu führen, daß die angefochtene Entscheidung zugunsten des Angeklagten aufgehoben oder abgeändert wird (§ 301) 25 . Besonders gilt, wenn sie gerade zu diesem Zweck eingelegt wird. Eine so beschränkte Revision kann nur mit Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen werden (§ 302 Abs. 1 Satz 2). Das Urteil darf dann auch nicht zu Ungunsten des Angeklagten abgeändert werden (§ 358 Abs. 2). Ob die Revision in diesem Sinne „zugunsten", d . h . nur zugunsten des Angeklagten eingelegt war, will BGHSt 2, 41 nur aus dem Gesamtinhalt der Rechtsmittelerklärungen (Revisionschrift und Revisionsbegründung) beantwortet wissen 2 6 . Ergebe sich aus diesen Erklärungen nicht „mit 21 22

23 24

Siehe unten Rdn. 41. LR-MEYER Rdn. 20 zu § 333. Bedenklich ist allerdings die Praxis insbesondere bayerischer Staatsanwaltschaften, regelmäßig ein Rechtsmittel einzulegen, wenn der Angeklagte das Urteil anficht, und zwar auch in den Fällen, in denen die Entscheidung des Gerichts nur unwesentlich oder gar nicht vom Antrag der Staatsanwaltschaft abweicht. Damit soll oft nur das Schlechterstellungsverbot (§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2) unterlaufen werden. Und zwar selbst gegen seinen Willen, OSprGH, SprG 1948, 255. RGSt 60, 191; BayObLG NJW 1966, 1829; KLEINKNECHT Rdn. 4 zu § 296; K K - R u ß R d n . 7 zu § 297; a . M . LR-MEYER R d n . 14 zu § 333.

" OLG Hamm NJW 1953, 118. 26 Mit Rücksicht darauf schreiben RiStBV Nr. 147 Abs. 3 Satz 2 der Staatsanwaltschaft vor, deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten eingelegt werde. OLG Bremen NJW 1955, 1243 sagt (in einer Beschwerdesache), der Staatsanwalt sei nicht darauf beschränkt, Rechtsmittel zugunsten oder zu Ungunsten des Beschuldigten einzulegen. Dieser Leitsatz ist nicht falsch, aber er kann irreführen. Gewiß ist die Rechtsmittelbefugnis des Staatsanwalts völlig frei, unbeschränkt und von keiner Beschwer abhängig; aber an dem „Entweder/oder", zugunsten oder zu Ungunsten, kommt er trotzdem nicht vorbei. Das ist nämlich kein konträrer, sondern ein kontradiktorischer Gegensatz. Ein Rechtsmittel, das der Staatsanwalt zugunsten des Beschuldigten einlegt, ist ein beschränktes Rechtsmittel; hat er es nicht (in dieser oder einer anderen Weise) beschränkt, so ist es unbeschränkt, dann aber kann es zugunsten oder zu Ungunsten des Beschuldigten wirken; vgl. KK-Ruß Rdn. 12 mit Hinweis auf BGH 5 StR 525/80 vom 16. 12. 1980.

22

A. Voraussetzung der Revision

Sicherheit", daß es sich um eine Revision zugunsten des Angeklagten handele, so könne sie frei zurückgenommen werden. An dieser Entscheidung ist berechtigte Kritik geübt worden 27 . Andere prozessuale Erklärungen, unter Umständen sogar Urteile 28 , werden unter Berücksichtigung von Dingen ausgelegt, die außerhalb der Erklärung liegen. Selbst bei Gesetzen berücksichtigt man die Entstehungsgeschichte. Es besteht kein hinreichender Grund, zum Nachteil des Angeklagten gerade mit Revisionserklärungen der Staatsanwaltschaft strenger zu sein. Daß die Revision unbegründet gewesen wäre, wie der letzte Satz von BGHSt 2, 41 andeutet, läßt zwar die Entscheidung in diesem Einzelfall, nicht aber den allgemeinen Grundsatz weniger unbillig erscheinen. Indessen wird der Verteidiger gut tun, sich auf diesen Grundsatz einzustellen und nicht im Vertrauen auf eine Revision der Staatsanwaltschaft die eigene Revision zu unterlassen oder zurückzunehmen. Ganz besonders gilt das bei Revisionen der Staatsanwaltschaft, die zu Ungunsten des Angeklagten beschränkt sind, z.B. auf das Strafmaß oder auf die Strafaussetzung zur Bewährung. O f t läßt das Revisionsgericht freilich eine solche Beschränkung nicht gelten und hebt dann im Strafmaß auch zugunsten des Angeklagten auf. Aber darauf verlasse man sich nicht, sondern fechte das Urteil selbst an. 19

Die Revision der Staatsanwaltschaft kann nicht zum Nachteil des Angeklagten die Verletzung solcher Rechtsnormen rügen, die nur zu seinen Gunsten gegeben sind (§ 339)29. Solche Rechtsnormen sind: §§ 140 ff., 216, 21730, 26531, 338 Nr. 832; dagegen nicht § 22», 264,

27

28 29

CÜPPERS NJW 1952, 435. In der Entscheidung RGSt 5, 218 bestand „kein Zweifel", daß die Revision zu Ungunsten des Angeklagten eingelegt war, und zwar in einer ganz bestimmten Richtung; auf diese Entscheidung sollte sich daher die Gegenmeinung nicht berufen. BGH NJW 1952, 797. BGH LM Nr. 1 zu § 339; KK-PIKART Rdn. 1 ff. zu § 339 sieht in § 339 einen Anwendungsfall der Rechtskreistheorie; vgl. dazu unten Rdn. 91; RUDOLPHI MDR 1970, 93 ff. (96) dagegen führt § 339 als Beleg gegen die Anerkennung der Rechtskreistheorie an.

30

LR-MEYER R d n . 4 z u § 3 3 9 .

31

B G H bei DALLINGER M D R 1968, 18; O L G Stuttgart M D R 1955, 505 (L);

32

KK-PIKART R d n . 2 z u § 3 3 9 .

LR-MEYER R d n . 5 z u § 3 3 9 . 33

Zu § 22 Nr. 4 vgl. RGSt 59, 267.

II. Subjekt der Revision (Beschwerdeführer)

23

266, 26734, 338 Nr. 1-7". Der Staatsanwalt kann die Revision zu Ungunsten des Angeklagten auch nicht darauf stützen, daß ein Beweisantrag des Angeklagten zu Unrecht abgelehnt worden sei36.

2. Der Angeklagte Der Angeklagte (im Sicherungsverfahren: der Beschuldigte) kann 20 gemäß § 296 Abs. 1 Beschwerdeführer sein, auch wenn er jugendlich37, entmündigt, geisteskrank oder verhandlungsunfähig 38 ist. Beim Angeklagten bedarf es zur Revision einer Beschwer39. In der Erklärung kann der Angeklagte sich durch eine beliebige Person, die nicht Verteidiger zu sein braucht, vertreten lassen40, selbst durch eine juristische Person 41 .

3. Der Verteidiger Der Verteidiger (§ 297), und zwar jeder Verteidiger im Sinne der 21 §§ 137 ff. Er muß nur vor Einlegung der Revision gewählt oder bestellt worden sein42. War seine Vollmacht nicht beschränkt oder zurückgenommen, so erstreckt sie sich ohne weiteres auf die Revision. Dasselbe gilt von der Beiordnung 43 , wenn sie nicht etwa ausdrücklich auf das Verfahren des ersten Rechtszuges beschränkt sein sollte; eine solche Beschränkung empfiehlt sich nicht. Die Beiordnung erstreckt sich aber nicht auf die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht 44 . Hierfür gelten die Vorschriften des § 350 Abs. 345. War die Vollmacht rechtzeitig (sei es auch nur mündlich) vor Einlegung der Revision erteilt, so genügt es, wenn dies auf Verlangen des

34

OLG Frankfurt M D R 1949, 437.

35

KK-PIKART R d n . 3 z u § 339; z u § 338 N r . 5 vgl. R G S t 60, 179

36

O L G B r e m e n N J W 1 9 4 7 / 4 8 , 313; LR-MEYER R d n . 6 z u § 3 3 9 . Z u d e m u m -

gekehrten Fall BGH NJW 1952, 237 = LM Nr. 4 zu § 244 Abs. 3. 37

BRUNNER R d n . 2 z u § 5 5 J G G .

38

A . M . L R - M E Y E R R d n . 15 z u § 3 3 3 .

" Siehe unten Rdn. 39 ff. 40

R G S t . 6 6 , 2 1 2 ; MANNHEIMER M D R 1 9 5 4 , 4 5 4 .

41

OLG Hamm NJW 1952, 1150. RGSt 66, 266. RGSt 37, 23; 40, 6.

42 43 44

B G H S t 19, 2 5 8 =

45

Darüber vgl. unten Rdn. 473 ff.

N J W 1 9 6 4 , 1 0 3 5 ( m i t A n m . SEYDEL)

24

22

23

A. Voraussetzung der Revision

Gerichts später nachgewiesen wird. Dagegen genügt es nach der Rechtsprechung nicht, wenn der Angeklagte die ohne Vollmacht eingelegte Revision nachträglich genehmigt, nicht einmal, wenn er das innerhalb der Revisionsfrist tut 4 6 . Seit der Geltung der §§ 137 Abs. 1 Satz 2 und § 146 S t P O hat es in der Literatur und Rechtsprechung sehr viele Auseinandersetzungen darüber gegeben, ob der Verteidiger, dessen M a n d a t gegen eines jener Verbote verstößt, wirksam die Revision einlegen kann 4 7 . N a c h der Uberwindung dieser Anfangsschwierigkeiten sind die Kontroversen letztlich dadurch praktisch bedeutungslos geworden, daß in aller Regel dem Beschwerdeführer selbst kein Verschulden an einem Fehler des defensor inhabilis angelastet wird; er kann also Wiedereinsetzung verlangen. Ihn darauf hinzuweisen, sollte der Richter als seine Amtspflicht ansehen, statt die Revision als unzulässig zu verwerfen. Aber auch nach einem solchen Verwerfungsbeschluß ist die Wiedereinsetzung noch zulässig. Der Verteidiger ist Vertreter im Willen 48 , nicht nur in der Erklärung. Die Revision ist seine Erklärung. Seine Befugnis, Revision aus eigenem Recht einzulegen 4 9 , gilt aber nicht unbeschränkt. E s ist ihm verwehrt, gegen den ausdrücklichen Willen des Angeklagten Revision einzulegen (§ 297). Geht eine abweichende Erklärung des Angeklagten erst später ein, so ist darin in der Regel eine Rücknahme der Revision zu sehen 5 0 .

4. Der gesetzliche Vertreter 24

Wer gesetzlicher Vertreter ist, bestimmt sich nach bürgerlichem Recht. Bei ehelichen Minderjährigen sind beide Eltern zusammen RGSt 66, 267; L R - M E Y E R Rdn. 8 zu § 341. M A N N H E I M E R MDR 1954, 454 schlägt vor, § 89 Abs. 2 ZPO entsprechend anzuwenden. Der Vorschlag verdient Beifall; jedoch verlasse man sich als Beschwerdeführer nicht darauf, daß die Revisionsgerichte ihn befolgen werden. " Vgl. die Nachweise bei K K - L A U F H Ü T T E Rdn. 8 ff., 17 zu § 137 und Rdn. 13 zu § 146; K K - P I K A R T Rdn. 13 zu § 341; L R - M E Y E R Rdn. 7 zu § 341; insbesondere BGHSt 26, 335 ff. = NJW 1976, 1440; BGHSt 26, 367 = NJW 1976, 1902; BGHSt 27, 124ff., 131 = NJW 1977, 910; BGH NJW 1978, 384; BayObLG NJW 1978, 150; OLG Hamm NJW 1980, 1059. 48 RGSt 66, 211; 66, 266; BGHSt 12, 367 (369); GA 1973, 47. 49 KK-Ruß Rdn. 13 zu § 302 und Rdn. 3 zu § 297. 50 KK-Ruß Rdn. 3 zu § 297; OLG Düsseldorf GA 1983, 328.

46

II. Subjekt der Revision (Beschwerdeführer)

25

„der gesetzliche Vertreter", nicht der Vater allein. Es genügt, wenn einer von ihnen das Rechtsmittel im Einverständnis mit dem anderen einlegt. Der gesetzliche Vertreter kann die Revision gemäß § 298 selbständig, also unabhängig vom Willen des Angeklagten und auch gegen dessen Willen 51 einlegen, jedoch nur zu dessen Gunsten 52 und innerhalb der für ihn laufenden Frist. Ob der gesetzliche Vertreter die von ihm eingelegte Revision gegen den Willen des Angeklagten zurücknehmen kann, war streitig. Nach richtiger und jetzt herrschender Meinung kann er das nicht 53 . Eine so weitgehende Befugnis steht weder dem Verteidiger noch dem Staatsanwalt zu. Es geht nicht an, daß der Angeklagte des Rechtsmittels nur deshalb verlustig geht, weil er sich auf das von seinem gesetzlichen Vertreter eingelegte Rechtsmittel verlassen und deshalb nicht noch selbst ebenfalls Revision eingelegt hat. Gerade bei einem Angeklagten, der einen gesetzlichen Vertreter hat, wäre es eine ungewöhnliche Zumutung, daß er das schon für ihn eingelegte Rechtsmittel auch selbst noch einlegen sollte. Verliert der gesetzliche Vertreter diese Stellung während des Revisionsverfahrens, so scheidet er aus dem Verfahren aus54; jedoch kann der Angeklagte die Revision fortführen 5 5 , und zwar selbst dann, wenn er vorher auf Rechtsmittel verzichtet hatte. 56 Aufgrund einer Vollmacht des Angeklagten kann der gesetzliche Vertreter Revision auch in dessen statt im eigenen Namen einlegen 57 . Er kann dem Angeklagten auch einen Verteidiger bestellen.

25

5. Die Angehörigen des Angeklagten Die Angehörigen des Angeklagten (§ 286 Abs. 1 Satz 2), die im weitesten Sinne zu nehmen sind58, haben im Verfahren gegen Abwesende 51

POTRYKUS 2 z u § 5 5 J G G ; BRUNNER 2 z u § 5 5 J G G .

52

OLG

53

54

Hamm N J W 1 9 7 3 , 1 8 5 0 ; L R - M E Y E R Rdn. 1 5 zu § 3 3 3 . KK-Ruß Rdn. 5 zu § 298; KXEINKNECHT Rdn. 6 zu § 298; E B . S C H M I D T 4 zu § 298; OLG Düsseldorf NJW 1957, 840; OLG Celle NJW 1964, 417. RGSt 42, 342; 47, 159. - Über den Fall, daß der gesetzliche Vertreter vor dem Termin stirbt, vgl. OLG Königsberg JW 1928, 1322 Nr. 14 mit Anm. MANNHEIM.

55

56 57 48

Allgemeine Meinung; z.B. KK-Ruß Rdn. 8 zu § 298 anders RGSt 47, 160 in enger Förmelei. KK-Ruß a.a.O. BGHSt 10, 174 (176) = NJW 1957, 799. RGSt 66, 211; 66, 266; KK-Ruß Rdn. 3 zu § 298. KLEINKNECHT R d n . 2 z u § 2 8 6 .

26

A. Voraussetzung der Revision

26

das Recht, als Vertreter des Angeklagten aufzutreten, also auch Revision für ihn einzulegen. Eine Verhandlung findet jedoch nicht statt (§ 285 Abs. 1 Satz 1).

6. Der Erziehungsberechtigte 27

Im Jugendstrafverfahren kann der Erziehungsberechtigte als solcher Revision einlegen, also auch dann, wenn er nicht gesetzlicher Vertreter ist, und auch gegen den Willen des Angeklagten 5 9 und des gesetzlichen Vertreters (vgl. § 55 J G G ) .

7. Der Nebenkläger 28

Nebenkläger kann sein: a) Wer nach § 374 Privatkläger sein könnte (§ 395 Abs. 1). Bei Tateinheit oder gesetzlichem Zusammentreffen zwischen Privatklagedelikt und anderem Delikt (z.B. § 176 Abs. 1 und § 185 StGB) ist zwar die Privatklage unzulässig, die Nebenklage aber zulässig 6 0 , es sei denn, daß das Privatklagerecht durch Fristablauf, Rücknahme oder Vergleich untergegangen ist 61 . Nach herrschender Ansicht soll sich auch im Falle des § 232 StGB der öffentlichen Klage nicht anschließen können, wer die Antragsfrist versäumt hat 62 . b) Die nahen Angehörigen einer Person, die durch eine rechtswidrige Tat getötet worden ist (§ 395 Abs. 2 Nr. I) 6 3 . c) Wer gemäß § 172 die Anklage erzwungen hat (§ 395 Abs. 2 Nr. 2) 64 .

"

POTRYKUS 2 z u § 5 5 J G G , B R U N N E R 2 z u § 5 5 J G G .

60

LR-WENDISCH Rdn. 2, 3 zu § 395 mit weiteren Angaben. Das Nebenklagerecht besteht in diesen Fällen auch, wenn sich die Anklage auf das Privatklagedelikt nicht bezieht. KK-v. STACKELBERG Rdn. 4 unter Hinweis auf B G H 3 StR 5/80 v. 13. 2. 1980.

61

62

B a y O b L G S t 1972, 78 =

N J W 1 9 7 2 , 1631; WÜSTER N J W 1 9 5 6 , 1 5 4 7 ;

mit R e c h t LR-WENDISCH R d n . 21 z u § 395;

richtig

a u c h VIEWEG N J W

A.M. 1956,

1227, beide mit näheren Angaben. "

LR-WENDISCH R d n . 9 zu § 395.

64

Das soll nach O L G Frankfurt N J W 1979, 994 nur dann gegeben sein, wenn der Strafsenat des O L G auf den Antrag nach § 172 Abs. 3 S t P O hin eine Sachentscheidung getroffen hat, so auch KMR-MÜLLER Rdn. 21 zu § 396 StPO.

II. Subjekt der Revision (Beschwerdeführer)

27

d) Der Bundespräsident im Falle des § 90 StGB und der Betroffene im Falle des § 90b StGB. e) Bei Vergehen gegen das Interzonen-Wirtschaftsrecht (§ 20 WiStG) steht der zuständigen Behörde das Recht der Nebenklage zu. Gegen Jugendliche ist jede Nebenklage unzulässig (§ 80 Abs. 3 29 JGG). Für die Zulässigkeit der Nebenklage kommt es nicht auf den drin- 30 genden oder hinreichenden Verdacht, sondern auf die rechtliche Möglichkeit einer Verurteilung wegen des Nebenklagedeliktes an 65 . Das gilt auch für den Fall des tateinheitlichen oder des gesetzlichen Zusammentreffens zwischen dem Nebenklagedelikt und einer anderen Straftat 66 . Der Nebenkläger kann sich nur „der erhobenen öffentlichen Klage" (§ 395) anschließen, nicht aber einem Antrag auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt 67 , den der Staatsanwalt gemäß §§ 413 ff. stellt, jedenfalls nicht, ehe das Sicherungsverfahren ins Hauptverfahren übergeleitet wird. Der Verletzte oder sein Erbe, der sich gemäß §§ 403 ff. wegen seiner vermögensrechtlichen Ansprüche am Strafverfahren beteiligt, wird dadurch allein noch nicht Nebenkläger 68 ; er muß jedoch auf Antrag zugelassen werden, wenn bei ihm die Voraussetzungen des § 395 vorliegen. Ist das nicht der Fall, so kann er kein Rechtsmittel einlegen (§ 406a). Der Nebenkläger muß prozeßfähig 69 oder durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten sein70. Diesem steht ein selbständiges Neben«

K K - v . STACKELBERG R d n . 3 z u § 3 9 5 ; O L G N ü r n b e r g M D R

1950, 304;

LG

Traunstein D A R 1952, 158; LG Duisburg M D R 1966, 257; OLG Frankfurt NJW 1979, 994; BGH Strafverteidiger 1981, 535. " Vgl. oben Anm. 61 und LG Wuppertal NJW 1947/48, 233 (verfehlt!) mit A n m . v o n ROESEN. "

68

69

V g l . B G H 5 S t R 1 0 2 / 5 3 v . 1 0 . 3 . 5 3 ; L e i t s a t z b e i KIRCHHOF G A 1 9 5 4 , 3 6 8 ;

BGH NJW 1974, 2244; LR-WENDISCH Rdn. 42 zu § 395; KMR-Müller Rdn. 14 zu § 395. OLG Hamm M D R 1949, 242 a.E. = HESt 2, 146/147; KK-v. STACKELBERG Rdn. 5 zu § 404. Nicht unbedingt volljährig; anders unrichtig LG Dortmund DAR 1957, 2 4 4 . Z u t r e f f e n d LR-WENDISCH R d n . 2 5 z u § 3 9 5 .

70

OLG Frankfurt NJW 1950, 882 will die Vertretung durch einen Abwesenheitspfleger, der zur Wahrung der vermögensrechtlichen Interessen bestellt ist, nicht zulassen; der Pfleger möge sich des Anhangsverfahrens bedienen. Diese Entscheidung ist bedenklich. Im Anhangsverfahren ist die Stellung des Verletzten sehr schwach. Die Nebenklage dient typischerweise zur Vorbereitung der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche.

28

A. Voraussetzung der Revision

klagerecht nicht zu71. Auch wer selbst als Mittäter oder Teilnehmer an einer Straftat angeklagt ist, kann nicht als Nebenkläger gegen einen Mitangeklagten zugelassen werden, solange das Verfahren gegen ihn läuft72. Die Befugnis zum Anschluß endet mit Rechtskraft des Urteils. Der Anschluß erfordert einen Zulassungsbeschluß73 des Gerichts74 (§ 396). Er verleiht dem Nebenkläger die Befugnisse des Privatklägers (§ 397). Demnach kann der Nebenkläger auch Rechtsmittel einlegen (§ 390; vgl. § 401 Abs. 2). Legt der bisher nicht beteiligte Nebenkläger ein Rechtsmittel ein, so liegt darin, wenn die Form des § 396 Abs. 1 gewahrt ist, eine ausreichende Anschlußerklärung; den Zulassungsbeschluß erläßt in diesem Falle das Rechtsmittelgericht75. Wenn die Einlegung rechtzeitig war, ist die Rechtsmittelfrist auch dann gewahrt, wenn über die Zulassung erst nach Fristablauf entschieden wird76. 31 Das Revisionsgericht prüft selbständig, ohne Bindung an die Entscheidungen der Vorderinstanz, ob die Nebenklage zulässig ist77. Verneint es das, so verwirft es die Revision als unzulässig78. Hat das Landgericht die Zulassung des Nebenklägers zu Unrecht abgelehnt (und war auch eine Beschwerde79 erfolglos), so steht das dem Anschluß in der Revisionsinstanz nicht nur nicht entgegen, sondern es liegt auch ein Verfahrensverstoß vor, auf den der Nebenkläger seine Revision stützen kann80. Allerdings ist es nicht der zwingende Revisionsgrund des § 338 Nr. 5, denn das Gesetz schreibt die Anwesenheit des Nebenklägers in der Hauptverhandlung nicht vor81. Hat der Ne71 72

73

74

75

76 77

RGSt57, 241. BGH NJW 1978, 330, w o andererseits klargestellt wird, daß die Rolle des Mitangeklagten mit der des Nebenklägers (z. B. bei verbundenen Verfahren um verschiedene Taten) nicht schlechthin unvereinbar ist. Der aus rechtlichen, nicht aber aus tatsächlichen Gründen jederzeit wieder aufgehoben werden kann, BayObLGSt 1952, 270 = NJW 1953, 433. Über Zulassung durch den Vorsitzenden vgl. BayObLGSt 1952, 99; 1955; 19. Die Entscheidung des Erstrichters in diesen Fällen ist für das Rechtsmittelgericht unbeachtlich BayObLGSt 1955, 19; 1970, 171 = GA 1971, 22; RGSt48, 236. RGSt 66, 393. RGSt 77, 324; LR-WENDISCH Rdn. 16f. zu § 401; BayObLG NJW 1966, 1376.

78

LR-WENDISCH R d n . 8 z u § 4 0 1 .

79

Ihre Zulässigkeit ist zweifelhaft, vgl. LR-WENDISCH Rdn. 19-28 zu § 396.

80

LR-MEYER R d n . 31 z u § 3 3 6 .

81

R G J W 1936, 3468.

II. Subjekt der Revision (Beschwerdeführer)

29

benkläger die Zulassung vor der Hauptverhandlung beantragt, ist er jedoch erst während der Hauptverhandlung zugelassen worden, so kann er Wiederholung des ohne ihn abgelaufenen Teils der Hauptverhandlung verlangen. Verzichtet er darauf, so begründet die verspätete Zulassung seine Revision nicht 82 . Soweit es sich um ein Antragsdelikt handelt, muß der Strafantrag rechtzeitig gestellt sein. Die herrschende Meinung 8 3 verlangt, daß ihn der Nebenkläger selbst gestellt haben müsse, daß es also z . B . nicht genüge, wenn der Vorgesetzte des beleidigten Beamten den Antrag gemäß § 374 Abs. 2 Satz 1 (in Verbindung mit § 194 Abs. 3 S t G B ) statt seiner gestellt hat. Dem können wir nicht zustimmen. E s gibt zwei Gründe, aus denen der Gesetzgeber zur Verfolgung gewisser Straftaten einen Antrag des Verletzten fordern kann: erstens die Geringfügigkeit, um deretwillen die Allgemeinheit an der Strafverfolgung nur dann interessiert ist, wenn auch der Verletzte selbst Wert darauf legt; zweitens das berechtigte Interesse, das der Verletzte am Unterbleiben der Verfolgung haben kann. Der erste Grund kommt bei der Nebenklage nicht in Betracht, weil hier der Staatsanwalt das öffentliche Interesse an der Verfolgung bejaht hat. D a s Interesse des Verletzten am Unterbleiben der Verfolgung läßt der Gesetzgeber für den Fall, daß der Vorgesetzte Strafantrag stellt, nicht gelten. D a s bedeutet aber doch nicht, daß der Verletzte, wenn der Prozeß nun gegen seinen Willen stattfinden muß, kein berechtigtes Interesse daran hätte, als Partei an ihm teilzunehmen 8 4 . In der Vorauflage wurde noch die A u f f a s s u n g vertreten, der N e benkläger könne nur dann zugelassen werden, wenn er den Anschluß zur Verfolgung des Angeklagten aus dem Gesichtspunkt begehrt, der ihm das Recht zum Anschluß gibt 8 5 . O b dieser Satz uneingeschränkt auch im erstinstanzlichen Verfahren gilt, oder ob er dort wegen der Unmöglichkeit der Motivforschung zu Rechtsunsicherheit führt, mag hier dahinstehen. Im Rechtsmittelverfahren löst sich das Problem über die Beschwer. Die Berufung oder Revision eines beleidigten N e -

82 83

84 85

B G H L M N r . 1 zu § 296; LR-MEYER R d n . 221 zu § 337.

Rdn. 2 0 zu § 3 9 5 ; BayObLGJZ 1 9 6 5 , 3 7 1 . Vgl. dazu näher SARSTEDT Anm. zu BayObLGJZ 1 9 6 5 , 3 7 2 . 4. Aufl. S. 23 unter Hinweis auf RGSt 69, 244; OLG Celle NdsRpfl. 1952, 57 mit weiteren Nachweisungen; BayObLGSt 1952, 43 = NJW 1952, 798; LR-WENDISCH

B G H 3 S t R 5 1 9 / 5 3 v o m 2 3 . 2. 1 9 5 4 ; LICHTI D A R 1 9 5 3 , 1 0 6 .

32

30

A. Voraussetzung der Revision

benklägers ist nicht zulässig, soweit sie geltend macht, der Angeklagte hätte wegen falscher Anschuldigung verurteilt werden müssen 8 6 . Bezweckt die Revision jedoch Bestrafung wegen des Nebenklagedeliktes, so richtet sich der U m f a n g , in dem das Revisionsgericht das angefochtene Urteil nachzuprüfen hat, nach allgemeinen Regeln 8 7 . Erstrebt also die Revision Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung und rügt sie in Beziehung hierauf eine Verletzung des sachlichen Strafrechts, so ergreift die Rüge - soweit es sich um einen und denselben historischen Sachverhalt handelt - den ganzen Schuldspruch. Es kann daraufhin also unter Umständen auch zu einer Verurteilung kommen, auch wenn der Angeklagte im ersten Urteil freigesprochen war; ebenso kann es zu einem Freispruch kommen, wenn der Angeklagte nur wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung verurteilt war und selbst keine Revision eingelegt hatte. Hier bedarf es jedoch recht genauen Hinsehens 8 8 . 33

Die Revision des Nebenklägers kann darauf gestützt werden, daß der Tatrichter einen Beweisantrag des Staatsanwalts abgelehnt hat 8 9 . D a g e g e n kann der Nebenkläger nicht rügen, daß versäumt wurde, dem Angeklagten das letzte Wort zu erteilen 90 . D a s Urteil kann zwar auf die Revision des Nebenklägers stets auch zugunsten des Angeklagten abgeändert werden 9 1 ; § 301 gilt hier entsprechend. D a g e g e n kann nach allgemeiner Ansicht der Nebenkläger das Rechtsmittel nicht „zugunsten des Beschuldigten" im Sinne des § 302 Abs. 1 Satz 2 einlegen. Die höchstrichterlichen Entscheidungen, die das zugelassen haben, betrafen Revisionen der Finanz- und Hauptzollämter 9 2 , deren Nebenklagerecht der Gesetzgeber inzwischen beseitigt hat.

86 87

BGH 5 StR 906/52 vom 19. 5. 1953; vgl. auch unten Rdn. 42. RGSt 65, 131; BGHSt 13, 143 = NJW 1959, 1740 = MDR 1959, 859 =

L M Nr. 26 zu § 358 (mit Anm. KOHLHAAS); vgl. jedoch die Kritik von

SCHNEIDEWIN J R 1 9 5 9 , 3 2 8 ! ) ; O L G F r a n k f u r t N J W 1 9 7 9 , 9 9 4 .

88

BGH J R 1953, 192 = LM Nr. 1 zu § 401 (L).

89

B a y O b L G D J Z 1 9 3 1 , 174; L M - M E Y E R R d n . 9 4 z u § 3 3 7 ; KK-PIKART R d n . 4 4 z u § 3 3 8 m . H i n w . a u f B G H 4 S t R 4 1 1 / 6 1 v. 19. 1. 1 9 6 2 . KK-PIKART R d n . 4 4 z u § 338 m . H i n w . a u f B G H 4 S t R 4 1 1 / 6 1 v. 19. 1. 1962.

90

91

92

BayObLGSt 1953, 266 = MDR 1954, 376; BGH Strafverteidiger 1981, 271. RGSt 22, 400; 62, 213.

II. Subjekt der Revision (Beschwerdeführer)

31

Zweifelhaft ist, ob und wann der Angeklagte seine Revision darauf stützen kann, daß ein Nebenkläger zugelassen worden ist, obwohl er nicht hätte zugelassen werden dürfen 9 3 . D a ß darin eine Verletzung des Verfahrensrechts liegt, kann freilich nicht bezweifelt werden. Jedoch wird das Urteil darauf nur ausnahmsweise beruhen können, auch wenn der fälschlich zugelassene Nebenkläger Anträge und Fragen gestellt oder Erklärungen zur Sache abgegeben hat 9 4 . Denn soweit er damit erhebliche Tatsachen in das Verfahren eingeführt hat, hätte das Gericht sie meist im Wege der Amtsaufklärung ohnehin ermitteln müssen; jedenfalls müßte es das - nachdem die Tatsachen nun einmal bekannt sind - in der erneuten Hauptverhandlung tun, so daß die Rüge dem Angeklagten nichts helfen könnte. Soweit der Nebenkläger Ansichten, Beurteilungen, Wünsche geäußert hat, gingen sie durch das Filter der richterlichen Würdigung und konnten dem Ergebnis nicht schädlicher sein als sonstige unmaßgebliche Äußerungen, denen das Gericht ohnehin in jeder Lage des Verfahrens von zahlreichen Seiten ausgesetzt sein kann 9 5 .

34

Der T o d des Nebenklägers hat die gleiche Wirkung wie ein Widerruf der Anschlußerklärung (§ 402) 9 6 . Eine Weiterführung der Nebenklage durch die Angehörigen ist also im Gesetz nicht vorgesehen 9 7 .

35

8. Der Privatkläger Für die Prozeßfähigkeit des Privatklägers und für die Wirkung seines Rechtsmittels gilt dasselbe wie beim Nebenkläger. Die Rechte aus § 390 stehen auch dem Privatklageberechtigten zu, der gemäß § 375 Abs. 2 einem anderen Privatkläger beigetreten ist oder mit Einlegen des Rechtsmittel beitritt. Gegen einen Jugendlichen ist die Privatklage 93

Vgl. RGSt 41, 168; 66, 348; OLG Köln HESt 1,219 = NJW 1949, 35 mit Anm. ROESEN; OLG Hessen (Darmstadt) J R 1949, 512; BayObLGSt 1953, 64 =

N J W 1953, 1116; O L G Frankfurt N J W 1966, 1669; LR-MEYER

R d n . 3 2 z u § 3 3 6 ; EB. SCHMIDT R d n . 14 z u § 3 3 6 ; K K - v . STACKELBERG Rdn. 14 zu § 3 9 6 .

94 95

Vgl. unten Rdn. 184 ff. BayObLGSt 1953, 64 = NJW 1953, 1116; vgl. auch BGH MDR 1953, 148.

96 97

OLG Celle NJW 1953, 1726. OLG Nürnberg 1978, 1017; OLG Stuttgart NJW 1970, 822; a.A. OLG Zweibrücken 1966, 2077 (Analogie zu § 397 Abs. 1 i.V.m. § 393 Abs. 2, 3);

vgl. auch K K - v . STACKELBERG Rdn. 5 zu § 402.

36

32

A. Voraussetzung der Revision

nicht zulässig (§ 80 JGG), wohl aber gegen einen Heranwachsenden. Widerklage ist auch gegen einen jugendlichen Privatkläger zulässig. Der gesetzliche Vertreter des Privatklägers kann nur für diesen handeln, also nicht im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen. Der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten im Privatklageverfahren hat dagegen die Rechte aus § 298. 37 Stirbt der Privatkläger, so wird das Verfahren von Amts wegen eingestellt (§ 393 Abs. 1), auch wenn die Revision schon eingelegt und begründet worden ist98. Nur im Falle der Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) können Kinder, Ehegatte, Eltern, Geschwister oder Eltern des Privatklägers binnen zwei Monaten die Privatklage fortsetzen (§ 393 Abs. 2, 3). Bei Tatmehrheit mit anderen Privatklagedelikten kann nur die Beleidigung weiterverfolgt werden. Für den Fall der Tateinheit vertrat G A G E in der ersten Auflage die Ansicht, die Tat müsse unter allen rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt werden. Daran kann nicht festgehalten werden. Für die Würdigung der Tat als Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Bedrohung usw. bildet der Tod des Privatklägers ein Verfahrenshindernis, ähnlich wie die Verjährung oder das Fehlen oder die Rücknahme des Strafantrags. Ebenso verhält es sich, wenn nicht die Verjährung, sondern der Tod des Privatklägers das Hindernis für die Verfolgung des Hausfriedensbruchs bildet.

9. Andere Revisionsführer 38

Werden Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte gemäß §§ 430 ff. in ein Strafverfahren einbezogen oder wird gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen gemäß § 444 eine Geldbuße festgesetzt, so stehen ihnen im Falle einer Beschwer die ordentlichen Rechtsmittel, gegebenenfalls also auch die Revision zu. Eine Besonderheit dieses Verfahrens ist, daß solche Nebenbeteiligten die festgestellte Schuld von Angeklagten nicht in Frage stellen können. Der Gesetzgeber hat das ganze Verfahren in einer kaum zu überbietenden Verwickeltheit geregelt, statt sich an den einfachen Grundsatz zu halten, daß ein Verfahren, an dem jemand nicht beteiligt war und werden konnte, ihm gegenüber keine Wirkung äußern kann. Eine nähere Darstellung

Über die Kosten in diesem Falle vgl. OLG Celle M D R 1953, 570 gegen OLG Braunschweig NJW 1949, 835; beim Tode eines von mehreren Privatklägern BayObLG NJW 1960, 2065.

III. Beschwer

33

würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Wir verweisen auf die eingehende Erörterung bei L R - S C H Ä F E R Z U den genannten Vorschriften.

III. Beschwer Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision ist (soweit nicht 39 die Staatsanwaltschaft Beschwerdeführerin ist), daß der Revisionsführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist". Dies ist dann der Fall, wenn der entscheidende Teil des Urteils ihm unmittelbar Nachteil zufügt. Die Gründe allein können niemals eine Beschwer enthalten100. Ergeben sie, daß der Angeklagte aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden ist, so kann er nicht Revision einlegen, um wegen erwiesener Unschuld freigesprochen zu werden101. Auch wenn das Urteil den Angeklagten wegen Zurechnungsunfähigkeit (z.B. Geisteskrankheit) freispricht, ist er nicht beschwert, selbst dann nicht,

"

v . HIPPEL S . 5 6 3 f f . ; PETERS S . 5 8 0 ; K L E E D S t R

7 (1940) 30;

LR-MEYER

R d n . 19 z u § 3 3 3 ; K K - P I K A R T R d n . 41 z u § 3 3 7 . E B . SCHMIDT R d n .

14ff.

vor § 296 hält die Beschwer für eine Voraussetzung nicht der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Rechtsmittels. Für die Zulässigkeit fordert er (mit G O L D S C H M I D T Prozeß als Rechtslage S . 409) nur die Behauptung einer Beschwer. Uns scheint diese Unterscheidung überfein und praktisch nicht geboten. Die „Behauptung einer Beschwer" läge doch wohl nicht schon in dem Satz: „ich bin beschwert" (der eine reine Formel wäre, nichts kostete und unschwer in die Tatsache der Rechtsmitteleinlegung hineingedeutet werden könnte), sondern nur in der Behauptung von Tatsachen, die nach richtiger Ansicht, praktisch nach der Ansicht des Revisionsgerichts, wirklich eine rechtliche Beschwer enthalten würden. Dann aber handelt es sich um eine unpraktische Distinktion. Denn diese Tatsachen müßten im Urteil liegen, und über dessen Inhalt gibt es nichts zu „behaupten"; er steht ja fest. Übrigens führen die verschiedenen Meinungen nicht zu verschiedenen Ergebnissen. Die Revision wird so und so verworfen, wenn es an der Beschwer fehlt. EB. SCHMIDT Nachträge S. 460 hält dem zu Unrecht entgegen, daß „die StPO selbst. . . bei der Wiederaufnahme zwischen Zulässigkeit und Begründetheit unterscheidet". Wir leugnen diesen Unterschied ja nicht. Aber bei der Revision ist er hinsichtlich der „Behauptung einer Beschwer" gegenstandslos. 100

EB. SCHMIDT 1 5 - 2 5 v o r § 2 9 6 ; L R - M E Y E R R d n . 2 2 z u § 3 3 3 ; a . M . R o o s

JR

1 9 5 1 , 2 0 0 ; H E N R I C H S M D R 1 9 5 6 , 1 9 6 ; SCHWENK N J W 1 9 6 0 , 1 9 3 2 . 101

RGSt 67, 317; O L G Schleswig SchlHA 1949, 322; O L G Hamm NJW 1953, 1484; B G H S t 7, 153 = NJW 1955, 639 = M D R 1955, 308 (mit Anm. von MEYER); L R - M E Y E R R d n . 2 4 z u § 3 3 3 .

A. Voraussetzung der Revision

34

wenn die Feststellung der Geisteskrankheit ihn praktisch viel härter trifft, als eine Verurteilung ihn treffen würde 102 . Die entgegengesetzte Ansicht des Kammergerichts 103 hat sich nicht durchgesetzt 104 . Wollte man die Anfechtung wegen jeder beschwerenden Ausführung der Urteilsgründe zulassen, so würde das zu einer uferlosen Ausweitung des Verfahrens führen. Auch wenn die Unerweislichkeit der Tat und damit der Freispruch längst feststünde, müßte das Gericht, um sich nicht der Aufhebung des Urteils auszusetzen, das Verfahren so lange weiterführen, bis entweder die Unschuld oder die Nichterweislichkeit der Unschuld feststünde. Eine so weitgehende Mehrbelastung (nicht nur der Rechtsmittelgerichte) würde die Strafjustiz im ganzen nicht verbessern, sondern verschlechtern. HENRICHS 105 nennt das einen utilitaristischen Standpunkt; er begegnet ihm mit einem Hinweis auf „die Größe und Erhabenheit des Rechts und auf die Verpflichtung zum Dienst an Wahrheit und Gerechtigkeit"; er meint, „etwaige Mehrarbeit würde die erforderlichen Mehrarbeiter finden". Aber die Mehrarbeit und damit die Zahl der erforderlichen Mehrarbeiter wäre so groß, daß man die Ansprüche an deren Eignung bedeutend verringern müßte. Es muß auch schon ohne Mehrbelastung der Strafjustiz bezweifelt werden, ob die Zahl der besetzten Planstellen nicht längst größer ist als die der zum Richteramt geeigneten Juristen. Die von H E N R I C H S angerufenen hohen Werte würden, wenn seine Forderung erfüllt werden sollte, zum guten Teil in die Hände von Personen gelegt werden müssen, denen der Mantel der richterlichen Unabhängig102

R G S t 63, 184; 69, 12; O L G Celle J R 1949, 388; ALSBERG-NÜSE S. 6 6 f f . ; EB.

103

K G D R Z 1948, 255 mit (insoweit) zustimmender Anm. von GALLAS. O L G Schleswig SchlHA 1958, 50 = N J W 1957, 1487 = G o l t d A 1958, 347 = J Z 1958, 374 (mit Anm. von EB. SCHMIDT) hält einen Freispruch gemäß § 51 Abs. 1 (jetzt § 20) StGB jedenfalls dann f ü r beschwerend, wenn eine tatbestandsmäßig rechtswidrige Handlung nicht erwiesen ist. O L G Stuttgart N J W 1959, 1840 meint sogar, ein wegen erwiesener Geisteskrankheit Freigesprochener sei auch bei festgestellter tatbestandsmäßig rechtswidriger Handlung in einer Weise beschwert, die ihm die Revision e r ö f f n e (ebenso O L G Saarbrücken N J W 1960, 2068). Diese beiden Entscheidungen (Schleswig und Stuttgart) veranlaßten das BayObLG, die Rechtsfrage gemäß § 121 Abs. 2 G V G dem Bundesgerichtshof vorzulegen ( N J W 1 9 6 1 , 576). Er hat sie durch ausführlich begründeten Beschluß vom 24. 1 1 . 1961 in dem hier vertretenen Sinne entschieden, BGHSt 16, 374 = N J W 1962, 404 = M D R 1962, 495 = J R 1962, 148 (L) = L M Nr. 4 zu § 2 9 6 (L). M D R 1956, 196.

SCHMIDT 2 0 v o r § 2 9 6 . 104

105

III. Beschwer

35

keit zu weit ist. Gegenüber dem Einwand, gerade die Zulassung von Rechtsmitteln gegen Freisprüche aus Mangel an Beweisen werde solche Freisprüche erst diffamierend machen, weiß H E N R I C H S nur den Rat, überhaupt auf die Urteilsbegründung für Freisprüche zu verzichten; statt ihrer soll das Protokoll dienen. Das wäre eine schöne Rehabilitierung, bei der das Gericht sich nicht einmal selbst darüber klar zu werden brauchte, ob der Angeklagte unschuldig, geisteskrank oder nicht überführt ist! Es muß eingeräumt werden, daß es einzelne Härtefälle geben kann, in denen nach Abhilfe gesucht werden sollte. Die unerläßliche enge Umgrenzung bildet dabei jedoch eine kaum überwindbare Schwierigkeit106. Der Angeklagte ist nicht nur dann beschwert, wenn er zu Strafe 40 verurteilt oder wenn gegen ihn auf eine Maßregel der Besserung oder Sicherung erkannt worden ist, sondern auch dann, wenn er in den Fällen des § 199 StGB oder des § 233 StGB für straffrei erklärt worden ist, oder wenn in den Fällen der §§ 60, 139 Abs. 1, 157, 158, 175 Abs. 2 StGB von Strafe abgesehen wird. Hier liegt die Beschwer im Schuldspruch 107 . Wird bei Freispruch auf Unbrauchbarmachung (§ 74d StGB) oder auf Einziehung erkannt, so ist auch das eine Beschwer 108 . Die Einziehung beschwert nicht nur den Eigentümer, sondern auch den unmittelbaren Besitzer109. Ob die Einstellung des Verfahrens den Angeklagten beschwert, hängt von ihrem Sinn, teilweise 106

Ausführlich dazu KARL PETERS S. 580-584. Er sagt mit Recht: „Die heutige unerfreuliche Situation beruht darauf, daß die Gerichte sich häufig nicht auf ihre eigentliche Aufgabe bei Urteilsabfassung beschränken. Es ist nicht ihre Aufgabe, ihr Bedauern darüber auszusprechen, daß der Angeklagte freigesprochen werden mußte. N o c h weniger ist es ihre Aufgabe, der Staatsanwaltschaft zu bescheinigen, daß die Anklage gar nicht so zu Unrecht erhoben worden ist. Erst recht ist es nicht Aufgabe der Strafgerichte zu moralisieren." Es ist dem Verfasser (S.) begegnet, daß ein Strafkammervorsitzender dem Angeklagten bei der mündlichen Urteilsbegründung gesagt hat, er solle sich ja nicht einbilden, das sei ein Freispruch erster Klasse; er habe sich völlig unmöglich verhalten. Die schriftlichen Urteilsgründe enthielten dann freilich eine völlige Ehrenrettung. Wer sich „völlig unmöglich verhalten" hatte, war also der - allem Anschein nach in der Minderheit gebliebene - Vorsitzende.

107

LR-MEYER R d n . 23 z u § 333.

108

R G S t 6 1 , 2 9 3 ; 6 6 , 4 1 9 ; EB. SCHMIDT R d n . 2 4 v o r § 2 9 6 ; L R - M E Y E R R d n . 2 3

zu § 109

333.

B a y r O b L G S t 1955, 107 =

M D R 1955, 693; LR-MEYER R d n . 23 z u § 333.

36

41

A. Voraussetzung der Revision

auch vom positiven Recht ab 1 1 0 . Im allgemeinen enthält die vorläufige Einstellung (etwa weil ein Strafantrag fehlt, der noch nachgeholt werden kann) eine Beschwer, die endgültige (wenn jede Verfolgung des Angeklagten wegen dieser Tat f ü r immer ausgeschlossen ist 1 1 1 ) dagegen nicht 112 . Wird das Verfahren aufgrund eines Straffreiheitsgesetzes eingestellt, so liegt darin deshalb grundsätzlich keine Beschwer 1 1 3 . Sieht das betreffende Straffreiheitsgesetz jedoch eine Durchführung des Verfahrens auf Antrag des Angeklagten vor, so kann er durch die Einstellung beschwert sein 114 . Der Antrag kann auch noch in der Revisionsinstanz gestellt werden 1 1 5 . Wenn die Beschwer lediglich in einem Nebenpunkt liegt, wie in einer Einziehung, in der Anordnung der Unbrauchbarmachung gemäß § 74d S t G B u.a.m. ( s . o . Rdn. 40), kann sich die Revision dann nur gegen diese Nebenentscheidung richten. Die Beschwer kann auch darin bestehen, daß neben einer Verurteilung, gegen die sich keine oder nur unbegründete Angriffe richten, der Freispruch wegen weiterer Taten unterblieben ist, die nach dem Eröffnungsbeschluß in Tatmehrheit dazu stehen sollen. Die Kosten- und Auslagenentscheidung kann nur mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Bei einer Revision der Staatsanwaltschaft bedarf es grundsätzlich keiner Beschwer 1 1 6 . Der Revision steht auch nicht entgegen, daß das angefochtene Urteil dem Antrage des Sitzungsvertreters entspricht 1 1 7 . N u r kann auch die Staatsanwaltschaft Revision nicht zugunsten des Angeklagten einlegen, wenn er durch das Urteil nicht beschwert ist 118 . Auch zu Ungunsten des Angeklagten ist eine Revision der Staatsanwaltschaft (oder des Nebenklägers) unzulässig, wenn sie sich nur ge110

111

112

113

KLEINKNECHT R d n . 15 v o r § 2 9 6 .

RGSt 42, 401; kritisch EB. SCHMIDT Rdn. 25 vor § 296; unrichtig u.E. OLG Celle NdsRpfl 1951, 149. L R - M E Y E R R d n . 2 6 z u § 3 3 3 ; E B . SCHMIDT R d n . 2 5 v o r § 2 9 6 .

Nicht ganz einheitlich das Reichsgericht; RGSt 69, 124; 69, 157; 70, 193;

wie hier EB. SCHMIDT R d n . 25 vor § 296. 114

115 116 117

118

E B . SCHMIDT R d n . 2 5 v o r § 2 9 6 .

BGHSt 2, 216; BGH 5 StR 111/53 v. 24. 9. 1953. Zweifelhaft EB. SCHMIDT Lehrkommentar Nachträge Rdn. 26 vor § 296. LR-MEYER Rdn. 20 zu § 333; die Staatsanwaltschaft sollte jedoch den Eindruck vermeiden, als wolle sie mit ihrem Rechtsmittel nichts weiter erreichen, als die Aufhebung des Schlechterstellungsverbotes für die Revision des Angeklagten; vgl. oben Fn. 22. R G S t 4 2 , 4 0 0 ; E B . SCHMIDT R d n . 2 7 v o r § 2 9 6 ; L R - M E Y E R R d n . 14 z u

§ 333.

III. Beschwer

37

gen die Gründe, nicht gegen den entscheidenden Teil des Urteils richtet 1 1 '. Beim Nebenkläger muß die Beschwer in der unrichtigen Anwendung gerade desjenigen Gesetzes liegen, dessen Verletzung ihm die Anschlußbefugnis gibt. Handelt es sich um Beleidigung in Tateinheit mit falscher Anschuldigung, so beschwert die unrichtige Anwendung oder die Nichtanwendung des § 164 S t G B den Nebenkläger nicht 1 2 0 .

120

RGSt 63, 184; E B . S C H M I D T Rdn. 27 vor § 296; LR-MEYER Rdn. 20 zu § 333. Ein entsprechender Fall in RGSt 65, 61.

42

38

B. Revisionsgerichte

B Revisionsgerichte 43

Die Revision wird von Amts wegen an das zuständige Revisionsgericht geleitet. Ein Irrtum des Beschwerdeführers darüber, welches Revisionsgericht zuständig ist, hat also nichts zu bedeuten. Es macht jedoch keinen sehr kundigen Eindruck, wenn ein Anwalt schon dadurch seine fehlende Vertrautheit mit dem Revisionsrecht zeigt. Über die Revision gegen erstinstanzliche Urteile der Strafsenate des Oberlandesgerichts und gegen erstinstanzliche Urteile der Strafkammer (auch der Schwurgerichtskammer) des Landgerichts entscheidet regelmäßig der Bundesgerichtshof (§ 135 G V G ) . D a s Oberlandesgericht (in Bayern das Oberste Landesgericht) ist f ü r solche Revisionen nur dann zuständig, wenn sie ausschließlich auf die Verletzung von Landesrecht gestützt sind ( § 1 2 1 Abs. 1 N r . l c G V G ) . Ein praktisches Beispiel kann sich aus der Ermächtigung des Art. 297 E G S t G B an die Länder ergeben, durch Rechtsverordnung die Prostitution einzuschränken; freilich könnte dergleichen kaum einmal unter die erstinstanzliche Zuständigkeit der Strafkammer fallen: die Revision wird also normalerweise von selbst an das Oberlandesgericht gehen. Aber auch im Falle des § 121 Abs. 1 N r . l c G V G wird der Bundesgerichtshof dann zuständig, wenn eine andere Revision gegen dasselbe Urteil die Verletzung von Bundesrecht rügt 1 ; ein und dasselbe Urteil kann nicht von mehreren Revisionsgerichten nachgeprüft werden. O b eine Rechtsnorm im Sinne des § 121 G V G „in den Landesgesetzen enthalten" ist oder dem Bundesrecht angehört, kann bisweilen zweifelhaft sein 2 . In Berlin etwa gilt das Bundesrecht nur, soweit es durch Landesgesetz übernommen ist. Auf dieses Recht kann § 121 Abs. 1 N r . l c G V G nicht angewendet werden 3 . Berlin übernimmt die Bundesgesetze um der Rechtseinheit willen; aus demselben Grund unterwirft es sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 4 .

1

BGHSt 4, 207 = NJW 1953, 1313 = J Z 1953, 571 = LM Nr. 7 zu § 121

G V G mit A n m . GEIER; KISSEL R d n . 4 z u § 121 G V G . 2

Vgl. Art. 125 G G ; KISSEL, a.a.O. Rdn. 4: „Die V o r s c h r i f t . . . i s t . . . eng

auszulegen."

3

4

LR-SCHÄFER R d n . 9 z u § 121 G V G .

Vgl. auch KRÜGER N J W 1954, 1393.

Revisionsgerichte

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Dem würde es gröblich zuwiderlaufen, wenn Revisionen über 44 gleichlautende Vorschriften an das Kammergericht gingen. Der nach der Geschäftsverteilung des Bundesgerichtshofs für Berlin zuständige 5. Strafsenat entscheidet daher in ständiger Rechtsprechung auch in diesen Fällen, und zwar selbst dann, wenn es sich nicht um förmlich übernommene Bundesgesetze, sondern nur um inhaltsgleiche Berliner Gesetze handelt 5 . Die Revision ist nicht „ausschließlich auf die Verletzung von Landesrecht gestützt", wenn Landesrecht in Tateinheit mit Bundesrecht verletzt sein soll6. Uber die Revision gegen andere Urteile, auch gegen die des erwei- 45 terten Schöffengerichts, vor allem gegen alle Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern, entscheidet das Oberlandesgericht (in Bayern das Oberste Landesgericht). Überschreitet die große Strafkammer als Berufungsgericht die amtsgerichtliche Strafgewalt, so ist zu unterscheiden. Hat die Strafkammer ein Urteil des Schöffengerichts aufgehoben, weil dieses gemäß § 24 GVG nicht zuständig gewesen sei7, und hat sie demgemäß nunmehr als „erste" Instanz entscheiden wollen, so geht die Revision an den Bundesgerichtshof 8 . Das beschränkt sich nicht auf Fälle, in denen das Schöffengericht auf mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe, auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung erkannt hat; es gilt vielmehr auch dann, wenn sich das Schöffengericht nur nach Ansicht der Strafkammer hätte für unzuständig erklären sollen, weil sie eine höhere Strafe oder Unterbringung für angebracht hält. Entscheidend ist, ob die Strafkammer als erste Instanz tätig werden wollte, ob sie also ihre eigene Zuständigkeit nur gemäß § 328 Abs. 2 angenommen hat und demgemäß verfahren ist. Hat sie ein Berufungsurteil erlassen und dabei, was ihr bei solchen Verfahren nicht zusteht, die Grenze des § 24 GVG überschritten, so geht die Revision an das Oberlandesgericht 9 , das wegen dieses Fehlers gemäß § 338

B G H 5 S t R 475/52 vom 26. 11. 1952. So zutreffend K G J R 1957, 230 gegen die Bundesanwaltschaft. 7 Dies w a r der Fall in R G S t 74, 139. Vgl. KAPPE J R 1958, 209. 8 LR-MEYER Rdn. 32 zu § 333; BGHSt 23, 283 = N J W 1970, 1 6 1 4 . ' B G H S t 23, 283 = N J W 1970, 1 6 1 4 nimmt schon dann an, daß das Berufungsgericht bei Überschreitung der Strafgewalt des Schöffengerichts „in Wirklichkeit als erstinstanzliches Gericht entschieden" hat, wenn die f ü r das Verfahren in erstinstanzlichen Verhandlungen geltenden Vorschriften beachtet wurden, wenn also insbesondere von § 325 kein Gebrauch ge5

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Nr. 4 aufheben und die Sache zur erstinstanzlichen Verhandlung an das Landgericht zurückverweisen muß 10 . Die Revision gegen das erneute Urteil geht dann an den Bundesgerichtshof. Verbindet das Landgericht eine Berufungssache mit einer erstinstanzlichen Sache, so ist der Bundesgerichtshof für die Revision in beiden Sachen zuständig 11 . Auch w o die Oberlandesgerichte als Revisionsgerichte zuständig sind, haben sie die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn sie von einer nach dem 1. April 1950 (in Strafvollstreckungssachen 1. Januar 1977) ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs in einer Rechtsfrage 1 2 abweichen wollen ( § 1 2 1 Abs. 2 GVG). Das gilt auch für die Sprungrevision 13 . Vorzulegen ist auch, wenn

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macht wurde, so auch KAPPE J R 1958, 209; L R - M E Y E R Rdn. 32 zu § 333. Die Einhaltung der Verfahrensvorschriften ist jedoch oft genug gerade die mit der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, und wer darüber zu entscheiden hat, kann nicht davon abhängen, wie die Entscheidung ausfällt. Vgl. jetzt auch BGHSt 31, 63 ff., wo die „Umdeutung" des Berufungsurteils in ein im ersten Rechtszug ergangenes Urteil deshalb abgelehnt wurde, weil auch noch gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen worden war. OLG Hamburg NJW 1953, 1931 (L) macht diese Unterscheidung nicht. Wie es sich dort verhielt, lassen die (unveröffentlichten) Gründe des Beschlusses nicht sicher erkennen. Sie sagen aber immerhin, die Strafkammer habe „als Berufungsgericht" entschieden. Für den Bundesgerichtshof war der Beschluß gemäß § 348 Abs. 2 bindend. Das hätte ihn freilich nicht zu hindern brauchen, das Urteil seinerseits gemäß § 338 Nr. 4 aufzuheben. Er hat aber die Revision verworfen, ohne auf die Frage einzugehen (2 StR 404/53 vom 4. 12. 1953). Anscheinend war der Verstoß nicht gerügt. Allerdings läßt sich die Ansicht vertreten, es bedürfe keiner Rüge, weil die Einhaltung der amtsgerichtlichen Strafgewalt eine Verfahrensvoraussetzung für ein Berufungsurteil sei. Ausführlich über die genannten Entscheidungen DALLINGER M D R 1954, 152f. (zu § 24 Abs. 2 GVG) mit weiteren Angaben; E B . S C H M I D T 25 zu § 328; KAPPE JR 1958, 209; OLG Dresden JW 1928, 2375 Nr. 5 mit Anm. WEBER; L R - M E Y E R Rdn. 32 zu § 333. BGHSt 26, 271 = NJW 1976, 720; G E I E R ZU L M Nr. 7 zu § 121 GVG; BGH NJW 1955, 1198 = M D R 1955, 755 = L M Nr. 2 zu § 237; L R MEYER R d n . 3 1 z u § 3 3 3 .

Bei Abweichungen in einer Tatfrage entsteht keine Vorlagepflicht. BGHSt 1, 358 = NJW 1951, 969 = LM Nr. 2 zu § 121 GVG (L); BGHSt 17, 205 = NJW 1962, 1211; BGHSt 27, 212 (214); 29, 18; 31, 86 (89); KK-SALGER R d n . 3 1 f f . z u § 1 2 1 G V G ; KISSEL R d n . 2 1 z u § 1 2 1 G V G .

BGHSt 2, 63 = J Z 1952, 149 = L M Nr. 4 zu § 345 mit Anm. MEYER R d n . 2 z u § 3 4 5 .

WERNER; L R -

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von einer stillschweigenden Entscheidung einer Rechtsfrage abgewichen werden soll 14 . Die Vorlagepflicht besteht auch für rein landesrechtliche Fragen 15 , solange sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts aus § 121 Abs. 1 Ziff. l a und b GVG ergibt. In Fällen des § 121 Abs. 1 Ziff. l c G V G ist die Vorlage unzulässig 1 '. D e r Bundesgerichtshof kann nach seinem Ermessen entweder durch Urteil über die Revision 17 oder durch Beschluß nur über die Rechtsfrage 1 8 entscheiden 19 .

14 15

BGHSt 11,31 = NJW 1958, 70 = LM Nr. 2 zu § 361 Nr. 6 StGB mit Anm. von E. KRUMME; BGHSt 23, 28; KJSSEL Rdn. 14 zu § 121 GVG. BGHSt 4, 138 = NJW 1953, 1073 = JZ 1953, 476 = LM Nr. 1 zu § 313 mit Anm. von WERNER. Uber einzelne Voraussetzungen und Einschränkungen der Vorlegungspflicht vgl. ferner BGHZ 5, 356 = NJW 1962, 744 (zu § 28 FGG) = LM Nr. 5 zu § 28 FGG mit Anm. von ASCHER; BGHSt 3, 234 = NJW 1953, 36 = LM Nr. 5 zu § 121 GVG (L); BayObLGSt 1949/51, 550 = NJW 1952, 313 mit Anm. v. LICHTI (unrichtig, vgl. BGHSt 10, 94 = NJW 1956, 351 = MDR 1956, 242 = JZ 1956, 331 = LM Nr. 2 zu § 136 G V G mit A n m . v o n BUSCH); O L G K ö l n N J W 1952, 909.

7. Aufl., Erg. Bd. GVG Rdn. 9 zu § 121; KISSEL Rdn. 12 zu § 121. BGHSt 23, 141, 144 = NJW 1970, 255 („Der Senat sieht es als zweckmäßig an, über die Revision selbst zu entscheiden."): Vgl. SARSTEDT DRiZ 1960, 352 Anm. 86, 87. JESCHECK GoltdA 1956, 116 hält das für einen Eingriff in die Gerichtsbarkeit des vorlegenden Oberlandesgerichts. Demgegenüber empfiehlt sich, wie so oft bei juristischen Streitfragen, ein Blick auf den Wortlaut des Gesetzes. Nach § 121 Abs. 2 GVG hat das Oberlandesgericht „die Sache" dem Bundesgerichtshof vorzulegen; eine Vorschrift wie in § 138 Abs. 1 GVG fehlt in § 121 Abs. 2 GVG. Übrigens ist auch in der Sache selbst die Sorge JESCHECKS unbegründet. Die Vorlegung ist ohnehin nur zulässig, wenn die Entscheidung nach Ansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts von nichts anderem mehr abhängt als von der Vorlegungsfrage. " Dies ist praktisch der Regelfall; vgl. zuletzt BGH NJW 1981, 1627; NJW 1981, 1968; NJW 1981, 2366. 19 Gegen diese Rechtsprechung BAUR JZ 1953, 326 (328 r. Sp.) aus u.E. allzu theoretischen Gründen. Es ist im Interesse der Rechtseinheit nicht erforderlich und deshalb nicht Sache des Bundesgerichtshofs, den Oberlandesgerichten umfangreiche Arbeit abzunehmen, die neben dem Vorlegungssatz liegt. Er wird deshalb im allgemeinen nur dann durch Urteil über die Revision selbst entscheiden, wenn das nach der Entscheidung des Vorlegungssatzes keine wesentliche Mehrarbeit verursacht, d. h. wenn er dem vorlegenden Oberlandesgericht in allen anderen Punkten beitritt. - DALLINGER MDR 1952, 148 (zu § 121 Abs. 2 GVG) stimmt dem Bundesgerichtshof grundsätzlich zu. Die von ihm angedeutete Sorge, es könne sich in dieser Hinsicht eine verschiedene Praxis entwickeln, hat sich inzwischen als unbegründet erwiesen. Oft ist die Entscheidung, ob Urteil oder Beschluß, geradezu zwangsläufig. Dem aufmerksamen Leser des Beschlusses BGH NJW 16

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KMR,

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47

Die Vorlagepflicht des § 121 Abs. 2 G V G 2 0 ist im Interesse der Rechtseinheit gut gemeint, u . E . aber eine Übertreibung. Ernste Mißstände sind in den langen Jahrzehnten, in denen sie nicht bestand, nicht hervorgetreten. Dagegen entmutigt die Vorlagepflicht das Suchen nach eignen Lösungen (wie es doch den unteren Gerichten zusteht) und begünstigt einen gedankenlosen Leitsatzkult. Sie belastet zwar den Bundesgerichtshof nicht besonders stark; die Zahl der Vorlegungen hält sich in erträglichen Grenzen. Es wäre aber für den Bundesgerichtshof und sein Ansehen besser, wenn er die Oberlandesgerichte durch das Gewicht seiner Gründe überzeugte, statt sie „mit Gewalt" zur Unterordnung zu nötigen. Es handelt sich um eine empfindliche Einschränkung des Grundsatzes richterlicher Entscheidungsfreiheit; im deutschen Verfahrensrecht ist das systemwidrig 21 .

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Gegen diese schon in der Vorauflage vertretene Auffassung hat SCHÄFER22 durchaus beachtliche, uns jedoch im Ergebnis nicht überzeugende Argumente zur Verteidigung der Vorschrift geltend gemacht. S C H Ä F E R ist der Meinung, schon allein der Anteil der Vorlageentscheidungen bei den in der amtlichen Sammlung des Bundesgerichtshofs veröffentlichten Entscheidungen zeige, „wie es heute aussähe, wenn die Vorlagepflicht nicht bestünde". Die amtliche Sammlung ist jedoch für eine statistische Aussage gerade insoweit denkbar ungeeignet, weil die Entscheidungen, die auf eine Vorlage ergehen, so gut wie ausnahmslos abgedruckt werden. Gemessen an der Gesamtzahl der BGH-Entscheidungen bilden sie dagegen einen verschwindend geringen Anteil. Dasselbe gilt, wenn man die Zahl der Fälle in Beziehung

20

1962, 544 wird nicht entgehen, daß hier einfach noch kein Urteil möglich war. Umgekehrt hätte im Falle B G H S t 10, 247 = N J W 1957, 996 = M D R 1957, 432 = L M N r . 11 zu § 330a S t G B (mit Anm. FRANKEL) der Bundesgerichtshof das vorlegende Oberlandesgericht in eine äußerst schwierige Lage gebracht, wenn er das Urteil nicht selbst erlassen hätte. Vgl. auch KISSEL Rdn. 27 zu § 121 G V G . Zur Entstehungsgeschichte MÖHRING N J W 1950, 47; zur Auslegung vergleiche auch das Schrifttum und die Rechtsprechung zu § 28 F G G , sowie zu §31

Abs.

1 BVerfGG,

z.B.

GEIGER N J W

1954,

1057

und

BGH

(GSZ)

B G H Z 13, 265 = N J W 1954, 1073 = M D R 1954, 538 = BB 1954, 642. 21

V g l . H . MAYER S p r G 137 z u § 1 G V G ;

1949, 60; ERNST COHN S p r G

für Eb. Schmidt, 1961, S. 497. 22

1949, 6 5 ; KISSEL R d n .

L R - S C H Ä F E R R d n . 1 6 z u § 1 G V G ; PETERS i n F e s t s c h r i f t

LR-SCHÄFER R d n . 34 z u § 121 G V G .

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zur Gesamterledigungszahl der Strafsenate der Oberlandesgerichte setzt. Gerade wenn man sich diese vergegenwärtigt, muß man auch daran festhalten, daß § 121 Abs. 2 G V G technisch nicht zu Ende gedacht ist, was SCHÄFER23 bestreitet: „Perfektionismus anstreben, wäre verfehlt und hieße Wohltat zur Plage verwandeln." Eben darum sind wir aber auch der Auffassung, daß man nicht mit einem so unvollkommenen Mittel wie der Vorlagepflicht den Perfektionismus der Rechtseinheit anstreben sollte. Es ist völlig unmöglich, daß jedes Oberlandesgericht auch nur einen nennenswerten Anteil der Entscheidungen aller anderen Oberlandesgerichte kennt, geschweige denn alle. Damit verhält es sich anders als bei § 136 G V G , der für die Senate die Kenntnis von dem erleichtert, was bei den anderen geschieht. Eine Anfrage, ob dieses oder jenes schon einmal entschieden sei, ist formlos möglich und dauert oft nur Minuten. Es ist auch dem Mitglied eines Strafsenates des Bundesgerichtshofs wohl immer noch möglich, alle Urteile aller Senate zu lesen. Schließlich wirkt die Bundesanwaltschaft, bei der alle Entscheidungen zusammenlaufen, als eine starke Klammer zwischen den Senaten. Aber selbst hier bedarf es besonderer Vorkehrungen, um Einheitlichkeit einigermaßen zu gewährleisten; und trotzdem lassen sich nicht einmal innerhalb einer und derselben Behörde, wo solche Vorkehrungen einfach verfügt werden können, alle Abweichungen vermeiden. Aber ganz und gar unmöglich ist das bei den Oberlandesgerichten. Die Vorlagepflicht kann schlechterdings nicht vollkommen erfüllt werden. Nur theoretisch gilt sie für die Abweichung von allen Entscheidungen; praktisch beschränkt sie sich auf veröffentlichte Entscheidungen. Demnach hängt die Befolgung der Vorschrift weitgehend vom Zufall ab, was ihre Handhabung in die Nähe der Willkür rückt. Aber selbst bei Beschränkung auf Abdruckentscheidungen entstehen Schwierigkeiten, die sich kaum überwinden lassen. O f t kann man einer veröffentlichten Entscheidung nicht ansehen, ob der Urteilsspruch auf dem abgedruckten Teil der Urteilsgründe beruht 24 . Weiterhin hat S C H Ä F E R eingewendet, die Oberlandesgerichte ließen 49 sich nun einmal durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht immer „überzeugen", wie schon die Zahl derjenigen Vorlagen zeige, die sich auf eine beabsichtigte Abweichung von der Rechtsprechung 23 24

a.a.O. Rdn. 35. Ein Beispiel statt vieler: K G J R 1954 mit Anm. von SARSTEDT.

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des Bundesgerichtshofs beziehen. O f t bleibe eben nichts anderes übrig, als eine Kontroverse durch ein „Machtwort" zu beenden, zumal der Weg des § 121 Abs. 2 G V G nicht nur viel rascher, sondern auch viel elastischer sei, als eine Inanspruchnahme des Gesetzgebers zur Bereinigung von Rechtsprechungsdivergenzen 25 . Daran ist richtig, daß es sich meist nicht empfiehlt, auf den Gesetzgeber zu warten, damit er eine Divergenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheidet. Aber auch der Kritiker des § 121 Abs. 2 G V G muß diese Bestimmung vor der Interpretation in Schutz nehmen, ihr Sinn läge darin, einen Meinungsstreit zwischen dem Bundesgerichtshof und einem Oberlandesgericht dadurch im Keime zu ersticken, daß das höhere Gericht ein „Machtwort" spricht. Damit, daß das Gesetz dem Oberlandesgericht die Möglichkeit eröffnet, durch gute Gründe auch den Bundesgerichtshof zu überzeugen, wird die Möglichkeit anerkannt, daß sich auch einmal innovative Tendenzen in der Rechtsprechung „von unten nach oben" entwickeln können. 50

Worin aber läge der Schaden, wenn man beispielsweise in einer Rechtsfrage, in der die ständige Praxis des Bundesgerichtshofs einer geschlossenen Front in der Rechtswissenschaft gegenübersteht, 26 den Oberlandesgerichten gestatten würde, sich danach zu entscheiden, ob ihnen die Argumente des Bundesgerichtshofs am überzeugendsten erscheinen? Auf Gebieten, in denen es keine Vorlagepflicht gibt, bestehen auch heute schon ähnliche gegenläufige Entwicklungen zwischen den verschiedenen Instanzebenen. Bei den Tatgerichten pflegt man beispielsweise durchweg an die Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs sehr viel geringere Anforderungen zu stellen, als bei den Revisionsgerichten. D a werden zum Teil „Gesamtvorsätze" angenommen, die ein Täter allein gar nicht fassen kann und die auch den getroffenen Feststellungen zur Entstehungsgeschichte der einzelnen Taten widersprechen. Die Staatsanwaltschaft rügt so etwas nicht, da sie

25 26

LR-Schäfer a.a.O. Rdn. 34. Ein Beispiel ist die Auffassung des B G H , wonach die Bedrohung mit einer nicht geladenen und nicht einsatzbereiten Gaspistole den Tatbestand des schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllen kann - B G H S t 26, 167, 170; B G H N S t Z 1981, 436; B G H Beschluß vom 19. August 1982 - 4 S t R 4 4 2 / 8 2 - u n d v o m 8. S e p t e m b e r 1 9 8 2 - 3 S t R 2 4 1 / 8 2 - U r t e i l v o m 13.

Oktober 1982 - 3 StR 265/82 - gegen die einhellige Meinung in der Rechtswissenschaft, zuletzt mit überzeugenden Begründungen und weiteren N a c h w e i s e n E S E R J Z 1 9 8 1 , 7 6 1 f f . u n d KÜPER N S t Z 1 9 8 2 , 2 8 f .

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es gewöhnlich schon so angeklagt hat, die Revision des Angeklagten kann darauf nicht mit Erfolg gestützt werden, weil er dadurch regelmäßig nicht beschwert ist, und eine Vorlagepflicht für Strafkammern, die dem § 121 Abs. 2 GVG vergleichbar wäre, gibt es nicht. So hat sich hier längst auf dem Gebiet des ohnehin aus praktischen Bedürfnissen entstandenen Instituts der fortgesetzten Tat eine Rechtsanwendungspraxis auf der Ebene der Landgerichte verselbständigt, neben der sich die immer noch sehr strengen Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an die Fortsetzungstat stellt, wie ein zu praktischen Zwecken unbrauchbares Übungsfeld für Studenten ausnehmen. Auch manch anderer Rechtsfrage täte es gut, wenn vom Oberlandesgericht gut begründete Entscheidungen nicht durch ein „Machtwort" des Bundesgerichtshofs kassiert werden könnten, wodurch auch wünschenswerte Rechtssprechungsentwicklungen von vornherein verhindert würden. Wir können uns deshalb der Meinung 27 auch nicht anschließen, wonach sich die Vorschrift uneingeschränkt bewährt habe. Ferner hat § 121 Abs. 2 GVG eine seltsame Lücke: Nur von den 51 Entscheidungen eines anderen Oberlandesgerichts darf nicht abgewichen werden; dagegen steht nichts im Wege, daß mehrere Senate eines und desselben Oberlandesgerichts ständig verschieden entscheiden! Die Vorlagepflicht begann den Oberlandesgerichten schon nach 52 wenigen Jahren ihrer Geltung so unbequem zu werden, daß sie sogar in veröffentlichten Entscheidungen dagegen verstießen 28 .

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KISSEL Rdn. 13 zu § 121 G V G , HANACK, D e r Ausgleich divergierender Ent-

scheidungen in der oberen Gerichtsbarkeit 1962, S. 353 ff. BayObLGSt 1952 (27) = MDR 1952, 439 weicht ausdrücklich von OLG Düsseldorf NJW 1951, 895 ab; OLG Köln NJW 1953, 357 beruft sich auf seine eigene „ständige Praxis in Abweichung von anderen Gerichten"; zu diesen anderen Gerichten gehört auch der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung! Auch OLG Braunschweig NJW 1954, 973 = NdsRPfl 1954, 114 stellt einen Leitsatz auf, der sich mit der ständigen Praxis des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang bringen läßt (wobei OLG Braunschweig sich zu Unrecht auf OLG Hamm NJW 1953, 1724 beruft: dort handelte es sich um eine Verfahrensvoraussetzung, hier um eine Frage des sachlichen Rechts). KG NJW 1953, 1118 weicht von OLG Düsseldorf VRS 3, 359 ab. Unhaltbar auch OLG Hamburg DDevRdsch 1954, 90 gegen OLG Freiburg DDevRdsch 1952, 91; zutreffend SCHRAMM DDevRdsch 1954, 110. Vgl. ferner HERLANJR 1954, 354.

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Solange die Vorschrift aber gilt, stellt sie den Verteidigern vor den Strafsenaten der Oberlandesgerichte eine lohnende Aufgabe. Sie sollten die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte, soweit sie dem Angeklagten günstig ist, jeweils vollständig zusammenstellen. Das kostet zwar Mühe; aber sie verspricht weit mehr Erfolg als so manche Ausführungen, wie sie in der Mehrzahl der Revisionsbegründungen zu lesen sind. Von einer Vorentscheidung, die der Verteidiger unter Hinweis auf die Bindung des § 1 2 1 Abs. 2 G V G dem Oberlandesgericht vorlegt, wird es nicht gut abweichen können. Das gilt vor allem von Vorentscheidungen des Bundesgerichtshofs, und hier auch für diesen selbst (§ 136 GVG). Das Oberlandesgericht muß bei Abweichungen vom Bundesgerichtshof immer vorlegen, auch dann, wenn es glaubt, eine ältere Bundesgerichtshof-Entscheidung auf seiner Seite zu haben 29 . Im übrigen wird es sich aber empfehlen, den § 121 Abs. 2 G V G in Anlehnung an die Praxis des Reichsgerichts zu § 136 G V G so eng wie möglich auszulegen 30 . So wird man eine Anfrage eines Oberlandesgerichts beim ande-

29

BGHSt 5, 136 = NJW 1954, 202 = MDR 1954, 117; zustimmend EB. Rdn. 26, zu § 121 GVG. Unrichtig daher OLG Oldenburg NJW 1953, 1724. - E B . S C H M I D T a.a.O. stimmt der Entscheidung BGHSt 5, 136 freilich nur deshalb zu, weil BGHSt 10, 94 ausgesprochen hat, daß ein Senat des Bundesgerichtshofs, der von einem anderen Senat abweichen wolle, auch dann den Großen Senat anrufen müsse, wenn der andere Senat seinerseits abgewichen sei. Es darf darauf aufmerksam gemacht werden, daß dieser „Rechtssatz" des Großen Strafsenats ein obiter dictum ist; ihm war die Sache gar nicht gemäß § 136, sondern gemäß § 137 GVG vorgelegt worden, so daß er sich gar nicht mit der Frage zu befassen hatte, ob die Voraussetzungen des § 136 GVG vorlagen. Freilich hat er mit seinen Ausführungen zu dieser Frage so unbezweifelbar recht, daß auf die Gefolgschaft der Einzelsenate gerechnet werden kann. Keine Vorlegungspflicht, wenn von einem anderen Senat desselben Oberlandesgerichts abgewichen werden soll, E B . S C H M I D T Rdn. 12 zu § 121 GVG; wenn von einem nicht mehr bestehenden Oberlandesgericht (Tübingen, Freiburg; dagegen besteht das OLG Neustadt a.d.W. als OLG Zweibrücken fort) abgewichen werden soll (a. M. E B . S C H M I D T Rdn. 23 zu § 121 GVG); bei Abweichungen von einem Feriensenat; von einem anderen nicht mehr bestehenden Senat; von einem Senat, der seine Rechtsansicht selbst aufgegeben hat, sei es in einer späteren Entscheidung, sei es auf ausdrückliche Anfrage (BGHSt 14, 319 = NJW 1960, 1533 = MDR 1960, 862 = JZ 1960, 644); von den eigenen Entscheidungen. Vgl. die eingehenden Ausführungen von R I C H A R D NEUMANN Verhandlungen des 36. Deutschen Juristentages (Lübeck) 1932 Bd. I I S. 146 ff. Die Ausführungen von K Ö H L E R (Die SCHMIDT

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ren, ob es an seiner Ansicht festhalte, für zulässig halten dürfen. Wird an der entgegenstehenden Ansicht nicht festgehalten, so sollte es der Vorlegung beim Bundesgerichtshof nicht bedürfen. Vor allem empfiehlt es sich, sorgfältig zu prüfen, ob die Vorentscheidung auf den Sätzen beruht, von denen jetzt abgewichen werden soll31. Umgekehrt braucht das Oberlandesgericht nur vorzulegen, wenn das von ihm beabsichtigte Urteil auf der abweichenden Ansicht beruhen würde 32 . Bei bloßen Hinweisen und Empfehlungen ist es frei. Nach § 136 Abs. 1 GVG entscheidet der Große Senat für Strafsa- 53 chen, wenn ein Strafsenat des Bundesgerichtshofs „in einer Rechtsfrage" von der Entscheidung eines anderen Strafsenats oder des Großen Senats abweichen will. Ob eine „Abweichung" vorliegt, entscheidet der zunächst mit der Sache befaßte Einzelsenat. Der Große Senat kann keine Sachen an sich ziehen. Die Vorlage muß aufgrund einer Hauptverhandlung beschlossen werden 33 . Nicht etwa kann der Einzelsenat sie schon vor der Hauptverhandlung beschließen. Denn die Frage, wie er entscheiden „will", kann er abschließend erst in der Beratung beantworten, und die Beratung findet nach und nicht vor der Hauptverhandlung statt (§ 260). Die endgültige Meinungsbildung ist erst zulässig, nachdem Bundesanwaltschaft, Angeklagter und etwaige weitere Beteiligte Gelegenheit gehabt haben, ihre Auffassungen vorzutragen. Es reicht nicht aus, wenn erst nach der Entscheidung des Großen Senats eine Hauptverhandlung vor dem Einzelsenat stattfände. Denn dann wäre der Senat in der betreffenden Rechtsfrage endgültig gebunden, ohne daß die Prozeßbeteiligten dazu gehört worden wären; vor dem Großen Senat wird nur der Generalbundes-

31

Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben Bd. V [1929] S. 159 ff.) berücksichtigen die Erfordernisse und Erfahrungen der Praxis nicht genügend. BGH 5 StR 116/54 vom 9. 7. 1954 hat eine vorgelegte Sache ohne Entscheidung zurückgegeben, weil die von Kammergericht beabsichtigte Entscheidung nur von einer unnötigen Verallgemeinerung in den Gründen der Vorentscheidung abwich. Über das weitere Schicksal der Sache vgl. KG JR 1 9 5 4 , 4 7 0 m i t A n m . SARSTEDT.

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BGHSt 3, 234 = NJW 1953, 36 = LM Nr. 5 zu § 121 GVG (L); B G H 4 StR 633/78 vom 29. 11. 1978 zitiert nach KK-SALGER Rdn. 37 zu § 121

33

Wenn es sich nicht etwa um eine Sache handelt, über die ohnehin im Beschlußverfahren zu entscheiden ist, insbesondere um eine von einem Oberlandesgericht gemäß § 121 Abs. 2 GVG vorgelegte Rechtsfrage.

G V G ; v g l . a u c h KISSEL R d n . 2 2 z u § 121 G V G .

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anwalt (§138 Abs. 2 GVG) gehört 34 , nicht der Angeklagte und die anderen Beteiligten. Daß die Anrufung des Großen Senats eine Hauptverhandlung voraussetzt, ergibt sich auch aus § 138 Abs. 4 GVG, wo von einer „erneuten" Verhandlung vor dem Einzelsenat die Rede ist. Diese zweite Hauptverhandlung wird in aller Regel erforderlich sein. Entbehrlich wäre sie nur, wenn die erste Hauptverhandlung mit der Bestimmung eines Verkündungstermins abgeschlossen worden wäre. Das ist zwar rechtlich nicht ausgeschlossen, praktisch jedoch hier untunlich. Zunächst kann der Einzelsenat nicht übersehen, wie lange das Verfahren vor dem Großen Senat (mit schriftlichen Gutachten von zwei Berichterstattern) dauern wird. Er kann nicht wissen, ob er dann noch in derselben Besetzung verkünden kann. Vor allem wird es sich immer empfehlen, die Beteiligten nach dem Beschluß des Großen Senats noch einmal zu hören. 54

Was eine zur Anrufung des Großen Senats zwingende „Abweichung in einer Rechtsfrage" ist, das haben die Einzelsenate des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs immer recht zurückhaltend beurteilt. Vor allem haben sie stets gefordert, daß die Rechtsansicht, von der abgewichen werden soll, im strengen Sinne die Grundlage - eine logische conditio sine qua non - der früheren Entscheidung war, und daß die abweichende Rechtsansicht in dem gleichen strengen Sinne die Grundlage der jetzt beabsichtigten Entscheidung sein würde. Sie haben die Vorlage davon abhängig gemacht, daß die abweichende Ansicht auch zu einer abweichenden Entscheidung führen würde. Ließ sich entweder die alte Entscheidung auch aus der neuen oder die neue Entscheidung auch aus der alten Rechtsansicht herleiten, so ist nicht vorgelegt worden. Sodann hat man unter der „Entscheidung eines anderen Senats" nur eine Entscheidung verstanden, an der ein noch bestehender Senat auch noch festhielt. Uber Entscheidungen nicht mehr bestehender Senate (wozu auch alle Feriensenate gerechnet wurden) ist man ohne weiteres hinweggegangen 35 ;

54

35

Auch mündlich, wenn er das wünscht (§ 138 Abs. 2 Satz 2 GVG; das ist aber die Ausnahme). Vgl. für Feriensenate BGHSt 17, 280, 285 = NJW 962, 1628; BGHSt 24, 342, 344 = NJW 1972, 1207 und für den früheren 3. Strafsenat, der zum 1. 10. 1956 aufgelöst wurde BGHSt 18, 200, 204 = NJW 1963, 964; BGHSt 20, 77ff. = NJW 1965, 52; BGHSt 22, 113ff. = NJW 1968, 1246; K K - S A L G E R Rdn. 5 zu § 136 GVG m. w. Nachw.; a. A. H A N A C K a.a.O. (vgl. o. Fußn. 27) S. 295 ff.

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ferner hat man die Anrufung des Großen Senats für entbehrlich gehalten, wenn der andere Senat auf Anfrage erklärte, an seiner abweichenden Ansicht nicht festzuhalten 36 , oder wenn er in einer späteren Entscheidung von ihr abgegangen war. Schließlich hat das Reichsgericht sich nicht an Entscheidungen gebunden gehalten, die ihrerseits unabsichtlich oder irrtümlich von Vorentscheidungen abgewichen waren37. Auch den Begriff der „Rechtsfrage" hat man sehr eng aufgefaßt. 5 5 Man hat sie streng auf eine und dieselbe Vorschrift bezogen. Gleichlautende Regelungen in einem anderen Gesetz hat man ohne Vorlegung verschieden ausgelegt; man hat das als eine andere Rechtsfrage angesehen. Man hat sich nur an die entschiedene Rechtsfrage im engsten Sinne, keineswegs aber an ihre logischen Folgen gebunden gehalten. Diese ganze Praxis ist im Schrifttum unter der Bezeichnung „horror pleni" heftig angegriffen worden 38 . Man hat wohl geglaubt, sie beruhe vor allem auf Scheu vor der Unbequemlichkeit und der Mehrarbeit, die durch Plenarentscheidungen verursacht werden. Der Gesetzgeber hat deshalb versucht, die Unbequemlichkeit und die Mehrarbeit zu vermindern, indem er anstelle der Vereinigten Straf- (und Zivil-) Senate und des Plenums den Großen Straf- (und Zivil-) Senat und die Vereinigten Großen Senate eingeführt hat. Gleichwohl haben die Klagen über den horror pleni kaum nachgelassen. Sind sie berechtigt? Die Antwort hängt unter anderem davon ab, ob und in welchem Maße die Entscheidung des Großen Senats der Entscheidung eines Einzelsenats sachlich überlegen ist. Die Frage ist also, ob die Zusammensetzung des Großen Senats und das Verfahren vor ihm eine Gewähr für bessere, richtigere Erkenntnis bieten.

36

Vgl. z . B . B G H S t 25, 301 ff. = NJW 1974, 1098; weitere Nachw. bei K K SALGER R d n .

37

38

5 ff. z u § 136 G V G ;

Bedenken

bei KISSEL R d n .

7 zu

§

136

i.V.m. Rdn. 16 zu § 121 G V G . An dieser letzteren Einschränkung kann nicht festgehalten werden, vgl. oben Fußn. 29. Hier wird die Vorlegungspflicht allzu sehr vom Subjektiven der früheren Richter abhängig gemacht, das sich gewöhnlich gar nicht nachprüfen läßt; vgl. auch KISSEL Rdn. 8 zu § 136 G V G . V g l . z. B. EB. SCHMIDT M D R

1 9 5 8 , 8 1 5 f f . u n d SCHALSCHA M D R

1959, 90f.

50

56

B. Revisionsgerichte

Der Einzelsenat hat (bei der Entscheidung) fünf Mitglieder, der Große Senat mindestens neun39 Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden. Zweifellos sehen sechs Augen gemeinhin mehr als zwei; darauf beruht die Besetzung aller Rechtsmittelgerichte. Ob aber die Güte der von einem Kollegium geleisteten Arbeit mit der Zahl seiner Mitglieder immer weiter zunimmt, darf doch wohl bezweifelt werden. Die Einrichtung der Parlamentsausschüsse beruht auf der Erkenntnis, daß ein kleineres Kollegium unter Umständen weit besseres leistet als ein sehr großes. Man wird also die Frage stellen dürfen, bei welcher Mitgliederzahl das Optimum für die Beantwortung von Rechtsfragen liegt. EBERMAYER40 sagt mit Bezug auf die Arbeit des Gesetzgebers: „Die wirklich großen und schwierigen Probleme werden viel gründlicher und sachgemäßer von vier wirklich mit der Sache Vertrauten behandelt als von fünfzehn. Es wird weniger geredet, aber das Nötige wird gesagt, und man redet viel weniger aneinander vorbei; der einzelne fühlt weit mehr Verantwortung; es kommt selten zu einer Majorisierung, sondern man verständigt sich." Ganz Entsprechendes gilt auch von der Arbeit des Richters. Man wird der Auffassung sein dürfen, daß ein Fünfersenat dem Optimum näher kommt als ein Neunersenat. Schon hier gilt der Satz EBERMAYERS, daß der Einzelne mehr Verantwortung fühlt. Befindet man sich unter fünfen zunächst in einer Minderheit von einem gegen vier, so ist das längst keine so aussichtslose Lage, als wenn man sich unter neun in einer Minderheit von vier gegen fünf befindet. Das scheint rechnerisch falsch und läßt sich schwer beweisen, aber leicht erleben. Für die Mehrheit in einem größeren Gremium treffen massenpsychologische Gesetze in höherem Maße zu als für ein kleineres Gremium. In einem Fünfersenat kann jedes Mitglied ohne weiteres das Wort ergreifen; man kann einander unterbrechen und sich Unterbrechungen gefallen lassen, ohne daß gleich ein Chaos einträte. In einem Neunersenat geht das keinesfalls an; hier muß der Vorsitzende die Beratung viel straffer leiten, man muß sich zum Wort melden, und es kann einem geschehen, daß, wenn man das Wort schließlich hat, die Erörterung längst an dem vorbeige39

40

Diese Zahl kann sich bei Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Senaten auf elf erhöhen (§ 132 Abs. 5 G V G ) ; will ein Senat von der Ansicht mehrerer anderer Senate abweichen, so kommt eine noch stärkere Besetzung in Betracht; bei insgesamt fünf beteiligten Senaten könnte der Große Senat äußerstenfalls vierzehn Mitglieder haben. Fünfzig Jahre Dienst am Recht (1930) S. 73.

Revisionsgerichte

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gangen ist, was man sagen wollte. Ein Streitgespräch zu zweit - meist die vertiefendste Form der Auseinandersetzung - ist in einem Fünfersenat möglich, in einem Neunersenat so gut wie unmöglich. Bilden sich mehr als zwei Meinungen, so hängt bisweilen alles von der Reihenfolge der Fragestellung ab. Damit vervielfachen sich die Anforderungen an den Vorsitzenden. Denn wenn man auch noch die Reihenfolge der Fragestellung zum Gegenstand von Erörterungen machen wollte, käme man überhaupt nicht mehr voran. Wenn etwa drei Meinungen auftreten, muß die zunächst überstimmte Gruppe zwischen den beiden anderen Gruppen den Ausschlag geben. Das Ergebnis ist dann unter Umständen eine Entscheidung, mit der eigentlich so recht keiner der Teilnehmer einverstanden ist. Die Wahrscheinlichkeit für dergleichen ist in einem Neunersenat weit höher als in einem Fünfersenat. Will man ein Beispiel, so nehme man die beiden Plenarentscheidungen des Reichsgerichts über die Bestimmungsmensur 41 . Es handelt sich hier um die einzige Rechtsfrage, die zweimal an die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts gelangt ist. Vergleicht man die beiden Entscheidungen miteinander, so fällt auf, daß die zweite noch weit schwächer begründet ist als die erste. Die erste stützte sich auf vier Gründe: Entstehungsgeschichte, Wortlaut, Körperverletzungsstrafen, Nichtanwendbarkeit des Landesrechts. Schon diese erste Begründung hat kaum jemanden überzeugt. Insbesondere überzeugte sie den I. Strafsenat nicht, so daß er die Frage später noch einmal vorlegte. Nunmehr hielten die Vereinigten Strafsenate nur noch zwei von den vier Gründen aufrecht und blieben damit bei der alten Entscheidung. In dieser Gestalt ist der Beschluß mit seinen Gründen eine der schwächsten Entscheidungen, die man in der amtlichen Sammlung der Reichsgerichtsentscheidungen überhaupt finden kann. Man kann sich vorstellen, daß er auch den Mitwirkenden so nicht gefallen hat. Die Träger der - vielleicht knappen - Mehrheit werden wohl stärkere Gründe gehabt haben, nur verschiedene, über die sie unter sich nicht einig waren und für die sich keine Mehrheit fand. Man stelle sich vor, für eine Entscheidung ließen sich drei Gründe 57 denken, die - in der Reihenfolge ihrer Stärke als A, B und C bezeichnet werden sollen. Nun nehme man an, es wirkten 25 Richter mit, von denen 12 keinen dieser Gründe überzeugend finden und deshalb für 41

RGSt 8, 87; 60, 257.

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die gegenteilige Entscheidung stimmen. Sie werden durch die übrigen 13 Richter überstimmt. Von diesen 13 halten 7 die Gründe A und C, 6 halten die Gründe B und C für zutreffend. Man kann sich leicht denken, daß keiner von allen Mitwirkenden auch nur auf den Gedanken kommen würde, die Entscheidung allein mit dem schwächsten Grund C zu begründen. Und doch ist eben das die Begründung, die sich bei solchen Mehrheitsverhältnissen als die einzig mögliche ergibt. Weder für eine andere Entscheidung noch für eine überzeugendere Begründung ist eine Mehrheit zu haben. Die Wahrscheinlichkeit solcher Zusammenstellungen steigt mit der Zahl der Mitwirkenden. Die Lehrbücher 42 erörtern sie, wie es auch billig ist, im wesentlichen mit Bezug auf tatrichterliche Entscheidungen und vertreten hier meist die Ansicht, es sei nicht nach Gründen abzustimmen. Auf diese Streitfrage kann hier nicht eingegangen werden. Aber die Autorität eines Revisionsgerichts, das sich nur mit Rechtsfragen zu befassen hat, lebt von der Uberzeugungskraft seiner Gründe. 58

Zu bedenken ist noch etwas anderes. Je kleiner ein Gremium ist, desto leichter läßt sich eine gleichwertige Urteilsfähigkeit aller Mitglieder erreichen. Als Paradigma diene hier die Spezialisierung der Einzelsenate, die bei den Zivilsenaten, abgesehen von Verfahrensfragen, die Regel ist, aber auch bei den Strafsenaten vorkommt. Mit Verkehrsstrafsachen ist nach der Jahrzehnte geltenden Geschäftsverteilung des Bundesgerichtshofs ausschließlich der 4. Strafsenat, mit Verkehrszivilsachen praktisch so gut wie ausschließlich der VI. Zivilsenat befaßt. Konflikte über Rechtsfragen des Straßenverkehrs sind also eigentlich nur zwischen diesen beiden Senaten denkbar. Das spezialisierte Fachwissen ist in diesen beiden Senaten konzentriert. Entsteht Streit zwischen ihnen, so sind die Vereinigten Großen Senate zur Entscheidung berufen. Von deren 17 ordentlichen Mitgliedern kann nur eines, allenfalls zwei dem 4. Strafsenat, höchstens eines (wenn überhaupt) dem VI. Zivilsenat angehören. Die beiden Vorsitzenden können je ein weiteres Mitglied gemäß § 132 Abs. 5 Satz 2 GVG abordnen. In diesem Fall erhöht sich die Mitgliederzahl der Vereinigten Großen Senate auf insgesamt 19, die Zahl der Sachkenner beträgt davon zwei bis höchstens fünf. Es ist daher eine schier zwangsläufige Folge, daß die Entscheidungen sei es des

42

BELING 2 4 6 ; K A R L P E T E R S 4 6 0 , H E N K E L 2 5 3 .

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53

4. Strafsenats, sei es des VI. Zivilsenats, denen der Vereinigten Großen Senate sachlich überlegen sind. Nun erfordert freilich die Rechtseinheit einen Weg, im Konflikts- 5 9 falle eine Entscheidung zu finden. Aber man sollte den Konflikt nicht ohne zwingende Notwendigkeit annehmen. Die jetzige Regelung leidet nämlich noch an einem weiteren Mangel. Sie gewährleistet keineswegs, daß die Entscheidung des Großen Senats einen Querschnitt durch die Ansichten der Einzelsenate bedeutet. Vielmehr ist es durchaus möglich, daß der Große Senat zu einer Entscheidung gelangt, zu der kein einziger der Einzelsenate gelangt sein würde 4 3 . Das ließe sich de lege ferenda ändern, indem für den Fall einer Vorlage vorgeschrieben würde, daß die vorgelegte Rechtsfrage zunächst in jedem der Einzelsenate zu beraten ist, und daß aufgrund dieser Beratung jeder Senat ein Mitglied in den Großen Senat zu wählen hat. Die so Gewählten würden dann unter dem Vorsitz des Präsidenten des Bundesgerichtshofs den Großen Senat für diese Sache bilden. Jeder von ihnen würde zwar nach seiner eigenen Auffassung zu entscheiden haben. Trotzdem wäre so eine größtmögliche Gewähr dafür geschaffen, daß die Entscheidung der Ansicht des ganzen Bundesgerichtshofs entspräche. Auch wäre damit (jedenfalls in Strafsachen) die erwünschte Verkleinerung der Mitgliederzahl des Großen Senats zu erreichen.

43

Das möchte ich z . B . von dem Beschluß B G H S t 9. 390 = N J W 1957, 71 = L Z 1957, 352 = L M Nr. 10 zu § 330a StGB (mit Anm. BUSCH) behaupten.

54

C. Einlegung der Revision

c Einlegung der Revision I. Frist 60

Die Einlegungsfrist beträgt (im Gegensatz zu der einmonatigen Frist im Zivilprozeß) nur eine Woche (§ 341 Abs. 1) und kann nicht verlängert werden. Sie beginnt regelmäßig mit der Verkündung des Urteils und endet mit dem Ablauf des Wochentages, der durch seine Benennung dem Tage der Urteilsverkündung entspricht. Ist dieser Tag ein Sonnabend, Sonntag oder allgemeiner Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nachfolgenden Werktags (§ 43). Grundsätzlich kommt es für den Fristbeginn nicht darauf an, ob der Rechtsmittelberechtigte bei der Verkündung des Urteils zugegen war oder nicht; über Ausnahmen von diesem Grundsatz siehe unten. Gegen die Versäumung der Frist gibt es unter den Voraussetzungen der §§ 44, 45 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 1 ; mit dem Gesuch muß die versäumte Revisionseinlegung nachgeholt werden 2 . Auch der Nebenkläger kann innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung Revision einlegen 3 . Jedoch kann er sich auch innerhalb dieser Frist nicht mehr anschließen, wenn das Urteil vorher rechtskräftig geworden ist4. Legt er selbst nicht Revision ein, so kann er sich dem Verfahren trotzdem bis zur Rechtskraft des Urteils anschließen; nur handelt es sich dann nicht um ein Rechtsmittel des Nebenklägers, und die Rücknahme der Revision durch den oder die anderen Prozeßbeteiligten beendet auch für ihn das Verfahren 5 .

1

2

3 4 5

Vgl. dazu RGSt 54, 286; die Wiedereinsetzung ist auch dann noch möglich, wenn das Tatgericht die Revision wegen der Fristversäumnis schon als unzulässig verworfen hat. KK-PIKART Rdn. 22 zu § 342. Sobald jedoch eine Sachentscheidung vorliegt, ist die Wiedereinsetzung unzulässig, BGHSt 17, 94 = N J W 1962, 818; BGHSt 23, 103 = N J W 1969, 2105; BGH G A 1980, 390. Dasselbe gilt nach einem Rechtsmittelverzicht; KK-PIKART a.a.O. Eine Ablehnung kann das Revisionsgericht zurücknehmen, wenn sie auf unrichtigen tatsächlichen (nicht rechtlichen) Annahmen beruhte, BayObLGSt 1 9 5 2 , 6 1 . RGSt 66, 393; 76, 178. RGSt 66, 129. KLEINKNECHT R d n . 7 z u § 3 9 5 ; a . A . L R - W E N D I S C H R d n . 3 8 z u § 3 9 5 .

I. Frist

55

In folgenden Ausnahmefällen beginnt die Frist nicht mit der Ver- 61 kündung, sondern erst mit der Zustellung des Urteils, und zwar einer formgerechten Zustellung nach den Vorschriften der Z P O , vgl. § 37 in Verbindung mit § 187 Satz 2 Z P O . Die Revision kann auch in diesen Fällen schon vor der Zustellung, nicht aber vor Verkündung des Urteils eingelegt werden 6 . 1. Für den Angeklagten beginnt die Frist mit der Zustellung des 6 2 Urteils, wenn das Urteil nicht in seiner Anwesenheit verkündet worden ist, auch wenn der Verteidiger zugegen war. Maßgebend ist die Zustellung an den Angeklagten selbst, auch wenn er einen Zustellungsbevollmächtigten hat 7 , selbst dann, wenn es sich um einen gemäß § 116a Abs. 3 bestellten Zustellungsbevollmächtigten handelt (§ 232 Abs. 4) 8 . Ist eine Berufung des Angeklagten wegen unentschuldigten Ausbleibens gemäß § 229 Abs. 1 verworfen worden, so stehen ihm zwei Rechtsmittel zur Wahl: einmal der binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils zu stellende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen das Urteil, nicht gegen die Fristversäumung, sofern die Voraussetzungen der §§ 44, 45 gegeben sind, § 329 Abs. 2); zum anderen ebenfalls binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils die Revision. Stellt der Angeklagte den Antrag auf Wiedereinsetzung, so muß er, um für den Fall einer Verwerfung dieses Antrages die Revision zu wahren, diese ebenfalls rechtzeitig einlegen und begründen (§ 342 Abs. 2). 2. Für diejenigen Einziehungsbeteiligten im objektiven Verfahren, denen das Urteil zuzustellen war, nämlich für die zum Termin geladenen oder sonst zur Verhandlung zugelassenen, aber bei der Verkündung abwesenden und auch nicht durch einen Verteidiger vertretenen Einziehungsbeteiligten, beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils an sie. Das gleiche muß für Einziehungsbeteiligte gelten, die sich zwecks Beteiligung am Verfahren bei Gericht gemeldet hatten, aber

6 7 8

B G H S t 25, 189. R G S t 6 4 , 428. A n d e r s d i e h . M . LR-GOLLWITZER R d n . 3 6 z u § 2 3 2 ; K K - T R E I E R R d n . 18 z u

§ 232; RLEINKNECHT Rdn. 12 zu § 232; jeweils unter Hinweis darauf, daß hier für „alle" Zustellungen der Bevollmächtigte an die Stelle des Beschuldigten trete. Das gibt weder der Wortlaut des § 232 Abs. 4 noch der des § 116a Abs. 3 her. Außerdem fehlt bei § 232 Abs. 4 eine dem § 145a Abs. 3 Satz 2 entsprechende Regelung.

63

56

64

C. Einlegung der Revision

nicht geladen worden sind 9 . Für alle anderen, also auch für die bisher am Verfahren nicht beteiligten Einziehungsbeteiligten, beginnt die Frist mit der Verkündung des Urteils. 3. Frühere Auflagen vertraten die Ansicht, auch für den Privatkläger beginne die Einlegungsfrist mit der Zustellung des Urteils an ihn, wenn er bei der Verkündung weder anwesend noch vertreten war 10 . Daran kann nicht festgehalten werden. Vielmehr ergibt sich aus § 385, daß für den Privatkläger das gleiche gilt wie für die Staatsanwaltschaft. Ist freilich das Urteil unzulässigerweise (etwa ohne vorherige Terminsmitteilung) in Abwesenheit des Staatsanwalts bzw. Privatklägers verkündet worden, so beginnt für ihn die Einlegungsfrist erst mit der Zustellung an ihn 11 . Dasselbe gilt, wo die Verkündung in Abwesenheit des Staatsanwalts gesetzlich gestattet wird, wie z. B. in § 78 J G G 1 2 ) . Ist aus tatsächlichen Gründen zweifelhaft, ob die Revision rechtzeitig eingegangen ist, so sollte das Rechtsmittel als rechtzeitig behandelt werden 13 . Über den Begriff des Eingangs vgl. unten III.

II. F o r m 1. Allgemeines 65

Nach § 341 Abs. 1 muß die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. D a die Unterschrift nicht unbedingt zur Schriftform gehört, genügt auch die Einlegung durch Telegramm (selbst wenn es telefonisch aufgegeben und telefonisch zugesprochen wird) oder durch Telex 14 . Dagegen ist eine telefonische Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht möglich. Zur Wah-

' R G S t 11, 414. S o auch noch RLEINKNECHT, Rdn. 7 zu § 387; KK-v. STACKELBERG Rdn. 4 zu § 401 für Nebenkläger. 11 O L G Bamberg H E S t 1, 209 = SJZ 1948, 476; so auch LR-MEYER Rdn. 22 zu § 3 4 1 . 12 O L G Neustadt N J W 1963, 1074. 13 A. M . K G J R 1954, 470 mit kritischer Anm. SARSTEDT; wie hier EB. SCHMIDT Rdn. 14 zu § 314; LR-MEYER Rdn. 30 zu § 341. 14 B a y O b L G , N J W 1981, 2591 (sogar für die Begründung).

10

II. Form

57

rung beider Formen gehört, daß die Anfechtung eindeutig und unbedingt15 erklärt wird. a) Es muß ersichtlich sein, daß es sich nicht nur um Unmutsäuße- 66 rangen handelt. Eine falsche Bezeichnung des Rechtsmittels ist gemäß § 300 unschädlich; auf den Ausdruck „Revision" kommt es nicht an. Es braucht nicht einmal erkennbar zu sein, daß dem Beschwerdeführer der Unterschied zwischen Revision und Berufung bekannt ist, und daß er die erste beabsichtigt; sind beide Rechtsmittel wahlweise gegeben16, so braucht er sich bei der Einlegung noch nicht zu entscheiden17. Ist zu erkennen, daß eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung angestrebt wird, so ist die Eingabe nach Möglichkeit so aufzufassen, daß sie dem Betroffenen am ehesten zu dem gewünschten Erfolg verhilft18. Stets ist der Wille des Erklärenden zu erforschen. Ein Irrtum im Beweggrund ist dagegen unbeachtlich; eine Anfechtung der Erklärung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung ist ausgeschlossen19. Wollte der Erklärende das bezeichnete Rechtsmittel einlegen, weil er irrtümlich ein anderes für unzulässig hielt, so kann er seine Erklärung also nicht mit dem Ziele anfechten, nun doch das andere Rechtsmittel zu wählen20. b) Die Rechtsmittelerklärung muß ohne jede Bedingung21 oder 67 Einschränkung abgegeben werden22. Die Wendung, es werde „vorsorglich" Revision eingelegt, hat bisweilen schon zur Verwerfung ge-

15

KK-PIKART R d n . 3 z u § 341; LR-MEYER R d n . 1 z u § 3 4 1 . D a s U r t e i l B G H S t

5, 183, das in diesem Zusammenhang angeführt zu werden pflegt, eignet sich dafür nicht. Zwar sagt sein Leitsatz: „Die Erklärung über die Einlegung eines Rechtsmittels darf an keine Bedingung geknüpft sein. Schon der Zweifel, ob die Erklärung mit einer Bedingung verbunden ist, macht das Rechtsmittel unzulässig, da die öffentlichrechtliche Natur des Verfahrens den zweifelsfreien Bestand der Erklärung verlangt." Aber dieser Leitsatz ist ein obiter dictum; denn der (übrigens nicht mehr bestehende) damalige 3. Strafsenat hat die Revision als zulässig behandelt; vgl. auch BGHSt 25, 187 (188) = NJW1974, 66. 16

Vgl. dazu oben Rdn. 15.

17

B G H S t 5, 3 3 8 ; 13, 3 8 8 ; KLEINKNECHT J Z 1 9 6 0 , 7 5 5 .

" RGSt 67, 125; unrichtig OLG Oldenburg NdsRpfl 1953, 170. 19 Auch § 136a greift hier nicht ein, vgl. BGH NJW 1962, 598. 20

LR-SCHÄFER E i n l e i t u n g K a p . 10 R d n . 18 f f .

21

LR-MEYER R d n . 4 z u § 341.

22

V g l . DALLINGER M D R

1 9 5 4 , 18 ( z u § 2 9 6 ) .

C. Einlegung der Revision

58

führt 2 3 ; ebenso muß davon abgeraten werden, Revision „anzumelden" statt „einzulegen". Ist Berufung oder Sprungrevision zulässig, so genügt es (und empfiehlt es sich), zunächst nur die „Anfechtung" des Urteils schlechthin zu erklären und die Wahl der Art des Rechtsmittels einer späteren Erklärung vorzubehalten, die bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist abgegeben werden kann. Der erfahrene Strafverteidiger wird sich darüber nicht erklären, ehe er nicht die schriftlichen Urteilsgründe studiert hat; und dem weniger erfahrenen sei hier geraten, im Zweifel die Berufung und nicht die Revision zu wählen. 68

c) Wenn die Einlegung der Revision mehrmals erklärt worden ist (z. B. vom Angeklagten selbst und vom Verteidiger: ein sehr häufiger Fall), so handelt es sich trotzdem nur um eine Revision 24 . Einmalige Rücknahme beseitigt deshalb alle Einlegungserklärungen 25 . Betrifft das angefochtene Urteil mehrere Angeklagte, so empfiehlt sich die eindeutige Angabe, für oder gegen welchen oder welche Revision eingelegt wird 26 .

2. Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle 69

Die Einlegung zu Protokoll 2 7 ist nur dann wirksam, wenn das Protokoll von der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts 28 aufgenommen wird. Nur wenn der Beschwerdeführer nicht auf freiem Fuß ist,

23

B G H 5 S t R 1 8 3 / 5 2 v o m 2 8 . 8. 1 9 5 2 ; a n d e r s B G H 5 S t R 8 9 9 / 5 2 v o m 12. 2 .

1953; mehr verwirrend als klärend B G H S t 5, 183 = N J W 1954, 243 = J R 1954, 150 =

L M N r . 1 z u § 2 9 6 m i t A n m . KOHLHAAS; L R - M E Y E R R d n . 5 z u

§ 341; KK-PIKART R d n . 3 zu § 341. 24

Zust. LR-MEYER R d n . 2 zu § 341.

25

L G H a m b u r g N J W 1 9 4 7 / 4 8 , 395; differenzierend KK-PIKART R d n . 5 zu

§ 341; vgl. auch O L G Stuttgart M D R 1981, 780.

"

Vgl. B G H

1 S t R 3 9 4 / 5 3 v o m 27. 10. 1 9 5 3 ; KK-PIKART R d n .

MEYER R d n . 7 z u § 3 4 1 . 27 28

1 zu § 341:

„Zweifelsfrei muß . . . ersichtlich sein, . . . wer der Beschwerdeführer ist." Schwierigkeiten, die sich in Einzelfällen durch Mehrfachverteidigungen ergeben haben, sind durch § 146 S t P O beseitigt. Zur Behandlung von Revisionen, die unter Verletzung dieser Bestimmung eingelegt wurden, vgl. LRRiStBV Nr. 150 Abs. 2-6. Vgl. unten Rdn. 74 ff.

II. Form

59

kann er die Revision auch auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts 29 des Verwahrungsortes zu Protokoll geben (§ 299 Abs. 1). Das gilt nicht für andere Revisionsführer (z. B. Nebenkläger), die sich in H a f t befinden 50 . Eine bei einem unzuständigen Gericht protokollierte Revisionseinlegung wird erst wirksam, sobald sie beim zuständigen Gericht eingeht. Daß der Revisionsführer das Protokoll unterzeichnet, ist nicht un- 70 erläßlich, aber dringend zu empfehlen, damit die Niederschrift notfalls als schriftliche Revision gelten kann. Auch die Erklärung zum Hauptverhandlungsprotokoll ist wirksam 31 ; jedoch sind Gericht und Urkundsbeamter nicht verpflichtet, sie in der Hauptverhandlung entgegenzunehmen 32 . Eine fernmündliche Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist unzulässig und unwirksam, weil der Urkundsbeamte dabei die Identität des Erklärenden nicht nachprüfen kann und eine solche Prüfung auch nachträglich nicht möglich ist33.

3. Schriftliche Revisionseinlegung Die förmlichen Anforderungen an die schriftliche Revisionseinle- 71 gung sind im Laufe der Zeit immer geringer geworden. Unabdingbare Voraussetzung ist im wesentlichen nur, daß die Person des Erklärenden aus dem Schriftstück unzweifelhaft hervorgeht. Das ist nicht nur

29

30

Auch wenn das Landgericht, dessen Urteil er anfechten will, sich an demselben Ort befindet, EB. SCHMIDT Rdn. 1 zu § 299; einen Anspruch darauf, dem Beamten des an sich zuständigen Gerichts vorgeführt zu werden, hat der Beschuldigte nicht. OLG Stuttgart NStZ 1981, 492. B G H 5 S t R 9 0 6 / 5 2 v o m 19. 5. 1 9 5 3 ; EB. SCHMIDT R d n . 4 z u § 2 9 9 ;

LR-

MEYER R d n . 9 z u § 2 9 9 . 51

32

33

OLG Dresden NJW 1947/48, 354; OLG Hamburg HESt 3, 75; KK-PIKART Rdn. 9 zu § 341; LR-MEYER Rdn. 12 zu § 341 zu Rechtsbeschwerde in OWi-Verfahren OLG Düsseldorf VRS 50, 383 und BGHSt 31, 109. RGSt 66, 418. Die Ansicht dieser Entscheidung, die Hauptverhandlung sei mit der Verkündung des Urteils abgeschlossen, ist allerdings übertrieben förmlich; ein Rechtsmittelverzicht pflegt immer noch entgegengenommen zu werden, und solange dessen Protokollierung regelmäßig noch bereitwillig geschieht, sollte man nicht - wie LR-MEYER a.a.O. empfiehlt - die Aufnahme des Rechtsmittels mit der Begründung verweigern, sie verletze die „Würde des Gerichts". Vgl. jetzt BGH 1 StR 595/81 vom 19. 8. 1982. RGSt 38, 282; BGHSt 30, 64 = NJW 1981, 1627; OLG Hamm 1952, 276 ( m i t a b l . A n m e r k u n g D A H S ) ; SEIBERT D R i Z 1 9 5 2 , 8 ; E B . S C H M I D T R d n . 6 z u

§ 341 mit weiteren Angaben; KK-PIKART Rdn. 12 zu § 341.

60

C. Einlegung der Revision

bei eigenhändiger Unterschrift (selbst bei unlesbarer Unterschrift eines Rechtsanwalts, wenn sich die Identität aus einem beigefügten Stempel oder aus dem Briefkopf ergibt34) der Fall, sondern auch bei fehlender Unterschrift 35 dann, wenn die besonderen Umstände einwandfrei erkennen lassen, daß die schriftliche Erklärung vom Berechtigten dem Gericht gegenüber abgegeben wurde 36 . So sind als ausreichend angesehen worden: die Unterschrift mittels Schreibmaschine oder Faksimilestempel37, dies auch bei der Unterschrift des Oberstaatsanwalts 38 , das Diktatzeichen des Rechtsanwalts in Verbindung mit Namens- und Wohnungsangabe im Briefkopf 39 , eine behördlich beglaubigte Abschrift 40 . Nicht ausreichend ist die Einreichung einer unbeglaubigten Abschrift oder eines im Anwaltsbüro angefertigten, aber nicht unterschriebenen und auch nicht mit Diktatzeichen versehenen Schriftstücks 41 . 72

Telegrafische Einlegung steht der schriftlichen gleich. Das entscheidende Schriftstück ist nicht das Aufgabetelegramm oder (bei fernmündlicher Aufgabe) der Entwurf dazu 42 , sondern das Ankunftstelegramm 43 . Ob die fernmündliche Durchsage des Ankunftstelegramms zur Fristwahrung genügt, war früher äußerst streitig. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof die Frage abschließend dahin entschieden, daß die Frist gewahrt ist, wenn das Zustellpostamt den Inhalt des Telegramms an eine zur Entgegennahme der Erklärung befugte Person des zuständigen Gerichts fernmündlich durchgibt und diese darüber

O L G Kiel JW 1929, 1506. Der B G H fordert ein Mindestmaß von individuellen Merkmalen des Urhebers in dem Schriftzug BGHSt 12, 317 = NJW 1959, 734 („willkürliche Striche und Linien" nicht ausreichend); B G H NJW 1967, 2310 („Paraphe" genügt nicht - betr. § 130 ZPO); B G H NJW 1974, 1090 („gekrümmte Linie" ist keine Unterschrift). 35 Aber nur bei der Einlegung, nicht bei der Begründung! 36 K G J R 1954, 391 mit Anm. S A R S T E D T ; B G H 4 StR 207/76 - Urteil v. 1. 7. 1976. 37 RGSt 62, 54 (für den Strafantrag). 3» Anders aber RiStBV Nr. 149! 39 RGSt 67, 385; OLG Schleswig SchlHA 1953, 12. 40 RGSt 72, 389; BGHSt 2, 77. 41 OLG Oldenburg NJW 1952, 1309. 42 Wie Gage in der ersten Auflage annahm. 43 BayObLGSt 1949/51, 505 = J Z 1952, 117 (mit Anm. N I E T H A M M E R ) ; BayObLG NJW 1967, 1816.

34

II. Form

61

eine den Wortlaut des Telegramms wiedergebende amtliche Notiz fertigt44. Nachdem die Rechtslage in dieser Weise geklärt ist, wird man es als die Pflicht der Justizverwaltung ansehen müssen, dafür zu sorgen, daß entweder solche Notizen aufgenommen werden, oder daß der den Anruf entgegennehmende Beamte die fernmündliche Annahme des Telegramms verweigert und auf sofortiger Zustellung besteht. Wird hieran etwas versäumt, und wird infolgedessen die Frist nicht gewahrt, so muß das für den Rechtsmittelführer als ein unabwendbarer Zufall angesehen werden, der die Wiedereinsetzung begründet45. Fernmündliche Einlegung dagegen genügt der Schriftform in keinem Falle, auch dann nicht, wenn ein Vermerk aufgenommen wird46. Bei Einlegung der Revision ist Vertretung in der Erklärung und im 73 Willen zulässig, und zwar auch dann, wenn der Vertreter nicht der Verteidiger ist47. Dabei braucht eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt zu werden; der Vertreter kann die Bevollmächtigung später nachweisen48. Vertreter - aber nicht Verteidiger49 - kann auch eine juristische Person sein50; die Erklärung muß dann von ihrem gesetzlichen Vertreter (Organ) für den vertretenen Rechtsmittelführer abgegeben werden.

44

BGHSt 8, 174 = NJW 1955, 1846 = MDR 1956, 52 = JZ 1956, 32 = LM Nr. 6 zu § 345; BGHSt 14, 233 = NJW 1960, 1310 = MDR 1960, 994 = B B 1 9 6 0 , 6 0 5 = L M N r . 1 z u § 3 1 4 m i t A n m . GEIER.

45

RGSt 38, 282; OLG Hamm NJW 1952, 276 (abl. DAHS); OLG Frankfurt NJW 1953, 1118; BFH JZ 1954, 205; BGHSt 30, 64 = NJW 1951, 1627 = L M N r . 1 z u § 3 1 4 S t P O 1975 ( A n m . PELCHEN).

46

BGHSt 30, 64 = NJW 1981, 1627 aus Anlaß einer fernmündlich von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufung auf Vorlagebeschluß BayObLG NJW 1980, 1592 (allgem. für Schriftform bei Rechtsmitteleinlegungen m.w.Nachw.).

47

R G S t 6 6 , 2 1 1 ; EB. SCHMIDT R d n . 34 v o r § 137.

48 49

50

OLG Bremen NJW 1954, 46; vgl. oben Rdn. 24 ff. BayObLG 1952, 267; OLG Hamm MDR 1950, 755; OLG Neustadt NJW 1 9 5 3 , 1 6 0 6 ; SEIBERT N J W 1952, 809; EB. SCHMIDT R d n . 15 v o r § 137.

LR-MEYER Rdn. 6 zu § 341; OLG Hamm NJW 1952, 1150; anders noch OLG Hamm MDR 1950, 755.

62

C. Einlegung der Revision

III. Empfänger 74

Die Revision ist (anders als im Zivilprozeß) bei dem Gericht 51 einzulegen, dessen Urteil angefochten wird, also nicht bei dem Revisionsgericht und nicht bei der Staatsanwaltschaft. Gegen das Urteil einer auswärtigen Strafkammer (78 GVG) kann die Revision entweder bei der Geschäftsstelle dieser Strafkammer oder bei der des Landgerichts eingelegt werden 52 . Wird die Revision bei einer unzuständigen Behörde - etwa beim Revisionsgericht oder bei der Staatsanwaltschaft - eingelegt, so kommt es darauf an, ob sie an das zuständige Gericht weitergeleitet wird und dort noch innerhalb der Frist eingeht. Fehler dieser Art sind allerdings seltener geworden, seit das 3. StrRAG den § 35a eingeführt hat, der die Belehrung des Betroffenen über die für die Anfechtung vorgeschriebenen Fristen und Formen vorschreibt, und seit § 44 Satz 2 ihm, wenn die Belehrung unterblieben ist oder falsch war, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sichert.

75

Der Begriff des „Eingangs" bedarf der Erläuterung für den Fall der gemeinsamen Briefannahme und des Nachtbriefkastens. Die Justizverwaltung kann 53 für mehrere Gerichte oder für Gericht und Staatsanwaltschaft eine gemeinsame Briefannahme einrichten, die zuständig ist, Schriftstücke namens einer jeden der ihr angeschlossenen Behörden entgegenzunehmen. Die Beamten einer solchen Briefannahme werden zweckmäßig gleichzeitig zu Urkundsbeamten jeder der ihr angeschlossenen Behörden bestellt. Der rechtzeitige Eingang bei einer solchen Briefannahme wahrt die Frist. Das kann nicht zweifelhaft sein, wenn das Schriftstück an das zuständige Gericht adressiert ist. Es muß dem Verteidiger dringend empfohlen werden, auf die richtige Anschrift zu achten. Denn es herrscht Streit darüber, ob die Frist auch dann gewahrt ist, wenn das Schriftstück mit einer unrichtigen Anschrift bei der Briefannahme eingeht. Nach richtiger Ansicht

51

Auch auf einem auswärtigen Gerichtstag: OLG Schleswig SchlHA 1953, 70; LR-MEYER R d n . 9 z u § 341.

" OLG Düsseldorf JMB1NRW 1954, 230; E B . S C H M I D T Rdn. 3 zu § 341; LRMEYER Rdn. 9 zu § 341; jetzt auch L R - S C H Ä F E R Rdn. 10 zu § 78 GVG mit weiteren Angaben. 53 Sie muß es nicht; BGHZ 2, 31 bezieht sich nicht auf Strafsachen.

III. Empfänger

63

kommt es zwar auf die Anschrift nicht an54; angenommen, eine Revisionsschrift sei an die Staatsanwaltschaft gerichtet, diese leite sie an das zuständige Landgericht weiter, und sie gehe dort noch vor Fristablauf ein, so schadet die falsche Anschrift auch nichts. Nicht anders verhält es sich, wenn das Schriftstück trotz der falschen Anschrift gleich an den zuständigen Beamten des zuständigen Gerichts kommt; und das ist auch der Beamte der gemeinsamen Briefannahme. Der Bundesgerichtshof hat zunächst den Eingang in einem Falle für rechtzeitig erklärt, in dem der zuständige Beamte der Briefannahme sich noch innerhalb der Frist entschlossen hatte, das Schriftstück an das zuständige Gericht weiterzuleiten55. Aber auf diesen Entschluß kommt es nicht an; es ist auch sonst für die Frage der Fristwahrung gleichgültig, was der zuständige Beamte mit dem Schriftstück tut, nachdem er es entgegengenommen hat. Diese Ansicht ist jedoch nicht unbestritten56; man verlasse sich also nicht darauf. Von einem Verteidiger ist es gewiß nicht zuviel verlangt, die Revision und ihre Begründung richtig zu adressieren. Vielfach, besonders bei Großstadtgerichten, sind Nachtbriefkästen 76 eingerichtet, in die bis Mitternacht Schriftstücke mit fristwahrender Wirkung eingeworfen werden können. Diese Einrichtung beruht darauf, daß es Gegenstand von Verwaltungsanordnungen sein kann, unter welchen Voraussetzungen ein Schriftstück bei einer Behörde als „eingegangen" anzusehen ist57. Auch diese Nachtbriefkästen können für mehrere Behörden gemeinsam sein. Gelangen die Eingänge aus dem Briefkasten zu einer gemeinsamen Briefannahme mit Beamten, die zu Urkundsbeamten jeder der angeschlossenen Behörden bestellt sind, so gilt hier für falsch adressierte Schriftstücke dasselbe wie oben. Anders muß jedoch wohl dann entschieden werden, wenn der Inhalt des Briefkastens nicht zu einer solchen Briefannahme gelangt, sondern zu den jeweiligen Adressaten gebracht und erst dort mit einem Eingangsstempel versehen wird.

54

O L G Bremen N J W 1950, 395; B G H 5 StR 241/54 vom 28. 5. 1954, mitget e i l t i n d e r A n m . SARSTEDT ZU K G J R 1 9 5 4 , 3 9 1 ; KLEINKNECHT R d n . 11 v o r

" 56

"

§ 42 mit weiteren Angaben über den Stand der Meinungen. B G H J R 1953, 430. K G J R 1954, 391 mit kritischer Anm. SARSTEDT; richtig nunmehr K G J R 1955, 152. JONAS J W 1 9 2 9 , 3 1 5 7 z u N r . 9 .

64

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

D

Verzicht, Rücknahme, Beschränkung I. Verzicht Jeder, dem die Revision zusteht, kann darauf ganz oder teilweise verzichten (§ 302). Der Verzicht ist die bindende Erklärung, kein Rechtsmittel einlegen zu wollen. Er ist erst zulässig, nachdem das Urteil einschließlich der Gründe verkündet ist 1 ; für den abwesenden Angeklagten (anders als die Einlegung) erst, wenn es ihm zugestellt ist 2 . Der Verzicht setzt Verhandlungsfähigkeit voraus 3 ; Geschäftsfähigkeit oder Zustimmung des gesetzlichen Vertreters sind weder erforderlich noch genügend 4 . D e r Verteidiger bedarf zum Verzicht einer ausdrücklichen Ermächtigung 5 des Angeklagten. Die Ermächtigung zur Rücknahme enthält auch eine Ermächtigung zum Verzicht 6 . Sie kann

1

2

3 4

5

6

Ein vorher ausgesprochener Verzicht hat keine Wirkung; E B . S C H M I D T Rdn. 4 zu § 302; KK-Ruß Rdn. 3 zu § 302 StPO. Anders BGHSt 25, 234 = NJW 1974, 66 = JR 1974, 249 (mit Anm. PETERS): danach soll der Verzicht schon möglich sein, sobald der Angeklagte Gelegenheit hatte, vom Inhalt der verkündeten Urteilsgründe Kenntnis zu erlangen. Dagegen stellt PETERS a.a.O. mit Recht auf den Zeitpunkt der Urteilszustellung ab. Gerade bei der Revision lassen sich die Erfolgsaussichten anhand der mündlichen Urteilsgründe kaum jemals abschätzen, zumal wenn man sie lediglich mittelbar erfahren konnte. RGSt 64, 14. S C H Ö N K E DRZ 1 9 4 9 , 4 6 4 ; KK-Ruß Rdn. 1 zu § 3 0 2 mit Hinw. auf unveröffentl. Rechtsprechung. Auch sie setzt nur Verhandlungsfähigkeit, nicht Geschäftsfähigkeit voraus, BGH 1 StR 7 3 8 / 5 4 vom 2 1 . 0 1 . 1 9 5 5 (mitgeteilt bei DALLINGER M D R 1 9 5 5 , 271 f. zu § 302); KK-Ruß a.a.O. Rdn. 15. Anders die herrschende Meinung: KK-Ruß a.a.O. Rdn. 1 3 ; L R - G O L L W I T ZER Rdn. 5 9 zu § 3 0 2 ; K L E I N K N E C H T Rdn. 1 5 zu § 3 0 2 , RGSt 6 4 , 1 6 4 ; BGHSt 3 , 4 6 ; BGH LM Nr. 3 zu § 3 0 2 ; vgl. dort auch die Anm. von H Ü L L E zu Nr. 1-4. Wir können uns ihr nicht anschließen. Es ist ganz allgemein anerkannt, daß die Rücknahme einen Verzicht enthält; deshalb muß auch die Ermächtigung zur Rücknahme eine Ermächtigung zum Verzicht enthalten. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, warum ein Verteidiger, der ermächtigt ist, ein Rechtsmittel einzulegen und dann wieder zurückzunehmen (mit dem unstreitigen Erfolg, daß es - wie nach Verzicht - nicht wieder eingelegt werden kann), - warum er denselben Erfolg nicht auch dadurch soll herbeiführen können, daß er gleich verzichtet. Für eine so wunderliche An-

I. Verzicht

65

schon vor dem Urteil (etwa in der Vollmacht) erteilt werden 7 . D e r Verteidiger ist auch dann „ausdrücklich ermächtigt", wenn der Angeklagte den Verzicht in sein Ermessen gestellt hat 8 . Eine Form ist für die Ermächtigung (anders als für den Verzicht selbst) und ihren N a c h w e i s nicht erforderlich. D e r Angeklagte kann den Verteidiger mündlich unter vier Augen zum Verzicht ermächtigen, und der N a c h weis dafür kann in einer Versicherung des Verteidigers gefunden werden 9 . Ebenso formlos kann die Ermächtigung auch widerrufen werden 1 0 . Läßt sich nicht klären, ob der Widerruf ausgesprochen worden ist, ehe der Verzicht dem Gericht zugegangen ist, so gilt der Verzicht 1 1 . D e r Verzicht kann nur schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle 12 oder im Anschluß an die Verkündung des Urteils in der

sieht enthält auch das wortreiche Urteil RGSt 64, 164 (auf dem alle späteren beruhen) keine überzeugende Begründung. Es sagt, aus der Nichterwähnung des Verzichts in § 302 dürfe nicht geschlossen werden, daß der Verteidiger zum Verzicht nur der allgemeinen Vollmacht, nicht der besonderen Ermächtigung bedürfe; aber das schließt ja auch niemand daraus, wir jedenfalls nicht. Ferner sagt es, der Verzicht setze die vorherige Einlegung eines Rechtsmittels nicht voraus, er sei für den Angeklagten noch gefährlicher. Das erste trifft zu, aber es ist keine Begründung für das zweite. Wieso ist die Rücknahme, die den Angeklagten endgültig des Rechtsmittels beraubt, weniger gefährlich als der Verzicht, der genau dieselbe Folge hat? Die einzige praktische Folge solcher unpraktischen Ansichten besteht darin, daß in allen Strafprozeßvollmachten (z.B. Formular Nr. V 110 der Hans-SoldanStiftung) vorgedruckt ist: „. . . mit der besonderen Ermächtigung, . . . Rechtsmittel einzulegen, ganz oder teilweise zurückzunehmen oder auf sie zu verzichten . . .". 7

BayObLGSt 1949/51, 561; OLG Köln JMB1NRW 1952, 195; OLG Braunschweig NJW 1952, 1428; anders KG HESt 1, 194; KIES JZ 1953, 343; En. SCHMIDT R d n . 10 z u § 3 0 2 ; LR-GOLLWITZER R d n . 6 3 , z u § 3 0 2 ; e i n s c h r ä n -

8

'

kend BayObLGSt 1955, 181 = M D R 1956, 55 = NJW 1956, 32 (L); offengelassen in BGHSt 10, 245 und in 5 StR 29/78, Beschl. v. 31. 01. 1978 bei HoLTzin M D R 1978, 461. So für die Rücknahme RGSt 77, 234. B G H N J W 1 9 5 2 , 2 7 3 = L M N r . 4 z u § 3 0 2 m i t A n m . HÜLLE.

10

RGSt 32, 278; BGHSt 10, 245 = NJW 1957, 1040 = JZ 1958, 177 = JR

11

BGHSt 10, 245 (weitere Fundstellen s. Fußn. 10). RGSt 64, 167; BGHSt 18, 257 (260) = NJW 1963, 963; KK-Ruß a.a.O. Rdn. 5; zur Wirksamkeit eines über den Dolmetscher erklärten Verzichts eines ausländischen Angeklagten vgl. OLG Oldenburg NStZ 1982, 520.

1 9 5 7 , 3 4 9 m i t A n m . DÜNNEBIER = L M N r . 9 z u § 3 0 2 m i t A n m . FRANKEL. 12

79

66

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

Hauptverhandlung 1 3 erklärt werden, letzteres schon im Interesse des Angeklagten mit Rücksicht auf § 450. Der Verzicht muß ausdrücklich erklärt werden. Der Verzichtswille muß zweifelsfrei feststehen; das braucht nicht einmal immer der Fall zu sein, wenn der Angeklagte die Frage des Vorsitzenden bejaht, ob er das Urteil „annehme" 14 , oder wenn er die Frage verneint, ob er Revision einlegen wolle 1 5 . D e r bloßen Tatsache, daß eine Revision nur beschränkt eingelegt wird, ist nicht immer und nicht ohne weiteres zu entnehmen, daß im übrigen auf sie verzichtet werden solle 16 . Ist nicht verzichtet, so kann die zunächst beschränkt eingelegte Revision später noch erweitert werden, allerdings nur innerhalb der Einlegungsfrist, nicht mehr bei der Begründung. Im übrigen vgl. zum Teilverzicht unten III Rdn. 84 ff. 80

Der wirksam erklärte Verzicht kann weder angefochten noch zurückgenommen werden 17 . Er wirkt stärker als der Fristablauf, denn er 13

RGSt 66, 418 meint (übertrieben förmlich), die Hauptverhandlung sei mit der Urteilsverkündung abgeschlossen. Der Rechtsmittelverzicht muß aber noch dazugerechnet werden. Nur lag bei RGSt 66, 418 gar kein Verzicht vor. Hätte RGSt 40, 133 recht, so wäre der Verzicht formlos gültig; das war sonst nicht die Ansicht des Reichsgerichts. Durchaus zutreffend OLG Bremen MDR 1951, 696; vgl. auch RiStBV Nr. 143; EB. SCHMIDT Rdn. 9 zu § 274; Rdn. 2 zu § 302. Zur Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts, der im Anschluß an die Hauptverhandlung erklärt und beurkundet wird, wenn Gerichtsmitglieder bereits den Saal verlassen haben BGH 3 StR 290/82 - v. 2 5 . 8. 1 9 8 2 .

14

BGH JZ 1952, 568 = JR 1952, 483 = LM Nr. 7 zu § 302. - BGH 2 StR 648/74 - Beschluß v. 19. 3. 1975. Das OLG Neustadt GoltdA 1956, 92 meint, es sei ein Anlaß zu nochmaliger Rechtsmittelbelehrung, wenn der Angeklagte erkläre, er nehme das Urteil nicht an; wir haben dem in der Vorauflage zugestimmt, können daran aber nicht festhalten. Was sollte denn dann geschehen, wenn der Angeklagte die nochmalige Belehrung mit der Erklärung beantwortet, er nehme das Urteil immer noch nicht an? Muß er dann ein drittes Mal belehrt werden, und so fort, bis er annimmt? Zur Problematik des nach der Urteilsverkündung „herausgefragten" Rechtsmittelverzichts DAHS in Festschrift für Schmidt-Leichner, 1977, S. 17 ff.; vgl. auch BGHSt 18, 257 (260) = NJW 1963, 2236. Die Problematik hat sich dadurch praktisch entschärft, daß jetzt auch dann ein abgekürztes Urteil geschrieben werden darf, wenn die Rechtskraft durch Fristablauf eingetreten ist (§ 267 Abs. 4 n. F.)

15

OLG Nürnberg NJW 1949, 519. RGSt 64, 164 (diese Ausführungen sind das beste an der sonst verfehlten Entscheidung); etwas mißverständlich BGHSt 3, 46. Vgl. BINDOKAT NJW 1956, 51; BGHSt 10, 245; BGH 2 StR 648/74 v. 19. 3. 1975; BGH 5 StR 643/75 v. 09. 12. 1975. Auch § 136a paßt nicht für solche

16 17

II. Rücknahme

67

macht eine Wiedereinsetzung unmöglich 18 . Geht jedoch die nach dem Verzicht abgesandte Rechtsmittelerklärung vor dem Verzicht bei Gericht ein, so ist der Verzicht unbeachtlich 19 .

II. Rücknahme Die Revision kann zurückgenommen werden 20 (§ 302). Für die 81 Rücknahme gilt im allgemeinen Entsprechendes wie für den Verzicht. Die Rücknahme enthält einen Verzicht 21 ; eine zurückgenommene Revision kann deshalb auch innerhalb der Einlegungsfrist nicht von neuem eingelegt werden. Auch die Rücknahme ist an dieselben Formvoraussetzungen gebunden wie die Einlegung der Revision. Eine telefonische Rücknahmeerklärung wird deshalb zu recht als unbeachtlich angesehen, auch wenn der Geschäftsstellenbeamte darüber eine Aktennotiz anfertigt 22 . Zurücknehmen kann die Revision nur, wer sie eingelegt hat. Freilich kann der Angeklagte die vom Verteidiger, und der Vorgesetzte des Staatsanwalts die von diesem eingelegte Revision zurücknehmen. Der Generalbundesanwalt ist jedoch den Staatsanwaltschaften der Länder nicht vorgesetzt und kann deshalb ihre Revi-

prozessualen Erklärungen, BGH NJW 1962, 598. Der Verzicht ist aber unwirksam, wenn er aufgrund einer unrichtigen Belehrung oder Auskunft erklärt wurde OLG Bremen NJW 1955, 681 (mit Anm. EB. SCHMIDT); OLG Düsseldorf NJW 1960, 210; vgl. OLG Hamm NJW 1976, 1952; sehr weitgeh e n d O L G K ö l n N J W 1 9 6 8 , 2 3 4 9 = J R 1 9 6 9 , 3 9 4 m i t A n m . KOFFKA; vgl. d a z u FELDMANN N J W 1 9 6 0 , 2 1 1 . 18 19

20 21

BGH 4 StR 347/80 v. 1. 7. 1980 und BGH NJW 1978, 330. OLG Hamburg NJW 1952, 638; dem zustimmend EB. SCHMIDT Rdn. 3 zu § 302; KK-Ruß Rdn. 9 (a. E.) zu § 302 beruft sich für seine entgegenstehende Auffassung zu Unrecht auf BGH GA 1973, 46. In dieser Entscheidung schließt sich der BGH ausdrücklich dem OLG Hamburg an, und befaßt sich i. ü. mit dem (Sonder-) Fall, daß der Verteidiger entgegen einer anderslautenden Absprache mit seinem Mandanten Revision einlegt, nachdem dieser selbst einen Verzicht auf den Weg gegeben hatte. RiStBVNr. 152. BGHSt 10, 245 = NJW 1957, 1040 = JZ 1958, 177 = JR 1957, 349 (mit A n m . DÜNNEBIER) L M N r . 9 z u § 3 0 2 (mit A n m . FRANKEL). D e s h a l b e n t h ä l t

22

die Ermächtigung zur Rücknahme auch eine Ermächtigung zum Verzicht; a.M. BGHSt 3, 46; BGH LM Nr. 3 zu § 302. Näheres darüber oben Fußn. 6. OLG Stuttgart Justiz 1982, 233 = NJW 1982, 1472; OLG Hamburg MDR 1981, 424.

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

68

sion nicht zurücknehmen 2 3 , sondern nur deren Verwerfung beim Bundesgerichtshof beantragen 24 . Hat die Staatsanwaltschaft Revision zugunsten des Angeklagten eingelegt 25 , so bedarf sie zur Rücknahme seiner Zustimmung (§ 302 Abs. 1 Satz 2) 26 . Für den gesetzlichen Vertreter vgl. oben Rdn. 24, für den Nebenkläger oben Rdn. 28. D e r Angeklagte kann die vom Verteidiger, jeder Verteidiger - wenn er dazu gemäß § 302 Abs. 2 ausdrücklich ermächtigt ist 27 - die von ihm selbst, von einem anderen Verteidiger 28 oder vom Angeklagten selbst eingelegte Revision zurücknehmen 2 9 . 82

Wie der Verzicht, so muß auch die Rücknahme ausdrücklich erklärt werden, um wirksam zu sein. Sie liegt nicht schon darin, daß ein (trennbarer, vgl. unten Rdn. 84 ff.) Teil der Revision nicht begründet 23

LR-JAGUSCH (21. Aufl.) Rdn. 6 zu § 302 hält das für änderungsbedürftig. Es ist aber nicht bekanntgeworden, daß sich von 1879 bis 1935 oder 1950 bis jetzt ernste Mißstände ergeben hätten. Gewiß könnte der Bundesgerichtshof ein wenig entlastet werden, wenn der Generalbundesanwalt Revisionen der Staatsanwaltschaften zurücknehmen könnte. Das schlägt aber kaum zu Buch, denn die dafür geeigneten Revisionen sind nicht zahlreich; bilden die Revisionen der Staatsanwaltschaft doch ohnehin nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtzahl. Vgl. dazu RiEß in Festschrift für Sarstedt 1981 S. 253 ff., 287 (4% der BGH-Revisionen von der StA). Für die Staatsanwaltschaften ist es überzeugender, wenn ihre unbegründeten Revisionen verworfen werden, notfalls durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2. Im Interesse der Rechtsentwicklung sollten sie die Möglichkeit behalten, auch eine feste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu bekämpfen, selbst wenn der Generalbundesanwalt sie dabei nicht unterstützt. Allerdings ist JAGUSCH a.a.O. einzuräumen, daß die ganze Frage nicht mit der Selbständigkeit der Länder in Zusammenhang gebracht werden sollte. 24 Vgl. über die Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft FRÄNKEL DRiZ 1960, . 353. 25 Was jedoch nur äußerst selten vorkommt, vgl. RiEß a.a.O. 26 Vgl. dazu (für den Fall des § 303) OLG Koblenz NJW 1951, 933 mit Anm. 27

28

29

PÜSINELLI.

BayObLGSt 1955, 181 = MDR 1956, 55 = NJW 1956, 32 Nr. 16; BayObLG MDR 1982, 249. Für Rechtsmittelrücknahme durch einen Unterbevollmächtigten KG JR 1981, 480. EB. SCHMIDT R d n . 8 z u § 3 0 2 .

Weiß der Verteidiger, daß sein Mandant das Rechtsmittel durchführen will und erklärt er dennoch die Rücknahme, so ist diese Erklärung unwirksam. Das OLG Stuttgart Justiz 1981, 243 = MDR 1981, 780 geht in seinem Leitsatz noch darüber hinaus und verlangt allgemein, daß das Gericht sich über das Einverständnis des Angeklagten in die Rücknahme des von ihm selbst eingelegten Rechtsmittels durch den Verteidiger Klarheit verschaffen müsse.

II. Rücknahme

69

wird30. Der Antrag, das Rechtsmittel „als gegenstandslos zu betrachten", ist ebenfalls nicht ohne weiteres als Rücknahme aufzufassen 31 . Sind die Akten bereits an das Revisionsgericht abgegeben, so ist die 83 Rückgabe diesem gegenüber zu erklären32. Geht sie hier erst nach der Entscheidung ein, so bewendet es bei dieser Entscheidung33. Nach Beginn der Hauptverhandlung 34 kann die Revision nur noch mit Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden (§ 3 0 3)35. Auch zu dieser Zustimmung bedarf der Verteidiger der ausdrücklichen Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 236; sie genügt aber nicht, wenn der Angeklagte anwesend ist, vielmehr muß dieser dann selbst zustim-

30

31

B G H L M Nr. 1 zu § 302. Vielmehr ist die Revision dann zu diesem Teil (mangels Begründung) unzulässig. BayObLGSt 1949/51, 556 = J R 1952, 207 (für ein Wiedereinsetzungsgesuch). LR-GOLLWJTZER R d n . 18 zu § 302.

32 33 34

KK-Ruß Rdn. 10 zu § 302. B G H L M Nr. 2 zu § 302. EB. SCHMIDT Rdn. 5 zu § 303 hatte die Auffassung vertreten, daß damit nicht die erste, sondern auch jede neue Hauptverhandlung gemeint sei, mit der Folge, daß das Rechtsmittel nach einer ausgesetzten Verhandlung vor dem Neubeginn wieder frei zurückgenommen werden könne. Darauf wurde in der Vorauflage verwiesen. BGHSt 23, 277 = N J W 1970, 1512 hat dagegen entschieden, daß eine Berufung auch nach einer über die Fristen des § 229 StPO hinausgehenden Aussetzung nicht mehr ohne Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden kann; so auch LR-GOLLWITZER Rdn. 6 z u § 303; K K - R u ß R d n . 2 z u § 303; KMR-PAULUS R d n . 6 z u § 303; I m

35

36

Revisionsrechtzug hat diese Frage wenig Bedeutung, da hier meist nur an einem Tag verhandelt wird (wenn überhaupt). Dazu KRACH N J W 1953, 1860. Nach OLG Köln M D R 1954, 500 ist auch eine stillschweigende Zustimmung möglich. So auch O L G Düsseldorf M D R 1976, 1040 und B G H AnwSt (R) 7/80 - Urteil vom 6. 10. 1980. EB. SCHMIDT R d n . 7 zu § 302; anders PUSINELLI N J W 1951, 933, d e r - allzu

förmlich - eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung vermißt. Der Strafrechtler ist durch den materiellrechtlichen Satz „nulla poena sine lege" zu einer Scheu vor Analogien erzogen, die sich dann auch im Verfahrensrecht geltend macht, wohin sie gar nicht gehört - zumal nicht zum Nachteil des Angeklagten! Die allgemeine Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme und zum -verzieht reicht hier aber nicht aus, weil sie sich nicht auf Rechtsmittel des Gegners bezieht, vgl. LR-GOLLWITZER a.a.O. Rdn. 11; KK-Ruß a.a.O. Rdn. 3.

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

70

men37. Den Angeklagten selbst zu fragen, ist eine kleine Mühe; dazu ist die Sache wichtig genug38.

III. Beschränkung 84

39

Eine Beschränkung der Revision kann in Form eines Teilverzichts (oben Rdn. 78 ff.) oder in Form einer Teilrücknahme40 (oben Rdn. 81 ff.) erklärt werden. Sie unterliegt dann allen förmlichen Voraussetzungen des Verzichts oder der Rücknahme. Liegen sie nicht vor, so ist die Revision als unbeschränkte zu behandeln. Wird eine Begründung nur zu einem Teil der Revision abgegeben, so liegt darin keine Beschränkung; vielmehr ist dann auch über den anderen Teil zu entscheiden, indem die Revision insoweit als unzulässig verworfen wird41. Außer im Wege der Teilrücknahme oder des ausdrücklichen Teilverzichts wird die Revision auch dadurch beschränkt, daß sie von vornherein nur einen Teil des Urteils anficht und daß dann die Einlegungsfrist abläuft, wodurch die Ausdehnung der Revision42 auf den

37

38 39

OLG Koblenz NJW 1951, 933; a.M. BayObLGSt 1949/51, 562; EB. SCHMIDT Rdn. 7 zu § 302; er erklärt aber bei Rdn. 4 zu § 303 den sofortigen Widerspruch des anwesenden Angeklagten für beachtlich. Ein Grenzfall war BayObLG 1949/51, 562. SCHNEIDEWIN in F ü n f z i g J a h r e R e i c h s g e r i c h t (1929) S. 321 f.; LR-MEYER R d n . 6 f f . z u § 3 4 4 . ; PETERS L e h r b . 6 2 8 ; BELING 3 3 7 f f . ; HENNKE 1 9 5 6 , 4 1 f f . ; EB. SCHMIDT R d n .

40

41

42

GoltdA

l f f . z u § 318; KK-PIKART R d n . 4 f f .

zu

§ 344; GRÜNWALD: Die Teilrechtskraft im Strafverfahren 1964. EB. SCHMIDT Rdn. 28 zu § 318 will für die Revision weitergehende Beschränkungen zulassen als für die Berufung. Dabei übersieht er, daß die erfolgreiche Revision zu einer neuen Tatsachenverhandlung führt, in der der Tatrichter ganz in derselben Lage ist wie sonst ein Berufungsrichter. Deshalb können die Beschränkungsmöglichkeiten für beide Rechtsmittel nur in gleicher Weise gegeben sein. Ebenso LR-MEYER Rdn. 15 zu § 344; GRÜNWALD a . a . O . S. 81.

BGH LM Nr. 1 zu § 302 und HÜLLE Anm. zu Nr. 1-4; bedenklich O G H S t 1, 74; dagegen mit Recht HÄRTUNG SJZ 1949, 64. Bis zum Ablauf der Frist des § 341 kann in diesen Fällen die Revision erweitert werden, wenn nicht ein ausdrücklicher oder schlüssig erklärter Verzicht vorliegt. Vgl. BayObLGSt 1967, 146 = JR 1968, 109 mit Anm. SARSTEDT; LR-MEYER a . a . O . R d n . 7.

71

III. Beschränkung

Rest des Urteils unmöglich wird 43 . In diesem Fall kann eine ihrem U m f a n g e nach undeutliche Beschränkung die ganze Revision unzulässig machen 4 4 . Aus Verfahrens- und sachlichrechtlichen Gründen kann die Revision nicht auf beliebige Teile des angefochtenen Urteils beschränkt werden. D i e Beschränkung ist nur möglich, soweit sie sich auf einen trennbaren Teil des Urteils bezieht 4 5 . D a s ist ein Teil, der o h n e N a c h prüfung des Restes sinnvollerweise selbständig, für sich allein rechtlich beurteilt werden kann. H ä n g t der logische Bestand des nicht angegriffenen Teiles von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des angegriffenen Teiles ab, so ist die Beschränkung nicht wirksam 4 6 . Es

43

44

Dies übersieht E B . S C H M I D T Rdn. 13 zu § 302 (in der Fassung seines Nachtragsbandes 1966 S. 470/471 Rdn. 7) bei seiner Kritik gegen das (u.E. freilich aus anderen Gründen unrichtige) Urteil BGHSt 3, 46 ( = LM Nr. 6 zu § 302 mit Anm. WERNER). Auf seine Frage: „Aber was bedeutet denn .Unwirksamkeit der Erklärung, soweit sie einen Teilverzicht enthielt?'", lautet die Antwort: sie bedeutet, daß der Angeklagte das Rechtsmittel innerhalb der Einlegungsfrist noch hätte ausdehnen können, wie in RGSt 64, 154. Der Schuldspruch ist nicht durch Teilverzicht teilweise rechtskräftig geworden, sondern durch Fristablauf. Der Irrtum E B . S C H M I D T S beruht auf der Unrichtigkeit seines Ausgangspunktes, der Verteidiger sei nicht ohne weiteres zu beschränkter Einlegung befugt. Dazu bedarf es keiner besonderen Befugnis; es handelt sich nur um ein Teilstück der Möglichkeit, das ganze Urteil durch Fristablauf rechtskräftig werden zu lassen. Zutreffend LRM E Y E R Rdn. 7 zu § 344. Freilich ist es etwas mißverständlich, wenn M E Y E R a.a.O. sich auf RGSt 39, 393 dafür beruft, daß „eine in der Rechtsmittelbegründungsschrift beschränkte Revision nicht durch eine weitere Begründungsschrift, auch wenn sie noch innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 eingeht, wieder erweitert werden" könne. In RGSt 39, 393 handelte es sich um eine Revision der Staatsanwaltschaft. Deshalb trifft hier der angeführte Satz zu, weil die Staatsanwaltschaft zur Rücknahme, zum Verzicht oder zur Beschränkung keiner besonderen Ermächtigung bedarf. Ebenso trifft der angeführte Satz auf einen Verteidiger zu, der eine solche besondere Ermächtigung hat. Dagegen trifft der Satz nicht auf einen Verteidiger zu, dem die Ermächtigung zur Beschränkung fehlt. BayObLGSt 1 9 5 4 , 8 4 = JR 1 9 5 5 , 2 8 mit Anm. SARSTEDT; OLG Hamm N J W 1 9 7 6 , 6 8 m i t A n m . SARSTEDT; D A H S - D A H S R d n .

45

46

327.

BGHSt 10, 100 = NJW 1956, 680; BGHSt 19, 48 = NJW 1963, 1987; BGHSt 21, 256 = NJW 1967, 1972; BGHSt 24, 185 (187f.) = NJW 1971, 1948; BGHSt 27, 70 (72) = NJW 1977, 442. Dazu eingehend BELING GoltdA Bd. 63, 172.

85

72

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

leuchtet ein, daß man z. B. nicht den Schuldspruch angreifen und den Strafausspruch bestehen lassen kann 4 7 . Das Revisionsgericht hat stets von Amts wegen, auch ohne Verfahrensrüge, zu prüfen, ob alle Verfahrensvoraussetzungen gegeben sind und ob keine Verfahrenshindernisse vorliegen (vgl. darüber unten Rdn. 159 f.). Das Rechtsmittel kann also nicht in der Weise beschränkt werden, daß diese Nachprüfung (hinsichtlich eines überhaupt angegriffenen Teiles) ausgeschlossen würde 4 8 . Denn hier handelt es sich nicht nur um die Frage, ob der Vorderrichter einen Verstoß begangen hat, sondern zunächst einmal darum, ob das Revisionsgericht selbst in der Sache vorgehen darf 4 9 . Bezieht der Schuldspruch sich auf ein Antragsdelikt, und wird die Revision auf das Strafmaß beschränkt, so hat das Revisionsgericht beim Fehlen eines ordnungsgemäßen Strafantrages einzustellen 50 ; ist dagegen der Schuldspruch wegen eines Offizialdelikts dadurch rechtskräftig geworden, daß die Revision auf das Strafmaß beschränkt wurde, so hat das Revisionsgericht nicht nachzuprüfen, ob der Schuldspruch nach richtiger Ansicht nur wegen eines anderen, nämlich eines Antragsdelikts hätte ergehen dürfen 5 1 . Ob die Revision umgekehrt auf die Nachprüfung der (oder einer, einiger von mehreren) Verfahrensvoraussetzungen beschränkt werden kann 5 2 , läßt sich nicht allgemein, sondern nur von Fall zu Fall entscheiden. Bei der Straffreiheit 5 3 und der Verjährung 5 4 ist das in der Regel zu verneinen, bei den anderen Verfahrensvoraussetzungen und -hindernissen wohl meist zu bejahen 55 .

47 48

EB. SCHMIDT Rdn. 17 zu § 3 1 8 . EB. SCHMIDT Rdn. 51 zu § 3 1 8 ; KK-PIKART Rdn. 2 3 zu § 3 4 4 ; LR-MEYER Rdn. 17 zu § 3 4 4 .

49

Vgl. BGHSt 16, 115 = NJW 1961, 1684 = M D R 1961, 952 = LM Nr. 4 zu § 346 (mit Anm. GEIER) gegen BGHSt 15, 203 = NJW 1961, 228 =

50

RG JW 1928, 2988 Nr. 23. OLG Braunschweig GoltdA 1954, 346. Wie GAGE in der 1. Auflage annahm.

M D R 1 9 6 1 , 2 5 0 = L M Nr. 3 zu § 3 4 6 (mit A n m . E. KRUMME). 51 52

" 54 55

B G H N J W 1 9 5 1 , 8 1 0 = L M Nr. 1 zu § 121 G V G ; BRANDSTETTER 4 4 zu § 16

StFG 1954, derselbe JZ 1954, 599. BGHSt 2, 385 = LM Nr. 5 zu § 67 StGB (mit Anm. NEUMANN). So für den Strafantrag KG JW 1933, 1902 Nr. 10; für den Verbrauch der Strafklage RGSt 40, 274; 51, 241; 54, 83.

III. Beschränkung

73

Die Revision kann auf eine oder einige von mehreren Taten beschränkt werden, die im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen 56 . Das gilt aber nur, wenn die Frage, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt, im angefochtenen Urteil richtig entschieden ist 57 . Denn sonst würde die Beschränkung das Revisionsgericht hindern, die zu seiner Entscheidung gebrachte Teilfrage richtig zu behandeln. Nimmt das angefochtene Urteil zu Unrecht Tateinheit an, während in Wirklichkeit Tatmehrheit vorliegt, so läßt sich dieser Schuldspruch erst im Revisionsurteil, dagegen noch nicht mit der Einlegung der Revision zerlegen 58 . Liegt es umgekehrt, nimmt also das angefochtene Urteil zu Unrecht Tatmehrheit an, während in Wirklichkeit Tateinheit gegeben ist, so muß das Revisionsgericht, um über die „eine" Tat richtig entscheiden zu können, ebenfalls den ganzen Schuldspruch beurteilen 59 . Das gilt schon dann, wenn Tateinheit nach den bisherigen Feststellungen auch nur möglich ist 60 . Innerhalb des Schuldspruchs für eine Tat gibt es keine Trennung 6 1 , weder im Falle der Tateinheit 62 , noch im Falle des Fortsetzungszusammenhanges 63 oder eines sonstigen Falles von natürlicher Handlungseinheit. Ist jemand wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden, so kann er die Revision nicht auf die Annahme des Betruges beschränken 64 . Andererseits könnte auch die Staatsanwaltschaft ihre Revision nicht darauf beschränken, daß nicht 56

Auch im Jugendstrafverfahren, B G H GoltdA 1953, 83 mit Anm. von HER-

57

O L G Braunschweig GoltdA 1955, 56; unrichtig O L G Hamm J Z 1953, 674; vgl. auch B G H S t 6, 230; 21, 258 = J Z 1968, 233 mit Anm. GRÜNWALD.

LAN; K K - P I K A R T R d n . 7 z u § 3 4 4 .

58

E B . SCHMIDT R d n . 15 z u § 3 1 8 .

59

O L G Köln M D R 1964, 525; O L G Braunschweig N J W 1954, 45 (diese Entscheidungen betreffen zwar die Berufung; die Rechtsfrage ist aber dieselbe, vgl. oben Fn. 40) B G H 5 StR 390/54 vom 7. 1. 1955; O L G Braunschweig

60

R G S t 7 3 , 243. KIRCHNER SprG 1949, 3 gegen KERN SprG 1948, 331; sehr weitgehend für Trennungsmöglichkeiten innerhalb des Schuldspruchs BELING GoltdA Bd. 63 S. 198; wie hier LR-MEYER Rdn. 27 zu § 344. O L G S t 1, 36 (39); BayObLGSt 1953, 100 und der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung. R G S t 57, 84; KK-PIKART Rdn. 8 zu § 344 unter Hinw. auch auf B G H 1 StR

G o l t d A 1 9 5 5 , 5 6 ; E B . SCHMIDT R d n . 14 z u § 3 1 8 . 61

62

63

1 9 4 / 5 1 v. 2 2 . 5. 1 9 5 1 ; 1 S t R 6 0 4 / 7 0 v. 6. 7. 1 9 7 1 . 64

Anders BELING GoltdA Bd. 63 S. 198; vgl. allgemein zur Unteilbarkeit des Schuldspruchs auch B G H S t 19, 46 (48) = N J W 1963, 1987.

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

74

noch Untreue in Tateinheit mit dem übrigen angenommen w o r d e n ist. Auch kann die Revision nicht auf die Frage der Tateinheit oder Tatmehrheit 65 oder auf die Frage des Fortsetzungszusammenhangs' 6 beschränkt werden, ebensowenig auf die Frage der Gewerbsmäßigkeit 6 7 . O b die Annahme des Rückfalls 6 8 z u m Schuldspruch oder zum Strafausspruch 6 ' gehört, ist streitig 70 ; jedenfalls läßt er sich für die Revision vom einen oder vom anderen trennen 7 1 , d . h . der Beschwer"

LR-MEYER R d n . 27 z u § 344.

66

RG JW

1 9 3 2 , 4 0 4 N r . 9 m i t A n m . v o n OETKER; E B . SCHMIDT R d n . 2 0

zu

5 318. 67

B G H 2 S t R 9 8 / 5 1 (HERLAN G o l t d A 1953, 178 f ü r §§ 396, 4 1 0 b A O ; EB. SCHMIDT R d n . 19 z u § 3 1 8 ) .

" Daß die Rückfallvoraussetzungen, auch wo sie in Wahrheit vorliegen, nicht ordnungsgemäß festgestellt werden, ist eine leider ganz alltägliche Erscheinung, vgl. HERLAN M D R 1 9 5 5 , 1 8 (zu StGB 2 6 4 a. F.) mit weiteren Angaben. In solchen Fällen ist die Aufhebung des Urteils im Strafmaß gewiß. Sind aber die Rückfallvoraussetzungen in Wahrheit gegeben, so gewinnt der Beschwerdeführer damit nur einen Aufschub. § 48 StGB n. F. hat das zwar geändert, aber nicht gebessert. 69 So OLG Bremen NJW 1953, 1034. 70 Vgl. D R E H E R GoltdA 1953, 131; Auch seit der Geltung des jetzigen § 48 StGB wird einerseits der Rückfall als straferhöhender Umstand i.S. der §§ 265 Abs. 2, 267 Abs. 2 StPO angesehen, OLG Köln M D R 1975, 164; anderseits hindert § 363 Abs. 1 StPO nicht, mit einem Wiederaufnahmegesuch die Rückfallvoraussetzungen beseitigen zu wollen. KLEINKNECHT Rdn. 5 zu § 363. 71 E B . S C H M I D T 21 zu § 318 hält Herauslösung des Rückfalls aus dem Schuldspruch und isolierte Erörterung für ein Unding. U . E . kann dem nur ein Mißverständnis zugrunde liegen. Der verfahrensrechtliche Begriff des Schuldspruchs ist etwas anderes als ein materiellrechtlicher Ausspruch über all das, was zum Schuldmaß des Täters zu sagen ist. Wenn der Tatrichter mit großer Mühe festgestellt hat, daß der Angeklagte (und kein anderer) alle Merkmale des äußeren und inneren Tatbestandes eines Diebstahls erfüllt hat; wenn nun nur noch zweifelhaft ist, ob die Voraussetzungen des Rückfalls (die sich von der Begehung der jetzt abgeurteilten Tat ja historisch immer zweifelsfrei abheben) mit Recht oder mit Unrecht bejaht oder verneint worden sind; dann ist doch nicht einzusehen, warum zum Zwecke dieser Erörterung erst alle Feststellungen auch über die Begehung der jetzt abgeurteilten Tat vernichtet werden sollen. Damit werden sie, wenn der Beschwerdeführer jetzt nichts gegen sie einzuwenden hat, doch nur unnötig gefährdet. Man stelle sich vor, der Tatrichter habe nach langer Beweisaufnahme den leugnenden Angeklagten wegen Diebstahls verurteilt und den Rückfall übersehen. Nur die Staatsanwaltschaft greife das Urteil an, und nur zu dem Zweck, die Bestrafung wegen Rückfalls herbeizuführen. Warum in aller Welt soll das dem Angeklagten die Chance eröffnen, nun

III. Beschränkung

75

deführer, der den Schuldspruch im übrigen nicht angreifen will, kann den Strafausspruch einschließlich72 oder auch ausschließlich73 der Annahme des Rückfalls anfechten. Er kann aber die Annahme oder Nichtannahme des Rückfalls nicht ohne das Strafmaß angreifen. Innerhalb des Strafausspruchs sind weitere Trennungen möglich. 87 Nebenstrafen und Nebenfolgen können ohne die Hauptstrafe angegriffen werden; so kann die Revision auf das Berufsverbot74, auf die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB75 (aber im allgemeinen nicht umgekehrt auf den Strafausspruch ohne den Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis76), auf die Einziehung77 und andere Nebenstrafen und -folgen beschränkt werden. Auf die Sicherungsverwahrung sollte nach früher herrschender Ansicht78 die Revision im allgemeinen nicht, sondern nur dann79 beschränkt werden

72 73

noch freigesprochen zu werden, weil inzwischen Beweismittel verloren zu gehen pflegen? Das fordert weder die Gerechtigkeit noch die Rechtsstaatlichkeit. BGH 5 StR 183/53 vom 15. 5. 1953. BGH 5 StR 93/53 vom 30. 4. 1953; BGHSt 5, 252 = NJW 1954, 441 = M D R 1 9 5 4 , 3 1 1 = L M N r . 4 z u § 3 4 4 A b s . 1 ( m i t A n m . WERNER); K K - P I -

KART Rdn. 11 zu § 344; a.A. seit der Geltung des § 48 n.F. StGB die h.M.: O L G F r a n k f u r t N J W 1971, 1419; LR-MEYER R d n . 145 zu § 344 mit w.

Nachw. 74

B G H N J W 1 9 7 5 , 2 2 4 9 ; B G H S t 17, 38 =

N J W 1 9 6 2 , 6 4 3 ; a b l . LR-MEYER

Rdn. 62 zu § 344 mit weiteren Angaben; EB. SCHMIDT Rdn. 40 zu § 318. " BGH 2 StR 300/53 vom 16. 10. 1953 (mitgeteilt bei DALLINGER M D R 1954, 16); 5 StR 233/54 vom 19. 6. 1964; BayObLGSt 1954, 162 = NJW 1955, 353; B a y O b L G S t 1976, 18 = V R S 51, 276; a . M . EB. SCHMIDT R d n . 41 zu

§318 und DREHER-TRÖNDLE Rdn. 18 zu § 69 StGB. - Umgekehrt kann unter Umständen die Entziehung der Fahrerlaubnis von der Anfechtung des Rechtsfolgenausspruchs ausgenommen werden, BayObLGSt 1956, 255 = NJW 1957, 11. Immer ist dies jedoch nicht möglich, BGHSt 10, 379 = NJW 1957, 1726 = M D R 1957, 755 = JZ 1958, 176 = LM Nr. 17 zu § 42 m a. F. StGB (mit Anm. von E. KRUMME). Eine Trennung ist stets dann unmöglich, wenn übergreifende Feststellungen getroffen oder möglich sind. LR-MEYER Rdn. 59 zu § 344 mit zahlreichen weiteren Nachw. Auch eine isolierte Anfechtung der Dauer der Sperrfrist gem. § 69a StGB ist möglich. BGH NJW 1983, 1007; VRS 21, 262; DAR 1978, 152; OLG Zweibrücken Strafverteidiger 1983, 22; a.A. DREHER-TRÖNDLE Rdn. 18 zu § 69 StGB. 76 OLG Braunschweig GoltdA 1956, 56; BayObLG NJW 1966, 678. 77 OLG Oldenburg NJW 1971, 769. 78 RGSt 68, 385; OLG Celle SJZ 1950, 510; BGH 3 StR 257/51 vom 14. 6. 1951; 5 StR 966/52 vom 30. 4. 1953, 5 StR 401/53 vom 1. 10. 1953. " OLG Koblenz DRZ 1950, 22.

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

76

können, wenn die Strafe nicht dem § 20a StGB a. f. (jetzt § 66 StGB n.F.) entnommen war. Das war und ist jedoch nicht richtig. Es sind durchaus Fälle möglich und gar nicht einmal selten, in denen zwar alle Voraussetzungen einer Strafschärfung zweifelsfrei vorliegen und eine Anfechtung des Urteils insoweit völlig zwecklos wäre, in denen aber trotzdem die öffentliche Sicherheit nicht die Sicherungsverwahrung erfordert. Das kann besonders bei langen Strafen und bei höherem Alter des Täters der Fall sein. Hier muß dem Angeklagten die Möglichkeit gegeben werden können, die Strafe rechtskräftig werden zu lassen und sie sofort anzutreten (§ 450), auch wenn er die Sicherungsverwahrung angreifen will80. Eine solche Beschränkung ist nur dann nicht möglich (bei richtiger Auslegung der Revision meist auch gar nicht anzunehmen), wenn die Sicherungsverwahrung nur oder auch mit der Begründung angegriffen wird, der Beschwerdeführer sei dafür nicht der Typ des Hangtäters 81 . 88

Ferner kann die Revision auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus 82 , auf eine Verfallserklärung 83 , auf die Veröffentlichungsbefugnis 84 , auf Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts 85 beschränkt werden 86 .

80

So auch BGHSt 7, 102 = NJW 1955, 640 = JZ 1955, 384 (mit Anm. von WÜRTENBERGER) = L M N r . 6 z u § 4 2 e S t G B a. F. ( m i t A n m . v o n E . KRUMME); B G H N J W 1 9 6 8 , 9 9 8 ; abl. EB. SCHMIDT R d n . 39 z u § 3 1 8 .

81

82

Ausführlich zu dieser Frage HENNKE GoltdA 1956, 41 ff. Bei untrennbarem Zusammenhang mit der übrigen Strafzumessung isolierte Anfechtung der Sicherungsverwahrung unmöglich: BGH a.a.O. (wie Fußn. 75). BGH 5 StR 808/52 vom 19. 2. 1953; 5 StR 118/53 vom 7. 5. 1953; BGHSt 5, 267 = NJW 1954, 519 = JZ 1954, 299 = LM Nr. 3 zu § 51 Abs. 1 StGB a.F. mit Anm. von BUSCH; einschränkend (u.E. unrichtig) 5 StR 564/53 vom 8. 12. 1953; BGHSt 15, 285; BGH NJW 1963, 1414; BGH bei HOLTZ M D R 1 9 7 7 , 4 6 0 .

83 84 85

86

B G H 5 S t R 2 2 8 / 5 2 v o m 19. 2. 1953; LR-MEYER R d n . 6 3 z u § 3 4 4 . LR-MEYER R d n . 4 9 z u § 344. LR-MEYER R d n . 4 6 z u § 344.

Über die besondere Lage bei § 323a (§ 330a a. F.) StGB OLG Oldenburg N J W 1 9 5 5 , 2 3 3 ( d a z u ROTHER N J W 1 9 5 5 , 8 8 0 ) .

III. Beschränkung

77

Auch wenn die Revision auf das Strafmaß beschränkt ist, prüft das Revisionsgericht nach, ob die Verurteilung überhaupt auf einem gültigen Strafgesetz beruht 87 ; wenn nicht, spricht es frei 88 . Innerhalb des Strafausspruchs kann die Revision weiter beschränkt werden", z. B. auf die Gesamtstrafe 9 0 oder auf eine Überschreitung der gesetzlichen Höchststrafe, ebenso auf die H ö h e des Tagessatzes der Geldstrafe 9 1 . Ist w e g e n einer und derselben Tat auf Freiheits- und Geldstrafe erkannt worden, so kann die Revision auf eine dieser beiden Strafen beschränkt werden. Z u m Strafmaß gehören die Fragen der minder schweren oder der besonders schweren Fälle, der verminderten Zurechnungsfähigkeit gemäß § 21 StGB 9 2 , sowie die Anrech-

«7 KG JW 1932, 1774 (L); BayObLGSt 1953, 263 = NJW 1954, 611; BayObLGSt 1954, 159 = NJW 1955, 395 (dazu MÜLLER NJW 1955, 642) = J R 1 9 5 5 , 1 5 1 ( m i t A N M . SARSTEDT); E B . S C H M I D T R d n . 4 8 f f . z u § 3 1 8 . 88

89

90 91

92

Für eine vorsichtige Verallgemeinerung dieses Gedankens KLEINKNECHT in seiner wertvollen Anmerkung zu BGH M D R 1955, 433; wesentlich weiter geht E B . S C H M I D T Rdn. 4 8 ff. zu § 3 1 8 . Zu Unrecht spricht JAGUSCH J Z 1953, 690 Anm. 23 von der „grundsätzlichen Unteilbarkeit des Strafausspruchs". - Eine ganz andere Frage ist, ob eine Beschränkung innerhalb des Strafausspruchs sich für den Beschwerdeführer empfiehlt. Diese Frage ist für den Angeklagten in aller Regel zu verneinen (a. M. WEIGELT DAR 1954, 243), für die Staatsanwaltschaft und den Nebenkläger oft zu bejahen. BGH 5 StR 313/53 vom 8. 10. 1953; SCHWELING GoltdA 1955, 302. L R - M E Y E R Rdn. 3 2 zu § 3 4 4 mit weiteren Angaben. BGH 3 StR 395/51 vom 2. 8. 1951; 3 StR 793/51 vom 15. 11. 1951. - Dies gilt jedoch, wie E B . S C H M I D T (Rdn. 18 zu § 318) eingeräumt werden muß, nicht ohne Ausnahme. Die Grenze zwischen Zurechnungsunfähigkeit und verminderter Zurechnungsfähigkeit kann im Einzelfall undeutlich und zweifelhaft sein. Dann kann die rechtliche Beurteilung nicht beschränkt werden. Hat der Tatrichter den § 21 StGB übersehen oder seinen rechtlichen Sinn verkannt, so liegt es oft nahe, daß er auch den § 20 StGB übersehen oder verkannt hat. Er darf nicht in die Lage gebracht werden, daß er in der neuen Hauptverhandlung einen Sachverständigen nur zu § 21 StGB vernimmt und sich dann durch diesen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB überzeugen lassen muß, ohne diese Vorschrift anwenden zu können. Es ist Sache der revisionsrichterlichen Beurteilung im Einzelfall, ob solch ein Verlauf im Bereich der Möglichkeit liegt. Wenn ja, muß das Revisionsgericht die Beschränkung als unwirksam behandeln. Nicht dagegen ergibt sich ihre Unwirksamkeit, wie E B . S C H M I D T a.a.O. meint, ganz allgemein aus dem materiallrechtlichen Schuldbegriff. Die Möglichkeit einer logischen Abtrennung des Strafausspruchs vom Schuldspruch beruht darauf, daß bisweilen zwar schon zweifelsfrei das Vorliegen einer materiellen

89

D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

78

nung oder Nichtanrechnung der Untersuchungshaft 9 3 . Wird das Urteil daher nur hinsichtlich einer von diesen Fragen angefochten, so ergreift die Revision den Schuldspruch nicht. Wird dagegen Nichtanw e n d u n g des § 20 StGB gerügt, so liegt darin eine A n f e c h t u n g des (ganzen) Schuldspruchs 9 4 . Auch die Frage der Gewerbsmäßigkeit bildet einen untrennbaren Teil der Schuldfrage 9 5 . Im allgemeinen kann die Revision nicht auf die Bewilligung oder die Ablehnung einer Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt werden, w e n n der Tatrichter diese Entscheidung mit dem Erfordernis der Verteidigung der Rechtsordnung oder mit der Verneinung dieses Erfordernisses begründet hat 96 .

93

Schuld, aber noch nicht ihr Maß feststeht. Das ist im Bereich der §§ 20, 21 StGB ganz ebenso möglich wie auch sonst. Warum soll gerade hier der Angeklagte nicht sagen können: „Ich bin (trotz meiner Angetrunkenheit zur Tatzeit) schuldig und wehre mich nicht gegen eine Verurteilung; nur mit der Höhe der Strafe ist mir zuviel geschehen, weil eine erhebliche Verminderung meines Einsichts- oder Hemmungsvermögens nur infolge eines Verfahrensfehlers (kein Sachverständiger gehört) oder nur aus Irrtum über den Rechtsbegriff des .Erheblichen' verneint worden ist"? - Eine solche Haltung des Täters selbst ist eine zuverlässigere Grundlage des Schuldspruchs als zwei Gutachten und zwei Obergutachten. RGSt 59, 411; BGH 5 StR 206/53 vom 14. 7. 1953; BGHSt 7, 214 = M D R 1955, 307

=

JZ

1955, 383 (mit A n m . v o n WÜRTENBERGER);

kritisch

EB. SCHMIDT R d n . 3 2 z u § 3 1 8 . - L R - M E Y E R R d n . 3 6 z u § 3 4 4 , B G H 3 S t R

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385/74 vom 10. 1. 1975 erklärt die Beschränkung auf die Nichtanrechnung der Untersuchungshaft „jedenfalls dann für nicht wirksam, wenn diese auf ein Verhalten des Angeklagten gestützt ist, das bei der Strafzumessung wesentlich im Gewicht gefallen ist." BGH NJW 1951, 450 = JZ 1951, 344 = LM Nr. 2 zu § 42b StGB a.F.; vgl. aber auch BGHSt 5, 267 = NJW 1954, 519 = JZ 1954, 299 = JR 1954, 188 (L) = LM Nr. 3 zu § 51 Abs. 1 StGB a. F. (mit Anm. von B U S C H ) ; H E N R I C H S M D R 1956, 196. Vgl. dazu RGSt 60, 109 („gegen Entgelt"). LR-MEYER Rdn. 42 zu § 344. Die dort angeführte gegenteilige Entscheidung BGH NJW 1972, 832 betraf einen ganz besonderen Fall. Der Tatrichter hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zum Morde in 20 Fällen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt, weil die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebiete. Die Staatsanwaltschaft beschränkte ihre Revision auf diese Aussetzung. Der Bundesgerichtshof hob insoweit auf und verwies zurück. N A U C K E meint in seiner kritischen Anmerkung (NJW a.a.O.), die Staatsanwaltschaft hätte das Rechtsmittel nicht beschränken „dürfen"; die Strafe sei zu niedrig gewesen, und eine angemessene Strafe hätte ohnehin nicht ausgesetzt werden kön-

III. Beschränkung

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Soweit die Beschränkung überhaupt möglich ist, steht es ihr nicht 90 entgegen, daß die erhobenen Rügen auch die nicht angegriffenen Teile des Urteils zu Fall bringen könnten. Liegt einer der zwingenden Aufhebungsgründe des § 338 Nr. 1-7 vor, war etwa das Gericht nicht ordnungsmäßig besetzt, so würde das bei unbeschränkter Revision zur Aufhebung des ganzen Urteils führen. Trotzdem kann aber eine solche Rüge auch zur Begründung einer Revision vorgetragen werden, die z. B. auf den Strafausspruch beschränkt ist. Dann muß das Revisionsgericht den Schuldspruch bestehen lassen97. Auch ein unvorschriftsmäßig besetztes Gericht kann ein ganz oder teilweise richtiges Urteil finden; und auch ein zwingender Revisionsgrund wirkt nur in den Grenzen, in denen er geltend gemacht wird 98 . Anders ist es nur bei Verfahrenshindernissen und fehlenden Verfahrensvoraussetzungen 99 . In einigen Fällen ist die Revision kraft Gesetzes beschränkt. So 91 darf die Staatsanwaltschaft die Verletzung von Vorschriften, die nur zugunsten des Angeklagten gegeben sind, nicht zu seinem Nachteil rügen (vgl. oben Rdn. 19 Fußn. 29-36). Sinngemäß gilt dies auch für Fälle, in denen eine nicht ausschließlich zugunsten des Angeklagten gegebene Verfahrensvorschrift unbeachtet geblieben ist, ihre Nichtanwendung sich möglicherweise zum Nachteil des Angeklagten ausge-

nen. Vom Ergebnis her halte ich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch heute noch für richtig; freilich sollte sie nicht verallgemeinert werden. Der Senat hat sie auch nicht zur Veröffentlichung bestimmt. In B G H VRS 46, 101 wurde eine auf die Bewilligung der Strafaussetzung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft als den gesamten Strafausspruch ergreifende Revision behandelt, und zwar wegen der engen Verzahnung mit den Strafzumessungserwägungen als zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) eingelegt. Vgl. auch BGH 4 StR 255/75 vom 3. 7. 1975; vgl. auch OLG Köln VRS 81 (Bd. 65) 365. 97

98

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Z u s t i m m e n d LR-MEYER R d n . 4 z u § 338; 25 z u § 344; KK-PIKART R d n . 6 z u

§ 338. Gerade in solchen Fällen kann die Beschränkung ihren guten Sinn haben. In BGH 5 StR 118/55 war der Angeklagte wegen Diebstahls in mehreren Fällen verurteilt worden. Er beschränkte die Revision auf den Strafausspruch in einem einzigen dieser Fälle und trug zur Begründung nur vor, einer der mitwirkenden Schöffen sei der Onkel des Bestohlenen. Die Behauptung erwies sich als unzutreffend; wäre sie richtig gewesen, so war es ganz sinnvoll, die Revision und natürlich auch die Aufhebung so zu beschränken. Vgl. DALLINGER M D R 1956, 146 (zu § 24 GVG) mit weiteren Angaben.

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D. Verzicht, Rücknahme, Beschränkung

wirkt hat, ihre Anwendung aber auf jeden Fall dem Angeklagten nur hätte Vorteil bringen können 100 . Das gilt aber nur, wenn die Rechtsnorm zu Ungunsten des Angeklagten verletzt worden ist; ist sie zu seinen Gunsten verletzt worden, so steht der Staatsanwaltschaft die Revision auch zu seinem Nachteil zu 101 . Denn § 339 soll nur verhindern, daß ein Urteil zum Nachteil des Angeklagten angefochten wird, wenn trotz seiner Benachteiligung durch die Verletzung einer zu seinen Gunsten gegebenen Vorschrift eine ihm günstige Entscheidung ergangen ist, nicht aber eine Anfechtung des Urteils ausschließen, wenn und weil die dem Angeklagten günstige Entscheidung auf der Gesetzesverletzung beruht. Die Beschränkung des § 339 gilt auch für den Nebenkläger. Dessen Revision ist übrigens kraft Gesetzes auf diejenigen Taten beschränkt, die ihm das Recht zum Anschluß geben (vgl. dazu oben Rdn. 28 ff.). Andererseits kann die Staatsanwaltschaft ihre Revision nicht darauf beschränken, daß eine Abänderung nur zu Ungunsten des Angeklagten solle stattfinden können. Einer solchen Beschränkung steht § 301 entgegen 102 . In diesem Zusammenhang heißt „zu Ungunsten" also immer nur: „auch zu Ungunsten"; „zugunsten" heißt immer: „nur zugunsten". 92

O f t beschränkt die Staatsanwaltschaft eine zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision darauf, daß das angefochtene Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Meist lassen die Revisionsgerichte sich auf diese Beschränkung nicht ein. Sie setzt voraus, daß der Tatrichter bei der Beratung wirklich so vorgegangen ist, wie mancher Theoretiker sich das vorstellt, daß er nämlich zunächst die Strafhöhe ohne jeden Seitenblick auf die Möglichkeit der Aussetzung festgesetzt habe, und daß ihm dann erst die Möglichkeit der Aussetzung eingefallen sei. So pflegt es aber in Beratungen, mag man es billigen oder mißbilligen, in aller Regel nicht herzugehen. Völlig im Vorder100

B a y O b L G S t 1 9 4 9 / 5 1 , 135; LR-MEYER R d n . 1 z u § 3 3 9 .

101

B G H 1 S t R 7 3 / 5 4 v o m 9. 7. 1 9 5 4 .

102

Deshalb halten wir die Ausführungen von EB. SCHMIDT 8 zu § 301 nicht für zutreffend. Hat die Staatsanwaltschaft „zu Ungunsten" des Angeklagten Revision eingelegt, so kann das Revisionsgericht daraufhin das angefochtene Urteil „zugunsten" des Angeklagten aufheben. Hat in solchem Falle auch der Angeklagte Revision eingelegt, so kann nicht aus diesem Grunde über das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft anders entschieden werden als ohne die Revision des Angeklagten. Vielmehr muß dann auf beide Revisionen aufgehoben werden. Natürlich gilt dann für den Tatrichter das Verschlechterungsverbot.

III. Beschränkung

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grund steht für den Angeklagten, und damit gewöhnlich auch für das Gericht, vor allem für die Schöffen, die Frage, ob der Angeklagte die zu findende Strafe verbüßen soll oder nicht. Wenn sie bejaht wird, ist das Grund zur Milde bei ihrer Bemessung; wenn sie verneint wird, stellt sich gewöhnlich der Gedanke ein, ihm dann aber einen eindrucksvollen „Schuß vor den Bug" zu geben, ihm eine durch ihre Höhe abschreckende Strafe anzudrohen. Stellt sich dann die Aussetzung als rechtsfehlerhaft heraus, so sollte es bei einer aus solchem Beweggrund verhängten hohen Strafe nicht bleiben - jedenfalls sollte der Tatrichter Gelegenheit bekommen, sich das noch einmal zu überlegen. In der Wissenschaft mehren sich die Stimmen, die Kritik an dem 9 3 Umfang der Rechtsmittelbeschränkung üben, den die ständige Rechtsprechung der Berufungs- und Revisionsgerichte für möglich hält. Schon GERLAND103 erklärte die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Straffrage unter Nichtanfechtung der Schuldfrage für „gänzlich unmöglich", v. HIPPEL104 bezeichnete es als erfreulich, daß die Strafprozeßkommission 1938 die Teilanfechtung überhaupt beseitigen wollte. KERN105 und HENKEL106 wollen eine Nachprüfung auch des nicht angefochtenen Teiles der Entscheidung wenigstens gestatten. KARL PETERS107, der eine Reihe von guten Beispielen bringt, will die Anfechtungsbeschränkung immer nur für den Regelfall gelten lassen, den Rechtsmittelrichter aber dann nicht an sie binden, wenn er „eine von ihm als unrichtig erkannte verurteilende Entscheidung des unteren Gerichts seiner eigenen urteilenden Entscheidung zu Ungunsten des Angeklagten zugrunde legen müßte". EB. SCHMIDT108 schränkt Umfang und Wirkung der Teilrechtskraft ebenfalls erheblich ein. Hier ist nicht der Ort zu einer Auseinandersetzung mit diesen Kritikern der Rechtsprechung (oder sollte man sagen: der Verteidiger?) in der Ausführlichkeit, die sie verdienen. Die Kritik ist u. E. in einigen wenigen Einzelheiten, nicht aber grundsätzlich in ihrer allgemeinen Richtung begründet. Sie unterschätzt die Gefahren, die einer prakti103

S. 396; vgl. auch GRÜNWALD, die Teilrechtskraft im Strafverfahren 1964, S. 154. 104 S. 579, 594. 105 S. 178. »