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German Pages [407] Year 2010
Oliver Rathkolb, Maria Wirth, Michael Wladika
Die „Reichsforste“ in Österreich 1938–1945 Arisierung, Restitution, Zwangsarbeit und Entnazifizierung
Unter Mitarbeit von Vera Ahamer
Studie im Auftrag der Österreichischen Bundesforste AG
böhlau verlag wien · köln · weimar
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
BILDNACHWEIS: S. 26 Forstämter © Norbert Weigl, Die Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945 dargestellt am Beispiel der Reichsgaue Niederdonau und Wien, Wien 2002. S. 71, 76, 121, 124, 168, 253 © ÖNB/Wien. S. 72 Dienstkleidung © Norbert Weigl, Die Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945 dargestellt am Beispiel der Reichsgaue Niederdonau und Wien, Wien 2002.
ISBN 978-3-205-78482-1 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Über setzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2010 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, Wien · Köln · Weimar http://www.boehlau.at http://www.boehlau.de Der Text ist gesetzt in der Adobe Garamond. Der Titel auf dem Umschlag ist gesetzt in der Futura der Bauerschen Gießerei. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Druck:
Vorwort Ein öffentliches Unternehmen, wie es die Österreichischen Bundesforste sind, trägt eine ganz besondere Verantwortung. Als ein Unternehmen, das immer an dem Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert ist, befolgen die Bundesforste auch im Zusammenhang mit ihrer Verantwortung die Logik der drei Nachhaltigkeitssäulen Natur, Gesellschaft, Wirtschaft. So sind die Österreichischen Bundesforste zunächst einmal verantwortlich für die zahlreichen Naturflächen, die ihnen zur Betreuung übertragen wurden. Auch in den Regionen, wo die Bundesforste wirken, tragen sie eine große Verantwortung für sehr viele Menschen – von den Mitarbeitern über die Kunden bis zu den vielen anderen Stakeholdern. Schließlich tragen die Bundesforste auch eine wirtschaftliche Verantwortung, denn sie sind oft Motor für regionale Entwicklungen und sie leisten jährlich einen wichtigen Beitrag für den Staatshaushalt. Eine ganz besondere Art der Verantwortung ist es, mit der eigenen Vergangenheit als Unternehmen umsichtig und bedacht umzugehen. Hier spielen gerade die dunklen Zeiten des Nationalsozialismus eine gewichtige Rolle. Von der Nachkriegszeit bis heute haben sich die Bundesforste mit der Aufarbeitung dieser Zeit beschäftigt. Jetzt haben sie mit der von Univ.-Prof. Oliver Rathkolb, Frau Mag. Maria Wirth, Herrn Dr. Michael Wladika und Frau Dr. Vera Ahamer erstellten Studie eine besonders intensive Auseinandersetzung mit der NS-Zeit vollzogen. Diese Initiative ist Ausdruck eines aktiven Umgangs mit der eigenen Geschichte. Und darin liegt auch eine Verpflichtung der öffentlichen Hand: mit der eigenen Geschichte, sei es im positiven wie auch im negativen Sinn, aktiv umzugehen und sie umfassend aufzuarbeiten. Diese Verantwortung trägt die öffentliche Hand im Sinne der Gerechtigkeit und im Sinne all jener, die in diesen Zeiten gelitten haben. Die Bundesforste haben sich mit dieser Studie sowohl mit der Frage der „Arisierung“ und Restitution von Grundflächen und Gebäuden beschäftigt als auch mit dem Kapitel Zwangsarbeit und schließlich mit den internen Karrieren. Diese Bereitschaft zur Auseinandersetzung – auch wenn sie nicht immer angenehm ist, sondern im Gegenteil oft sehr schmerzhaft – ist eine grundlegende Aufgabe jedes öffentlichen Unternehmens. Die Bundesforste haben sich dieser Aufgabe gestellt und werden sich ihr auch in Zukunft weiter stellen. DI Niki Berlakovich Landwirtschafts- und Umweltminister
Aktiver Umgang mit der Unternehmensvergangenheit Die Österreichischen Bundesforste sind als Unternehmen stets um Modernität und Zukunftsorientiertheit bemüht. Diese Haltung ist Voraussetzung, um in einem immer schneller und globaler werdenden Umfeld zu reüssieren. Bei allem Sinn für Aktualität und Perspektive darf ein Unternehmen nie seine Geschichte und damit auch seine Wurzeln vernachlässigen. Zum einen, weil man die eigene Identität nur aus der historischen Entwicklung heraus begreifen kann. Denn nur wenn man beispielsweise weiß, aus welchen Besitzverhältnissen die Bundesforste-Gebiete stammen, kann man auch ein Verständnis für die aktuellen Rahmenbedingungen entwickeln. Zum anderen, weil ein öffentliches Unternehmen der Republik und damit allen Österreicherinnen und Österreichern selbstverständlich verpflichtet ist. Mit dem Auftrag der Österreichischen Bundesforste an Univ.-Prof. Oliver Rathkolb und sein Team, die Geschichte rund um die Reichsforste in Österreich zu erforschen, haben die Bundesforste einen wichtigen Schritt gesetzt, einen Schritt zum offenen Umgang mit der Vergangenheit, einen Schritt zur Erhöhung der Unternehmenstransparenz und einen Schritt zum aktiven Herangehen an die eigene Geschichte. Diese Schritte sind nur eine logische Konsequenz einer Unternehmenskultur wie sie heute von den Bundesforsten gelebt wird, ohne Geheimnisse und ohne hierarchische Tabus. Im Auftrag der Österreichischen Bundesforste haben Professor Rathkolb und sein Team eine wichtige Etappe im Zuge des aktiven Umgangs mit der Unternehmensgeschichte erreicht. Tatsächlich beschäftigen sich die Bundesforste – gerade im Zusammenhang mit den Themen „Arisierung“ und Restitution – von der frühen Nachkriegszeit bis zur Gegenwart durchgehend mit diesen Fragen. Die vorliegende Studie fasst diese jahrzehntelangen Bemühungen zusammen und zieht Bilanz, ohne einen Schlussstrich zu ziehen, sondern im Sinne eines Auftakts für die weitere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und ihren Auswirkungen. Ein so großes Unterfangen wie diese Studie bedarf natürlich immer vieler Unterstützerinnen und Unterstützer, denen hier gedankt werden soll. Neben den Autoren gilt mein Dank zunächst dem Projekt-Verantwortlichen bei den Bundesforsten, Bernhard Schragl. Darüber hinaus geholfen und mitgewirkt haben: Franz Eggl, Thomas Uher, Rosmarie Wakolbinger, Helmut Wohnout; Österreichische Bundesforste/Verband Österreichischer Förster: Helmut Dier, Lukas Stepanek; Österreichisches Staatsarchiv / Archiv der Republik: Sonja Gottschick, Rudolf Jerabek, Hubert Karigl, Hana Keller, Heinz Placz, Herbert Vopava; Landesarchive: Salzburger Landesarchiv: Oskar Dohle, Steiermärkisches Landesar-
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Vorwort
chiv: Johann Lindner, Tiroler Landesarchiv: Wilfried Beimrohr, Kärntner Landesarchiv: Wilhelm Deurer, Oberösterreichisches Landesarchiv: Willibald Mayrhofer, Allgemeiner Entschädigungsfonds der Republik Österreich, Hannah Lessing, Susanne Helene Betz, Karin Hirsch, Stephanie Lukas sowie Eva Blimlinger, Edith Leisch-Prost; Ingrid Böhler, Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck; Alexander Flendrovsky (Republik Österreich, Datenschutzkommission), Johannes Jungwirth (Pensionsversicherungsanstalt), Alexander Knoth, Mag. Christoph Mentschl (Österreichisches Biographisches Lexikon/Österreichische Akademie der Wissenschaften), Hubert Reitterer (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Magdalena Rudny. Selbstverständlich werden die Österreichischen Bundesforste auch in Zukunft das Buch der Vergangenheit nicht schließen, sondern sich weiterhin aktiv mit ihr auseinandersetzen. Dr. Georg Erlacher Vorstandssprecher Österreichische Bundesforste AG
Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten im Bereich der Österreichischen Bundesforste / Reichsforstverwaltung 1938 – 1945 – 1955 . . . . . . . . . . . 15 1.1. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Organisatorischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Untersuchungssamples . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1. Untersuchungssample 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2. Untersuchungssample 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3. Untersuchungssample 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4. Gesamtuntersuchungssample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Personelle Veränderungen in der Reichsforstverwaltung nach dem März 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1. (Wieder-)Einstellung von Nationalsozialisten . . . . . . . . . . . 1.4.2. „Rassisch“ und politisch motivierte Entlassungen, Pensionierungen und Versetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3. Anteil von NSDAP-Mitgliedern unter den Forstbediensteten . . . 1.4.4. Widerstand unter den österreichischen Forstleuten . . . . . . . . 1.5. Entnazifizierung im Bereich der Österreichischen Bundesforste . . . . . 1.5.1. Gesetzliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2. Entnazifizierung im Bereich der Österreichischen Bundesforste . . 1.5.3. Ehemalige Nationalsozialisten bei den Österreichischen Bundesforsten 1955 . . . . . . . . . . . . . . . 1.6. Biographische „Fallbeispiele“: Österreichische Forstleute während des Nationalsozialismus und in der Entnazifizierung . . . . . .
15 16 30 31 32 35 36 37 38 42 57 77 80 80 90 102 105
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Inhalt
2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2.1. Einleitung und Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Vorurteile und die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen . . . . . . 2.3. Einsatz von ZwangsarbeiterInnen in der Land- und Forstwirtschaft in der ehemaligen Ostmark 1939–1945 . . . . . . . . . . 2.4. Annäherung an den Umfang des ZwangsarbeiterInneneinsatzes bei den Reichsforsten auf dem Gebiet des heutigen Österreich . . . . . . 2.5. ZwangsarbeiterInnen in der Industrie und in der Land- und Forstwirtschaft – ein Vergleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen . .
129 136 137 139 147
3. „Arisierung“ und Restitution von Liegenschaften . . . . 159 3.1. Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.1.1. Vorbemerkung (Die Ankaufspolitik der Reichsforstverwaltung und die Effizienz der NS-Behörden beim Erwerb von Liegenschaften) . 159 3.1.2. Besonderheiten der Rückstellungsverfahren nach 1945 . . . . . . . 171 3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich der von den ÖBF durchgeführten Studie mit den Forschungsergebnissen der im Rahmen der Historikerkommission erstellten „In-Rem-Dokumentation“ . . . . . . . 183 3.2.1. Untersuchungssample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.2.2. Mögliche „Desiderate“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.2.3. Liegenschaften, die folgende Eigenschaften aufweisen: Sie scheinen in der Datenbank der Historikerkommission mit dem Stand 17. Jänner 2001 als im Eigentum der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG befindlich auf; im jeweiligen Grundbuch ist ein Rückstellungsverfahren angemerkt worden; sie sind jedoch nicht in den Verzeichnissen aus den Jahren 1945, 1946 und 1948 erfasst worden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3.3. Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3.3.1. Gut Zierma – Hilde Horr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3.3.2. Sonnblickrealität – Hubert Pucher . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3.3.3. Augenossenschaft Dorf Fischamend . . . . . . . . . . . . . . . . 292
Inhalt
3.3.4. RA Dr. Otto und Valerie Kohn, Liegenschaft EZ 272 KG Bad Ischl, Grazerstraße 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5. Villa Dietrichstein / Wurzbach / Zauner . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6. Kulturverein Tragöß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.7. Gutsbesitz Lanckoronski-Brzezie . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.8. Waldgut Sabine Perlberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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296 311 330 343 358
4. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einleitung 2005 hat der Vorstand der Österreichischen Bundesforste AG an mich die Anfrage gerichtet, ob ich bereit wäre, eine Forschungsstudie zum Thema Reichsforstverwaltung auf dem Gebiet des heutigen Österreichs während der NS-Zeit zu initiieren und durchzuführen. Wie bei früheren Projekten, die ich geleitet habe, war die uneingeschränkte wissenschaftliche Unabhängigkeit der Forschungs- und Publikationsarbeit eine unbedingte Voraussetzung, um dieses Offert anzunehmen. Diese Unabhängigkeit wurde nie vom Auftraggeber infrage gestellt. Bereits 2001 hatte der Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesforste AG in seiner Sitzung vom 12. Jänner beschlossen, von sich aus eine „nähere Untersuchung und historische Betrachtung der auf die NS-Zeit zurückgehenden Besitzherkünfte der Bundesforste“ durchzuführen. Diese interne Studie wurde von Dr. Gottfried Hamböck1 2002 durchgeführt – unabhängig von der bereits 2001 beschlossenen Zahlung von 10 Millionen US-Dollar in den Entschädigungsfonds der Republik Österreich. Die Ergebnisse wurden auch der HistorikerInnenkommission der Republik Österreich zur Verfügung gestellt. Das Forschungsprojekt umfasste insgesamt drei Themenfelder: 1. Auseinandersetzung mit den internen Karriereverläufen der leitenden und mittleren Ebene der Reichsforstverwaltung des heutigen Österreich unter Berücksichtigung von Widerstand und politischer Maßregelung vor 1945 bzw. Entnazifizierung nach 1945 und die überblicksartige Analyse der Auswirkungen des NS-Regimes sowie der Entnazifizierung auf das gesamte Personal. Als eine neue forschungsleitende Fragestellung zum Thema Bruch und Kontinuität wurde die personelle (Dis-)kontinuität im Bereich der Österreichischen Bundesforste / der Reichsforstverwaltung 1938–1945 ff. gewählt. 2. „Arisierung“ und Restitution von Liegenschaften und Immobilien im Eigentum der Republik Österreich, die im historisch relevanten Zeitraum durch die Österreichischen Bundesforste bzw. die Österreichische Bundesforste AG oder die Reichsforstverwaltung verwaltet wurden bzw. heute noch in ihrem Besitz sind.
1 �������������������������������������������������������������������������������������������������������� Gottfried Hamböck, Historische Besitzaufarbeitung. Identifizierung des in Bundesforstebesitz befindlichen ehemaligen Deutschen Eigentums, ungedruckt, Wien 2002
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Einleitung
3. Analyse und Bewertung des Einsatzes von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in Betrieben, die 1938–1945 zur Reichsforstverwaltung auf dem Gebiet des heutigen Österreich gehört haben. Für die Bearbeitung dieser Forschungsfragen war die Konsultation verschiedener Archive bzw. Quellen erforderlich: In erster Linie sind die Archivbestände der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung zu nennen, die sich zum Teil bei den Bundesforsten selbst bzw. im Archiv der Republik im Österreichischen Staatsarchiv befinden. Sehr hilfreich für die Projektarbeit war, dass die bei den Österreichischen Bundesforsten verwahrten Archivalien – sie beziehen sich vorwiegend auf den Liegenschaftsbereich, umfassen aber auch zahlreiche Konvolute zu anderen Themenbereichen (Organisationsfragen, Bauvorhaben etc.) sowie teilweise noch vorhandene Personalakten – durch ExcelListen erschlossen sind. Die im Archiv der Republik (Österreichisches Staatsarchiv) lagernden Unterlagen sind ebenfalls über Signaturschlüssel und Konvolutslisten sowie über Indices erschlossen. Worauf im Rahmen der Studie besonders aufgebaut werden konnte, war – neben den vorhandenen Konvolutslisten – v. a. der Zugang über die Signaturen. Was die Unterlagen aus den ehemaligen Regierungs- bzw. Landesforstämtern betrifft, wurden die einzelnen Landesarchive im Hinblick auf den Umfang, den Inhalt und die Erschließung der vorhandenen Materialien angeschrieben. Dabei wurde jedoch festgestellt, dass die Überlieferung von Bundesland zu Bundesland deutlich variiert und die Erschließung der vorhandenen Quellen als durchaus schlecht bezeichnet werden kann. Zum Teil – was Wien-Niederösterreich und Kärnten-Steiermark betrifft – lagern die Unterlagen zudem im Österreichischen Staatsarchiv in Wien. Auf eine zeitaufwendige und teilweise nicht erfolgversprechende Recherche in den Landesarchiven wurden daher verzichtet. Die im Deutschen Bundesarchiv in Berlin liegenden Akten zum Reichsforstamt wurden hingegen eingesehen und ebenso wie Unterlagen aus dem Archiv der Österreichischen Bundesforste und aus dem Österreichischen Staatsarchiv der Studie zugrunde gelegt. Von besonderer Bedeutung hinsichtlich der Archivalien im Österreichischen Staatsarchiv stellte sich der Bestand Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, in dem sich auch Unterlagen des ehemaligen Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben finden, heraus. Die im Staatsarchiv lagernden Unterlagen der ehemaligen Regierungs- bzw. Landesforstämter wurden nur partiell eingesehen.
Wien, im August 2009
Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten im Bereich der Österreichischen Bundesforste/Reichsforstverwaltung 1938 – 1945 – 1955 Maria Wirth
1.1. Fragestellungen Gegenstand des ersten Kapitels der vorliegenden Studie ist das Personal der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung (in der Ostmark, später Donau- und Alpengaue) in den Jahren 1938 bis 1945 ff., wobei folgende Aspekte im Mittelpunkt der Untersuchung standen: 1. Inwiefern lassen sich durch den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich politisch oder „rassisch“ motivierte Veränderungen im Personal der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung feststellen, 2. wie stark war die Involvierung der in der Forstverwaltung Tätigen in den Nationalsozialismus, 3. inwiefern ist ein Widerstand gegen den NS-Staat feststellbar und 4. inwieweit fand eine Entnazifizierung im Bereich der Österreichischen Bundesforste statt bzw. welchen Einfluss hatte eine Involvierung in den Nationalsozialismus auf den weiteren Karriereverlauf bei den Österreichischen Bundesforsten nach 1945. Ausgehend von diesen Fragestellungen, die ein besonderes Augenmerk auf Brüche und Kontinuitäten im Personal der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung legen, entschloss sich das Projektteam zur Bildung von drei Untersuchungssamples. Diese sollten einen Einblick in das Personal der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung (nach Möglichkeit obere und mittlere Personalebene, Beamte und Angestellte, keine einfachen Holzarbeiter oder Schreibkräfte) vor dem März 1938, nach dem „Anschluss“ bzw. nach dem Jahr 1945 erlauben und eine Beantwortung der oben angeführten Fragestellungen ermöglichen. Sie sollten zu einer Beschreibung von historischen Prozessen (politische und „rassisch“ motivierte „Säuberungen“ nach dem März 1938, Entnazifizierung) dienen und es ermöglichen – sollten keine „Gesamtzahlen“ eruiert werden können – quantitative Aussagen in Hinblick auf die formulierten
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Forschungsfragen (Berufsschädigungen, Involvierung in den Nationalsozialismus, Widerstand) zu machen. Vorauszuschicken ist dabei, dass es sich bei den im Folgenden gemachten quantitativen Angaben um keine absoluten Zahlen handelt, dass diese aber (v. a. aufgrund der Größe der gebildeten Untersuchungssamples und der Vielzahl an durchgesehenen Quellen) eine Aussage über repräsentative Tendenzen erlauben. Den folgenden Ausführungen über die Bildung der Untersuchungssamples und den Forschungsergebnissen zu den personellen (Dis-)kontinuitäten im Bereich der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung ist – als nötige Hintergrundinformation für alle im Rahmen dieser Studie bearbeiteten Themenbereiche – ein kurzer Überblick über den Aufbau der Österreichischen Bundesforste und der Reichsforstverwaltung in der Ostmark (später Donau- und Alpengaue) vorangestellt.
1.2. Organisatorischer Hintergrund 1.2.1. Organisationsstruktur der Österreichischen Bundesforste vor dem „Anschluss“ Der Wirtschaftskörper Österreichische Bundesforste (in der Form wie er vor dem „Anschluss“ bestand) wurde durch das Bundesgesetz vom 28. Juli 1925 errichtet. Hier wurde bestimmt, dass die Österreichischen Bundesforste zur Führung des Betriebes der bisher vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft im Wege der Bundesforstverwaltung verwalteten im Eigentum des Bundes befindlichen Forste und Domänen gebildet werden und sie darüber hinaus die bisher vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft verwalteten Forste und Domänen der Religionsfonds übernehmen und ihnen auch andere bundeseigene Forste und Domänen übertragen werden können. Ferner wurde hier festgelegt, dass an der Spitze der Bundesforste eine Generaldirektion stehen sollte, die dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft unterstellt ist und deren Mitglieder auf Vorschlag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft von der Bundesregierung bestellt werden.2 Festgeschrieben wurde im Bundesforstegesetz von 1925 somit eine völlige Trennung der Bewirtschaftung des Staatswaldes vom staatlichen Forstaufsichtsdienst. Während die Bundesforste für die Bewirtschaftung des bundeseigenen Waldes zuständig sein sollten, sollte die Forstaufsicht bei den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung liegen: bei den Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirksforstinspektionen), bei den Landeshaupt2 ����������������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. Bundesgesetz vom 28. Juli 1925 über die Bildung eines Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“, BGBl. Nr. 282/1925.
1.2. Organisatorischer Hintergrund
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leuten bzw. Ämtern der Landesregierung (Landesforstinspektionen) und beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.3 Der nähere Aufbau der Österreichischen Bundesforste wurde in einem eigenen Organisationsstatut geregelt, das von der österreichischen Bundesregierung am 5. Dezember 1925 beschlossen wurde. Hiernach war der Aufbau der Österreichischen Bundesforste ein zweistufiger: An der Spitze der Bundesforste stand die in Wien angesiedelte Generaldirektion mit einem Generaldirektor und drei Direktoren – einem technischen, einem juridisch-administrativen und einem kommerziellen Direktor –, die dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft unterstellt war. Die den Österreichischen Bundesforsten zur Bewirtschaftung übergebenen Forste und Domänen wurden in Forstverwaltungen (mit einem Forstmeister an der Spitze) unterteilt, die ihrerseits mehrere Försterbezirke (mit Förstern im Außendienst) umfassen konnten. Als Verbindungsstelle zwischen den Forstverwaltungen und der Generaldirektion fungierte ein Inspektionsdienst (mit Oberförstern), dessen Mitarbeiter Organe der Generaldirektion waren.4 Anzumerken ist hierbei, dass sowohl die Anzahl der vorhandenen Forstverwaltungen als auch jene des Inspektionsdienstes im historischen Verlauf unterschiedlich groß waren: Während 1926 noch zwölf Oberforstmeister im Inspektionsdienst tätig waren, verringerte sich ihre Anzahl im Jahre 1931 auf neun und betrug 1975 sieben.5 In Salzburg und Innsbruck bestanden sowohl nach der Bildung der Österreichischen Bundesforste in den Jahren 1925 bis 1938 als auch nach 1945 Inspektionsdienste als Außenstelle der Generaldirektion.6 Die Anzahl der Forstverwaltungen verringerte sich von 93 Forstverwaltungen im Jahr 1926 auf 83 Forstverwaltungen im Jahr 1932 und betrug im Jahr 1965 96 Forstverwaltungen. Seither ist eine kontinuierliche Reduktion der Forstverwaltungen durch Zusammenlegungen u. ä. feststellbar.7 Feststellbar ist eine ähnliche Entwicklung auch für den Bereich der Försterbezirke, auch hier ist die Zahl der bestehenden Einrichtungen stark schwankend.8
3 Österreichische Bundesforste (Hg.), 50 Jahre Österreichische Bundesforste 1925–1975, Wien 1975, S. 18. 4 50 Jahre Österreichische Bundesforste 1925–1975, S. 217f. 5 Ebenda, S. 219. 6 Astrid Hoffmann, Die wirtschaftliche Entwicklung der Österreichischen Bundesforste, Dipl.-Arb., Wien 1977, S. 47 und S. 51f. 7 �� 50 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Jahre Österreichische Bundesforste, S. 225, 227 und 256 sowie Hoffmann, Die wirtschaftliche Entwicklung der Österreichischen Bundesforste, S. 52–56. 8 Vgl. hierzu etwa Untersuchungssample 1955.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
1.2.2. Organisationsstruktur der Reichsforstverwaltung auf dem Gebiet des heutigen Österreich Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurden die Österreichischen Bundesforste aufgelöst und zu einem Teil der Reichsforstverwaltung. Dies inkludierte die Einführung deutscher Verwaltungsvorschriften und umfangreiche organisatorische Änderungen, die der Forsthistoriker Norbert Weigl in seiner Studie über die Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945 detailliert beschrieben hat und die auch in einer Festschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Österreichischen Bundesforste im Jahr 1975 skizziert wurden.9
Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 Grundlage für den Aufbau einer einheitlichen Reichsforstverwaltung und eine Neuregelung von Kompetenzen war die Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938. Hier wurde festgelegt, dass die Verwaltung des Forst- und Jagdwesens im Lande Österreich durch „Regierungsforstämter“ (in der mittleren Verwaltungsstufe) und durch die ihnen zugeordneten „Forstämter“ (auf lokaler Ebene) erfolgen soll. Die Regierungsforstämter und Forstämter, die jedoch erst noch errichtet werden mussten, waren Reichsbehörden, die direkt dem Reichsforstmeister in Berlin, Hermann Göring, unterstellt wurden. Die Aufgaben des Reichsstatthalters in Österreich auf dem Gebiet der Forst- und Holzwirtschaft (und teilweise des Jagdwesens) gingen auf den Reichsforstmeister über, ebenso die Verwaltung des Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste, der aufgelöst wurde.10 Eine Präzisierung der fachlichen Zuständigkeiten, die auf den Reichsforstmeister übergingen, erfolgte in einer eigenen Durchführungsverordnung vom selben Tag. Sie nennt eine Reihe von Kompetenzen und macht deutlich, dass ab Juli 1938 praktisch alle wichtigen Entscheidungen betreffend die Verwaltung, Betreuung und Bewirtschaftung des österreichischen Waldes und seiner Holzvorräte entweder vom Reichsforstmeister oder von dem ihm unterstellten Reichsforstamt in Berlin getroffen werden konnten. 9 Norbert Weigl, Die Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945, dargestellt am Beispiel der Reichsgaue Niederdonau und Wien. Schriftenreihe des Instituts für Sozioökonomik der Forst- und Holzwirtschaft Band 44, Wien 2002; Österreichische Bundesforste (Hg.), 50 Jahre Österreichische Bundesforste 1925– 1975, Wien 1975. 10 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bekannt gemacht wird. GBlfdLÖ Nr. 238/1938.
1.2. Organisatorischer Hintergrund
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Die Kompetenzen, die aufgrund der Ersten Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 an den Reichsforstmeister übergingen, waren: die Aufgaben des Ministeriums für Landwirtschaft, des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie der Behörden der allgemeinen Verwaltung auf dem Gebiete des Forstwesens einschließlich des forsttechnischen Dienstes der politischen Verwaltung, die Aufgaben des Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste, die Aufgaben der forsttechnischen Abteilung für Wildbachverbauung des Ministeriums für Landwirtschaft, die forsttechnischen Aufgaben der Agrarbehörden, die Angelegenheiten der Holzwirtschaft, soweit sie in die Zuständigkeit des Reichsministers gehören, Aufgaben auf dem Gebiet des Jagdwesens, soweit ihre Zuständigkeit gesetzlich bestimmt nicht anderen Stellen oblag, die forstliche Betriebsführung aller Waldungen der bisherigen österreichischen Länder, der Gemeinden und der übrigen Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie der Gemeinschaftswaldungen und der öffentlich-rechtlichen Genossenschaftswaldungen, soweit die Betriebsführung schon bisher von Dienststellen des Landes Österreich oder der ehemaligen österreichischen Länder besorgt wurde.11 Hinsichtlich der Auflösung des Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste wurde in der Ersten Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forstund Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bestimmt, dass seine Rechte und Pflichten auf das Land Österreich als Teil des Deutschen Reiches übergehen. Die Regierungsforstämter sollten in der Stufe der Landeshauptmannschaften gebildet werden und ihnen die Forstämter als örtliche Behörden unterstehen. Geregelt sollte der Aufbau der Forstverwaltungen so werden, dass jede Behörde innerhalb ihres Dienstbezirks mit allen Aufgaben der Forstverwaltung betraut wird.12 Umgesetzt werden sollte damit eine Vereinheitlichung des Forstdienstes durch die Zusammenlegung des politischen Forstdienstes und die Verwaltung des staatlichen Forstbesitzes bei ein- und derselben Stelle.13 Zur „Überleitung der Geschäfte im Lande Österreich“ wurde ein Beauftragter mit dem Dienstsitz in Wien bestellt, der der Dienststelle des Reichskommissars für die Wiederver-
11 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Erste Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bekannt gemacht wird. GBlfdLÖ Nr. 239/1938. 12 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Erste Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bekannt gemacht wird. GBlfdLÖ Nr. 239/1938. 13 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 231.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
einigung Österreichs mit dem Deutschen Reich eingegliedert wurde. 14 Übertragen wurde diese Funktion durch eine Bekanntmachung des Reichsforstmeisters vom 20. Juli 1938 dem in der Partei zwar nicht unumstrittenen, aber „verdienten Nationalsozialisten“ und SS-Mann Anton Reinthaller.15 Er gehörte bereits seit den 1920er-Jahren der NSDAP an und hatte nach dem Verbot der Partei im Jahre 1933 Anfang 1934 einige Monate im Anhaltelager Kaisersteinbruch verbracht. Im 1938 gebildeten nationalsozialistischen Regierungskabinett Seyß-Inquart war er von 11. bis 13. März 1938 Landwirtschaftsminister. Gleichfalls gehörte er auch der bis Hofrat Dipl.-Ing. Julius Güde zur Zeit der April 1939 bestehenden österreichischen LanNS-Machtübernahme der österreichischen Bundesforste desregierung als Minister an, die nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich mit Arhur Seyß-Inquart als Reichsstatthalter in Österreich an der Spitze gebildet worden war und die dem Reichskommissar für die Wiedervereinigung dem Deutschen Reich als eigentlichem Machtzentrum unterstellt wurde.16 Nach der Auflösung der österreichischen Landesregierung wechselte Reinthaller als Unterstaatssekretär ins Reichsernährungsministerium nach Berlin, wo er mit der Frage der Bergbauernangelegenheiten betraut wurde und als Leiter des Reichsnährstandes für das „Donauland“ fungierte. 1945 wurde Reinthaller, der von 1956 bis 1958 Bundesobmann der FPÖ war, wegen Hochverrats angeklagt und 1950 zu drei Jahren Kerker verurteilt.17 Zum Stellvertreter Reinthallers 14 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bekannt gemacht wird. GBlfdLÖ Nr. 238/1938. 15 ������������������������������������������������������������������������������������������������������� Bekanntmachung des Reichsforstmeisters vom 20. Juli 1938, in: Reichsministerialblatt der Forstverwaltung, Nr. 31, 22. Juli 1938, S. 259. 16 Vgl. überblicksartig: Österreichs Eingliederung in das nationalsozialistische Deutsche Reich, in: Rudolf Hoke, Österreichische und Deutsche Rechtsgeschichte, Wien / Köln / Weimar 1992, S. 494–500. 17 Vgl. zu Reinthaller etwa: ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 77.246, Reinthaller, Anton (14.4.1895) sowie: Kurt Piringer, Die Geschichte der Freiheitlichen Partei, Beitrag d. Dritten Kraft zur österreichischen Politik, Wien / Stuttgart 1982, S. 17ff; Lothar Höbelt, Anton Reinthaller, in: Manfried Welan, Manfried / Gerhard Poschacher (Hg.), Von Figl bis Fischer. Bedeutende Absolventen der „BOKU“ Wien, Graz 2005, S. 165–169; Philip Rees, Biographical Dictionary of the Extreme Right Since 1890, New York 1990, S. 317.
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in seiner Funktion als Landesforstmeister von Österreich und Leiter der künftigen österreichischen Landesforstverwaltung wurde im Frühjahr 1938 Julius Güde bestellt, der in Folge als Leiter des Amts des Beauftragten für das Forstwesen im Lande Österreich aufscheint. Güde wurde 1939 auch zum Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben bestellt und übernahm nach der Auflösung des Amts des Beauftragten für das Forstwesen im Lande Österreich mit 31. März 193918 auch die Leitung des Amts für Forsteinrichtung und Bauwesen.
Organisation von Regierungsforstämtern bzw. Landesforstämtern Die Etablierung von Regierungsforstämtern wurde in der Verordnung vom 6. Juli 1938 und neuerlich in einer Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich vom 15. Juli 1938 festgeschrieben. Hiernach sollten vier Regierungsforstämter gebildet werden: in Wien für die Gaue Wien und Niederdonau, in Salzburg für die Gaue Salzburg und Oberdonau, in Innsbruck für die Gaue Tirol und Vorarlberg und in Klagenfurt für die Gaue Steiermark und Kärnten.19 Ihre Tätigkeit nahmen die vier Regierungsforstämter – wie in einer Kundmachung vom 27. Oktober 1938 verlautbart wurde – mit 1. November 1938 auf.20 Mit der Leitung der vier Regierungsforstämter wurden (nachdem diese vorerst nur kommissarisch besetzt waren) Markus Vasold (Wien), Karl Starkel (Salzburg), Oskar Schröder (Klagenfurt) und Alfons Mauser (Innsbruck) betraut. Alle gehörten bereits vor dem März 1938 zu den Parteigängern der NSDAP.21 Markus Vasold scheint in der Mitgliederkartei der NSDAP erstmals mit dem Eintrittsdatum 14.1.1932 und der Mitgliedsnummer 787333 auf und wurde – nachdem er die Parteibeitragsleistung seit Februar 1934 bis Juni 1938 unterbrochen hatte – nach dem März 1938 neuerlich mit 1.5.1938 in die NSDAP aufgenommen.22 Oskar Schröder wurde 18 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Aufhebung der Dienststelle des Beauftragten für das Forstwesen im Lande Österreich, Reichsministerialblatt der Forstverwaltung, Nr. 12, 1939, S. 39. 19 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Bekanntmachung über die Errichtung von Regierungsforstämtern im Lande Österreich vom 15. Juli 1938 bekannt gemacht wird. GBlfdLÖ Nr. 279/1938. 20 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Bekanntmachung des Reichsforstmeis ters über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 27. Oktober 1938 bekannt gemacht wird. GBlfdLÖ Nr. 627/1938. 21 Vgl. hierzu auch: Heinrich Rubner, Deutsche Forstgeschichte 1933–1945. Forstwirtschaft, Jagd und Unrecht im NS-Staat, St. Katharinen 1985, S. 113–118. 22 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Die Aufnahmedaten orientieren sich an den Angaben in der NSDAP-Ortsgruppenkartei. In einem Per-
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
in den Mitgliederkarteien der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 6.147.130 und dem Aufnahmedatum 1.5.1938 geführt. Beides, das fiktive Aufnahmedatum 1.5.1938 und eine Mitgliedsnummer im Bereich von 6.000.001 bis 6.600.000, deutet – wie noch ausgeführt wird – auf eine illegale Betätigung für die NSDAP hin.23 Karl Starkel war seit dem 11.08.1928 mit der Nummer 82.590 Mitglied der NSDAP;24 Alfons Mauser wurde am 28.8.1932 mit der Mitgliedsnummer 1.212.520 in die NSDAP aufgenommen.25 Zumindest hinsichtlich Mauser und Vasold ist zudem belegt, dass sie von Anton Reinthaller für die Erlangung der „Ostmark-Medaille“ in Erinnerung an den 13. März 1938 vorgeschlagen wurden – vergeben wurde diese für besondere Verdienste um den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich;26 Starkel wurde 1942 die „Dienstauszeichnung der NSDAP in Gold für eine 25-jährige „aktive Dienstzeit in der NSDAP“ [sic!] verliehen.27 Zu Veränderungen in der organisatorischen Stellung der Reichsforstämter führte das Ostmarkgesetz. Mit dem Gesetz über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark vom 14. April 1939 und die am selben Tag verlautbarte Verordnung wurde eine Einteilung des Landes Österreichs in sieben Reichsgaue vorgenommen, an deren Spitze jeweils ein Reichsstatthalter stand, der in Personalunion gleichzeitig auch das Amt des Gauleiters bekleidete. Garantiert werden sollte damit die unbedingte Einheit von Partei und Staat.28 Eingerichtet sollten die Reichsgaue als echte Mittelinstanz zwischen den Reichszentralbehörden und der untersten Verwaltungsstufe, den Kreisen, ursprünglich bis 30. September 1939 werden. Nachdem die Frist mehrfach verlängert wurde, übernahmen die Reichsstatthalter – übertragen wurde diese Funktion den früheren Landeshauptmänsonalfragebogen vom 7. Juni 1938 variieren diese Daten. Hier ist beim Datum des erstmaligen Eintritts auch die Jahreszahl 1920 vermerkt; als Zeitpunkt des Wiedereintritts ist hier der 1.3.1938 vermerkt. In einem mit 7. Juni 1938 datierten Fragebogen ist zudem vermerkt, dass er von 1924 bis 1928 Ortsgruppenleiter in Radstadt war und von Dezember 1932 bis Juni 1933 die Bezirksleitung Gmunden innehatte. In den vorhandenen politischen Beurteilungen aus der NS-Zeit wird Vasold, der „wegen seiner nationalen Gesinnung“ während der „Verbotszeit“ auch strafversetzt bzw. zeitweise vom Dienst enthoben wurde, auch als „einwandfreier Parteigenosse“ bzw. „politisch unbedingt verlässlich“ bezeichnet. Vgl.: Universität Wien, Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Vasold, Markus; ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 24.123, Vasold, Markus (18.11.1886). 23 Vgl.: Universität Wien, Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, NSDAP-Ortsgruppenkartei sowie BArch (ehem. BDC), NSDAP-Zentralkartei, Schröder, Oskar (25.01.1887). 24 BArch (ehem. BDC), PK, Karl Starkel (5.8.1885). 25 Vgl.: Universität Wien, Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Mauser, Alfons (24.07.1898). 26 BArch, Z.A. VI 3194, Akte 10, Sammelakte Zentralarchiv. 27 BArch, R 3701/1147, Personalakt von Karl Starkel im Bestand Reichsforstamt. 28 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark (Ostmarkgesetz) vom 14. April 1939 bekannt gemacht wird, GBlfdLÖ Nr. 500/1939.
1.2. Organisatorischer Hintergrund
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nern und Gauleitern – ihr Amt jedoch erst mit 1. April 1940. In der Zwischenzeit wurde die Verwaltung der Reichsgaue den bisherigen Landeshauptmännern übertragen. Die Befugnisse des Reichsstatthalters in Österreich und der ihm unterstehenden Österreichischen Landesregierung, die ihre Tätigkeit bis zum 30. April 1939 einstellten, wurden zwischenzeitlich dem Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich zugesprochen, dessen Tätigkeit mit dem Amtsantritt der Reichsstatthalter 1940 endete.29 Im Bereich der Reichsforstverwaltung brachte das Ostmarkgesetz 1939 folgende Veränderungen: Die direkt dem Reichsforstmeister in Berlin unterstehenden Regierungsforstämter wurden mit Wirkung vom 1. Mai 1939 den Reichsstatthaltern angegliedert: das Regierungsforstamt für den Reichsgau Wien und Niederdonau dem Reichsstatthalter in Wien, das Regierungsforstamt für die Reichsgaue Salzburg und Oberdonau dem Reichsstatthalter in Salzburg, das Regierungsforstamt für die Reichsgaue Tirol und Vorarlberg dem Reichsstatthalter in Tirol-Vorarlberg, das Regierungsforstamt für die Reichsgaue Kärnten und Steiermark dem Reichsstatthalter in Kärnten.30 Ein Jahr später wurde mit einer Verordnung über den Aufbau der Reichsforstverwaltung vom 31. Mai 1940 sowie der am selben Tag ergangenen Durchführungsverordnung die Reichsverwaltung in der Mittelstufe mit 1. Juni 1940 überhaupt dem Reichsstatthalter eingegliedert, wobei der Reichsstatthalter als Selbstverwaltungskörper agierte, aber der Aufsicht des Reichsinnenministers unterstellt war. In Fragen der Forstwirtschaft war er an die Weisungen des Reichsforstmeisters in Berlin gebunden, gegenüber dem gesamten Aufgabenbereich des Landesforstamtes hatte er aber ein Weisungs-, Unterrichtsund Zeichnungsrecht, wobei die Interessen der Reichsforstverwaltung und der gesamten Staatsverwaltung bereits in der Mittelstufe zum Ausgleich gebracht werden sollten. In Konfliktfällen kam dem Reichsforstmeister die Letztentscheidung zu, wobei er aber dort, wo andere Verwaltungszweige berührt werden, das Einvernehmen mit den betreffenden Obersten Reichsbehörden herzustellen hatte.31 Die bisherigen Regierungsforstämter 29 Vgl. Österreichs Eingliederung in das nationalsozialistische Deutsche Reich, in: Hoke, Österreichische und Deutsche Rechtsgeschichte, S. 494–500. 30 ������������������������������������������������������������������������������������������������ Gesetz über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark (Ostmarkgesetz) DRGBl. I, S. 777; Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark (Ostmarkgesetz) vom 14. April 1939 bekannt gemacht wird, GBlfdLÖ Nr. 500/1939, Erlass des Führers und Reichskanzlers zu § 4 des Ostmarkgesetzes vom 14. April 1939, DRGBl I 1939, S. 783, Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch der Erlass des Führers und Reichskanzlers zu § 4 des Ostmarkgesetzes vom 14. April 1939 bekannt gemacht wird, GBlfdLÖ Nr. 501/1939; 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 232. 31 Verordnung über den Aufbau der Reichsforstverwaltung vom 31. Mai 1940, DRGBl. I, 1940, S. 839,
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
erhielten hierdurch die Bezeichnung „Landesforstämter“. An der Spitze eines Landesforstamtes stand ein Oberlandforstmeister, der unter dem Titel „Der Reichsstatthalter (Landesforstamt)“ als Stellvertreter des Reichsstatthalters tätig wurde.“32 Motiviert war die Eingliederung der Landesforstämter beim Reichsstatthalter und das Abgehen von der bisherigen Organisationsform durch das Bestreben eine (v. a. auch kriegsbedingte) Verwaltungsvereinfachung herbeizuführen. Wie Heinrich Rubner in seiner Studie über die deutsche Forstgeschichte 1933 bis 1945 ausführt, hatten die Gauleiter aber auch bereits zuvor versucht, ihren Einflussbereich auf den Staatswald auszudehnen. Gau- und Reichswald blieben aber nach wie vor getrennt. Die Reichsstatthalter erhielten – wie Rubner fortsetzt – nun zwar Kompetenzen im Bereich der staatlichen und kommunalen Aufsicht über die Wälder, die Führung der Forst- und Holzwirtschaft, der interne Wirtschaftsbetrieb, die Verwaltung des Grundbesitzes und der Staatsjagd verblieb bei den Landforstmeistern.33 Aus den Regierungsforstämtern, die ursprünglich als unmittelbar dem Reichsforstmeister unterstellte Reichsbehörden eingerichtet worden waren (und von denen bzw. allgemein von der neuen Organisationsform mitunter auch eine Vorbildwirkung für das „Altreich“ erhofft worden war34), wurden Reichsfachverwaltungen bei den Behörden der Reichsstatthalter. Mit der am 22. April 1941 angeordneten Aufteilung des Landesforstamtes in Klagenfurt auf je ein Landesforstamt in Klagenfurt und Graz, wobei nun auch die vom Deutschen Reich besetzten jugoslawischen Gebiete Südkärntens und der Südsteiermark in die Amtsbereiche der beiden Landesforstämter Klagenfurt und Graz fielen,35 der am 6. Juni 1941 bestimmten Eingliederung des Landesforstamtes Wien-Niederdonau beim Reichsstatthalter in Niederdonau und der Ankündigung der Etablierung eines Landesforstam-
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Durchführungsverordnung zur Verordnung über den Aufbau der Reichsforstverwaltung vom 31. Mai 1940, DRGBl. I, 1940, S. 840; Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 29. 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 232. Rubner, Deutsche Forstgeschichte 1933–1945, S. 115. Weigl führt aus, dass der Reichsstatthalter nun die Angelegenheiten der allgemeinen Staatsaufsicht und die Aufgaben der Forstpolizei sowie Kommunalaufsicht wahrzunehmen hatte und für die Ermittlung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen zum Schutz des Waldes sowie spezielle forstliche Fragen betreffend die Waldungen von Gemeinden und Gemeindeverbänden verantwortlich war. Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945, S. 29. Anzumerken ist hierbei auch, dass nach Weigl von der neuen Forstorganisation in Österreich mitunter auch eine Vorbildwirkung für das „Altreich“ erhofft wurde, es aber besonders Göring war, der an einem starken Reichsgau interessiert war. Vgl. hierzu: Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 22, S. 29 und S. 41. sowie Gerhard Botz: Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich: Planung und Verwirklichung des politisch-administrativen Anschlusses (1938–1940). Schriftenreihe des Ludwig-BoltzmannInstitutes für Geschichte der Arbeiterbewegung, 3. Auflage, Wien 1988. Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 40.
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tes Oberdonau beim Reichsstatthalter in Linz für das Jahr 194336 war die Umstrukturierung in Landesforstämter abgeschlossen.37
Organisation der Forstämter Gleichzeitig mit den Regierungsforstämtern nahmen im November 1938 auch die sogenannten Forstämter, die in ihrer Eigenschaft als Reichsbehörden ebenfalls dem Reichsforstmeister unterstanden, ihre Arbeit auf. Zu ihren Aufgaben zählte sowohl die Verwaltung und forstliche Betriebsführung in den Staatswäldern als auch die Aufsicht und die Betreuung von Privatwäldern. Formal unterstanden sie ebenfalls dem Reichsforstmeister, angesiedelt waren sie eine Ebene unter den Regierungsforstämtern, an deren Anweisungen sie gebunden waren. Die Anzahl der zu errichtenden Forstämter stand zum Zeitpunkt ihrer formellen Einführung noch nicht fest. Nach dem „Anschluss“ wurde zunächst ein Bedarf von etwa 180 bis 200 Forstämtern angenommen.38 Im Jänner 1939 bestanden insgesamt 158 Forstämter,39 wobei die alte österreichische Forstorganisation in der neuen Struktur der Reichsforstverwaltung noch gut zu sehen war. Die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Forstämter waren nahezu ausschließlich aus den vormaligen Staatsforstverwaltungen der Österreichischen Bundesforste und der ehemaligen Bezirksforstinspektionen hervorgegangen und durch die Angliederung von Waldgebieten aus Südböhmen und Südmähren vergrößert worden.40 Durch eine Vergrößerung des Waldbesitzes und die Ausweitung des Aufgabenkreises der forstlichen Dienststellen (Verwaltung des Staatswaldes und Forsthoheitsaufgaben im Nichtstaatswald sowie fachliche Betreuung des Privatwaldes) 36 Vgl.: Errichtung eines Landesforstamts für den Reichsgau Oberdonau, Gemeinsamer Runderlass des Reichsministers des Inneren und des Reichsforstmeisters vom 24.12.1942, Reichsministerialblatt der Forstverwaltung, Nr. 1/1943, 11.1.1943, S. 6 und Errichtung eines Landesforstamtes für den Reichsgau Oberdonau, Gemeinsamer Runderlass des Reichsministers des Inneren und des Reichsforstmeisters vom 19.2.1943, Reichsministerialblatt der Forstverwaltung, Nr. 5/1943, 22.2.1943, S. 36. Anzumerken ist, dass hinsichtlich des Landesforstamts in Linz widersprüchliche Angaben vorliegen. So wird es einerseits nach 1945 in Zusammenhang mit der Liquidierung der alten Forstverwaltung genannt, in einem Bericht aus dem Jahr 1946 heißt es jedoch, dass die Aufstellung des Amtes in Linz wegen der Kriegsereignisse unterblieb. Vgl.: Die Organisation des Forstdienstes in Österreich, mit besonderer Berücksichtigung der Staatsforste. Archiv der ÖBF, RFV, Präs., 1938, Aktenkonvolut 1–400, Akt ohne GZ sowie ÖSTA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 750 01, Wiedererrichtung der ÖBF 1945. 37 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 233. 38 Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 26. 39 Ebenda, S. 384–386. 40 Ebenda, S. 33–35.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Staatsforstverwaltung 1939
war jedoch eine Erweiterung der Forstämter nötig, was sich im Organisationsplan der Reichsforstverwaltung für die Forstämter in der Ostmark vom September 1940 niederschlug. Hier ist die Rede von einem Bedarf von mehr als 200 Forstämtern.41 Ergänzt wurden die Forstämter, die auch nach der Umwandlung der Reichsforstämter in Landesforstämter und der Eingliederung beim Reichsstatthalter eigenständige Behörden blieben, die aber in allen Fragen, die die allgemeine Staatsverwaltung berührten das Einvernehmen mit den zuständigen Behörden herzustellen hatten,42 41 ���������������������������������������������������������������������������������������������������������� Eine Aufstellung der Forstämter mit Stand 1.9.1940 ist abgedruckt in: Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 387–390. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass Weigl hinsichtlich der Einrichtung der neuen Forstverwaltungen von 92 ehemaligen Staatsforstverwaltungen und 57 ehemaligen Bezirks inspektionen spricht. Im Amtskalender des Jahres 1937, der der Bildung des Untersuchungssamples zugrunde gelegt wurde, jenem für das Jahr 1938 und einem Teilheft zum Bundesvoranschlag für das Jahr 1938 aus dem Jahr 1937 werden aber nur 85 Forstverwaltungen aufgelistet. Vgl.: Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 36; Österreichischer Amtskalender für die Jahre 1937 und 1938 sowie Budgetvoranschlag für die Jahre 1937 und 1938; ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 2. 42 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 232. In der Durchführungsverordnung zur Verordnung über den Aufbau der Reichsverwaltung vom 31. Mai 1940 heißt es hinsichtlich der Forstämter, dass „eine Eingliederung der Reichsforstverwaltung in die allgemeine Verwaltung in der Unterstufe nicht stattfindet.“ Das Forstamt hatte jedoch in allen die allgemeine Staatsverwaltung berührenden Fragen mit
1.2. Organisatorischer Hintergrund
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durch die Errichtung lokaler Forstdienstposten, Revierförstereien und Forstaufsichtsstellen.43 Anzumerken ist hierbei, dass der Versuch, die Forstämter als Einheitsforstämter (Forstbetriebsaufgaben im Staatswald sowie Aufsichts- und Betreuungsdienst im Nichtstaatswald) zu etablieren jedoch nicht konsequent durchgeführt werden konnte und im Wesentlichen scheiterte: Dort, wo Staatswald und Nichtstaatswald vorhanden waren, kam es zur Errichtung von Einheitsforstämtern, in Gegenden ohne Staatswald entstanden reine Aufsichtsforstämter, während sich dort, wo ausschließlich Staatswald bestand, reine Betriebsforstämter hielten.44
Sondereinrichtungen Neben der eben beschriebenen grundsätzlichen Organisation des Forstdienstes bestanden weitere Sondereinrichtungen bzw. „Durchbrechungen des Systems“, zu denen der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, das Einrichtungsamt für den Bauernwald der Ostmark, das Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung sowie direkt dem Reichsjägermeister, Hermann Göring, unterstehende Staats- und Reichsjagdreviere sowie Forst- und Holzwirtschaftsämter als Teil der Behörde des Statthalters in Wien und Salzburg gehörten. Von Bedeutung sind insbesondere die anfangs genannten Einrichtungen: Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben (Julius Güde) unterstand direkt dem Reichsforstmeister in Berlin. Er war v. a. für Großerwerbungen, d. h. für die Erwerbung von Forstbesitz mit einer Größe von mehr als 100 ha, darunter auch „Arisierungen“, zuständig. Wie in Kapitel 3 ausgeführt wird, war es ein erklärtes Ziel der nationalsozialistischen Politik, eine Vergrößerung des Besitzstandes der Reichsforste zu erreichen, wenn sich die entsprechenden Liegenschaften durch Lage und Beschaffenheit zur Vergrößerung des Besitzstandes des Reichsforste eigneten.45
dem Landrat (Oberbürgermeister) sowie den sonstigen Verwaltungsbehörden in der Kreisstufe enge Verbindung zu halten“. Vgl.: Durchführungsverordnung zur Verordnung über den Aufbau der Reichsforstverwaltung vom 31. Mai 1940, DRGBl. I, 1940, S. 840. 43 �������������������������������������������������������������������������������������������������������� Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 26 sowie Norbert Weigl, Braune Wälder. Der Nationalsozialismus und die österreichische Forstwirtschaft, in: Verband Österreichischer Historiker und Geschichtsvereine in Zusammenhang mit dem Kärntner Landesarchiv (Hg.), Bericht über den 22. Österreichischen Historikertag in Klagenfurt, 4.–7.5.1999, Wien 2002, S. 98. 44 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 231. 45 50 Jahre Österreichische Bundessforste, S. 233 und Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 26f.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen nahm, wie auch das Amt für Wildbachverbauung und Lawinenverbauung, seine Tätigkeit mit 1. April 1939 auf. Es wurde als selbstständige, den Regierungsforstämtern gleichgeordnete Dienststelle konstituiert und war für die Forsteinrichtung im Staatswald sowie größere Bauvorhaben zuständig;46 es war aber auch für die Durchführung von „Großschätzungen“, d. h. die Wertberechnung größerer Liegenschaften, zuständig. Das Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung trat die Nachfolge der Forsttechnischen Abteilung für Wildbachverbauung an, die in Folge der Verordnung vom 6. Juli 1938 aus dem Ministerium für Landwirtschaft ausgeschieden war. In der Ausübung seiner Funktionen, die vorerst keine Veränderungen erfuhren, war es unmittelbar dem Reichsforstamt unterstellt; nach der Umstrukturierung der Reichsforstämter in Landesforstämter wurde es aufgelöst; die Außenstellen der Wildbach- und Lawinenverbauung wurden den Landesforstämtern eingegliedert. Insoweit die Aufgaben des Amtes nicht den Landesforstämtern zugesprochen wurden, gingen sie auf den Reichsforstmeister über.47 Das mit dem Runderlass vom 6. März 1939 geschaffene Einrichtungsamt für den Bauernwald in Graz wurde mit Wirkung vom 1. April 1939 ebenfalls als selbständige den Regierungsforstämtern gleichgeordnete Dienststelle errichtet. Dem Amt „oblag die fachliche Betreuung all jener Wälder, für die von den EigentümerInnen kein eigenes geschultes und geprüftes Personal angestellt wurde“.48 Ursprünglich sollten die Betreuungs- und Beratungsaufgaben für den Kleinwaldbesitz, die früher von den Landwirtschaftskammern ausgeübt wurden, vom Reichsnährstand ausgeübt wurden, da dieser diesen Aufgaben jedoch kaum nachkam, erfolgte die Betreuungsarbeit vielfach durch Abteilungen bei den Landesforstämtern bzw. den Forst- und Holzwirtschaftsämtern und die Gründung des Einrichtungsamts für den Bauernwald.49
1.2.3. Organisationsstruktur der Österreichischen Bundesforste nach 1945 1945 wurden die Österreichischen Bundesforste wieder als eigener Wirtschaftskörper mit einer Organisations- und Aufgabenstruktur, wie sie vor dem „Anschluss“ bestanden hatte, eingerichtet. 46 47 48 49
Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 27, und 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 233f. Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 30. Ebenda, S. 28. 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 234.
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Mit dem Rechtsüberleitungsgesetz vom 1. Mai 1945 wurden alle nach dem 13. März 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen sowie alle sonstigen Rechtsbestimmungen, die mit dem Bestand eines freien, unabhängigen Staates Österreich unvereinbar waren, aufgehoben.50 In weiteren Kundmachungen konnte die provisorische Staatsregierung bestimmen, welche Rechtsvorschriften in diesem Sinn als aufgehoben zu gelten haben bzw. in welchen Bereichen frühere Rechtsbestimmungen an die Stelle aufgehobener Bestimmungen treten. Mit dem Behördenüberleitungsgesetz vom 20. Juli 1945 wurde der Wirtschaftskörper Österreichische Bundesforste (unter dem Namen Österreichische Staatsforste, später wechselte die Bezeichnung wieder in Österreichische Bundesforste51) wieder errichtet und bestimmt, dass er den Bereich der Bundesforste und die Geschäfte des bisherigen Amtes für Forsteinrichtung übernimmt; die Landesforstämter und Forstämter wurden aufgelöst und ihre behördlichen Geschäfte an die Landeshauptmannschaften bzw. Bezirksverwaltungsbehörden übertragen; ebenso aufgelöst wurden das Amt für Wildbachverbauung und das Amt des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, das sich bereits seit 1942 in Liquidation befunden hatte.52 Zur rechtlichen Grundlage für das Agieren der Österreichischen Bundesforste nach 1945 wurde – wie vor 1938 – das Bundesforstegesetz aus dem Jahr 1925.53 In einer eigenen Kundmachung der provisorischen Staatsregierung vom 18. Oktober 1945 wurde in diesem Sinn festgehalten, dass mit 29. Juli 1945 die Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Land Österreich vom 6. Juli 1938 samt erster Durchführungsverordnung vom selben Tag, die Bekanntmachung über die Errichtung von Regierungsämtern im Land Österreich vom 15. Juli 1938 und die Verordnung über den Aufbau der Reichsforstverwaltung vom 31. Mai 1940 mit der Durchführungsverordnung vom 31. Mai 1940 und der dritten Durchführungsverordnung vom 17. März 1941 aufgehoben sind.54 Mit der Liquidierung der früheren Landesforstämter und Forstämter wurden (was 50 Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über die Wiederherstellung des Rechtslebens in Österreich (Rechts-) Überleitungsgesetz, StGBl. Nr. 6/1945. 51 �������������������������������������������������������������������������������������������������������� In der Studie wird im Text einheitlich dort, wo es sich nicht um ein wörtliches Zitat handelt, die Bezeichnung „Österreichische Bundesforste“ verwendet. Bei wörtlichen Zitaten und in der Zitation wird, wenn es „Österreichische Staatsforste“ heißt, dies beibehalten. 52 Gesetz vom 20. Juli 1945 zur Überleitung der Verwaltungs- und Justizeinrichtungen des Deutschen Reiches in die Rechtsordnung der Republik Österreich (Behörden-Überleitungsgesetz – Behörden-ÜG), StGBl. Nr. 94/1945. 53 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 236. 54 Kundmachung der Provisorischen Staatsregierung vom 18. Oktober 1945 über die Aufhebung deutscher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Behördenorganisation (31. Kundmachung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften des deutschen Reiches, BGBl. Nr. 85/1946).
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
den Aufsichtsdienst betrifft) die Landeshauptmannschaften bzw. Landesforstinspektionen und (was den Betriebsdienst betrifft) die Österreichischen Bundesforste beauftragt.55 Bis zur Organisations- und Tätigkeitsstruktur, wie sie vor dem März 1938 bestanden hatte, zurückgekehrt werden konnte, dauerte es jedoch. V. a. in den westlichen Bundesländern machte sich Widerstand gegen die Durchführung des Behördenüberleitungsgesetzes und auch eine Kritik am Abgehen vom System der Einheitsforstämter bemerkbar. Erst nachdem sich eigene Ausschüsse mit der Angelegenheit beschäftigt hatten und das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft in zwei Erlässen vom 31. Mai 1946 und vom 13. November 1946 die Durchführung des Behördenüberleitungsgesetzes angeordnet hatte, kam es in allen Bundesländern zu einer entsprechenden Durchführung, die 1947/48 bereits weitgehend, restlos (in Vorarlberg) aber erst 1951 abgeschlossen war.56
1.3. Untersuchungssamples Wie bereits vorausgeschickt wurde, entschloss sich das Projektteam zur Bildung von drei Untersuchungssamples, die – zur Beantwortung der eingangs genannten Fragestellungen – einen Einblick in das Personal der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung vor dem März 1938, nach dem „Anschluss“ bzw. nach dem Jahr 1945 geben sollten. Hierbei zeigte sich im Rahmen der Studie sehr rasch, dass es nicht einfach ist, zu entsprechenden Namenslisten zu gelangen. Da insbesondere keine kompletten Personalverzeichnisse (und somit keine vollständigen Namensverzeichnisse) aus dem historisch interessanten Zeitraum vorhanden sind, musste für die Bildung der drei Untersuchungssamples auf eine Vielzahl anderer Quellen – wie den Österreichischen Amtskalender oder vereinzelt vorhandene Personallisten – zurückgegriffen werden. Die drei Untersuchungssamples bilden, da lediglich für diese Jahre genügend Daten (Namen) vorhanden waren, einen Ausschnitt der Beschäftigten aus den Jahren 1937, 1939 und 1955 ab. Aufgrund anderer Quellen (darunter Zahlen aus der Budgeterstellung) und von Sekundärliteratur ist es – bis auf das Jahr 1939 – jedoch möglich anzugeben, wie hoch der Personalstand in jenen Jahren war, aus denen die Untersuchungssamples stammen. Ein erst im Nachhinein eruiertes vollständiges Personalverzeichnis aus dem Jahr 1953 konnte, 55 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. zur Wiedereinrichtung der Österreichischen Bundesforste nach 1945: ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 750 01, Wiederrichtung der ÖBF 1945. 56 ������������������������������������������������������������������������������������������������������� Die Forstverwaltung Feldkirch der Österreichischen Bundesforste wurde erst mit 1.1.1951 wieder eingerichtet. 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 236f. Vgl. zur Wiedereinrichtung der Österreichischen Bundesforste nach 1945: ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 750 01, Wiederrichtung der ÖBF 1945.
1.3. Untersuchungssamples
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nachdem die drei Untersuchungssamples zu diesem Zeitpunkt bereits gebildet waren, in der Studie nur mehr ergänzend verwendet werden.57
1.3.1. Untersuchungssample 1937 Die im Rahmen des Untersuchungssamples 1937 erfassten Personen wurden aufgrund des jährlich herausgegebenen Österreichischen Amtskalenders sowie einem von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste herausgegebenen Personalstandsverzeichnis der Vertragsangestellten des Forstbetriebes- und Schutzdienstes nach dem Stand vom 1. Juli 1937 aus dem Privatarchiv von Franz Dier erstellt.58 Sie bilden – entsprechend der Organisationsstruktur der Österreichischen Bundesforste – die Ebenen Generaldirektion, Forstverwaltungen, Inspektionsdienst und Försterbezirke ab. Im Amtskalender des Jahres 1937 werden neben dem „Forsttechnischen, juridisch-administrativen und kommerziellen Bureau“ in der Generaldirektion insgesamt 85 Forstverwaltungen angeführt, wobei sich die meisten Forstverwaltungen in den Bundesländern Salzburg und Tirol, Niederösterreich und Oberösterreich finden. Inspektionsdienste sind hier zwei – einer in Salzburg mit zwei leitenden Funktionären sowie einer in Innsbruck mit einem leitenden Funktionär – genannt. Das im Privatarchiv von Franz Dier erhaltene Personalstandsverzeichnis der Vertragsangestellten des Forstbetriebs- und Schutzdienstes nach dem Stand vom 1. Juli 1937 listet insgesamt 205 Personen auf und ermöglicht auch die Erfassung von Personen aus den den Forstverwaltungen zugeordneten Försterbezirken. Insgesamt konnten aufgrund der oben beschriebenen Quellen 324 Personen (Beamte und Angestellte) erfasst werden. Zur Einordnung dieser Zahl sei darauf verwiesen, dass der Personalstand der Österreichischen Bundesforste im Jahr 1936 708 Beamte und Angestellte sowie 4.229 Arbeiter (statutarische und freie Arbeiter59) ausmachte.60 Im Bundesvoranschlag für das Jahr 1938, erstellt im Jahr 1937, wurde ein Personalstand von 733 Personen (Beamte und Angestellte) sowie 4.251 Arbeitern veranschlagt.61 Bezogen auf den
57 Das erst im Nachhinein gefundene komplette Personalverzeichnis aus dem Jahr 1953 wurde v. a. für die Ergänzung fehlender Geburtsdaten verwendet. ÖStA/AdR, BKA, Personalstandsverzeichnisse, ÖBFPersonalstand mit 1.1.1953. 58 Für die Übermittlung dieser Liste danken wir Ing. Lukas Stepanek (Verband Österreichischer Förster). 59 Vgl. erklärend hierzu: Hoffmann, Die wirtschaftliche Entwicklung der Österreichischen Bundesforste, S. 71ff. 60 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 224. 61 Teilheft zum Bundesvoranschlag für das Jahr 1938 Gruppe XVI, Kapitel 28, Titel 3: Österreichische Bundesforste, Wien 1937. ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 2.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Personalstand von 1936 wurden für das Jahr 1937 somit 46 % der beschäftigten Beamten und Angestellten, bezogen auf den budgetierten Personalstand von 1938 (Beamte und Angestellte) für 1937 somit 44 % der veranschlagten Beamten und Angestellten untersucht. Hinsichtlich der Unterscheidung in Beamte und Angestellte ist wesentlich, dass anlässlich der Bildung des Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste 1925 bestimmt wurde, dass neu aufzunehmende Bedienstete nicht als pragmatisierte Beamte, sondern als Vertragsangestellte aufgenommen werden, deren Dienst- und Besoldungsrechte in einer eigenen, 1928 geschaffenen Dienstordnung geregelt wurden.62 In Folge ergab sich eine Verlagerung von den Beamten zu den Angestellten.63 Eine Nachweisung über den Stand der pragmatisierten Beamten und Vertragsangestellten vom 1.1.1938, die unterscheidet in: a) Beamte der allgemeinen Verwaltung, b) Personen, die unter die Dienstordnung für die Vertragsangestellten der ÖBF (BGBl. 231/1928) und c) Personen, die unter das Vertragsbedienstetengesetz (BGBl. 312/1934) fallen, gibt folgendes Verhältnis für den „tatsächlichen Stand“ mit 1.1.1938 an: 380 (+ 9) zu 321 zu 7.64 Generell ist vor dem Hintergrund der „Holzkrise“ in der Zwischenkriegszeit eine kontinuierliche Reduktion der Bediensteten (mit Ausnahme der Arbeiter) bei den Österreichischen Bundesforsten feststellbar.65
1.3.2. Untersuchungssample 1939 Die Veränderungen in der Organisationsstruktur der Forstverwaltung, die Zusammenlegung des politischen Forstdienstes und die Verwaltung des staatlichen Forstbesitzes, ein Anwachsen des Forstapparats, später auch die Vergrößerung des forstlichen Besitzstandes, führten zu einer auffallenden quantitativen Veränderung des Personalstandes. Dieser Umstand spiegelt sich auch im Untersuchungssample 1939 wieder, das fast doppelt so viele Personen umfasst wie jenes für das Jahr 1937. Zur Bildung des Untersuchungssamples 1939 wurde – da lediglich diese Quellen einen
62 Diese Dienstordnung wurde mit Verordnung der Bundesregierung vom 30. August 1928, BGBl. Nr. 231/1928 geschaffen. Vgl.: 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 220. 63 Hoffmann, Die wirtschaftliche Entwicklung der Österreichischen Bundesforste, S. 69. 64 ÖStA/AdR, ÖBF 1938, Sig. 14, Kt. 260, GZ 380/1938. 65 Norbert Weigl, Die österreichische Forstwirtschaft im 20. Jahrhundert – Von der Holzproduktion über die Mehrzweckforstwirtschaft zum Ökosystemmanagement, in: Ernst Bruckmüller / Ernst Hanisch / Roman Sandgruber / Norbert Weigl, Geschichte der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im 20. Jahrhundert. Band 1: Politik – Gesellschaft – Wirtschaft, Wien 2002, S. 608. Vgl. hierzu auch: 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 225.
1.3. Untersuchungssamples
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ausreichenden quantitativen Einblick in den Personalstand der Reichsforstverwaltung erlaubten – eine Vielzahl von Listen und Personalaufstellungen herangezogen, die aus dem Jahr 1939 stammen und im Zuge der Neustrukturierung der Forstverwaltung bzw. der Überführung der Forstbediensteten in den Reichsforstdienst angefertigt wurden. Im Konkreten handelt es sich dabei um folgende Quellen, wobei die hier aufgeführten Personen in mehreren Listen vorkommen können:66 • ein im Archiv der Österreichischen Bundesforste vorhandenes Verzeichnis der Forstämter der Reichsforstverwaltung im Lande Österreich mit Stand 20. Jänner 1939, das 158 (zu diesem Zeitpunkt großteils besetzte) Forstämter auflistet,67 • eine Aufstellung der in die Reichsbesoldungsordnung endgültig überführten Vertragsangestellten der Österreichischen Bundesforste vom März 1939 inklusive der mit dem Reichsforstamt geführten Korrespondenz bis Juni 1939,68 • Aufstellungen von Standesausweisen von überführten (und bereits ins Reichsbesoldungsrecht überführten) Beamten des höheren Forstdienstes (mit Personen aus den Bereichen Regierungsforstämter, Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung und Forstliche Versuchsanstalt Mariabrunn), die dem Reichsforstmeister in Folge einer Anforderung vom 4. April 1939 im Sommer 1939 vorgelegt wurden,69 • eine Nachweisung von Beamten und Angestellten des Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen für die Übermittlung an den Reichsforstmeister in Berlin mit Stand 1. Juni 193970
66 Neben den oben angeführten Quellen wurde zudem noch eine quantitativ geringe Liste über Tiroler Forstbedienstete (Landesforstwarte, Bedienstete aus der ehemaligen Landesforstinspektion) in Hinblick auf deren Überführung in den Reichsforstdienst, die aus dem Frühsommer 1939 stammt, der Bildung des Untersuchungssamples zugrunde gelegt. Vgl.: ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt.12, GZ 10.385/1939 (hierin GZ 7315/1939) sowie ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt.12, GZ 1939/39 (bei GZ 9273/39). 67 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Insgesamt waren sieben Forstämter, die aus ehemaligen Staatsforstverwaltungen und ehemaligen Bezirksforstinspektionen hervorgingen, unbesetzt. Bei vier neu hinzugekommenen Forstämtern in Südmähren ist „vertretungsweise besetzt“ vermerkt. Archiv der ÖBF, RFV, Präs., 1938, Aktenkonvolut 1–400, Akt ohne GZ. Die Liste befindet sich auch in: ÖStA/AdR, AfFÖ, Kt. 101, GZ 3822-II-1939. 68 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt. 11, GZ 7655/1939. Diese GZ inkludiert verschiedene Vorund Folgeakten, die die Übernahme der Vertragsangestellten dokumentiert, v.a. GZ 14.448/38. 69 Die Listen wurden in der Zeit zwischen April und August 1939 erstellt. ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt. 12, GZ 8925/1939 und GZ 9064/1939. 70 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt.11, GZ 7172/1939.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
• Aufstellungen von übernommenen (nach der Reichsbesoldungsverordnung oder der Tarifordnung TOA bezahlten) Forstbediensteten (Assessoren, Referendare 71 und Angestellte) in den Bereichen Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau und Regierungsforstamt Kärnten-Steiermark, die mit 22. September 1939 an den Reichsforstmeister übersandt wurden,72 • eine Aufstellung von (Tarif-)Angestellten in den Bereichen Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, Regierungsforstämter, Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung und der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn, darunter auch solche, die sich im höheren forsttechnischen Dienst befunden haben, an das Reichsforstamt im Hinblick auf deren Überführung in die Tarifordnung TOA vom 30. September 1939.73 Nicht berücksichtigt wurden in der Zusammenstellung der Untersuchungssamples die hier angeführten Bediensteten des Amtes für Wildbach- und Lawinenverbauung, des Einrichtungsamtes für den Bauernwald in der Ostmark, der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn, die auf den genannten Listen aufscheinenden Jäger, einfachen Kanzlei-, Sekretariats-, Schreib- und Hilfskräfte, da diese Ebenen (mit Ausnahme 1937) nicht in den Untersuchungssamples für die Jahre 1937 und 1955 aufscheinen bzw. ihre Aufnahme das Untersuchungssample 1939 auf eine nicht mehr zu bewältigende Größe hätte anwachsen lassen. Erfasst wurden im Untersuchungssample 1939 insgesamt 612 Personen, wobei nochmals darauf zu verweisen ist, dass hier – entsprechend den Veränderungen in der Reichsforstverwaltung nach dem März 1938 – nicht nur ehemalige Bedienstete aus dem Bereich der Österreichischen Bundesforste erfasst sind. Die im Untersuchungssample 1939 erfassten Personen bilden einen Ausschnitt des Personalstandes aus den neu gebildeten vier Regierungsforstämtern und den ihnen untergeordneten Forstämtern sowie dem Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen ab. Wie hoch der Personalstand der Reichsforstverwaltung im Jahre 1939 bzw. in den Folgejahren – und damit auch wie hoch der Prozentsatz der untersuchten Personen – war, kann nicht gesagt werden und konnte aufgrund der organisatorischen Änderungen in den Jahren zuvor auch von den Österreichischen Bundesforsten nach 1945 nicht eindeutig beziffert werden. So wurde in einer Unterlage für die Erstellung des Haushaltsplanes 1946 vermutet, dass angesichts einer Steigerung der Waldfläche um 30 % – eine Zahl, 71 Vgl. zur Ausbildung im Forstdienst, Weigl, Die Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945, S. 103–109 (hier insbesondere S. 106f.) 72 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt.12, GZ 9912/1939. 73 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt.12, GZ 10.807/1939 (hierin die GZ 10071/1939).
1.3. Untersuchungssamples
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die in Kapitel 3 ausführlich diskutiert wird – und der vormals gemeinsamen Führung des Betriebs- und Aufsichtsdienstes, was eine Schätzung schwierig mache, bisher 1.800 Angestellte in Verwendung standen. Hiervon seien jedoch die Jäger, etwa 340, zu Vergleichszwecken abzuziehen, da sie früher im Dienstpostenplan nicht veranschlagt wurden.74 Bezogen hat sich die hier genannte Zahl vermutlich nur auf jene Personen, die im Aufgabengebiet der Bundesforste tätig waren, heißt es doch in einer weiteren Unterlage aus dem März 1946 über die „Umstellungsbestrebungen in der Forstwirtschaft“ in Hinblick auf das enorme Anwachsen des Forstapparats in der NS-Zeit, dass der „gesamte Personalstand der Landesforstämter im Jahre 1945 bei 4.000 Beamten lag.75 1947 wurde neuerlich im Zuge der Budgeterstellung im Hinblick auf den massiv angewachsenen Personalstand der Österreichischen Bundesforste, vermutet, dass für den von den Bundesforsten auszuübenden Aufgabenbereich früher 1.300 Personen zur Verfügung standen, wobei hinsichtlich der Jäger nun festgehalten wurde, dass sie in der NS-Zeit als Arbeiter, jetzt aber als Angestellte geführt werden. Insgesamt seien „während der Nazizeit 3.129 Beamte und Angestellte im Forstdienst tätig“ gewesen. Erreicht worden wäre der Anstieg im Personalbereich, den es nach Vorgaben des Finanzministeriums nun nicht nur im Bereich der Österreichischen Bundesforste abzubauen galt, auch durch eine übermäßige Aufblähung der Verwaltung, v. a. durch überflüssige Mittelstellen (Buchhaltung etc.).76
1.3.3. Untersuchungssample 1955 Das Untersuchungssample 1935 wurde, wie auch jenes für das Jahr 1937, auf Basis zweier Quellen gebildet: des Österreichischen Amtskalenders für das Jahr 1955 und einem von Franz Dier erstellten, in der Österreichischen Nationalbibliothek vorhandenen „Verzeichnis der Försterbezirke der Österreichischen Bundesforste mit dem Stand vom Jahre 1955“.77 Wie für das Jahr 1937 konnten auf Basis der angeführten Quellen im Untersuchungssample 1955 die Ebenen Generaldirektion, Forstverwaltungen und Försterbezir-
74 Gemeint sind mit Angestellte vermutlich Beamte und Angestellte, da als Vergleichzahl für das Jahr 1938 „723 Köpfe“ genannt werden. Im Bundesvoranschlag für das Jahr 1938 wurden – wie genannt – seitens der Österreichischen Bundesforste 733 Beamte und Angestellte genannt. Vgl. ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1428 40, Budgetvoranschlag 1946. 75 Unterlage zu „Umstellungsbestrebungen der Forstwirtschaft“, datiert mit 13. März 1946, in: ÖStA/ AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 750 01, Wiedererrichtung der ÖBF 1945. 76 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 46 3064 40, Budgetvoranschlag 1947. 77 ��������������������������������������������������������������������������������������������������������� Österreichischer Staatsförsterverein (Hg.), Verzeichnis der Försterbezirke der Österreichischen Bundesforste mit Stand vom Jahre 1955. Zusammengestellt von Oberförster Franz Dier, Reichraming 1955.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
ke erfasst werden. Anzumerken ist hierbei, dass sowohl im Amtskalender als auch bei Dier 95 Forstverwaltungen genannt werden; Inspektionsdienste werden im Österreichischen Amtskalender 1955 zwei (in Innsbruck und Salzburg) angeführt, wobei sich der Großteil hiervon, wie bereits 1937, in den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Tirol befand. Die Anzahl der Försterbezirke, die auf Basis dieser Quelle genauer definiert werden kann, als es für das Jahr 1937 möglich war, gibt Dier mit 431 an. Erfasst wurden im Untersuchungssample 1955 insgesamt 530 Personen, wobei der Personalstand im Jahr 1955 bei 1.377 Beamten und Angestellten (105 Beamte, 1.272 Angestellte) sowie 6.191 Arbeiter lag,78 womit rund 38 % der in Verwendung stehenden Beamten und Angestellten untersucht wurden.
1.3.4. Gesamtuntersuchungssample Die auf die beschriebene Art gebildeten drei Untersuchungssamples ergeben zusammen eine Gesamtgröße von 994 Personen. Dabei handelt es sich, da sich in den erfassten Positionen ausschließlich Männer befanden, um ein rein männlich zusammengesetztes Untersuchungssample, das die männliche Dominanz im Forstbereich im Untersuchungszeitraum wiedergibt. Die erfassten Personen können in mehreren der drei Untersuchungssamples vorkommen. Die Zusammenfassung zu einem Datensatz für die Analyse erfolgte aufgrund folgender Kriterien: Name, Geburtsdaten, Funktionen im Rahmen der Forstverwaltung und konnte umso präziser vorgenommen werden, um so mehr Informationen zur Verfügung standen.79 Geburtsdaten, die zur Identifizierung der Personen in den Aktenbeständen erforderlich sind, konnten im Laufe des Projektes für insgesamt 863 Personen eruiert werden; für 131 Personen war dies nicht möglich.80 78 50 Jahre Österreichische Bundesforste 1925–1975, S. 263. Leicht abweichend davon beziffert Hofmann mit Bezug auf den Jahresbericht 1955 die Anzahl der beschäftigten Beamten, Angestellten, Forstpraktikanten und Bürolehrlinge mit 1.379 Personen. Vgl. Hoffmann, Die wirtschaftliche Entwicklung der österreichischen Bundesforste, S. 67. 79 Anzumerken ist dabei, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass es in einzelnen Fällen aufgrund von Namensgleichheiten zur Zusammenfassung von Personen zu einem Datensatz für die quantitative Auswertung gekommen ist, die nicht ident sind. Während des Projekts war es ein wichtiges Bestreben, das aus den drei Untersuchungssamples gebildete Gesamtuntersuchungssample durch neue Unterlagen ständig zu kontrollieren und nötigenfalls zu korrigieren, fehlerhafte Zusammenlegungen von Personen, die sich auch auf die statistische Auswertung in den folgenden Kapiteln auswirken, können jedoch nicht restlos ausgeschlossen werden. 80 Geburtsdaten zu den erfassten Personen konnten auf Basis einer Vielzahl von Quellen eruiert werden.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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1.4. Personelle Veränderungen in der Reichsforstverwaltung nach dem Mär z 1938 Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich konnte für die in der Forstwirtschaft Tätigen zahlreiche Konsequenzen haben – reichend von der Wiedereinstellung vormals entlassener Nationalsozialisten und der Beförderung „verdienter Nationalsozialisten“ bis zu politisch oder „rassisch“ motivierten Entlassungen, Pensionierungen oder Versetzungen. Leitende Funktionen in der Forstverwaltung wurden – wie die bereits genannten Beispiele Reinthaller, Vasold, Mauser, Starkel und Schröder zeigen – mit loyalen Parteigängern der NSDAP besetzt. Wichtige Kompetenzen im Personalbereich wurden auf Basis der ersten Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 dem Amt des Beauftragten für das Forstwesen im Lande Österreich zugesprochen. Hier wurde festgehalten, dass „alle Personalangelegenheiten für die österr. Staatsforste, den forsttechnischen Dienst der politischen Verwaltung, die forstliche Versuchsanstalt in Mariabrunn, die Försterschule in Ort und den Dienst der Wildbachverbauung […] durch das Personalreferat (I) im Amt des Beauftragten des Reichsforstmeisters bearbeitet“ werden,81 in dem Julius Güde und Alfons Mauser (als Personalreferent) eine zentrale Rolle bei der „Neuordnung des Personalbereichs“ spielten. Die zentrale Entscheidungsbefugnis behielt sich aber der Reichsforstmeister vor. So belegen auch die der Bildung des Untersuchungssamples 1939 zugrunde gelegten „Übernahme-“ und Personallisten aus dem Jahr 1939, die dem Reichsforstmeister vom Beauftragten für das Forstwesen im Lande Österreich bzw. in Folge vom Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen zugeschickt wurden, die beide ihren Sitz in der früheren Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste in Wien hatten, dass für eine endgültige Übernahme in den Reichsforstdienst die Zustimmung des Reichsforstmeisters erforderlich war bzw. diesem der Personalstand vorgelegt werden musste. Und auch aus den noch vorhandenen Personalakten wird deutlich, dass es der Reichsforstmeister war, der die Forstbediensteten von der Übernahme in den Reichsdienst bzw. ins Reichsbesoldungsrecht verständigte. Mit der Auflösung der Dienststelle des Beauftragten für das Forstwesen im Lande Österreich im März 1939 behielt sich der Reichsforstmeister mittels einer Kundmachung vom 21. März 1939 schließlich auch ausdrücklich die Einstellung und Versetzung sämtlicher Zu nennen sind hier die der Bildung des Gesamtuntersuchungssamples zugrunde gelegten Listen, Sozialversicherungsunterlagen und das im Rahmen der Studie im Österreichischen Staatsarchiv eruierte Personenstandverzeichnis aus dem Jahr 1953. 81 Archiv der ÖBF, Aktenkonvolut RFV Präs. 1938 1–400, A.V. Präs., 1938, Zl. 221/1938. Vgl. hierzu auch: ÖStA/AdR, RFV, Regierungsforstamt Wien-Niederdonau, 1939, Kt. 113, GZ L/26/1939.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Beamter und Angestellter bis auf Weiteres vor.82 Anträge auf Versetzungen von Beamten und Angestellten mussten ihm in Folge mit „eingehender Begründung“ vorgelegt werden.83 Die Entscheidungshoheit im Personalbereich war für den Reichsforstmeister somit von zentraler Bedeutung. Wesentliche Kompetenzen, um hier eingreifen zu können, hatte er auch nach der Eingliederung der Regierungsforstämter (später Landesforstämter) beim Reichsstatthalter. Zwar wurde in der Durchführungsverordnung zur Verordnung über den Aufbau der Reichsforstverwaltung vom 31. Mai 1940 bestimmt, dass der Oberlandforstmeister als Leiter des Landesforstamtes in allen Fragen – auch in allen Personalangelegenheiten nachgeordneter Dienststellen der Reichsforstverwaltung – der ständige Vertreter des Reichsstatthalters war. Der dem Minister des Inneren unterstehende Reichsstatthalter hatte – wie bereits ausgeführt wurde – gegenüber dem gesamten Aufgabenbereich des Landesforstamtes ein Weisungsrecht, war selbst aber wiederum an die Weisungen des Reichsforstmeisters in Berlin gebunden. Ihm kam auch – wie ebenfalls bereits skizziert wurde – in Konfliktfällen die Letztentscheidung zu, wobei er dort, wo andere Verwaltungszweige berührt wurden, aber das Einvernehmen mit den betreffenden Obersten Reichsbehörden herzustellen hatte.84 Insgesamt lässt sich – und das wohl v. a. für die Jahre ab 1940 – feststellen, dass in Personalfragen eine Reihe von Akteuren – die Leiter der Landesforstämter, die Reichsstatthalter und der Reichsforstmeister – in Erscheinung traten, die einander zum Teil konkurrenzierten und deren Kompetenzen nicht immer klar überschaubar waren.
1.4.1. (Wieder-)Einstellung von Nationalsozialisten Neue Stellenbesetzungen sollten unmittelbar nach dem „Anschluss“ keine vorgenommen bzw. wenn erforderlich nur kommissarisch im Taggeld erfolgen.85 Später wurden – wie die überlieferten Unterlagen vermuten lassen – bevorzugt Personen aufgenommen, 82 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Anzumerken ist hierbei jedoch, dass sich der Reichsforstmeister schon zuvor weitgehende Entscheidungen vorbehalten hatte; bereits Mitte August 1938 hatte er sich etwa vorbehalten, über „die Annahme von Beamtenanwärtern und Angestellten und über Personalangelegenheiten für Forstverwaltungsbeamte“ zu entscheiden. Archiv der ÖBF, Aktenkonvolut RFV Präs. 1938 1–400, GZ 318/Präs.–1938. 83 Mitteilung des Reichsforstmeisters an die Regierungsforstämter in Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck und Wien, das Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung und das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen vom 17.5.1939, ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt. 11, GZ 7133/1939. 84 Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 29. 85 Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 99 sowie Archiv der ÖBF, Aktenkonvolut RFV Präs. 1938 1–400, GZ 318/ Präs. 1938 und ÖStA/AdR, BKA Präs., 1938 (Reichsstatthalter), GZ 3359-Pr/1938.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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die sich durch ihr Wohlwollen dem Nationalsozialismus gegenüber – auch durch eine Mitgliedschaft in der NSDAP – auszeichneten. Dokumentiert ist in diesem Zusammenhang, dass im Zuge von Neueinstellungen 1938 und 1939 auch nach dem Verhältnis zum Nationalsozialismus gefragt wurde und eine Bestätigung über eine Mitgliedschaft in der NSDAP erbracht werden sollte.86 So halten auch die im Zusammenhang mit Stellenbesetzungen/Aufnahmen in den Forstdienst verwendeten Personalfragebögen fest, dass hier neben der Schulausbildung auch eine Mitgliedschaft in der NSDAP oder ihren Gliederungen angegeben werden sollte und die Zugehörigkeit zu früheren Parteien und Verbänden interessierte.87 Interventionen der NSDAP für ihre Anhänger waren – wie die überlieferten Unterlagen dokumentieren – keine Seltenheit und haben sich in der Praxis – wenn eine entsprechende Stelle vorhanden war – für die einzelnen Personen durchaus positiv auswirken können.88 Privilegiert behandelt werden sollten nach dem „Anschluss“ im Bereich des gesamten öffentlichen Diensts insbesondere solche Personen, die vor dem 11. März 1938 als illegale Nationalsozialisten entlassen worden waren. So hält ein Rundschreiben des „bestandenen Bundeskanzleramtes“ vom 14. März 1938 sowie eine neuerliche Information des Ministeriums für Finanzen vom 24. März 1938 bereits unmittelbar nach dem „Anschluss“ fest, dass Angestellte (einschließlich der Vertragsbediensteten und Arbeiter), die „wegen ihrem nationalsozialistischen Verhalten (Betätigung, Gesinnung) aus dem Dienststand durch Entlassung, Kündigung oder Pensionierung entfernt oder vom Dienst enthoben [worden sind], auf ihr Anmelden wieder in den Dienst zu stellen sind“.89 Zeitgleich, d. h. unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, wendete sich auch die Leitung des österreichischen Staatsförstervereins mit einer diesbezüglichen Forderung an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste und drängte auf eine Wiedereinstellung vormals entlassener Nationalsozialisten.90 Gewährt wurde auch eine „Wiedergutmachung“, wenn nachgewiesen werden konnte, dass vor dem März 1938 eine Entlassung aufgrund der Betätigung für die NSDAP erfolgt ist bzw. aufgrund der „nationalsozialistischen Gesinnung“ eine Verfolgung stattgefunden hat. Bezug genommen wurde hierbei auf einen „Erlass des Führers und Reichskanzlers“ vom 10. April 1938, in dem bestimmt wurde, dass „öffentlich Bediens86 87 88 89 90
ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 267, GZ 10471/1938. Vgl. hierzu etwa: ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt. 9, GZ. 1485/1939. Vgl. exemplarisch: ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 268, GZ 11.406/1938. ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 261, GZ 2582/1938. ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 261, GZ 2135/1938. Vgl. hierzu auch: Deutschösterreichische Staatsförster-Zeitung, Nr. 4, April 1938, S. 13f.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
tete, die im Lande Österreich seit dem 30. Januar 1933 infolge einer im Kampfe für die nationalsozialistische Erhebung Österreichs erlittenen strafgerichtlichen Verurteilung ihr Amt oder ihre Ansprüche auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse verloren haben, oder wegen einer in diesem Kampfe begangenen Handlung oder Unterlassung Dienststrafen erlitten haben, oder wegen einer solchen Handlung oder Unterlassung“ bzw. „wegen ihrer nationalsozialistischen Gesinnung durch Verwaltungsverfügungen gemaßregelt worden sind“ auf Antrag von ihren Dienstherren „Wiedergutmachung“ geleistet wird.91 Eingebracht werden sollten die Anträge – wie eine entsprechende Durchführungsverordnung vom 18. Mai 1938 näher definierte – bei der zuständigen Dienststelle des Ansuchenden bzw., wenn diese nicht mehr bestand, beim Reichsstatthalter in Österreich. Die zuständige Dienststelle sollte den Antrag prüfen und – sofern sie nicht selbst dazu befugt war – den Antrag dem Reichsstatthalter in Österreich zur Entscheidung vorlegen. Dort, wo der Bedienstete inzwischen in den Reichsdienst übergetreten ist oder die Verwaltung, der er angehört hat, auf das Reich übergegangen ist, ohne dass die einzelnen Beamten unmittelbare Reichsbeamte geworden sind, sollten jedoch die einzelnen Reichsminister zur Entscheidung befugt sein. Belegt ist in den vorhanden Akten, dass in „Wiedergutmachungsfällen“ sowohl der Reichsstatthalter in Österreich kontaktiert als auch die Zustimmung des Reichsforstmeisters in Berlin eingeholt wurde, dem die Forstbediensteten nun offiziell unterstanden. Als zeitliche Frist für die Einbringung der „Wiedergutmachungsanträge“ im öffentlichen Dienst nannte die Durchführungsverordnung vom 18. Mai 1938 den 31. Juli 1938.92 Von den 1938 im Forstdienst Tätigen wurde nicht selten auf eine solche „Wiedergutmachung“ Anspruch erhoben, wobei diese in der Praxis in verschiedenen Zusammenhängen beantragt wurde: für Entlassungen oder Zurücksetzungen wegen einer Tätigkeit für die NSDAP, für die „Übergehung“ bei einer Stellenbesetzung aufgrund der nationalsozialistischen Betätigung oder Gesinnung, hinsichtlich der Refundierung einer politischen Geldstrafe oder für den Verlust einer Waisenpension infolge einer nationalsozialistischen Betätigung. Eine positive Stellungnahme zum 91 Für Personen, die aufgrund ihrer Gesinnung von einer Beförderung ausgeschlossen waren, sollte die Wiedergutmachung im Sinne einer rückwirkenden Beförderung erfolgen. Gültigkeit sollten die Bestimmungen zur „Wiedergutmachung“ in gleicher Weise auch für die Hinterbliebenen von öffentlich Bediensteten haben. Vgl.: Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Wiedergutmachung der im Kampf für die nationalsozialistische Erhebung Österreichs erlittenen Dienststrafen und sonstigen Maßregelungen vom 10. April 1938, DRGBl, I, 1938, S. 375f. 92 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung zur Durchführung des Erlasses des Führers und Reichskanzlers über die Wiedergutmachung der im Kampf für die nationalsozialistische Erhebung Österreichs erlittenen Dienststrafen und sonstigen Maßregelungen vom 18. Mai 1938 bekannt gemacht wird. GBlfdLÖ Nr. 143/1938.
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„Wiedergutmachungs“-Ansuchen erfolgte nach der Prüfung des Vorbringens durch die ehemalige Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste bzw. in deren Nachfolge durch das Amt des Beauftragten für das Forstwesen im Lande Österreich und den Reichsstatthalter in Österreich aber stets nur, wenn nachgewiesen werden konnte, dass die beschuldigte „Benachteiligung“ auch wirklich im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Betätigung oder Gesinnung erfolgt ist. Dass von Seiten des Reichsstatthalters in Österreich mitunter ein strengerer Maßstab als von Seiten der ehemaligen Österreichischen Bundesforste angelegt wurde, belegt etwa der Fall Wilhelm Pollanschütz. Gegen Wilhelm Pollanschütz wurde mit Straferkenntnis vom 22.8.1934 der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau wegen des Tragens des verbotenen deutschvölkischen Turnerabzeichens am 4.8.1934 eine Geldstrafe von 33 Schilling verhängt. „Da die Betätigung beim Deutschen Turnerbund einer Betätigung bei der nat.soz.deutschen Arbeiterpartei gleichgehalten wurde“, stellte die Generaldirektion [diese Formulierung wurde trotz der laufenden Umstrukturierung der Forstwirtschaft im Akt noch verwendet, wie auch die Aktenstücke noch einige Zeit den Kopf „Generaldirektion der österreichischen Bundesforste“ trugen] den Antrag, „dem genannten im Sinne des Erlasses des Führers und Reichskanzlers vom 10./4.1938, R.G.B.Bl. I S. 375 bezw. des Durchführungserlasses vom 18./5.1938 Pkt. IX die Geldstrafe von 33 S = 22 RM zu ersetzen.“ Von Seiten der Reichsstatthalterei (Reichsstatthalter in Österreich) wurde das Ansuchen mit 29. Juli 1938 jedoch abgelehnt, da eine Ersetzung von Geldstrafen nur erfolgen sollte, wenn diese im Rahmen von Dienststrafverfahren, nicht aber im Zuge von Verwaltungsstrafverfahren verhängt worden ist. Ob der Fall in Folge noch dem Reichsforstmeister vorgelegt wurde, ist unbekannt.93 Dass manche die Bestimmungen über eine „Wiedergutmachung“ auch dann geltend machen wollten, wenn diese nicht zutreffend waren, der Nachweis einer Betätigung für die illegale NSDAP aber auch in diesem Fall zu einer Einstellung in der Reichsforstverwaltung führen konnte, belegt hingegen das Beispiel Helidor Girbl. Er, der seit 1935 Mitglied der NSDAP und SA-Truppführer war, hatte sich 1930 um eine Aufnahme in den Dienst der Österreichischen Bundesforste beworben, war aber nicht aufgenommen worden, da es bereits eine große Anzahl von Vormerkungen älterer, sehr gut qualifizierter Bewerber gab. Da somit keine politischen Gründe für die Nichteinstellung maßgeblich waren, wurde keine „Wiedergutmachung“ gewährt. Aufgrund seiner „Tätigkeit für die NSDAP und seiner aus politischen Gründen erfolgten Entlassung mit 25.9.1934 aus dem österr. Bundesheere“ wurde aber die „Aufnahme gegen Taggeld, da eine andere Aufnah93 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14a, GZ 6452/1938.
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me derzeit im Lande Österreich nicht möglich ist“, von Seiten der Generaldirektion mit 20. September 1938 befürwortet und dem Reichsforstmeister zur Zustimmung vorgelegt.94
1.4.2. „Rassisch“ und politisch motivierte Entlassungen, Pensionierungen und Versetzungen In der bereits zitierten Durchführungsverordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 wurde hinsichtlich der in der Forstverwaltung Beschäftigten bestimmt, dass „die Beamten und Angestellten [...] in der Forstverwaltung weiter Verwendung [finden], soweit nicht anders verfügt wird“. Sie sollten mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung am 6. Juli 1938 dem Reichsforstmeister unterstehen. Auch die Angestellten des ehemaligen Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste sollten – so die Durchführungsverordnung – soweit die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen gegeben sind, in das Beamtenverhältnis übergeführt werden.95 Ausgeschlossen von einer Überführung in den Reichsforstdienst waren Juden und / oder „politisch unzuverlässliche“ Bedienstete. Wie eine Studie zu den Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit festhält, gingen die personellen Veränderungen im öffentlichen Dienst in mehreren Phasen vor sich. Unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtübernahme kam es zu Beurlaubungen und Außerdienststellungen von öffentlich Bediensteten,96 die im Forstbereich auch auf Basis bereits bestehender Bestimmungen in der Dienstpragmatik erfolgten. Mit der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938, die sämtliche im öffentlichen Dienst Beschäftigte – BeamtInnen, Angestellte, ArbeteiterInnen sowie BeamtenanwärterInnen und AspirantInnen betraf –, wurde dann die zentrale gesetzliche Basis für die nationalsozialistische Neuordnung der Arbeit im Öffentlichen Dienst geschaffen. Bereits vorgenommene Entlassungen und Pensionierungen sollten – ganz im Sinne der vermeintlichen nationalsozialistischen Rechtsstaatlichkeit – nach dem Inkraft-
94 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14a, GZ 7534/1938. 95 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Erste Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bekannt gemacht wird, GBlfdLÖ, Nr. 239/1938. 96 Alexander Mejstrik / Therese Garstenauer / Peter Melichar / Alexander Prenninger / Christa Putz / Sigrid Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit. Vom völkischen Berufsleben 1934 zum völkischen Schaffen 1938–1940. Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen seit 1945 in Österreich Band 16, Wien / München 2004, S. 297.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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Titelseite der Deutschösterreichischen Staatsförster-Zeitung, April 1938 (auf Seite 15 wird der Nachweis der „Deutschblütigkeit“ für Beamte und die rassistische NS-Gesetzgebung gegen Juden propagiert).
treten der Verordnung in einem „ordnungsgemäßen Verfahren nach der Berufsbeamtenverordnung“ behandelt werden und erst dann ihre Rechtsgültigkeit erlangen.97
Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums (BBV) Ziel der Berufsbeamtenverordnung war es, die Beamtenschaft, die auf Adolf Hitler vereidigt wurde, (ausgehend von den Nürnberger Rassegesetzen) „judenrein zu machen“ und „von politischen Gegnern zu säubern“. Nach § 3 Abs. 1 der Berufsbeamtenverordnung waren alle Beamten auszuscheiden, die Juden oder „jüdische Mischlinge“ oder deren Ehegatten Juden oder „jüdische Mischlinge ersten Grades“ sind. Ausnahmen waren nach 97 Rundschreiben des Reichsstatthalters vom 13. Juli 1938 und vom 5. August 1938. ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Kt. 265, Sig. 14a, GZ 7076/38 bei GZ 7867/1938 und GZ 7867/1938.
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§ 3 Abs. 3 möglich; diese Ausnahmen wurden aber bald wieder abgeschafft bzw. immer stärker eingeschränkt.98 Nach § 4 Abs. 1 konnten alle Beamten in den Ruhestand versetzt werden, die „nach ihrem bisherigen politischen Verhalten nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten“. Gelten sollte dies „vor allem für Beamte, die gegen die nationalsozialistische Bewegung und ihre Anhänger gehässig aufgetreten sind oder ihre dienstliche Stellung dazu missbraucht haben, um völkisch gesinnte Volksgenossen zu verfolgen, zurückzusetzen oder sonst zu schädigen.“ Versetzungen von (politisch unverlässlichen, aber nicht untragbaren) BeamtInnen – auch auf Dienstposten einer niederen Dienstklasse – waren nach § 5 Abs. 1 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums möglich. § 5 Abs. 4 verfügte die Rückgängigmachung von Beförderungen oder die Aberkennung von Titeln, wenn Grund zur Annahme bestand, dass bei diesen „die politische Einstellung des Beamten wesentlich mitgewirkt hat“. Nach § 6 waren Pensionierungen zur Vereinfachung der Verwaltung oder im Interesse des Dienstes möglich, auch wenn keine Dienstunfähigkeit bestand. § 7 Abs. 1 bestimmte, dass die für die Beamten in § 3 bis § 6 geregelten Bestimmungen auch für Angestellte und Arbeiter zutreffen.99 Die Höhe des Ruhegenusses (Abfertigung) war abhängig davon, ob die Versetzung in den Ruhestand aus „rassischen“ oder aus politischen Gründen erfolgte. Festgelegt wurde hierbei, dass alle Personen, die am 13. März 1938 öffentliche Bedienstete im Land Österreich waren, verpflichtet sind, „die ihnen von der vorgesetzten oder mit der Durchführung dieser Verordnung betrauten Behörde vorgelegten Fragen über die Abstammung (und jene des Ehegatten/der Ehegattin) und ihre bisherige politische Betätigung und die ihnen sonst in Durchführung dieser Verordnung gestellten Fragen vollständig zu beantworten und abverlangte Urkunden vorzulegen“. In diesem Sinn wurden für die Überprüfung der „rassischen Herkunft“ der öffentlich Bediensteten (und deren EhepartnerInnen) sowie deren politische Zuverlässigkeit eigene Fragebogen entwickelt, die wahrheitsgetreu auszufüllen waren.100
98 ������������������������������������������������������������������������������������������������������� Mejstrik / Garstenauer / Melichar / Prenningerr / Putz / Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit, S. 301. 99 Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938, DRGBl I, 1938, S. 607ff bzw. GBlfdLÖ Nr. 160/1938 sowie Mejstrik / Garstenauer / Melichar / Prenninger / Putz / Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit, S. 300ff. Vgl. zur Berufsbeamtenverordnung auch: Richard Schneider / Kurt Hanke / Egon Höller, Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums. Verordnung vom 31. Mai 1938, Berlin 1938. 100 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1938, GZ 4970-Pr. 38 (Mappe Berufsbeamtentum) und ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 265, GZ 7202/1938 bei GZ 7867/1938 sowie Scheider / Hanke / Höller, Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums, S. 84–89.
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Anstelle der anfangs von den öffentlich Bediensteten getroffenen Beurteilungen, ob sie unter die Nürnberger Rassegesetzes fallen, trat jedoch bald eine bürokratisch-kon trollierte Festlegung, wer (bzw. wessen EhepartnerIn) als Jude, Jüdin oder „Mischling“ zu gelten hat.101 Und auch hinsichtlich der „politischen Zuverlässigkeit“ sollten nicht nur die Urteile der Bediensteten selbst, sondern auch „politische Gutachten“ eingeholt werden. Um eine „Einheitlichkeit der Beurteilung von Beamten sicherzustellen“, wurden in diesem Sinn am 13. Juni 1938 auch „alle dem Ministerium für Landwirtschaft unterstehenden Behörden, Aemter und Anstalten [...] und die Generaldirektion der Oesterr. Staatsforste“ darüber informiert, dass „die Parteidienststellen, die um politische Beurteilungen über Beamte der Dienstklassen 1–4 angegangenen werden, die politischen Beurteilungen ausschließlich durch die Hand des Reichskommissars zu leiten“ haben, wobei diese schnellstens weitergeleitet werden sollten. Beurteilungsanforderungen, sofern es sich um Beamte der entsprechenden Dienststufen handelte, waren unmittelbar an den Reichskommissar zu richten; in allen anderen Fällen sollten die Gauleitungen für die politischen Beurteilungen zuständig sein.102 Gleichfalls sollten Personalakten zur Durchführung der Berufsbeamtenverordnung eingesehen werden.
Installierung von Untersuchungsausschüssen Zur Durchführung der Berufsbeamtenverordnung wurden eigene Untersuchungssausschüsse – beim Reichsstatthalter in Österreich und beim Dienstherren – eingerichtet. Was den Bereich der ehemaligen Bundesforste betrifft, war ein Untersuchungsausschuss beim Reichsstatthalter in Österreich für die ehemaligen Beamten der Österreichischen Bundesforste zuständig, zudem wurde in der ehemaligen Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ein Ausschuss für deren ehemalige Arbeiter und Angestellte eingerichtet. Für jene Forstleute, die aus dem ehemaligen forstpolitischen Dienst kam, waren neben dem Reichsstatthalter in Österreich auch die bei den Landeshauptmannschaften gebildeten Ausschüsse zuständig, die den Beauftragten über das Forstwesen im Land Österreich unterrichten sollten.103 Als Leiter der beiden für die Bundesforste eingerichteten Ausschüsse wurde – mit dem Hinweis auf eine Berufung durch den Reichsforstmeister – dem Reichstatthalter in Österreich im Juni 1938 der bereits genannte Alfons Mau101 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Mejstrik / Garstenauer / Melichar / Prenninger / Putz / Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit, S. 298. 102 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 263, GZ 5471/1938. 103 Vgl. hierzu etwa: ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 268, GZ 11.176/I–38.
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ser vorgeschlagen.104 Ebenfalls in die Ausschüsse nominiert wurden Oskar Megele und Friedrich Bergbrunn-Ganahl, die – ebenso wie Alfons Mauser – von Anton Reinthaller für die „Ostmark-Medaille“ vorgeschlagen wurden und hier auch vermerkt war, dass Bergbrunn-Ganahl „Mitglied der Zelle Österreichische Bundesforste und illegaler Leiter derselben“ war.105 Als Mauser mit 1. April 1939 seinen Dienst als neuer Leiter des Regierungsforstamtes in Innsbruck antrat, wurde der bereits genannte Oberlandesforstmeister Markus Vasold als „alter, illegaler Parteigenosse und wegen nationalsozialistischer Betätigung gemaßregelter Beamter“ als sein Nachfolger vorgeschlagen.106
Reichsstatthalter in Österreich als zentraler Akteur Entscheidungen der Ausschüsse waren – so eine am 20. Juni 1938 der Generaldirektion des ehemaligen Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“ vom Reichsstatthalter in Österreich übermittelten Durchführungsanweisung zur Berufsbeamtenverordnung – als Vorschläge diesem vorzulegen.107 Der Reichsstatthalter in Österreich leitete seinerseits seine Entscheidungen dann an das Amt des Beauftragten für das Forstwesen weiter, der eine wichtige Verbindungsstelle zum Reichsforstmeister nach Berlin war.108 Hinsichtlich der Durchführung der Berufsbeamtenverordnung trat der Reichsstatthalter in Österreich somit als zentraler Akteur in Erscheinung, wenn er die Generaldirektion des ehemaligen Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“ und eine Reihe weiterer Dienststellen am 7. Juli 1938 auch darüber unterrichtete, dass in Hinkunft die bei den einzelnen Dienstherren eingesetzten Untersuchungsausschüsse unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften endgültig entscheiden und den Betroffenen auch die entsprechenden Bescheide zustellen sollen. Handelte es sich um leitende Angestellte oder beabsichtigte ein Vorsitzender des Untersuchungsausschusses von der Stellungnahme des Vertreters der NSDAP in den Ausschüssen abzuweichen, war jedoch die Weisung des Reichsstatthalters in Österreich durch Vorlage des Aktenmaterials samt Niederschrift einzuholen. In diesen Fällen sollte die Zustellung durch den Reichsstatthalter erfolgen.109 Betraut mit der Durchführung der 104 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 263, GZ 5476/1938. 105 BArch, Z.A. VI. 3194 Akte 10, Sammelakte Zentralarchiv. 106 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt. 11, GZ 6339 (hier inkludiert GZ 5114/1939). 107 Durchführungsanweisung zur Berufsbeamtenverordnung, ÖSt/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 263, GZ 5476/38. 108 Unmittelbar nach dessen Abschaffung war – wie Unterlagen im Österreichischen Staatsarchiv belegen – v. a. auch das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen mit Fragen der Personalüberleitungen beschäftigt. 109 ÖStA/AdR, BKA, Präs., 1938 (Reichsstatthalter), GZ 5479/1938.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums wurde der Staatskommissar beim Reichsstatthalter, SS-Standartenführer Dr. Otto Wächter,110 der auch in den vorhandenen Akten als zentrale Instanz (in Vertretung des Reichsstatthalters oder mit eigenem Briefkopf ) aufscheint. Die im Archiv der Republik im Österreichischen Staatsarchiv erhalten gebliebene sogenannte „Wächter-Kartei“ und die zu dieser Kartei gehörenden Durchschläge mit Verständigungen von „Maßnahmen nach der Berufsbeamtenverordnung“ bilden eine zentrale, bis dato noch wenig verwendete und erforschte Quelle zu den Berufschädigungen nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich.111 Nach der Auflösung des Reichsstatthalteramtes war kurzfristig der Reichskommissar für die Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich, der – wie ausgeführt wurde – die Aufgaben des Reichsstatthalters in Österreichs nach dem Ende der Österreichischen Landesregierung bis zur tatsächlichen Umsetzung des Ostmarkgesetzes ausübte,112 für die Durchführung der Berufsbeamtenverordnung zuständig.
Durchführung der Berufsbeamtenverordnung Der zeitliche Rahmen für die Durchführung der Berufsbeamtenverordnung wurde unterschiedlich festgelegt. Die Entfernung jüdischer Beschäftigter aus dem öffentlichen Dienst (nach § 3 BBV) wurde mit Ende 1939 angesetzt. Der zeitliche Rahmen für die Entfernung „politisch untragbarer“ Beamter (nach § 4 BBV) wurde anfangs mit 31. Dezember 1938 festgelegt, war bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht, v. a. was die Zustellung der entsprechenden Bescheide betraf, abgeschlossen und wurde daher mehrfach verlängert.113 Da die Berufsbeamtenverordnung mit 31. Dezember 1939 außer Kraft trat, 110 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Mejstrik / Garstenauer / Melichar / Prenninger / Putz / Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit, S. 299f. 111 ÖStA/AdR, BKA, Präs. 1938 und 1939 (Reichsstatthalter), „Wächter-Kartei“. 112 Vgl. zur Übernahme der Kompetenzen im Bereich der Durchführung der Berufsbeamtenverordnung auch ein entsprechendes Schreiben vom Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 18. Oktober 1939 an das Amt des Beauftragten für das Forstwesen, wonach auf dessen Anordnung das Reichsstatthalteramt sowie die Abteilungen I, II und III des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten aufgelöst wurden und die Abteilung II/1 des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten, die mit der Durchführung der Verfahren nach der Berufsbeamtenverordnung beauftragt war, personell zum Reichskommissar für die Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich übergegangen ist. ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig 14, Kt. 12, GZ10476/1939. 113 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Mejstrik / Garstenauer / Melichar / Prenninger / Putz / Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit, S. 302 sowie ÖStA/AdR, BMLF, Präs., Mappe Berufsbeamtentum 1938/1939, darunter die GZ 5117/1939, GZ 1691-I/1939, GZ 1050-Pr.–39, GZ 154-Pr./1939, GZ 4758-Pr.–38
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sollten – so ein Rundschreiben des Reichskommissars für die Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich an das Amt des Beauftragten für das Forstwesen, die Regierungsforstämter sowie eine Reihe weiterer Dienststellen vom 20. Dezember 1939 – aber bis spätestens dahin alle Betroffenen rechtswirksam informiert worden sein.114 Generell sollte – so ein Rundschreiben des Reichsstatthalters in Österreich vom 7. Juli 1938 – die Einleitung eines Verfahrens nach der Berufsbeamtenverordnung durch die Zugehörigkeit des Betroffenen zur NSDAP oder deren Gliederungen nicht gehindert werden.115 Wohl auch vor dem Hintergrund des vorhandenen „Arbeitsrückstaus“, der vorangegangenen Praxis und auch dem Umstand, dass die im öffentlichen Dienst beschäftigten Personen – auch jene im Bereich der Reichsforstverwaltung – nicht einfach zu ersetzen waren, ist ein Rundschreiben des Reichsstatthalters in Österreich an die Generaldirektion des ehemaligen Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“ vom 2. Dezember 1938 und eine Reihe weiterer Dienststellen zu sehen, wonach die Berufsbeamtenverordnung bei Bediensteten, die auf Dienstposten von geringerem Einfluss verwendet werden, nicht mit derselben Strenge durchzuführen sei wie dies bei Bediensteten auf einflussreichen Stellen notwendig sei. Hier sollte vielmehr der § 5 Abs. 1 der BBV (Versetzungen) in größerem Ausmaß angewendet werden; „Maßnahmen nach § 4 der Verordnung sollen bei niedereren Bediensteten auf Fälle beschränkt bleiben, wo ausgesprochene Gehässigkeiten vorliegen wie Anzeigen, tätliche Beleidigungen oder ähnliches.“116 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein weiteres Rundschreiben des Reichsstatthalters in Österreich vom 16. Jänner 1939, in dem mitgeteilt wurde, dass nun auch gegen die Wiedereinstellung „von Beamten, die szt. auf Grund ihrer marxistischen Gesinnung im Zusammenhang mit den Februarereignissen 1934 von der Systemregierung aus dem Staatsdienst entlassen wurden“ nichts eingewendet wird, wenn keine Bedenken der Gauleiter bestehen117 sowie die von Sonja Niederacher in einer rezenten Studie über das Dorotheum im Nationalsozialismus getroffene Feststellung, dass „mit den politischen Entlassungen weniger [bzw. nicht nur] eine ‚Säuberung‘ verfolgt wurde als eine Strategie der Einschüchterung.“118
114 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1939, GZ 5117/1939 (Mappe Berufsbeamtentum). 115 ÖStA/AdR, BKA, Präs., 1938 (Reichsstatthalter), GZ 6529/1938. 116 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1938, GZ 5223/1938 (Mappe Berufsbeamtentum). 117 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt. 9, GZ 1328/1939. 118 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Sonja Niederacher, Personalpolitik im Dorotheum: Entlassungen und Karrieresprünge, in: Stefan August Lütgenau / Alexander Schröck / Sonja Niederacher, Zwischen Staat und Wirtschaft. Das Doro theum im Nationalsozialismus, Wien / München 2006, S. 35.
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Politisch und „rassisch“ motivierte Entlassungen, Pensionierungen und Versetzungen im Bereich der Österreichischen Bundesforste / der Reichsforstverwaltung 1938/1939 Wie bereits erwähnt, gingen die personellen Veränderungen im öffentlichen Dienst in mehreren Phasen vor sich. Unterlagen im Österreichischen Staatsarchiv dokumentieren, dass es nach dem 11. März 1938 zu Versetzungen, Enthebungen und Pensionierungen im Bereich der Österreichischen Bundesforste kam, wobei auf Basis der vorhandenen Quellen der Hintergrund dieser „Maßnahmen“, wie es in der NS-Diktion hieß, – insbesondere, wenn es sich um eine „Maßnahme“ im Sinne der nationalsozialistischen Neuordnung des öffentlichen Dienstes handelt – nicht immer bezeichnet ist, zuweilen aber vermerkt ist, dass es sich um Pensionierungen aufgrund des Erreichens der Altersgrenze handelt.119 Erste Aufstellungen an den Reichsstatthalter in Österreich, die in Hinblick auf die Berufsbeamtenverordnung (auch im Hinblick auf bereits erfolgte „Maßnahmen“) erstellt wurden, stammen aus dem Juni und Juli 1938. Anzumerken ist dabei, dass von der Entlassung 1938 bis zur abschließenden Behandlung nach der Berufsbeamtenverordnung Monate vergehen konnten. Die erste der beiden genannten Listen, die dem Reichsstatthalter in Österreich am 27. Juni 1938 aufgrund dessen Anordnung vom 20. Juni 1938 übermittelt wurde, in der nach Juden oder „jüdischen Mischlingen“ bzw. den Ehepartnern von „Juden und jüdischen Mischlingen“ gefragt wurde, nennt insgesamt sieben Personen,120 darunter drei weibliche Kanzleikräfte (Martha Stein, Maria Kral, Kathrina Schmidt) und den späteren technischen Direktor der Österreichischen Bundesforste, Ernst Lesser (verzeichnet als „jüdischer Mischling“). Anzumerken ist hierbei, dass zumindest hinsichtlich des hier genannten Paul Nötzl, verheiratet mit einem „jüdischen Mischling“, bekannt ist, dass es in seinem Fall zu keiner endgültigen Enthebung kam. Sein Verbleiben im Forstdienst führte Nötzl, der ab 1940 Mitglied der NSDAP war, 1947 auf den Einsatz von Alfons Mauser zurück.121 119 �������������������������������������������������������������������������������������������������������� In der folgenden quantitativen Auswertung über „rassisch“ und politisch motivierte Entlassungen, Pensionierungen oder Versetzungen wurden alle jene Informationen berücksichtigt, in denen entweder eindeutig von der Berufsbeamtenverordnung gesprochen wird oder „rassische“ und politische Gründe für eine Maßnahme genannt werden. Dort, wo es nicht klar war, warum Veränderungen vorgenommen werden, wurden die Informationen nicht in der quantitativen Auswertung gezählt. Dies betrifft in erster Linie Versetzungen. Ein wichtiges Korrektiv für die Unterlagen aus dem Bereich Personalangelegenheiten ÖBF bzw. RFV/FEA – und das v. a. dann, wenn der Hintergrund für bestimmte Maßnahmen nicht klar war – bildete die beschriebene „Wächter-Kartei“. Weitere Recherchen könnten diese Zahlen noch verändern. 120 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 263, GZ 5475/1938. 121 ÖStA/AdR, BMLF, Sekt., Präs., 1949, Kt. 22, Bd.1, GZ 313/1949; Archiv der ÖBF, Personalakt von Alfons Mauser.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Die zweite der beiden Listen, die dem Reichsstatthalter in Österreich mit 30. Juni 1938 übermittelt wurde, verzeichnet insgesamt 13 Personen, darunter die drei ehemaligen Direktoren der Österreichischen Bundesforste, Ferdinand Preindl (mit der Bemerkung „beurlaubt seit 1. Mai 1938“), Alois Großmann (mit der Bemerkung „enthoben seit 13. März 1938“) und Viktor Raymann (mit der Bemerkung „beurlaubt seit 1. Juni 1938“). Ersichtlich wird aufgrund der hier angeführten Bemerkungen, dass nur eine Person auf Grund ihrer jüdischen Abstammung entlassen wurde. Dabei handelt es sich um Martha Stein, eine Kanzleibedienstete mit Dienstort Wien, die auch auf der oben genannten Liste aufscheint. Ein Ausscheiden aufgrund der Erreichung der Altersgrenze wurde in vier Fällen vermerkt, eine Versetzung in den dauernden Ruhestand wegen Krankheit wurde in zwei Fällen angemerkt.122 Auf Ferdinand Preindl wird in der Studie ausführlicher in einem eigenen biographischen Kapitel eingegangen; hinsichtlich der Beurlaubung und späteren Pensionierung von Viktor Raymann ist interessant, dass aus seinem bei den Österreichischen Bundesforsten erhaltenen Personalakt hervorgeht, dass er 1939 mit Verweis auf seine Kündigung im Jahre 1925 [sic!] entlassen wurde und ihm Julius Güde in diesem Zusammenhang den „wärmsten Dank und die vollste Anerkennung“ für seinen unermüdlichen und vorbildlichen Pflichteifer“ aussprach.123 Von Alois Großmann ist kein Personalakt bei den Österreichischen Bundesforsten mehr vorhanden. In der sogenannten „Wächter-Kartei“ ist eine Entlassung gem. § 7 Abs. 1 Ziffer 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1. – § 4 Abs. 1 bezieht sich auf „politisch nicht tragbare Beamte“ – vermerkt. Eine dritte Liste, die auf Anforderung des Reichsstatthalters in Österreich Anfang August 1938 erstellt wurde und jene „Maßnahmen“ festhält, die nach dem „Umbruch“ nach den allgemeinen Vorschriften getroffen wurden und nun ordnungsgemäß nach der Berufsbeamtenverordnung behandelt werden sollten, nennt insgesamt sieben Personen, darunter zwei Personen, die bereits auf den oben genannten Listen genannt wurden, die (bereits genannte) „Volljüdin“ Martha Stein und den Oberförster Franz Engl, der aufgrund „politischer Gründe“ verzeichnet ist. Darüber hinaus führt die Liste an neu hinzugekommenen Personen den „V.A. Förster“ Erich Koidl, der aus „politischen Gründen“ gekündigt wurde und vier Personen, die aus „politischen Gründen“ versetzt wurden, an.124
122 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 263, GZ 5474/1938. 123 Archiv der ÖBF, Personalakt von Viktor Raymann. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Viktor Raymann in der NSDAP-Ortsgruppenkartei als Mitglied seit 1.4.1940 mit der Mitgliedsnummer 796759 aufscheint. Vgl. Universität Wien, Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Raymann, Viktor (10.4.1872). 124 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 265, GZ 7067/1938 bei GZ 7867/1938.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
51
Weitere „Maßnahmen“ nach der Berufsbeamtenverordnung sind in den (mit vielen Entnahmescheinen) überlieferten Unterlagen aus dem Amt des Beauftragten für das Forstwesen im Land Österreich (und in dessen Nachfolge aus dem Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen) in Form weiterer Aufstellungen und in Form von Einzelakten vorhanden.125 Sie geben Entscheidungen des Reichsstatthalters in Österreich und der bei der ehemaligen Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste eingerichteten Untersuchungsausschüsse wieder und ermöglichen gemeinsam mit der bereits beschriebenen „Wächterkartei“ einen Einblick in die nationalsozialistische Neuordnung des öffentlichen Dienstes im Bereich der Österreichischen Bundesforste. Eine Gesamtzahl der entlassenen, pensionierten oder versetzten Bediensteten konnte weder auf Basis dieser Quellen noch auf Basis des Nachkriegsdiskurses für den Bereich der Österreichischen Bundesforste oder die Reichsforstverwaltung ermittelt werden. Eine Auswertung der bekannten Unterlagen126 im Hinblick auf das Untersuchungssample 1937 (mit Beschäftigten aus den ehemaligen Österreichischen Bundesforsten) hat das unten stehende Ergebnis gebracht. Übertragungen durch § 7 BBV wurden hier den anderen Paragraphen zugezählt. Untersu chungs sample 1937
„Rassisch“ motivierte Enthebun gen (§ 3 BBV)
Politisch motivier te Ent hebungen (§ 4 BBV)
324 Personen
3 (in einem Fall Weiterbelassung zugestimmt)
3 1 (nur Angabe „politische Gründe“)
Verset Ruhe Pensionierungen/ Verfahren zungen stand Beurlaubungen eingestellt (§ 5 BBV) (§6 BBV) im Zusammen hang mit der BBV ohne nähere An gaben* 11 2 3 7
* vermutlich politische Gründe
125 Vgl. hierzu: ÖStA/AdR, ÖBF und RFV, FEA, Sig. 14 (Personalangelegenheiten) für die Jahre 1938 und 1939. Die Akten der Signatur 14 aus dem Jahr 1939 stammen erst aus dem Amt des Beauftragten für das Forstwesen, dann aus dem Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen. Neben dem hier zitierten Bestand lagert im Österreichischen Staatsarchiv (ÖStA/AdR) noch ein eigener Bestand Amt des Beauftragten für das Forstwesen in Österreich (AfFÖ). Hier handelt es sich jedoch nur um einen Restbestand von Unterlagen aus dem Amt des Beauftragten für das Forstwesen. 126 „Wächter-Kartei“ und ÖStA/AdR, ÖBF und RFV, FEA, Sig. 14 (Personalangelegenheiten) für die Jahre 1938 und 1939.
52
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Insgesamt konnten für 30 Personen (rund 9 % der erfassten Personen) Hinweise auf ein Verfahren nach der Berufsbeamtenverordnung oder eine sonstige „Maßnahme“ im Zuge der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit dokumentiert werden. Im hier erfassten Verfahren nach § 3 Berufsbeamtentum, dessen Weiterverwendung zugestimmt wurde, handelt es sich um den bereits genannten Paul Nötzl. Bei den anderen beiden nach § 3 behandelten Personen um Ernst Lesser und Friedrich Baumgartl. Beide, Lesser und Baumgartl, dessen Frau Jüdin war, scheinen auf der oben bezeichneten Liste vom 27. Juni 1938 auf. Die Entlassungsbescheide nach der Berufsbeamtenverordnung wurden ihnen – wie ein Blick in die beschriebene „Wächter-Kartei“ und die zu ihr gehörenden Durchschläge von Verständigungen betrifft – aber erst im Laufe des Frühjahrs bzw. Sommer 1939 zugestellt. Ein Abgleich des Untersuchungssamples 1939, in der sich, entsprechend der beschriebenen Umstrukturierung der Forstverwaltung in Österreich nach dem März 1938 nicht nur ehemalige Bedienstete der Österreichischen Bundesforste befinden, in Hinblick auf die bekannten Unterlagen127 hat unten stehendes Ergebnis erbracht.128 Untersu „Rassisch“ mo chungssample tivierte Enthe 1939 bungen (§ 3 BBV 612 Personen 1 (§ 3 Abs. 1) 2 (§ 3 Abs. 3 (Weiterbelassung im Dienst)
Politisch mo tivierte Ent hebungen (§ 4 BBV) 3
Versetzungen Ruhestand (§ 5 BBV) (§6 BBV)
Verfahren eingestellt
19
13
1
Insgesamt finden sich 39 der im Untersuchungssample 1939 dokumentierten Personen (rund 6 %), von denen bekannt ist, dass sie von der Berufsbeamtenverordnung betroffen waren, wobei anzumerken ist, dass 17 dieser Personen auch Bestandteil des Untersuchungssamples 1937 sind. Bei den 22 neu hinzugekommenen Personen handelt es sich in den überwiegenden Fällen um Personen aus dem ehemaligen Landesforstdienst. Dies betrifft insbesondere das neu hinzugekommene Verfahren nach § 3 Abs. 3 (Heinrich Schmidberger) und die beiden neu hinzugekommenen Verfahren nach § 4 Abs. 1 BBV 127 „Wächter-Kartei“ und Unterlagen aus dem Amt des Beauftragten für das Forstwesen in Österreich bzw. in dessen Nachfolge dem Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen 128 Zusätzliche Informationen für jene Personen, die vor 1938 nicht bei den Österreichischen Bundesfors ten beschäftigt waren, könnten eventuell weitere Recherchen in den bei den Landeshauptmannschaften eingesetzten Untersuchungssausschüssen bringen. Ob sich in den Landesarchiven hierzu noch Unterlagen befinden, konnte im Rahmen der Studie aus zeitlichen Gründen nicht eruiert werden.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
53
(Hubert Rieder, Franz Spillmann). Beim anderen hier dokumentierten Verfahren nach § 3 Abs. 3 BBV handelt es sich um den bereits genannten Paul Nötzl, der auch im Untersuchungssample 1937 aufscheint. Friedrich Baumgartl (ebenfalls im Untersuchungssample 1937 vorhanden) scheint auf der Liste der besetzten Forstämter mit Stand 20.1.1939 ebenso auf wie auf der oben genannten „Entlassungsliste“ nach § 3 BBV. Ein Entlassungsbescheid wurde ihm erst Anfang März 1939 zugestellt. Gleichfalls erst im März 1939 wurde das nach § 4 Abs. 1 BBV geführte Verfahren gegen den im Untersuchungssample 1937 und 1939 erfassten Julius Walter abgeschlossen bzw. ihm erst dann die entsprechende Verständigung zugeschickt. Festzuhalten ist hinsichtlich der Forschungsergebnisse, dass in den bekanten Unterlagen nur in geringem Ausmaß Entlassungen oder Pensionierungen aus „rassischen Gründen“ eruiert wurden. Dies gilt auch für die neben den bereits genannten Auflistungen und Personen bekannten Quellen. Hinzuweisen ist hier jedoch noch auf die Entlassung der Kanzleibediensteten Katharina Trunner im Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, die auf einer der „Übernahmelisten“ aus dem Jahr 1939 vermerkt ist, und auf zwei Mitteilungen der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn und der Bundesförsterschule Ort bei Gmunden an das Präsidium des Ministeriums für Landwirtschaft aus dem Juni 1938, die in diesem Zusammenhang interessant erscheinen. Festgehalten wird hier seitens der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn und der Bundesförsterschule Ort bei Gmunden, dass sich in ihrem Dienstbereich keine Bediensteten befinden, die nach bisheriger Feststellung „Juden oder jüdische Mischlinge sind oder mit einem Juden oder jüdischen Mischling I. Grades verheiratet sind.“ Seitens der Forstlichen Versuchsanstalt Maria brunn wurde zudem angemerkt, dass hier auch „keine Veranlassung“ für eine „Maßnahme nach den §§ 4 oder 5, Abs. 4 der Berufsbeamtentenverordnung“ bestand. 129 Die zitierte Feststellung der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn, wonach in ihrem Bereich keine Entlassungen aus politischen Gründen getätigt wurden, trifft zwar nicht für den Bereich der Bundesforste zu. Hier kam es – wie die Studie zeigt – auch zu Entlassungen und Pensionierungen aufgrund „politischer Gründe“, v. a. wegen einer Involvierung in den autoritären „Ständestaat“. Das Gros der dokumentierten Fälle, betrifft jedoch Versetzungen, was auch der skizzierten Entwicklung weg von den Entlassungen hin zu Versetzungen entspricht. Auch wenn hierfür keine Zahlen vorliegen, ist somit – ausgehend davon, dass § 3 der Berufsbeamtenverordnung eine Mussbestimmung war – zu vermuten, dass der Anteil von Juden und Jüdinnen im Bereich der Österreichischen Bundesforste als gering anzusehen ist. Dass dies auch für weitere Bereiche der Forstwirtschaft zutreffen dürfte, legen 129 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1938, GZ 2570-Pr./38 (Mappe Berufsbeamtentum).
54
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
die zitierten Berichte aus der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn und der Försterschule Ort nahe. Generell ist der Anteil von „Glaubensjuden“, d. h. jenen Personen, die sich zur israelitischen Glaubensgemeinschaft bekannten, womit „die Juden und Jüdinnen vor dem März 1938 in Österreich nicht die Juden und Jüdinnen der NS-Herrschaft“ waren, in der Land- und Forstwirtschaft (aber auch im öffentlichen Dienst) vor dem März 1938 als unterproportional bezeichnet worden.130 Dies trifft auch für die Universität für Bodenkultur zu, auf die in dieser Studie noch in Hinblick auf die hohe Involvierung der Forstleute in den Nationalsozialismus – und das (wie bei den Österreichischen Bundesforsten) bereits vor dem März 1938 – verwiesen wird. Hier lag der „Anteil der sich zur israelitischen Religionsgemeinschaft bekennenden Studenten“ in den Wintersemestern 1935/36 und 1936/37 bei 5,3 % bzw. im Wintersemester bei 1937/38 bei 6,1 % und somit deutlich unter dem gesamtösterreichischen Durchschnitt von 11 %.131
Überführung der österreichischen Forstbediensteten in den Reichsdienst Wie bereits genannt sollten die Beamten und Angestellten in der Forstverwaltung auf Basis der Durchführungsverordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 „weiter Verwendung [finden], soweit nicht anders verfügt wird“. Die Angestellten des ehemaligen Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste sollten „soweit die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen gegeben sind, in das Beamtenverhältnis überführt werden“.132 Ziel der nationalsozialistischen Personalpolitik 130 So waren nach einer Aufgliederung der glaubensjüdischen Erwerbstätigen nach Wirtschaftsabteilungen 1934 bis 1937 nur 0,4 % in der Landwirtschaft und 1,9 % im öffentlichen Dienst tätig. Auf die historischen Gründe für die stark unterproportionale Vertretung von Juden und Jüdinnen in der Land- und Forstwirtschaft (und auch im öffentlichen Dienst), die im Zusammenhang mit der Geschichte des Antisemitismus zu sehen ist, kann hier nicht näher eingegangen werden. Hinsichtlich des Forstbereichs und der im Rahmen der Studie festgestellten „Maßnahmen“ nach § 3 der Berufsbeamtenverordnung sei jedoch angemerkt, dass 1934 92 % jener Personen, die sich zum israelischen Glauben bekannten, in Wien wohnhaft waren. Im Forstbereich kam hingegen den Bundesländern eine besondere Bedeutung zu. Vgl. zu den zitierten Zahlen: Mejstrik / Garstenauer / Melichar / Prenninger / Putz / Wadauer, Berufsschädigungen in der nationalsozialistischen Neuordnung der Arbeit, S. 97ff und zur Geschichte des Antisemitismus: Peter G. Pulzer, Die Geschichte des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914, Göttingen 2004. 131 Vgl.: Hannes Balas / Heinz Auer (Red.), Verdrängte Geschichte. Die Hochschule für Bodenkultur im Austrofaschismus und Nationalsozialismus, Wien 1985, S. 23 und S. 39. 132 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Erste Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bekannt gemacht wird, GBlfdLÖ, Nr. 239/1938.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
55
war es, die vor dem März 1938 bestehende Unterscheidung zwischen Beamten und Vertragsangestellten aufzuheben.133 In einer eigenen Verordnung, der Verordnung zur beamten- und besoldungsrechtlichen Neuordnung des Rechtsverhältnisses der Bediensteten des ehemaligen Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“ vom 23. Dezember 1938, wurde festgelegt, dass „die Vertragsbediensteten des ehemaligen Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“, deren Stellen unter das Bundesgesetz über die Bildung des Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“ vom 28. Juli 1925 (BGBl. Nr. 282) fallen [...], sofern sie die Voraussetzungen der §§ 25 und §§ 26 des Deutschen Beamtengesetzes (DBG)134 erfüllen, mit Wirkung ab 30. September 1938 in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis“ übergeführt werden.135 In Folge wurden diese mit einem Erlass des Reichsforstmeisters im März 1939 auch mit Wirkung vom 1. Oktober 1938 überführt. Wie die der Bildung des Untersuchungssamples 1939 zugrunde liegenden Listen belegen, war damit der Personalstand in der Reichsforstverwaltung aber noch nicht konsolidiert, vielmehr befand sich auch in den Folgemonaten im Personalbereich vieles in Bewegung, bis Ende 1939 war die Übernahme der österreichischen Forstbediensteten in den Reichsforstdienst – wie die Übernahmelisten aus dem Jahr 1939 nahelegen – aber (zumindest) weit fortgeschritten. Anzumerken ist hierbei, dass das Untersuchungssample 1939 und die ihm zugrunde gelegten Personallisten aus dem Zeitraum Jänner bis September 1939 keinen „endgültigen Personalstand“ dokumentieren, sondern diese nur eine Momentaufnahme bieten. Sie dokumentieren einen Ausschnitt jener Forstleute, die nach einem Dreivierteljahr bis eineinhalb Jahren nationalsozialistischer Herrschaft im Forstdienst tätig waren bzw. in den entsprechenden Personallisten verzeichnet wurden. Hierbei hat – neben den geschilderten „Maßnahmen“ aufgrund der Berufsbeamtenverordnung – auch ein Abgleich mit dem Untersuchungssample 1937 ergeben, dass der Großteil der 1937 bei den Österreichischen Bundesforsten beschäftigten Personen übernommen wurde.136 In Einzelfällen 133 Vgl. hierzu: Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Erste Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich vom 6. Juli 1938 bekannt gemacht wird, GBlfdLÖ, Nr. 239/1938 sowie: ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 14, Kt. 11, GZ 7655/1939 und die hier inkludierten Vorakten sowie ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1946–60, ÖBFPersonal, Allg., Kt. 20, Mappe Personal Allg., Gen. Dir. ÖBF I, GZ 3888-Pr./47. 134 Die zitierten §§ 25 und 26 beziehen sich auf eine „arische Herkunft“. 135 Verordnung zur beamten- und besoldungsrechtlichen Neuordnung des Rechtsverhältnisses der Bediens teten des ehemaligen Wirtschaftskörpers „Österreichische Bundesforste“ vom 23. Dezember 1938, RGBl I 1939, S. 1. 136 Ein Abgleich der beiden Untersuchungssamples 1937 und 1939 hat ergeben, dass der Großteil der ehemals Beschäftigten bei den Österreichischen Bundesforsten in den Reichsforstdienst übernommen wurde. Er dokumentiert, dass 276 Personen aus dem Untersuchungssample 1937 (insgesamt 324 Perso-
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
ist – wie anhand einer Auswertung des Untersuchungssamples 1939 mit den bekannten Unterlagen gezeigt hat – aber auch bekannt, dass sich unter den 1939 Erfassten noch Personen befinden, die später enthoben bzw. aufgrund der Berufsbeamtenverordnung entlassen bzw. pensioniert wurden. Weitere Enthebungen können auf Basis der bekannten Unterlagen nicht ausgeschlossen werden.137 Unterlagen dokumentieren darüber hinaus aber auch, dass es in den Folgejahren zu Wiedereinstellungen vormals Entlassener kommen konnte138 bzw. dass die endgültige Übernahme in den Reichsforstdienst – insbesondere, wenn an der „politischen Zuverlässigkeit“ gezweifelt wurde – wie etwa der Fall von Leopold Fux, Hauptbuchhalter Österreichische Bundesforste, belegt – Jahre dauern konnte. Er wurde trotz ununterbrochener Beschäftigung erst 1940 ins Reichsbesoldungsrecht und 1942 ins Reichsbeamtenverhältnis übernommen. Vermutlich auf einen Mangel an (zumindest qualifizierten) Arbeitskräften ist hingegen zurückzuführen, dass Ende 1939 bereits pensionierte Forstleute wieder eingestellt wurden139 – eine Entwicklung, die v. a. mit zunehmendem Kriegsverlauf zugenommen haben dürfte und auch in Hinblick auf die personellen „Säuberungen“ zu beachten ist. Ein umfangreicher Austausch des Personals nach dem März 1938 war wohl aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht möglich, aufgrund des hohen Zuspruchs österreichischer Forstleute zur NSDAP aber auch nicht nötig.140
nen) auch im Untersuchungssample 1939 (insgesamt 612 Personen) aufscheinen. D. h. rund 85 % der im Untersuchungssample 1937 dokumentierten Forstleute scheinen auch 1939 auf. Zieht man in die Berechnung auch jene einfachen Kanzlei-, Schreib- und Hilfskräfte ein, die nicht in das Untersuchungssample 1939 aufgenommen wurden, da dies das Untersuchungssample 1939 auf eine nicht mehr zu bewältigende Größe hätte anwachsen lassen, die aber auf den dem Untersuchungssample 1939 zugrunde liegenden Listen (v. a. den „Übernahmelisten“) und im Untersuchungssample 1937 aufscheinen, erhöht sich dieser Anteil auf 88 % (284 von 324 Personen). 137 Ausgehend davon, dass das Untersuchungssample 1939 nur eine Momentaufnahme bietet, die in ihr bekannten späteren Entlassungen bzw. Pensionierungen quantitativ nicht ins Gewicht fallen und weitere Enthebungen nicht ausgeschlossen werden können, wurde das Untersuchungssample 1939 in seiner ursprünglichen Form beibehalten, auch wenn sich darunter in Einzelfällen Personen befinden, von denen bekannt ist, dass sie später entlassen bzw. pensioniert wurden. 138 Vgl. hierzu: Archiv der ÖBF, Personalakt von Alfons Mauser. 139 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Kt. 12, Sig. 14, GZ 10–571-Ref.I/1939. 140 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Weigl eine „Landflucht“ (ins „Altreich“) nach dem „Anschluss“ festmacht, weswegen auch gezielte Ausbildungsmaßnahmen dazu beitragen sollten, genügend qualifizierte Arbeitskräfte zu haben. Weigl, Braune Wälder, S. 100. Anzumerken ist zudem, dass in einem Akt von August 1938 davon die Rede ist, dass Beamte und Angestellte aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sind, weil die Bezahlung im privaten Forstdienst besser war. ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 266, GZ 8446/38. Vgl. zu diesem Punkt auch: Niederacher, Personalpolitik im Dorotheum, S. 27.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
57
1.4.3. Anteil von NSDAP-Mitgliedern unter den Forstbediensteten Wesentlich im Hinblick auf die große personelle Kontinuität in den Jahren von 1937 bis 1939 erscheint somit auch der im Rahmen der Studie eruierte hohe Anteil von NSDAPParteigängern im Forstdienst. Bevor auf die Ergebnisse der Untersuchung näher eingegangen wird, ist es jedoch erforderlich, eingangs einige grundsätzliche Ausführungen zum Mitgliederwesen der NSDAP in Österreich zu machen.
1.4.3.1. NSDAP-Mitgliederwesen und NSDAP-Mitgliedschaft in Österreich Parteimitglieder und Parteianwärter Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 war die NSDAP zunächst bestrebt, einen Überblick über ihren Mitglieder- und Sympathisantenstand zu gewinnen, diesen zu ordnen und zu konsolidieren. Erfasst und als Mitglieder der NSDAP bestätigt werden sollten – laut einer Anweisung von Gauleiter Bürckel vom 28. April 1938 – nach dem März 1938 anfangs nur jene Personen, die bereits vor dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 Mitglieder der Partei („Alte Kämpfer“) waren bzw. die sich seither in der Illegalität für die Partei betätigt hatten. Neuaufnahmen in die NSDAP sollten während dieses Prüfverfahrens keine vorgenommen werden, weshalb im Juni 1938 eine Aufnahmesperre erfolgte. Diejenigen, die bereits eine Mitgliedsnummer erhalten hatten und deren Überprüfung zu einem „positiven Ergebnis“ führte, sollten mit der einstigen Mitgliedsnummer und dem einstigen Aufnahmedatum in den Mitgliederkarteien der NSDAP geführt werden; jene, die sich in der Illegalität „als Nationalsozialisten betätigt haben und durch ihre nationalsozialistische Betätigung mit die Voraussetzung zu der Entwicklung des 11. März geschaffen haben“ sollten mit einer Mitgliedsnummer von 6.100.000 bis 6.600.000 und dem fiktiven Aufnahmedatum 1. Mai 1938 in die NSDAP aufgenommen werden. Eine Mitgliedsnummer im Bereich von 6.100.000 bis 6.600.000 und das Aufnahmedatum 1. Mai 1938 deuten somit auf eine illegale Betätigung für die NSDAP hin.141 Personen, die mit 1. Mai 1938 in die NSDAP aufgenommen wurden und eine Mitgliedsnummer im Bereich von 6.100.000 bis 6.600.000 aufweisen, wurden deshalb auch im Rahmen der Studie, 141 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Hugo Meinhart, Parteimitglied und Parteianwärter. Eine quellenmäßige Darstellung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nach dem Stand vom 1. Mai 1947, Wien 1947, S. 15ff.
58
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
insbesondere der quantitativen Auswertung, als „Illegale“ gewertet.142 Wie Gerhard Jagschitz in einem Beitrag über die NSDAP in Österreich ausführt, führte die „ungeheure Bürokratisierung der Mitgliederbestätigung, die Ausgabe von immer wieder geänderten Formularen, provisorischen Mitgliedskarten, Zwischenbescheiden und detaillierten Anordnungen […] zu einem heillosen Wirrwarr“, der oftmals sogar die zuständigen Parteileute überforderte.143 Aufgehoben wurde die Mitgliedersperre erst durch eine Anordnung vom 31. Juli 1939.144 Während der Zeit der Aufnahmesperre hatte es aber – ähnlich wie im „Altreich“, wo 1937 eine Mitgliedersperre eingeführt worden war – die Möglichkeit gegeben, Parteianwärter zu werden. Das System des Parteianwärters bedeute insofern eine gewisse Lockerung der Mitgliedersperre, als es einem gewissen qualifizierten Personenkreis ermöglichte, sich früher als andere um eine Aufnahme in die NSDAP zu bewerben. Die Parteianwartschaft sollte – wie Gauleiter Bürckel in einer Verordnung vom 3. November 1938 festlegte – insbesondere folgenden Personen offenstehen: jenen, die einen Antrag auf Begründung der Mitgliedschaft (Erfassungsantrag) gestellt hatten und deren Aufnahmeverfahren noch in Schwebe stand, jenen, die sich während des „Abstimmungskampfes“ bewährt hatten und jenen, die bereits Mitglieder der Gliederungen der Partei waren.145 Einen Rechtsanspruch auf eine Aufnahme in die Partei hatten die Parteianwärter nicht, d. h. auch ihre Ansuchen konnten abgelehnt werden. Sie gehörten somit auch nicht zu den Mitgliedern der Partei, wurden aber als „Angehörige der Bewegung“ be142 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Diese Kriterien wurden auch bei der Entnazifizierung nach 1945 herangezogen, um „Illegalität“ zu definieren. Laut einem Erlass des Staatssekretärs des Inneren, Honner, vom 3.7.1945 war als „Illegaler“ anzusehen, der „a) als Aufnahmetag in die NSDAP den 1.5.1938 oder ein früheres Datum angibt oder b) eine grüne Mitgliederkarte bekommen zu haben zugibt oder c) eine Mitgliedsnummer bis einschließlich 6,600.000 erhalten hat.“ In der Literatur und Judikatur wurde jedoch darauf verwiesen, dass diese Vorgangsweise in einem „Widerspruch zur Wirklichkeit“ stünde, da manche Gauleiter nach dem „Anschluss“ bestrebt waren, „Mustergaue“ mit möglichst vielen „Illegalen“ vorweisen zu können bzw. nur das Aufnahmedatum und eine entsprechende Aufnahmenummer zu wenig aussagekräftig seien. Im Mai 1946 wurde der Erlass Honners dahingehend abgeschwächt, dass bei diesem Eintrittsdatum nur mehr der „Verdacht der Illegalität“ gegeben sei. Meinhart, Parteimitglied und Parteianwärter, S. 18ff. sowie Walter Schuster, Die Entnazifizierung des Magistrates Linz, in: Fritz Mayrhofer / Walter Schuster (Hg.), Entnazifizierung und Wiederaufbau in Linz. Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1995, Linz 1996, S. 126. 143 Gerhard Jagschitz, Von der „Bewegung“ zum Apparat. Zur Phänomenologie der NSDAP 1938 bis 1945, in: Emmerich Tálos / Ernst Hanisch / Wolfgang Neugebauer / Reinhard Sieder (Hg.), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch, Wien 2001, S. 107. 144 Anton Lingg, Die Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, München 1939, S. 163. 145 Meinhart, Parteimitglied und Parteianwärter, S. 26.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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trachtet, die – wie auch die Parteimitglieder – der Melde- und Beitragspflicht unterlagen. Die AntragstellerInnen erhielten eine Bestätigungskarte und hatten das Recht, das Parteiabzeichen zu tragen. Mit der Aufhebung der Mitgliedersperre wurde auch das System der Parteianwartschaft abgeschafft. Wer sich nun um eine Aufnahme in die NSDAP bemühte, erhielt keine Bestätigungskarte mehr und war nicht mehr zum Tragen des Parteiabzeichens berechtigt.146 Sowohl im Verbotsgesetz 1945 als auch im Nationalsozialistengesetz 1947 wurde bestimmt, dass sich die Parteianwärter wie auch die Parteimitglieder als ehemalige Nationalsozialisten registrieren lassen mussten, wobei das Verbotsgesetz 1945 noch zwischen Personen, die der NSDAP und ihren Wehrverbänden angehört haben und Parteianwärtern unterschied und das Nationalsozialistengesetz 1947 Parteimitglieder und Parteianwärter als „Angehörige der NSDAP“ zusammenfasste.147 Ab 2. Februar 1944 wurde für die Dauer des Krieges erneut eine Mitgliedersperre verhängt.148
Aufnahmeverfahren in die NSDAP / NSDAP-Mitglieder in Österreich Wie Anton Lingg in einer Übersicht über die „Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ aus dem Jahr 1939 festhält, sollte bei der „Aufnahme von Volksgenossen in die nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei [...] oberster Leitsatz aller mit der Aufnahme befassten Dienststellen der Partei sein, dass der Führer in der Partei eine verschworene Gemeinschaft politischen Kämpfertums gestaltet wissen will“. In die NSDAP sollten nur die „besten Nationalsozialisten als Mitglieder aufgenommen werden“, wobei die „Wirtschaftslage und Berufsstellung des einzelnen [...] bei der Entscheidung über das Aufnahmegesuch keine Rolle spielen“ sollten.149 Nach Lingg sollten somit auch nicht mehr als 10 % der Bevölkerung in die NSDAP aufgenommen werden.150 Gauleiter Bürckel ließ in der bereits zitierten Verordnung vom 28. April 1939, mit der in Österreich das System der Parteianwärterschaft eingeführt wurde, verlautbaren, dass „die Höchstzahl der Parteianwärter mit den Mitgliedern zusammen [...] in den ein-
146 Ebenda, S. 21ff. 147 Vgl.: Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz), StGBl. Nr. 13/1945 und Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947 über die Behandlung der Nationalsozialis ten (Nationalsozialistengesetz), BGBl. Nr. 25/1947. 148 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Meinhart, Parteimitglied und Parteianwärter, S. 23; Sonja Niederacher, Die Entwicklung der Entnazifizierungsgesetzgebung, in: Maria Mesner (Hg.), Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ, Wien / München 2005, S. 21. 149 Lingg, Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, S. 156f. 150 Ebenda, S. 163.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
zelnen Gauen 20 % der Gesamtbevölkerung nicht übersteigen [darf ]“.151 Aufgenommen in die NSDAP wurden – so Lingg – in der Regel nur Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten, besondere Bestimmungen galten für die Aufnahme von Angehörigen der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel (und später auch für Angehörige der Wehrmacht). Nach dem März 1938 wurde in Österreich das Aufnahmealter kurzzeitig auf 18 Jahre herabgesetzt, später war auch hier die Vollendung des 21. Lebensjahres erforderlich für die Aufnahme in die Partei.152 Diesen Vorgaben entsprechend ging der Aufnahme in die NSDAP ein kompliziertes, mehrstufiges Prüfverfahren voraus, in dem die Ansuchenden v. a. in Hinblick auf ihre politische Zuverlässigkeit genau durchleuchtet wurden. Für die Aufnahme in die NSDAP, die mit der Aushändigung der Mitgliedskarte bzw. des Mitgliedsbuches endete und die formalrechtlich die Aufnahme in die Partei begründete, waren in erster Linie die Ortsgruppen zuständig. Hier hatte die Anmeldung zur Aufnahme in die Partei zu erfolgen. Dann gingen die befürworteten oder abgelehnten Aufnahmeanträge an den Kreisleiter weiter, wobei sich ein Kreisgericht mit den abgelehnten Anträgen beschäftigen musste, bevor diese an die Gauleitung weitergegeben wurden. Diese prüfte die Anträge neuerlich – nötigenfalls, wenn der Gauleiter zu einem anderen Prüfergebnis als der Kreisleiter kam, wurde auch ein Gaugericht eingeschaltet –, bevor das Gesuch vom Gauschatzmeister an den Reichsschatzmeister weitergeben wurde, der – so Lingg – „im Einvernehmen mit dem Obersten Parteigericht“ die letzte Entscheidung über die Aufnahme in die NSDAP traf.153 Insgesamt gab es 1942/1943 in den Donau- und Alpengauen (ab 1942 die offizielle Bezeichnung für die Ostmark) beinahe 700.000 NSDAP-Mitglieder (einschließlich der ruhenden Mitgliedschaften für Angehörige der Wehrmacht und der Hilfsdienste). Der Anteil der NSDAP-Mitglieder an der österreichischen Bevölkerung wurde wiederholt mit ca. zehn bzw. elf Prozent angegeben.154 151 Meinhart, Parteimitglied und Parteianwärter, S. 26; Jagschitz, Von der Bewegung zum Apparat, S. 108. 152 ����������������������������������������������������������������������������������������������������� Lingg, Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, S. 157, und Meinhart, Parteimitglied und Parteianwärter, S. 11. 153 Lingg, Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, S. 161. 154 Der Anteil an NSDAP-Mitgliedern (einschließlich Wehrmacht und Hilfsdienst) betrug im Februar 1942 688.478 und im März 1943 693.007 Mitglieder. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass das Gebiet der Donau- und Alpengaue nicht mit jenem der Republik Österreich ident war. Hinsichtlich des genannten Prozentsatzes wäre es interessant zu untersuchen, welcher Bevölkerungsstand diesem zugrunde liegt. Vgl. zu diesem Themenbereich: Jagschitz, Von der „Bewegung“ zum Apparat, S. 119, Radomir Luza, Österreich und die großdeutsche Idee in der NS-Zeit, Wien / Köln / Graz 1977, S. 85 und 258 (FN 57) sowie Gerhard Botz, Die österreichischen NSDAP-Mitglieder. Probleme einer quantitativen Analyse aufgrund der NSDAP-Zentralkartei im Berlin Document Center, in: Reinhard Mann,
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
61
1.4.3.2 NSDAP-Mitglieder unter den österreichischen Forstleuten Weitaus höher war der Anteil jedenfalls unter den untersuchten Forstleuten. Basis für die folgenden Ausführungen, v. a. für die quantitative Analyse, sind folgende Quellen: • Mitgliederkarteien der NSDAP (Ortsgruppen- oder Gaukartei, „große Kartei“ mit rund 6,6 Millionen Karteikarten und Zentralkartei, „kleine Kartei“ mit rund 4,3 Millionen Karteikarten aus dem Bestand des ehemaligen BDC (Berlin Document Center). Die beiden Karteien, die heute im Bundesarchiv in Berlin verwahrt werden (eine Kopie der Ortsgruppenkartei befindet sich auf Mikrofilm auch in der Fachbibliothek am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien) bilden die umfangreichste Sammlung biographischer Informationen zur NSDAP-Parteimitgliedschaft und sind weitgehend erhalten geblieben. Allgemein wird angenommen, dass der Bestand, zu dem die beiden Karteien gehören, zu rund 80 Prozent erhalten geblieben ist. Die Ortsgruppenkartei in Wien wurde für alle Personen durchgesehen; in der Zentralkartei wurden alle jene Personen überprüft, für die bis zum Stichtag 4. Mai 2007 Geburtsdaten, die wesentlich für die Identifizierung im Bestand sind, vorhanden waren und hinsichtlich derer nicht bereits aufgrund der Durchsicht der Ortsgruppenkartei eine Mitgliedschaft in der NSDAP bekannt war.155 • Personalunterlagen aus den Beständen Österreichische Bundesforste, Reichsforstverwaltung, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft sowie Liquidator im Österreichischen Staatsarchiv (Archiv der Republik), wobei im Rahmen der Studie Die Nationalsozialisten. Analysen faschistischer Bewegungen, Stuttgart 1980, S. 118f, FN 51 sowie des Weiteren Gerhard Botz / Albert Müller, „1945“: „Stunde Null“, historischer Bruch oder Kontinuität mit der NS-Zeit und der Ersten Republik, in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (Hg.), Jahrbuch, Wien 1995, S. 9, Gerhard Botz, „Ausmerzung“. Von der Ächtung zur Vernichtung, in: Journal für Sozialforschung 1 (1988), S. 5, Winfried Garscha, Entnazifizierung, Volksgerichte und Wiedereingliederung der Nationalsozialisten, online auf: www.schule.at/dl/Garscha_ZeitzeugInnen2003.rtf (19.6.2007), Walter Manoschek, Verschmähte Erbschaft, in: Reinhard Sieder / Heinz Steinert / Emmerich Tálos, Österreich 1945–1995. Gesellschaft – Politik – Kultur, Wien 1995, S. 95 und S. 105 sowie Peter Malina, Nach dem Krieg, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands / Bundesministerium für Unterricht und Kunst (Hg.), Österreicher und der Zweite Weltkrieg, Wien 1989, S. 159. 155 Neben den angeführten Zahlen wird die Größe beider Karteien zusammen mitunter auch mit rund 10.700.000 Karteikarten angegeben; auch die Vollständigkeit der Karteien wird unterschiedlich – mit 80–90 % – bezeichnet. Vgl. zu den beiden Mitgliederkarteien: The Holdings of the Berlin Document Center. A Guide to the Collections, Berlin 1994; Friedlander, Henry / Milton, Sybil (Ed.), Archives of the Holocaust. Vol. II, The Berlin Document Center, New York / London 1992, Einleitung in: Maria Mesner, Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel SPÖ, Wien 2005, S. 6f sowie http://www.bundesarchiv.de/aufgaben_organisation/abteilungen/ reich/01509/index.html (1.9.2007)
62
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
insbesondere im Zuge der Personalüberleitungen 1938ff bzw. 1945ff und des Entnazifizierungsprozesses – wichtige Informationen über eine Involvierung der Forstbediensteten in den Nationalsozialismus (Parteimitgliedschaft, Mitgliedschaft in SA oder SS, Parteifunktionen) gewonnen werden konnten.156 In Einzelfällen, d. h. für die biographischen Einzelstudien am Ende des Kapitels, wurden zudem noch weitere Akten wie „Gauakten“ aus dem Archiv der Republik (im Österreichischen Staatsarchiv) und noch erhaltene Personalakten aus dem Archiv der Österreichischen Bundesforste eingesehen.157 Informationen über eine Involvierung in den Nationalsozialismus konnten auf Basis der genannten Quellen (v. a. in den Mitgliederkarteien der NSDAP als einer nicht auf den Forstbereich oder den öffentlichen Dienst beschränkten Quelle) v. a. dann gewonnen werden, wenn ein Geburtsdatum zu den erfassten Personen vorhanden war. Hilfreich bei der Identifizierung konnte hier in Verbindung mit der Angabe des Wohnorts aber auch die Information über eine Tätigkeit im Forstbereich sein.158 In einzelnen Fällen – gehäuft im Untersuchungssample 1939, für das am wenigsten Geburtsdaten bzw. insgesamt die schlechteste Datenbasis zur Verfügung stand – war eine klare Zuordnung trotzdem nicht immer möglich, während auf Basis der aus dem Forstbereich stammenden Materialien nicht immer die genaue Involvierung in den Nationalsozialismus deutlich wurde.159 Eine Auswertung der bekannten Unterlagen, aufgrund derer eine Identifizierung und Benennung der Involvierung in den Nationalsozialismus möglich war160, hat folgendes Ergebnis gebracht: 156 Durchgesehen wurden folgende Unterlagen: ÖStA/AdR, ÖBF, 1945–1949; Sig. 14, ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., ÖBF-Personal Allg. 1946–60, Kt. 20; ÖStA/AdR; BMLF, Sekt. Präs., ÖBF-Personal Allg, 1948, Kt. 21; ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., ÖBF-Personal Allg. 1949, Kt. 22; ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21; ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 26; ÖStA/AdR, BKA Liquidator 1945– 1946, Landwirtschaft, Ktn. 28; ÖStA/AdR, BKA Liquidator 1947, Landwirtschaft, Kt. 29; ÖStA/AdR, BKA Liquidator 1948, Landwirtschaft, Kt. 30; ÖSTA/AdR, BMLF, Sekt. Präs. 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen, Ktn. 18. 157 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Hinsichtlich des im Rahmen der Studie untersuchten Zeitraums liegen nur mehr vereinzelte Personalakten vor. 158 Bei der Durchsicht der NSDAP-Ortsgruppenkartei wurden Personen auch dann als NSDAP-Mitglieder erfasst, wenn von ihnen kein Geburtsdatum bekannt war, Berufs- und Ortsangaben aber übereinstimmten. Waren nicht zumindest diese beiden Variablen vorhanden, wurden die erfassten Personen nicht als NSDAP-Mitglieder bzw. als „unklar“ vermerkt. Die NSDAP-Zentralkartei wurde zeitbedingt – wie bereits genannt – nur für solche Personen durchgesehen, von denen ein Geburtsdatum bekannt war. 159 Weitere Recherchen im Österreichischen Staatsarchiv (in den dort vorhandenen „Gauakten“) oder in den Beständen des ehemaligen Berlin Document Centers im Deutschen Bundesarchiv in Berlin (insbesondere in den Beständen SA, SS oder Parteikorrespondenz) könnten diese Zahlen möglicherweise noch erhöhen. 160 Dies betrifft den überwiegenden Großteil der bekannten Materialien.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
63
NSDAP-Mitgliedschaft (inkl. Anwärter und Antragsteller) / Mitgliedschaft in einem Wehrverband / Parteifunktionen im Untersuchungssample 1937 (Bundesforste) NSDAP-Mitglieder (inkl. Anwärter und Antragsteller), „Alte Kämpfer“ und „Illegale“ Untersuchungssample NSDAP-Mitglie 1937 (Bundesforste) der, (inkl. Anwär ter, Antragsteller)
„Alte Kämpfer“ und „Illegale“ un ter den NSDAP„Parteigängern“
„Illegale“ im gesamten Untersuchungssample 1937
324 (Gesamt)
152 (66 %)
152 (47 %)
232 (72 %)
Im Untersuchungssample 1937 finden sich 232 Personen, die zu den „Parteigängern“ der NSDAP gehörten. Hierbei handelt es sich in den überwiegenden Fällen um Parteimitglieder der NSDAP, in geringerem Ausmaß (zehn der 232 Personen) liegen nur Informationen über eine „Parteianwartschaft“ bzw. ein Aufnahmegesuch vor, wobei bekannt ist, dass das Ansuchen in einem Fall zurückgezogen und in fünf Fällen abgelehnt wurde. Insgesamt gehörten somit rund 72 % der erfassten Forstleute zu den „Parteigängern“ der NSDAP. Hoch ist auch der Anteil an „Illegalen“ (darunter auch solchen, die mit dem fiktiven Aufnahmedatum 1.5.1938 in die NSDAP aufgenommen wurden) bzw. „Alten Kämpfern“ unter den eruierten „Parteigängern“ der NSDAP (152 von 232 Personen bzw. 66 %) bzw. im gesamten Untersuchungssample 1937 (152 von 324 Personen bzw. 47 %).161
161 Im Untersuchungssample 1937 sind zu 308 der hier erfassten 324 Personen Geburtsdaten bekannt. Legt man nur diese Personengruppe der Berechnung zugrunde, ergeben sich folgende Werte: 230 NSDAPMitglieder (inkl. Anwärter und Antragsteller, 75 %), davon 151 „Alte Kämpfer“ oder „Illegale“ (66 % bezogen nur auf die „Parteigänger“ der NSDAP bzw. 49 % bezogen auf die gesamten 308 Personen).
64
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Mitgliedschaften in einem Wehrverband / Parteifunktionen162 Untersuchungssample SA-Mitglieder 1937 (Bundesforste)
SS-Mitglieder
324
12 (4 %) (darunter 2 57 (17 %) fördernde Mitglieder der SS)
46 (14 %)
Parteifunktionen Blockhelfer, Blockleiter, Zellenleiter (kommissarischer) Ortsgruppenleiter, Presseleiter, Kassier etc.
Vergleichsweise hoch fallen auch die festgestellten Mitgliedschaften in der SA und der SS aus. So wurden im Untersuchungssample 1937 46 SA-Mitglieder und zwölf Mitglieder der SS (darunter zwei fördernde Mitglieder) gezählt. Eine Parteifunktion (Blockleiter, Blockhelfer, Blockwarte, Zellenleiter, Ortsgruppenleiter, Presseleiter etc.) übten im Untersuchungssample 1937 57 Personen aus.
162 Darüber hinaus sind noch Funktionen in der DAF (Deutsche Arbeitsfront – ein der NSDAP angeschlossener Verband, der an die Stelle von Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbänden trat) und im NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt – ein ebenfalls der NSDAP angeschlossener Verband, „zuständig für alle Fragen der nationalsozialistischen Volkswohlfahrtspflege“) bekannt. DAF und NSV waren die größten nationalsozialistischen Massenorganisationen. Vgl. hierzu etwa: Cornelia SchmitzBerning, Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin / New York 2000.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
65
NSDAP-Mitgliedschaft (inkl. Anwärter und Antragsteller) / Mitgliedschaft in einem Wehrverband / Parteifunktionen im Untersuchungssample 1939 (Reichsforstverwaltung) 163 NSDAP-Mitglieder (inkl. Anwärter und Antragsteller), „Alte Kämpfer“ und „Illegale“ Untersuchungssample NSDAP-Mitglie 1939 (Reichsforstver der, (inkl. Anwär waltung) ter, Antragsteller) 612 (Gesamt)
382 (62 %) vermutlich jedoch zwischen 70–75 %
„Alte Kämpfer“ und „Illegale“ unter den NSDAP-Parteigän gern 256 (67 %)
„Alte Kämpfer“ und „Illegale“ im gesamten Untersuchungssample 1939 256 (42 %)
Im Untersuchungssample 1939 finden sich 382 Personen, die zu den „Parteigängern“ der NSDAP zählten. Hierbei handelt es sich in den überwiegenden Fällen um Parteimitglieder der NSDAP, in geringerem Ausmaß (elf Personen) ist nur eine „Parteianwartschaft“164 bzw. ein Aufnahmeansuchen bekannt, das in einem Fall zurückgezogen und in vier Fällen abgelehnt worden ist. Eine Involvierung in die NSDAP konnte somit für rund 62 % der erfassten Forstleute nachgewiesen werden. Deutlich anzumerken ist dabei jedoch nochmals, dass dem Untersuchungssample 1939 eine schlechtere Informationsbasis zugrunde liegt als den Untersuchungssamples 1937 und 1955 (weniger Geburtsdaten, die zu einer Identifizierung notwendig sind) und dass auch hier – wie beim Untersuchungssample 1937 – von einem NSDAP-Mitgliederanteil im Bereich von 70–75 % auszugehen ist.165 Der Anteil an „alten Kämpfern“ bzw. „Illegalen“ (darunter auch solchen, die mit dem fiktiven Aufnahmedatum 1.5.1938 in die NSDAP aufgenommen wurden) im Un163 Hier ist nochmals speziell darauf zu verweisen, dass sich dieses Untersuchungssample nicht nur aus ehemaligen Beschäftigten der Österreichischen Bundesforste zusammensetzt, sondern entsprechend den beschriebenen organisatorischen Veränderungen im Bereich der Reichsforstverwaltung nach dem März 1938 auch Personen umfasst, die früher nicht bei den Österreichischen Bundesforsten beschäftigt waren. 164 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Anzumerken ist für alle der folgenden Auswertungen, dass der Begriff des „Parteianwärters“ im Entnazifizierungsverfahren nicht immer im korrekten Sinn verwendet wurde. 165 Im Untersuchungssample 1939 sind zu 494 der hier erfassten 612 Personen Geburtsdaten bekannt. Legt man nur diese Personengruppe der Berechnung zugrunde, ergeben sich folgende Werte: 363 NSDAPMitglieder (inkl. Anwärter und Antragsteller, 73%), davon 247 „Alte Kämpfer“ oder „Illegale“ (68 % bezogen nur auf die „Parteigänger“ bzw. 50 % bezogen auf die gesamten 494 Personen). Hinzuweisen ist hinsichtlich der Untersuchungsgruppe 1939 noch einmal darauf, dass bei der Durchsicht der NSDAPZentralkartei im Deutschen Bundesarchiv in Berlin nur jene Personen berücksichtigt werden konnten, von denen ein Geburtsdatum vorhanden war.
66
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
tersuchungssample 1939 liegt – je nach Berechnungsgrundlage – bei 67 % (256 von 382 Personen, bezogen auf die eruierten „Parteigänger“) bzw. bei rund 42 % (256 von 612 Personen, bezogen auf das gesamte Untersuchungssample). Mitgliedschaften in einem Wehrverband / Parteifunktionen166 Untersuchungssample SA-Mitglieder 1939 (Reichsforstverwaltung)
SS-Mitglieder
612
23 (4%) (darunter 2 fördernde Mitglieder der SS)
74 (12%)
Parteifunktionen2 Blockhelfer, Blockleiter, Zellenleiter (kommissarischer) Ortsgruppenleiter, Presseleiter, Kassier, etc. 78 (13%)
Der Anteil an SA- und SS-Mitgliedern bzw. an Personen, die eine Parteifunktion hatten, sieht im Untersuchungssample 1939 folgendermaßen aus: Eine Mitgliedschaft in der SS konnte bei 23 Personen festgestellt werden (darunter zwei fördernde Mitglieder der SS); eine Mitgliedschaft in der SA wurde bei 74 Personen eruiert. Eine Parteifunktion (vor oder nach dem „Anschluss“, zum Teil provisorisch) hatten 78 Personen: Darunter finden sich Blockleiter, Blockhelfer, Blockwarte, Zellenleiter, Ortsgruppenleiter, Kassenleiter, Pressebeauftragte und Schulungsleiter, Personalamtsleiter u. Ä.
Kolportierter Anteil von NSDAP-Mitgliedern unter den deutschen und österreichischen Forstleuten / „94 % Nationalsozialisten unter den österreichischen Forstleuten“ Wesentlich erscheint es hinsichtlich des hohen eruierten Anteils an NSDAP-Mitgliedern unter den untersuchten Forstleuten darauf hinzuweisen, dass bereits bis dato in der Literatur von einer außergewöhnlich starken Involvierung der österreichischen und auch der deutschen Forstbediensteten in der NSDAP die Rede war. So soll der Anteil an NSDAP-Angehörigen nach der „Deutschen Försterchronik“ von Borkenhagen aus dem Jahr 1977 „1938 im Reich 85 % und in Preußen 92 %“ ausgemacht
166 Darüber hinaus sind noch Funktionen in der DAF (Deutsche Arbeitsfront) und im NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) bekannt.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
67
haben.167 Heinrich Rubner nennt in seiner „Deutschen Forstgeschichte 1933–1945“ mit Bezug auf eine Untersuchung von Erich Koennecke aus dem Jahr 1944, die u. a. auf Personalakten aus dem Reichsforstamt und Unterlagen der mittelgroßen Landesforstverwaltungen basiert, einen Anteil von 88 % NSDAP-Mitgliedern im höheren Staatsdienst, einen Anteil von 93 % Parteimitgliedern im gehobenen und mittleren Staatsdienst sowie von 91 % Parteimitgliedern im mittleren Dienst und 78 % im Privatforstdienst.168 Hinsichtlich Österreichs wurde in der bereits zitierten Publikation über die Hochschule für Bodenkultur im Austrofaschismus und Nationalsozialismus festgehalten, dass 1931 70 % aller Studenten an der BOKU in der NSDAP oder ihren Teilorganisationen verankert waren, womit die Universität für Bodenkultur in Wien einen Organisationsgrad aufwies, der nur mehr von der Montanistischen Hochschule Leoben (86 %) übertroffen wurde. Am stärksten organisiert waren die NS-Studenten in der SA (29 %), dem NSDStB (29 %) und der SS (11 %). Bastionen der NS-Studenten waren die Studienrichtungen Kulturtechnik (85 %), gefolgt von der Forstwirtschaft (80 %) und Landwirtschaft (60 %).169 Der Anteil der in der Forstwirtschaft tätigen NSDAP-Mitglieder wurde mit Bezug auf einen Beitrag von Hermann Flatscher in der „Österreichischen Forstzeitung“ aus dem Jahr 1952 hingegen wiederholt mit „mindestens 94 %“ angegeben.170 Wörtlich schreibt Flatscher im Jahr 1952 in seinem Beitrag über den „Niedergang der forstlichen Fakultät an der Hochschule für Bodenkultur in Wien“: „Man sagte nach dem Zusammenbruch des ‚Dritten Reiches‘, es wären in der Forstwirtschaft keine politisch tragbaren Fachleute vorhanden, sondern nur Nazi, daher musste den wenigen Hinterbliebenen an der Hochschule die ganze Erbschaft 167 �������������������������������������������������������������������������������������������������������� Zitiert nach: Fischer-Ankern, Peter, Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft im Österreich der Jahre 1938–1945, in: Österreichische Forstzeitung, Nr. 5, 1988, S. 23. 168 Hinsichtlich der Untersuchung vermerkt Rubner Folgendes: Basis hierfür ist eine Aufstellung, die Erich Koennecke als „Kenner der Materie“ im Jahr 1944, also nach dem Putsch des 20. Juli, unternommen hatte. „Er bediente sich dabei nicht nur der ihm zugänglichen Personalakten des Reichsforstamtes, sondern ließ sich auch Unterlagen der mittelgroßen Landesforstverwaltungen geben, so für Bayern vom Leiter der dortigen Fachschaft Forstbeamte, Ministerialrechnungsrat Brend’amour. Es fehlen in der Statistik nur die kleinen Länder des Altreiches, außerdem bildet natürlich die Tatsache, dass sehr viele Forstbeamte an der Front standen oder dort teilweise vermisst oder gefallen waren, eine Fehlerquelle.“ Vgl.: Rubner, Deutsche Forstgeschichte, S. 112. 169 Balas / Auer, Verdrängte Geschichte, S. 11. 170 Vgl. hierzu etwa: Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 100; Weigl, Braune Wälder, S. 99; FischerAnkern, Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft, S. 22; Herbert Killian, Der Schicksalsweg der österreichischen Forstwirtschaft 1918 bis 1945, in: Österreichischer Forstverein (Hg.), Österreichs Wald. Vom Urwald bis zur Waldwirtschaft, 2., völlig überarb. u. erw. Aufl., Wien 1994, S. 493.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
an Vorlesungen aufgebürdet werden. Es war richtig, dass in der Forstwirtschaft mindestens 94 %, diese Zahl wurde einmal erhoben, Nationalsozialisten waren.“171 Nähere Angaben zur zitierten Erhebung – insbesondere dem genauen Gegenstand der Untersuchung – macht Flatscher in seinem Beitrag nicht. Auch aus einem internen Schreiben aus dem Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft an Staatssekretär Josef Kraus vom 12. Oktober 1945, in dem ein Prozentsatz von 95 genannt wird, geht diese nicht deutlich hervor. Im Schreiben, in dem ein Mitarbeiter des Staatssekretariats auf die schwierige Personalsituation angesichts des hohen Anteils an NSDAP-Parteigängern aufmerksam macht, heißt es: „… nach der Eingabe der Hochschule für Bodenkultur an das Staatsamt für Landund Forstwirtschaft, in welcher die Errichtung einer mit dem gebührenden Wirkungskreis ausgestatteten forstlichen Sektion im Staatsamt gefordert wird, ist angegeben, daß ca. 95 % der österreichischen Forstleute N.S.-Parteimitglieder bzw. Anhänger waren …“ Gleichzeitig wird nahegelegt, diesen Umstand bei der Entnazifizierung des Forstpersonals zu berücksichtigen, da – angesichts des genannten hohen Mitgliederanteils bei einer rigiden Entnazifizierung – die „Forstverwaltung wie die Forstaufsicht, die Pflege des Waldes wie die zum Wiederaufbau so notwendige ausreichende Holzaufbringung unmöglich wird und in unserem Wirtschaftszweige bald ein völliges Debakel eintreten müsste.“ 172 Der genannte Nationalsozialistenanteil von „ca. 95 %“ ist somit auch vor diesem Hintergrund zu sehen – auch wenn die quantitative Erhebung im Rahmen der Studie einen sehr hohen Anteil an Nationalsozialisten unter den 1937 und 1939 im Forstdienst Beschäftigten bestätigt hat.
171 Hermann Flatscher, Der Niedergang der forstlichen Fakultät an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, in: Österreichische Forstzeitung, Wien 1952, S. 203. Im Rahmen der Entnazifizierung an der Universität für Bodenkultur Wien wurden 23 von 27 Professoren, 17 Privatdozenten und 20 Honorardozenten ihres Amtes enthoben. Vgl.: Balas / Auer, Verdrängte Geschichte, S. 42. 172 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Bd. 2, GZ 2048-Pr./46.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
69
1.4.3.2.1. Exkurs: „Argumentationen“ für den hohen Anteil von NSDAP-Mitgliedern unter den österreichischen Forstleuten im österreichischen Nachkriegsdiskurs Der hohe Grad an NSDAP-Mitgliedern unter den österreichischen Forstleuten wirft zweifelsohne die Frage nach den Ursachen für eine solch starke Involvierung der österreichischen Forstleute in die NSDAP auf. Die wichtigsten „Erklärungsversuche“ und Argumentationslinien aus dem Nachkriegsdiskurs – in der Entnazifizierung und in der vorhandenen Sekundärliteratur – sollen hier zur Kontextualisierung der beschriebenen Forschungsergebnisse ebenso genannt werden wie Quellen aus den Jahren vor 1945.
NSDAP-Mitgliedschaft und öffentliche Verwaltung / Beamte Beachtenswert erscheint in diesem Zusammenhang besonders der im Zuge der Entnazifizierung immer wieder auftauchende Verweis auf eine Anordnung von Gauleiter Bürckel vom 30. April 1938 (richtig 28. April 1938) sowie eine entsprechende Information Anton Reinthallers vom 25. Mai 1938, wonach sich die österreichischen Forstleute um eine Aufnahme in die NSDAP bewerben sollen. Wörtlich heißt es in der Information Reinthallers, dass „unter Bezugnahme auf die Anordnung des Herrn Gauleiters Bürckel vom 30. April d. J. wegen formaler Erfassung der Mitglieder der NSDAP in Österreich […] bekannt gegeben [wird], dass nach dem Wunsche des Herrn Ministers Ing. Reinthaller alle zum Ressortbereich des Landwirtschaftsministeriums gehörigen Beamten, Angestellten und Arbeiter, für welche die Voraussetzungen der eingangs bezogenen Anordnung zutreffen, sich um die Aufnahme in die Partei bewerben mögen.“173 Erfasst werden sollten nach den „Allgemeinen Anweisungen für den Parteiaufbau:“ „1. Diejenigen, die bisher Mitglieder der NSDAP waren. 2. Jene, die bis zum 11. März 1938 sich als Nationalsozialisten betätigt haben und durch ihre nationalsozialistische Betätigung mit die Voraussetzung zu der Entwicklung des 11. März geschaffen haben.“174 Genau genommen, bezog sich die Verordnung Bürckels somit nur auf die „Alten Kämpfer“ und „Illegalen“. Im Nachkriegsdiskurs wurde sie aber – wie etwa auch seitens des Landwirtschaftministers festgehalten wurde175 – für eine generelle Rechtfertigung für einen Beitritt zur NSDAP verwendet. 173 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Bd.1, GZ 344-Pr./46 sowie ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 262, GZ 4506/1938. 174 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948 Kt. 18, Bd.1, GZ 344-Pr./46. 175 Ebenda
70
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Anzusprechen ist in diesem Zusammenhang auch die im Entnazifizierungsdiskurs immer wieder auftretende Aussage, dass man der NSDAP beitreten musste, da man sich in einem öffentlichen Dienstverhältnis befunden habe – eine Aussage, die etwa auch von der bei den österreichischen Bundesforsten eingerichteten Sonderkommission für die Entnazifizierung der bei ihr beschäftigten Arbeiter und Angestellten scheinbar problemlos akzeptiert wurde. Entgegenzuhalten ist dem einerseits, dass weder das Deutsche Beamtengesetz176 noch die Berufsbeamtenverordnung von einer „Pflichtmitgliedschaft“ in der NSDAP sprechen. Und auch Lingg hält in seiner Übersicht über die „Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ fest, dass die „Wirtschaftslage und die Berufsstellung des einzelnen bei der Entscheidung über das Aufnahmegesuch keine Rolle spielen“ sollten.177 Vielmehr ist hier, d. h. bei Lingg, von einem exklusiven Zugang zur NSDAP die Rede. Aufnahmegesuche konnten – wie etwa der Fall des ehemaligen Generaldirektors Ferdinand Preindl dokumentiert – auch abgelehnt werden.178 Andererseits haben Studien belegt, dass der Anteil an NSDAP-Mitgliedern unter den österreichischen Beamten deutlich höher war als unter der Gesamtbevölkerung und dass von Seiten des nationalsozialistischen Staates versucht wurde, die im öffentlichen Dienst Beschäftigten durch gezielte Aufrufe, durch einen gewissen Druck und auch durch „Bonifikationen“ für sich zu gewinnen.179 Dies bedeutete, dass nach 1938 Nationalsozialisten bei Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst bevorzugt wurden und bereits bei den Stellenbesetzungen – so auch im Bereich der Reichsforstverwaltung – nach dem Verhältnis zur NSDAP gefragt wurde. Dass insbesondere von den jungen bzw. neu im Forstdienst Tätigen eine positive Einstellung gegenüber dem NS-Staat gefordert wurde, geht auch aus einer vertraulichen Mitteilung von Generalforstmeister Alpers in Vertretung des Reichsforstmeisters aus dem Jänner 1939 hervor. Hier heißt es, dass „in einzelnen Fällen immer noch festgestellt [wird], dass Beamtenanwärter und jüngere Beamte sich weder in der NSDAP noch in einer ihrer Gliederungen aktiv betätigen“, von diesen aber verlangt wird, dass die „politische Einsatzbereitschaft durch aktive Mitarbeit in der Bewegung“ bewiesen wird. Die Beamtenanwärter und jüngeren Beamten seien – wie auch in einer Verordnung
176 Vgl. Deutsches Beamtengesetz (DBG) vom 26. Januar 1937, DRGBl I, Nr. 9, 1937, S. 39. 177 Lingg, Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, S. 156f. 178 Vgl. hierzu die biographische Studie zu Ferdinand Preindl. 179 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Angaben über die Involvierung der österreichischen Beamten in den Nationalsozialismus aus der Entnazifizierung finden sich in: Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, Wien / München / Zürich 1981; Walter Schuster / Wolfgang Weber, Entnazifizierung im regionalen Vergleich: der Versuch einer Bilanz, Linz 2004; Schuster, Die Entnazifizierung des Magistrates Linz, S. 87–206. Gerhard Botz hat in einer sozialen Auffächerung der nationalsozialistischen Parteimitglieder eine viermal höhere Parteibindung der öffentlich Bediensteten errechnet. Vgl.: Kos, Zur Entnazifizierung der Bürokratie, S. 53.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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Generalforstmeister und Staats sekretär im Reichsforstamt. Staatssekretär Friedrich Alpers und Kurzzeitlandwirtschaftsminster Anton Reinthaller paktieren die Übernahme der Bundesforstverwaltung 1938.
vom 28. Februar 1939 festgehalten wurde180 – daher „nachdrücklichst darauf hinzuweisen, dass sie nicht in das Beamtenverhältnis berufen, angestellt oder befördert werden können, wenn ihre politische Einsatzbereitschaft nicht bewiesen ist.“181 Generell wurde eine Passivität oder gar Gegensätzlichkeit des Beamten zum Staat – so das „ABC des Deutschen Beamtengesetzes“ – „mit der nationalsozialistischen Idee des Staates und seiner Träger“ als „unvereinbar“ erklärt.182 Aber auch „Sonderleistungen“ des NS-Staats für seine treuen Beamten sollten zu einer Nazifizierung des öffentlichen Dienstes beitragen. „Verdiente Nationalsozialisten“ erhielten nach dem „Anschluss“ eine besondere Förderung, „Alte Kämpfer“ und „Illegale“ wur-
180 In der Verordnung über die Vorbildung und die Laufbahn der deutschen Beamten vom 28.2.1939, RGBL. I S. 371, heißt es in § 2: Die Bewerber müssen der Partei oder einer ihrer Gliederungen angehören oder angehört haben. 181 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Weigl, Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 100 sowie ÖStA/AdR, RFV, Regierungsforstamt Wien-Niederdonau, Kt. 113, GZ L 230/1/1939. 182 Vgl.: Schuster, Entnazifizierung des Magistrates Linz, S. 92.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Dienstkleidung und Dienstgradabzeichen für den Staatsforstdienst 1942
den befördert, Zeiten in der SS oder SA wurden auf die Besoldung angerechnet.183 Neben Zwangsmaßnahmen, Entlassungen und Pensionierungen sollten somit auch Protektionen, Beförderungen und sonstige Bevorzugungen dazu beitragen, den Einfluss der NSDAP im öffentlichen Dienst zu stärken. Für Dieter Stiefel hatten die Maßnahmen etwa auch einen größeren Einfluss auf die Nazifizierung der Beamtenschaft als die politischen „Säuberungen“.184 Nicht nur in Hinblick auf Neueinstellungen nach dem März 1938, sondern auch auf den späteren Karriereverlauf ist somit nicht nur vom viel zitieren Anpassungszwang, sondern auch von einem individuell gewählten Anpassungsdrang auszugehen, wobei beides – wie Heinrich Rubner für Deutschland feststellt – auch vor der „relativ kleinen und überschaubaren“ Organisation der Forstverwaltung zu sehen ist.185 Insbesondere durch 183 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. zur Anrechnung von Dienstzeiten in der SA und SS auf die Besoldung auch: Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 126. 184 Ebenda, S. 126. 185 Rubner, Deutsche Forstgeschichte 1933–1945, S. 113.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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das Tragen des Parteiabzeichens im Dienst, wofür konkrete Regelungen bestanden, war für jedermann gleich sichtbar, wer den Weg zur NSDAP bereits gefunden hatte und wer nicht. Kontrolle und sozialer Druck waren so gut möglich. Dass die im Bereich der Forstwirtschaft tätigen Forstleute sich jedoch oft über die viel zitierte „Pflichtmitgliedschaft“ in der NSDAP für den Nationalsozialismus engagierten, dokumentieren die im Rahmen der Studie festgestellten (zusätzlichen) Mitgliedschaften in der SA und der SS, und – das v. a. in den höheren Positionen – die von Forstleuten bekleideten Parteifunktionen. Dass diese auch den Österreichischen Bundesforsten bekannt waren, geht aus einer Unterlage der bei der Generaldirektion eingerichteten Entnazifizierungssonderkommission hervor. In dieser heißt es, dass „der Sonderkomm. [...] bekannt [ist], dass gerade die Forstbeamten der Reichsforstverwalt[un]g mit Vorliebe für Parteiämter herangezogen wurden“.186 Insgesamt konnte eine Mitgliedschaft in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen bzw. eine Tätigkeit im NS-Staat für das berufliche Fortkommen nur positiv sein, wenn es in der NSDAP auch kritische Stimmen zu den „Masseneintritten“ der Beamten in die Partei gab und unter den Parteieliten – und das mit zunehmendem Kriegsverlauf – nicht immer Einigkeit darüber bestand, inwiefern eine Mitgliedschaft von führenden Beamten in der NSDAP gefordert werden soll bzw. diese auch für die NSDAP nützlich sei.187
Forstwirtschaft im Nationalsozialismus Dass die im Forstbereich Tätigen davon profitieren konnten, wenn sie sich dem NS-System nicht gegenüberstellten, hält auch Peter Fischer-Ankern in einem Beitrag über die „Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft im Österreich der Jahre 1938–1945“ fest. Er schreibt, vor dem Hintergrund der Holzkrise der Zwischenkriegszeit und der nun kriegswirtschaftlichen Bedeutung des Waldes, dass der Rohstoff Holz nun wieder an Bedeutung gewann und sich dies auch für die im Forstbereich Tätigen positiv auswirken konnte: „Holz hatte wieder einen hohen Stellenwert in der Wirtschaft und einen guten Preis. Und alle, die sich dem neuen Regime nicht gegenüberstellten, sondern kooperierten, konnten satte Gewinne machen. Holz war ein kriegswichtiger Roh186 ÖSt/AdR, BKA, Liquidator 1945–1946, Landwirtschaft (1–4), Kt. 28, 2/46, SK 16/1946 (Erkenntnis zu Oberförster August Noderer). 187 Stiefel, Entnazifizierung, S. 126f.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
stoff, Grubenholz für die Bergwerke, Schnitt- und Bauholz für die Baracken und Bunker, Faserholz für die Zellstoff- und Sprengstoffherstellung, Generatorholz für die Holzvergaser und Brennholz für alle Bereiche des Lebens war gefragt.“188 Generell stellt Fischer-Anker eine gewisse „Aufwertung“ der Forstwirtschaft (er spricht auch von einem „Prestigegewinn“)189 in den Jahren nach 1938 fest, was auch im bereits zitierten Bericht aus dem Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft vom Oktober 1945 im Hinblick auf eine „Pardonierung“ der einfachen Parteimitglieder angesprochen wird. Hier heißt es im Hinblick auf die Situation des Forstbereichs während des Nationalsozialismus, dass der hohe Anteil an Nationalsozialisten in der Forstwirtschaft vielmehr auf forstwirtschaftliche Erwägungen und weniger auf politische Erwägungen zurückzuführen ist: „Unwahrscheinlich hohe Geldzuwendungen z.B. für forstliche Ertragsuntersuchungen u. dgl. erweckten in der Nazizeit den Eindruck besonderer Fürsorge der braunen Verwaltung für den österreichischen Wald und haben einerseits im Verein mit der tatsächlich sehr schönen Stellung, welche Forstleute und Forstwirtschaft unter den günstigen Verhältnissen des ehemaligen ,Altreiches‘ genossen, andererseits im Verein mit der ohne Notwendigkeit herbeigeführten besonders ungünstigen, zeitweise verzweifelten Lage unseres buchführenden und daher klar sehenden Waldbesitzes dazu geführt, dass ein Teil des österreichischen Forstpersonals dem Nationalsozialismus verfiel.“ 190 Der von Fischer-Ankern gegebene Hinweis darauf, dass die Bedeutungssteigerung des Waldes auch in Hinblick auf die kriegswirtschaftliche Wichtigkeit der Forstwirtschaft zu sehen ist, fehlt hier allerdings ebenso wie die Anmerkung, dass die Forstwirtschaft im Laufe der nationalsozialistischen Kriegspolitik mehr oder weniger vollständig unter188 Fischer-Ankern, Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft, S. 23f. 189 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Interessant in diesem Zusammenhang erscheint auch die Frage nach der Bedeutung des deutschen Waldes in der nationalsozialistischen Blut- und Bodenideologie, die eine Verklärung bäuerlicher Lebensformen gegenüber der großstädtischen Kultur vorsah. Im Reichsnaturschutzgesetz 1935 wird von einer hohen „volkspolitischen“ Bedeutung des Waldes gesprochen. In der Praxis wurde die Forstwirtschaft der nationalsozialistischen (Kriegs-)politik aber mehr oder weniger rücksichtslos untergeordnet. Vgl. hierzu Weigl, Die Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945, S. 328ff sowie: Rita Gudermann, Die Geschichte des Naturschutzes in Deutschland. So kam der Naturschutz in Bewegung, online auf: http:// www.nrw-stiftung.de/kaleidoskop/bericht.php?bid=3 (3.7.2007). 190 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Band 2, GZ 2048-Pr./1946.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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geordnet werden sollte und „Belange des Waldbaues und der Nachhaltigkeit hinter die kriegsbedingten Notwendigkeiten des Holzeinschlages zurückzutreten“ hatten.191
„Alte Kämpfer“ und „Illegale“ im Bereich der Österreichischen Bundesforste Relevant im Hinblick auf die Forschungsergebnisse erscheint v. a. aber, dass viele der österreichischen Forstleute bereits vor dem März 1938 zu den Parteigängern der NSDAP zählten und nach dem „Anschluss“ „in einzelnen Forstzeitungen“ – so Weigl – „nicht ohne Stolz“ darauf hingewiesen wurde, dass sich österreichische Forstleute schon vor dem März 1938 frühzeitig und in großer Zahl um das „damals gegenüber der Oeffentlichkeit noch zwangsweise verhüllte Hakenkreuzbanner geschart“ hätten.192 So heißt es auch in der Ausgabe der „Staatsförster-Zeitung“ vom April 1938, in der Generaldirektor Preindl und dem früheren Personalreferenten Franz Brichta ausdrücklich dafür gedankt wurde, dass sie „in vielen Fällen Nachsicht“ gegen illegale Nationalsozialisten gezeigt und diesen eine politische Maßregelung erspart hätten, dass die „würdelose[n] Jahre der Gewissenskonflikte, der Demütigung und des Seelenleids“ vorbei sind und der „Anschluss“ einen „Freudentaumel“ ausgelöst habe, der „das ganze deutsche Volk erfasste“.193 Verantwortlich gemacht für den hohen Zulauf der österreichischen Forstleute zur NSDAP vor dem März 1938 wurde im Nachkriegsdiskurs wiederholt die triste Situation der Forstwirtschaft in der Zwischenkriegszeit. So wird die Holzkrise der Zwischenkriegszeit auch von Fischer-Ankern – gemeinsam mit einem Blick ins benachbarte Deutschland, „wo jedermann sehen konnte, dass die Forstwirtschaft [...] zu den angesehensten Wirtschaftszweigen zählte“ – als Begründung für den hohen Anteil an „Alten Kämpfern“ und „Illegalen“ unter den österreichischen Forstleuten genannt. Nach ihm führten die „schlechte Konjunktur der zwanziger Jahre, Inflation, Holzimporte aus Nordamerika und aus der Sowjetunion [...] in den Jahren 1927–1931 zu einem Holzpreisverfall (bis zu 60 %), der sich auch auf die Gehälter der Forstbediensteten niederschlug.“194 Mehrfach beschrieben hat die Situation der österreichischen Forstwirtschaft in Österreich in der Zwischenkriegszeit der Forsthistoriker Norbert Weigl.195 Er führt aus, dass es zu Beginn der Dreißigerjahre auf dem europäischen Holzmarkt zu einem Missverhältnis 191 Weigl, Braune Wälder, S. 97. 192 Weigl, Die österreichische Forstwirtschaft im 20. Jahrhundert, S. 634. 193 Deutschösterreichische Staatsförster-Zeitung, April 1938. 194 Fischer-Ankern, Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft, S. 24. 195 Norbert Weigl, Österreichische Forstwirtschaft in der Zwischenkriegszeit 1918–1938, Univ.-Diss., Wien 1996 sowie Weigl, Die österreichische Forstwirtschaft im 20. Jahrhundert, S. 593–740.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Ferdinand Preindl, Generaldirektor der österreichischen Bundesforste 1929–1938 und 1945–1958, stehend, rechts, gemeinsam mit dem ungarischen „Reichsverweser“ Admiral a. D. Nikolaus Horthy auf der Jagd in Hinterriss in Tirol 1936.
zwischen Angebot und Nachfrage kam, das sich in Folge der Abhängigkeit der österreichischen Holzwirtschaft negativ auf den heimischen Holzmarkt auswirkte. Bedingt war es v. a. in einem Überangebot an russischem Holz, wobei die Sowjets die europäischen Holzproduzenten bewusst unterboten. In Folge stagnierte die Holzausfuhr in Österreich, besonders jene nach Deutschland und Frankreich,196 wobei Ferdinand Preindl, ehemaliger Generaldirektor der Österreichischen Bundesforste, in einem Beitrag aus dem Jahr 1948 nicht zu betonen vergisst, dass die Holzkrise in Österreich insofern auch ihre Gründe in Deutschland hatte, als Holzeinfuhrbewilligungen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten an ein gutes Verhältnis zur NSDAP gebunden waren. Hatten die Bundesforste 1929/30 noch 33.000 Waggons Rundholz nach Deutschland exportiert, wurden 1933 nur mehr 500 Waggons „und von da an, mit Ausnahme des kleinen Grenzverkehrs, überhaupt nichts mehr“ ausgeführt.197 Einsparungen im Personalbereich – auch 196 Weigl, Die österreichische Forstwirtschaft im 20. Jahrhundert, S. 606. 197 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Ferdinand Preindl, Die Österreichischen Staatsforste. Sonderdruck aus: Allgemeine Forst- und Holzwirtschaftliche Zeitung, Folge 11/12 (1948) S. 11.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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bei den Österreichischen Bundesforsten – waren die Folge. Durch die Zusammenarbeit innerhalb der Fachkreise, eines Förderungsprogramms der öffentlichen Hand, war es in den Jahren vor dem „Anschluss“ – so Weigl – aber doch möglich, die österreichische Forstwirtschaft „so weit in ihrer Überlebensfähigkeit zu unterstützten, dass sie dem Deutschen Reich bei seinen Expansionsbestrebungen reizvoll, nützlich und sogar notwendig erschien. Gerade die österreichische Forstwirtschaft sollte 1938 ‚nicht mit leeren Händen‘ in das Deutsche Reich einziehen.“ 198
1.4.4. Widerstand unter den österreichischen Forstleuten Korrespondierend zum hohen Anteil an NSDAP-Parteigängern unter den untersuchten österreichischen Forstleuten konnten in der Studie nur wenige Widerstandskämpfer oder Widerstandshandlungen dokumentiert werden. Personen wie der Forstmeister Viktor Czerny, der seinen Einsatz gegen das NS-Regime mit seinem Tod bezahlte und auf den hier im Rahmen einer kurzen biographischen Studie näher eingegangen wird, bildeten die Ausnahme. Insgesamt konnten nur für neun der insgesamt untersuchten 994 Personen (aus allen drei Untersuchungssamples) Hinweise auf eine Widerstandstätigkeit eruiert werden, wobei – neben Personalunterlagen aus den Beständen Österreichische Bundesforste und Reichsforstverwaltung,199 Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft sowie Liquidator im Österreichischen Staatsarchiv (Archiv der Republik)200 – eine zu diesem Thema erschienene Studie (Diplomarbeit)201 und die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands herausgegebenen Dokumentationen zum Widerstand in den österreichischen Bundesländern202 für die Klärung dieser Frage durchgesehen wurden.203 198 Weigl, Die österreichische Forstwirtschaft im 20. Jahrhundert, S. 615. 199 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Aus dem Bestand ÖStA/AdR wurde die Sig. 14 (Personalangelegenheiten) für folgende Jahre durchgesehen: 1938 und 1939, 1945–1949. 200 ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., ÖBF-Personal Allg. 1946–60, Kt. 20; ÖStA/AdR; BMLF, Sekt. Präs., ÖBF-Personal Allg, 1948, Kt. 21; ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., ÖBF-Personal Allg. 1949, Kt. 22; ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21; ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 26; ÖStA/AdR, BKA Liquidator 1945–1946, Landwirtschaft, Ktn. 28; ÖStA/AdR, BKA Liquidator 1947, Landwirtschaft, Kt. 29; ÖStA/AdR, BKA Liquidator 1948, Landwirtschaft, Kt. 30; ÖSTA/AdR, BMLF, Sekt. Präs. 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen, Ktn. 18. 201 Vgl. zum Widerstand in der Forstwirtschaft: Adelheid Lettner, Österreichische Forstleute im Widerstand gegen das NS-Regime 1938–1945, Univ. Dipl.-Arb., Wien 1996. 202 Dokumentationen liegen zu folgenden Bundesländern vor: Wien, Burgenland, Niederösterreich, Ober österreich, Salzburg, Tirol. 203 Weitere Recherchen – insbesondere im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands –
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Unter den genannten neun Personen befinden sich neben dem bereits genannten Forstmeister Viktor Czerny der Oberforstwart Karl Mayr – er war vor dem März 1938 im Landesforstdienst tätig –, der von den Nationalsozialisten im KZ Sachsenhausen umgebracht wurde, weil er seine Kinder nicht zur HJ schicken wollte,204 drei Forstleute, die (zumindest zeitweise) in Gestapo-Haft waren oder dies nach 1945 angaben, zwei Personen, die unter das Opferfürsorgegesetz gefallen sein sollen (siehe hierzu die Ausführungen unten) und zwei Personen, die im Zuge des Entnazifizierungs-/Beamten-Überleitungsprozesses nach 1945 aussagten, im Widerstand gewesen zu sein bzw. entsprechende Aussagen vorlegen konnten, die dies bestätigen sollten.205 Weitere Beispiele für Forstleute, die im Widerstand gegen das NS-Regime, die nicht Bestandteil der Untersuchungssamples waren, nennt Adelheid Lettner in einer Diplomarbeit zu diesem Thema.206 Ein geringer Anteil an Widerstandskämpfern oder Widerstandshandlungen im Bereich der Reichsforstverwaltung geht auch aus einer internen Umfrage der Österreichischen Bundesforste aus dem Jahr 1948 hervor, nach der laut einer Mitteilung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft bis spätestens 30. November 1948 dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Soziale Verwaltung, Abteilung Opferfürsorge, „die Zahl der Beschäftigten, die Inhaber einer Amtsbescheinigung oder eines Opferausweises sind“ bekannt gegeben werden sollten. Als „Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich“ definierte das Gesetz jene Personen, „die um ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich, insbesondere gegen Ideen und Ziele des Nationalsozialismus, mit der Waffe gekämpft oder sich rückhaltlos in Wort und Tat eingesetzt haben“. Als „Opfer der politischen Verfolgung“ bezeichnete es jene Personen, „die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen Gründen oder aus Gründen der Abstammung, Religion oder Nationalität durch Maßnahmen eines Gerichtes, einer Verwaltungs- (im Besonderen einer Staatspolizei-)Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaße zu Schaden gekommen sind“.207 Festgehalten wurden auf Basis dieser Umfrage in einer mit 21. Dezember 1948 datierten Unterlage unkönnten dieses Ergebnis, das nur eine erste Annährung an die Thematik Widerstand sein kann, noch verändern. 204 Vgl. zu Karl Mayr ausführlich: Lettner, Österreichische Forstleute im Widerstand gegen das NS-Regime 1938–1945, S. 59–62. 205 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Solche Bestätigungen aus dem Entnazifizierungsprozess sind jedoch allgemein mit Vorsicht zu betrachten. 206 Adelheid Lettner, Österreichische Forstleute im Widerstand gegen das NS-Regime 1938–1945, Univ. Dipl.-Arb., Wien 1996. 207 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Bundesgesetz vom 4. Juli 1947 über die Fürsorge für die Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und die Opfer politischer Verfolgung (Opferfürsorgegesetz), BGBl. Nr. 183/1948.
1.4. Personelle Veränderungen nach dem März 1938
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ter den bei den Österreichischen Bundesforsten Beschäftigten (Beamte, Angestellte und Arbeiter) vier Personen, die Inhaber einer Amtsbescheinigung bzw. eines Opferausweises waren, wobei „für’s Haus“ angemerkt wurde, dass noch neun Forstverwaltungen mit den Berichten ausständig sind, dies das „Resultat aber kaum ändern“ dürfte.208 Sieht man sich die Antwortschreiben der kontaktierten Forstverwaltungen durch, erhöht sich diese Zahl, auch wenn nach wie vor aus der überwiegenden Mehrzahl der Forstverwaltungen eine Fehlermeldung kam. Deutlich wird hier allerdings auch, dass die Umfrage (zumindest von einigen Forstverwaltungen) falsch verstanden wurde und hier Kriegsinvalide aufgelistet wurden.209 Dass es sich bei der zitierten Unterlage vom 21. Dezember 1948 um eine „bereinigte Zahl“ handelt, kann v. a. deswegen vermutet werden, weil sie ein späteres Datum als die Antwortschreiben aufweist. Generell ist hinsichtlich der zitierten Umfrage aus dem Jahr 1948 festzuhalten, dass diese nur jene Widerstandskämpfer erfassen konnte, die das NS-Regime überlebt haben und 1948 im Bereich der Österreichischen Bundesforste tätig waren. Lediglich am Rande soll auch hier angemerkt werden, dass bis dato – sowohl was Deutschland als auch was Österreich betrifft – auch in der Literatur von einem geringen Anteil an Widerstandskämpfern in der Forstwirtschaft gesprochen wurde. So vermerkt auch Rubner in seiner „Deutschen Forstgeschichte 1933–1945“, dass es „kaum reichsdeutsche Forstleute gegeben hat, die in den Widerstand gegangen“ sind.210 Peter FischerAnkern hält in seinem Artikel über die „Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft im Österreich der Jahre 1938–1945 als Ausnahme das Beispiel des Forstmeisters Ing. Rudolf Harrer, ehemaliger Betriebsführer der (allerdings nicht zu den Österreichischen Bundesforsten gehörenden) Forstverwaltung Dobersberg in Niederösterreich, fest. Er hat zahlreichen deportierten ungarischen Juden das Leben gerettet, indem er sie mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgte und ihre Deportation in ein Lager als Bürgermeister von Dobersberg verhindern konnte.211 Zahlen oder auch nur Größenangaben über den (gesamten österreichischen) Widerstand anzugeben, ist – wie Wolfgang Neugebauer in einer aktuellen Studie über den österreichischen Widerstand 1938–1945 ausführt – äußerst problematisch. Dies hängt nicht nur mit der Fragestellung zusammen, was als Widerstand zu bezeichnen ist – das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands lehnt etwa eine Reduzierung 208 ÖStA/AdR, ÖBF, 1948, Sig. 14, Kt. 45, GZ 15.617/48-II/1. 209 ÖStA/AdR, ÖBF, 1948, Sig. 14, Kt. 45, GZ. A.V. 14244/1948-II/1 sowie 15.617/48. 210 Rubner, Deutsche Forstgeschichte 1933–1945, S. 113. 211 Fischer-Ankern, Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft, S. 25. Vgl. zum zitierten niederen Anteil an Widerstandskämpfern unter den österreichischen Forstleuten: Weigl, Die Forstwirtschaft in der Ostmark 1938–1945, S. 100.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
auf den engen Widerstandsbegriff des Opferfürsorgegesetzes ab –,212 sondern ist auch darauf zurückzuführen, dass weitere Forschungen in diesem Bereich erforderlich sind. Bis dato liegen somit nur ungefähre Größenangaben vor, wobei die Gesamtzahl aller aus politischen Gründen inhaftierten ÖsterreicherInnen (präventiv Inhaftierte und festgenommene WiderstandskämpferInnen) aufgrund von Gestapoberichten und Gerichtsurteilen – grob geschätzt – in der Größenordnung von etwa 100.000 angenommen wird.213
1.5. Entnazifizierung im Bereich der Österreichischen Bundesforste 1.5.1. Gesetzliche Rahmenbedingungen Wie eingangs ausgeführt, wurde mit dem Behördenüberleitungsgesetz vom 28. Juli 1945 der Wirtschaftskörper Österreichische Bundesforste wieder eingerichtet und in Folge bestimmt, dass zur Aufgaben- und Organisationsstruktur wie sie vor dem März 1938 bestanden hatte, zurückgekehrt werden soll. An der Spitze der Bundesforste stand damit wieder ein dreiköpfiges Direktorium, dem die Forstverwaltungen und in weiterer Folge die Försterbezirke untergeordnet sein sollten. Die Rückkehr zur Organisations- und Tätigkeitsstruktur, wie sie vor dem März 1938 bestanden hatte, und somit eine Umsetzung des Behördenüberleitungsgesetzes dauerte – wie ebenfalls bereits erwähnt wurde – in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich lange und war restlos erst 1951 abgeschlossen. Die Leitung der Österreichischen Bundesforste lag in den Jahren nach 1945 bei Ferdinand Preindl, Ernst Lesser und Jakob Stoiber. Anzumerken ist dabei, dass Preindl, nun Generaldirektor und kommerzieller Direktor, bereits vor dem „Anschluss“ diese Funktionen ausgeübt hatte. Lesser war nach dem „Anschluss“ als „jüdischer Mischling“ entlassen worden und wurde nun als technischer Direktor installiert. Jakob Stoiber, der im April 1938 aus der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer zwangsweise entlassen worden war, war seit August 1938 juridischer Sachbearbeiter bei der Deutschen 212 Wie Wolfgang Neugebauer in einer aktuellen Studie ausführt, orientiert sich das DÖW – in Anlehnung an den Historiker Karl R. Stadler – in seinen Arbeiten an einem weiten Widerstandsbegriff und lehnt eine Verkürzung auf den Opfer- und Widerstandsbegriff des Opferfürsorgegesetzes ab. Stadler definierte Widerstand folgendermaßen: „Angesichts des totalen Gehorsamkeitsanspruches der Machthaber und der auf seine Verletzung drohenden Sanktionen muss jegliche Opposition im Dritten Reich als Widerstandshandlung gewertet werden – auch wenn es sich nur um einen vereinzelten Versuch handelt, anständig zu bleiben.“ Wolfgang Neugebauer, Der österreichische Widerstand 1938–1945, Wien 2008, S. 16. 213 Ebenda, S. 236.
1.5. Entnazifizierung
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Ansiedlungsgesellschaft gewesen; in den Jahren nach 1945 war er juridischer Direktor der Österreichischen Bundesforste.214
Beamten-Überleitungsgesetz 1945 Hinsichtlich des Personalstands der Österreichischen Bundesforste ist das BeamtenÜberleitungsgesetz vom 22. August 1945 zentral. Hier wurde – auch im Hinblick darauf, dass die Republik Österreich eine Rechtsnachfolge gegenüber dem Deutschen Reich ablehnte215 – bestimmt, dass die Personalstände für die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Personen neu gebildet werden. Der Bildung der neuen Personalstände sollte das „zwingende Staatsinteresse“ vorangehen, „eine der Republik Österreich ergebene, nach Gesinnung und Haltung einwandfrei österreichische, demokratische Beamtenschaft zu schaffen“. Aufgenommen sollten insbesondere jene Personen werden, die im Sinne einer Rehabilitierung berücksichtigt werden konnten, d. h. Personen, die während des austrofaschistischen „Ständestaats“ (mit Ausnahme einer nationalsozialistischen Betätigung) und des Nationalsozialismus aus politischen oder „rassischen Gründen“ entlassen worden waren oder für ein unabhängiges, demokratisches Österreich gekämpft und standhaft ihre Treue zu Österreich bewiesen hatten. (Später erhielten die im Wege einer Rehabilitierung berücksichtigten Beamten auch die Möglichkeit, um eine Entschädigung anzusuchen216.) Erst dann sollten auch jene Personen aufgenommen werden, die bereits vor dem März 1938 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis standen. Personen, die erst nach dem 13. März 1938 in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis übernommen wurden, sollten nur in besonderen Fällen berücksichtigt werden. Betraut mit der Vollziehung des BeamtenÜberleitungsgesetzes im Bereich des Bundes wurde die Provisorische Staatsregierung bzw. hinsichtlich der Bediensteten der Länder, Verwaltungsbezirke und Gemeinden die
214 Anzumerken ist dabei, dass in der Festschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Österreichischen Bundesforste im Jahre 1975 von 1945 bis zum 31.7.1947 nochmals Alois Großmann als juridisch-administrativer Direktor aufscheint; erst dann wird Jakob Stoiber als juridisch-administrativer Direktor genannt. Stoiber selbst bezeichnete sich in den erhaltenen Dokumenten seit Juli 1945 als juridischer Direktor, seine definitive Bestellung zum juridischen Direktor erfolgte per Dienstvertrag mit Wirksamkeit vom 1. August 1947. Vgl.: ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21, Mappe Land und Forstw., o. GZ sowie 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 266. 215 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 130. 216 Vgl.: Bundesgesetz vom 18. Juli 1952 über die Gewährung von Entschädigungen wegen politischer Maßregelung im öffentlichen Dienst (Beamtenentschädigungsgesetz), BGBl. Nr. 180/1952.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Provisorischen Landesausschüsse.217 „Die Gesamtheit der bis zum Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes in Österreich jemals beschäftigten öffentlich Bediensteten bildete“ damit – so Dieter Stiefel – „zunächst nur eine ‚Personalreserve‘“; einen Anspruch darauf, im neuen Österreich wieder in den Dienst gestellt zu werden, hatte – am ehesten noch mit der Ausnahme jener, die im Zuge einer Rehabilitierung übernommen werden konnten oder sich um ein freies, demokratisches Österreich verdient gemacht hatten – niemand.218
Verbots- und Kriegsverbrechergesetz 1945 Konkrete Bestimmungen zur Entnazifizierung der Beamtenschaft waren bereits zuvor mit dem Verbotsgesetz ergangen. Mit dem Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945 wurden die NSDAP, ihre Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK), ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen und Einrichtungen aufgelöst und eine Neubildung ebenso verboten wie eine Betätigung für die NSDAP oder ihre Ziele. Ehemalige Mitglieder der NSDAP und ihrer Wehrverbände (auch wenn die Angehörigkeit nur eine zeitweise war) sowie Parteianwärter und Personen, die sich um die Aufnahme in die SS beworben hatten, mussten sich bei der Gemeinde registrieren lassen. Besonders strenge Bestimmungen galten für „Illegale“, d. h. Personen, die in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 13. März 1938 der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) angehört haben sowie für Förderer der illegalen NSDAP. Sie hatten sich des Verbrechens des Hochverrats schuldig gemacht und konnten mit schwerem Kerker in der Dauer von fünf bis zehn Jahren (bei „qualifizierter Illegalität“ mit zehn bis 20 Jahren schwerem Kerker) bestraft werden.219 Ebenso wie Förderer der illegalen NSDAP, ihrer Wehrorganisationen und anderer nationalsozialistischer Organisationen, Mitglieder der SS und Parteimitglieder bzw. -anwärter, die eine Funktion ausgeübt hatten, konnten die „Illegalen“ auch zu Zwangsarbeiten220 herangezogen wer217 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Gesetz vom 22. August 1945 zur Wiederherstellung österreichischen Beamtentums (Beamten-Überleitungsgesetz), StGBl Nr. 134/1945 sowie Schuster, Entnazifizierung des Magistrats Linz, S. 125. 218 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 130. 219 Vgl. hierzu, v. a. zur Verfolgung der Illegalität vor Gericht, die §§ 10, 11 und 12 des Verfassungsgesetzes vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz), StGBl. Nr. 13/1945. 220 Aufgrund des Arbeitspflichtgesetzes konnten später alle registrierten Nationalsozialisten, aber auch Personen darüber hinaus (Personen, die keinem geregelten Erwerb nachgingen und Männer bis zum vollendeten 30. Lebensjahr) zu notwendigen Arbeiten herangezogen werden. Vgl. hierzu: Bundesverfassungsgesetz vom 15. Februar 1946 über die Sicherstellung der für den Wiederaufbau erforderlichen Arbeitskräfte (Arbeitspflichtgesetz), BGBl. Nr. 63/1946.
1.5. Entnazifizierung
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den. Während des Nationalsozialismus erhaltene „Wiedergutmachungen“ waren „sofort zu erstatten“.221 Hinsichtlich der öffentlich Bediensteten führte das Verbotsgesetz 1945 den im österreichischen Dienstrecht bis dato unbekannten Widerruf für die Anstellungen einer in § 17 näher definierten Gruppe von Nationalsozialisten ein, die zwischen dem 13. März 1938 und dem 27. April 1945 erfolgt waren.222 Illegale Nationalsozialisten – wie sie in § 10 VG definiert wurden – waren nach § 14 in jedem Fall pensionslos zu entlassen, wobei hierzu auch jene Personen gerechnet wurden, die mit dem fiktiven Aufnahmedatum 1. Mai 1938 und einer Mitgliedsnummer zwischen 6.100.000 und 6.600.000 nach dem März 1938 in die NSDAP aufgenommen wurden. Wer wegen Betätigung für die nationalsozialistische Bewegung von der NSDAP als „Altparteigenosse“ oder „Alter Kämpfer“ anerkannt worden war, galt ebenfalls als „illegaler Nationalsozialist“.223 Alle anderen registrierungspflichtigen Bediensteten waren binnen sechs Monaten zu entlassen oder mit einer Kürzung der Ruhebezüge bis auf ein Drittel in den Ruhestand zu versetzen, „wenn sie nach ihrer bisherigen Betätigung keine Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich eintreten werden“. Gleiches galt für jene, die in der illegalen Zeit die NSDAP bzw. ihre Organisationen finanziell gefördert hatten. Ausnahmen von der Behandlung waren nach § 27 Verbotsgesetz im Einzelfall möglich, wenn der Betreffende seine Zugehörigkeit zur NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) niemals missbraucht hatte und aus seinem Verhalten noch vor der Befreiung Österreichs auf eine positive Entscheidung zur unabhängigen Republik Österreich mit Sicherheit geschlossen werden konnte. Entscheidungen hierüber sollte nach dem Verbotsgesetz 1945 die Provisorische Staatsregierung fällen.224 Das zweite zentrale Entnazifizierungsgesetz des Jahres 1945, das Kriegsverbrechergesetz vom 26. Juni 1945, richtete sich demgegenüber gezielt gegen all jene Taten, die „den natürlichen Anforderungen der Menschlichkeit widersprechen“ – unabhängig davon, ob sie zum Zeitpunkt der Begehung unter Strafe gestellt waren oder ob sie „auf Befehl“ ausgeführt wurden. Erfasst wurden vom Kriegsverbrechergesetz, das aufgrund der ungeheuerlichen Di-
221 Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz), StGBl. Nr. 13/1945. 222 Nach § 20 VG galt der Widerruf für folgende in § 17 VG definierte Personen: Für Illegale, Förderer der NSDAP, ihrer Wehrverbände oder Organisationen, Angehörige der SS, ferner, wenn sie als Funktionäre tätig gewesen sind, für Parteimitglieder, Mitglieder eines ihrer Wehrverbände (SA, NSKK, NSFK) und Parteianwärter. Vgl. hierzu auch: Schuster, Die Entnazifizierung des Magistrates Linz, S. 126 und Ludwig Viktor Heller / Edwin Loebenstein / Leopold Werner, Kommentar zum NS-Gesetz, Wien 1948, II/210. 223 Schuster, Entnazifizierung des Magistrates Linz, S. 126. 224 Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz), StGBl. Nr. 13/1945 sowie Schuster, Entnazifizierung des Magistrates Linz, S. 125f.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
mensionen des NS-Gewaltregimes auch rückwirkende Strafbestimmungen vorsah, Kriegshetzerei, Quälerei und Misshandlungen, Verletzungen der Menschenwürde und Menschlichkeit, missbräuchliche Bereicherung, Denunziation und Hochverrat am österreichischen Volk (darunter auch „Illegalität“). Zudem wurden eine Reihe von Personen – darunter die Mitglieder der Reichsregierung und alle Hoheitsträger der NSDAP vom Gauleiter bzw. Reichsleiter aufwärts, die Reichsstatthalter, Reichsverteidungskommissare oder Führer der SS einschließlich der Waffen-SS vom Standartenführer aufwärts – durch die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe als Kriegsverbrecher bestimmt. Als Strafmaß sah das Kriegsverbrechergesetz – neben dem Vermögensverfall – je nach Anklagepunkt von einem Jahr Kerker bis zur Todesstrafe vor. Mit der Aburteilung der im Verbots- und Kriegsverbrechergesetz für strafbar erklärten Handlungen wurden eigene Sondergerichte, die sogenannten Volksgerichte, betraut, die bis zum Jahr 1955 (bei den Landesgerichten in Wien, Linz, Graz, Innsbruck, zum Teil mit Außensenaten) bestanden. Gemeinsam mit dem Verbotsgesetz bildete das Kriegsverbrechergesetz somit die zentrale Basis für die strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechen,225 während die im Verbotsgesetz vorgesehenen Registrierungen die Grundlage für die „administrativ-bürokratische Entnazifizierung“ schufen. Basis dafür, dass die ehemaligen Nationalsozialisten bei der Nationalratswahl vom 25. November 1945 vom Wahlrecht ausgeschlossen wurden, war ein eigenes Wahlgesetz vom 19. Oktober 1945.226 Anzumerken ist im Zusammenhang der geschilderten gesetzlichen Grundlagen für die Entnazifizierung, dass diese vorerst nur in Ostösterreich Gültigkeit hatten bzw. zur Anwendung kamen. Grund hierfür ist einerseits, dass Österreich als Staat über die Alliiertengrenzen hinaus erst zusammenwachsen musste – auch die Provisorische Staatsregierung wurde erst nach den drei Länderkonferenzen des Herbstes 1945 von den westlichen Alliierten anerkannt – und von den Alliierten bzw. in den Ländern eigene Entnazifizierungsmaßnahmen gesetzt wurden. Ab Februar 1946 – nachdem auch von den westlichen Alliierten die österreichischen Entnazifizierungsgesetze anerkannt worden waren – bildeten die Bestimmungen des Verbots- und Kriegsverbrechergesetzes aber die Grundlage für die Entnazifizierung in ganz Österreich.227 225 Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz), StGBl. Nr. 32/1945. Vgl. hierzu auch: Winfried F. Garscha / Claudia Kuretsidis-Haider, Die strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen – eine Einführung, in: Thomas Albrich / Winfried F. Garscha / Martin F. Polaschek (Hg.), Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht. Der Fall Österreich, Innsbruck, Wien, Bozen 2006, S. 11–25. 226 Verfassungsgesetz vom 19. Oktober 1945 über die erste Wahl des Nationalrates, der Landtage und des Gemeinderates der Stadt Wien in der befreiten Republik Österreich (Wahlgesetz), StGBl. Nr. 198/1945. 227 ����������������������������������������������������������������������������������������������������� Schuster / Weber, Entnazifizierung im regionalen Vergleich, S. 30f. Dieter Stiefel unterscheidet fol-
1.5. Entnazifizierung
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Insgesamt waren laut Dieter Stiefel im September 1946 in Österreich rund 536.000 ehemalige Nationalsozialisten (Parteimitglieder, Anwärter und Mitglieder der Wehrorganisationen), darunter etwa 100.000 illegale NSDAP-Mitglieder (d. h. rund 18, 3% der Registrierten), verzeichnet.228 Die Differenz zur genannten Mitgliederzahl aus den Jahren 1942/1943 in der Höhe von beinahe 700.000 Personen erklärt sich u. a. durch den Umstand, dass sich ehemalige Nationalsozialisten in Kriegsgefangenschaft befinden konnten, während des Zweiten Weltkriegs umgekommen waren, Registrierungsbetrug begingen oder von den Alliierten interniert worden waren.229
Sonderkommissionen Zur Überprüfung der im Verbotsgesetz angesprochenen Frage, ob die öffentlich Bediensteten „nach ihrer bisherigen Betätigung Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik eintreten werden“, wurden auf Basis der 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz vom 22. August 1945 eigene Sonderkommissionen bei den Staatsämtern (später Bundesministerien) und einer Reihe weiterer Einrichtungen geschaffen. Sie, die sich sowohl mit dem Verhalten der aktiven als gende fünf Phasen der Entnazifizierung in Österreich: 1. Phase (April–Juni 1945): Militärische Sicherheitsphase, in der hauptsächlich Internierungen durch die Alliierten vorgenommen wurden, 2. Phase (Juni 1945–Februar 1946): Autonome Entnazifizierung durch die Alliierten. In dieser Phase versuchten fünf verschiedene Instanzen (Alliierte und österreichische Regierung) die Entnazifizierung durchzuführen, was zu Überschneidungen und Widersprüchen führte, 3. Phase (Februar 1946–Februar 1947): Österreichische Entnazifizierung auf Basis der Gesetze von 1945. Nachdem die österreichische Regierung im Februar 1946 die Entnazifizierungskompetenz für das ganze Land erhalten hatte, zogen sich die Alliierten auf eine Kontrollfunktion zurück, 4. Phase (Februar 1947–Mai 1948): Entnazifizierung auf der Grundlage des Gesetzes von 1947. In dieser Phase wird die Entnazifizierung durchgeführt und abgeschlossen, 5. Phase (1948–1957): Zeit der Amnestien. Vgl.: Dieter Stiefel, Der Prozess der Entnazifizierung in Österreich, in: Klaus-Dietmar Henke / Hans Woller (Hg.), Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg, München 1991, S. 109. 228 Hier findet sich auch eine Aufschlüsselung der Registrierten in Parteimitglieder, Parteianwärter und Mitglieder der Wehrorganisationen: 377.266 PG, 122.543 PA, 22.729 SS, 61.198 SA, 26.662 NSKK, 3.925 NSFK. Vgl.: Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 98f sowie Dieter Stiefel, Forschungen zur Entnazifizierung in Österreich: Leistungen, Defizite, Perspektiven, in: Walter Schuster / Wolfgang Weber (Hg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich, S. 45 und Dieter Stiefel, Nazifizierung plus Entnazifizierung = Null? Bemerkungen zur besonderen Problematik der Entnazifizierung in Österreich, in: Sebastian Meissl / Klaus-Dieter Mulley / Oliver Rathkolb, Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne. Entnazifizierung in Österreich 1945–1955, Wien 1986, S. 32. 229 Vgl. hierzu auch FN 154.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
auch der pensionierten öffentlich Bediensteten befassten, hatten entsprechende Gutachten abzugeben, die Entscheidung über eine Weiter- oder Wiederverwendung lag aber bei der entsprechenden Dienstbehörde. Eine positive Entscheidung der Sonderkommission machte die Aufnahme in die neu zu bildenden Personalstände möglich, wenn ein entsprechender Dienstposten zur Verfügung stand, ein Rechtsanspruch bestand nicht. Als Berufungsinstanz war eine Sonderoberkommission bei der Staatskanzlei vorgesehen.230 Hinsichtlich der Österreichischen Bundesforste ist entscheidend, dass zwei Sonderkommissionen, eine bei den Österreichischen Bundesforsten und eine im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, für die „Überprüfung“ des Personals zuständig waren. Laut einer Unterlage aus dem Herbst 1946 war für alle Bediensteten von der III. Dienstklasse aufwärts die beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft gebildete Sonderkommission zuständig, für die Bediensteten bis zur IV. Dienstklasse wurde eine eigene Sonderkommission bei der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste gebildet.231 Die Einrichtung der Kommission bei den Österreichischen Bundesforsten wurde mit einer Note des Bundeskanzleramtes vom 5. Oktober 1945 verfügt, ihr Einflussbereich war, bis das Verbotsgesetz in ganz Österreich in Kraft war, anfangs jedoch räumlich auf Wien beschränkt.232 Den Vorsitz der bei der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste gebildeten Sonderkommission, deren Tätigkeit in den Akten seit dem Frühjahr 1946 dokumentiert ist, hatten (nach den vorhandenen Unterlagen) Ob. Adm. Rat Dr. Franz Brichta und Dr. Jakob Stoiber inne. Brichta, der seit Juni 1945 Leiter der Personalabteilung bei den Österreichischen Bundesforsten war, hatte diese Funktion bereits vor dem März 1938 ausgeübt. Er gab im Jänner 1946 an, dass er nach dem März 1938 als Personalreferent abgesetzt worden war und – da er „vor dem Umbruch zu den Gegnern der n.s. Bewegung gehört habe“ – 1941 überhaupt eine Enthebung befürchten musste, während ihm und Ferdinand Preindl – wie bereits erwähnt – im April 1938 in der „Deutschösterreichischen Staatsförster-Zeitung“ dafür gedankt worden war, dass sie „in vielen Fällen Nachsicht“ gegen illegale Nationalsozialisten gezeigt und diesen eine politische Maßregelung erspart hätten.233 Jakob Stoiber war in den Jahren nach 1945 technischer Direktor der Österreichischen Bundesforste. Als Beisitzer 230 Verordnung der Staatskanzlei im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 22. August 1945 zur Durchführung des Verbotsgesetzes und der Verbotsgesetznovelle, SGBl. 131/1945 sowie Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 131f. 231 ÖStA/AdR, BKA, Liquidator 1945–1946 Landwirtschaft (1–4), Kt. 28, 2/46, GZ. 2909-Pr./46. 232 ÖStA/AdR, ÖBF, 1946, Sig. 14, Kt. 8, GZ 952/P/46. 233 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl.: ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21, Mappe Land und Forstwirtschaft, o. GZ sowie Kollegen!, in: Deutschösterreichische Staatsförster-Zeitung, Nr. 4, April 1938, S. 13.
1.5. Entnazifizierung
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fungierten Hofrat Ing. Adolf Hagmüller, Oberförster Ernst Dohr oder Heinrich Domes jun. 234 Kritik der Alliierten zog in Folge – wie Dieter Stiefel für die Entnazifizierung des öffentlichen Dienstes generell ausführt – immer wieder die Tätigkeit der Sonderkommissionen nach sich, deren Arbeit nur schleppend voranging. Ihre Arbeit sollte ursprünglich bis 30. Juni 1946, dann bis 17. April 1946 abgeschlossen sein. Vielfach waren im Februar 1946 in den westlichen Bundesländern die Sonderkommissionen aber noch nicht einmal eingerichtet worden, weshalb Anfang Februar 1946 ein neue „Entnazifizierungsstelle“ geschaffen wurde: das „Ministerkomitee zur Entnazifizierung der leitenden Stellen von Beamtenschaft und Wirtschaft“. Diese auch als „Figl-Komitee“ bezeichnete Einrichtung sollte dafür Sorge tragen, dass die Gesetze zur Entnazifizierung, zumindest auf höchster Ebene, prompt und unbedingt durchgeführt werden.235 Zuständig sollte es für die Denazifizierung der öffentlich Bediensteten der I. bis III. Rangklasse sein – darunter auch jene der Österreichischen Bundesforste wie etwa die Beispiele Julius Güde und Oskar Megele zeigen236 –, wobei es – so Dieter Stiefel – „de facto die politische Säuberung in den leitenden Funktionen durchführte“ und den Sonderkommissionen „nur noch die Entscheidung, ob die betreffende Person mit oder ohne Pension vom Dienst entlassen werden sollte“ überließ. Mit Ausnahme des „Figl-Komitees“ erfolgte die Entnazifizierung im öffentlichen Dienst bis 1946 im Wesentlichen über die „administrative Entnazifizierung“ und nur in geringen Bereichen über die Sonderkommissionen. Der Sommer 1946 brachte schließlich eine völlige Unterbrechung der Tätigkeit der Sonderkommissionen im öffentlichen Dienst, da man auf das neue Nationalsozialistengesetz wartete. Nach dessen Verabschiedung wurde die gesetzliche Frist für die Tätigkeit der Sonderkommissionen bis 30. Juni 1947 verlängert.237
Nationalsozialistengesetz 1947 und Amnestien Dem Nationalsozialistengesetz vom 6. Februar 1947 lag das Verbotsgesetz 1945 zugrunde, zahlreiche Passagen wurden aber verändert und ergänzt. Die wesentlichste Änderung 234 Entscheidungen der Sonderkommission finden sich in: ÖStA/AdR, BKA, Liquidator 1945–1946, Kt. 28 und 1947 Kt. 29. 235 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 133. 236 Beide wurden in der Sitzung des vom Ministerrat eingesetzten Komitees zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazi-Elementen vom 2.2.1946 bei gleichzeitiger Einstellung des Gehalts „sofort“ enthoben und später auch vom Liquidator entlassen. Vgl. ÖStA/AdR, BKA, Liquidator 1945–1946, Landwirtschaft (1–4), Kt. 28, 2/46, GZ 1169/46, GZ 5355/46, GZ 5362/46. 237 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 133f.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
gegenüber dem Verbotsgesetz in seiner ursprünglichen Form betraf die neue Unterscheidung zwischen „Belasteten“ und Minderbelasteten“ und ein Abgehen von der „Illegalität“ als zentralem Kriterium in der Entnazifizierung. Anstelle formaler Gesichtspunkte (wie etwa dem Eintrittsdatum in die NSDAP) wurde nun das Ausmaß der Aktivität für den Nationalsozialismus in den Vordergrund gerückt. Als „belastet“ galten in diesem Sinn alle Funktionäre vom Zellenleiter aufwärts, Angehörige der SS, der Gestapo, des SD (Sicherheitsdiensts), Untersturmführer oder höhere Ränge von SA, NSKK, NSFK, höhere Funktionäre sonstiger Gliederungen, Organisationen oder angeschlossene Verbände, Träger hoher nationalsozialistischer Orden sowie wegen § 10, 11 und 12 VG („Illegale“ oder illegale Förderer der NSDAP) oder nach dem Kriegsverbrechergesetz Verurteilte. Alle anderen Personen, im Nachkriegsdiskurs oft als „Mitläufer“ bezeichnet, wurden als „minderbelastet“ eingestuft. Beide Personengruppen – „Minderbelastete“ und „Belastete“ – unterlagen unterschiedlich strengen und unterschiedlich lange ausgerichteten Sühnefolgen, darunter auch solchen, die sich auf die berufliche Situation (wie Abstrichzahlungen von Gehalt bzw. Lohn, die Arbeitspflicht nur mehr für „Belastete“238) bezogen. Ausgenommen von der Registrierung wurden nun eine Reihe von Personen,239 gleichzeitig waren weiterhin nach § 27 Ausnahmen von der Behandlung nach dem Verbotsgesetz, die nun aber an den Bundespräsidenten zu richten waren, möglich. Waren nach dem Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945 die „Illegalen“ aus dem öffentlichen Dienst auszuschließen, traf dies nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 auf die „Belasteten“ zu. Sie waren laut Gesetz ohne einen Anspruch auf einen Ruhensgenuss aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu entlassen. „Minderbelastete“ konnten – abgesehen von Ausnahmen betreffend die Universitätslehre, den Sicherheits- und Justizdienst und höheren Stellen im Schul- und Erziehungswesen, wofür strengere Bestimmungen galten – „nur bei Bedarf und nach besonderer Prüfung ihres politischen Verhaltens vor dem 27. April 1945 verwendet werden“. Sie sollten jedoch Kürzungen ihrer Bezüge und Rückreihungen erfahren und zeitlich beschränkt (bis 30. April 1950) nicht in allen Dienstklassen, d. h. nur in den unteren Rängen (bis zur VI bzw. V. Dienstklasse) eingesetzt werden. Zudem waren auch Beförderungen nicht erlaubt. Ausnahmebestimmungen waren – wie angeführt – nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 in Einzelfällen durch eine Entscheidung des Bundespräsidenten möglich. Kommissionen für die Überprüfung 238 Darüber hinaus konnten weiterhin Personen, die keinem geregelten Erwerb nachgingen, und Personen bis zum vollendeten 30. Lebensjahr zur Arbeitspflicht herangezogen werden. Vgl. Heller/Loebenstein/ Werner, Kommentar zum NS-Gesetz, I/101f. 239 Darunter Parteianwärter, deren Ansuchen abgelehnt wurde, ehemalige Nationalsozialisten, die aus der NSDAP ausgeschlossen worden waren, oder die aus politischen Gründen in gerichtlicher oder polizeilicher Haft waren etc.
1.5. Entnazifizierung
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der öffentlich Bediensteten waren im Nationalsozialistengesetz 1947 nur mehr explizit für einen bestimmten Personenkreis der im öffentlichen Dienst Beschäftigten vorgesehen. Wie Dieter Stiefel in seiner Studie über die Entnazifizierung in Österreich ausführt, erfolgte die politische Überprüfung nun durch den Dienstgeber bzw. den Liquidator in seiner Funktion als Dienstbehörde.240 Mit seiner Unterscheidung in „Minderbelastete“ und „Belastete“ zielte das Nationalsozialistengesetz 1947 bereits deutlich auf eine rasche Wiedereingliederung der „einfachen Mitglieder“ in die österreichische Gesellschaft ab. Im öffentlichen und auch Parteiendiskurs ließ sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem die deutliche Forderung nach einer „Pardonierung“ der „einfachen Mitläufer“ feststellen, während die „großen Nazis“ bestraft werden sollten.241 Eine entsprechende Novellierung des Verbotsgesetzes scheiterte zunächst jedoch aber am Widerstand der Alliierten und konnte nach zähen Verhandlungen erst 1947 beschlossen werden. Insbesondere mit den zeitlich beschränkten Sühnefolgen für die „Minderbelasteten“ und eine Reihe von Amnestien, die dem Gesetz (bis zur finalen NS-Amnestie 1957) folgten, leitete es auch das Ende der Entnazifizierung ein. Mit der vorzeitigen Beendigung der Sühnefolgen im Juni 1948 auf Basis des Bundesverfassungsgesetzes vom 21. April 1948 und der Streichung aus den Registrierungslisten im August 1949 war die Entnazifizierung für die „Minderbelasteten“ abgeschlossen. Gleichfalls waren die „Minderbelasteten“ bei den Nationalratswahlen 1949 auch wieder wahlberechtigt, was bei den kandidierenden Parteien zu einem deutlichen Buhlen um die Stimmen der „Ehemaligen“ und zur Bildung des VdU [Verband der Unabhängigen, Vorgängerpartei der FPÖ] als Sammelbecken der „Ehemaligen“ führte. Für die „Belasteten“ endete die Entnazifizierung im März 1957 mit der finalen
240 Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947 über die Behandlung der Nationalsozialisten (Nationalsozialistengesetz), BGBl. Nr. 25/1947, Bundesverfassungsgesetz vom 21. Mai 1947 zur Durchführung der Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes über die Ausübung von Berufen und den Betrieb von Unternehmungen durch minderbelastete Personen, BGBl. Nr. 113/1947, Schuster, Die Entnazifizierung des Magistrates Linz, S. 127f, Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 135, Egon Praunegger, Das Nationalsozialistengesetz Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947, Nr. 25 BGBl. Mit Verbotsgesetz [und weiteren Nebengesetzen], Graz, 1947, S. 90, http://www.nachkriegsjustiz.at/service/gesetze/ nsg1947.php (1.8.2007). 241 Vgl. zum Parteiendiskurs etwa: Werner Bergmann u.a. (Hg.), Schwieriges Erbe. Der Umgang mit Nationalsozialismus und Antisemitismus in Österreich, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt / New York 1995 sowie: Maria Mesner (Hg.), Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ, Wien / München 2005; Wolfgang Neugebauer / Peter Schwarz, Der Wille zum aufrechten Gang. Offenlegung der Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten, hg. vom Bund sozialistischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen (BSA), Wien 2005.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Nationalsozialistenamnestie,242 nachdem eine vom österreichischen Nationalrat 1952 beschlossene Belastetenamnestie nicht die Zustimmung der Alliierten erreicht hatte und bis dahin ohnehin eine Reihe von Sühnemaßnahmen ausgelaufen waren und die „Belasteten“ seit 1950 auch wieder das aktive Wahlrecht hatten.243 Als ehemalige Nationalsozialisten registriert waren mit Stand 1. April 1948 – nach Dieter Stiefel – rund 530.535 Personen, d.h. rund 7,5% der Bevölkerung – darunter 43.468 „Belastete“ und 487.067 „Minderbelastete“.244
1.5.2. Entnazifizierung im Bereich der Österreichischen Bundesforste Entsprechend dem festgestellten hohen Anteil an Nationalsozialisten unter den österreichischen Forstleuten während der NS-Zeit spielte auch die Frage der Entnazifizierung nach 1945 im Forstbereich bzw. bei den wieder eingerichteten Österreichischen Bundesforsten eine große Rolle. Dies lässt sich auch an der Quantität des vorhandenen Quellenmaterials ablesen.
Akteure in der Entnazifizierung bei den Österreichischen Bundesforsten Nach 1945 kam es zu einer Vielzahl von Entlassungen, wobei entsprechend den Bestimmungen des Verbotsgesetzes 1945 und des hohen dokumentierten Anteils an Forstleuten, die bereits vor dem März 1938 zu den Parteigängern der NSDAP zählten, v.a. Entlassungen aufgrund von § 14 VG, d.h. aufgrund von „Illegalität“, belegt sind. Vorgenommen wurden die Enthebungen durch eine Reihe von Akteuren – reichend von den ehemaligen Landesforstämtern und Ämtern der Landesregierung bis zum Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich –, beteiligt waren aber auch die beschriebenen Sonderkommissionen und das Ministerkomitee. Der Liquidator der Einrichtungen
242 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947 über die Behandlung der Nationalsozialisten (Nationalsozialistengesetz), BGBl. Nr. 25/1947, Bundesverfassungsgesetz vom 21. April 1948, über die vorzeitige Beendigung der im Nationalsozialistengesetz vorgesehenen Sühnefolgen für minderbelasteten Personen, BGBl. Nr. 99/1948, Bundesverfassungsgesetz vom 14. März 1957, womit Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes, BGBl. Nr. 25/1947, abgeändert oder aufgehoben werden (NS-Amnestie 1957), BGBl. Nr. 82/1957, Schuster, Entnazifizierung des Magistrats Linz, S. 128. 243 Niederacher, Die Entwicklung der Entnazifizierungsgesetzgebung, S. 33–36. 244 ������������������������������������������������������������������������������������������������������� Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 117 und Stiefel, Forschungen zur Entnazifizierung in Österreich, S. 46.
1.5. Entnazifizierung
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des Deutschen Reiches wurde mit dem Behörden-Überleitungsgesetz vom 20. Juli 1945 als dem Staatskanzler untergeordnete Stelle geschaffen und dann im Bundeskanzleramt als oberste Behörde eingerichtet; in der Folge bestanden Liquidatoren in verschiedenen Bereichen, so auch den einzelnen Ressorts und den Landesregierungen.245 In der Entnazifizierung der öffentlich-rechtlich Bediensteten im Bundesdienst – so auch bei den Österreichischen Bundesforsten – scheint er als zentrale Stelle auf. Von ihm wurden die von anderen Stellen bereits vorgenommenen Entlassungen bestätigt bzw. ausgesprochen, er konnte Entlassungen wieder aufheben, ihm wurden die Entscheidungen der bei den Österreichischen Bundesforsten und im Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft) eingerichteten Sonderkommissionen weitergeleitet. Nicht selten findet sich in den Akten zudem der Hinweis, dass Personen von den Alliierten enthoben bzw. im „Vollzug des Auftrages der alliierten Militärregierung aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden wurden“, wobei dies zuweilen von den betroffenen Forstverwaltungen auch als „Schikane“ oder „Nötigung“ empfunden wurde. D. h. auch die Alliierten spielten in der Entnazifizierung der österreichischen Beamten, auch der Forstleute, eine zentrale Rolle, indem sie Internierungen und Enthebungen veranlassten, Maßstäbe für die Entnazifizierung setzten und – wie im Rahmen der Studie dokumentiert wurde – die zuständigen österreichischen Behörden auch mit parteiamtlichen Informationen aus den Beständen der ehemaligen NSDAP versorgten. Neben den vorhandenen Personalakten, Registrierungsunterlagen und -bescheiden sowie den von den öffentlich Bediensteten auszufüllenden Fragebögen bildeten diese auch eine wichtige Quelle für die Entnazifizierung der österreichischen Forstleute. Die Feststellung von Dieter Stiefel, dass „gerade der erste Entnazifizierungsschub“ im Wesentlichen über eine „administrative Entnazifizierung“ erfolgte bzw. sich darin widerspiegelte, dass die (regionalen) Dienststellen (im Falle der Österreichischen Bundesforste auch auf Druck der Alliierten) darangingen, „eindeutige oder mutmaßliche Nationalsozialisten zu entlassen oder nicht mehr einzustellen“, trifft auch auf die Österreichischen Bundesforste zu.246 Maßgeblich hierfür ist auch, dass der Kontakt zu den westlichen Bundesländern in den Jahren 1945 und 1946 erst sichergestellt werden musste, weshalb erste „Entnazifizierungsberichte“ aus dem Bereich der Österreichischen Bundesforste auch nur den Raum Wien-Umgebung bzw. Ostösterreich betreffen. Die Tätigkeit der bei den Österreichischen Bundesforsten bzw. im Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft eingerichteten Sonderkommissionen, die überprüfen sollten, 245 Vgl. hierzu auch: Rudolf Jerabek, Entnazifizierungsakten im Österreichischen Staatsarchiv, in: Walter Schuster / Wolfgang Weber (Hg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich, Linz 2004, S. 544–546. 246 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 133.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
ob die öffentlich Bediensteten „Gewähr dafür bieten, sich jederzeit rückhaltlos für die Republik Österreich einzusetzen“, ist in den Akten zumindest für das Frühjahr 1946 und für den Winter 1946/1947 dokumentiert, wobei die vorhandenen Unterlagen zumeist positive Entscheidungen wiedergeben. Die von Dieter Stiefel grundsätzlich für den Bereich der nach 1945 eingerichteten Sonderkommissionen getroffene Feststellung, wonach nur ein geringer Teil der öffentlich Bediensteten den Weg über die Sonderkommissionen ging und diese im Wesentlichen nur für jene ehemaligen Nationalsozialisten vorgesehen waren, die man behalten wollte, trifft ebenfalls für den Bereich der Österreichischen Bundesforste zu.247 Auffallend hinsichtlich der Entscheidungen der bei den Österreichischen Bundesforsten eingerichteten Sonderkommissionen ist, dass diese die Argumentation, wonach ein Beitritt zur NSDAP nach 1938 erfolgt sei, um (weiterhin) im Forstdienst beschäftigt sein zu können, scheinbar problemlos akzeptierten und vielmehr noch gerade der Umstand, dass dieses Argument immer wieder in der Entnazifizierung genannt wurde, als Beleg dafür gewertet wurde, dass seitens der österreichischen Forstleute ein hoher Druck bestand, der NSDAP beizutreten, wenn man im Forstbereich weiter tätig oder dort aufgenommen werden wollte. Deutlich strenger war demgegenüber die Entscheidungspraxis des Ministerkomitees zur Entnazifizierung der leitenden Stellen von Beamtenschaft und Wirtschaft, dessen Tätigkeit im Bereich der Österreichischen Bundesforste zumindest ab Februar 1946 dokumentiert ist und dessen Entscheidung vor einer Wiedereinstellung – wie jene des Liquidators – einzuholen war, wenn eine Entlassung aufgrund einer Entscheidung des Ministerkomitees erfolgt war.
Entlassungen bei den Österreichischen Bundesforsten 1945–1948 Hinsichtlich der Quantität der nach 1945 erfolgten Entlassungen wurde bereits oben ausgeführt, dass erste „Entnazifizierungsberichte“ aufgrund der erst allmählich hergestellten Verbindungen mit den westlichen Bundesländern nur den Raum Wien und Ostösterreich dokumentieren. So hält eine Mitteilung des Staatsamts für Land- und Forstwirtschaft an das Innenministerium im Hinblick auf eine Anfrage des Alliierten Denazifikationsbüros fest, dass bis Dezember 1945 im Bereich der Österreichischen Bundesforste 138 Entlassungen, Pensionierungen und Außerdienststellungen erfolgt sind. Die Anzahl jener Personen, die in Verwendung waren und nicht unter das Verbotsgesetz fielen, wurde mit 197 angegeben, 247 Ebenda, S. 133.
1.5. Entnazifizierung
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die Anzahl der Personen, die noch in Verwendung waren, aber unter das Verbotsgesetz fielen, belief sich auf 126 Personen. Lediglich fünf Personen, die während des Nationalsozialismus entlassen oder pensioniert worden waren – darunter ein Generaldirektor und ein jur. Direktor –, waren nach dem Ende des NS-Regimes wieder bei den Österreichischen Bundesforsten beschäftigt worden. Erfasst werden konnten in der Aufstellung nur die Beamten und Angestellten der Generaldirektion und der Forstverwaltungen in Niederösterreich, da die Personalstände aus den anderen Bundesländern noch unbekannt waren.248 Ein im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft Ende 1946 erstelltes Verzeichnis, das den Stand an Forstbeamten (getrennt nach Forstwirtschaftsführern und Förstern) angeben sollte, die erforderlich sind, um den Forstdienst aufrechtzuerhalten, konnte ebenfalls nur die Situation in Wien und Niederösterreich, Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark berücksichtigen. Hier wurde der notwendige Personalstand mit 525, der 1946 im Dienst befindlichen Forstleute mit 325 und jener, die unter eine Entnazifizierungsmaßnahme gefallen waren (Entlassene und Beurlaubte) mit 239 Personen angegeben. Die Anzahl der Personen, die sich zur Überprüfung hinsichtlich ihrer Entlassung eignen würde, wurde – auf Anfrage – mit 114 bezeichnet. Nicht in der Aufstellung vorhanden waren die personalintensiven Bundesländer Tirol und Salzburg.249 Dass es auch hier wegen Entnazifizierungsmaßnahmen zu Personalengpässen kam, verdeutlicht hingegen ein Bericht der „Forstdirektion Salzburg“ an die Landesregierung Salzburg vom 15. Mai 1946. In ihm wurde darauf hingewiesen, dass von den 28 Forstämtern des Landes bereits neun Forstämter ohne Forstmeister seien, nun aber weitere Entlassungen gefordert wurden, die dazu beitragen würden, dass zwölf von 28 Forstämtern ohne Führung wären und das „Landesforstamt“ in Salzburg keinen inspizierenden Oberforstmeister mehr hätte.250 Wärmstens befürwortet wurde in diesem Sinne auch das Verbleiben des Leiters des Forstamts St. Martin, Karl Formanek, mit dem sich ein Jahr später auch die lokalen Medien beschäftigten. Ihm wurde von Seiten des „Salzburger Tagblatts“ vorgeworfen, als ehemaliger Nationalsozialist trotz Enthebung weiter im Forstdienst beschäftigt zu sein, sich gegen seine Enthebung zu „weigern“ und die „Pfründe“ eines Leiters des Forstamtes zu genießen.251 248 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Bd. 1, GZ 1592-Pr./46 sowie GZ 1546-/Pr. 45. 249 ÖStA/AdR, ÖBF, 1946, Sig. 14, Kt. 8, GZ AV 7086/1946 und GZ 6488/46. 250 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Bd. 2, GZ 2048-Pr./46. 251 Vgl. „Salzburger Tagblatt“ vom 31.5.1947 sowie ÖStA/AdR, ÖBF, 1947, Sig. 14, Kt. 20, Mappe 14, GZ 8051a/47, GZ 7418a/47.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Ein weiteres Beispiel, das die schwierige Personalsituation im Forstbereich nach 1945 illustriert, ist das bereits zitierte Schreiben aus dem Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft, in dem von einem NSDAP-Mitgliederanteil von „ca. 95 %“ unter den österreichischen Forstleuten die Rede ist. Hier wurde – wie bereits zitiert – Staatssekretär Kraus dazu aufgefordert, diesen Umstand bei der Entnazifizierung zu berücksichtigen, da ansonsten der Forstdienst nicht aufrechterhalten werden kann; gefordert wurde insbesondere eine Pardonierung der „einfachen Mitläufer“, denen hier attestiert wurde, weniger aus politischen als aus forstwirtschaftlichen Erwägungen der NSDAP beigetreten zu sein.252 Einen Überblick über die insgesamt auf Basis des Verbotsgesetzes 1945 und des Nationalsozialistengesetzes 1947 erfolgten Entlassungen gibt Dieter Stiefel in seiner Studie über die Entnazifizierung in Österreich auf Basis von Unterlagen aus dem Bereich der United States Allied Commission for Austria bzw. dem alliierten Entnazifizierungsbüro, dem gegenüber das Bundeskanzleramt über die österreichischen Entnazifizierungsmaßnahmen zu berichten hatte. Hiernach wurden – diese Zahl bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit nur auf die Beamten und Angestellten – von 27. April 1945 bis 31. Mai 1948 insgesamt 502 Personen ausgeschieden, wobei das Gros der Entlassungen (480) bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 erfolgte. Nach diesem kam es – so Stiefel – nur mehr zu 22 Enthebungen. Vielmehr wurden – wie zu zeigen sein wird – auf Basis der neuen gesetzlichen Bestimmungen nun Entlassungen, v. a. solche, die aufgrund von Illegalität vorgenommen worden waren, aufgehoben. Bezogen auf den Personalstand mit 1.1.1948253 gibt Stiefel den Anteil der Ausgeschie252 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Bd. 2, GZ 2048-Pr./46. 253 Den Berechnungen von Stiefel liegt ein Personalstand von 1.161 Personen zugrunde. Anzumerken ist hierbei, dass der Budgetvoranschlag für das Jahr 1948, erstellt im Jahr 1947, 1.417 Beamte und Angestellte vorsah. Gleichzeitig liegen jedoch mehrere (für das Finanzministerium erstellte) Nachweisungen über die „tatsächlich in Verwendung stehenden Bediensteten“ aus dem Jahr 1948 vor, die ebenfalls deutlich vom Budgetvoranschlag abweichen. So werden in einer Nachweisung der „tatsächlich in Verwendung stehenden Bediensteten“ mit 1.1.1948, die jedoch nur in einer Arbeitsfassung überliefert ist, 1.118 Beamte und Angestellte genannt, während hier 190 Enthobene und 33 Beamte und Angestellte (Eingerückte), von denen eine Rückkehr erwartet wurde, genannt wurden. In einer weiteren (nur in einer Arbeitsfassung überlieferten) Aufstellung der „tatsächlich in Verwendung stehenden Bediensteten (Beamte und Vertragsbedienstete der Entlohnungsschemen I und II)“ wurden mit Stand 1.7.1948 1.105 Beamte und Angestellte genannt, während die Anzahl der Enthobenen mit 231 Personen angegeben wurde und hinsichtlich 26 Personen eine Rückkehr erwartet wurde. Im Zuge der Budgeterstellung 1949 wurde zwar auf die budgetierten Zahlen aus 1947 zurückgegriffen, gleichzeitig findet sich im Aktenkonvolut zur Budgeterstellung aber auch ein Schreiben der Österreichischen Bundesforste an das Finanzministerium vom 27.7.1948, in dem die „Kopfanzahl“ für 1948 mit 1.203 Beamten und Vertragsbediensteten angegeben wurde. Unklar ist, ob jene Personen, die hier als enthoben genannt wurden (siehe hierzu auch die Ausführung im Kapitel „Arbeitsverpflichtungen und Weiterverwendung von Nationalsozialisten im Dienst der Österreichischen Bundesforste“) bzw. jene, von denen eine Rückkehr in die Österreichischen
1.5. Entnazifizierung
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denen mit 43 % an, womit sich die Österreichischen Bundesforste im Mittelfeld befanden: Als Spitzenreiter werden hier die Landesarbeits- und Arbeitsämter, Invalidenämter und Gewerbeinspektorate mit 67 % genannt, während die Bundesregierung / Landesregierung Wien mit 25 % das Schlusslicht bildet.254
Arbeitsverpflichtungen und Weiterverwendung von Nationalsozialisten im Dienst der Österreichischen Bundesforste Auffallend bei der Durchsicht der vorhandenen Materialien ist, dass sich – neben weiterbeschäftigten Nationalsozialisten – auch entlassene Forstleute bzw. solche, die eigentlich aufgrund ihrer Vergangenheit und den gegebenen gesetzlichen Bestimmungen hätten enthoben werden müssen, im Dienst der Österreichischen Bundesforste befinden konnten: sei dies im Rahmen einer Arbeitsverpflichtung (als Sühnemaßnahme) oder auf Basis eines „provisorischen Dienstverhältnisses“ (auf einer Werkvertragsbasis oder Beschäftigung über das Arbeitsheft), einer „Weiterbelassung im Dienst“ bzw. einer Wiedereinstellung (noch vor der Verabschiedung des Nationalsozialistengesetzes 1947 mit seinen neuen Bestimmungen zur Beschäftigung von „Minderbelasteten“ im öffentlichen Dienst).255 Argumentiert wurde in diesem Zusammenhang v. a. mit der „Dringlichkeit der Arbeiten“, der „notwendigen Brennholzaktion“ und der Erforderlichkeit zur Weiterbeschäftigung dieser Personen, da ansonsten der Forstdienst „zusammenbrechen“ würde. Gefordert war der „Fachmann“. Anzumerken ist dabei, dass Weiterverwendungen von entlassenen Nationalsozialisten im öffentlichen Dienst, wofür auch eine entsprechende Bewilligung eingeholt werden musste, nicht nur im Bereich der Österreichischen Bundesforste keine Seltenheit waren und – wie Walter Schuster in einer Studie über die Entnazifizierung des Magistrats Linz festhält –, den Vorteil hatten, „dass die Betreffenden zwar in der Entnazifizierungsbilanz als ‚entlassen‘ aufscheinen, de facto aber ihren
Bundesforste erwartet wurde, im Budgetvoranschlag mitgerechnet waren oder ob die Differenz auf andere Gründe zurückführbar ist. Probleme bei der Budgeterstellung bereiteten in den unmittelbaren Nachkriegsjahren jedenfalls eine Reihe von Umständen: die Umsetzung des Behördenüberleitungsgesetzes, Entnazifizierung und Kriegsgefangenschaft und die Konsolidierung des Besitzstandes. Vgl. zu den genannten Zahlen aus 1948: ÖSt/AdR, ÖBF, Sig. 14, 1947, Kt. 20, GZ 153377a–47, ÖStA/AdR, ÖBF, 1948, Sig. 14, Kt. 45, GZ 10116/48 und ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 5976 40. 254 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 140f. 255 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa: ÖStA/AdR, ÖBF, 1946, Sig. 14, Kt. 8, GZ 2417/46 sowie ÖStA/ AdR, ÖBF, 1947 Sig. 14, Kt. 20, GZ 885/1947-II/1 sowie ÖSt/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Bd. 2, GZ 4759-Pr./47.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Arbeitsplatz behielten“.256 Wesentlich hinsichtlich der Weiterbeschäftigung von Nationalsozialisten bei den Bundesforsten nach 1945 erscheint, dass v. a. seitens der Forstverwaltungen, die häufig auf die Weiterbeschäftigung ehemaliger Nationalsozialisten aus Personalmangel drängten, stets nur auf die Entnazifizierung als Ursache des Personalproblems im Bereich der Forstverwaltung hingewiesen wurde. Der in der Sekundärliteratur mitunter als hoch angegebene Anteil der Gefallenen unter den österreichischen Forstleuten wurde ihrerseits und auch seitens der Österreichischen Bundesforste zumindest in den überlieferten und bekannten Unterlagen demgegenüber – ähnlich wie die sich noch in Kriegsgefangenschaft befindenden Forstbediensteten – nicht thematisiert.257
„Minderbelastete“ im Bereich der Österreichischen Bundesforste 1947 Neue Voraussetzungen für die Beschäftigung ehemaliger Nationalsozialisten in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurden mit dem Nationalsozialistengesetz 1947 geschaffen. „Minderbelastete“ konnten nun im Staatsdienst „bei Bedarf und nach besonderer Prüfung ihres politischen Verhaltens vor dem 27. April 1945 verwendet werden“, wenn auch Rückreihungen, Kürzungen ihrer Bezüge und kein Einsatz in allen (den hohen) Dienstklassen im Gesetz vorgesehen waren. Ausgeschlossen von einer Beschäftigung im Staatsdienst waren „Belastete“, womit dem Gros der ehemaligen Nationalsozialisten – darunter auch den ehemaligen „Illegalen“, wenn sie nicht „belastet“ waren – prinzipiell wieder eine Beschäftigung bei den Österreichischen Bundesforsten offenstand.258 Erforderlich für die Aufhebung einer vormals ausgesprochenen Entlassung war die 256 Schuster, Entnazifizierung des Magistrates Linz, S. 142–146 sowie zur Frage des „Fachmanns“: Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 142–145. Anzumerken ist dabei auch, dass man den Alliierten gegenüber bemüht war – auch im Hinblick auf den angestrebten Staatsvertrag –, eine möglichst eindrucksvolle Entnazifizierungsbilanz zu erreichen. Vgl.: Kos, Entnazifizierung der Bürokratie, S. 66. 257 Hinsichtlich der Größenordnung der gefallenen österreichischen Forstleute („vom Försterlehrling bis zum Forstmeister“) hat Norbert Weigl aufgrund einer Zählung von Gefallenen eine Mindestzahl von 232 Personen (allerdings nicht beschränkt auf die Österreichischen Bundesforste) eruiert; eine Aufstellung aus dem Bundesarchiv in Berlin listet für die Landesforstämter Wien, Klagenfurt, Salzburg, Innsbruck und Graz bis 15. Jänner 1945 175 gefallene Beamte auf, wobei jedoch nicht klar ist, mit welchem Datum diese Aufstellung beginnt. In der Literatur ist der Gefallenenanteil immer wieder auch mit 25% angegeben worden, wobei die ursprüngliche Herkunft dieser Zahl jedoch nicht ausgewiesen ist und auch die Bezugsgröße – gesamtes Deutsches Reich oder Österreich – nicht eindeutig bezeichnet wird. Vgl. hierzu: Weigl, Die Forstwirtschaft in der Ostmark, S. 101, BArch, R 3701/77 und Weigl, Braune Wälder, S. 100; Killian, Der Schicksalsweg der österreichischen Forstwirtschaft 1918 bis 1945, S. 493, Fischer-Ankern, Nationalsozialistische Annexionspolitik in der Forst- und Jagdwirtschaft, S. 24. 258 Vgl. hierzu auch: Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 135.
1.5. Entnazifizierung
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Vorlage eines Registrierungsbescheides, aus dem hervorging, dass die entsprechende Person als „minderbelastet“ verzeichnet war. War dem so, konnte eine Aufhebung der Entlassung beantragt werden, wobei als entscheidende Stelle wiederum der Liquidator in Erscheinung trat. So wurde den Forstverwaltungen von Seiten der Generaldirektion auch ausdrücklich mitgeteilt, dass in Nachfolge der Landesforstämter, die oftmals die Entlassung ausgesprochen hatten, nun der Liquidator über die Aufhebung der Entlassung zu entscheiden habe und nicht sie selbst diese Entscheidung treffen können.259 Vermerkt ist in den Akten zudem, dass in jenen Fällen, wo die Entlassung durch die Alliierten veranlasst worden war, deren Zustimmung eingeholt werden sollte; und auch von Seiten des Bundeskanzleramtes wurde noch im März 1948 mitgeteilt, dass kein vom Ministerkomitee Enthobener ohne Zustimmung des Komitees wieder in Dienstverwendung genommen werden kann.260 Zwischengeschaltet war die Generaldirektion aber insofern, als sie die Anträge um Aufhebung der Entlassung (oft mit einer Zustimmung oder Ablehnung) weiterleitete. Anzumerken ist dabei jedoch, dass eine Aufnahme der Entlassung noch keine Wiedereinstellung oder Übernahme in den Bundesdienst nach dem Beamten-Überleitungsgesetz bedeutete, sie aber hierfür die Voraussetzung war. Verbunden war die Aufhebung eines Entlassungsbescheides und die Möglichkeit der Wiederindienstnahme – besonders seitens des Ministerkomitees – mit der Aufforderung, dass eine Wiedereinstellung von „Minderbelasteten“ auch in Hinblick auf die Gesamtzahl der bereits bei einer Dienststelle beschäftigten „Minderbelasteten“ erfolgen soll und deren Anteil an der Zahl der Gesamtbeschäftigten nicht zu hoch werden darf bzw. laufend eine Senkung erfahren soll.261 Trotzdem schnellte der Anteil an „Minderbelasteten“ im Bereich der Österreichischen Bundesforste bereits innerhalb kurzer Zeit in die Höhe. Wie Dieter Stiefel in seiner bereits mehrfach zitierten Studie ausführt, befanden sich mit Stichtag 31.5.1948 (vermutlich bezogen auf Beamte und Angestellte) 700 „unbelastete“ und 461 „minderbelastete“ Bedienstete bei den Österreichischen Bundesforsten.262 Der Anteil an „Minderbelasteten“ unter den Beschäftigten der Österreichischen Bundesforste lag damit bei 39,7 % und übertraf die anderen von Stiefel genannten Dienststellen bei Weitem.263
259 Vgl. hierzu auch: ÖStA/AdR, ÖBF, 1947, Sig. 14, Kt. 20, GZ 4835/47-II/1. 260 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Bd. 2, GZ 2301Pr/1948. 261 Vgl. hierzu etwa: ÖStA/AdR, ÖBF, Sig 14, Kt. 20, GZ 15282/47. 262 Vgl. hierzu FN 253. 263 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 141.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Prozentsatz der „Minderbelasteten“ im öffentlichen Dienst nach Dienststellen264 Dienststelle Bundesregierung, Landesregierung Wien Universitäten Öffentliche Schulen Gerichte und Justizeinrichtungen Finanzbehörden Bundesgendarmerie und -polizei Bundesbahnen und Post Österreichische Bundesforste Landesarbeits- und Arbeitsämter, Invalidenämter, Gewerbeinspektorate Kammer der gewerblichen Wirtschaft Öffentlich-rechtliche Körperschaften
April 1947 12,2 % 20,3 % 30,6 % 29,7 % 30,4 % 13,0 % 20,0 % 39,4 %
Juni 1948 8,4 % 10,8 % 14,1 % 16,3 % 21,7 % 3,0 % 13,1 % 39,7 %
8,0 %
6,0 %
18,0 % 20,0 %
11,0 % 15,5 %
Sonstige Dienststellen des Bundes, der Länder und Gemeinden
16,4 %
11,2 %
Summe
17,1 %
11,1 %
Mit der Minderbelastetenamnestie 1948 war die Entnazifizierung für die „Minderbelasteten“ beendet. Wie aus einer internen Mitteilung des Bundeskanzleramtes an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 28. Juni 1948 hervorgeht, konnten „befreite Personen“ nun ohne besondere Prüfung im öffentlichen Dienst verwendet werden. Gleichfalls konnten Sie nun in einem höheren Dienstposten als der Dienstpostengruppe VI eingesetzt werden, die für den Dienstbezug vorgesehene Höchstgrenze sowie die aufgrund des Verbotsgesetzes 1947 vorgenommenen Kürzungen von Ruhens- und Versorgungsgenüssen fielen weg.265 Vielmehr kam es in den Folgejahren nun zu nachträglichen Anrechnungen von durch die Entnazifizierung verloren gegangenen Bezügen, Vorrückungen in andere Dienstklassen oder auf die Pension anrechenbaren Dienstzeiten. Wie zuvor v. a. in den Aufhebungen von Entlassungen durch das Ministerkomitee vermerkt war, findet sich auch im Schreiben des Bundeskanzleramts vom 28. Juni 1948 der Hinweis, dass es zwar dem Sinn der Amnestie nicht entsprechen würde, „einen ehemaligen Bundesbediensteten wegen der Tatsache an sich, dass er der NSDAP oder einer der nationalsozialistischen Institutionen angehört hat [...] als ungeeignet für eine Einstel264 Ebenda, S. 140. 265 ÖStA/AdR, ÖBF, 1948, Sig. 14, Kt. 45, GZ 8731/1948.
1.5. Entnazifizierung
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lung in den Dienst anzusehen“. Wenn sich aber der Bedienstete „vor dem 13. März 1938 im Sinne oder im Interesse der nationalsozialistischen Bewegung in einer Weise betätigt hat, die seinen Amts- und Standespflichten zuwiderlief, oder wenn er seit dem 13. März 1938 ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem seine Ablehnung der selbständigen, unabhängigen Republik Österreich zu ersehen war oder das sonst mit den guten Sitten unvereinbar ist“, sollte aber auch in Zukunft streng geprüft werden, „ob einem solchen Beamten das Vertrauen zugebilligt werden kann, das für die Stellung eines österreichischen Bundesbediensteten unerlässlich ist.“ Geachtet werden sollte bei der „Beurteilung“ insbesondere darauf, welche Stellung die öffentlich Bediensteten während des Nationalsozialismus hatten, und welche Stelle sie nach 1945 besetzen sollten. Insbesondere bei der Besetzung höherer Dienstposten sollte ein „besonders strenger Maßstab“ angelegt werden.266
„Belastete“ im Bereich der Österreichischen Bundesforste Während durch das Nationalsozialistengesetz 1947 eine Beschäftigung von „minderbelasteten“ Personen prinzipiell möglich wurde, war eine Tätigkeit für „belastete“ ehemalige Nationalsozialisten im Staatsdienst weiterhin ausgeschlossen. Einen Weg, dass diese Personen trotzdem im öffentlichen Dienst beschäftigt sein konnten, bot § 27 des Verbotsgesetzes 1947 und die darin normierte Möglichkeit, dass der Bundespräsident Ausnahmen von der Behandlung nach dem Verbotsgesetz 1947 und den darin vorgesehenen Sühnefolgen vornehmen konnte. Erfolgte eine solche Entscheidung durch den Bundespräsidenten, bestand – so ein Rundschreiben des Liquidators der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik vom 18.2.1949 – auch „kein gesetzliches Hindernis mehr, die Person gemäß §7 des Beamten-Überleitungsgesetzes auf einen Dienstposten zu ernennen“.267 Wiederbeschäftigt konnten „Belastete“ aber auch dann werden, wenn sie erreichen konnten, dass sie nicht mehr als „belastet“, sondern nur noch als „minderbelastet“ eingestuft und somit von der Registrierungspflicht befreit wurden.268 Dass es auch im Bereich der Österreichischen Bundesforste zur Beschäftigung von „belasteten“ Nationalsozialisten noch vor der finalen Nationalsozialistenamnestie 1957 266 Ebenda. 267 ÖStA/AdR, ÖBF, 1949, Sig. 14, GZ 17116/49. 268 Brigitte Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung. Die Republik Österreich und das in der NS-Zeit entzogene Vermögen. Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen seit 1945 in Österreich, Band 3, Wien 2003, S. 395.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
kam, beweisen die überlieferten Unterlagen. Gute Chancen für eine Ausnahme von der Behandlung nach dem Verbotsgesetz bestanden für die Betroffenen v. a. dann, wenn sich die politischen Parteien oder der Arbeitgeber, auch das Landwirtschaftsministerium, für sie einsetzten. Ein Beispiel der untersuchten Forstleute, das dies verdeutlicht, ist etwa der Förster August Lumpi, Mitglied von NSDAP und SA seit 1930 und Mitglied der SS seit 1932 (1939 SS-Oberscharführer, eingerückt zur SS-Totenkopfstandarte Krakau). Lumpi, der nach Kriegsende im Internierungslager Glasenbach inhaftiert war und gegen den aufgrund § 11 VG 1947 auch ein Verfahren vor dem Volksgericht Linz lief, konnte im Zuge seiner Entnazifizierung unterstützende Schreiben von ÖVP, SPÖ und KPÖ vorweisen und auch hinsichtlich der Wiedereinstellung bei den Österreichischen Bundesforsten auf politische Unterstützung zählen. Nach der Amnestierung durch den Bundespräsidenten wurde er 1951 gemäß § 7 Beamten-Überleitungsgesetz wieder in den Personalstand der Österreichischen Bundesforste aufgenommen. Zuvor war dies von Seiten der Generaldirektion abgelehnt, aber auf der Ebene der Forstverwaltung unterstützt worden.269 Weitere Fälle, in denen Interventionen von verschiedener Seite zu einer Wiederbeschäftigung von „belasteten“ Nationalsozialisten führten, könnten dieses Beispiel ergänzen. Und auch, was die Anklage vor dem Volksgericht betrifft, stellt Lumpi keine Ausnahme dar. Im Bereich des Gesamtuntersuchungssamples wurden – ohne diese Frage speziell zu recherchieren – insgesamt für 21 Personen Hinweise auf eine Untersuchung durch das Volksgericht bzw. Anklage vor dem Volksgericht dokumentiert.270 Als 1957 die finale Nationalsozialistenamnestie verabschiedet wurde und durch diese aufgrund des Nationalsozialistengesetzes entlassene öffentlich Bedienstete wieder reaktiviert werden konnten, war dies – wie Brigitte Bailer-Galanda generell für den Bereich der öffentlich Bediensteten ausführt – nur mehr für einen „kleinen Teil der ‚Ehemaligen‘ von Bedeutung, denn für die Mehrheit waren diese Maßnahmen bereits ohne gesetzliche Regelung unter Ausnützung bestehender Möglichkeiten gesetzt worden“.271
269 Archiv der ÖBF, Personalakt von August Lumpi. 270 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. hierzu ein Schreiben der Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das Landesgericht Linz, mit dem 18 Personalakten überliefert wurden, ÖStA/AdR, ÖBF, 1948, Sig. 14, Kt. 45, GZ 12992/48, sowie zu den Verfahren vor den Volksgerichten im Überblick Garscha / Kuretsidis-Haider, Die strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen, S. 11–25. 271 Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung, S. 337.
1.5. Entnazifizierung
101
Konsolidierung des Personalstandes – Überleitungen nach dem Beamten-Überleitungsgesetz Die Übernahmen der Beschäftigten im Forstdienst gemäß dem Beamten-Überleitungsgesetz waren im Großen und Ganzen bis Ende 1949 abgeschlossen, wobei nach 1945 zur „alten Unterscheidung“ in Beamte und Vertragsbedienstete (sowie in weiterer Folge Arbeiter) zurückgekehrt wurde. Der Prozess der Übernahme ins öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis sah im Wesentlichen so aus, dass die Österreichischen Bundesforste nur ein „Vorschlagsrecht“ hatten, d.h., sie konnten keine endgültige Aufnahme ins Beamten- oder öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis vornehmen, sondern hatten eine Zustimmung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft bzw. über dieses eine Zustimmung des Bundeskanzleramts einzuholen, das in der Vollziehung des Beamten-Überleitungsgesetzes anstelle der Provisorischen Staatsregierung getreten war. Eine formalrechtliche Aufnahme in den Stand der öffentlich Bediensteten, ins Beamtenverhältnis, war nur mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes möglich, wobei das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft dem Bundeskanzleramt „Beurteilungsblätter“ vorlegte, aus denen auch das Verhalten der Forstleute in der NS-Zeit hervorgehen sollte.272 Lag keine „Belastung“ im Sinne des Nationalsozialistengesetzes von 1947 vor (v. a. keine Ausübung einer Funktion im NS-Staat), standen die Chancen für eine Übernahme ins Beamtenverhältnis sowie eine Zustimmung durch Ministerium und Bundeskanzleramt nicht schlecht. Interessant ist hierbei ein Bericht der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an den Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 25. November 1948 hinsichtlich der Liquidierung der Reichsforstverwaltung. Hier wurde im Hinblick auf das Personal der ehemaligen Landesforstämter festgehalten, dass – entsprechend der Auflösung der Einheitsforstämter und der Rückkehr zum alten Forstsystem vor 1938 – die Übernahme in der Weise erfolgt ist, dass „das mit behördlichen Aufgaben betraute Personal der Landesforstämter bzw. das Personal der Aufsichtsforstämter von den Landesregierungen, das mit betrieblichen Aufgaben beschäftigte Personal bzw. das Personal der Betriebsforstämter von den Österreichischen Staatsforsten übernommen wurde“. Maßgeblich für diese Unterscheidung war, ob und in welchem Dienstverhältnis eine Person vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich gestanden ist.273 Bevorzugt aufgenommen wurden im Bereich der Österreichischen Bundesforste somit – auch entsprechend den Bestimmungen des 272 Vgl. zur Übernahme ins Beamtenverhältnis insbesondere: ÖStA/AdR, BMLF, Präs., ÖBF-Personal, Allg., Kt. 21 (1948), Kt. 22 und 23 (1949). 273 ÖStA/AdR, BMLF, ÖBF-Personal Allg., Kt. 21, Band 3, GZ 7535-Pr./48 (in GZ 7790-Pr./48)
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Beamten-Überleitungsgesetzes 1945 – solche Personen, die bereits vor 1938 bei ihnen beschäftigt waren. Für ihre Überleitung ins Beamtenverhältnis setzten sich die Österreichischen Bundesforste beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft bzw. beim Bundeskanzleramt auch deutlich stärker ein als für jene Personen, die erst nach dem März 1938 in den Reichsforstdienst aufgenommen wurden. Hinsichtlich der eingangs zitierten Vorgaben des Finanzministeriums, den in der NSZeit insgesamt (nicht nur im Bereich der Österreichischen Bundesforste) vergrößerten Verwaltungsapparat abzubauen, ist weiters ein Bericht der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an den Liquidator der Einrichtungen des deutschen Reiches im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 25. November 1948 interessant, in dem festgehalten wird, dass „vom Personal der Landesforstämter, besonders in den unteren Kategorien […] der größte Teil abgebaut wurde.“274 „In einzelnen Bereichen des öffentlichen Dienstes herrschte“ – so Dieter Stiefel generell für den Bereich der öffentlichen Verwaltung nach 1945 – „wohl Personalknappheit, vor allem an qualifizierten Fachleuten“, was sich auch im Entnazifizierungsprozess – und das auch bei den Österreichischen Bundesforsten – zeigte, „insgesamt aber war der vom Deutschen Reich in Österreich hinterlassene Verwaltungsapparat zu groß für die junge Zweite Republik.“275
1.5.3. Ehemalige Nationalsozialisten bei den Österreichischen Bundesforsten 1955 Mit der zunehmenden zeitlichen Distanz zum Jahr 1945 und den – auch unter alliierter Kontrolle – in den ersten Nachkriegsjahren durchgeführten Entnazifizierungsmaßnahmen finden sich immer mehr ehemalige Nationalsozialisten im Bereich der Österreichischen Bundesforste. Dies verdeutlicht auch die Auswertung des für das Jahr 1955 gebildeten Untersuchungssamples (gesamt 530 Personen).
274 ÖStA/AdR, BMLF, ÖBF-Personal Allg., Kt. 21, Band 3, GZ 7535-Pr./48 (in GZ 7790-Pr./48) 275 Stiefel, Entnazifizierung in Österreich, S. 131.
103
1.5. Entnazifizierung
NSDAP-Mitgliedschaft (inkl. Anwärter und Antragsteller) / Mitgliedschaft in einem Wehrverband / Parteifunktionen im Untersuchungssample 1955 NSDAP-Mitglieder (inkl. Anwärter und Antragsteller), „Alte Kämpfer“ und „Illegale“ Untersuchungssample NSDAP-Mitglieder, „Alte Kämpfer“ 1955 (inkl. Anwärter, und „Illegale“ Antragsteller) unter den NSDAPParteigängern
„Alte Kämpfer“ und „Illegale“ im Untersuchungssample 1955
530 (Gesamt)276
170 (32 %)
305 (58 %)
170 (56 %)
Insgesamt finden sich im Untersuchungssample 1955 305 ehemalige „Parteigänger“ der NSDAP. Dabei handelt es sich in den überwiegenden Fällen um ehemalige Mitglieder der NSDAP. Von 15 Personen der 305 Personen ist nur eine „Parteianwartschaft“ bzw. ein Aufnahmegesuch bekannt, das in drei Fällen abgewiesen wurde. D. h., ihr Anteil lag bei 58 %. 170 der 305 ehemaligen „Parteigänger“ der NSDAP zählten zu den „Alten Kämpfern“ oder „Illegalen“ (darunter auch solche, die mit dem fiktiven Aufnahmedatum 1.5.1938 in die NSDAP aufgenommen wurden), ihr Anteil an den ehemaligen „Parteigängern“ der NSDAP betrug somit 56 %, in Hinblick auf das gesamte Untersuchungssample 1955 lag er bei 32 %. Mitgliedschaften in einem Wehrverband / Parteifunktionen277 Untersuchungssample SA-Mitglieder SS-Mitglieder 1955
530
67 (13 %)
18 (3 %) (darunter 2 fördernde Mitglieder der SS)
Parteifunktionen Blockhelfer, Blockleiter, Zellenleiter (kommissarischer) Ortsgruppenleiter, Presseleiter, Kassier etc. 86 (16 %)
276 Bis auf eine Person war zu allen hier erfassten Personen ein Geburtsdatum vorhanden, was eine gute Basis für deren Überprüfung in den Mitgliederkarteien der NSDAP bot. 277 Darüber hinaus sind noch Funktionen in der DAF (Deutsche Arbeitsfront) und im NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) bekannt.
104
1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Zudem wurden 67 ehemalige SA-Mitglieder, 18 ehemalige SS-Mitglieder und 86 Personen, die eine Parteifunktion ausgeübt haben, gezählt. 1955 lag der Anteil an ehemaligen Nationalsozialisten unter den Bediensteten der Österreichischen Bundesforste somit beinahe in einer Größenordnung, wie sie für das Untersuchungssample 1939 (und das Untersuchungssample 1937) berechnet wurden. Dabei handelte es sich aber nur zu einem Teil um jene Personen, die 1939 dokumentiert wurden, was u. a. darauf zurückführbar ist, dass sich im Untersuchungssample 1939 auf Basis der Neuorganisation der Reichsforstverwaltung nicht nur ehemalige Beschäftigte der Österreichischen Bundesforste befanden und in den Folgejahren, d. h. sowohl nach 1939 als auch nach 1945, mit dem Ende der Entnazifizierung, „neue Nationalsozialisten“ in die Österreichischen Bundesforste kamen.278 Während man im Jahr 1945 bestrebt war, dass sich in der obersten Führungsebene der Österreichischen Bundesforste keine Nationalsozialisten befinden – wenn auch große Teile des Personalkaders dieselben blieben – finden sich nun auch im Direktorium der Österreichischen Bundesforste ehemalige Mitglieder der NSDAP. Beispiele, die dies illustrieren, sind etwa Josef Jankowitsch, von 1952 bis 1964 technischer Direktor, Rudolf Heindl, kommerzieller Direktor der Österreichischen Bundesforste von 1965 bis 1972, und sein Nachfolger, der spätere Landwirtschaftsminister Günter Haiden.279 Jankowitsch scheint in den Mitgliederkarteien der NSDAP als Parteimitglied seit 1940 auf.280 Heindl ist hier mit dem Aufnahmedatum 1. Mai 1938 und der Mitgliedsnummer 6.231.310 verzeichnet, d. h. ihm wurde vom NS-Staat eine illegale Betätigung für die NSDAP bescheinigt.281 Günter Haiden wurde 1944 18-jährig mit der Nummer 9.851.575 Mitglied der NSDAP und wird in der Studie des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands über den Bund Sozialistischer Akademiker und seine Rolle bei der gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten thematisiert.282 Spätestens mit dem Einzug ehemaliger NSDAPMitglieder in das Direktorium der Österreichischen Bundesforste war die Entnazifizierung im Bereich der Österreichischen Bundesforste endgültig beendet. 278 Ein Abgleich der beiden Untersuchungssamples hat ergeben, dass 186 Personen, die im Rahmen des Untersuchungssamples 1955 erfasst wurden (insgesamt 530 Personen) auch im Untersuchungssample 1939 (insgesamt 612) aufscheinen (35 %). 279 In der Studie wurden die Mitglieder des Direktoriums der Österreichischen Bundesforste bis 1975, bis zum Erscheinen der Festschrift über das 50-jährige Bestehen der Österreichischen Bundesforste, überprüft. 280 Fachbibliothek für Zeitgeschichte, Universität Wien, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Jankowitsch, Josef (23.02.1899) 281 Fachbibliothek für Zeitgeschichte, Universität Wien, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Heindl, Rudolf (28.02.1907) 282 Neugebauer / Schwarz, Der Wille zum aufrechten Gang, S. 164–166.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
105
Insgesamt kann hinsichtlich der Entnazifizierung im Bereich der Österreichischen Bundesforste festgestellt werden, dass all jene Personen, die – im Gegensatz zu Julius Güde oder Alfons Mauser – keine allzu exponierte Funktion in der Reichsforstverwaltung, der NSDAP oder im NS-Staat eingenommen hatten, gute Chancen auf eine Weiterbeschäftigung nach 1945 hatten und hierbei auch auf die Unterstützung der Österreichischen Bundesforste zählen konnten.283 So heißt es auch in einer Information der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 12. Mai 1952 an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft im Hinblick auf die nicht erfolgte Wiedereinstellung von Alfons Mauser, „dass die Generaldirektion hinsichtlich der Übernahme von ehem. Mitgliedern der NSDAP, soweit solche Übernahmen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen überhaupt möglich waren, in äußerst großzügiger Weise vorging und hierbei oft wesentliche Schwierigkeiten zu überwinden hatte“. Sie habe „in unzähligen Fällen und meist durch mehrfache Vorstellungen und größtem Nachdruck im Bundeskanzleramt für eine positive Entscheidung interveniert“ und „mit wenigen Ausnahmen auch hiebei Erfolgt gehabt“. Dass in Einzelfällen keine „aufrechte Entscheidung getroffen wurde, hatte den Grund entweder darin, dass das Bundeskanzleramt den Anträgen der Generaldirektion die Zustimmung versagt oder daß die betreffenden Bediensteten, sei es formell nach dem Verbotsgesetz, sei es durch ihre gehobene Stellung in der NSDAP politisch so belastet waren, dass eine Antragstellung oder Zustimmung nicht möglich war.“ 284
1.6. Biographische „Fallbeispiele“: Österreichische Forstleute während des Nationalsozialismus und in der Entnazifizierung Zur Exemplifizierung der soeben allgemein dargestellten Entwicklung im Personalbereich der Österreichischen Bundesforste bzw. der Reichsforstverwaltung sollen in Folge einige ausgewählte „Fallbeispiele“ dienen. Bei der Auswahl der Einzelbiographien wurde einerseits darauf geachtet, die unterschiedlichen angesprochenen Bereiche (Involvierung in den Nationalsozialismus, politisch motivierte Veränderungen nach dem März 1938, „rassisch“ motivierte Enthebungen, Widerstand und Entnazifizierung) ebenso zu berücksichtigen, 283 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass neben Mauser auch die anderen eingangs genannten Leiter der Regierungsforstämter (Markus Vasold, Oskar Schröder, Karl Starkel) nicht im Personalstand der Österreichischen Bundesforste nach 1945 aufscheinen. Vgl.: Archiv der ÖBF, Sozialversicherungs liste (Personalaktenverzeichnis) der ÖBF. 284 Archiv der ÖBF, Personalakt von Alfons Mauser.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
wie auf die zentralen Akteure (etwa im Amt des Beauftragten für das Forstwesen, bei den „Arisierungen“ oder in der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste nach 1945) einzugehen. Quellenbedingt – nur in vereinzelten Fällen sind noch Personalakten bei den Österreichischen Bundesforsten vorhanden – war die Verfassung einer ausführlichen Biographie (wie im Fall von Jakob Stoiber, Ernst Lesser oder Franz Hackermüller) jedoch nicht immer möglich; einige wichtige Daten können aber auch hier genannt werden. Bitterlich, Walter Walter Bitterlich, der aufgrund seiner Leistungen im Bereich der Forstwirtschaft wiederholt als „Einstein der Forstwirtschaft“ bezeichnet wurde, befand sich von 1935 bis 1967 – bis zu seiner Berufung als Ordinarius der Lehrkanzel für Ertragslehre an der Universität für Bodenkultur – im Dienst der Österreichischen Bundesforste.285 Geboren am 19. Februar 1908 in Reutte (Tirol) absolvierte er nach der Ablegung der Matura die Universität für Bodenkultur und wurde im August 1935 – nachdem er zuvor auch seine Praxiszeit bei den Österreichischen Bundesforsten verbracht hatte – als Vertragsangestellter in den Dienst der österreichischen Bundesforste aufgenommen und im Oktober 1938 ins Reichsbeamtenverhältnis übergeführt. Tätig war Bitterlich bei den Österreichischen Bundesforsten und der Reichsforstverwaltung in verschiedenen Funktionen und Forstverwaltungen, darunter in den Forstverwaltungen Attergau, Reutte, Piesendorf, Zell am See und Hallein. In die NSDAP wurde Walter Bitterlich mit 14. Mai 1933 und der Mitgliedsnummer 511.075, die später durch die Nummer 1.618.531 ersetzt wurde, aufgenommen,286 wobei Bitterlich in einem Personalfragebogen vom 23. Mai 1938 ausführte, die Beitragsleistung aufgrund von Versetzungen zwar mehrmals unterbrochen zu haben, aber nicht ausgetreten zu sein. Lediglich zwecks der „Durchsetzung“ seiner Anstellung habe er eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, nie einer „verbotenen politischen Partei“ angehört zu haben. Von der Ortsgruppe Steinbach am Attersee wurde Bitterlich hierauf als „politisch vollkommen einwandfrei“ bezeichnet und seine illegale Mitgliedschaft bestätigt. Eine „offensichtlich nationalsozialistische Einstellung“ wurde Bitterlich in mehrfacher Hinsicht auch in anderen „politischen Gutachten“ zugeschrieben, die im Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Forstmeister zu sehen sind. So wurde eine solche Einstellung 285 Information der Österreichischen Bundesforste vom 12.2.2008. 286 Fachbibliothek für Zeitgeschichte, Universität Wien, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Bitterlich, Walter (19.02.1908). Abweichend von der ersten genannten Mitgliedsnummer wird im „Gauakt“, in einer nachträglich angebrachten händischen Korrektur des Fragebogens vom 23.5.1938 auch die Mitgliedsnummer 13.333 und das Eintrittsdatum 15.5.1933 genannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die in der Mitgliederkartei genannten Angaben stimmen.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
107
von der Ortsgruppe Krottenbach (Wien) im September 1939 in Hinblick auf seine Studienzeit bestätigt und vom Gaupersonalamt im November 1939 festgehalten, dass sich Bitterlich „für politische Belange zwar nicht exponiert“ habe, er aber „schon vor dem Umbruch nationalsozialistisch ausgerichtet“ war. Bitterlichs Ernennung zum Forstmeister wurde somit zugestimmt.287 Nach dem Ende des NS-Staates wurde Bitterlich mit Bescheid des ehemaligen Landesforstamtes Innsbruck vom 23. März 1946 aufgrund seiner illegalen Mitgliedschaft in der NSDAP aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Als mit dem Nationalsozialistengesetz 1947 von der Illegalität als entscheidendem Kriterium in der Entnazifizierung abgegangen und Bitterlich als „minderbelastet“ registriert worden war, wurde seine Entlassung durch den Liquidator im März 1948 mit 18.2.1947 aufgehoben.288 Seine Übernahme in den Personalstand der Österreichischen Bundesforste gem. § 7 Beamtenüberleitungsgesetz wurde im Dezember 1948 von der Generaldirektion gegenüber dem Landwirtschaftsministerium und von diesem in Folge gegenüber dem Bundeskanzleramt befürwortet und vom Bundeskanzleramt im September 1949 rückwirkend mit 1948 genehmigt.289 Viktor Czerny Einer der wenigen Widerstandskämpfer, der im Rahmen der Studie dokumentiert werden konnte, ist Viktor Czerny. Interessant ist seine Biographie v. a. deswegen, weil er sich vom „Parteigänger“ der NSDAP zu dessen Gegner entwickelte bzw. die vorhandenen Unterlagen diesen Schluss nahelegen. Czerny, geboren am 24. Juni 1896 in Prerau in Mähren, wurde erstmals im Jahr 1932 mit der Mitgliedsnummer 1.086.706 im Bereich der Ortsgruppe Wien-Döbling in die NSDAP aufgenommen, gelangte vermutlich aber nie in den Besitz seiner Mitgliederkarte, da er im Personalfragebogen Ende Dezember 1938 nicht angab, Mitglied der NSDAP zu sein. Seine Aufnahme in die NSDAP im Jahre 1932 wurde daher nachträglich für ungültig erklärt und Czerny nach einem neuerlichen Aufnahmegesuch mit 1.1.1940 und der neuen Mitgliedsnummer 7.897.329 bei einer Zuteilung zur Ortsgruppe Kramsach (Gau Tirol-Vorarlberg) in die NSDAP aufgenommen.290 287 ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 105.319, Bitterlich, Walter (19.2.1908) 288 ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., 1948, ÖBF-Personal Allg., Kt. 21, Bd 1 (1–3000), GZ 1897-Pr./48. 289 ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., 1949, ÖBF-Personal, Allg., Kt. 22, Bd 1 (GZ 1–1000), GZ 313-Pr/49 und Band 4 (GZ 5401–7.300), GZ 5535-/Pr. 49 sowie ÖStA/AdR, BKA, Personalstandsverzeichnisse, ÖBF-Personalstand mit 1.1.1953. Im Personalstandsverzeichnis wird als Datum der Überleitung der 12.7.1948 genannt. 290 BArch (ehem. BDC), PK, Czerny, Viktor (24.6.1896) sowie Universität Wien, Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Czerny, Viktor (24.6.1896).
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Im letzten Kriegsjahr gründete er, wie Adelheid Lettner in ihrer Arbeit über „Österreichische Forstleute im Widerstand gegen das NS-Regime 1938–1945“ ausführt gemeinsam mit anderen „österreichisch-gesinnten Männern aus Ried [in Tirol] und den umliegenden Gemeinden“, wo er als Forstmeister des Forstamtes Ried I tätig war, eine Freiheitsbewegung, deren Ziel es war, den „Widerstand gegen das herrschende Naziregime … und eine Invasion deutscher Truppen zu aktivieren und die Übernahme der Macht durch die österreichische Freiheitsbewegung mit bewaffneter Hand zu erzwingen“. Aktiv wurde die Widerstandsgruppe dahingehend, dass sie versuchte, Tiroler Standschützen zu überreden, ihren Einrückungsbefehlen nicht nachzukommen und indem sie einen Proviant-Transport aus Italien an der Weiterfahrt zu den deutschen Verteidigungslinien im Norden hinderte bzw. so auf den zuständigen Kommandanten einwirkte, dass dieser seinem Befehl nicht nachkam und die Verpflegung stattdessen der örtlichen Bevölkerung und dem Lazarett in Zams zur Verfügung stellte. Schließlich plante die Gruppe um Czerny für den 1. Mai 1945 auch den Beginn einer „Aktion zur Machtübername durch die österreichische Freiheitsbewegung“, wozu ein eigenes Programm ausgearbeitet wurde. Insbesondere sollte auch die bevorstehende Sprengung einiger verkehrswichtiger Brücken durch das NS-Regime verhindert werden. Durch den Rückzug deutscher Soldaten, die in Ried Halt machten, musste die Aktion jedoch aufgeschoben werden und wurde durch die Ermordung Czernys am 2. Mai 1945 bzw. der Verhaftung weiterer Mitglieder der Widerstandsgruppe schließlich völlig vereitelt. Czerny wurde, nachdem die örtlichen nationalsozialistischen Machthaber von der Existenz der Widerstandsgruppe erfahren hatten, am Abend des 2. Mai 1945 auf der Flucht in seinem Garten erschossen.291 Leopold Fux Leopold Fux im Rahmen einer biographischen Fallstudie zu behandeln, ist nicht nur deswegen interessant, weil er in allen drei der Studie zugrunde liegenden Untersuchungssamples aufscheint, sondern weil seine endgültige Überführung in den Reichsforstdienst – da an seiner politischen Zuverlässigkeit gezweifelt wurde – Jahre dauerte. Leopold Fux, geboren am 5. August 1891, war seit 1926 bei den Österreichischen Bundesforsten beschäftigt. Im Frühjahr 1938 hatte er die Funktion eines Chefbuchhalters inne, wurde als solcher, da er als Funktionär der Vaterländischen Front bekannt war und als „politisch unzuverlässig“ galt, aber mit einem Schreiben des Beauftragten des Reichsforstmeisters vom 3. September 1938 abgesetzt und in ein anderes Referat versetzt. Gleichfalls wurde eine Untersuchung nach § 4 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums eingeleitet. 291 Lettner, Österreichische Forstleute im Widerstand gegen das NS-Regime 1938–1945, S. 53–58.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
109
Mit 1. April 1939 wurde Fux dem Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen zugeordnet. Dass eine Verurteilung nach § 5 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums, der politisch motivierte Versetzungen regelte, erfolgt sei, wurde Fux durch ein Schreiben des Reichsstatthalters vom 30. Mai 1939 und ein Schreiben des Reichskommissars für die Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich vom 22. Dezember 1939 mitgeteilt. Immerhin konnte – so Fux 1945 – durch eine Intervention des Beauftragten des Reichsforstmeisters aber verhindert werden, dass eine Entlassung nach § 4 Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums erfolgte, die von Seiten des Reichsstatthalters angestrebt worden sei. Mit 1. Jänner 1940 wurde Fux, der bis dato vorläufig aufgrund seines alten österreichischen Dienstvertrags beschäftigt war, aufgrund einer Weisung des Reichsforstmeisters vom 12. Dezember 1939 ins Reichsbesoldungsrecht, allerdings in eine niedere Gehaltsstufe, übernommen. Bereits im Dezember desselben Jahres wurde ihm aber, da man immer noch an seiner „politischen Zuverlässigkeit“ zweifelte, durch ein Schreiben des Amts für Forsteinrichtung und Bauwesen im Lande Österreich (gezeichnet von Julius Güde) eine Kündigung per 30. September 1941 in Aussicht gestellt, worauf Fux – wie dieser 1945 ausführte – schwer erkrankte. Interessant ist hierbei, dass der Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich – auch in Hinblick auf dessen „Sonderaufgaben“ – bereits im Februar 1940 keine Bedenken gegen eine Übernahme ins Reichsbeamtenverhältnis mehr anmerkte, diese aber vermutlich deshalb unterblieb, da ihm die Gauleitung Wien, Amt für Beamte, noch immer ein negatives politisches Zeugnis ausstellte. Zu den eben genannten „Sonderaufgaben“ von Fux zählte auch die „Abrechnung von Arisierungen“ bzw. „die Gebarensprüfung und kassentechnische Einrichtung der von den Reichsforsten übernommenen Judengüter und sonstigen Waldgütern“. Seine Überleitung als Regierungsoberinspektor ins Reichsbeamtenverhältnis erfolgte rückwirkend mit 1. Oktober 1938 erst durch einen Erlass des Reichsforstmeisters vom 15. Mai 1942. Entscheidend hierfür war, dass die Gauleitung Niederösterreich bzw. die Kreisleitung Baden, wo Fux wohnhaft war, 1941 bestätigt hatte, dass dieser „politisch und moralisch“ einwandfrei sei. Fux, der seit Februar 1941 auch die Funktion eines Blockwarts ausübte, wurde im Juni 1942 – so die Angaben in seinem Personalakt – mit der Nummer 8.545.984 in die NSDAP aufgenommen. Parallel mit seiner Aufnahme ins Reichsbeamtenverhältnis wurde er auch einer neuen (höheren) Besoldungsgruppe zugeteilt – zuvor hatte es mehrfach Schreiben von Fux gegeben, in denen er gegen die alte Zuordnung protestierte und diese als Herabsetzung qualifizierte. 1943 wurde ihm auch von der Gauleitung Wien/Amt für Beamte attestiert, dass „seine positive Einstellung zum ns. Staat“ und zur Partei […] nicht mehr angezweifelt werden kann“.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Nach dem Ende des NS-Regimes kehrte Fux vorerst auf Basis eines provisorischen Beschäftigungsverhältnisses in seine alte Funktion als Hauptbuchhalter der Österreichischen Bundesforste zurück. Im Jänner 1946 sprach sich die bei der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste eingesetzte Sonderkommission unter dem Vorsitz von Jakob Stoiber dafür aus, dass Fux „die Gewähr dafür bietet, sich jederzeit rückhaltlos für die Republik Österreich einzusetzen“. Anzumerken ist dabei, dass stets nur von einer Anwartschaft in der NSDAP gesprochen und betont wurde, dass er sich nur deshalb um eine Aufnahme in die NSDAP bemüht habe, da ansonsten seine „weitere Verwendung“ nicht gesichert gewesen wäre bzw. er nur so die ausgesprochene Kündigung abwenden konnte. Entsprechende Schreiben, aus denen dies explizit hervorgeht, fehlen heute jedoch im Personalakt. Vielmehr stellt es sich hier – vor dem Hintergrund, dass an der „richtigen“ politischen Einstellung von Fux gezweifelt wurde – als dessen eigene Entscheidung dar, um seine Übernahme ins Reichsbeamtenverhältnis und in eine neue Besoldungsgruppe zu erreichen. 1947 wurde Fux auf Basis der neuen Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes als „minderbelastet“ eingestuft. Ein Gnadengesuch um eine Nachsicht von den Sühnefolgen wurde von Seiten der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste gegenüber dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft am 16. Oktober 1947 auch dahin gehend wärmstens befürwortet, als er es nach der Befreiung übernommen hatte, „die einzelnen Forstkassen zu liquidieren und in der Buchhaltung der Generaldirektion nach dem früheren System wieder zusammenzufassen.“ Eingesetzt hat sich die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste für eine Überleitung von Leopold Fux ins Beamtenverhältnis in Folge auch gegenüber dem Bundeskanzleramt, das seiner Übernahme mit 26. Juni 1949 zustimmte und bereits Anfang Juni 1949 einen Sondervertrag mit Fux genehmigt hatte, der den verantwortungsvollen Aufgaben von Fux (Erstellung von Bilanzen für die Österreichischen Bundesforste, Kontrolle über die Geschäftsgebarung der Forstverwaltungen etc.) Rechnung tragen sollte. 1953 wurde Leopold Fux, dessen Sondervertrag mit 1. Juli 1948 in Kraft trat, vom Bundespräsident der Titel Regierungsrat verliehen; mit Ende 1956 wurde er pensioniert.292 Julius Güde Julius Güde scheint in der Studie in verschiedener Hinsicht als zentraler Akteur auf. Er leitete das Amt des Beauftragten für das Forstwesen sowie das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen und fungierte als Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, womit 292 Archiv der ÖBF, Personalakt von Leopold Fux und ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 140359, Fux, Leopold (5.8.1891), ÖStA/AdR, BKA, Personalstandsverzeichnisse, ÖBF-Personalstand mit 1.1.1953.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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er eine wichtige Rolle in der Vergrößerung des Liegenschaftsbesitzes der Reichsforstverwaltung spielte. Da auf Güde in seiner Funktion als Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben ausführlich in Kapitel 3 eingegangen und hier auch eine Charakterisierung von Güde in dieser Funktion vorgenommen wird und bereits erwähnt wurde, dass dem Amt des Beauftragten für das Forstwesen in Österreich auch eine wichtige Schnittstelle im Personalbereich zukam, beschränkt sich die folgende biographische Darstellung neben dem beruflichen Werdegang Güdes v. a. auf sein Verhältnis zum Nationalsozialismus und sein Vorgehen im Rahmen der Entnazifizierung. Julius Güde, geboren am 4. Oktober 1885, absolvierte die Hochschule für Bodenkultur in Wien und trat 1907 in den Staatsdienst ein. Bis Ende 1914 war er bei der K.KForst- und Domänenverwaltung in Görz bzw. der K.K-Forst- und Domänenverwaltung Idria und der dortigen Försterschule tätig. Von August 1914 bis Februar 1918 war er Forstund Domänenverwalter der Forst- und Domänenverwaltung Dol im Ternowanerwalde (und als Holzbeschaffungsreferent für dieses Gebiet dem Kommando der Isonzoarmee im Landsturmdienst am Zivilposten unterstellt), von Februar 1918 bis 1923 Forstmeister des Forstamtes Obervellach in Kärnten. Im Juli 1923 wurde er in das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft einberufen, wo er neben der Bearbeitung anderer forstwirtschaftlicher Angelegenheiten das Referat für Forsteinrichtung in den Bundesforsten erhielt. Nach der Gründung der Österreichischen Bundesforste im Jahr 1925, an deren Etablierung Güde im Vorfeld auch mitgewirkt hatte, wurde er zum Leiter der Forsteinrichtungsabteilung in der Generaldirektion bestellt und 1930 zum wirklichen Hofrat ernannt.293 Ein weiterer Karrieresprung folgte nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Ende April 1938 wurde Julius Güde von Anton Reinthaller zu seinem Stellvertreter als Landesforstmeister von Österreich und Leiter der künftigen österreichischen Landesforstverwaltung bestellt, worüber Güde – vorbehaltlich einer endgültigen Bestellung durch die zuständige Reichsstelle – am 13. Mai 1938 informiert wurde. Nachdem Reinthaller durch eine Bekanntmachung des Reichsforstmeisters vom 20. Juli 1938 zum Beauftragten des Reichsforstmeisters für das Forstwesen im Land Österreich bestellt wurde, scheint Julius Güde auch als Leiter des Amts des Beauftragten des Reichsforstmeisters auf. Zuständig war der Beauftragte des Reichsforstmeisters – wie bereits ausgeführt wurde – für die „Überleitung der Geschäfte im Lande Österreich“. Seine Bestellung zum Stellvertreter Reinthallers als Beauftragter für das Forstwesen im Lande Österreich führte Güde in einem Memorandum vom 5. Oktober 1945 „betreffend die Tätigkeit des OLFm Dipl.Ing. Julius Güde während der Zugehörigkeit Österreichs 293 Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
zum Deutschen Reich März 1938 bis Mai 1945“ lediglich auf seine Fachkompetenz und nicht auf „Parteiprotektion“ zurück. Intention des Memorandums, in dem sich Güde als Opfer der Entnazifizierung darstellte und seine Rolle in der Reichsforstverwaltung herunterspielte, war eine Wiederbeschäftigung bei den Österreichischen Bundesforsten. Es ist daher stets kritisch vor diesem Hintergrund zu lesen und zu hinterfragen und steht in einem krassen Gegensatz zu Artikeln von Güde aus der NSZeit in fortwirtschaftlichen Medien, in denen er sich begeistert vom „Anschluss“ zeigte und davon sprach, dass der „Umbruch“ auch hinsichtlich der Neuorganisation des Forstwesens „die Erfüllung aller unserer Wünsche in vollem Maße gebracht“ habe.294 Hier, d. h., in seinem Memorandum vom 5. Generalforstmeister und Staatssekretär Oktober 1945, führte Güde aus, dass für seine im Reichsforstamt Staatssekretär Friedrich Bestellung zum Stellvertreter Reinthallers – Alpers als Ritterkreuzträger Güde bezeichnet dies 1938 als „Ehre“295 – ein Treffen mit Ministerialdirektor Erb aus Berlin verantwortlich gewesen sei. Dieser habe – so Güde 1945 – offenbar seine „langjährigen Erfahrungen ungeachtet seiner zum Teil gegensätzlichen Ansichten über die zweckmäßigste Forstorganisation zu schätzen gewusst“. Sein Beitritt zur NSDAP sei nur erfolgt, da ihm höhere Beamte des Reichsforstamtes zu verstehen gaben, dass es ein „ausdrücklicher ‚Wunsch‘ des Reichsforstmeisters in Berlin“ sei, „dass nur Parteigenossen auf leitende Posten berufen bezw. belassen werden“. Zudem habe sich Generalforstmeister Alpers mit seiner Bestellung nur unter der Voraussetzung einverstanden gezeigt, dass er – sofern er dies nicht ohnehin schon sei – Parteigenosse werde. 296 294 ����������������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. hierzu: Julius Güde, Die Forstwirtschaft der Ostmark im Dritten Reich, in: Österreichische Vierteljahresschrift für das Forstwesen, Band 88, 1938, S. 164–175 (hier S. 172) sowie Julius Güde, Die Entwicklung der ostmärkischen Forstverwaltung, in: Der deutsche Forstwirt, Band 22, Nr. 49/50, 1940, S. 393–396 sowie Nr. 51/52, 1940, S. 409–412. 295 Güde, Forstwirtschaft der Ostmark im Dritten Reich, S. 173. 296 Memorandum betreffend die Tätigkeit des OLFm. Dipl.-Ing. Julius Güde während der Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich März 1938 bis 1945, in: Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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Güde habe sich daher um eine Aufnahme in die NSDAP bemüht, wobei nicht uninteressant ist, dass er hinsichtlich seines Beitritts zur NSDAP im genannten Memorandum ausführt, dass er als Beamter bereits während des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes die Erfahrung gemacht habe, „dass die Staatsbeamten, welche nicht unangenehm auffallen oder gar ihre Stellung verlieren wollten, sich der jeweils herrschenden Parteiorganisation anschließen müssen“. Auch sei in Wien damals die Meinung vorherrschend gewesen, dass „im nationalsozialistischen Staat nur Parteigenossen leitende Stellungen innehaben werden“ und seine Weigerung, der Partei beizutreten, „wahrscheinlich die Folge gehabt“ hätte, dass er sich „fernerhin mit dem Posten eines zugeteilten Dezernenten hätte begnügen müssen“ – ein Umstand, der ihm „nach mehr als 12-jähriger Tätigkeit in selbständiger Leiterstellung der größten Abteilung der Generaldirektion der ÖBF (Forsteinrichtungsabteilung) doch nicht ganz gleichgültig sein“ konnte. Nicht schwergefallen sei ihm der Beitritt zur NSDAP aber auch deshalb, weil sich viele Forstleute angesichts der Holzkrise in Österreich durch den „Anschluss“ eine Verbesserung der Situation der Forstwirtschaft in Österreich und ihrer wirtschaftlichen Lage erhofften und ihm manche „Gedanken der national-sozialistischen Lehre, z.B. Volksgemeinschaft anstatt Klassenkampf, ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz‘ [...] die Wertschätzung der kinderreichen Familien [...] u. a. keineswegs als absurd und von vornherein abwegig“ erschienen seien.297 Als ihn sein Schneidermeister als der für seinen Wohnbereich zuständige Blockwart darauf aufmerksam gemacht habe, dass eine Aufnahmesperre bevorstünde, habe er daher sein Angebot angenommen, ihm schnellstens zu einer Mitgliedschaft in der NSDAP zu verhelfen. Vom Schneidermeister sei ihm bereits bei der genannten Unterredung gesagt worden, dass er sich als Parteimitglied betrachten könne, ein Anmeldeformular habe er aber erst einige Wochen später, vermutlich Ende April, und eine vorläufige Mitgliedskarte als Parteianwärter im Juni 1938 erhalten. Vordem habe es – so Güde 1945 – „keinerlei Verbindungen mit der illegalen Partei gegeben“. Ihn als „Illegalen“ zu behandeln, wäre daher „vollkommen ungerecht“. Wann die Aufnahme in die Partei genau erfolgt sein soll, konnte Güde im Memorandum vom 5. Oktober 1945 nur mehr ungefähr mit „einem Datum der zweiten Hälfte Mai 1938“ bezeichnen, während ihm die Mitgliedsnummer 6.151.093 noch in Erinnerung war und er angab, das Parteibuch erst im Verlauf des Jahres 1941 oder 1942 erhalten zu haben.298 Ergänzend und korrigierend musste Güde dem – im Hinblick darauf, dass die einstigen Mitgliederkarteien der NSDAP in München gefunden worden waren und die Unterlagen in seinem Personalakt von seinen Angaben im Memorandum abwichen – im 297 Ebenda. 298 Ebenda.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Jänner 1946 hinzufügen, dass sein Schneidermeister seine Eintrittsmeldung vordatiert habe, um ihm einen Eintritt in die Partei trotz Aufnahmesperre zu ermöglichen. Dieses Datum, ungefähr den 20. Februar 1938, habe er auch in dem in seinem Personalakt einliegenden Fragebogen „irrtümlich“ angegeben, obwohl er erst später Parteianwärter geworden sei. Erfolgt sei diese „Falschaussage“ auch darum, weil er „gegenüber den illegalen Kollegen […] nicht durch das Eingeständnis, erst in die Partei aufgenommen werden zu müssen [...] in Nachteil geraten wollte“ und dadurch seinen „Anspruch auf eine leitende Stelle zu verlieren“. Hinter seinem Handeln wäre aber nicht persönlicher Ehrgeiz – so ein weiterer Legitimierungsversuch Güdes – sondern lediglich die Überlegung gestanden, mit seinem reichen Wissen über die Forstwirtschaft weiterhin seinem Vaterland zu dienen, da sonst ein anderer „aus Parteiprotektion oder gar ein Beamter aus dem Altreich gekommen wäre“.299 Wenn Güde 1945 auch alles daran setzte, eine illegale Betätigung für die NSDAP zu bestreiten, war es ihm demgegenüber 1938 jedoch durchaus als förderlich erschienen, als illegaler Parteigänger der NSDAP zu gelten und dessen bevorzugte Behandlung im NSStaat zu erfahren. Wie von Güde 1946 ausgeführt wurde, hatte er in einem Personalfragebogen im Mai 1938 angegeben, am 15. Februar 1938 in die NSDAP eingetreten zu sein und Mitglied einer „Betriebs-S.A. der GenDion der Staatsforste (Reserve)“ zu sein.300 In Folge wurde Güde als illegales Mitglied bestätigt und mit dem Aufnahmedatum 1. Mai 1938 und der Mitgliedsnummer 6.151.093 als „Illegaler“ in die Partei aufgenommen. 301 Anzumerken ist dabei, dass bereits in einer politischen Beurteilung der Vaterländischen Front 1937 festgehalten worden war, dass Güde „allseits als nationalsozialistisch eingestellt geschildert wird“, während weitere politische Gutachten aus den Jahren nach 1938 festhalten, dass er vor dem „Umbruch“ politisch nicht in Erscheinung getreten sei, sein derzeitiges Verhalten aber „klaglos“ bzw. er ein „überzeugter Anhänger der Bewegung sei“.302 1939 wurde Güde – nachdem sich sein Name auf einer von Reinthaller in Berlin eingebrachten Liste fand – schließlich auch die „Ostmark-Medaille“ verliehen, die für besondere Verdienste um den „Anschluss“ Österreichs ans „Deutsche Reich“ vergeben wurde.303
299 Ergänzung zum Memorandum des Hofrates Ing. Güde vom 5. Oktober 1945 (datiert mit 17. Jänner 1947), in: Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde. 300 ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 70.352, Güde, Julius (4.10.1885). 301 Universität Wien, Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Güde, Julius, (4.10.1885). 302 ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 70.352, Güde, Julius (4.10.1885). 303 BArch, Z.A. VI 3194 Akte 1, Sammelakten Zentralarchiv.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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Trotzdem Güde von Seiten der NSDAP eine „Illegalität“ beschieden wurde und ihm diese bei seiner Karriere in der Reichsforstverwaltung durchaus nützlich war, machte er in seinem Memorandum vom 5. Oktober 1945 aber gerade die von ihm bestrittene illegale Betätigung für die NSDAP dafür verantwortlich, dass er bei Stellenbesetzungen – wie etwa bei der Besetzung der Leitung des Landesforstamtes in Salzburg – übergangen worden sei und in der Reichsforstverwaltung nicht jene Karriere machen konnte, wie sie den „Alten Kämpfern“ der NSDAP offen stand. Auch wäre nie eine definitive Bestellung zum Stellvertreter Reinthallers erfolgt und er vielmehr im Juli 1938 als solcher wieder abgesetzt worden.304 De facto wurden Güde aber auch in den folgenden Monaten wichtige Funktionen in der Reichsforstverwaltung verbunden mit einer enormen Machtposition übertragen: Mit einem Erlass des Reichsforstmeisters vom 9. März 1939 wurden ihm „eine Reihe von Sonderaufgaben“ – darunter „die Durchführung der Übernahme des jüdischen Forstvermögens in der Ostmark“ – übertragen, die Güde bis zur Liquidation der Einrichtung 1942 ausübte. Als mit 1. April 1939 das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen am früheren Sitz des Amts des Beauftragten des Reichsforstmeisters seine Tätigkeit aufnahm, wurde Güde auch zum Leiter dieser neuen Einrichtung bestellt. Zudem war Güde – wie bereits in den Jahren zuvor – auch nach 1938 Mitglied und Vorstand der Prüfungskommission für den forsttechnischen Staatsdienst bzw. für die Große Staatsprüfung und – mit Zustimmung des Reichsforstmeisters – ab dem Wintersemester 1941 auch Lehrbeauftragter für Forstgeschichte an der Universität für Bodenkultur in Wien. 1942 erhielt Güde das Treueverdienst-Ehrenzeichen 2. Stufe verliehen, 1943 das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ohne Schwerter; 1944 wurde er als „u.k.“ [unabkömmlich] vom Wehrdienst freigestellt.305 Wesentlich für die Entlassung Güdes aus dem Forstdienst nach dem kriegsbedingten Zusammenbruch des Dritten Reiches war die in § 14 Verbotsgesetz (Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP) festgeschriebene Bestimmung, wonach alle Beamten, Angestellten und Arbeiter der Staates, der Länder, der Gemeinden und öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Stiftungen, Fonds etc., die nach § 10 Verbotsgesetz als „illegal“ anzusehen waren, aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen sind. Verständlich wird hierdurch auch das zitierte Memorandum Güdes vom 5. Oktober 1945, in dem er gerade diese „Illegalität“ bestreitet, aber der Intention des Schreibens, d. h. einer Weiterbeschäftigung bei den Österreichischen Bundesforsten, entsprechend auch festhielt, 304 ��������������������������������������������������������������������������������������� Memorandum betreffend die Tätigkeit des OLFm.Dipl.-Ing. Julius Güde während der Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich März 1938 bis 1945, in: Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde sowie ÖStA/AdR, BKA, Liquidator 1945–1946 Landwirtschaft (1–4), Kt. 28, 2/46, GZ 5362/1946. 305 Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
dass er auf die im Jahre 1938 vom Amt des Beauftragten für die Forstwirtschaft im Land Österreich verfügten Zwangsversetzungen, Pensionierungen und Entlassungen von Beamten und Angestellten keinen Einfluss hatte. Bei der „sogenannten Arisierung des jüdischen Forstbesitzes“ habe er sich hingegen „streng an die diesbezüglichen Verordnungen“ und die an ihn ergangenen Aufträge gehalten, einen persönlichen Vorteil verschafft habe er sich nicht, während als sein besonderer Verdienst angesehen werden könne, dass er sich stets um eine Aufrechterhaltung der alten österreichischen Forsttradition und auch -organisation bemüht habe. Es würde ihn daher umso mehr kränken, wenn „sein Vaterland“ ihm seine „durch 38 Jahre erwiesenen Dienste damit lohnen würde zu verhindern, dass er nun beim Wiederaufbau tätig mithelfen dürfe“.306 Wenn das Memorandum Güdes bei den Österreichischen Bundesforsten auch zu Zweifeln an der „Illegalität“ Güdes führten, konnte es trotzdem nicht verhindern, dass Güde aus dem Personalstand der Österreichischen Bundesforste ausgeschlossen wurde. Nachdem er im Dezember 1945 von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste verständig worden war, dass er nicht mehr Leiter des Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen sei,307 wurde in der Sitzung des vom Ministerrat eingesetzten Komitees zur Entnazifizierung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen vom 2. Februar 1946 die sofortige Enthebung bei einer gleichzeitigen Einstellung des Gehalts beschlossen. Nachdem Generaldirektor Preindl Güde bereits am 12. Februar 1946 über die Entscheidung des Komitees informiert hatte, wurde Güde mit 16. Mai 1946 auch vom Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich mitgeteilt, dass seine Entlassung aufgrund § 14 Verbotsgesetz „von Gesetzes wegen mit 6. Juni 1945 erfolgt ist“. Weiters wurde Güde, der sich zu jener Zeit in Mitterndorf befand, Anfang Juni 1946 auch mitgeteilt, dass im Hinblick auf die Verfügung des Liquidators auch die mit ihm getroffene Vereinbarung hinsichtlich der Durchführung von Einrichtungsarbeiten in der Forstverwaltung Mitterndorf mit sofortiger Wirkung widerrufen werde. Güde bemühte sich daher auch in der Folge darum, die festgestellte Illegalität zu bestreiten und konnte als Zeugen dafür, dass sein Verhalten stets nur an forstwirtschaftlichen Interessen orientiert gewesen sei und er lediglich zum Vorteil der österreichischen Forstwirtschaft gehandelt habe, auch die Generaldirektoren Preindl und Lesser und den Oberbuchhalter Fux anführen. Gleichfalls nannte er in einem Schreiben an den Liquidator vom 12. März 1946 eine Reihe nicht nationalsozialistisch gesinnter Personen, für die er sich in der 306 Memorandum betreffend die Tätigkeit des OLFm. Dipl.-Ing. Julius Güde während der Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich März 1938 bis 1945, in: Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde. 307 Vgl. hierzu: Fallbeispiel Waldgut Sabine Perlberger.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
117
Reichsforstverwaltung eingesetzt habe; 1942 hätte er auch einen ehemaligen KZ-Häftling in seinem Amt aufgenommen.308 Als mit dem Nationalsozialistengesetz 1947 schließlich von der Illegalität als zentralem Kriterium in der Entnazifizierung abgegangen und Güde als „minderbelastet“ registriert wurde, konnte er eine Aufhebung seiner Entlassung erreichen, die durch einen Bescheid des Liquidators im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Juli 1947 erfolgte. In der Folge wurde Güde jedoch nicht mehr in den Personalstand der Österreichischen Bundesforste übernommen, sondern aufgrund seiner hochrangigen Position in der nationalsozialistischen Reichsforstverwaltung in den Ruhestand versetzt. Eine Nachzahlung von Bezügen sollte nicht stattfinden. Im Oktober 1949 wurde von Seiten des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft aber eine Anrechnung der von 13. März 1938 bis 20. April 1945 zurückgelegten Dienstzeiten für die Vorrückung in höhere Bezüge und die Bemessung des Ruhegenusses gewährt, nachdem das Ansuchen Güdes von Seiten der Österreichischen Bundesforste im Hinblick darauf, dass er ein „hervorragender Forstfachmann ist, der namentlich auf dem Gebiete der Forsteinrichtung auf große Erfolge zurückblicken kann“ wärmstens befürwortet worden war.309 Als „Fachmann“ und Auskunftsperson taucht Güde trotz seiner Entlassung – wie etwa der Fall „Gut Zierma – Hilde Horr“ in Kapitel 3 belegt – auch in den Restitutionsverfahren nach 1945 auf. Wie er in seinem Memorandum von 5. Oktober 1945 bestrebt war zu betonen, hatte niemand außer ihm „einen so umfassenden Einblick in die österr. Staats- bezw. Bundesforste“ einschließlich der „neu erworbenen Liegenschaften“.310 Dass Güde nach außen hin auch weiterhin als „Oberlandesforstmeister“ in Erscheinung trat, als wäre er noch in Amt und Würden, verdeutlicht hingegen das Fallbeispiel über das Waldgut Perlberger. Franz Hackermüller Wie Leopold Fux scheint auch Franz Hackermüller in allen drei der Studie zugrunde gelegten Untersuchungssamples auf. Näher auf ihn einzugehen ist v. a. aber deswegen interessant, weil er in Kapitel 3 über den Liegenschaftsbesitz als wichtiger Akteur im Mitarbeiterstab von Julius Güde und in der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste nach 1945 genannt wird.
308 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde sowie ÖStA/AdR, BKA, Liquidator 1945–1946 Landwirtschaft (1–4), Kt. 28, 2/46, GZ 5362/1946. 309 Ebenda sowie ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1949, ÖBF Personal Allg., Kt. 22, Bd. 4, GZ 5578-Pr./49. 310 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Memorandum betreffend die Tätigkeit des OLFm. Ing. Julius Güde während der Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich März 1938 bis 1945, in: Archiv der ÖBF, Personalakt von Julius Güde.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Franz Hackermüller, geboren am 28. Juli 1890, befand sich bereits vor dem „Anschluss“ im Dienst der Österreichischen Bundesforste, wo er ab 1926 als Leiter der Rechtsabteilung fungierte. Nach dem März 1938 war Hackermüller als Rechtsreferent von Julius Güde in dessen Funktion als Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben tätig, dem v. a. die Vermehrung des Liegenschaftsbesitzes der Reichsforste – „Arisierungen“ mit eingeschlossen – oblag. Parteianwärter war Hackermüller – laut einem im Zuge der Beamtenüberleitung ausgefüllten Beurteilungsblatt aus dem Jahr 1948 – seit 1.7.1938, Parteimitglied seit 1.8.1942 mit der Mitgliedsnummer 8.116.887. Eine Funktion in der NSDAP übte Hackermüller nach dem zitierten Beurteilungsblatt nicht aus.311 In der Sitzung des vom Ministerrat eingesetzten Komitees zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazi-Elementen vom 2. Februar 1946 wurde beschlossen, Hackermüller bei gleichzeitiger Einstellung des Gehalts sofort vom Dienst zu entheben.312 Die Sonderkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft entschied mit Erkenntnis vom 19. Jänner 1947 jedoch, dass Hackermüller die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die unabhängige Republik Österreich einzutreten.313 In Folge stimmte das vom Ministerrat eingesetzte Komitee zur Säuberung der leitenden Stellen in Staat und Wirtschaft von Nazi-Elementen in der Sitzung vom 17. Juli 1947 dem Antrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft auf Wiederindienststellung des Oberadministrationsrates Dr. Hackermüller, der als „Minderbelasteter“ registriert war, zu,314 worauf Hackermüller wieder die Leitung der Rechtsabteilung der Österreichischen Bundesforste übernahm. Die Zustimmung des Bundeskanzleramtes zur Übernahme Franz Hackermüllers gemäß § 7 Beamten-Überleitungsgesetz erfolgte im Jänner 1949 mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1948. Im gleichen Monat, im Jänner 1949, stimmte das Bundeskanzleramt auch der Ernennung Hackermüllers zum Hofrat mit Stichtag 1. Jänner 1943 zu; später folgte auch die Genehmigung des Ministerrates. Hinsichtlich Hackermüllers Verhalten in der NS-Zeit wurde im Zusammenhang der Ernennung zum Hofrat seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft festgehalten, dass Hackermüller sich „im Jahre 1938 unter dem Zwange der Verhältnisse um die Aufnahme in die Partei beworben“ habe, „ohne sich jemals illegal betätigt zu haben“. Sein Verhalten während der Zeit zwischen 1938 und 1945 wurde hier „in jeder Beziehung“ als „korrekt“ bezeichnet.315 Nach 1945 war Franz Hackermüller u. a. für die Anmeldung entzogenen 311 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1949, ÖBF-Personal, Allg., Kt. 22, Bd. 1, GZ 768-Pr./49. 312 ÖStA/AdR, BKA, Liquidator 1945–1946 Landwirtsch. (1–4), Kt. 28, 2/46, GZ 212/Pr–46. 313 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1949, ÖBF-Personal, Allg., Kt. 22, Bd. 1, GZ 768-Pr./49. 314 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1945–1948, Nationalsozialisten/Maßnahmen 1945–1948, Kt. 18, Band 2, GZ 4759-Pr/47. 315 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1949, ÖBF-Personal, Allg., Kt. 22, Mappe Personal Allg., Dir. d. ÖBF 1949,
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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Vermögens zuständig. Wie Franz Hackermüller als Rechtsreferent von Julius Güde und nach 1945 im Restitutionsprozess agierte, kann – wie bereits vorausgeschickt wurde – in Kapitel 3 – etwa im Fallbeispiel „Gut Zierma – Hilde Horr“ oder auch im Fallbeispiel „Gut Sommerau“ – nachgelesen werden. Ernst Lesser Ernst Lesser verlangt im Rahmen der Studie in zweierlei Hinsicht Aufmerksamkeit: Zum einen zählt er zu den wenigen im Rahmen der Studie eruierten Personen, die aufgrund „rassischer“ Gründe aus dem Reichsforstdienst ausscheiden mussten, zum anderen nahm er nach 1945 eine zentrale Leitungsfunktion bei den Österreichischen Bundesforsten ein. Ernst Lesser, geboren am 14. Juni 1886, trat nach der Absolvierung der Hochschule für Bodenkultur in Wien am 3. Dezember 1907 als Beamter des höheren forsttechnischen Dienstes in den österreichischen Staatsdienst ein. Bis zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich bekleidete er bei der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste die Funktion eines Inspektionsbeamten, Budgetreferenten und Stellvertreter des technischen Direktors, danach war er beim Landesforstamt Wien tätig.316 Im August 1939 wurde er aufgrund einer Verfügung des Reichsstatthalters in Österreich vom 29. Juli 1939 aufgrund § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums, wonach jüdische Beamte oder „jüdische Mischlinge“ aus dem Staatsdienst zu entlassen sind, in den Ruhestand versetzt. Als „Mischling“ war er bereits auf einer Liste vom 27. Juni 1938 verzeichnet worden, die aufgrund einer Anfrage des Reichsstatthalters an die Generaldirektion des ehemaligen Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste vom 20. Juni 1938 erstellt worden war. 317 In den politischen Beurteilungen des Gaupersonalamtes Wien aus den Jahren 1938 und 1939 ist zwar davon die Rede, dass Lesser ein Interesse für die NSDAP vor dem „Umbruch“ bekundet habe bzw. dass er „auch in der Systemzeit der nationalsozialistischen Bewegung loyal gegenüber eingestellt“ gewesen sei, seine politische Verlässlichkeit aber dadurch beeinträchtigt sei, dass er bisher seine „arische Abstammung“ nicht einwandfrei nachweisen konnte. Für die Entlassung Lessers aus dem Reichsforstdienst waren somit laut NS-Diktion „rassische Gründe“ maßgeblich.318 In der Folge war Lesser als forstlicher Sachverständiger bei der Graf Althann’schen Zentralverwaltung und der Band 1, GZ 193/49 und GZ 768-Pr./49¸ ÖStA/AdR, BKA, Personalstandsverzeichnisse, ÖBF-Personalstand mit 1.1.1953. 316 ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., 1949, ÖBF, Personal Allg., Kt. 22, Bd. 4, GZ 6521-Pr./49. 317 ÖStA/AdR, ÖBF, Sig. 14, 1938, Kt. 263, GZ 5475/1938. 318 ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 9380, Lesser, Ernst (14.6.1886).
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Gutsverwaltung Baumgarten Wien VIII beschäftigt.319 Nach dem Ende des NS-Regimes wurde er durch eine Verfügung des Staatssekretärs für Land- und Forstwirtschaft vom 2. August 1945 mit der provisorischen Führung der Geschäfte eines technischen Direktors, die er bereits seit Juli 1945 ausübte, betraut und gem. § 4 des Beamten-Überleitungsgesetzes im Wege der Rehabilitierung wieder in den Dienststand aufgenommen. Seine definitive Bestellung zum technischen Direktor wurde erst 1949 mit Zustimmung des Ministerrats am 13. Dezember 1949 vorgenommen.320 In der Jubiläumsschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Österreichischen Bundesforste aus dem Jahr 1975 wird er als technischer Direktor bis 31. Jänner 1952 geführt.321 Alfons Mauser Alfons Mauser ist in der vorliegenden Studie bereits in mehrfacher Hinsicht genannt worden: als zentraler Akteur bei den politisch oder „rassisch“ motivierten Entlassungen, Pensionierungen oder Versetzungen im Zuge der nationalsozialistischen „Neuordnung der Arbeit“ im Forstbereich und als Leiter des Regierungsforstamtes – später Landesforstamtes – Innsbruck. Alfons Mauser, geboren am 24. Juli 1898, wurde mit Dienstvertrag vom 17. Jänner 1929 mit Wirksamkeitsbeginn vom 13. September 1928 unter Anrechnung einer Vordienstzeit von 5 Jahren, 3 Monaten und 9 Tagen für den höheren Forstdienst von den Österreichischen Bundesforsten angestellt. Im März 1938 hatte er die Leitung der Forstverwaltung in Reutte inne. Wie er in seinem „Wiedergutmachungsantrag“ 1938 ausführte, wäre er dazu aber „verspätet berufen“ worden, da ihm aufgrund seiner nationalsozialistischen Gesinnung dienstjüngere Kollegen vorgezogen worden seien. Mauser war bereits 1932 mit dem Aufnahmedatum 28. August 1932 und der Mitgliedsnummer 1.212.520 der NSDAP beigetreten.322 In einem Schreiben der Forstverwaltung Reutte an Oberforstrat Vasold in Wien vom 23. März 1938 heißt es zudem – was Mauser nach 1945 bestritten hat –, dass Mauser die Partei in den Gemeinden Faistenau, Hintersee und Ebenau (Salzburg) aufgebaut und im Interesse der Bewegung mehrfach Kurierfahrten nach Berlin, auch zu Feldmarschall Göring, übernommen habe. Beim Landeshauptmann von Salzburg habe dies Mauser, der um seine „Verdienste“ um den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich von Anton Reinthaller später auch für die Ostmark-Medaille 319 Der Fragebogen von Ernst Lesser und anderen befindet sich in: ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21, Mappe Land und Forstw., o. GZ. 320 ÖStA/AdR, BMLF, Präs., 1949, ÖBF, Personal Allg., Kt. 22, Bd. 4, GZ 6521-Pr./49. 321 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 263. 322 Vgl.: Universität Wien, Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, NSDAP-Ortsgruppenkartei, Mauser, Alfons (24.07.1898).
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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Generalfeldmarschall Hermann Göring in seiner Funktion als Reichsjägermeister im Deutschen Jagdmuseum in Nymphenburg am 10. Nov. 1938 gemeinsam mit dem Museumsgründer „Kreistagspräsidenten“ Christian Weber, einem der wenigen Duz-Freunde Adolf Hitlers.
vorgeschlagen wurde,323 den „Ehrentitel ‚Staatsfeind I. Kl.‘ eingebracht. Mit dem Hinweis, dass auf die Ernennung zum Leiter der Forstverwaltung zwar kein Rechtsanspruch bestanden habe, wurde das „Wiedergutmachungsansuchen“ Mausers angesichts seiner Vergangenheit durch den Reichsforstmeister am 23. Dezember 1938 dahin gehend genehmigt, dass Mauser nachträglich die Forstmeisterzulage für jenen Zeitraum gewährt wurde, für den er aus „politischen Gründen“ verspätet zum Forstmeister ernannt wurde. Eine neue einflussreiche Position wurde Mauser im Frühjahr 1938 übertragen. Auf grund der Durchführungsanweisung zur Berufsbeamtenverordnung wurden Unter suchungsausschüsse beim Reichsstatthalter (für die ehemaligen Beamten der Österreichischen Bundesforste) bzw. beim Dienstherren, „der Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste“ (für Arbeiter und Angestellte) eingerichtet, die eine Überprüfung des Personals nach politischen Gesichtspunkten vornehmen sollten. Mit der Leitung der beiden Ausschüsse betreffend die Österreichischen Bundesforste wurde
323 BArch, Z.A. VI 3194, Akte 10, Sammelakte Zentralarchiv.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
aufgrund einer Berufung durch den Reichsforstmeister Alfons Mauser bestimmt,324 der diese Funktion bis zur Übernahme der Leitung des Regierungsforstamtes in Innsbruck mit 1. April 1939 ausübte. Im Mai desselben Jahres wurde er von Adolf Hitler als „Führer und Reichskanzler“ zum Landforstmeister bestellt und ihm „sein besonderer Schutz“ zugesichert. Im Oktober 1940 wurde Mauser zum Oberlandesforstmeister ernannt. Im Mai 1945 wurde Mauser als hoher Exponent der nationalsozialistischen Reichsforstverwaltung festgenommen und in ein amerikanisches Kriegsgefangenenlager in Darmstadt gebracht, wo er bis Anfang August 1946 inhaftiert blieb. Die Einstellung der Bezüge aufgrund einer Anweisung der alliierten Militärregierung erfolgte am 2. Juni 1945. Am 15. Februar 1946 beschloss der Überprüfungsausschuss beim Staatskommissär für die unmittelbaren Bundesangelegenheiten im Land Tirol die politische Unzuverlässigkeit von Alfons Mauser, die in der Folge von der französischen Militärregierung am 20. Februar bestätigt wurde. Hinsichtlich seines Personalakts wurden auffallende Lücken und eine „Säuberung“ noch vor dem Mai 1945 festgestellt. Nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager war Mauser, der nun mit der Adresse Mondsee aufscheint, in der Privatwirtschaft tätig, wobei ihm von Seiten des (ehemaligen) Landesforstamtes in Tirol auf sein Ersuchen ein äußerst positives Führungszeugnis für die neue Tätigkeit ausgestellt wurde. In diesem heißt es etwa, dass er „sein hohes fachliches Wissen und Können voll und ganz in den Dienst der heimatlichen Waldwirtschaft gestellt“ habe, es „seiner zielbewussten und energischen Führung zu verdanken [sei], dass der Wald in Tirol im wesentlichen von den Raubbaumassnahmen des dritten Reiches verschont geblieben“ sei und dass Mauser bei seinen Untergebenen „vielmehr auf die Arbeitsleistung als die politische Gesinnung Wert gelegt habe“. 1947, nach der Verabschiedung des Nationalsozialistengesetzes – Mauser war nun als „minderbelastet“ registriert – bemühte er sich aber doch wieder um eine Aufnahme bei den Österreichischen Bundesforsten. Auffallend sind dabei mehrfache Interventionen von ÖVP-Nationalrat Karl Brunner, dem von Seiten der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste mit Schreiben vom 3. November 1947 mitgeteilt wurde, dass Wiedereinstellungen von Nationalsozialisten nach den Weisungen des Bundeskanzleramtes unterbleiben sollen und hinsichtlich Mauser zudem schwere Bedenken bestehen, da „dieser nach der Okkupation eine maßgebende Rolle bei der Reichsforstverwaltung in Österreich gespielt“ und „insbesondere bei der Entscheidung über die Maßnahmen, die gegen nichtnationalsozialistische Beamte nach der Berufsbeamtenverordnung getroffen wurden, das entscheidende Wort gesprochen hat“. Bekannt sei, dass „Mauser dabei mit großer Rücksichtslosigkeit und mit der den Nationalsozialisten damals eigenen Bruta324 ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 14, Kt. 263, GZ 5476/1938.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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lität vorgegangen“ sei. Eine Wiedereinstellung wurde deshalb abgelehnt, auch weil es „von den vielen kleinen Forstbeamten die keinerlei Vorteil in ihrem Berufe während der Nazizeit hatten, die aber jetzt wegen Bekleidung einer Funktion, z. B. Zellenleiter in einer kleinen Ortsgemeinde, als Belastete aus dem Dienste entlassen werden, als schweres Unrecht empfunden werden [würde], wenn andererseits der in der Nazizeit hoch gestellte Ing. Mauser wieder in Dienst gestellt würde“. Mauser wurde daher empfohlen, „sich zumindest vorläufig um eine Anstellung im Privatdienst umzusehen“. Mauser blieb jedoch hartnäckig und bemühte sich auch in den Folgejahren um eine Wiedereinstellung. Diese erfolgte jedoch nicht. Auch mehrere Bestätigungen von Personen, die aufgrund der Bestimmungen der Berufsbeamtenverordnung gekündigt und von Mauser wieder eingestellt worden waren bzw. deren Kündigungen durch Mauser verhindert worden waren, oder die Mauser trotz der ihm bekannten nicht-national sozialistischen Gesinnung beschäftigt habe, konnten daran nichts ändern. Mit der Entschließung des Bundespräsidenten vom 22. März 1948 wurde eine Ausnahme gem. § 27 Nationalsozialistengesetz 1947 von den Bestimmungen der Art. III und IV und von den in den besonderen Gesetzen enthaltenen Sühnefolgen bestimmt. Vom Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich, ausgestellt vom Vertreter im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, wurde daraufhin mit Bescheid vom 9. Oktober 1948 die Entlassung von Mauser, nun zeitweise auch in Mauterndorf ansässig, aufgehoben, gleichzeitig wurde aber auch eine Enthebung gem. § 8 (3) Beamten-Überleitungsgesetz verfügt, die dem Direktorialbeschluss vom 22. September 1948 entsprach. Mit der Höhe der Mauser angebotenen Abfertigung zeigte sich dieser nicht einverstanden und brachte eine Klage beim Arbeitsgericht Innsbruck ein, die er jedoch wieder zurückzog. 1957 stellte Mauser, nun mit der Adresse Innsbruck, einen erneuten Antrag an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, ihn in Dienst zu nehmen bzw. nach dem Beamten-Überleitungsgesetz gem. §§ 9 und 45 des NS-Amnestiegesetzes 1957 zu behandeln. Auch diesmal hatte sein Bemühen keinen Erfolg, 1966 wurde ihm aber ein Zuschuss zur Sozialversicherungspension in der Höhe von 50 bzw. 60 % der jeweiligen Sozialversicherungspension gegen jederzeitigen Widerruf zuerkannt, 1969 eine Erhöhung genehmigt.325 Ferdinand Preindl Ferdinand Preindl, von dem in dieser Studie schon mehrfach die Rede war, stand sowohl vor dem März 1938 als auch nach 1945 an der Spitze der Österreichischen Bundesforste. 325 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Personalakt von Alfons Mauser und ÖStA/AdR, BMLF, Sekt. Präs., 1948, ÖBF-Personal Allg., Kt. 21, Bd. 2, GZ 6075/48.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Ferdinand Preindl, links mit Mantel und Hut, gemeinsam mit Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, Handels- und Verkehrsminister Fritz Stockinger und dem ungarischen Ministerpräsidenten Julius Gömbös auf der Wildalpe in der Steiermark 1934.
Die Frage nach seiner Biographie erschient somit v. a. vor dem Hintergrund dieser Spitzenfunktion interessant. Nach der Errichtung der Österreichischen Bundesforste im Jahr 1925 wurde Ferdinand Preindl, geboren am 27. Mai 1881, mit 1. März 1926 zu ihrem ersten kommerziellen Direktor bestellt. Ab 1. April 1929 war er gleichzeitig auch Generaldirektor der Österreichischen Bundesforste. In beiden Funktionen verblieb er bis zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Mit 1. Mai 1938 wurde er beurlaubt, später (mit 31. März 1939) in den Ruhestand versetzt. 1945 wurde er neuerlich Generaldirektor und kommerzieller Direktor der Österreichischen Bundesforste. Nähere Informationen über die Kündigung und Pensionierung Preindls finden sich in seinem Personalakt im Archiv der Österreichischen Bundesforste. Hiernach soll Preindl nach einem Bericht von Julius Güde an die Reichsstatthalterei vom 21. Oktober 1939 seine Stelle Minister Reinthaller nach dem „Umbruch“ zur Verfügung gestellt haben, was zur Kündigung Preindls mit der Zuerkennung einer Abfertigung führte. Erfolgt sei die
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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Entlassung Preindls – so Güde – jedoch zu einem Zeitpunkt, als noch keine gesetzliche Regelung des Dienstverhältnisses der Angestellten der Österreichischen Bundesforste und deren Überleitung ins Reichsbesoldungsrecht (erfolgt mit Wirkung vom 30. September 1938) getroffen worden war, weshalb Preindl keinen Anspruch auf die Auszahlung einer Pension habe. Da sein Abbau offiziell jedoch erst mit einer Entscheidung vom 28. November 1938 erfolgt sei und sich Preindl Verdienste um das „Personal der Staatsforstverwaltung in einer politisch sehr bewegten Zeit“ erworben habe, bedeute das Vorgehen in seinem Fall „ohne Zweifel eine besondere Härte“. Güde bemühte sich daher um eine Wiederaufnahme des „Kündigungsfalls“ Ferdinand Preindl und dessen Überleitung ins Reichsbesoldungsrecht, was ihm einen Anspruch auf einen Ruhensgenuss verschaffen sollte, der Preindl vom Reichsforstmeister mit einer Entscheidung vom 5. Dezember 1940 auch gewährt wurde. Hiernach wurde er mit 1. Oktober 1938 ins Reichsbesoldungsrecht überführt und ihm mitgeteilt, dass er aufgrund eines Bescheides des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 12. März 1940 gemäß § 6 der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums, der Entlassungen zur Vereinfachung der Verwaltung vorsah, in den Ruhestand versetzt worden sei. Pensionsberechtigt wäre er für die Zeit von 1. März 1926 bis 31. März 1939. Zudem wurde ihm auch ein Anspruch auf ein dreimonatiges Aktivgehalt, wie dies nach einer Entscheidung des Reichsministers des Inneren vom 19. Dezember 1939 für Pensionierungen nach § 6 BBV möglich war, zugesprochen. Ein neuerliches Ansuchen Preindls, auch seine vor dem 1. März 1926 verbrachte Dienstzeit im Tiroler Landesdienst (1915–1922) bei der Pensionsberechnung zu berücksichtigen, wurde vom Reichsforstmeister in Berlin am 8. September 1942 jedoch abgelehnt.326 Ab 1942 war Preindl als Forstund Holzexperte in Jugoslawien tätig.327 Negativ beschieden – diesmal jedoch nicht vom Reichsforstmeister, sondern von der „Reichsleitung“ der NSDAP – wurde im September 1943 auch das Aufnahmegesuch von Ferdinand Preindl in die NSDAP. Als Grund für die negative Beurteilung Preindls wird in den Unterlagen u. a. genannt, dass er eine „starke Systemzeitbelastung“ aufweise, d. h. ihm ein Naheverhältnis zum autoritären „Ständestaat“ attestiert wurde. Vermerkt wurde aber auch, dass sein Aufnahmegesuch wohl nicht mehr bedeute „als bloß die notwendige Anpassung an die herrschende Staatsform“ und dass die Familie mit Juden verkehre.328
326 Archiv der ÖBF, Personalakt von Ferdinand Preindl. 327 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. hierzu einen von Ferdinand Preindl ausgefüllten Fragebogen vom 25. Jänner 1946. Preindls Fragebogen und der anderer Bediensteter der ÖBF befinden sich in: ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21, Mappe Land und Forstw., o. GZ. 328 BArch (ehemaliges BDC), PK, Preindl, Ferdinand, 27.5.1881.
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1. Personelle (Dis-)kontinuitäten 1938 – 1945 – 1955
Neuerlich (vorerst provisorisch) übernommen hat Preindl die Leitung der Österreichischen Bundesforste im April 1945. In den Dienststand wieder aufgenommen wurde er gem. § 4 Beamten-Überleitungsgesetz vom 22. August 1945 mit Wirksamkeit vom 1. Mai 1945 durch eine Entscheidung von Landwirtschaftsminister Kraus vom 29. März 1947, wodurch der am 13. März 1938 bestandene Dienstvertrag wieder in Kraft trat. Die Preindl entgangenen Dienstzeiten nach seiner Kündigung im Jahr 1939 sollten angerechnet werden, eine Nachzahlung von Bezügen jedoch nicht stattfinden. Seine „politische Unbedenklichkeit“ war durch Erhebungen des Bundeskanzleramtes und vom amerikanischen Hauptquartier in Wien beschieden worden. Preindl selbst hatte in einem Fragebogen vom 25. Jänner 1946, der dem Bundeskanzleramt übermittelt wurde, beim Punkt „Verhältnis zur NSDAP“ seinen Antrag um Aufnahme in die NSDAP nicht genannt. Beantragt war die Rehabilitierung Preindls von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste worden. Ein von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste eingebrachter Antrag nach dem Beamtenentschädigungsgesetz (7. Opferfürsorgegesetznovelle), in dem darauf Bezug genommen wurde, dass es sich bei Preindl um einen Rehabilitierungsfall handelt, wurde 1953 vom Bundeskanzleramt jedoch als nicht zuständige Behörde abgelehnt. 1958 wurde Preindl von der Bundesregierung mit Wirkung vom 30. Juni desselben Jahres als Generaldirektor der Österreichischen Bundesforste abberufen; gleichzeitig beendete er auch seine Tätigkeit als kommerzieller Direktor. Nach seiner Pensionierung war Preindl für das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft als Konsulent tätig.329 Jakob Stoiber Jakob Stoiber, geboren am 23. Mai 1895, übte wie Ferdinand Preindl in den Jahren nach 1945 als juridischer Direktor eine Führungsposition bei den Österreichischen Bundesforsten aus und wird – wie auch Franz Hackermüller – in Kapitel 3 über den Liegenschaftsbesitz an mehreren Stellen genannt. Stoiber trat nach der Erwerbung des Doktorats der Rechte 1926 in den Dienst der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer ein und hatte dort vor dem „Anschluss“ die Funktion eines Direktor-Stellvertreters inne. Als Mitglied der Vaterländischen Front, „gehässiger Gegner der NSDAP“ und „persönlicher Freund von Engelbert Dollfuß“ wurde er nach dem „Anschluss“ im April 1938 entlassen und verhaftet. Im März 329 Archiv der ÖBF, Personalakt von Ferdinand Preindl sowie 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 263 und 266. Der von Ferdinand Preindl ausgefüllte Fragebogen vom 25. Jänner 1946 und anderer Bediens teter der ÖBF befindet sich in ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21, Mappe Land und Forstw., o. GZ.
1.6. Biographische „Fallbeispiele“
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1939 wurde er aufgrund § 4 der Berufsbeamtenverordnung offiziell pensioniert. Bereits im August 1938 hatte Stoiber – wie er im Jänner 1946 ausführte – jedoch als juridischer Sachbearbeiter Aufnahme bei der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft, Zweigstelle Wien, gefunden, die in enger Verbindung mit dem Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums und der SS stehend an den Umsiedlungsaktionen des Deutschen Reiches beteiligt war, in diesem Zusammenhang entzogenen Grund und Boden (u. a. für die deutschen Umsiedler) übernahm und auch die Wehrmacht mit Truppenübungsplätzen oder Flugplätzen versorgte.330 Hinweise auf eine Mitgliedschaft in der NSDAP oder einer ihrer Parteigliederungen sind keine vorhanden. Als politisch „Unbelasteter“ konnte Stoiber somit in den Jahren nach 1945 bei den Österreichischen Bundesforsten fungieren. Laut einem von ihm ausgefüllten Fragebogen von Jänner 1946 bekleidete Stoiber die Funktion des juridischen Direktors seit 1. Juli 1945, laut Dienstvertrag übte er diese Funktion (zumindest definitiv) mit Wirksamkeit vom 1. August 1947 aus. 1961 wurde Jakob Stoiber pensioniert.331
330 Vgl. zur Deutschen Ansiedlungsgesellschaft etwa: Karl Stuhlpfarrer, Umsiedlung Südtirol 1939–1940. Erster Teil, Wien / München 1985, S. 270–272. 331 In der Festschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Österreichischen Bundesforste wird von 1945 bis zum 31.7.1947 nochmals Alois Großmann als juridisch-administrativer Direktor genannt; erst dann scheint hier Stoiber als juridisch-administrativer Direktor auf. Stoiber selbst bezeichnete sich – wie genannt – seit Juli 1945 als juridischer Direktor, seine definitive Bestellung zum juridischen Direktor erfolgte per Dienstvertrag mit Wirksamkeit vom 1. August 1947. Vgl.: ÖStA/AdR, BKA, Entnazifizierung, Kt. 21, Mappe Land und Forstw., o. GZ sowie 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 266; ÖStA/AdR, GA (Gauakt) 10.429, Stoiber, Jakob (23.5.1895).
2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern Oliver Rathkolb und Vera Ahamer
2.1. Einleitung und Begriffsdefinitionen Der Diskurs über eine Entschädigung von Zwangsarbeitern/Zwangsarbeiterinnen hat bereits in den 1980er-Jahren in der Bundesrepublik Deutschland begonnen – mit ersten Publikationen, ausgehend von Ulrich Herberts Dissertation 1985, zahlreichen regionalen Studien und einer Wanderausstellung. Diese öffentlichen Debatten führten sowohl zu deutschen Gerichtsverfahren als auch zu einer Bundestagsdebatte. Dies war ein innerdeutscher Diskurs, ohne jede Beteiligung von US-Lobbys bzw. internationaler Medienöffentlichkeit in Europa und den USA. Die US-Debatte der späten 1990er-Jahre knüpfte dann sehr rasch an diese Vordiskussion an, die die „Die Grünen“ im Bundestag bereits unterstützt und dann realpolitisch in die Koalition mit der SPD eingebracht hatten. In Österreich blieben die Arbeiten der beiden Zeithistoriker Florian Freund und Bertrand Perz332 zum Thema trotz erster Publikationen ab 1983 und einer Monographie 1988 ohne politische und hatten nur geringe mediale Resonanz. Festgehalten werden sollte, dass auch in den USA eine breite Sensibilisierung für die materiellen Auswirkungen des NS-Regimes im Allgemeinen und die Zwangsarbeiter/ innen-Problematik im Besonders erst spät erfolgte, da die Nachkriegsprobleme und der Kalte Krieg diese Thematik zugedeckt hatten. Erst ab Mitte der 1970er-Jahre beginnt in der US-Gesellschaft eine breite gesellschaftliche Reorientierung in der eigenen Bewertung des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts, eine Debatte, die aber heute bereits weiter geht und Menschenrechtsfragen an sich, aber auch die Bedeutung individueller Rechte in Diktaturen zunehmend in den Vordergrund stellt. Der „globale Medien-Marktwert“ des gegenständlichen Themas NS-Zwangsarbeit und Sklavenarbeit (letztere bezieht sich auf Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen) wurde 332 Zum Beispiel: Bertrand Perz und Florian Freund, Das KZ in der Serbenhalle. Zur Kriegsindustrie in Wiener Neustadt, Wien 1988. Vgl. auch noch frühere Artikel wie „Arbeiten, um zu sterben“ (über Sklavenarbeit in KZ-Nebenlagern von Mauthausen) im Wochenmagazin „Profil“, 31.10.1983.
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
durch den Beginn einer Reihe von „Sammelklagen“ – zuerst gegen Schweizer Banken, dann gegen deutsche Banken, Unternehmen und Versicherungen (sowie mit Verzögerung dann auch gegen vergleichbare österreichische Pendants) – erhöht. Diese liefen unter anderem zusätzlich zu Kompensationen für noch nicht geleistete Entschädigung für „Arisierungen“, d. h. dem durch scheinlegale Konstrukte getarnten Raub des Eigentums von Juden und Jüdinnen im NS-Regime, auf Entschädigungen für Zwangsarbeit in der NS-Zeit hinaus. Auch in Österreich reagierte die Politik auf Ebene der Großen Koalition (SPÖ–ÖVP) erst im Zuge der US-Sammelklagen auch gegen österreichische Unternehmen wie die VOEST Alpine oder den Verbund und setzte am 1. Oktober 1998 eine weisungsfreie und unabhängige ExpertInnenkommission ein.333 Bereits Anfang 2000 wurde ein erster Zwischenbericht zur Statistik der ZwangsarbeiterInnen und SklavenarbeiterInnen auf dem Gebiet des heutigen Österreich vorgelegt,334 auf dessen Basis (insbesondere der statistischen Berechnungen von Spoerer) dann die Finanzierung des Versöhnungsfonds für Kompensationszahlungen Überlebender aufgebaut werden konnte.335 Der deutsche Wirtschaftshistoriker Mark Spoerer hat in den 1990er-Jahren neuerlich die Diskussionen über die Definition von Zwangsarbeit in der NS-Zeit und insbesondere während des Zweiten Weltkriegs thematisiert,336 ausgehend und basierend auf den Studien vom Pionier der Zwangsarbeitsforschung in der Bundesrepublik Deutschland, dem Historiker Ulrich Herbert, aus den 1980er-Jahren – damals übrigens noch unter dem von Herbert selbst infrage gestellten euphemistischen Label „Fremdarbeiter“. Herbert337 spricht von Zwangsarbeit bei ausländischen Arbeitskräften, wenn außerökonomischer Zwang ausschlaggebend dafür war, dass eine Person arbeitet, unabhängig von Profession und Tauglichkeit und alleine abhängig von der nationalen oder religiösen Herkunft und/oder dann, wenn diskriminierende arbeitsrechtliche Sonderbedingungen geschaffen wurden, die die Menschen bei Strafe zur Arbeit zwangen. Der Bereich der Dienstver333 http://www.historikerkommission.gv.at/deutsch_home.html sowie Eva Blimlinger, The Austrian Historical Commission: International Background, Motives, Results, and Impact, in: Contemporary Austrian Studies, Nr. 11/2003, S. 219–228 334 www.zum.de/Faecher/Materialien/lehmann/files/imi/Austria%20Historiker%20Spoerer.pdf, SpoererGutachten sowie die offizielle undatierte Presseaussendung auf http://www.historikerkommission.gv.at/ deutsch_home.html 335 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Hubert Feichtlbauer, Zwangsarbeit in Österreich 1938–1945: späte Anerkennung, Geschichte, Schicksale. Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit, Wien 2005. 336 Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Dritten Reich und im besetzten Europa 1939–1945, Stuttgart 2001. 337 Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländereinsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Neuaufl. Bonn 1999.
2.1. Einleitung und Begriffsdefinitionen
131
pflichtung von InländerInnen wird zu Recht von beiden Autoren in dieser Definition ausgeklammert. Spoerer hat auf der Basis der Arbeiten des Soziologen Albert Hirschmann über Hierarchien in Unternehmen, Organisationen und Staaten338 dessen Exit and Voice-System verwendet, um die unterschiedlichen Lebens- und Überlebensmöglichkeiten innerhalb der Gruppe der „ZwangsarbeiterInnen“ klarer zu fassen. Eine Kategorie zur Unterscheidung war die Möglichkeit, das Deutsche Reich nach Ende des Arbeitsvertrages und nach Kündigung zu verlassen („exit“). Ein weiteres Kriterium basiert auf der Möglichkeit, sich gegen die Arbeitssituation zu wehren und Kritik zu artikulieren, die dann auch registriert wurde und zu Änderungen führte („voice“). Insgesamt werden auch im Folgenden Unterschiede für den Arbeits- und Freizeitbereich berücksichtigt: Trotz manchmal fließender, zeitabhängiger Übergänge gab es deutschen Arbeitskräften relativ gleichgestellte Zivilarbeitskräfte – zumindest bis 1942 – wie Bulgaren, Dänen, Italiener bis Juli 1943, Kroaten, Rumänen, Slowaken bis zum Aufstand 1944, Spanier oder Ungarn. Doch auch bei dieser Gruppe wurden die Rückkehrmöglichkeiten in ihre Heimatländer ab 1942/1943 zunehmend eingeschränkt, sodass Niederländer, Belgier, französische Zivilarbeiter, Tschechen, Balten und Serben zwar im Vergleich zu den ethnisch stigmatisierten Zwangsarbeitern/innen wie Polen oder Sowjetbürger („Ostarbeiter/innen“) begünstigt waren, aber nicht mehr ihren Arbeitsplatz, auch nach Auslaufen von Arbeitsverträgen, selbständig verlassen durften. Wie stark diese Kategorisierungen aber in der Praxis von ethnischen Vorurteilen und Einflüssen verändert und beeinflusst werden konnten, zeigen z. B. Bestrafungen bei „Arbeitsvergehen“. Latente Vorurteile waren beispielsweise gegenüber Tschechen als „Slawen“ ebenso spürbar wie gegenüber Italienern, die dann auch nach dem Sturz Mussolinis am 25. Juli 1943 als italienische Militärinternierte ab September 1943 diese aus politischen Opportunitätserwägungen bisher unterdrückten negativen Einstellungen – fast über Nacht – besonders brutal zu spüren bekamen (und wiederum von den polnischen, sowjetischen und französischen Arbeitern/innen als ehemalige Kollaborant/innen mit dem NS-Regime ebenfalls verachtet wurden).339 338 Albert O. Hirschmann, Exit, Voice and Loyalty: Responses in Decline in Firms, Organizations and States, Cambridge (Harvard) 1970. 339 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Siehe dazu Herbert, Fremdarbeiter, S. 301–305, sowie Luigi Cajani, Die italienischen Militärinternierten im nationalsozialistischen Deutschland, in: Ulrich Herbert, Europa und der „Reichseinsatz“. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland. 1938–1945, Essen 1991, S. 295–316, und Gerhard Schreiber, Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943–1945. Verraten – Verachtet – Vergessen, München 1990. Siehe weitere Details bei Cesare Bermani / Sergio Bologna / Brunello Mantelli, Proletarier der „Achse”. Sozialgeschichte der italienischen Fremd-
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Als weitere Gruppen im Bereich Zwangsarbeit sind die völlig entrechteten KZ-Häftlinge zu nennen, die einzige Gruppe, die als „Less than Slaves“ bezeichnet werden kann – mit jüdischen KZ-Häftlingen an unterster Stelle der KZ-Lagerhierarchie und organisierten politischen Häftlingen an der Spitze (abgesehen von Kapo-Häftlingen). Wesentlich für das Gebiet des heutigen Österreichs ist auch das Schicksal der seit 1944 deportierten ungarischen Juden und Jüdinnen. Eine besondere Kategorie sind die Kriegsgefangenen, deren Arbeitseinsatz keineswegs immer den entsprechenden völkerrechtlichen Regelungen entsprach. Ausgehend von den Normen der Genfer Kriegsgefangenenkonvention sollten die Gefangenen ausreichend Nahrung und Bekleidung erhalten und ausschließlich in zivilen Unternehmen zur Arbeit eingesetzt werden. Häufig wurden sie aber in der Rüstungsindustrie ausgebeutet bzw., wie im Falle der italienischen Kriegsgefangenen nach dem Austritt Italiens am 8. September 1943 aus dem Kriegsbündnis mit Hitlerdeutschland, sogar des Kriegsgefangenenstatus beraubt und als Militärinternierte extrem schlecht behandelt. Hierarchie der Diskriminierung bei zivilen ZwangsarbeiterInnen340 • Italiener bis 1943* • Kroaten • Slowaken • Balten • Belgier (Flamen) • Franzosen / Wallonen • Niederländer • Serben • Tschechen • Polen / Westukrainer • Italiener ab 1943 • „Ostarbeiter“ („Sowjets“) Die beiden zahlenmäßig größten Gruppen der ausländischen ZivilarbeiterInnen stellten die Polen (insgesamt 1,6 Millionen Personen) und die verschleppten Arbeitskräfte aus arbeit in NS-Deutschland 1937 bis 1943, Schriften der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin 1997, Gabriele Hammermann, Zwangsarbeit für den „Verbündeten“. Die Arbeitsund Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943–1945, Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 99, Tübingen 2002, Ralf Lang, Italienische „Fremdarbeiter” im nationalsozialistischen Deutschland 1937–1945. Frankfurt a. M. u. a. 1996. 340 http://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/frames/fr_begrifflichkeit.htm
2.1. Einleitung und Begriffsdefinitionen
133
der Sowjetunion, die sogenannten „Ostarbeiter“ (rund 2,8 Millionen Menschen). Beide standen unter diskriminierenden Sonderrechten: Für die Polen galt Kennzeichnungspflicht, Zwang zur Lagerunterbringung und das Verbot jeglichen privaten Umgangs mit Deutschen. Für die „Ostarbeiter“ wurden im Februar 1942 besondere Erlässe geschaffen, die diese noch schlechter stellten als die Polen: im Industriebereich bewachte Lager, minderwertige Verpflegung, geringe Entlohnung usw.
Kennzeichnung von Polen und Ostarbeitern
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Hierarchien der Diskriminierung bei Kriegsgefangenen • Briten • Franzosen • Wallonen • Serben • Polen • Italiener (IMIs) • „Sowjets“
2.1. Einleitung und Begriffsdefinitionen
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Mehr als 4,5 Millionen Kriegsgefangene waren 1939–1945 während des Zweiten Weltkrieges im Deutschen Reich im Arbeitseinsatz: neben kleineren Gruppen von Engländern, Serben und Wallonen ca. 300.000 Polen, fast 1,3 Millionen Franzosen und fast zwei Millionen sowjetische Kriegsgefangene (von den anfänglich 3.35 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen hatte die deutsche Wehrmacht zwei Millionen verhungern lassen). Bezüglich der Verteilung in die einzelnen Wirtschaftsbereiche für das gesamte Deutsche Reich fällt sofort auf, dass die meisten ausländischen Zivilarbeiter – hier gibt es keine Geschlechtertrennung! – sowie Kriegsgefangene (2.061.066 plus 686.172), also 36,1 % von insgesamt 7.615.970, in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt wurden. Extrem viele wurden im Bereich der Metallindustrie rekrutiert (22,2 %, mit einem geringen Kriegsgefangenenanteil), gefolgt von der Bauindustrie (6,3 %) mit einem deutlich höherem Kriegsgefangenenanteil von rund 40 %, 5,7 % im Bergbau, wobei hier die Kriegsgefangenen überwogen, sowie 5 % im Verkehr und 3,3 % in der Chemischen Industrie mit etwas unter 20 % Kriegsgefangenen. Der gesamte Ausländer/innenanteil lag im August 1944 inklusive Kriegsgefangenen bei 26,5 %, mit Ausnahme des Ausländer/innenanteils von 26 % im Verkehr und 28,4 % in der chemischen Industrie – relativ regelmäßig auf die Industriesegmente verteilt (mit 33,7 % im Bergbau, 30 % in der Metallindustrie und 32,3 % im Baubereich). Der hohe Frauenanteil – im August 1944 waren von 5,7 Millionen ausländischen Zivilarbeitern/innen genau ein Drittel Frauen – 80 % aus dem „Osten“ (Polen und Sowjetunion).341 341 Herbert, Fremdarbeiter, S. 315, und Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, S. 222. Mark Spoerers deutlich niedrigerer Frauenanteil – 16,5 % für die Statuszahlen September 1944 (insgesamt
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
2.2. Vorurteile und die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen Eine Grundthese, die sich durch diesen Beitrag zieht, basiert auf der Erkenntnis, dass Vorurteile und Stereotypen, betreffend „ausländische“, d. h. nicht-deutsche Arbeitskräfte, sehr wesentlich im Zusammenhang mit dem Nationalismus und der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert endgültig geformt und geprägt wurden (durchaus unter Rückgriff auf wesentlich ältere Vorstellungen über Ethnien und „Fremde“ an sich). Zwar war der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte 1907 im Deutschen Reich noch gering – 4 % – aber bestimmte Einstellungen, etwa gegenüber polnischen Saisonarbeitern, waren ebenso ausgeprägt wie in der österreichischen Reichshälfte des Habsburger Imperiums die Vorbehalte und Assimilationszwänge gegenüber tschechischen Migranten/innen, obwohl diese ja zu einem Staatsverband gehört hatten, d. h. staatsrechtlich keine „Ausländer/innen“ waren. Dazu kommen bereits klar ausgeprägte Einstellungs- und Vorurteilsmuster gegenüber Nationalitäten, die dann erst nach 1939/1940 in den Zwangsarbeitereinsatz kamen, wie beispielsweise die Franzosen oder ab 1941 die Russen. Gerade der Erste Weltkrieg hatte diese Fremdeinschätzungen sowohl im Deutschen Reich als auch in Österreich-Ungarn ganz wesentlich ausgeprägt – so vor allem auch die grundsätzlich negativen, aber durchaus dann wieder in der Ausländerskala abgestuften Einstellungen gegenüber „Erbfeindvölkern“, wie den Franzosen oder den Italienern, die 1917 „die Fronten gewechselt“ hatten, oder den Russen, wobei hier nach der Oktober-Revolution noch die ideologischen Konfrontationen mit den Bolschewiken das Russenbild vollends negativ prägten.342 Konkrete historische Vorbilder für die Organisation von Zwangsarbeit im engeren Sinn bot der Erste Weltkrieg – so wurden unter anderem 1917/1918 rund 410.000 Polen und Polinnen nach Deutschland gebracht und in der Landwirtschaft eingesetzt, aber auch 61.000 belgische Industriearbeiter, deren Zahl jedoch in der Folge trotz der internationalen Proteste aufgrund der belgischen Neutralität bei Kriegsausbruch durch „freiwillige“ Werbungsmaßnahmen und aufgrund der Wirtschaftskrise in Belgien auf insgesamt 110.000 Menschen anwuchs.343 Wesentlich wichtiger war hingegen der Einsatz von Kriegsgefangenen, wobei rund 20 % in der Industrie und 45 % in der Landwirtschaft ein5.976.673 Ausländer/innen) – beruht auf einem Druckfehler. Es gilt die Prozentzahl Herberts, wobei der Frauenanteil inklusive der Deutschen Arbeitnehmer/innen im September 1944 bei durchschnittlich 46 % im „Arbeitseinsatz“ lag. 342 Näheres in: Hans-Erich Volkmann (Hg.), Das Rußlandbild im Dritten Reich, Köln / Wien 1994. Siehe auch Donald O’Sullivan, Furcht und Faszination. Deutsche und britische Russlandbilder, 1921–1931, Köln / Wien 1996. 343 Spoerer, Zwangsarbeit, S. 23.
2.3. Einsatz in der ehemaligen Ostmark 1939–1945
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gesetzt wurden – insgesamt blieb aber die Beschäftigungsquote selbst auf der Höhe der Ausbeutung von Ausländern aller Kategorien bei nicht mehr als 10 %.344 Organisatorisch war dieser Einsatz, soweit er mit Zwangsmaßnahmen verbunden war, ein Desaster345 und letztlich für die NS-Planer ein Negativ-Beispiel, aus dem aber mit erschreckender Präzision die perfekten Zwangsrekrutierungs-, Kontroll- und Einsatzlehren gezogen wurden. Insbesondere beim Einsatz der Zwangsarbeiterinnen verschwammen zunehmend auch die ursprünglich männlich dominanten Vorstellungen und wurden einfach auf die Frauen aus der Sowjetunion übertragen – typisch dafür auch die Vermännlichung durch Ausdrücke wie „Flintenweiber“ oder „Russenweiber“ im Propagandajargon der Zeit. Die pseudowissenschaftlichen „Elitendiskurse“ und deren Popularisierung aus dem Bereich der Rassenforschung vertieften und „rationalisierten“ derartige Ausgrenzungsund Unterordnungsvorstellungen, die dann immer wieder als „Rechtfertigung“ für die Ausbeutung von „rassisch minderwertigen Völkern“ dienten – so die euphemistische Diktion der Rassenideologen, die durchaus im Bereich der Medizin im Rahmen von „Erbgesundheitsforschungen“ in der damaligen Wissenschaftswelt rezipiert wurden.346
2.3. Einsatz von ZwangsarbeiterInnen in der Land- und Forst wirtschaft in der ehemaligen Ostmark 1939–1945 Insgesamt schätzen die Historiker Perz und Freund, dass rund 757.000 zivile Ausländer und Ausländerinnen unter diskriminierenden Bedingungen auf dem Gebiet des heutigen Österreichs arbeiteten und weitere 150.000 Kriegsgefangene sowie 85.900 KZ-Häftlinge und ungarische Jüdinnen und Juden zur Sklavenarbeit missbraucht wurden,347 davon hätten 2000 noch rund 240.000 Personen theoretisch am Leben sein können. Bei den rund 300.000 in das ehemals österreichische Staatsgebiet verschleppten Kriegsgefangenen dominierten Franzosen (an die 100.000), gefolgt von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und Serbien. Diese wurden großteils auch eingesetzt, wobei mehr als 40 % in den „Reichsgauen Wien und Niederdonau“ zum Einsatz kamen, in der 344 Ebd, S. 23. 345 Herbert, Fremdarbeiter, S. 35f. 346 Siehe dazu: Barbara Danckwart, Historische Rassismusforschung. Ideologen, Täter, Opfer, Berlin 1995, sowie Peter E. Becker, Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und Völkischer Gedanke, Stuttgart 1990. Zu den ‚Traditionen‘ vor 1918 siehe Uwe Puschner, Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001. 347 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Florian Freund / Bertrand Perz / Mark Spoerer, Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939–1945, Wien 2004.
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Steiermark und in Kärnten 24 % und in Tirol sowie Vorarlberg 13 %. Zum Unterschied von den zivilen Zwangsarbeitern wurden Kriegsgefangene ab Herbst 1943 verstärkt in Industrie und Handwerk verwendet und etwas weniger in der Land- und Fortwirtschaft. Es gibt bis heute zum Unterschied zur Industrie- und KZ-Zwangsarbeit nach wie vor wenige empirische Studien zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft348 und eigentlich keine spezifische Studie zur Situation in den Forstbetrieben. Aufgrund der Analyse von lebensgeschichtlichen Interviews sowie empirischen Materials ist es der Gruppe Ernst Langthaler, Ela Hornung und Sabine Schweitzer gelungen, für die Lebens- und Arbeitswelt von ZwangsarbeiterInnen in Niederdonau und dem nördlichen Burgenland folgende Einschränkungen zu thematisieren, die die Generalität der These, dass es in der Regel den in der Landwirtschaft beschäftigten ausländischen Arbeitskräften nicht so schlecht ging 349 aufgrund folgender Ausnahmerahmenbedingungen infrage stellten: 1) Unterschiedliche Behandlung aufgrund von Rechtsstatus, Nationalität, Geschlecht und Alter 2) „Funktionieren-Müssen“, um angemessen versorgt zu werden, was bei Jugendlichen zur Überbelastung und bei Frauen bis zur sexuellen Nötigung und Vergewaltigung gehen konnte 3) Möglichkeit durch Beziehungsnetze mit anderen die eigene Situation abzusichern 4) Physische Nachteile durch schlechtere Versorgung und Wohn- und Arbeitsbedingungen sowie psychische Belastungen durch die Verschleppung in eine fremde Umwelt aus dem eigenen Familien- und Sozialverband mit anderer Sprache etc. Diese Kategorien sollen zumindest ansatzweise auch auf das Sample der in dem Bereich der Reichsforste tätigen ZwangsarbeiterInnen nach der Analyse der quantitativen Informationen angewandt und diskutiert werden. Eine weitere Landwirtschaftsstudie gibt es für die übrigen „Gaue“.350 348 Ernst Langthaler / Ela Hornung / Sabine Schweitzer, Zwangsarbeit in der Landwirtschaft in Nieder österreich und dem nördlichen Burgenland, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission, Bd. 26/3, München / Wien 2004, sowie Ernst Langthaler / Ela Hornung / Sabine Schweitzer, Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, in: Jörg Echternkamp (Hg.), Krieg und Gesellschaft 1939–1945 (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 9/2), Stuttgart 2005, S. 577–666. 349 Eberhard Jäckel (Hg.), Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Band 3, Berlin 1993, S. 1642. 350 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Stefan Karner / Peter Ruggenthaler (Hg.), Zwangsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Gebiet Österreichs 1939–1945, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission Band 26/2, Wien 2004, sowie Peter Ruggenthaler, „Ein Geschenk für den Führer“. Sowjetische Zwangsarbeiter in Kärnten und der Steiermark 1942–1945. Graz 2001. Vgl. auch Ingeborg Korneck, „Fremdarbeiter / innen“ *Fremdarbeiterinnen* in der Landwirtschaft. Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte während des Zweiten Weltkrieges am Beispiel des n.ö. Weinviertels, Dipl.-Arbeit, Wien 1992.
2.4. ZwangsarbeiterInneneinsatz bei den Reichsforsten
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2.4. Annäherung an den Umfang des ZwangsarbeiterInneneinsatzes bei den Reichsforsten auf dem Gebiet des heutigen Österreich Die im Rahmen des Forschungsmoduls „Einsatz von ZwangsarbeiterInnen bei der Reichsforstverwaltung“ angelegte Datenbank umfasst 1.411 Personen inklusive Informationen zu deren Geburtsdatum, Herkunftsland, Geschlecht, Einsatzdauer, Einsatzort und Art der Beschäftigung. Dabei wurden Mehrfacheinsätze berücksichtigt und die Statistik entsprechend bearbeitet. Festzuhalten ist, dass aber nur ein Teil der in den Betrieben der Reichsforstverwaltung tatsächlich eingesetzten ZwangsarbeiterInnen dokumentiert werden konnte. Für den Zeitraum 1939–1945 wurden insgesamt 1.496 Einsätze ermittelt. Diese Personen konnten auf Grundlage von Aufzeichnungen (An- und Abmeldungen bei den Krankenkassen, von den Forstämtern angelegte Listen über eingesetzte Arbeitskräfte etc.), die 1999/2000 im Zuge einer internen Umfrage bei den Österreichischen Bundesforsten erhoben wurden, sowie anhand von Unterlagen der Wiener Gebietskrankenkasse eruiert werden. Anzumerken ist hinsichtlich der internen Umfrage der Österreichischen Bundesforste, dass in 15 der insgesamt kontaktierten 26 Forstbetriebe der Österreichischen Bundesforste (zumindest für einen Teil der ehemaligen Forstämter der Reichsforstverwaltung im Gebiet der heutigen Forstbetriebe, die heute zu den Österreichischen Bundesforsten gehören) Unterlagen eruiert wurden. In den anderen der kontaktieren Forstbetriebe351 sind keine Unterlagen zum Einsatz von ZwangsarbeiterInnen mehr vorhanden. Trotzdem ist aufgrund der vorhandenen Teildaten durchaus ein Trend rekonstruierbar.
351 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Wie bereits in Kapitel 1 ausgeführt wurde, kam es in den Jahren nach 1945 zu einer deutlichen Reduktion der Forstverwaltungen bzw. (später) Forstbetriebe, die auch im Amtskalender nachgelesen werden kann.
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Herkunft der eingesetzten Arbeitskräfte
Grafik bitte als pdf übermitteln
Die Zusammensetzung ZwangsarbeiterInnen nach Herkunftsländern gliedert sich wie folgt: 551 stammen aus der Sowjetunion (in 268 Fällen konnte die Ukraine als Herkunftsland ausgemacht werden, in 42 Fällen kommt evtl. Litauen als Herkunftsland infrage), 170 aus der Slowakei, 115 aus Italien, 101 aus Jugoslawien (davon 85 aus Kroatien), 81 aus Polen, 63 aus Frankreich, 9 aus Ungarn, 6 aus Rumänien, 5 aus dem Protektorat Böhmen/Mähren und 4 aus Bulgarien. In 306 Fällen blieb die Herkunft ungeklärt. Was die Art der Arbeitsverhältnisse betrifft, lassen sich aufgrund des vorliegenden Quellenmaterials lediglich folgende Schlüsse ziehen: 259 Personen sind explizit als „Zivilrussen“, „russische Zivilarbeiter“ bzw. „Ostarbeiter“ ausgewiesen. Inwieweit es sich bei den französischen und italienischen Staatsangehörigen um Kriegsgefangene gehandelt haben mag, ist nicht ersichtlich. Lediglich bei 17 französischen Arbeitskräften findet sich der Vermerk „Kriegsgefangener“, und dies auch nur in den von den Forstämtern selbst geführten Listen, zumal Kriegsgefangene nicht krankenversichert waren und somit nicht über Versichertendaten der Gebietskrankenkassen zu ermitteln sind. Dies gilt auch im Zusammenhang mit den Lebensbedingungen der ZwangsarbeiterInnen, für die aus vorliegenden Quellen – mit Ausnahme von drei vermerkten Todesfällen, deren Ursache nicht angeführt ist – nur bedingt Schlüsse gezogen werden können. Hinweise auf Einweisungen in Arbeitserziehungslager konnten anhand der eingesehenen Quellen des Bestandes der Reichsforstverwaltung im Österreichischen Staatsarchiv nicht ermittelt werden.
2.4. ZwangsarbeiterInneneinsatz bei den Reichsforsten
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Erfasst wurden in der Datenbank nur jene Personen, zu denen ein Namen und ein Einsatzort vorhanden war. Die im Rahmen der internen Umfrage bei den Österreichischen Bundesforsten in Kärnten erhobenen Informationen über den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen wurden daher in der Datenbank nicht berücksichtigt, da die Zuordnungen nicht eindeutig waren: (Heutiger) Forstbetrieb Millstatt: In den Lohnlisten wurde kein Hinweis auf die Beschäftigung ausländischer Arbeiter oder Zwangsarbeiter gefunden, im Schriftverkehr wurden jedoch Beschäftigungsstatistiken eruiert, die auf eine Verwendung von Kriegsgefangenen (Engländer und Franzosen), Oberkrainer und Slowaken hinweisen: Forstamt der Reichsforstverwaltung Greifenburg: - 20 englische Kriegsgefangene zur Verfügung gestellt am 28.7.1941 - Staatswald: 9 französische Kriegsgefangene, 25 englische Kriegsgefangene, 31. August 1942 (auch Angaben zu Privat- und Körperschaftswald vorhanden) - Stand der Waldarbeiter mit 1.4.1943: Staatswald 11 Deutsche und 37 K.G. (keine Angaben bei Krainer, Slowaken und Ostarbeiter, auch Angaben zu Privatund Körperschaftswald vorhanden), Waldarbeiteranforderung für Staatswald: 5 Kriegsgefangene Villach Süd, 19.2.1942 bzw. 6.1.1942: - Einsatz von russischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern In Verwendung stehen bereits im Staatswald: 31 Engländer, 10 Franzosen (auch Angaben zu Privat- und Körperschaftswald vorhanden) - 18.11.1942: Unter den beschäftigten Holzarbeitern befinden sich 4 Oberkrainer/ „Volkszugehörige“ (Paul Bezjak, Anton Lemovec, Vinzenz Maloverh, Viktor Maurisch), 6 Slowaken (Ignaz Ciganik, Paul Druzina, Jan Tefcak, Martin Mikolas, Josef Mikolas, Simon Rajcan). Regionale Verteilung Auf Basis der Unterlagen der Gebietskrankenkassen und der ÖBF (auch jener aus Kärnten, die nicht in der Datenbank erfasst wurden und mit der Anmerkung, dass hier Informationen zum Teil mehrere frühere Forstämter betrafen) kann für rund 35 der Reichsforstverwaltung unterstellte Forstämter der Einsatz von Zwangsarbeitern nachvollzogen werden. Anzumerken ist dabei, dass im Organisationsplan von 1940 ein Mindestbedarf von mehr als 200 Forstämtern vorgesehen war, dass sich diese aus den ehemaligen Forstverwaltungen der Bundesforste und den ehemaligen Bezirksforstinspektionen und neu zu errichtenden Forstämtern zusammensetzten sollten, und hierbei das System des Ein-
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
heitsforstamtes angestrebt wurde, dieses aber häufig nicht umgesetzt werden konnte.Die regionale Auffächerung der Daten gestaltet sich äußerst unterschiedlich: Die meisten der erfassten Zwangsarbeiter (575 Personen) stammen aus ehemals der Reichsforstverwaltung in Oberösterreich unterstellten Forstämtern, gefolgt von Salzburg (341 Personen), Steiermark (212 Personen), dem Großraum Wien (168 Personen), Tirol (58 Personen) und Niederösterreich (57 Personen). Geschlecht Bei 4,8 % der eingesetzten Arbeitskräfte (68 Personen) handelt es sich um Frauen. In 1.333 Fällen handelt es sich um Männer (94,4 %). In 10 Fällen ist das Geschlecht unbekannt. Von den eruierten Zwangsarbeiterinnen stammen 41 aus der Sowjetunion (36 davon wiederum aus der Ukraine), 2 aus Italien, 2 aus Polen, 1 aus Rumänien und 2 aus Jugoslawien, in den restlichen Fällen ist die Herkunft unbekannt, in 10 dieser Fälle findet sich jedoch die Anmerkung „Ostarbeiter“, in 1 Fall der Kommentar „Volksdeutsche“ Alter Ein Geburtsdatum ist für 1.266 der 1.411 erfassten Personen bekannt (1.205 Männer, 52 Frauen, 9 Geschlecht unklar). Die erfassten Geburtsdaten reichen von Oktober 1870 bis August 1929. 147 Personen wurden vor 1900 geboren, der Rest im Zeitraum 1900 bis 1929. Alter der eingesetzten Arbeitskräfte
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2.4. ZwangsarbeiterInneneinsatz bei den Reichsforsten
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Versuch einer Rekonstruktion dieses Samples der ZwangsarbeiterInnen bei den Betrieben der ehemaligen Bundesforste in der NS-Zeit Nur eine Teilgröße Die obige Zahl ist nur eine Teilgröße, die tatsächliche Zahl der eingesetzten ausländischen ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen lässt sich nicht mehr ermitteln, da selbst unter Heranziehung etwaiger Krankenkassenunterlagen die Dokumentation lückenhaft bleibt. Leider war auch ein Zugriff auf die Datenbank des Zukunftsfonds nicht möglich, um entsprechende zusätzliche Teilinformationen zu erhalten. Gleichzeitig ist aber die in der Projektdatenbank dokumentierte Auswahl auch in quantitativer Hinsicht höchst repräsentativ und ermöglicht eine grundsätzliche Einschätzung. So gibt es – ohne Namensnennung – generelle Zahlenangaben über Arbeitseinsätze im Jahre 1941 im Holzeinschlag bei 38 Forstämtern der Reichsforstverwaltung auf dem Gebiet des heutigen Österreich mit insgesamt 946 „ausländische Arbeitskräften“ und 712 Kriegsgefangenen, woraus durchaus Tendenzen erkennbar sind.352 Jüdische Zwangsarbeiter In den Indices des genannten Bestandes finden sich zwar Hinweise auf den Einsatz jüdischer Zwangsarbeiter, die betreffenden Akten sind allerdings nicht vorhanden. Lediglich ein einschlägiger Akt konnte bei der bisherigen Durchsicht des Bestandes gefunden werden. Dabei handelt es sich um eine Korrespondenz im Zusammenhang mit einem Wegebauauftrag, die u. a. ein Ansuchen um „Zuweisung von 40… Juden“ für ein Bauvorhaben in Muggendorf enthält. Der Antragsteller bezieht sich dabei auf ein „Kontingent ungarischer Juden“, als Gegenstand des Schreibens ist „Judenaktion der Reichsforste“ vermerkt, was darauf schließen lässt, dass es sich nicht um das einzige Bauvorhaben der Reichsforste gehandelt haben kann, bei dem auch jüdische ZwangsarbeiterInnen eingesetzt wurden.353 Weiters gibt es Hinweise auf Zwangsarbeitslager für ungarische Juden im damaligen Niederdonau, in Hollenstein. Diese wurden zu Waldarbeiten eingesetzt Ähnliche Lager lassen sich auch bei anderen Forstverwaltungen wie Hoyos oder in Droß nachweisen.354 352 ÖStA/AdR, RFV, Regierungsforstamt Wien-Niederdonau, Arbeitseinsatz I, Holzeinschlag 1940, Sign. D 208/6663 353 ÖStA/AdR, RFV, Aktenkonvolut 943 1806 36, Kirschleitenwegbau Baden 354 Internationaler Suchdienst (Hg.), Verzeichnis der Haftstätten unter dem Reichsführer SS (1933–1945). Konzentrationslager und deren Außenkommandos sowie andere Haftstätten unter dem Reichsführer SS in Deutschland und deutsch besetzten Gebieten, unveröffentlichtes Manuskript, Archiv Arolsen, Arolsen 1979 und http://www.keom.de/denkmal/auswert.php?tabelle=zal_ung
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Für Droß gibt es eine Beschreibung,355 die dokumentiert in welch extremer Lage selbst jene ungarischen Juden waren, die zur Waldarbeit eingesetzt waren: „Als die Deutschen 1944 in Ungarn die Macht übernehmen, wird die Familie Wohlberg gemeinsam mit 400 Juden der Stadt in ein Ghetto gesperrt, bis eines Tages um 5 Uhr früh der Befehl zum Abtransport kommt. Zehn Minuten bleiben Zeit, um die wenigen persönlichen Sachen zusammenzusuchen. Die Fahrt im überfüllten Waggon, kein Platz um zu sitzen, eine Kanne Wasser ... Der Zug wird zurückgeschickt an die Grenze zur Ostmark, bei Straßhof werden alle ausgeladen und kommen in ein Lager. Es war ein kleiner Vorgeschmack auf ein KZ mit den ukrainischen Wachmannschaften, den Rufen: ‚Raus ihr Judenschweine‘ und den Hunden. Die Drecksarbeit im Lager verrichten die Ukrainer. Eines Tages kommt es zu einer Selektion. Alle müssen sich nackt ausziehen, für die frommen Juden eine Katastrophe, für Moshe Wohlberg bis heute. Damals sieht er seinen Vater, seine Tante und seine Cousinen das erste Mal nackt. ‚Alle standen in einer langen Reihe ... Die Selektion nahm eine Frau in Uniform vor, sie stempelte den Menschen entweder ein X oder ein Y mit einem Gummistempel auf die Hand. Meine Tante und ihre Töchter bekamen ein X gestempelt, mein Vater, ich und meine Geschwister ein Y. Es war surrealistisch und keiner von uns wußte was das bedeutet. Meine Tante kam dann zu meinem Vater und fragte, was sie machen solle, mein Vater sagte ihnen: ,Wisch es ab und stelle dich zu uns.‘ So hat meine Tante überlebt. Ich habe nie einen wiedergetroffen, der ein X gestempelt bekam.‘ ... Gemeinsam mit rund 40 anderen erreicht die Familie Wohlberg auf einem Lastwagen Droß. Die Zahl unterscheidet sich von den Angaben, die seine Cousine Magda Ellenbogen, die in Tel Aviv wohnt, in Erinnerung hat: Sie spricht von 38 Leidensgenossen und vom Tod der Mutter von Moshe. Bis heute weiß der Sohn nicht, daß die schwerkranke Mutter noch nicht tot war, als sie in die Waggons verladen wurden. ‚Keinmal kann ich nicht vergessen. Sie ist geblieben allein. Man hat sie gemacht tot.‘ Doch nicht nur das. Die Mutter wurde, nachdem die ungarische Heimatstadt ,judenfrei‘ war, hinter einem Pferd durch den Ort geschliffen, mit einer Tafel: ,Der letzte Jude‘. In Droß schlafen alle anfangs auf Stroh, erst später werden mehrstöckige Pritschen gebaut. Jede Familie bekommt eine Ecke. Ob sie ein Eßgeschirr gehabt ha355 http://david.juden.at/kulturzeitschrift/50–54/zwangsarbeit–51.htm, Robert Streibl hat die Interviews zusammengestellt.
2.4. ZwangsarbeiterInneneinsatz bei den Reichsforsten
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ben, weiß Moshe heute nicht mehr, an einen Tisch kann er sich nicht erinnern. Die 38 ungarischen Juden müssen täglich in den Wald ausrücken, bei jedem Wetter, notdürftig bekleidet. Bei Sonnenaufgang kommt der für sie zuständige Vorarbeiter Severin Worel und holt sie ab, bei Sonnenuntergang kommen sie wieder ‚heim‘. Worel ist in der Erinnerung von Moshe Wohlberg ein kleiner untersetzter Mann, ein Bauer, der zeitlebens nur Knecht gewesen und nun zu einer Art Autorität geworden ist. Er hat mit uns geschrien und geschimpft ‚Ihr seid zum Arbeiten da und nicht zum Faulenzen. Bellende Hunde beißen nicht‘. Ich glaube er hat so geredet, um Eindruck zu schinden vor seinen Vorgesetzten, wenn die weg waren, war er anders.‘ Für seine Cousine Magda war Worel korrekt, mehr auch nicht, an eine Hilfe oder Unterstützung durch ihn kann sie sich nicht erinnern. ‚Er hat immer gesagt: Schnell, schnell, aber er hat vergessen, daß das doch Kinder waren, die gearbeitet haben.‘ Die Gruppe der 38 Juden von Droß bekommt Essen nur für 20 Personen. Nur wer arbeitet, soll auch essen. Ohne die Aufbesserung der kärglichen Ration kann die Gruppe nicht überleben, und das ist eine Aufgabe des elfjährigen Moshe. Im Ort geht er nicht betteln. Ein Mädchen, etwas älter als er, ist ebenfalls immer unterwegs: ‚Wir haben uns verabredet: Du gehst dorthin, ich dort. Wir haben die Dörfer aufgeteilt, damit wir nicht ins Streiten kommen.‘ Die Unterweisung für das Betteln erhält Moshe von seinem Vater, der fließend Deutsch spricht und ihm einen wichtigen Unterschied beibringt, den zwischen Häftling und Flüchtling. ‚Wir waren Flüchtlinge, Schwaben, vor den Russen auf der Flucht. Bei mir war das auch vom Aussehen her möglich, da ich blonde Haare hatte und durchaus nicht jüdisch aussah.‘ Um Essen zu bekommen, sind ausgedehnte Wanderungen notwendig, 10–12 Kilometer am Tag, bei jedem Wetter. Die Lebensmittel, ein paar Kartoffeln, Brot, liefert Moshe ab. Magda Ellenbogen, damals 20 Jahre, kann sich an keine Zuwendung durch die Dorfbewohner erinnern. Einmal bekommt sie Schokolade von zwei amerikanischen oder englischen Kriegsgefangenen, die ebenfalls in Droß arbeiten. ‚Zwei haben gehört ,Jud’, haben sie ein bißchen geholfen, mit Essen und Kleidung.‘ Kurze Zeit später werden die beiden aus dem ,Ort weggenommen‘... ,Die Soldaten haben das Lager genau gegenüber von unserem Haus aufgeschlagen. Das war das Divisionskommando, mit Küche und allem. Sie hatten diese Zeichen am Kragen, es war SS. Ab diesem Zeitpunkt mußten wir nicht mehr in den Wald gehen, die Mädchen haben im Lager gearbeitet, geputzt, was halt so anfällt‘. In Droß erzählen einige ältere Bewohner, daß die ungarischen Juden erschossen hätten werden sollen. Der Landarbeiter Severin Worel hat die Gruppe in den Wald
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
geschickt und ihnen so das Leben gerettet. Magda Ellenbogen kann das so nicht bestätigen, Moshe Wohlberg antwortet ausnahmsweise in Englisch: ‚I think, he can’t be a bad man, because he had many chances to make us troubles. He didn’t.‘ Warum die Gruppe überlebt hat und welche Rolle der einfache Landarbeiter Severin Worel gespielt hat, wird wohl nie richtig geklärt werden können.“ Selbst die bürokratischen Berichte der Landräte an den Reichsstatthalter von Nieder donau reflektieren die extremen Arbeits- und Lebensbedingungen jener ungarischer Juden, die zur Waldarbeit eingesetzt wurden, wie Robert Streibl nachgewiesen hat: „Das Forstamt Arnsdorf berichtet von insgesamt 41 Juden, die in drei Lagern untergebracht seien, darunter neun Männer und 16 Frauen, wobei 13 Personen nicht einsatzfähig seien. Die tägliche Arbeitszeit betrage zwischen neun und zehn Stunden, die Arbeitsleistung wird als gering bewertet, so können nur 0,1 bis 0,3 Festmeter Holz geschlägert bzw. durchforstet werden, während ein einheimischer Waldarbeiter auf 1,5 bis 2 Festmeter Holz komme. Kein Wunder bei der Alterszusammensetzung der ‚Juden‘: die Männer waren meist über 66 Jahre, ‚die Weiber 18–66 Jahre alt.‘ Im Forstamt Rehberg ist man mit den 54 Juden, davon 30 einsatzfähig, zufrieden. Warum die Juden ‚körperlich schwächlich‘ seien, läßt sich aus dem kritischen Nachsatz schließen, daß die Brotration im Verhältnis zur Arbeitsleistung gering sei. Nur die Hälfte der in Gossam in der Wachau zur Zwangsarbeit festgehaltenen Juden konnte für den Ausbau des Güterweges von Gossam nach Reith verwendet werden, da es sich meist um Kinder (Kleinkinder), alte Männer und Frauen handelte. Aus der geringen Arbeitsleistung zog der Forstmeister aus Jaidhof die Konsequenzen: Er versetzte jüdische Zwangsarbeiter am 14.9.1944 zu einer anderen Arbeitsstelle im Kreis St.Pölten.“356 Die körperliche Schwäche der ausgebeuteten ungarischen Juden lässt sich auch für andere Gegenden dokumentieren: „Dem staatlichen Forstamt in Neubistritz wurden 126 Häftlinge zugewiesen, doch der Forstmeister bat die höheren Stellen, die Juden noch vor dem Wintereinbruch durch andere Arbeitskräfte zu ersetzen.“357 356 Die Juden des Landbezirks Krems, http://www.judeninkrems.at/stories/storyReader$162 357 Arbeitseinsatz zur Erfüllung des „Jägerprogramms“ des Deutschen Reichs, http://www.gojim.at/content. php?menue_id=28&gruppe=10&content_id=45 (Autor: Szabolcz Szita)
2.5. Ein Vergleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen
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2.5. ZwangsarbeiterInnen in der Industrie und in der Land- und Forst wirtschaft – ein Vergleich der Lebensund Arbeitsbedingungen Generell werden Unterschiede für den Arbeits- und Freizeitbereich in der Industrie herausgearbeitet und mit den Bedingungen in der Land- und Forstwirtschaft, die im folgenden als Landwirtschaft verkürzt bezeichnet wird, in Beziehung gesetzt werden: Trotz manchmal fließender, zeitabhängiger Übergänge gab es in allen Bereichen auch den Deutschen Arbeitskräften relativ gleichgestellte Zivilarbeitskräfte – zumindest bis 1942 – wie Bulgaren, Dänen, Italiener bis Juli 1943, Kroaten, Rumänen, Slowaken bis zum Aufstand 1944, Spanier oder Ungarn. Doch selbst bei dieser Gruppe wurden die Rückkehrmöglichkeiten in ihre Heimatländer ab 1942/1943 zunehmend eingeschränkt, sodass auch Niederländer, Belgier, französische Zivilarbeiter, Tschechen, Balten und Serben zwar im Vergleich zu den ethnisch besonders stigmatisierten Zwangsarbeitern/innen wie Polen oder Sowjetbürger („Ostarbeiter/innen“) begünstigt waren, aber nicht mehr ihren Arbeitsplatz auch nach Auslaufen von Arbeitsverträgen selbständig verlassen durften. Wie stark diese Kategorisierungen aber in der Praxis von ethnischen Vorurteilen und Einflüssen verändert und beeinflusst werden konnten, wird in der Folge noch gezeigt werden – so zum Beispiel anhand der Strafen bei „Arbeitsvergehen“. Latente Vorurteile waren beispielsweise gegenüber Tschechen als „Slawen“ ebenso spürbar wie gegenüber Italienern, die dann auch nach dem Sturz Mussolinis am 25. Juli 1943 als italienische Militärinternierte ab September 1943 diese aus politischen Opportunitätserwägungen bisher unterdrückten negativen Einstellungen – fast über Nacht – besonders brutal zu spüren bekamen (und wiederum von den polnischen, sowjetischen und französischen Arbeitern/innen als ehemalige Kollaborant/innen mit dem NS-Regime ebenfalls verachtet wurden).358
358 Siehe dazu Herbert, Fremdarbeiter, S. 301–305 sowie Luigi Cajani, Die italienischen Militärinternierten im nationalsozialistischen Deutschland, in: Ulrich Herbert, Europa und der „Reichseinsatz“. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland. 1938–1945, Essen 1991, S. 295–316, und Gerhard Schreiber, Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943–1945. Verraten – Verachtet – Vergessen, München 1990. Siehe weitere Details bei Cesare Bermani / Sergio Bologna / Brunello Mantelli, Proletarier der „Achse”. Sozialgeschichte der italienischen Fremdarbeit in NS-Deutschland 1937 bis 1943, Schriften der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin 1997, Gabriele Hammermann, Zwangsarbeit für den „Verbündeten“. Die Arbeitsund Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943–1945, Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 99, Tübingen 2002, Ralf Lang, Italienische „Fremdarbeiter” im nationalsozialistischen Deutschland 1937–1945. Frankfurt a. M. u. a. 1996.
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Als weitere Gruppen in dem Bereich Zwangsarbeit sind die völlig entrechteten KZHäftlinge zu nennen, die einzige Gruppe, die als „Less than Slaves“ bezeichnet werden kann – mit jüdischen KZ-Häftlingen und Roma und Sinti sowie Homosexuellen an unterster Stelle der KZ-Lagerhierarchie und organisierten politischen Häftlingen an der Spitze (abgesehen von Kapo-Häftlingen).359 Die Quantitäten auf der Basis der eingangs abgedruckten Statistik zeigen, dass insgesamt betrachtet die Landwirtschaft noch mehr von der Zwangsarbeit und Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften abhängig war als die Industrie. Im August 1944 kam fast jeder zweite Beschäftigte in der Landwirtschaft aus dem Ausland, in den Bereichen Bergbau, Metall und Bau hingegen jeder dritte. Noch 1942 hatte die Landwirtschaft hingegen noch höhere Anteile am Ausländer/inneneinsatz zu verzeichnen gehabt. In rein agrarisch geprägten Gebieten war die Dominanz der Zwangsarbeiter/innen ohne Einschränkungen spürbar, machten sie doch (Zivilarbeiter/innen und Kriegsgefangene) bis zu 50 % aller Beschäftigten in diesen Gebieten aus (so in Ostpreußen, Osthannover, Niedersachsen oder Kurhessen).360 Es zeigt sich aber in zahlreichen Fallstudien in Indus trieballungszentren, so auch in jener über die Reichswerke Hermann Göring in Linz, dass hier gegen Ende 1944 die Ausländer/innenraten bei 60 bis 70 % lagen. Gerade in kleinen bäuerlichen Einheiten bzw. in Forstbetrieben hatte diese klare Abhängigkeit von Zwangsarbeit keineswegs nur Vorteile, da gleichzeitig der individuelle Verhaltensspielraum des Deutschen Bauern und der Bäuerin deutlich grösser war als in einem grossen Industriebetrieb. Dies konnte von Vorteil, aber auch von Nachteil sein. Während im Industriebereich vor allem die Vorarbeiter teilweise vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsbereich hatten, war in der kleinen Landwirtschaft die Kontrolle eine grundsätzlich totale, da auch der Freizeitbereich aufgrund der räumlichen Nähe und Enge in die soziale und politische Supervision einbezogen werden konnte. In der Industrie bot das ethnisch-nationale Kollektiv der Zwangsarbeiter/innen durchaus phasenweise Schutz, wobei zunehmend ab 1943 durch den Leistungssteige359 Zu den extrem stigmatisierten und verfolgten Zwangsarbeitern/innen siehe Michael Düsing (Hg.) „Wir waren zum Tode bestimmt.” Lódz – Theresienstadt – Auschwitz – Freiberg – Oederan – Mauthausen. Jüdische Zwangsarbeiterinnen erinnern sich, Leipzig 2002; Wolf Gruner, Der geschlossene Arbeitseinsatz deutscher Juden. Zur Zwangsarbeit als Element der Verfolgung 1938–1943, Berlin 1997. Siehe auch Karola Fings, Begegnungen am Tatort. Besuchsprogramme mit ehemaligen ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen. Ein Leitfaden, Düsseldorf 1998, Florian Freund / Bertrand Perz, Das KZ in der „Serbenhalle“. Zur Kriegsindustrie in Wiener Neustadt, Wien 1988, Bärbel Maul / Axel Ulrich, Das KZ-Außenkommando „Unter den Eichen“, hg. vom Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden, Stadtarchiv, 5., aktualisierte u. erweiterte Aufl., Wiesbaden 1999; Josef Zausnig, Der LoiblTunnel: Das vergessene KZ an der Südgrenze Österreichs. Eine Spurensicherung, Klagenfurt 1995. 360 Herbert, Fremdarbeiter, S. 272.
2.5. Ein Vergleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen
149
rungsdruck und die Bombenangriffe diese sozialen Sicherungsnetzwerke zerfielen und auch zuvor häufig nur auf kleine Freundes-Seilschaften beschränkt blieben. Diese Netzwerke waren wichtig, um beispielsweise zusätzliche Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt zu organisieren. Noch 1942 entstanden ethnisch-nationale Vertriebs- und Requirierungsnetzwerke, die den informellen Austausch zwischen beispielweise polnischen Industriearbeitern/innen und Polen/innen auf umliegenden Bauernhöfen erlaubten. Hier waren vor allem jene bevorzugt, die bereits aus urbanen Bereichen kamen und die Grundgesetze von informellem Warenaustausch kannten. Ab Mitte 1943 und 1944 wurde jedoch dieser Sektor durch massive Kontrollen, Ausgangssperren und allgemeinen Mangel an Tauschobjekten ziemlich eingeschränkt. War generell die Lebensmittelversorgung im landwirtschaftlichen Bereich insgesamt und auch für die Zwangsarbeiter günstiger, so war die vorgesehene Entlohnung im Industriebereich relativ gesichert, hingegen in der Landwirtschaft häufig reine Theorie. Generell war aber Geld nicht direkt nützlich, da die wesentlichsten Güter wie Nahrung und Kleidung rationiert und nur durch Lebensmittel- oder Kleiderkarten zu erhalten waren. Die Zwangsarbeiterspareinrichtungen hatten keine Auswirkung auf die Steigerung des Lebensstandards. Nur im Schwarzmarktbereich konnte Geld eine Rolle spielen, setzte aber Kontakte zu Deutschen voraus, die nur selten – und meist außerhalb des Arbeitsplatzes – hergestellt werden konnten. Modellhaft gesprochen, war das Leben in der Landwirtschaft stark durch individuelle Abhängigkeiten und Optionen geprägt, in der Industrie waren kollektive Netze wichtiger, jedoch auch auf Kleingruppen mit besonderer Vertrauensbasis beschränkt. Vor allem bei Frauen im Industriebereich entstanden fallweise aufgrund der Freizeitmöglichkeiten Freundschaften mit deutschen Frauen, primär dominierten aber Freundschaften bis hin zu sexuellen Beziehungen mit jungen Männern aus in der NS-Hierarchie höher angesiedelten Zwangsarbeitergruppen: so beispielsweise zwischen russischen Mädchen und tschechischen Männern. Die Grenzen zwischen Liebe und Freundschaft und Abhängigkeit sind hier keineswegs leicht zu ziehen und nur im Einzelfall rekons truierbar. Generell spielt bei all diesen Aussagen über die Arbeits- und Lebensbedingungen immer der jeweilige Zeitabschnitt eine Rolle. Während sich im Industriebereich ab 1943/1944 bis kurz vor der Befreiung die allgemeine Situation immer mehr für alle Gruppen von ausländischen Arbeitskräften verschlechterte, so ist im Bereich der Landwirtschaft aufgrund der Abhängigkeit von der meist nur eine oder zwei Personen umfassende Arbeitsleistung durch ZwangsarbeiterInnen eine Verbesserung bzw. Stabilisierung der Lebensumstände festzustellen. Überdies waren die in urbanen Zentren eingesetzten Zwangsarbeiter/innen alliierten Bombenangriffen ausgesetzt, und vor allem KZ-Häft-
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
linge und andere stigmatisierte Zwangsarbeiter wurden überdies zu lebensgefährlichen Bombenräumkommandos gezwungen. Während bis Ende 1943/Anfang 1944 in vielen Fällen die Arbeit in der Landwirtschaft als zu anstrengend von jungen Zwangsarbeitern/innen empfunden wurde, und eine Tendenz in Richtung Arbeitsplatzwechsel in Richtung Industrie bestand, kehrte sich dieser Trend ab spätestens 1944 ins Gegenteil um. Inwieweit das NS-Regime derartige Arbeitsplatzwechsel durch Arbeitsflucht kontrollieren und verhindern konnte, hing vom Einzelfall ab – in der Praxis entwickelte sich zunehmend eine Grauzone. Zumindest bis Ende 1943 schien in vielen Fällen das Lagerkollektiv in der Indus triearbeit auch die psychischen Folgen der Verschleppung (verursacht durch Heimweh, fremde Sprache, fehlende familiäre Sozialisation etc.) etwas auszugleichen, wohingegen in den meisten Fällen abseits von Gutshöfen die Zwangsarbeiter eher bei Einzelbauernhöfen auf sich alleingestellt waren. Gleichzeitig steigerte dies auch die Abhängigkeit – bis hin zu dem sexuellen Bereich. Während im Industriebereich die sexuellen Abhängigkeiten von Frauen vor allem innerhalb der Zwangsarbeitshierarchie immer stärker wurden, verbunden mit dem jugendlichen Alter und dem psychischen Druck in einem fremden Land sich zunehmend steigerten, blieb im Agrarbereich häufig nur die Beziehungsebene zu deutschen Männern übrig. Im Falle von männlichen Zwangsarbeitern/innen führte dies jedoch häufig zu lebensgefährlichen Situationen, die durch Denunziationen hervorgerufen wurden, da beispielsweise Polen Geschlechtsverkehr mit deutschen Frauen bei Todesstrafe untersagt war. Erwiesene Vergewaltigungen von Polinnen durch deutsche Männer hingegen blieben meist ungeahndet. Überhaupt scheint die Denunziation durch Deutsche in der relativ engen und klar überschaubaren Welt des Dorfes häufiger gegen Zwangsarbeiter/innen, aber auch gegen deren Bauern und Bäuerinnen vorgekommen zu sein als im Industriebereich. Hier dominiert meist die Denunziation aus der eigenen nationalen Gruppe. Sowohl im Industrie- als auch im Agrarbereich wurde auch von Vorarbeitern oder Bauern physische Gewalt gegen die Zwangsarbeiter/-innen eingesetzt, die nur selten von den Behörden unterbunden wurde. Bezüglich der Arbeitsleistungen waren letztlich im Bereich der Landwirtschaft ab 1944 der Motivationsgrad und die Motivationsmittel effizienter als im Bereich der Industrie, wo zunehmend die reinen Zwangsmaßnahmen erhöht wurden, um die vorgegebenen Produktionsziffern halten zu können. Im gesamtwirtschaftlichen Kontext wirkte sich sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Industrie auch im Zwangsarbeiter/inneneinsatz die Radikalisierung und Umordnung von bestimmten Wertesystemen aus, die in einem Mischsystem aus Plan-, Markt-, Befehls- und
2.5. Ein Vergleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen
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Monopolwirtschaft wirksam wurden.361 Gerade in einem derartigen System waren die rassistisch definierten Unterordnungs- und Befehlssysteme zentral für das Funktionieren der Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft – gleich ob in der Privat- oder Staatswirtschaft. Vor diesem Hintergrund der „Kultur des Krieges“ und der offensiven Umsetzung rassistischer Umgestaltungs- und Verfolgungsprinzipien entwickelte sich auch das Verhältnis zwischen Deutschen (als „Arier“ definiert) und unterschiedlich rassisch abgestuften Kategorien von Ausländern/innen. Insgesamt betrachtet sind die Kontaktpunkte zwischen Deutschen und ausländischen Zwangsarbeitern/innen in der Landwirtschaft doch intensiver und eröffnen damit wesentlich vielfältigere Verhaltensmuster als im Industriebereich. Dort sind es primär der Vorarbeiter oder die Meister sowie einzelne Arbeitskollegen/innen, wobei hier wiederum Frauen aufgeschlossener für private Kontakte waren als Männer. Punktuell lassen sich aber auch im Industriebereich immer wieder Hilfestellungen – so vor allem durch etwas Zusatzernährung oder bei Problemen mit dem Produktionsablauf – feststellen, grundsätzlich änderte dies nichts an den Mangelerscheinungen oder an der generellen Repression. In der Freizeit und bei Außenkontakten waren ebenfalls individuelle Begegnungen durchaus möglich, blieben aber mangels Sprachkenntnissen meist in sehr beschränktem Rahmen, und letztlich dominierten hier bevorzugte Gruppen wie Franzosen oder Deutsch sprechende Zwangsarbeiter/innen wie Tschechen. D. h., dass nur im Bereich der Landwirtschaft die Interaktion mit Deutschen zur Verbesserung, aber auch zur Verschlechterung von Arbeits- und Lebensbedingungen führen konnte. Im Industriebereich war allein schon durch die überwiegend vorherrschende Lagerwohnsituation die gesellschaftliche Interaktion auf die jeweiligen Barackenbelegschaft der eigenen Nationalität beschränkt. Die von den Nationalsozialisten dekretierte Segregationspolitik ließ sich im Industriebereich relativ konsequent durchsetzen, in der Landwirtschaft hingegen entwickelte sich eine janusköpfige Beziehungsvielfalt (Ein- und Ausschluss gleichzeitig). Die Möglichkeit, dass dieser generelle Vorteil am Bauernhof in Willkürherrschaft umschlagen konnte, sollte nicht unterschätzt werden. Trotzdem bot die Arbeit am Bauernhof doch auch die Möglichkeit, die vom NS-Regime vorgeschriebene rassistische Unterordnung zu relativieren und punktuell aufzuheben, vor allem wenn es gelang individuelle Allianzen zu knüpfen. Dies war in einem Industriebetrieb mit festen zugewiesenen Gruppenhierarchien generell nicht möglich. Ein Vergleich der Arbeits- und Lebensbedingungen in Privatunternehmen mit jenen in politischen Staatskonzernen führte zu keinen grundsätzlichen Unterschieden. Eher lassen sich branchenspezifische und prinzipielle Unterschiede nach Produktionsabläufen in allen 361 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Michael von Prollius, Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten. Steuerung durch emergente Organisation und politische Prozesse, Paderborn 2003.
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Industrieunternehmen festmachen, da primär die marginalisierten Zwangsarbeiter/innengruppen wie KZ-Häftlinge, Sowjets und Polen zu den körperlich anstrengendsten Tätigkeiten herangezogen wurden oder auch zu jenen Arbeiten, die häufig zu Unfällen führen konnten. So waren beispielsweise die Arbeitsbedingungen im Bergbau für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene besonders extrem. Aber auch moderne Betriebe wie im Bereich der Elektrowirtschaft entwickelten trotz scheinbar perfekter Arbeitsbedingungen derart belastende Arbeitsabläufe, die ebenfalls negative Auswirkungen auf die psychische Situation der Zwangsarbeiter/innen hatten. Ingesamt gesehen, gab es in der Industrie zwar modernere Rahmenbedingungen als in der Landwirtschaft, wie zum Beispiel in der medizinischen Versorgung, gleichzeitig aber existierten zahlreiche Barrieren für Zwangsarbeiter/innen, diese Vorteile auch in Anspruch zu nehmen. Radikal manifestierte sich diese Schein-Modernität im Falle der Abtreibungen bzw. Geburten von Zwangsarbeiterkindern. Besonders hier wurde die rassistische Segregationspolitik bei der Gesundheitsversorgung und Wertschätzung bzw. Missachtung menschlichen Lebens sichtbar. Die relativ hohen Produktivitätszahlen, die in der Landwirtschaft nur indirekt rekonstruierbar sind, waren primär auf Zwang und Supervision sowie Ausbeutung jugendlicher Arbeitskraft zurückzuführen, keineswegs auf moderne Motivationsstrategien oder den verstärkten Einsatz von Maschinen. Dazu kam, dass vor allem in manchen osteuropäischen Staaten, aber auch in der Sowjetunion, die autoritären Unterordnungsstrukturen bereits entsprechende Voraussetzungen geschaffen hatten, die das NS-Regime auch ausnützte. Dies reflektiert sich in den Strafstatistiken, in denen Westzivilarbeiter durchaus häufig, wenngleich deutlich milder als „Ostarbeiter“ bestraft wurden. So zeigte sich bei der Fallstudie über die Reichswerke Hermann Göring in Linz, dass die meisten Arbeitsvertragsbrüche Franzosen angelastet wurden (443), gefolgt von Tschechen (108), an dritter Stelle die privilegierten Niederländer (104), Russische Ukraine (93), Polen (80) und Russland (67) folgten.362 Die Betriebsgröße ist kein Indikator für das Ausmaß des physischen und psychischen Arbeitsdrucks, da der Industriebereich durch die Requirierung von Zwangsarbeitern/ innen und durch die Durchführung von Rüstungsaufträgen expandieren wollte. Hier wiederum ist doch ein Unterschied zu kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben zu sehen, wo es primär um den Erhalt des Status quo ging, der durch das Abziehen von Arbeitskräften zur Deutschen Wehrmacht in Gefahr war, gänzlich zusammenzu362 Schober, Michaela, ZwangsarbeiterInnen der Reichswerke Hermann Göring am Standort Linz – Statistikbericht unter Berücksichtigung der deutschen Staatsangehörigen, in: Oliver Rathkolb (Hg.), NSZwangsarbeit: Der Standort Linz der ‚Reichswerke Hermann Göring AG‘, Berlin, 1938–1945, Band 1, Wien / Köln / Weimar 2001, S. 240.
2.5. Ein Vergleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen
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brechen. Dies erklärt auch, warum sich 1944 die Situation so radikal zuungunsten der Zwangsarbeiter/innen in der Industrie verschlechterte, da gerade in diesem Jahr die NSRüstungsproduktionsanstrengungen noch einmal hochgeschraubt wurden. Dass das Unrechtsbewusstsein sowohl im Industrie- als auch im landwirtschaftlichen Sektor gering war, hing primär mit der Verregelung des Zwangsarbeiter/inneneinsatzes zusammen. Obwohl in der Praxis bald klar wurde, dass die Vielzahl an Regelungen und Vorschriften nur tendenziell umsetzbar war, so hatte das Regelwerk doch letztlich eine klare Wirkung: Sowohl der deutsche Meister als auch Vorarbeiter, als auch der Bauer sahen sich als legitimierte „Herren“ über die Zwangsarbeiter/innen, bestensfalls als legitimierte „Dienstgeber“ an, ohne eine Sekunde einen Gedanken darauf zu verschwenden, dass es in den meisten Fällen ab 1943/1944 keinen freiwilligen Arbeitsvertrag gab und für Polen und Sowjets nie gegeben hatte – von KZ-Häftlingen gar nicht zu reden. Entsprechend konsequent auch die Diktion nach 1945, die durchaus in dem die Realitäten auf den Kopf stellenden Satz enden konnte: „Wir waren alle Zwangsarbeiter“.
Traumatisierung Die Zwangsrekrutierungen, der tagelange Transport unter menschenverachtenden Bedingungen ohne genügend Wasser und Ernährung, mit dem Zwang, häufig vor den Augen der Wachsoldaten ihre Notdurft verrichten zu müssen, die Untersuchung in zutiefst verletzender Art und Weise nach der Ankunft auf Hygiene und Gesundheit: All das hatte traumatische Folgen.363 Die Transporte für verschleppte Männer waren schlimm genug, diejenigen für Frauen zutiefst verletzend. Auch hier zeigte sich der männlich dominierte Rassenwahn, der Polinnen und Russinnen als Untermenschen disqualifizierte und als Frauen noch einmal eine Stufe tiefer stellte, aber auch die Mittäterschaft der deutschen Wehrmacht, die aktiv an den Requirierungen und Transporten beteiligt war.364 Das zentrale Durchgangslager für die „Ostmark“ befand sich in Strasshof, in der Nähe von Wien, wo die „Entlausung der Ausländer und die Entwesung ihrer Sachen“ stattfand. Im 363 Vgl. dazu Gisela Schwarze, ”Any misunderstood leniency is to be avoided”. The Enslavement of Soviet-Russian Women and Children during World War II, in: Oliver Rathkolb, Revisiting the National Socialist legacy. Coming to terms with Forced Labor, Expropriation, Compensation, and Restitution, Innsbruck / Wien 2002, S. 82–94. Frau Schwarze hat die Unterlagen des zentralen Transitlagers für Westfalen in Soest, durch das insgesamt 200.000 Frauen geschleust und anschließend in das nördliche Ruhrgebiet, Münsterland und Ost-Westfalen weitergeschickt wurden, untersucht. 364 Herbert, Fremdarbeiter, S. 156–161 u. S. 255–258.
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
„unreinen Teil der Anlage geben die ausländischen Arbeiter ihre Kleidungsstücke ab. Von dort kommen diese in die Entlausungskammern. In der Zwischenzeit werden die Arbeitskräfte einer ärztlichen Untersuchung unterzogen und dann gereinigt. Die Untersuchung findet vor der Entlausung der Menschen statt, damit etwaige infektiöse Erkrankte sofort ausgeschieden werden können .... Alle behaarten Stellen des Körpers werden am zuverlässigsten mit Cuprex behandelt. Die Haupthaare der Männer und Frauen werden ebenfalls der gleichen Behandlung unterzogen und mechanisch bis zu einer halben Stunde pro Person Läuse und Nisse entfernt. Dann kommt das ,Reinigungsbad‘“,365 nach dem die Arbeiter/innen ihre gereinigten Kleidungsstücke zurückbekommen sollten. „Die Person, die uns im Duschraum Seife und Handtuch reichte, war ein Mann und keine Frau ... Kein Mann hatte mich bisher nackt gesehen, abgesehen von Ärzten ... und neben dem Gefühl der Scham empfand ich ein Gefühl der Wut, daß man Menschen so grundlos verletzen musste. Hätte man nicht eine Frau mit dieser Aufgabe betrauen können?“366 Zu den Traumatisierungen kamen die massiven politischen Pressionen und Untersuchungen vor allem jener viereinhalb Millionen Menschen, die nach Kriegsende in die Sowjetunion repatriiert wurden (rund 250.000 emigrierten aus Deutschland in die USA, Kanada, Australien und Großbritannien).367 Selbst jene, die in Deutschland bleiben konnten, hatten an psychischen Wunden zu leiden, und ihre Nachkriegsentwicklungen wurden auch davon beeinflusst.368 Zahlreiche Männer wurden in der „Roten Armee“ „zwischengelagert“ und konnten erst nach mehreren Jahren zurückkehren – jedoch erst
365 Therese Schranner, Ärztliche Erfahrungen beim Einsatz fremdländischer Arbeitskräfte, Diss. Med, Wien 1943, S. 33f. 366 Meyer Levin, Die Geschichte der Eva Korngold, Frankfurt a. M. 1995, S. 36. Somit ist die selbst in der aufgeschlossenen wissenschaftlichen Literatur, wie der Daimler-Benz-Studie, aufgestellte These, dass ein „direkter Zusammenhang zwischen Arbeitseinsatz bei Daimler-Benz und erlittener körperlicher Beeinträchtigung nur im Falle von Verletzungen und bestimmter körperlicher Schäden möglich (ist)“ schlicht und einfach nicht haltbar. (Barbara Hopmann, Daimler-Benz, Zwangsarbeit bei Daimler-Benz, Stuttgart 1994, S. 453) 367 Anhand interner russischer Unterlagen zitiert von Ulrike Goeken-Haidl, Zwangsarbeit weiblich, in: Newsletter 11 des Arbeitskreises Militärgeschichte, S.1. 368 Vgl. dazu ansatzweise Stanislaus Stepien, Der alteingesessene Fremde. Ehemalige Zwangsarbeiter in Westdeutschland, Frankfurt a. M. 1989.
2.5. Ein Vergleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen
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nach peinlichen Verhören in „Filtrationslagern“.369 Auch Frauen wurden diesem Verfahren unterzogen, das ebenfalls mit der Einweisung in ein Arbeitslager enden konnte; im positiven Fall blieb aber die Stigmatisierung in den lokalen Gemeinschaften als Kollaborantinnen.370 Erst in den 1990er-Jahren brachen diese Traumata auf, doch häufig blieb die Angst bestehen und viele hatten Bedenken, Entschädigungsansprüche an die entsprechenden deutschen und österreichischen Fonds zu stellen. Die russische Historiographie entdeckte diese Opfergruppe erst sehr spät, aber auch in Österreich wurde dieses Thema einem breiteren Publikum erst Ende der 1990er-Jahre bewusst gemacht.
Schriftstück aus der Korrespondenz zum Einsatz von Kriegsgefangenen im Forstamt Wiener Neustadt (Archiv der Republik, 05, Reichsforstverwaltung Karton 85) 369 Näheres dazu bei Pavel Poljan, Die Repatriierung der Sowjetbürger in die UdSSR, in: Guenter Bischof / Rüdiger Overman (Hg.), Kriegsgefangenschaft im Zweiten Weltkrieg. Eine vergleichende Perspektive, Wien 1999, S. 303–338, Pavel Poljan, Die Deportation der Ostarbeiter im Zweiten Weltkrieg, in: Andreas Gestrich / Gerhard Hirschfeld / Holger Sonnabend (Hg.), Ausweisung und Deportation. Formen der Zwangsmigration in der Geschichte, Stuttgarter Beiträge zur Historischen Migrationsforschung, hrsg. vom Stuttgarter Arbeitskreis Historische Migrationsforschung e.V., Band 2, Stuttgart 1995, S. 115–140. 370 Vgl. dazu im Detail: Karl Fallend, ZwangsarbeiterInnen: (Auto-)Biographische Einsichten, Band 2 von NS-Zwangsarbeit: Der Standort Linz der „Reichswerke Herman Göring AG Berlin“ 1938–1945, hg. von Oliver Rathkolb, Wien / Köln / Weimar 2001.
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2. Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern
Einsatz von Juden im Forstamt Markenstein, 1944 (Archiv der Republik, 05, Reichsforstverwaltung Zahl 943–1806 – 36).
2.5. Ein Vergleich der Lebens- und Arbeitsbedingungen
Auszug aus Personalunterlagen Forstamt Gassach Unternberg, betreffend Tamsweg 1944.
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3. „Arisierung“ und Restitution von Liegenschaften Michael Wladika
3.1. Allgemeiner Teil 3.1.1. Vorbemerkung (Die Ankaufspolitik der Reichsforstverwaltung und die Effizienz der NS-Behörden beim Erwerb von Liegenschaften) Gemäß der Weisung des Reichsforstmeisters sollte der im Verhältnis zum „Altreich“ nur geringe Anteil der produktiven staatlichen Waldfläche in der Ostmark auf das im „Altreich“ bestehende Niveau von rund 25 % angehoben und somit möglichst verdoppelt werden. Zur Erreichung dieses Ziels sollte jede sich bietende Möglichkeit „mit allen erdenklichen Mitteln“ zu Waldankäufen wahrgenommen werden. Was diese anfängliche Euphorie zusätzlich gesteigert haben dürfte, war der Umstand, dass Geld für die Ankäufe keine Rolle spielte.371 Der für Liegenschaftsgroßeinkäufe zuständige Oberlandforstmeister HR Ing. Julius Güde nannte daher für derartige erwerbswürdige Güter ohne Anschlussmöglichkeit eine Mindestgröße von 400 bis 500 ha als erforderlich. Güter mit darunter liegenden Größen wurden nicht angekauft.372 In einem am 6. Juni 1940 in Wien vor Vertretern der slowakischen Holz- und Forstwirtschaft gehaltenen Vortrag gab Güde darüber hinaus als Richtschnur für die Errichtung und den Umfang eines Forstamtes eine Staatswaldfläche von 5.000 ha an.373 Als Gründe, warum überhaupt eine „Mehrung des Staatswaldes“ erreicht werden sollte, wurden einerseits der geringe staatliche Anteil an der Waldfläche Österreichs von gerade einmal 12 % angegeben, andererseits waren damit Anstrengungen zur Erreichung der wirtschaftlichen Autarkie im Zuge der Kriegsrüstung sowie ideologisch befrachtete Zielsetzungen verbunden. Diese allgemeinen Ziele, die sich besonders Güde verinner371 Hamböck, Historische Besitzaufarbeitung, S. 13. 372 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1942, Sig 13, Kt. 41, GZ 942 1592 13, Kaufvertrag Alice Vaitoinau und Elsa Baronin Musulin – Jagdgut Loich-Übelbach. 373 Abgedruckt in: Güde, Die Entwicklung der ostmärkischen Forstverwaltung, Nr. 51/52, S. 411.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
lichte, waren bereits 1936 vom Ministerialdirigenten Heinrich Eberts im „Programm zur Neuordnung des Forstwesens in Deutschland“ formuliert worden. Sie sahen unter Berufung auf die Grundsätze der Nachhaltigkeit, der wirtschaftlichen Höchstleistung und der Unterordnung der eigenwirtschaftlichen Ziele der Waldbesitzer unter die gesamtwirtschaftlichen Interessen des Staates die Erfüllung umfangreicher volkskultureller, landeskultureller, wehrtechnischer und wehrwirtschaftlicher, nationalwirtschaftlicher und sozialer Aufgaben zugunsten der „Volksgemeinschaft“ vor. Eine Waldbesitzform, die das nicht zu leisten vermöge, hätte ihre Daseinsberechtigung verloren.374 Neben dem ideologischen Beiwerk, den volks- und landeskulturellen Aufgaben, die zur „Verbundenheit von Wald und Volk“ beitragen und den Wald „als Grundlage deutscher Kultur“ erhalten sollten, standen die nationalwirtschaftlichen Aufgaben, nämlich die bestmöglichste und kontinuierliche Bedarfsdeckung an Erzeugnissen des Waldes sowie als soziale Aufgabe die Mitwirkung bei der Arbeitsbeschaffung im Vordergrund.375 Zur Erfüllung dieser Zielsetzungen in der Ostmark sollte in erster Linie die Erweiterung des Staatsforstebesitzes beitragen.376 Die Ankaufspolitik traf sich auch durchaus mit der Ansicht, dass nach dem Ersten Weltkrieg abgeholzte und oft durch raschen Eigentümerwechsel vernachlässigte private Wälder nur bei Ankauf und laufender Bewirtschaftung durch die mit entsprechenden fachlichen und finanziellen Ressourcen ausgestatteten Reichsforste wieder hochgebracht werden könnten.377 Überhaupt wurde die proportionale Größe des privaten Waldes gemessen am Staatswald beklagt. Privater Wald befand sich als österreichische Besonderheit hauptsächlich im Eigentum meist bäuerlicher (Klein-)Waldbesitzer, deren es so viele gab, dass ihre Betriebe – der Kleinwald war meist untrennbar mit der Landwirtschaft verbunden – im Jahre 1935 bei der letzten forststatistischen Erhebung vor dem „Anschluss“ zahlenmäßig gar nicht erfasst werden konnte.378 Güde schätzte, dass rund die Hälfte aller „Waldungen“ in Österreich, also damals etwa 1.569.540 ha von insgesamt 3,139.080 ha, zum Kleinwaldbesitz, daher größtenteils zum Bauernwald gehörten.379 Mit diesen zersplitterten kleinen Einheiten ließen sich obige Zielsetzungen nur schwer ver-
374 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Heinrich Eberts, Die Neuordnung des Forstwesens in Deutschland, in: Zeitschrift für Weltforstwirtschaft, Bd. III 1935/36, Berlin 1936, S. 671f. Güde, Die Forstwirtschaft der Ostmark im Dritten Reich, S. 166. 375 Ebda. 376 Güde, Die Entwicklung der ostmärkischen Forstverwaltung, in: Der Deutsche Forstwirt, Nr 51/52, S. 411. 377 Hamböck, Historische Besitzaufarbeitung, S. 13. 378 Weigel, Die Forstwirtschaft der Ostmark 1938–1945, S. 32f. 379 Güde, Die Forstwirtschaft der Ostmark im Dritten Reich, S. 174.
3.1. Allgemeiner Teil
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wirklichen. Oberlandforstmeister Güde gab für den hohen Anteil des privaten Waldes in einem vielsagenden historischen Abriss eine weitere Erklärung. Er machte die „kurze aber unheilvolle“ Zeit von 1852 bis 1873, als die Staatsforstverwaltung unmittelbar dem Finanzministerium unterstand, dafür verantwortlich, dass aus dem Gesichtswinkel „kapitalistisch-liberalistischer Weltanschauung“ ein großer und wertvoller Teil der österreichischen Staatsforste verkauft worden sei. Diese Verkäufe, frühere Schenkungen der Landesfürsten an Klöster, Verpfändungen in Notzeiten und „andere Ursachen“, hätten dazu beigetragen, dass der Anteil des Staatsforstebesitzes am Gesamtwald so klein sei. Er sei aber nicht nur klein, er liege außerdem noch größtenteils in den gebirgigen Teilen, denn nur die „minderwertigsten, dann die mit Holzbezugsrechten stark belasteten Forste“, seien dem Staat verblieben, was nunmehr durch Neuankäufe revidiert werden müsse.380 Dieses Erklärungsmodell findet auch deshalb Erwähnung, weil sich anhand der antikapitalistischen, vor allem aber antiliberalen Sichtweise die Wandlungsfähigkeit Güdes ablesen lässt. 1938 wetterte er in einem Vortrag gegen den „verderblichen Einfluss der liberalen Gedankenwelt“, die eine „Befreiung der Wirtschaft von obrigkeitlichen Fesseln“ bewirkt und als radikalsten Auswuchs zur Abholzung ganzer Wälder geführt habe. Noch 1938 verband er damit die Warnung an Makler und andere „kapitalistische Geldleute aus dem Altreich“, seine erklärten Feinbilder, Geschäfte auf Kosten des Waldes zu machen.381 Güde ging weiters im Herbst 1943 in einem Artikel in der „Zeitschrift für das gesamte Forstwesen“, der unter „Fachliche Mitteilungen“ platziert war, ebenfalls von einer Waldfläche von rund 421.000 ha im Jahr 1938 aus, zog dabei aber die 1938 erschienene „Forst- und Jagdstatistik für Österreich nach dem Stand von 1935“ heran, die sich wiederum nach Güdes Angaben auf den Grundsteuerkataster stützte. Dieser Statistik zufolge betrug die Gesamtwaldfläche Österreichs vor dem sogenannten „Anschluss“, wie oben angegeben, 3,139.080 ha. Zusätzlich zu den rund 421.000 ha staatlicher Waldfläche schienen im Kataster jedoch etwa 20.000 ha Ödflächen mit geringfügiger zufälliger Bestockung und Krummholzkiefernbeständen auch als „Waldungen“ auf. Es waren dies die gefürchteten wertlosen Höhenlagen, die von Güde mehrmals angeführt wurden, auf denen der Staat „sitzen geblieben“ wäre. Für die Schönung der Statistik schienen sich die Ödflächen aber bestens zu eignen, denn obwohl Güde auch auf diesen „Fehler“ hinwies, der bei der Forstvermessung nach unten korrigiert worden wäre, zählte er die 20.000 ha Ödflächen zu den 421.000 ha hinzu und kam somit auf eine Staatswaldfläche vor dem „Anschluss“ von rund 442.515 ha. Im Zuge dieses „Kunstgriffes“ setzte er selbstverständ380 Güde, Die Entwicklung der ostmärkischen Forstverwaltung, in: Der Deutsche Forstwirt, Nr. 49/50, S. 394. 381 Güde, Die Forstwirtschaft der Ostmark im Dritten Reich, S. 165.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
lich die Fläche der von der damaligen Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste verwalteten Religionsfondsforste dem Staatswaldbesitz gleich, da diese genauso wie die Bundesforste verwaltet und auch die Gelderträge vom Bund beeinnahmt bzw. die Abgänge von diesem getragen wurden. Die Erwähnung dieser Zahlen erscheint deshalb interessant, weil Güde auf ihnen seine weiteren Berechnungen und Vorgaben aufbaute. Er errechnete nämlich auf diese Weise einen Anteil des Staatswaldbesitzes an der Gesamtwaldfläche Österreichs im März 1938 von 14,1 %.382 Um daher den Anteil des Staatswaldbesitzes auf jene vorgegebenen 25 % zu erhöhen, die dem Niveau des „Altreichs“ entsprachen, daher von 442.515 ha auf 784.770 ha, hätte die Reichsforstverwaltung Akquisitionen von über 342.255 ha tätigen müssen! Die Erweiterung des Staatswaldbesitzes von 442.515 ha auf 611.718 ha betrug daher, in Prozenten ausgedrückt, stolze 38,2 %. Die territoriale Erweiterung von 169.203 ha ergab gemeinsam mit den in dem Zeitraum von März 1938 bis 1. Jänner 1943 getätigten Ankäufen, die vorweggenommen 170.058 ha erreichten, die Summe von 339.261 ha. Im Sinne der obigen Vorgabe, den Staatswaldbesitz um 342.255 ha zu erweitern, um auf ein Niveau von 25 % zu kommen, hatte die Reichsforstverwaltung bzw. der für Großeinkäufe zuständige Oberlandforstmeister Ing. Julius Güde auf den ersten Blick sein Ziel erreicht. Doch die Zahlen trügen, denn zu vordergründig und zu leicht zu durchschauen war diese geschönte Aufstellung. Dies musste auch Güde in den „Fachlichen Mitteilungen“ im selben Atemzug, mit dem er dieses Ergebnis veröffentlichte, zugeben. Mit der Erweiterung stieg nämlich zur gleichen Zeit infolge der Eingliederung der südböhmischen und südmährischen Gebiete sowie von Südsteiermark und Südkärnten auch die Gesamtwaldfläche der damaligen Alpen- und Donaugaue auf rund 3,710.000 ha. Trotz dieser namhaften Vermehrung konnte daher der Anteil des Reichsforstebesitzes nur auf 16,5 % (!) der Gesamtwaldfläche gehoben werden und blieb somit immer noch weit hinter dem Staatswaldanteil im „Altreich“ zurück.383 Eine nennenswerte Erhöhung des Anteils war daher nur durch eine Umverteilung des Privatwaldes auf Staatswald innerhalb der Grenzen von 1938 zu erreichen. Güde gab in den erwähnten „Fachlichen Mitteilungen“, die allein aufgrund der darin vorgenommenen regionalen Aufgliederung als einzige halbwegs verlässliche Quelle herangezogen werden können, an, dass in der Zeit vom März 1938 bis 1. Jänner 1943 für die Reichsforstverwaltung in den „Alpen- und Donaugauen“ insgesamt 170.058 ha Wald „erworben“ 382 ������������������������������������������������������������������������������������������������������� Julius Güde, Der Reichsforstbesitz in den Alpen- und Donaugauen, in: Zeitschrift für das gesamte Forstwesen. Gemeinschaftsausgabe von Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, 75. Jg., und Centralblatt für das gesamte Forstwesen, 69. Jg., Oktober/Dezember 1943, Heft 7/9, Berlin 1943, S. 220. 383 Güde, Der Reichsforstbesitz in den Alpen- und Donaugauen, S. 220.
3.1. Allgemeiner Teil
163
wurden.384 Diese Zahl erscheint trotz des Fehlens der Jahre 1944/45 repräsentativ. Zum damaligen Zeitpunkt war das für Großeinkäufe zuständige Amt des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben bereits aufgelöst worden, und dessen Leiter, Güde, hatte den nunmehr zuständigen regionalen Landesforstämtern zur Kenntnis gebracht, dass auch infolge des zunehmenden Geldmangels nur mehr drei Großprojekte zu Ende zu führen seien. Die 170.058 ha Wald setzten sich laut Güde aus „Erwerbungen“ aus folgenden Gauen zusammen: Niederdonau (Anm. mit dem nördl. Burgenland) 66.391 ha Oberdonau (Anm. mit dem Ausseerland) 43.507 ha Steiermark (Anm. mit dem südl. Burgenland) 47.692 ha Kärnten 11.395 ha Salzburg 442 ha Tirol und Vorarlberg 631 ha 170.048 ha Auffallend bei dieser Aufstellung ist, dass das damalige Groß-Wien fehlt, trotzdem es in diesem Raum Erwerbungen wie das Forstgut Fischamend und die Domänengüter Gumpoldskirchen und Laab im Walde des Deutschen Ritterordens (siehe unten) zu verzeichnen gab. Auffällig ist auch der zahlenmäßig geringe Erwerb im Gau Salzburg, der den höchsten Anteil an Staatswald vor dem März 1938 aufzuweisen hatte und der deswegen vermutlich noch am ehesten Arrondierungsmöglichkeiten zu bieten hatte. Güde untergliederte die 170.058 ha Erwerbungen der Reichsforstverwaltung weiter in: Ankäufe 101.168 ha (59,5 %) Einziehungen von beschlagnahmten und sonstigen dem Reich verfallene Vermögenschaften (darunter auch die Güter des Habsburger Familienversorgungsfonds) 35.146 ha (20,7 %) Übernahme ehemals tschechoslowakischer und südslawischer Staats- bzw. Religionsfondsforste 31.446 ha (18,5 %) Sonstige Übernahmen, hauptsächlich österreichische Religionsfondsgüter, die bisher noch nicht vom Staat bewirtschaftet wurden 2.298 ha (1,3 %)“ Hierbei fällt zunächst auf, dass Güde mit der Hereinnahme der bereits unter der territorialen Erweiterung erwähnten sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei ver384 Güde, Der Reichsforstbesitz in den Alpen- und Donaugauen, S. 220.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Stehkader aus dem Propaganda-Film „Ewiger Wald“ 1936, hergestellt im Auftrag der NS-Kulturgemeinde.
suchte, diese quasi zweimal zu verrechnen, um die Gesamtbilanz zu schönen. In den Erläuterungen zum Voranschlag der Österreichischen Bundesforste für 1946 wurde daher auch richtigerweise angegeben, dass sich die Waldfläche der Bundesforste „durch Enteignungen und Ankäufe um rund 132.000 ha vergrößert“ hatte,385 was in etwa der von Güde angegeben Fläche abzüglich jener 31.446 ha tschechoslowakischen Gebietes entsprach. Bei den von Güde mit 35.146 ha angegebenen „Einziehungen von beschlagnahmten und sonstigen dem Reich verfallene Vermögenschaften (darunter auch die Güter des Habsburger Familienversorgungsfonds)“ lässt sich zunächst das Habsburg-Vermögen quantifizieren: Es bestand neben drei Mietshäusern in Wien aus dem Kobernaußer Wald bei Mattinghofen/Oberösterreich, der rund 10.000 ha oder zwölf Liegenschaften umfasste, weiters aus der Domäne Orth samt Schloss Eckartsau mit 7.000 ha oder 21 Liegenschaften, Pöggstall bei Spitz/Wachau mit 5.500 ha, was 97 Landflächen entsprach, Mannersdorf samt Gut Scharfenegg in Niederösterreich mit 2.500 ha sowie kleineren Domänen in Klein-Krampen und Vösendorf bei Wien. Dies entsprach in etwa einer Gesamtfläche von 25.000 ha. Bei den sonstigen Einziehungen, die Güde nicht näher benennt, stellt sich das Problem, dass diese in vielen Fällen zunächst zugunsten des Landes Österreich bzw. des Deutschen Reiches vorgenommen wurden und die betreffenden Liegenschaften erst später gegen Wertersatz auf die Reichsforstverwaltung übertragen wurden, diese daher den Ankäufen zugerechnet wurden. Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich jedoch die Entziehung des Rothschild’schen Forstgutes Gaming/Waidhofen an der Ybbs unter diese Kategorie zählen, das ein Größenmaß von 5.411 ha aufzuweisen hatte. Das Habsburg- und Rothschild-Vermögen betrug daher alleine etwa 30.000 ha. 385 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, 1945, GZ 945 1428 40, Budgetvoranschlag 1946, Beilagen zu Zl. 1949/45, Erläuterungen zum Voranschlag der Österreichischen Staatsforste für 1946, S. 1.
3.1. Allgemeiner Teil
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Nicht in der Gesamtdarstellung, sondern im Text verborgen führt Güde dann jene „Erwerbungen“ an, die aus jüdischem Besitz stammen. Er gibt dafür die Zahl von 35.941 ha an!386 Dass er sie gesondert anführte, war auch nicht unbegründet. Diese „Erwerbungen“ resultierten in erster Linie aus „Ankäufen“ nach der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938. Wie unten ausführlich dargestellt wird, gehörte es zur Strategie Güdes, die Liegenschaften den jüdischen Besitzern mittels „normaler“ Kaufverträge abzupressen. Diese „Erwerbungen“ verbargen sich unter den von Güde angegeben „Ankäufen“ und halfen zu kaschieren, dass es sich eigentlich um Entziehungen gehandelt hatte. Dies ist deshalb zu erwähnen, weil die vom Reichsminister der Finanzen zur Verfügung gestellten Kaufsummen bei diesen „Erwerbungen“ nicht an die jüdischen Eigentümer der Liegenschaften ausbezahlt, sondern zumeist auf Sperrkonten erlegt wurden, über die NS-Dienststellen die Kontrolle ausübten. Spätestens nach der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom November 1941 verfielen die Konten der geflüchteten oder inzwischen deportierten Juden zugunsten des Deutschen Reiches und flossen über die Verwaltung durch die Oberfinanzpräsidenten wieder zurück an das Reichsministerium der Finanzen. Zieht man von den oben genannten 35.941 ha das Rothschild’sche Vermögen ab, so lässt sich beziffern, dass von den von Güde angegebenen 101.168 ha Ankäufen rund 20.–30.000 ha aus jüdischem Vermögen stammten. Ausgehend von der um die tschechoslowakischen Wälder bereinigten Summe von 132.000 ha Gesamtzuwachs, stammte, anders ausgedrückt, jeder 4 bzw. 5 ha aus entzogenem jüdischen Besitz. Nebenbei sei erwähnt, dass dieser doch hohe Anteil an jüdischem Forstvermögen, zu dem noch jener Anteil hinzuzurechnen ist, den die Reichsforstverwaltung nicht erwarb, sondern dessen Erwerb durch Dritte sie nur genehmigte (siehe unten), dem alten antisemitischen Klischee widersprach, wonach Juden für Land- und Forstwirtschaft „ungeeignet“ wären.387 Rechnet man zum Habsburg-Vermögen (rund 25.000 ha) und dem jüdischen Vermögen (35.941 ha) noch die flächenmäßig größte Erwerbung aus nichtjüdischem Besitz mit einem wenn auch strittigen Rückstellungsverfahren, jene des Grafen Lamberg mit einer Waldfläche von rund 26.400 ha hinzu388, was einer Gesamtsumme von 87.341 ha entspricht, so wird deutlich, dass bei Annahme von 132.000 ha Gesamtzuwachs die verbleibenden 44.659 ha, auf die sich die restlichen, zumeist „rechtmäßigen“ Ankäufe 386 Güde, Der Reichsforstbesitz in den Alpen- und Donaugauen, S. 220. 387 ����������������������������������������������������������������������������������������������������� Siehe dazu ausführlich: Michael Wladika, Hitlers Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k. u. k. Monarchie, Wien / Köln / Weimar 2005. 388 Siehe dazu Hamböck, Historische Besitzaufarbeitung, S. 21f.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
verteilten, im Verhältnis nicht gerade groß waren. Wie durch die Studie von Gottfried Hamböck belegt ist, setzten sich diese rund 45.000 ha wiederum aus einigen Großankäufen zusammen.389 Wenn daher in den Erläuterungen zum Voranschlag der Österreichischen Bundesforste für 1946 angegeben wurde, dass sich die Fläche durch Enteignungen und Ankäufe um rund 132.000 ha vergrößert hatte, „was einen nicht unbeachtlichen „Zuwachs von etwa 30 %“ bedeutete390, so darf man sich, gemessen an der Vorgabe des Reichsforstmeisters, durch diese Zahl nicht täuschen lassen, denn im Vergleich dazu ist sie wenig aussagekräftig. Geht man nämlich von diesen 132.000 aus, so hatte sich der Staatswaldbesitz von rund 421.000 ha bis 1945 auf 553.000 ha vergrößert. Das war bei einer Gesamtwaldfläche von 3,139.080 ha und einem anfänglichen Anteil von 12 % eine Steigerung auf gerade einmal 17 % statt der erwarteten 25 %. Eine Steigerung auf 19 % erreicht man, wenn man der von Güde angegebenen Staatswaldfläche 1938 mit 442.515 ha die territorialen Erweiterungen und die „Erwerbungen“ hinzuzählt, wobei die tschechoslowakischen Staats- bzw. Religionsfondsforste wegen ihrer doppelten Erwähnung bei den „Erwerbungen“ abgezogen wurden. Zusammenfassend hat die Reichsforstverwaltung die Vorgabe, den Anteil des Staatswaldes auf das Niveau des „Altreichs“ zu heben, nur etwa zur Hälfte erreicht und daher bei weitem verfehlt. Die von Güde angegebenen „Erwerbungen“ von 170.058 ha bzw. die im Voranschlag 1946 genannten 132.000 ha ließen sich der Höhe nach nur durch die Hereinnahme der Religionsfondsforste, des Habsburger-Familienversorgungsfonds sowie des entzogenen jüdischen Vermögens bewerkstelligen. Der Rest setzte sich aus einzelnen Großerwerbungen zusammen. Dieser Befund wird auch durch Güde selbst bestätigt, der es „bemerkenswert“ fand, „dass es sich bei 100.293 ha der erworbenen Waldungen um solche handelt, die schon einmal im Laufe ihrer Geschichte im Eigentum des Staates bzw. der Landesfürsten oder eines öffentlichen Fonds standen“.391 Diese Großeinkäufe waren wiederum auf seine, auf die Initiative eines karrieresüchtigen Mannes zurückzuführen, der quasi im Mittelpunkt all dieser Transaktionen stand. Bei der Auswertung einer wahrscheinlich 1946 erstellten Liegenschaftsliste des Ministeriums für Vermögenssicherungs- und Wirtschaftsplanung (BMVS und WP), die nebenbei aufgrund zahlreicher Übertragungsfehler für die Errechung der Flächengrößen nur wenig repräsentativ ist, fiel auf, dass neben den Großerwerbungen eine Vielzahl von flächenmäßig kleinen Liegenschaften, einige unter 5 ha, erworben wurden. 389 Mit dem Habsburg-Vermögen setzte sich zuletzt die Schiedsinstanz für Naturalrestitution auseinander; über die Güter des Grafen Lamberg siehe die Studie von Gottfried Hamböck. 390 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, 1945, GZ 945 1428 40, Budgetvoranschlag 1946, Beilagen zu Zl. 1949/45, Erläuterungen zum Voranschlag der Österreichischen Staatsforste für 1946, S. 1. 391 Julius Güde, Der Reichsforstbesitz in den Alpen- und Donaugauen, S. 221.
3.1. Allgemeiner Teil
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Effizienz bei Liegenschaften mit jüdischen Eigentümern Während die Forstbehörden bei Waldankäufen extrem langsam agierten, wurde die Entziehung jüdischen Vermögens „effizient“ ausschließlich durch Verwaltungsbehörden durchgeführt. Erwerbungen durch bzw. Eigentumsübertragungen auf das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) waren „Arisierungen“. Mit dem Erlass der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938392 und der Übertragung der Befugnisse der höheren Forstbehörde im Sinne dieser Verordnung durch den Reichsforstmeister auf den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben im Lande Österreich am 14. April 1939 wurde eine zentrale Stelle für die „Durchführung der Übernahme des jüdischen Forstvermögens in der Ostmark“ geschaffen.393 Anders als die „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom 11. November 1938, die trotz des breiten Ermessensspielraums der Behörden auf ein Handeln oder auf eine Betätigung abstellte, wurden den Behörden mit der „Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ erstmals Zwangsmittel zur Vermögensübertragung in die Hand gegeben, die sich ausschließlich gegen Juden richteten und daher als Vorstufe der Vernichtung rein rassistische Zwecke verfolgten. Mit dem Vollzug dieser zentralsten Entziehungsverordnung gelangte der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben im Lande Österreich in der Person Ing. Julius Güdes bis zum September 1942, als er seine Agenden an die örtlich zuständigen Landesforstämter abtreten musste, in eine von der Forschung bisher auffällig vernachlässigte Position, die ihn zumindest gleichrangig mit der Vermögensverkehrsstelle, „der“ „Arisierungsstelle“ jüdischen Vermögens, erscheinen lässt. Ihm oblag nicht nur die „Arisierung“ von Liegenschaften mit überwiegend forstlichem Anteil durch deren Übertragung in das Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung), sein personell kleines Amt war auch für die in der Begrifflichkeit der lingua tertii imperii „Entjudung“ des Forstvermögens ebenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zuständig, daher für die Überführung jüdischen Forstvermögens in dritte Hände. Sämtliche Rechtsgeschäfte mussten daher zu ihrer Wirksamkeit über den Schreibtisch Julius Güdes gehen, sämtliche Bescheide, mit denen er etwa die Kaufverträge genehmigte, tragen seinen Namen. Dabei kam ihm die zusätzliche Entscheidungsbefugnis zu, „Ariseure“ etwa bei Eigeninteressen der Reichsforstverwaltung als „nicht geeignet“ abzulehnen oder diesen im Bescheid die Auflage zu erteilen, Teile 392 RGBl. I S. 1709. 393 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Ministerium für Landwirtschaft in Wien, GZ 1814-I/4/39, Übertragung von Sonderaufgaben an den Oberlandforstmeister Güde, Der Reichsforstmeister, GZ II/I 2693, an den Reichsstatthalter in Österreich (Landesregierung), 14. April 1939.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
des Vermögens binnen einer Frist an die Reichsforstverwaltung zu veräußern. Diese Einflussmöglichkeiten standen dem Generalreferenten bei Erwerbern von Liegenschaften nichtjüdischer Eigentümer nicht zu und machten einen wesentlichen Unterschied aus. Auch war der Informationsfluss anders gelagert. Unmittelbar nach der Betrauung mit der Vollziehung der Bestimmungen der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens als höhere Forstbehörde „erbte“ der Generalreferent gewissermaßen den gesamten laufenden Aktenbestand über Forstvermögen von der Vermögensverkehrsstelle, Julius Güde, Ende April 1938 der ihm auch bis Jahresende 1938 abgetreten wurde. Zuzum Landesforstmeister und dem versorgte ihn der gesamte Repressionsapparat, allen Beauftragten für das Forstwevoran die Staatspolizeileitstellen der Geheimen Staatsposen in der „Ostmark“ ernannt. lizei sowie die Kreisleitungen der NSDAP, mit Informationen über jüdisches Vermögen. Schließlich sorgten die „Ariseure“ selbst, indem sie Genehmigungsanträge stellten oder Informationen einholten, wie sie etwa am billigsten das Grundstück ihres jüdischen Nachbarn „erwerben“ konnten, für einen breiten Kenntnisstand. Die Effizienz lässt sich vielleicht am besten daran messen, dass Güde an ihn herangetragene Informationen sofort verarbeitete und „persönliche“ Schreiben an die jüdischen Eigentümer forstlicher Liegenschaften aufsetzen ließ, in denen er sie unter Androhung von Zwangsmitteln anhielt, ihre Liegenschaften zu „veräußern“.394 Antisemitische Ausfälle Güdes finden sich in den Akten nicht. Der ehemalige k. u. k. Beamte erscheint darin weniger als fanatischer Nationalsozialist und Rassenantisemit, sondern eher als eiskalter Bürokrat und sturer Befehlsempfänger, als Vollstrecker von menschenverachtenden Gesetzesmaterien nach Punkt und Beistrich, der es dabei aber nicht bewenden ließ. Mit immer neuen Verbesserungsvorschlägen und Anregungen, ohne deren Erfüllung seine Arbeit „nicht zu bewerkstelligen sei“,395 versuchte er die Effizienz seines Amtes zu steigern, sich dadurch unentbehrlich zu machen und seine Aufstiegschancen zu wahren. Doch diese Wirkkraft Güdes wurde durch andere Faktoren reduziert. So konnte 394 Hier stellvertretend ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 34, GZ 941 5239 13, „Liegenschaft des Juden Bettelheim.“ 395 Hier stellvertretend ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 13, Kt. 259, GZ 938 664/Präs. 13, Jüdisches Vermögen in der Forstwirtschaft, Amt des Beauftragten für das Forstwesen, Güde, an den Reichsforstmeister, 12. Dezember 1938.
3.1. Allgemeiner Teil
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der Generalreferent zu keinem Zeitpunkt darüber informiert sein, wie viel Prozent des jüdischen Liegenschaftsvermögens er noch zu „arisieren“ hatte. Die von ihm in einer Eingabe an den Reichsforstmeister am 12. Dezember 1938 angenommene Größe des „Judenvermögens in der Land- und Forstwirtschaft in der Ostmark“ von „nur rund 2%“ gemessen am Gesamtvermögen, das er mit etwa RM 25 Mio. bewertete396, erscheint als Zahl interessant, war aber eine variable Größe. Sie konnte ebensowenig als Maßstab dienen wie beispielsweise ein Begleitbericht vom 21. November 1938, der eine Zusammenstellung der aufgrund der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom 26. April 1938 eingegangenen Anmeldungen für das gesamte Reichsgebiet (außer den sudetendeutschen Gebieten) enthielt. In dem Bericht wird bei einem angenommenen jüdischen Gesamtvermögen von RM Mio. 7.123 ein Grundvermögen von RM Mio. 2.343 und ein land- und forstwirtschaftliches Vermögen von RM Mio. 112 angeführt.397 Aufgrund des nur sehr geringen Mitarbeiterstandes von Güdes Amt mussten die Regierungsforstämter bzw. Landesforstämter 1939 mit der Erstellung von Liegenschaftslisten betraut werden, die, obwohl vehement eingefordert, oft verspätet und unvollständig eintrafen, immer wieder erneuert wurden, aber letztlich Stückwerk blieben. Beispielsweise lässt sich aus ihnen nur eine „Ankaufswürdigkeit“ der Reichsforstverwaltung entnehmen. Ob die betreffende Liegenschaft dann auch tatsächlich „arisiert“ wurde, ist in den Listen nicht vermerkt. Dies findet auch in einem Aktenvermerk des Generalreferenten Güde vom 14. November 1940 seine Bestätigung, in dem er seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, „dass sich noch verschiedener Forstbesitz in jüdischen Händen befindet“. Er beauftragte einen Beamten, um zunächst in der Abteilung Ivd–8, dem Sonderdezernat „Dienststelle für Vermögensverkehr“ des Reichsstatthalters Niederdonau in Wien, „Nachschau zu halten“ und eine „Nachweisung des noch nicht erfassten forstwirtschaftlichen jüdischen Besitzes aufzustellen“.398 Das um Mithilfe ersuchte Sonderdezernat, der örtlich zuständige Abwickler für die mittlerweile in Liquidation getretene Vermögensverkehrsstelle, antwortete Güde am 14. Jänner 1941, dass eine „erschöpfende Zusammenstellung des jüdischen Liegenschaftsbesitzes nicht“ vorliege: „Das Sonderdezernat erhält erst bei Anfallen eines Entjudungsfalles Kenntnis davon, ob Liegenschaftsangelegenheiten 396 ������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, 1938, Sig. 13, Kt. 259, GZ 938 664/Präs. 13, Jüdisches Forstvermögen in der Forstwirtschaft, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben an den Reichsforstmeister, 12. Dezember 1938. 397 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, „Bürckel Materie“, Kt. 90, Mappe „Maßnahmen auf dem Gebiete des Liegenschaftsverkehrs. Gesetz über die Anmeldung des Vermögens von Juden“, Begleitbericht des Reichswirtschaftsministers, GZ III Jd. 8910/38, 21. November 1938. 398 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 33, GZ 941 5157 13, Erfassung von jüdischem Besitz, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, Aktenvermerk, 14. November 1940.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
oder land- und forstwirtschaftliche Belange zu berücksichtigen sind und ist daher nicht in der Lage, Ihrem Wunsch zu entsprechen“.399 Güde nahm dies in seinem Schreiben vom 24. Jänner 1941 „mit Bedauern zur Kenntnis“, da „bei Fehlen einer solchen Zusammenstellung eine systematische Entjudungsarbeit nicht möglich ist und die Bearbeitung sich bloß auf anfallende Entjudungsvorgänge erstrecken kann, ohne Gewähr auf Vollständigkeit“.400 Weiters stand die Kompetenz als „höhere Forstbehörde“ und die Befugnis, Zwangsmittel einzusetzen, dem Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben nur im Rahmen der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ zu. Nach den anderen zwei zentralen Entziehungsverordnungen, der bereits erwähnten „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ und der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ erfolgte die Einziehung zumeist zugunsten des Landes Österreich bzw. des Deutschen Reiches (Reichsfinanzverwaltung). Die Reichsforstverwaltung musste erst bei dem für die „Verwaltung und Verwertung“ des Vermögens zuständigen Oberfinanzpräsidenten die Übertragung des Forstbesitzes „gegen Wertersatz“ beantragen. Hierbei traten jedoch mitunter mächtige Konkurrenten auf, die, wie sich immer wieder anhand der Fallstudien belegen lässt, die Anordnung des Reichsforstmeisters, den Staatsforstbesitz in Österreich zu mehren, überhaupt nicht zu Kenntnis nahmen. So zeigt die unten angeführte Darstellung, dass es der Reichsforstverwaltung gegenüber den Reichsgauen bis zu einem „Erlass des Führers und Reichskanzlers“ vom 29. Mai 1941 nur erschwert, danach fast überhaupt nicht mehr gelungen ist, den umfangreichen Forstbesitz der Orden und Stifte unter seine Kontrolle zu bringen, weil Hitler zugunsten der Reichsgaue entschieden hatte. Wie in vielen Studien über die Struktur der NS-Behörden zeigt sich auch hier das Bild der Doppelgleisigkeiten und überlappenden Kompetenzen. Dabei konnte auch der Zeitfaktor durchaus eine Rolle spielen. So musste der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben auch bereits laufende „Arisierungsverfahren“ zugunsten der Reichsforstverwaltung nach der „Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ sofort unterbrechen und die Akten an den Oberfinanzpräsidenten übermitteln, falls parallel dazu der Verfall des entsprechenden jüdischen Vermögens nach der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ ausgesprochen worden war. Die Reichsforstverwaltung konnte danach nur wieder einen Antrag stellen, die Liegenschaft „gegen Wertersatz“ übertragen zu bekommen. 399 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Ebda., Der Reichsstatthalter Wien-Niederdonau, Abt. Ivd–8, Sonderdezernat Dienststelle für den Vermögensverkehr, an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, 14. Jänner 1941. 400 ����������������������������������������������������������������������������������������������������� Ebda., Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, an den Reichsstatthalter Wien-Niederdonau, Abt. Ivd–8, Sonderdezernat Dienststelle für den Vermögensverkehr, 24. Jänner 1941.
3.1. Allgemeiner Teil
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Nur selten handelte es sich bei Liegenschaften um reine Forstflächen. Die teils forstwirtschaftlich, teils landwirtschaftlich genutzten Flächen ließen sich aber oftmals ohne Wertverlust oder aus Gründen der geographischen Gegebenheiten nur schwer trennen. Der Grundsatz, dass der Behörde nach der überwiegenden Bodenbeschaffenheit die Kompetenz zustand, ließ erst recht das Konkurrenzdenken wachsen. Langwierige Verhandlungen zwischen zwei völlig überfrachteten und schwerfälligen Behörden, die nicht selten die Regelungskompetenzen aus zwei völlig verschiedenen Materien für sich in Anspruch nahmen, waren die Folge. So konnte die bereits 1939 zwischen dem Reichsforstmeister und dem Reichsministerium für Ernährung vereinbarte Abtretung der von der Reichsforstverwaltung übernommenen landwirtschaftlichen Flächen an die dem Reichsministerium unterstehende Reichsdomänenverwaltung bis 1945 nur in Ansätzen durchgeführt werden. Wechselnde Konkurrenten traten auf. Waren es bei Liegenschaften nichtjüdischer Eigentümer in erster Linie Industriebetriebe wie die Hermann Göring Werke, von Güde als „mächtiger Rivale bezeichnet“, die der Reichsforstverwaltung den Ankauf großer landwirtschaftlicher Flächen mit Waldbestand streitig machten, so traten bei der Entziehung und Verteilung der „jüdischen Beute“ vor allem die Obere Siedlungsbehörde (Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft), die Deutsche Ansiedlungsgeselllschaft (DAG), die Haupttreuhandstelle Ost (HTO) sowie der Reichskommissar für die Festigung Deutschen Volkstums (RKFDV) als Konkurrenten auf.
3.1.2. Besonderheiten der Rückstellungsverfahren nach 1945 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste nahm nicht alle Liegenschaften, welche die Reichsforstverwaltung zwischen 1938 und 1945 erworben oder enteignet hatte, in ihre Verwaltung. So traf sie mit den Ämtern der Landesregierungen (Landesforstinspektionen) mitunter Vereinbarungen über eine Verwaltungsführung durch das jeweilige Bundesland, in dem die betreffende Liegenschaft gelegen war, vor allem dann, wenn die Rückstellung eines entzogenen Forstgutes an die ursprünglichen Eigentümer bald zu erwarten war.401 In einigen Fällen konnten diese Vereinbarungen wiederum so gestaltet sein, dass die Generaldirektion weiter eine aktive Rolle spielte, sprich, dass die Verwaltungsführung auf ihre Rechnung erfolgte, welche sie dann in einem Rückstellungsverfahren als Aufwendungen gegenüber dem Rückstellungswerber geltend machte. Mit der Verwaltung des „Deutschen Eigentums“ war zunächst die Verpflichtung zur 401 ������������������������������������������������������������������������������������������������ Vgl. zur Wiedereinrichtung der Österreichischen Bundesforste nach 1945: ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 750 01, Wiederrichtung der ÖBF 1945.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
öffentlichen Bekanntgabe der Innehabung entzogenen Vermögens nach dem „Gesetz über die Erfassung arisierter und anderer im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entzogenen Vermögenschaften“ vom 10. Mai 1945402 verbunden. Das Gesetz musste zweimal novelliert werden, da der Alliierte Rat befürchtet hatte, es könnten ohne Abwarten eines weiteren Gesetzes Rückstellungen ohne seines Mitspracherechts vorgenommen werden. Diese Einwände dürften wiederum mit den Ansprüchen von sowjetischer Seite auf das „Deutsche Eigentum“ in ihrer Besatzungszone zu tun gehabt haben,403 sodass eine entsprechende Durchführungsverordnung des BMVS und WP zu diesem Gesetz erst am 16. September 1946 in Kraft treten konnte.404 Nach § 1 Abs. 2 der „Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung“ (VEAVO) unterlag jede Vermögenschaft der Vermögensanmeldung, die nach dem 13. März 1938, sei es entgeltlich, sei es unentgeltlich, auf eine dritte Person übergegangen war, außer es konnte angenommen werden, dass die Übertragung aufgrund einer freien Willensübereinstimmung zwischen dem geschädigten Eigentümer und dem ersten Erwerber erfolgt war. Eine solche freie Willensübereinstimmung konnte jedoch insbesondere dann nicht bejaht werden, wenn die Veräußerung nicht von dem geschädigten Eigentümer selbst oder seinem Bevollmächtigten vorgenommen worden war oder zwischen dem Erlös und dem Wert ein Missverhältnis bestanden hatte oder sonst angenommen werden konnte, dass sich der geschädigte Eigentümer zum Abschluss des Vertrags infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme entschlossen hatte. Die Anmeldung, die innerhalb der sehr kurzen Frist von zwei Monaten (§ 2 Abs. 1) bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen war (§ 5 Abs. 1), oblag jedem Inhaber bzw. öffentlichen Verwalter der oben angeführten Vermögenschaften (§ 4 Abs. 1 und 2). Sie hatte unter anderem eine genaue Bezeichnung der Vermögenschaft und den Wert am 13. März 1938, den Namen, die Staatsbürgerschaft und die Anschrift des geschädigten Eigentümers sowie des Erwerbers und die genaue Bezeichnung des Rechtsgrundes des Eigentumsübergangs (§ 3 Abs. 1 Z 1–4) zu enthalten. Es stand auch den geschädigten Eigentümern sowie deren Vertretern 402 Gesetz über die Erfassung arisierter und anderer im Zusammenhange mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entzogenen Vermögenschaften vom 10. Mai 1945, StGBl. Nr. 10/1945. Das Gesetz trat mit dem 29. Mai 1945 in Kraft. 403 ����������������������������������������������������������������������������������������������������� Georg Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung. Eine juristische Analyse, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 2, Wien / München 2003, S. 25f. 404 Verordnung des Bundesministeriums für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien vom 15. September 1946 zur Durchführung des Gesetzes über die Erfassung arisierter und anderer im Zusammenhange mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entzogenen Vermögenschaften vom 10. Mai 1945, StGBl. Nr. 10 (VermögensentziehungsAnmeldungsverordnung), BGBl. Nr. 166/1946.
3.1. Allgemeiner Teil
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frei, gleichartige Anmeldungen zu erstatten (§ 5 Abs. 3). Wenn auch ein Verstoß gegen die Anmeldepflicht mit harten Strafen verbunden war und dem Gesetz und der Durchführungsverordnung wohl implizit die Vorstellung der Unrechtmäßigkeit bestimmter Vermögenstransaktionen zugrunde lagen, so wurden bemerkenswerterweise keinerlei Aussagen über die Wirksamkeit derselben getroffen.405 Die Intention bestand vielmehr darin, den gewünschten quantitativen Überblick über die Vermögensentziehungen während der NS-Zeit für spätere Staatsvertragsverhandlungen bzw. „Wiedergutmachungsansprüche“ zu gewinnen.406 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste erstattete Vermögensentziehungs-Anmeldungen nach der VEAVO. Der generelle Befund ist jedoch dahingehend, dass abgesehen von Privatpersonen und öffentlichen Verwaltern „staatliche Stellen nur unter großen Schwierigkeiten zur Erstattung der Anmeldungen verhalten werden konnten“. Die VEAVO gilt gewissermaßen als Beleg für die „lückenhafte Arbeit der Behörden im Bereich der Rückstellungen von Vermögenschaften, die sich unter ihrer eigenen Verwaltung befanden“, sodass jegliche Versuche missglückten, das Ausmaß des entzogenen Vermögens festzustellen.407 Darum gibt die Tatsache, dass im Bereich der Bundesforste ausgerechnet der juristische Beistand Ing. Julius Güdes im „Amt des Beauftragten für forstliche Sonderaufgaben“, Franz Hackermüller, für die Erstattung der Anmeldungen verantwortlich war, zusätzlich ein nicht gerade positives Bild ab, sondern steht eher für einen hervorstechenden Fall von Kontinuität zwischen Entziehung und Rückstellung. Wie der Rückstellungsfall „Gut Zierma – Hilde Horr“ zeigt, führte Hackermüller selbständig Wertungen bezüglich Vermögenstransaktionen der ehemaligen Reichsforstverwaltung durch, die mit seiner Mitwirkung zustande gekommen waren. In diesem Fall, der schließlich mit der Rückstellung der Liegenschaft an die geschädigte Eigentümerin enden sollte, gelangte er zu dem Schluss, dass die Übertragung aufgrund einer freien Willensübereinstimmung zwischen dem geschädigten Eigentümer und dem ersten Erwerber erfolgt war, sodass eine Anmeldung unterblieb. Nach der VEAVO meldete die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste im Einvernehmen mit dem BMVS und WP auch summarisch Liegenschaften an, die ihr 405 Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung, S. 28. 406 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Peter Böhmer, Die Bundesministerien für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung und für Finanzen, in: Peter Böhmer / Ronald Faber, Die österreichische Finanzverwaltung und die Restitution entzogener Vermögen 1945 bis 1960, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 5, Wien / München 2003, S. 21. 407 Böhmer, Die Bundesministerien für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung und für Finanzen, S. 23f.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
vom Deutschen Reich „entzogen“ worden waren. Diese Anmeldungen dienten vorrangig der Vorbereitung, ab 1946 den entsprechenden Grundbuchstand beim altösterreichischen Besitz wiederherzustellen. Aufgrund des § 12 der „Ersten Durchführungsverordnung zum Ostmarkgesetz“ vom 10. Juni 1939408 und des § 3 der „Neunten Durchführungsverordnung zum Ostmarkgesetz“ vom 23. März 1940409 war als neuer Eigentümer dieser Liegenschaften, die bis dahin grundbücherlich im Eigentum des „Österreichischen Bundesschatzes (Österreichische Bundesforste)“ gestanden waren, das „Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung)“ eingetragen worden.410 Die Republik Österreich war weder in staats- noch privatrechtlicher Hinsicht Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches. Daher kam es zu keinem automatischen Vermögensübergang auf die Republik. Das Repatriierungsgesetz, das unmittelbar nach Kriegsende das ehemalige österreichische Vermögen, das ans Deutsche Reich übergegangen war, wieder in die Verfügungsgewalt des Staates Österreich überführen sollte, wurde von den Alliierten nicht genehmigt411 und änderte nichts an den Vermögensverhältnissen, nämlich am weiterbestehenden Eigentum des Deutschen Reiches und der Verwalterrolle von ehemaligem Staatseigentum durch die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste. Die Überschreibungen des Deutschen Reichs von Liegenschaftseigentum der Ersten Republik Österreich auf sich mussten daher über den Weg des Ersten Rückstellungsgesetzes, über die Finanzlandesdirektionen, korrigiert werden, wobei die Republik Österreich als Rückstellungswerber auftrat. In den Jahren 1946 und 1947 wählte die zuständige Finanzprokuratur allerdings eine vereinfachte Methode, indem sie das Grundbuch nur „berichtigen“ ließ, womit der ursprüngliche Besitzstand wiederherstellt war. Sie stützte sich dabei auf ein Gesetz aus der NS-Zeit, die Berichtigungsmöglichkeit der Grundbuchsnovelle 1942, was nicht unumstritten blieb und schließlich zur Einstellung dieser Praxis im Herbst 1947 führte.412 Ab diesem Zeitpunkt stellte auch die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, für die noch offenen Lie-
408 RGBl. I S. 995. 409 RGBl. I S. 545. 410 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 238. 411 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Zum Repatriierungsgesetz siehe Georg Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung. Eine juristische Analyse, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 2, Wien / München 2003, S. 29. 412 Peter Böhmer, Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, in: Peter Böhmer / Ronald Faber, Die österreichische Finanzverwaltung und die Restitution entzogener Vermögen 1945 bis 1960, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 5, Wien / München 2003, S. 184.
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Verzeichnis von unter sowjetischer Verwaltung stehenden Liegenschaften jüdischer Eigentümer, 1948
genschaften der Republik ganz gesetzeskonform ihre Rückstellungsanträge.413 Ob sich die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste der „Berichtigungspraxis“ der Finanzprokuratur angeschlossen hatte, oder, wie in der Festschrift „50 Jahre Österreichische Bundesforste“ aus dem Jahr 1975 vermerkt, von Beginn an in allen Bundesländern bei den zuständigen Finanzlandesdirektionen Rückstellungsanträge nach dem Ersten Rückstel413 Peter Böhmer / Ronald Faber / Michael Wladika, Die Finanzprokuratur, in: Peter Böhmer / Ronald Faber, Die österreichische Finanzverwaltung und die Restitution entzogener Vermögen 1945 bis 1960, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NSZeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 5, Wien / München 2003, S. 302.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
lungsgesetz einbrachte414, lässt sich den vorhandenen Unterlagen nicht entnehmen. Lag nach der Durchführung eines Rückstellungsverfahrens ein rechtskräftiger Bescheid der Finanzlandesdirektion vor, erfolgte wiederum über Antrag der Finanzprokuratur beim zuständigen Grundbuchsgericht die Einverleibung des Eigentumsrechts für die „Republik Österreich (Österreichische Staatsforste)“. Bei der Ersichtlichmachung des Verwaltungszweiges wurde anstelle „Österreichische Staatsforste“ später „Österreichische Bundesforste“ eingetragen. An dieser Stelle ist besonders auf die im Kapitel „Desiderate“ erwähnte Problematik bei jenen Liegenschaften hinzuweisen, die zwar vor 1938 im Eigentum der Republik Österreich gestanden waren, auf deren Einlagezahlen jedoch einzelne, in der NS-Zeit von der Reichsforstverwaltung erworbenen Parzellen hinzugeschrieben worden sind. Bei den pauschalen „Berichtigungen“ bzw. Rückstellungen an die Republik Österreich wurden diese kleinen Einheiten dann nicht mehr erfasst, hinter denen sich Entziehungen verbergen konnten. Nebenbei sei auch erwähnt, dass gerade die zahlenmäßig große Überführung von Liegenschaften aus ehemals österreichischem in deutsches Eigentum im Bereich der Bundesforste als letztlich verfehltes Argument der Republik Österreich im Zusammenhang mit dem Repatriierungsgesetz gedient haben könnte, um „Deutsches Eigentum“ dem Zugriff der Allliierten vor allem in der sowjetischen Besatzungszone zu entziehen.415 Mit dem Bundesgesetz vom 15. Mai 1946 wurde das sogenannte „Nichtigkeitsgesetz“, das aus nur drei Paragraphen bestehende „Gesetz über die Nichtigerklärung von Rechtsgeschäften und sonstigen Rechtshandlungen, die während der deutschen Besetzung Österreichs erfolgt waren“, beschlossen.416 Die Intention, dieses Gesetz zu erlassen, war zunächst, im Einklang mit der Londoner Deklaration von 1943417, Eigentumsübertragungen der Jahre 1938 bis 1945 für nichtig zu erklären, was im Hinblick auf die Potsdamer Beschlüsse für erforderlich gehalten wurde. Den endgültigen Umschwung zur Rückstellungsgesetzgebung bewirkten weder Interventionen der Alliierten noch der Druck der NS-Opfer, sondern die Auseinandersetzung der Bundesregierung mit den im Februar 1946 beginnenden umfangreichen Beschlagnahmungen angeblich „Deutschen Eigentums“ durch die sowjetische Besatzungsmacht, die sich eben auf die Potsdamer Beschlüs414 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 238. 415 Dazu eingehend Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung, S. 50. 416 Bundesgesetz vom 15. Mai 1946 über die Nichtigerklärung von Rechtsgeschäften und sonstigen Rechtshandlungen, die während der deutschen Besetzung Österreichs erfolgt sind, BGBl. Nr. 106/1946. 417 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Die „Inter-allied Declaration Against Acts of Dispossession Committed in Territories under Enemy Occupation or Control” wurde am 5. Jänner �������������������������������������������������������������� 1943 von 17 Regierungen und dem französischen Nationalkomitee unterzeichnet. Mit dieser Erklärung behielten sich die Alliierten das Recht vor, Übertragungen von Vermögen, Rechten und Interessen, die in Ländern unter deutscher Besetzung oder in den mit dem Deutschen Reich verbündeten Ländern vorgenommen worden waren, für nichtig zu erklären.
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se stützten.418 In Durchführung des § 2 des Nichtigkeitsgesetzes ergingen schließlich sieben Rückstellungsgesetze. Für die Untersuchung des Zeitraums von 1945 bis 1955 sind bezüglich der Österreichischen Bundesforste nur das Erste und Dritte, mit Abstrichen das Zweite Rückstellungsgesetz von Relevanz.419
3.1.2.1. Das Erste Rückstellungsgesetz Die NS-Behörden hatten durch verschiedene reichsdeutsche Vorschriften und Maßnahmen Vorkehrungen zur Entziehung von Vermögen getroffen, mit welchen das Deutsche Reich Eigentümer dieser Vermögenschaften wurde und die in der Folge von reichsdeutschen Behörden verwaltet wurden. Gemäß dem Behördenüberleitungsgesetz vom 20. Juli 1945 kamen diese entzogenen Vermögenschaften unter Verwaltung österreichischer Behörden des Bundes und der Bundesländer. Das Erste Rückstellungsgesetz vom 26. Juli 1946420 sah nun vor, dass jenes entzogene Vermögen in einem abgekürzten, nichtstreitigen Einparteienverfahren an den Vorbesitzer bzw. den Antragsteller zurückgestellt werden sollte. In der Praxis bedeutete dies: Was die Reichsforstverwaltung für das Deutsche Reich entzogen hatte und von den Österreichischen Bundesforsten treuhändig verwaltet wurde, war von den 1945 wiedererrichteten Finanzlandesdirektionen zurückzustellen.
3.1.2.2 Das Zweite Rückstellungsgesetz Das Zweite Rückstellungsgesetz spielte für diese Untersuchung und speziell für den Untersuchungszeitraum von 1945 bis 1955 nur eine geringfügige Rolle. Das am 6. Februar 1947 verabschiedete Gesetz421 bestimmte, dass Vermögen, welche aus den in § 1 des „Nichtigkeitsgesetzes“ genannten Gründen entzogen worden waren und zufolge Verfall 418 Als sich die Konferenz in der Reparationsfrage nicht einigen konnte, wurde ein Kompromiss in Form eines Beschlusses gefasst, Deutschland und Österreich als Reparationsgebiet zu teilen, daher jeder Besatzungsmacht freizustellen, in ihrer jeweiligen Zone ihre Interessen an Reparationszahlungen durchzusetzen. 419 Dem Vierten bis Siebenten Rückstellungsgesetz kam die Aufgabe der Ergänzung der Regelungen der ersten drei Rückstellungsgesetze zu. Sie behandelten Materien, die aus verschiedenen Gründen in den ersten drei Gesetzen keine Regelung erfahren hatten. 420 Bundesgesetz vom 26. Juli 1946 über die Rückstellung entzogener Vermögen, die sich in Verwaltung des Bundes oder der Bundesländer befinden, BGBl. Nr. 156/1946. 421 Bundesgesetz vom 6. Februar 1947 über die Rückstellung entzogener Vermögen, die sich im Eigentum der Republik Österreich befinden (Zweites Rückstellungsgesetz), BGBl. Nr. 53/1947.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
im Eigentum der Republik Österreich standen, den Eigentümern, denen sie entzogen worden waren, oder ihren Erben (Legataren) wegen Nichtigkeit der seinerzeitigen Vermögensentziehung zurückzustellen waren (§ 1 Abs. 1).
3.1.2.3. Das Dritte Rückstellungsgesetz Am selben Tag wie das Zweite Rückstellungsgesetz, am 6. Februar 1947, wurde auch das Dritte Rückstellungsgesetz422 beschlossen. Die Grundstruktur des Gesetzes stand bereits im Mai 1946 fest, dass nämlich „auch an die Rückführung von durch private Rechtshandlungen übertragene Vermögenschaften“ gedacht werde, dabei aber der Grundsatz zu gelten habe, „dass nur das Vorhandene dem früheren Eigentümer zurückzustellen ist, während diese ihrerseits das Empfangene zurückzugeben haben werden“.423 Die sofortige Abschwächung dieses generellen Rückstellungsversprechens spiegelt die Kollision zahlreicher Interessen wider, was sich schließlich in zäh ausverhandelten Einzelkompromissen im Gesetz niederschlug. Dadurch wurde das Gesetz insgesamt verwässert, das in der heutigen Kritik an der damaligen Rückstellungsgesetzgebung oft stellvertretend für den Unwillen, die Halbheit und Schlampigkeit der gesamten Vollziehung genannt wird. Tatsächlich ist das „Bundesgesetz vom 6. Februar 1947 über die Nichtigkeit von Vermögensentziehungen“ in der vom Nationalrat beschlossenen Fassung entgegen den ersten Entwürfen als ein generelles Gesetz424 zu qualifizieren: Während das Erste und Zweite Rückstellungsgesetz nur Teilbereiche der Rückstellungsproblematik behandelten, nämlich die partielle Rückstellung von Vermögenschaften, die sich in der Innehabung der Republik Österreich befanden, stellte das Dritte Rückstellungsgesetz eine allgemeine Regelung der Rückstellung entzogenen Vermögens dar, unabhängig davon, in wessen Eigentum oder Innehabung sich die entzogenen Vermögensgegenstände befanden. Nach § 1 war sein Gegenstand ganz allgemein Vermögen, das während der deutschen Besetzung Österreichs, sei es eigenmächtig, sei es aufgrund von Gesetzen oder anderen Anordnungen, insbesondere auch durch Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtshandlungen, dem Eigentümer 422 Bundesgesetz vom 6. Februar 1947 über die Nichtigkeit von Vermögensentziehungen. BGBl. Nr. 54/1947. 423 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Referentenerinnerung der Abteilung 1 des BMVS und WP, zitiert in: Brigitte Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung. Die Republik Österreich und das in der NS-Zeit entzogene Vermögen, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 3, Wien / München 2003, S. 88. 424 Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung, S. 54.
3.1. Allgemeiner Teil
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oder Berechtigten im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entzogen worden war. In diesen sehr weit gefassten Begriff der Vermögensentziehung konnten somit sowohl hoheitliche Maßnahmen wie beispielsweise der Vermögensverfall nach der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ als auch die von Güde unter Androhung von Zwang abgeschlossenen Kaufverträge für die Reichsforstverwaltung fallen. Sehr kennzeichnend für die oben erwähnte Zwiespältigkeit des Gesetzes ist die Formulierung des § 2, der in seinem Absatz 2 eine klare Definition enthielt, wann „keine“ Vermögensentziehung vorlag. Enthielt Abs. 1 eine weite Begriffsbestimmung, wonach eine Vermögensentziehung insbesondere dann vorlag, wenn der Eigentümer politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus unterworfen war und der Erwerber, daher jeder Besitzer nach der Entziehung, nicht darstellen konnte, dass die Vermögensentziehung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre, zog Abs. 2 klare Grenzen: Eine Vermögensentziehung lag demnach nicht vor, wenn der Erwerber darstellen konnte, dass der Eigentümer die Person des Käufers frei ausgewählt und eine angemessene Gegenleistung erhalten hatte, oder dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre. Das BM für Land- und Forstwirtschaft, das gewissermaßen die für die Österreichischen Bundesforste maßgeblichen Richtlinien herausgab, war in sämtliche Vorarbeiten zum Dritten Rückstellungsgesetz eingebunden. So bemerkte das Ministerium in den Stellungnahmen zu den Entwürfen, dass das Gesetz zu sehr auf die städtischen Bedingungen abstelle und zu wenig die Situation in der Landwirtschaft, gemeint war dabei wohl auch die Forstwirtschaft, berücksichtige, „wo vielfache Besitzveränderungen stattgefunden hätten und keine einheitliche Vermögen mehr bestünden“.425 Das Ministerium reklamierte auch Personen als Beisitzer in die Rückstellungskommissionen, die aufgrund gutachtlicher Vorschläge der Landwirtschaftskammern zu bestellen waren und die infolge ihres Berufes über genaue Kenntnisse auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft verfügten. Sie sollten „den besonderen Bedürfnissen dieser Wirtschaftszweige“ Genüge tun, was dann auch im Gesetz selbst Berücksichtigung fand (§ 16 Abs. 4). Im Ministerrat stellte Landwirtschaftsminister Kraus die Naturalrestitution überhaupt infrage, indem er auf die spezifische Situation der Landwirtschaft hinwies und vorschlug, dass man doch anstelle einer Rückstellung auch dem geschädigten Eigentümer „irgend eine andere Entschädigung“ geben könnte.426 Dabei waren die Österreichischen Bundesforste in der Rolle als Verwalterin des Deutschen Eigentums vom Dritten Rückstellungsgesetz bzw. von den Rückstellungsverfahren 425 Zitiert in: Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung, S. 102. 426 Zitiert in: Bailer-Galanda, Die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung, S. 107.
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nicht direkt betroffen. Anders als in den Verfahren nach dem Ersten und Zweiten Rückstellungsgesetz waren nach dem Dritten Rückstellungsgesetz die bei den Landesgerichten für Zivilrechtssachen eingerichteten Sondergerichte, die Rückstellungskommissionen, mit entsprechenden Oberinstanzen bei den Oberlandesgerichten (Rückstellungsoberkommissionen = ROK) und beim Obersten Gerichtshof (Oberste Rückstellungskommission = ORK) zuständig (§ 15).427 Da das Deutsche Reich wie erwähnt als Rechtssubjekt nicht untergegangen war, und es 1945 auch zu keinem Vermögensübergang auf die Republik Österreich gekommen war, folgte für die Rückstellungsverfahren daraus, dass das Deutsche Reich Eigentümer seines Besitzstandes vom Mai 1945 blieb und damit als letzter Erwerber, als Rückstellungsgegner galt. Fraglich war jedoch, wer zur Vertretung des Deutschen Reiches in Rückstellungsverfahren berufen war, daher, gegen wen der Rückstellungswerber seinen Antrag zu richten hatte. Das Gesetz selbst machte dazu keine Aussage. Das führte zu der im Fallbeispiel Otto Kohn beschriebenen kuriosen Situation, die sicherlich keinen Einzelfall darstellte, dass die Rückstellungskommission den Antrag zunächst an den „Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ weiterleitete, sich dieser aber für unzuständig erklärte und den Beschluss der Rückstellungskommission, binnen vier Wochen die Gegenäußerung einzubringen, an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste abtrat, weil diese „Inhaberin“ der Liegenschaft sei. Die Generaldirektion, sonst peinlichst bemüht, jegliche Rechtsnachfolge nach der Reichsforstverwaltung zu bestreiten, sah ihre Passivlegitimation tatsächlich als gegeben an und anerkannte den Rückstellungsanspruch.428 Dabei traf der OGH am 20. Oktober 1947, genau an dem Tag, an dem die Rückstellungskommission den Antrag Otto Kohns an den „Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ weiterleitete, eine Grundsatzentscheidung, in der er die Vertretungsbefugnis aller in Betracht kommender österreichischen Organe verneinte. Das waren zu dem Zeitpunkt neben den Österreichischen Bundesforsten etwa die Finanzlandesdirektionen als Verwalter vieler Vermögenschaften oder das BMVS und WP als die oberste für die Verwaltung reichsdeutschen Vermögens zuständige Behörde. Der OGH vertrat die Ansicht, dass die Republik Österreich vor einer völkerrechtlichen Regelung des Problems des „Deutschen Eigentums“ nicht den Willen bilden konnte, diese Vermögenswerte als ihre eigenen innezuhaben. Sie war daher als bloße Verwalterin, nicht als Besitzerin dieses „Deutschen Eigentums“ im Sinne des Gesetzes anzusehen, weswegen ihr mangels 427 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Die Rückstellungskommissionen und Oberkommissionen entschieden in Senaten, wobei einer der beiden Beisitzer die Amtsbescheinigung nach dem Opferfürsorgegesetz besitzen, daher einer in der NS-Zeit verfolgten Personengruppe angehören sollte. 428 Siehe dazu das Fallbeispiel Otto Kohn.
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eines Besitzwillens die Passivlegitimation fehle.429 Auch der „Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ war als nicht privatrechtlicher Vertreter der Anstalten und Einrichtungen des Deutschen Reiches für Rückstellungsansprüche nicht passiv legitimiert. Ebenso kam den öffentlichen Vertretern, die für als „Deutsches Eigentum“ qualifizierte Vermögenswerte bestellt worden waren, keine passive Klagslegitimation zu.430 Der OGH prüfte zudem eine mögliche Vertretungsbefugnis der Finanzprokuratur und verneinte auch diese, da das Prokuratursgesetz die Vertretung von Eigentum des Deutschen Reiches nicht als eigenständige Aufgabe der Prokuratur vorsah, und sich die Aufgabe der Vertretung der Republik Österreich nicht auf das Deutsche Reich erstreckte.431
3.1.2.4. Vergleichspraxis Generell begünstigten die Rückstellungsgesetze den Abschluss von Vergleichen. Dies galt besonders für das Dritte Rückstellungsgesetz. Auch die Analyse der Vergleichspraxis zeigt eine weitaus bessere Verfahrens- und Verhandlungsposition des mehr oder weniger vorgeschobenen Abwesenheitskurators für das Deutsche Reich, der zur Wahrung öffentlicher Interessen dem Verfahren beigetretenen Finanzprokuratur sowie der im Hintergrund agierenden Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste gegenüber den Rückstellungswerbern. Vermittelte bereits das Agieren aller drei Interessensvertreter eine starke Position, die sich etwa durch eine abgestimmte Strategie und den Informationsvorsprung auszeichnete, so spielten bei den Verhandlungen, die zu den Abschlüssen von Vergleichen führten, zusätzliche Druckmittel eine Rolle, die unter Ausnutzung des gesetzlichen Spielraumes sanktionslos zum Einsatz gebracht werden konnten. Einige dieser Druckmittel werden in erwähnter Studie der Österreichischen Historikerkommission über die Finanzprokuratur genannt, die aufgrund von deren enger Verzahnung mit den Österreichischen Bundesforsten in den Rückstellungsverfahren auch durchaus allgemeine Gültigkeit besitzen: Um einen Rückstellungswerber überhaupt zu veranlassen, in Vergleichsverhandlungen einzutreten, spielte der Faktor Zeit eine große Rolle. Dies lässt sich 429 ����������������������������������������������������������������������������������������������� OGH 20. Oktober 1947, 1 Ob 689/47 in: Ludwig Viktor Heller / Wilhelm Rauscher (Hg.), Die Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen, Wien 1949, Nr. 180. Siehe auch: Böhmer / Faber / Wladika, Die Finanzprokuratur, S. 302f. Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung, S. 204. 430 Rkv 10/47 und OGH 1 Ob 621/47; OGH 1 Ob 689/47, Rkv 78/48, Rkv 148/48. Siehe Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung, S. 204. 431 Böhmer / Faber / Wladika, Die Finanzprokuratur, S. 303. Adolf Ehrenzweig, Das Deutsche Eigentum, JBl. 1948, S. 472f.
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am besten anhand des simplen Grundsatzes verdeutlichen, dass der Abwesenheitskurator ausgetauscht werden konnte und auch die Finanzprokuratur und die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste als amorphe Dienststellen im Gegensatz zu den Rückstellungswerbern nicht altern konnten. Während Letztere allein aus wirtschaftlichen Gründen versuchen mussten, ihre nicht selten darniederliegenden Forstbetriebe so rasch als möglich wieder unter ihre vollständige Kontrolle zu bringen, stand es dem Abwesenheitskurator und der Finanzprokuratur frei, den Tatbestand der Vermögensentziehung zu bestreiten oder wesentliche Aspekte in Abrede zu stellen, mit langwierigen Beweisaufnahmen zu drohen oder alle Rechtsmittel auszuschöpfen, bis der Rückstellungswerber seine Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleiches signalisierte. Viel häufiger sind jedoch Vergleiche über die Abrechnung der Erträgnisse und Aufwendungen zu beobachten, bei denen neben dem Faktor Zeit das gewichtigere Druckmittel der Beschränkung der Befugnisse des Rückstellungswerbers über das entzogene Vermögen auf die eines öffentlichen Verwalters bis zum Abschluss des Verrechnungsverfahrens zusätzliche Wirkung zeigte. Wie in den Verfahren nach dem Ersten Rückstellungsgesetz, in denen die Finanzlandesdirektionen zumeist zunächst Teilbescheide erließen, wurden die Rückstellungen nach dem Dritten Rückstellungsgesetz von den Rückstellungskommissionen zumeist nur dem Grunde nach in einem Teilerkenntnis ausgesprochen und die Abrechnung einer weiteren Entscheidung vorbehalten. Für den Rückstellungswerber, der sich womöglich sein Obsiegen in der Hauptfrage mühsam erkämpft hatte, begannen die Verhandlungen nun quasi von vorne, ohne dass er wegen der Beschränkung seiner Befugnisse auf die eines öffentlichen Verwalters ein volles Zugriffsrecht auf sein entzogenes Vermögen besaß. Aus dieser psychologischen Sicht wird es verständlich, dass es viele Rückstellungswerber vorzogen, weitere Mühen und Kosten, etwa hervorgerufen durch langwierige Sachverständigengutachten oder weitere Verzögerungen, zu scheuen und in Vergleichsverhandlungen einzutreten, die sich wie im Fall Otto Kohn nicht selten nachteilig auswirkten.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich der von den ÖBF durchgeführten Studie mit den Forschungsergebnissen der im Rahmen der Historikerkommission erstellten „In-Rem-Dokumentation“ 3.2.1. Untersuchungssample Als Grundlage für die Untersuchung, ob sich mit dem Stand 17. Jänner 2001 restitutionsfähige Liegenschaften im Eigentum der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) bzw. Österreichische Bundesforste AG befinden, dienten zunächst die Forschungsarbeiten der von den Österreichischen Bundesforsten (Dr. Gottfried Hamböck) durchgeführten Studie Historische Besitzaufarbeitung. Identifizierung des in Bundesforstebesitz befindlichen ehemaligen Deutschen Eigentums432 und die Forschungsergebnisse der im Rahmen der Historikerkommission erstellten Dokumentation aller mit Stand 17. Jänner 2001 im Eigentum der Republik Österreich befindlichen Liegenschaften hinsichtlich der Frage, ob sie zwischen dem 12. März 1938 und dem 9. Mai 1945 ihren ursprünglichen Eigentümern und Eigentümerinnen entzogen wurden bzw. nach 1945 Gegenstand von Restitutionsanträgen oder -verfahren waren (In-Rem-Dokumentation, Datenbank). Wesentlich ist hierbei gewesen, dass im Rahmen der genannten Studie (Dr. Hamböck) von den über 4.000 Liegenschaften der Österreichischen Bundesforste – eine Aufstellung über den Liegenschaftsbesitz der Österreichischen Bundesforste aus dem Jahr 2005 führt insgesamt 4331 EZ an – rund 630 EZ überprüft wurden, die von den Österreichischen Bundesforsten als „Deutsches Eigentum“ übernommen wurden und sich zum Zeitpunkt der Untersuchung noch im Besitz der Österreichischen Bundesforste befanden.433 In der Studie, in der einzelne EZ nach Gütern bzw. Kaufgegenständen zusammengezogen wurden, schilderte Hamböck die Erwerbungsgeschichte aller von den Bundesforsten als „Deutsches Eigentum“ übernommenen Besitzungen mit einer Größe ab 2 ha (unter 2 ha nur dann, wenn ein Restitutionsverfahren geführt wurde, insgesamt 70),434 wobei er zu dem Schluss kam, dass es sich bei neun Besitzungen der Bundesforste um ehemaliges jüdisches Vermögen handelt (Springergut, Rumpersdorf, Gloggnitz, Mauerbach, Rettenegg, Markt Hodis, Sgalitzer, Schwarzenau, Zuberbach), zu denen mit Ausnahme des Gutes Rumpersdorf auch ein Rückstellungsverfahren durchgeführt wurde. 432 Hamböck, Historische Besitzaufarbeitung. 433 Vgl. ebenda, S. 100. 434 Ebenda, S. 20.
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Weiters wurden – so Hamböck – in 21 weiteren Fällen Rückstellungsverfahren geführt.435 In der der Studie zugrunde liegenden Excel-Liste werden alle untersuchten Liegenschaften sowohl nach EZ als auch Katastralgemeinden (KG) bzw. Gutsnamen zusammengefasst, wobei im Hinblick auf die Forschungsfrage die Anmerkungen „Arisierungseinschätzung“ bzw. „zwangsweise“ relevant gewesen sind. Unter den über 26.000 von der Historikerkommission mit dem Stand 17. Jänner 2001 untersuchten EZ befinden sich – in der Datenbank in verschiedenen Schreibweisen aufscheinend436 – 4050 EZ, die den Österreichischen Bundesforsten zugerechnet werden konnten. Für die Untersuchung war zunächst relevant, dass sich in 3.137 Fällen kein Eigentümerwechsel zwischen 1938 und 1945 dokumentieren lassen konnte und somit die verbleibenden 913 EZ und die Art ihres Eigentümerwechsels zwischen 1938 und 1945 in den Vordergrund traten. Hierbei sind jene 209 EZ von besonderem Interesse gewesen, hinsichtlich derer im Grundbuch ein Restitutionsverfahren angemerkt worden ist. Bei zwei dieser 209 EZ ist im Grundbuch allerdings kein Eigentümerwechsel dokumentiert. Parallel zu diesen bereits vorhandenen Arbeiten wurde nun ein eigenes Untersuchungssample gebildet, das die zwischen 1938 und 1945 durch die Reichsforste erworbenen Liegenschaften umfasst und auf folgenden Quellen aus dem Bestand Österreichische Bundesforste des Österreichischen Staatsarchivs/Archiv der Republik (ÖStA/AdR) basiert: - ÖStA AdR, ÖBF 1945, Kt. 3, 30–38, Ausweis A über die Liegenschaften, die im Sinne der Verordnung vom 10. Mai 1945, St.G.Bl.Nr. 10, anzumelden sind sowie Ausweis B über die Liegenschaften, die im Sinne des Gesetzes Nr. 11 vom 10. Mai 1945, Staatsgesetzblatt 3/1945, von der Repatriierungskommission zu erfassen und sicherzustellen sind. - ÖStA, AdR, Generaldirektion der ÖBF, Konv. 946 6522 30.1, Vermögensanmeldung 1946. - ÖStA, AdR, ÖBF, Deutsches Eigentum Staatsbesitz, Konv. 948 5415 30, Verzeichnis jener Liegenschaften, die mit 31. März 1948 nicht in der Verwaltung der ÖBF stehen.
435 Ebenda, S. 100. 436 In der Datenbank ist aufgrund der Kategorie „Besitzer Detail“ eruierbar, welche Liegenschaften sich im Besitz der Österreichischen Bundesforste befinden, wobei diese in verschiedener Schreibweise – als „Österr. Bundesforste“, „Österreichische Bundesforste AG“, „Österreichische Staatsforste“ etc. – aufscheinen. Ein Abgleich mit jenen Liegenschaften, hinsichtlich derer bei „Besitzer Detail“ kein Eintrag vorhanden war, hat aber auch gezeigt, dass hier vereinzelt Liegenschaften aufscheinen, die sich heute (2005) im Besitz der Österreichischen Bundesforste befinden. Gleichfalls wurden vereinzelt Liegenschaften der Österreichischen Bundesforste in nicht klar definierten Kategorien bei „Besitzer Detail“ – wie „Land- und Forstwirtschaftsverwaltung Wasserbau“ – gefunden.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Insgesamt konnten nach einer Zusammenfassung der drei genannten Quellen 196 Eigentümer ausgemacht werden, deren Liegenschaften in besagtem Zeitraum 1938–1945 an die Reichsforstverwaltung übergegangen waren, wobei die Besitzungen des Habsburger Familienfonds sowie des Religionsfonds bei der Auswertung unberücksichtigt blieben. Diese Daten wurden mit den von Dr. Gottfried Hamböck untersuchten Liegenschaften (Liste „Deutsches Eigentum 1955“ und Liegenschaftsstudie „Historische Besitzaufarbeitung. Identifizierung des in Bundesforstebesitz befindlichen ehemaligen Deutschen Eigentums“) sowie der Datenbank der Historikerkommission (Dokumentation aller am 17. Jänner 2001 im Eigentum der Republik Österreich befindlichen Liegenschaften) im Hinblick auf fehlende Einlagezahlen – die Quellen aus den Jahren 1945 und 1948 enthalten diesbezüglich nur unvollständige Angaben – verglichen. Dabei wurden u. a. auch jene Akten herangezogen, die in den Indices des Regierungsforstamtes Wien-Niederdonau sowie des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ aufscheinen und sich auf die betreffenden Liegenschaften bezogen. Informationen bzgl. Restitutionsverfahren konnten auf analoge Weise ermittelt werden. So ergab ein Vergleich des Samples mit der Datenbank der Historikerkommission, dass in 31 Fällen eine Restitution vermerkt ist und in einem Fall eine Beschlagnahme ohne spätere Restitution erfolgte (Graf Colloredo-Mannsfeld, Grundstück Lengdorf ). Aus dem Abgleich mit der Studie von Dr. Gottfried Hamböck geht hervor, dass in 36 Fällen ein Rückstellungsantrag eingebracht wurde. 13 Rückstellungsverfahren schlossen mit einer Restitution ab, 15 mit einem Vergleich, sieben Anträge wurden abgewiesen und ein Rückstellungsantrag wurde vom Erben der Antragsteller zurückgezogen. In 20 Fällen überschneiden sich diese Angaben aus der Datenbank der Historikerkommission mit der Studie von Dr. Hamböck. 141 Fälle scheinen in der Datenbank der Historikerkommission nicht auf, 97 Fälle wurden von der Studie Dr. Hamböcks nicht erfasst. Eine Durchsicht dieser Fälle ergab, dass „logische Gründe“ – die verschiedene Herangehensweise der beiden Arbeiten – dafür sprechen, dass ein Fall in der einen, aber nicht in der anderen Studie/Dokumentation/Datenbank aufscheint, weswegen er für eine weitere Untersuchung ausgeschieden wurde. So konnte beispielsweise bei einer Vielzahl von Fällen relativ schnell festgestellt werden, warum sie in der Datenbank der Historikerkommission aufscheinen, in der Studie von Dr. Hamböck nicht: Dieser ging von den 1955 als „Deutsches Eigentum“ übernommenen Liegenschaften aus, während diese Fälle durchwegs Liegenschaften betrafen, bei denen zwar ein Eigentümerwechsel in der NS-Zeit stattgefunden hatte, die aber erst nach 1955 in das Eigentum der Bundesforste übergingen. Das auf diese Weise eruierte Untersuchungssample, das ist die Schnittmenge jener Liegenschaften, die in den Verzeichnissen 1945, 1946 und 1948 als „Deutsches Eigen-
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
tum“ sowie potenziell restituierbares Vermögen angeführt werden, für die aber als Ausgangssituation weder in der Datenbank der Historikerkommission noch in der Studie Hamböck Angaben zu finden waren, umfasst 92 Eigentümer. Hierbei wurde „Neuland“ betreten, diese einzelnen Fälle sind bisher noch nicht bearbeitet worden. Dieses Untersuchungssample wurde weiters durch 50 EZ, die 23 ehemaligen Eigentümern zugeordnet werden konnten (in fünf Fällen ist die Identität der Eigentümer nicht angeführt) ergänzt. Diese EZ werden in der Datenbank der Historikerkommission mit dem Stand 17. Jänner 2001 als im Eigentum der ÖBF befindlich ausgewiesen, im jeweiligen Grundbuch wurde ein Rückstellungsverfahren angemerkt. Sie sind jedoch nicht in den Verzeichnissen aus den Jahren 1945, 1946 und 1948 erfasst worden.
3.2.2. Mögliche „Desiderate“ Zur Kontrolle, ob sich Erklärungen dafür finden lassen, warum Liegenschaften bzw. deren ursprüngliche Eigentümer weder in der Studie Hamböck noch in der Datenbank der Historikerkommission Aufnahme gefunden haben, bzw. ob es sich bei einzelnen Fällen tatsächlich um Desiderate handelt, wurde zunächst versucht, die äußerst lückenhaften Daten in den Verzeichnissen 1945, 1946 und 1948 zu allen 92 Eigentümern mit weiterführendem Quellenmaterial zu ergänzen (in nur wenigen Fällen standen anfangs die Vor- und Zunamen der ursprünglichen Eigentümer mit der jeweiligen KG und EZ der Liegenschaften zur Verfügung). Dies geschah zunächst mithilfe von Eigentumsübertragungsurkunden aus der Urkundensammlung des Archivs der ÖBF, durch bereits vorhandene Aktenkonvolute im ÖStA, die mit Unterlagen aus dem Bundesarchiv in BerlinLichterfelde ergänzt wurden, oder durch Quellen aus anderen Beständen, wie FLD-Akte etc. Eine Analyse nach Bearbeitung dieser Fälle macht deutlich, dass sich diese Schnittmenge nicht vorwiegend aus „Ausreißern“ zusammensetzt, die „zufällig“ durch das Netz der beiden Samples Hamböck und Historikerkommission geschlüpft sind. Es wurde im Gegenteil durch die Häufung eine Struktur dieser Fälle immer besser erkennbar. Dazu erschien es sinnvoll, einzelne Fallgruppen zu bilden. Letztlich wird dadurch auch nachvollziehbar und es lassen sich klare Aussagen treffen, warum der eine oder andere Fall bzw. die eine oder andere Fallgruppe nicht von den beiden Samples erfasst wurde.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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3.2.2.1. Fallgruppe Vermögensentziehungen aus politischen und/oder „rassistischen“ Gründen mit einer Rückstellung der als „Deutsches Eigentum“ geführten Liegenschaften vor 1955 Waldgut Kassegg: ursprünglicher Eigentümer Otto Graf Czernin Chudenitz, Gesandter i. R., Adresse 1940: Brünn, Schreibwald, Kalvoda 10. Gesamtfläche des Gutes 280 ha. Das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) erwarb das in der Steiermark gelegene Waldgut Kasegg (13 EZ in 2 KG) mit Kaufvertrag vom 3. Mai 1940 um den Kaufpreis von RM 184.000,--. Der größte Teil des Gutes (bis auf EZ 27, 40, 54, 55 KG Reiflingsviertel und EZ 7, 8, 337 KG Landl) wurde 1943 und 1944 an die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft (DAG) verkauft.437 Im April 1948 stellte Otto Graf Czernin Chudenitz einen Rückstellungsantrag, wobei die von ihm geltend gemachte politische Verfolgung während der NS-Zeit (Schreiben der VVSt. und der Gestapo befinden sich im Ankaufsakt) vom Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich und der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste heftig bestritten wurde. Die Oberste Rückstellungskommission bejahte mit Beschluss vom 4. Dezember 1948 die politische Verfolgung Czernins und wies den Antrag zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die RK beim LGfZRS Graz zurück, die das Deutsche Reich mit Teilerkenntnis vom 1. Februar 1949 zur Rückstellung der Liegenschaften verpflichtete.438 Von den betreffenden Liegenschaften steht heute keine mehr im Eigentum der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG. EZ 27 KG Reiflingsviertel steht heute im Eigentum des Landes Steiermark (Landesstraßenverwaltung), EZ 40 im Eigentum mehrerer Privatpersonen, EZ 54 im Eigentum der Kurhotel Schloss Kassegg GmbH, EZ 55 existiert nicht mehr; die EZ der KG Landl stehen heute im Eigentum von Privatpersonen. Gut Sommerau: ursprüngliche Eigentümer Friedrich und Almuth Zsolnay (ungarische Staatsbürger, Juden) je zur Hälfte. Gesamtfläche des in der Steiermark gelegenen Gutes 651 ha (davon 490 ha Wald). Mit Kaufvertrag vom 17. Februar/18. März 1939 schloss das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), vertreten durch den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, einen Kaufvertrag mit dem Rechtsvertreter des bereits nach Bratislava bzw. Budapest geflüchteten Ehepaares Zsolay, RA Dr. Heinrich Stöger, über die Liegenschaften EZ 18, 19, 35 KG Fröschnitz und EZ 32, 44, 45, 46, 47, 98, 100 KG Spital am Semmering sowie über das im Alleineigentum Friedrich Zsolnays stehende Schloss EZ 48 KG Spital am Semmering. Der Kaufvertrag wurde gem. §§ 8 und 17 Abs 3 der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ genehmigt. 437 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Kt. 83, Aktenkonvolut 939 813 13, Waldgut Kasegg. 438 ÖStA/AdR, ÖBF, Kt. 107, Aktenkonvolut 948 9644 30, Waldgut Kasegg.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Der Kaufpreis in Höhe von RM 400.000,-- wurde auf ein „Auswanderer-Sperrkonto“ einbezahlt. Davon gelangte abgesehen von der Tilgung einer Hypothek der größte Teil nicht zur freien Verfügung der früheren Eigentümer. Mit dem Kaufvertrag vom 18. Mai 1944 veräußerte die Reichsforstverwaltung die landwirtschaftlichen Teile des Gutes Sommerau mit einem Gesamtausmaß von 177 ha Fläche, bestehend aus den Parzellen aus den EZ 18, 19, 35 KG Fröschnitz und EZ 44, 46, 48, 98, 100 KG Spital am Semmering (Bohnstadlhof, Hansl am Greith, Poirhof ) um den Kaufpreis von RM 132.000,-- an die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft (DAG). Die DAG veräußerte zwar Liegenschaften an zwei Bauern weiter, es kam aber zu keiner grundbücherlichen Übertragung mehr, sodass die Gesellschaft am 8. Mai 1945 noch immer als Eigentümerin auf den Liegenschaften aufschien.439 Am 1. November 1946 erstattete die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, welche gem. § 43 Behördenüberleitungsgesetz die Verwaltung des Gutes Sommerau übernommen hatte, Anmeldung entzogenen Vermögens nach der VEAVO. Die Übergabe des Gutes in öffentliche Verwaltung Friedrich Zsolnays nach dem Verwaltergesetz erfolgte am 15. August 1947. Am 18. Dezember 1947 stellte das Ehepaar Zsolnay, vertreten durch RA Stöger, bei der RK beim LGfZRS Graz einen Rückstellungsantrag nach dem Dritten Rückstellungsgesetz.440 Die RK verpflichtete mit Teilerkenntnis vom 8. Mai 1948 das Deutsche Reich zur Rückstellung des Gutes Sommerau an die Antragsteller und hielt dabei fest, dass bei Vertragsabschluss die „Regeln des redlichen Verkehrs“ nicht eingehalten worden waren. Da die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste negative Auswirkungen bei der Verrechnung der Erträgnisse und Aufwendungen befürchtete, erwirkte sie bei dem zum Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich bestellten Beamten der Bundesforste, HR Franz Hackermüller, die Beschwerde gegen das Rückstellungserkenntnis. Auf Betreiben RA Stögers wurde Hackermüller im Mai 1948 als Kurator abgesetzt, wobei sich Stöger auf einen Erlass des BMJ berief, wonach keine Beamten der verwaltungsführenden Dienststelle als Abwesenheitskuratoren zu bestellen waren. Die Beschwerde Hackermüllers gegen das Rückstellungserkenntnis wurde von der ROK Graz abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Im September 1948 lehnte RA Stöger bei der Verrechnung der Erträgnisse und Aufwendungen die Forderungen der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ab, deren Passivsaldo aus der Verwaltung in Höhe von öS 56.315,-- abzudecken. Daraufhin forderten die Bundesforste den nun eingesetzten Kurator Reg.-Rat Dr. Gottl auf, den Saldo im Rückstellungsverfahren geltend zu machen. Die RK erklärte sich jedoch für unzuständig. Eine
439 ÖStA/AdR, ÖBF, Kt. 78, Aktenkonvolut 938 12594 13, Gut Sommerau. 440 GZ 462/47.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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diesbezügliche Beschwerde an die ROK wurde am 25. Februar 1949 abgewiesen.441 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste versuchte daher ab Oktober 1949, die Aufwendungen im Zivilrechtsweg geltend zu machen. RA Stöger machte dagegen eine Widerklage in Höhe von öS 89.000,-- als Schadenersatz für mangelnde Verwaltertätigkeit geltend. Mit Zwischenurteil des Kreisgerichts Leoben vom 19. März 1950442 wurden beide Klagen als zu Recht bestehend festgestellt. Nachdem auch der OGH die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und die Ansprüche als dem Grunde nach bestehend anerkannt hatte, ging es ab Februar 1952 erneut vor dem Kreisgericht Leoben nur mehr um die festzustellende Höhe der gegenseitigen Forderungen. Am 12. März 1952 wurde die Finanzprokuratur vom BMF ermächtigt, einvernehmliches Ruhen des Verfahrens durch Zurückziehung beider Klagen herbeizuführen. Die diesbezügliche Vereinbarung erfolgte am 13. März 1952. Im Oktober 1953 machte Friedrich Zsolnay seine ruhend gestellten Schadenersatzansprüche gegen die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste jedoch in einem Rückstellungsverfahren gegen das Deutsche Reich vor der RK beim LGfZRS Graz geltend.443 Aufgrund eines Sachverständigengutachtens, welches den Österreichischen Bundesforsten eine ordnungsgemäße Verwaltungsführung attestierte, zog Friedrich Zsolnay den Rückstellungsantrag im Frühjahr 1954 zurück.444 Die EZ 18, 19, 35 KG Fröschnitz sowie die EZ 32, 44, 45, 46, 98 KG Spital bestehen heute nicht mehr. Eigentümer (1/1) der EZ 47 KG Spital ist heute die Agrargemeinschaft Sommerau, EZ 100 KG Spital steht heute in Privateigentum. Waldgut Draxler Grossarl-Hüttschlag: ursprünglicher Eigentümer RA Dr. Ludwig Draxler, ehem. BMinF, geb. am 18. Mai 1896, Adresse 1938: Wien 19, Himmelstraße 51. Die Einziehung der Liegenschaften (23 EZ in 5 KG) erfolgte nach der „Zweiten Verordnung über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 18. März 1938 in Verbindung mit dem „Erlass des Reichsführers SS vom 23. März 1938“ aufgrund des Erkenntnisses der Geheimen Staatspolizei vom 15. Juni 1938 zugunsten des Landes Österreich (Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens durch die Geheime Staatspolizei). Die Gesamtfläche des Gutes betrug 3.512 ha. Der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“ fragte 1940 beim Regierungsforstamt Salzburg an, warum eine so große Fläche mit nur 39 ha Waldbestand in Verwaltung der Reichsforste gekommen sei und beklagte sich, dass sämtliche Vorakten fehlen würden.445 Nach dem 8. Mai 441 GZ Rkb 27/49. 442 GZ 4 Cg 159/49. 443 GZ RK 46/53. 444 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 665 30, Gut Sommerau. 445 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Kt. 100, Aktenkonvolut 939 7874 13, Waldgut Draxler.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
1945 erfolgte die Übergabe der entzogenen Liegenschaften EZ 11, 12, 14, 15 (1/4 Anteil), 108, 120, 155 KG Hüttschlag, EZ 12, 38, 40 (5/12 Anteile), 52, 71, 87, 88 KG Karteis, EZ 4, 6 (1/3 Anteil), 7 (2/3 Anteile), 8 (1/2), 129 (1/4 Anteil) KG See, EZ 122, 128 (1/2), 129 (1/4 Anteil) KG Großarl, EZ 42, 74 KG Eben in die Verwaltung der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste. Die faktische Übergabe in die Verwaltung Dr. Draxlers erfolgte nach einer Weisung des Landeshauptmanns von Salzburg mit Stichtag 1. Juli 1945. Aufgrund des von Dr. Ludwig Draxler am 29. November 1946 nach dem Ersten Rückstellungsgesetz eingebrachten Rückstellungsantrags erfolgte die Rückstellung der Liegenschaften durch einen Bescheid der Finanzlandesdirektion Salzburg vom 14. Jänner 1947.446 Gut Sierndorf: ursprünglicher Eigentümer Rudolf Graf Colloredo-Mannsfeld. Die Einziehung der Liegenschaften erfolgte mit Verfügung der Geheimen Staatspolizei vom 20. Mai 1940 aufgrund § 1 Abs. 1 der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ zugunsten des Deutschen Reiches. Es wurde ein langwieriger Rechtsstreit geführt, ob sich die Einziehung auch auf Rudolfs Bruder Ferdinand bezogen hatte, der vom 1925 verstorbenen Vater fideikommissarisch zum Nacherben eingesetzt worden war, weswegen die Gestapo am 6. Dezember 1942 eine neuerliche Einziehungsverfügung erließ.447 Die Rückstellung der Liegenschaften erfolgte nach 1945.448 Reviere Dürnstein, Hubertendorf und Freidegg-Reidlingberg: ursprünglicher Eigentümer Ernst Rüdiger Fürst von Starhemberg, ehem. Vizekanzler, Innenminister, Bundesführer des Heimatschutzes und der „Vaterländischen Front“, geb. am 10. Mai 1899, gest. am 15. März 1956. Nach der Beschlagnahme der Güter durch die Geheime Staatspolizei erklärte der Reichsminister des Inneren mit Bekanntmachung vom 5. Oktober 1939 Ernst Rüdiger Starhemberg, der sich seit 1937 im Ausland aufhielt, aufgrund des § 2 des „Gesetzes über den Widerruf von Eintragungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ vom 14. Juli 1933449 in Verbindung mit § 1 des „Gesetzes über die Aberkennung der Staatsangehörigkeit und den Widerruf der Staatsangehörigkeit in der Ostmark“ vom 11. Juli 1939450 der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig und sein Vermögen als dem Deutschen Reich verfallen. Von dieser Verfügung waren zahlreiche Liegenschaften und Liegenschaftsteile betroffen: In Niederösterreich unter anderem die Reviere Dürnstein, 446 ÖStA/AdR, ÖBF. Kt. 68, Aktenkonvolut 947 7368 30, Waldgut Draxler. 447 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Kt. 116, Aktenkonvolut 940 2622 13, Gut Sierndorf. 448 ÖStA/AdR, ÖBF, Kt. 6, Aktenkonvolut 945 392 30.1. 449 RGBl. I S. 480. 450 RGBl. I S. 1238.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Hubertendorf und Freidegg-Reidlingberg. Das Deutsche Reich wies zunächst den Reichsgau Oberdonau als Selbstverwaltungskörper in das für verfallen erklärte Vermögen ein. In einer Aufsandungsurkunde vom 19. Februar 1943 erklärte sich die Gauselbstverwaltung Oberdonau entsprechend einer „grundsätzlichen Willensmeinung des Führers“ bereit, dass für die in Niederösterreich gelegenen Liegenschaften Starhembergs das Eigentumsrecht für den Reichsgau Niederdonau einverleibt werde. Der Reichsgau Niederdonau führte jedoch die Verwaltung nur auf dem Schloss Dürnstein und auf dem an die „Napola für Mädchen“ verpachteten Schloss Hubertendorf selbst, während dafür in den Revieren Dürnstein und Senftenberg bis 1945 die Reichsforstverwaltung zuständig war. Vom 1. Mai 1945 bis 31. Dezember 1948 führten die Österreichischen Bundesforste die Verwaltung der Reviere Dürnstein und Freidegg-Reidlingberg sowie einiger Liegenschaften des Revieres Hubertendorf „als Beauftragter und Treuhänder des Landes Niederösterreich“. Die Verwaltungstätigkeit der Bundesforste endete am 1. April 1948 mit der Übergabe der Reviere an den Rechtsvertreter Starhembergs, RA Ludwig Draxler, ohne dass jedoch die förmliche Rückstellung der Güter stattgefunden hätte. Diese erfolgte mit Erkenntnis des VwGH vom 18. Dezember 1951. Nach Aufhebung der Verwaltergesetzesnovelle 1952 (sog. „Llex Starhemberg“)451 wurde Starhemberg wieder als Eigentümer auf seinen Gütern intabuliert.452 Liegenschaft mit Villa EZ 272 KG Bad Ischl, Grazerstraße 17: ursprüngliche Eigentümer am 13. März 1938 Otto und Valerie Kohn, zu dieser Zeit wohnhaft in Bad Ischl, Grazerstraße 17. Der jüdische Rechtsanwalt Dr. Otto Kohn wurde gezwungen, die Villa mit Kaufvertrag vom 23. Juni 1938 an die Sparkasse Bad Ischl zu veräußern. Nur ein Teil des Kaufpreises in der Höhe von RM 16.666,67 kam dem Ehepaar zugute. Mit Kaufvertrag vom 31. Juli bzw. 4. August 1939 veräußerte die Sparkasse Bad Ischl die Liegenschaft an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) zur Einrichtung als Forstkasse. Die USMilitärregierung requirierte die Villa 1945 kurzfristig, ehe der zurückgekehrte Otto Kohn im September 1945 von den US-Behörden als „Unterverwalter“ eingesetzt wurde. Die Liegenschaft wurde Otto und Valerie Kohn mit Teilerkenntnis der RK beim LGfZRS Linz vom 20. Jänner 1948453 zurückgestellt.454 Die Villa steht heute im Wohnungseigentum mehrerer Familien und einer Handelsgesellschaft. 451 Zur politisch brisanten Causa Starhemberg siehe Helmut Wohnout, Eine „Empörung aller arbeitenden Menschen“? Der Rückstellungsfall Ernst Rüdiger Starhemberg, in: Michael Gehler / Hubert Sickinger (Hg.), Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim, Thaur Wien / München 1995, S. 398f. 452 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 949 712 30, Starhemberg’sche Güter. 453 GZ RK 231/47. 454 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Gut Zierma: ursprüngliche Eigentümerin Hilde Horr, nach den Nürnberger Gesetzen „Mischling 1. Grades“, Adresse 1938: Staritsch 29 bei Eibiswald, Steiermark. Hilde Horr veräußerte mit Kaufvertrag vom 1. April 1941 das in ihrem Eigentum stehende Gut Zierma (auch Ziermahof ) mit Sägewerksbetrieb, EZ 6, KG Wiel St. Oswald, Gerichtsbezirk Deutschlandsberg in der Steiermark, mit einer Gesamtfläche von 146 ha um den Kaufpreis von RM 63.000,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung).455 Nach 1945 wurde das Gut Zierma als „Deutsches Eigentum“ von der Forstamtsabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung verwaltet. Im Frühjahr 1948 brachte Hilde Horr bei der Rückstellungskommission für Steiermark beim LGfZRS Graz einen Rückstellungsantrag gegen das Deutsche Reich nach dem Dritten Rückstellungsgesetz ein. Sie wäre durch „unlautere Manipulationen“ zum Verkauf des Gutes genötigt worden. Die Rückstellungskommission für die Steiermark beim LGfZRS Graz verpflichtete das Deutsche Reich in ihrem Teilerkenntnis vom 3. Juli 1950 zur Rückstellung des Gutes Zierma an die Antragstellerin Hilde Horr.456 Sie hätte in der NS-Zeit zum verfolgten Personenkreis gehört und wäre durch das NS-Regime wirtschaftlich so schwer geschädigt worden, dass sie zum Verkauf des Gutes gezwungen war. Bezüglich der Erträgnisse und Aufwendungen wurde ein Vergleich geschlossen.457 Das Gut steht heute je zur Hälfte im Eigentum zweier Privatpersonen. Gut Kreuztal, St. Pölten: ursprünglicher Eigentümer Fritz Stockinger, ehem. BM f Handel und Verkehr in den Kabinetten Dollfuß I, Dollfuß II, Schuschnigg I, und Schuschnigg II, geboren am 22. September 1894, Adresse am 13. März 1938: Wien 15, Mariahilferstraße 192. Mit Einziehungserkenntnis vom 11. Dezember 1940 zog die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Wien, das gesamte Vermögen Fritz Stockingers, darunter das rund 283 ha (245 ha Wald) große Gut Kreuztal in Hohenberg, Bezirk Lilienfeld, EZ 6 KG Innerfahrafeld, aufgrund der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938,458 zugunsten des Deutschen Reiches (Reichsfinanzverwaltung) ein. Die Reichsforstverwaltung versuchte beim Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau zunächst eine Übertragung des Gutes zu erwirken. Am 17. September 1942 übertrug der OFP Wien-Niederdonau dem Landesforstamt Niederdonau (Forstamt Lilienfeld) lediglich die Verwaltung des Gutes. Nach dem 8. Mai 1945 führte die Generaldirektion 455 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Kt. 109, Aktenkonvolut 939 11382 13, Ziermahof. 456 GZ Rk 152/47. 457 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, Ziermahof. 458 RGBl. I. S. 1620 (GBl.f.d.L.Ö Nr. 589/1938).
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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der Österreichischen Bundesforste die Verwaltung des Gutes gemäß BehördenüberleitungsG weiter. Aufgrund eines Rückstellungsantrages, den Fritz Stockinger nach dem Ersten Rückstellungsgesetz eingebracht hatte, wurde ihm das Gut mit Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld. vom 26. März 1949459 zurückgestellt.460 Die Liegenschaft EZ 6 KG Innerfahrafeld mit gleicher Gesamtfläche wie 1938 befindet sich heute im Alleineigentum einer Privatperson. Gut Donnersbach-Donnersbachwald: Mit Kaufvertrag vom 3. bzw. 15. Februar 1941 erwarb das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) von der „Universale“ Hoch- und Tiefbau AG in Wien 1., Hessgasse 6, das „Gut Donnersbach-Donnersbachwald“ in Irdning in der Steiermark, mit einem Gesamtausmaß von 8.253 ha (Waldanteil 5.634 ha), bestehend aus folgenden Liegenschaften: EZ 1, 2, 6, 25, 34, 35, 36, 37, 39, 99, 109, 116 KG Donnersbach; EZ 1, 6 (abzgl. Grdstck. Nr. 146, Baufläche, zuvor verkauft an Anna Kainz mit Kaufvertrag vom 14. Juni 1938, zum damaligen Zeitpunkt nicht verbüchert), 43, 47, 75, 86, 102, 119, 127 KG Donnersbachwald; EZ 28, 95 KG Erlsberg; EZ 10, 15, 17, 110 KG Donnersbachwald (Wirtschaftsbesitz „Bernkopf“, von der „Universale“ 1936 durch Zuschlag erworben); EZ 1025, 1084 Steiermärkische Landtafel; 3/4 EZ 85, 4/6 EZ 91, 1/8 EZ 92, 1/8 EZ 93, 51/130 EZ 100, 2/6 EZ 101, 18/102 EZ 106, 15/80 EZ 108, 1/2 EZ 126, 56/80 EZ 132, 16/130 EZ 100, 17/36 EZ 41 KG Donnersbachwald; EZ 92 KG Erlsberg (Grdstck. 836 aus dem Besitz Franz und Sophie Herdlicka, seinerzeit um RM 800,-- erworben, galt als mitverkauft). Als Kaufpreis waren RM 1,942.000,-- vereinbart worden, wobei RM 1,880.000,-- auf die Liegenschaften und RM 62.000,-- auf totes Inventar entfielen. Bis 1936 war der Schuldenstand des Voreigentümers des Gutes, Graf Lamberg, im Zuge der Weltwirtschaftskrise so gestiegen, dass ein Zwangsversteigerungsverfahren der Liegenschaften unausweichlich wurde. Der Hauptgläubiger, die Creditanstalt-Bankverein (CA-BV), musste zur Rettung ihrer Hypothekarforderungen selbst als Bieter auftreten, wobei ihre Tochtergesellschaft, die „Österreichische Realitäten AG“, die spätere „Universale“, den Zuschlag bekam und die Liegenschaften bis zum Verkauf an das Deutsche Reich in treuhändigem Eigentum für die CA-BV hielt. Nach dem 8. Mai 1945 standen die Liegenschaften des Gutes Donnersbach als „Deutsches Eigentum“ in Verwaltung der Landesforstinspektion Graz. 1948 machte die CA-BV eine zwangsweise Entziehung des Gutes geltend und erwirkte als ersten Schritt die Bestellung zum öffentlichen Verwalter, die mit Bescheid des BMfVS und WP vom 11. Dezember 1948 erfolgte. Die Übergabe des Gutes verzögerte sich jedoch infolge langwieriger Abrechnungen und fand erst am 459 GZ VRV–20.577-9/46. 460 ÖStA/AdR, ÖBF, Kt. 12, Aktenkonvolut 945 653 30.1, Gut Kreuztal St. Pölten.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
21. März 1949 statt. Die Verwalterbestellung der CA-BV wurde jedoch vom BMfVS und WP mit Bescheid vom 5. April 1949 wieder aufgehoben und stattdessen die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste mit Erlass des BMLF vom 20. April 1949 gemäß Behördenüberleitungsgesetz eingesetzt. Am 2. Juni 1950 schloss die CA-BV mit dem als Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich eingesetzten Leopold Hayden vor der RK beim Kreisgericht Leoben einen Vergleich, demzufolge der Kurator die Nichtigkeit des „unter NS-Zwang“ abgeschlossenen Kaufvertrages, mit dem das Treueverhältnis zwischen der CA-BV und der „Universale“ zerstört worden wäre, nach dem Dritten Rückstellungsgesetz anerkannte. Das Deutsche Reich verpflichtete sich, das Gut an die CA-BV zurückzustellen. Im Gegenzug bezahlte die CA-BV unter dem Titel der Kaufpreisrückerstattung den Barbetrag von öS 1,837.500,--, der auf ein Konto „Rückstellungsberechtigter Deutschland aus der britischen Zone“ bei der Bank für Oberösterreich und Salzburg einbezahlt wurde. Am 1. August 1950 erfolgte die Übergabe des Gutes von den Österreichischen Bundesforsten an die CA-BV. Für die Verwaltung des Gutes bezahlte die CA-BV nach Verhandlungen insgesamt öS 815.368,73 an die Österreichischen Bundesforste.461 Untergruppe „Polnisches Vermögen“ Gut Töscheldorf: ursprüngliche Eigentümerin Maria Gräfin Colonia Csosnowsky, polnische Staatsbürgerin, Jüdin. Aus einem undatierten Verzeichnis der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften“462 geht hervor, dass das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) aufgrund eines Einziehungserkenntnisses in die in Kärnten gelegenen Liegenschaften EZ 485 Kärntner Landtafel, EZ 3, 4, 13, 16, 21, 22 KG Töscheldorf, EZ 37 KG Guttaringberg, EZ 4 KG Treibach (pol. Bez. Althofen) von Gräfin Csosnowsky eingewiesen wurde. Das Amt der Kärntner Landesregierung, Landesforstinspektion Klagenfurt, verwaltete die Liegenschaften nach 1945. 1948 wurde ein Rückstellungsantrag gestellt, die Rückstellung erfolgte mit Bescheid der FLD Klagenfurt vom 11. September 1950. Die Liegenschaft EZ 4 KG Treibach steht heute im Eigentum einer gemeinnützigen Siedlung GesmbH, EZ 16 KG Töschelsdorf besteht nicht mehr, die übrigen Liegenschaften stehen heute im Alleineigentum einer einzigen Privatperson.
461 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 949 5150 30, Gut Donnersbach. Übergabe an die ÖBF. 462 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624, Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.).
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Güter Frauenwald und Steinhaus, Einöd und Mühlen, sowie vier Liegenschaften in Wien: Ursprüngliche Eigentümer dieser in Österreich im Gebiet Steiermark und Niederösterreich gelegenen, ehemaligen Güter von Karl (Karol) Graf Lanckoronski-Brzezie im Jahre 1938 waren seine Kinder und Erben, die polnischen Staatsbürger Anton, Karo lina und Adelajde Lanckoronski-Brzezie (Adresse von Anton Lanckoronski am 13. März 1938 Wien 3, Jacquingasse 16). Am 19. September 1939 beschlagnahmte die Geheime Staatspolizei das gesamte in der damaligen „Ostmark“ gelegene Vermögen Lanckoronskis „zur Vorbereitung der Einziehung zu Gunsten des Landes Österreich“ aufgrund der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938.463 Am 6. Jänner 1941 sprach die „Sonderabteilung Altreich“ des „Beauftragten für den Vierjahresplan – Hauptreuhandstelle Ost“ (HTO) aufgrund der §§ 1, 2 und 5 der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates“ (PolVermVO) vom 17. September 1940464 die kommissarische Verwaltung über das Vermögen von Anton, Karolina und Adelajde Lanckoronski, „soweit es sich innerhalb des Gebietes des Großdeutschen Reiches einschließlich der eingegliederten Ostgebiete“ befand, aus. Die Anordnung der kommissarischen Verwaltung galt gemäß § 5 Abs. 2 PolVermVO gleichzeitig als Beschlagnahme. Von dieser Beschlagnahme waren auch die Güter Frauenwald und Steinhaus am Semmering (EZ 693, 53, 67, 107 KG Rettenegg, GB Birkfeld; EZ 23, 27 KG Filzmoos, EZ 15, 15, 35, 37, 47, 50, 53, 54 KG Kaltenegg, alle GB Vorau; EZ 4, 5, 9, 10 KG Fröschnitz, EZ 1, 73, 78, 84, 117, 148 KG Semmering, alle GB Mürzzuschlag; EZ 85 KG Trattenbach, GB Gloggnitz), die Güter Einöd und Mühlen (EZ 71 KG Dürnstein, EZ 4 KG Mühlen, EZ 58, 59, 73 KG St. Margarethen, EZ 1023 Niederösterreichische Landtafel, alle GB Neumarkt) sowie vier Liegenschaften in Wien (EZ 1905 und 2362 KG Landstraße, EZ 1187 KG Alsergrund, EZ 800 KG Ober St. Veit) mit einer Gesamtfläche von 4.303 ha betroffen. Bis zum 8. Mai 1945 erfolgte keine Einigung zwischen der „Sonderabteilung Altreich“, dem Reichsführer SS – „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ (RKFDV) – und der Reichsforstverwaltung über die Einweisung der Reichsforstverwaltung in einen Teil der Güter. Während das Deutsche Reich (RKFDV) auf einigen Liegenschaften als Eigentümer intabuliert wurde, fand keine Eigentumsübertragung auf die Reichsforstverwaltung statt. Nach 1945 brachten Anton Lanckoronski und seine beiden Schwestern mehrere Anträge auf Rückstellung
463 RGBl. I. S. 1620 (GBl.f.d.L.Ö Nr. 589/1938). 464 RGBl. I S. 1270.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
der umfangreichen Kunstsammlung und der Güter465 ein.466 Der Aktenbestand ist heute nicht mehr zu rekonstruieren, doch dürften die Anträge allesamt erfolgreich gewesen sein. Von den ehemaligen Gütern Frauenwald und Steinhaus bestehen die EZ 693 und 53 KG Rettenegg heute nicht mehr, die Liegenschaften EZ 67 und 107 stehen heute im Eigentum mehrerer Privatpersonen. Die Liegenschaften EZ 23 und 27 KG Filzmoos stehen im Eigentum des Erzbistums Wien. KG Kaltenegg besteht heute nicht mehr. EZ 9 und 10 KG Fröschnitz bestehen nicht mehr, EZ 4 und 5 stehen im Eigentum von Privatpersonen. Die EZ 1, 73, 78, 117 KG Semmering bestehen nicht mehr, die Liegenschaften EZ 84 und 148 stehen im Eigentum des ÖGB bzw. der Gemeinde Spital am Semmering. Die Liegenschaft EZ 85 KG Trattenbach steht im Eigentum einer Privatperson. Von den ehemaligen Gütern Einöd und Mühlen stehen die Liegenschaften EZ 71 KG Dürnstein, EZ 4 KG Mühlen, EZ 58, 59, 73 KG St. Margarethen heute alle im Eigentum von Privatpersonen. Von den Wiener Liegenschaften wurden die EZ 1905 und 2362 KG Landstraße zu einer EZ 2362 (Wien 3, Jacquingasse 16–18) zusammengefasst, die Liegenschaft steht im Eigentum einer Immobilien Vermietungs-GmbH. Die Liegenschaft EZ 1187 KG Alsergrund (Wien 9, Wasagasse 6) steht im Eigentum einer Liegenschaften- und Vermögensverwaltungs AG und EZ 800 KG Ober St. Veit (Wien 13, Hanschweg 1, sog. „Faniteum“ in Ober St. Veit) im Eigentum des Konvents der Karmeliterinnen. Waldgut Perlberger: ursprüngliche Eigentümerin Sabine Perlberger, geb. Scheindl (polnische Staatsbürgerin, Jüdin, Ehefrau des 1928 verstorbenen Jakob Perlberger), Adresse 1938: Wien 2, Aspernbrückengasse 4. Nachdem Sabine Perlberger die Veräußerung der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaften verweigert hatte, erfolgte zunächst die zwangsweise Bestellung eines Verkaufstreuhänders nach der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ durch den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde. Parallel dazu beschlagnahmte der Beauftragte für den Vierjahresplan – Haupttreuhandstelle Ost (HTO) mit Verfügung vom 13. März 1941 die Liegenschaften EZ 370 und 481 des „Grundbuches über die landtäflichen Liegenschaften in Wien und Niederösterreich“, EZ 205 KG Gugging, EZ 73 KG Kirchbach und EZ 100 KG Hintersdorf im Gesamtausmaß von 216 ha aufgrund der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates“ vom 17. September 1940. Mit Kaufvertrag vom 28. Juni/20. Juli 1943 veräußerte der von der 465 Rückstellungskommission für Steiermark beim LGfZRS Graz, GZ RK 233/48 und 234/48. 466 BArch, R 3701/2204, Reichsforstamt, Bezirk Graz: Erwerb und Tausch von Grundstücken, Lanckoronski’sche Güter. Archiv des Österreichischen Bundesdenkmalamtes (BDA), Restitutionsmaterialien (Rest.Mat.), K 26, Sammlung Lanckoronski I, Mappen 1–9.
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HTO als Verkaufstreuhänder eingesetzte Forstrat DI Franz Hörander die Liegenschaften des Waldgutes Perlberger um den Kaufpreis von RM 153.700,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Der Veräußerungserlös wurde aufgrund einer Verfügung vom 3. November 1943 gem. §§ 1, 2, 9 und 12 der Verordnung vom 17. September 1940 zugunsten des Deutschen Reiches („Beauftragter für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich“) eingezogen. Der Eigentümerwechsel wurde jedoch grundbücherlich nicht durchgeführt (es ist ein bekanntes Phänomen, dass das Deutsche Reich auch nach der 11. VO zum RBG nicht immer als Eigentümer intabuliert worden ist). Die Anmerkung der Beschlagnahme wurde 1947 aufgrund eines Bescheids des BMI gelöscht.467 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, welche gemäß Behördenüberleitungsgesetz die Verwaltung des Waldgutes übernommen hatte, weigerte sich, das Gut zu übergeben, weil sie die Verrechnung einer Hypothek, die mit Teilen des Kaufpreises getilgt worden war bzw. die Verrechnung der Erträgnisse und Aufwendungen gefährdet sah. 1950 erwirkten die beiden Erben der im KZ ermordeten Sabine Perlberger ein Feststellungserkenntnis der RK, mit dem der Kaufvertrag vom 28. Juni/20. Juli 1943 für nichtig erklärt wurde. Nach Eintragung einer Sicherungshypothek über öS 70.000,-- in den Grundbüchern der betreffenden Liegenschaften übergab die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste das Gut.468
Untergruppe „Auflösung des Vermögens von Vereinen und Stiftungen durch den Stillhaltekommissar“ Deutscher Ritterorden: Der aufgrund des „Gesetzes vom 14. Mai 1938 über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden“ 469 vom „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ bestellte „Stillhaltekommissar“, der die „Berechtigung“ erhalten hatte, die zur „Neuordnung der Vereine, Organisationen und Verbände erforderlichen Verfügungen zu treffen“, löste den Deutschen Ritterorden470 und alle ihm „angegliederten Stiftungen und inkorporierten Pfründe“ mit Bescheid vom 31. Jänner 1939 auf und wies Teile des Vermögens an die „Aufbaufond-Vermögensverwaltungs GmbH“ ein, die als eine Art Treuhänder bis zur endgültigen Entscheidung, an wen das Vermögen einzuweisen war, gegründet worden 467 ÖStA/AdR, ÖBF, Kt. 80, Aktenkonvolut 947 13490 30, Gut Perlberger. 468 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Kt. 100, Aktenkonvolut 939 8295 13, Gut Perlberger. 469 GBlfdLÖ Nr. 136. 470 Brüder des Deutschen Ordens St. Marien zu Jerusalem, Ballei Österreich.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
war. Nach langwierigen Verhandlungen über die Höhe der zu leistenden Werterstattung und einer Entscheidung des RMI, dass eine solche nicht zu leisten sei, wies der „Stillhaltekommissar“ mit Aufsandungsurkunde vom 3. April 1940 und einem Nachtrag vom 28. Dezember 1942471 folgende Liegenschaften aus den ehemaligen Kommenden Friesach, Sandhof und Thurn bei Maria Saal (Kärnten), der Stiftung Kainbach und der Kom mende Graz (Steiermark) sowie dem Anningerforst in Niederösterreich in das Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) ein: EZ 591 KG Friesach, EZ 589 Kärntner Landtafel, EZ 75, 76, 77, 78, 79, 126 KG Maria Saal (alle Gerichtsbezirk Klagenfurt); EZ 1, 2 KG Hönigthal, EZ 84 KG Kainbach, EZ 76 188, 395 KG Stifting, EZ 43, 61, 112 KG Schafthal (alle Gerichtsbezirk Graz-Umgebung); EZ 39 KG Anningerforst (Gerichtsbezirk Mödling), EZ 74, 82, 95, 97, 180, 233 KG Laab im Walde (Gerichtsbezirk Purkersdorf ). 1942 und 1944 wurden einige Parzellen der EZ 589 Kärntner Landtafel abgeschrieben und dem Deutschen Reich (Reichsfiskus Heer) bzw. aufgrund eines Kaufvertrags einer Privatperson zugeschrieben. Am 1. Oktober 1943 wurden der Gemeinde Wien mit Rücksicht auf das schwebende Tauschprojekt „Untere Lobau – Wildalpen“ Parzellen aus den EZ 85, 95, 180 und 233 KG Laab im Walde im Ausmaß von 155 ha übergeben. Bis zum 8. Mai 1945 blieb jedoch das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) grundbücherlicher Eigentümer dieser Liegenschaften. Nach 1945 wurden die in Kärnten und der Steiermark gelegenen Liegenschaften von der Landesforstinspektion für Kärnten bzw. Steiermark verwaltet. Die an die Gemeinde Wien übergebenen Parzellen wurden von dieser verwaltet, sodass nur eine Fläche von etwa 19 ha (EZ 39 KG Anningerforst und EZ 97 Parz. 77/2, EZ 180 Parz. 61/35, EZ 233 Parz. 77/1, 77/3 KG Laab im Walde) in Verwaltung der Österreichischen Bundesforste gelangte. Mit Bescheid vom 26. April 1948 stellte die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Liegenschaft EZ 39 KG Anningerforst nach dem Ersten Rückstellungsgesetz an den Deutschen Ritterorden zurück, in dessen Eigentum sie sich noch heute befindet. Bis 1954 erfolgte auch die Rückstellung der in Kärnten bzw. der Steiermark gelegenen Liegenschaften durch die jeweiligen Finanzlandesdirektionen. Diese Liegenschaften werden in der Studie Hamböck nicht angeführt, weil die Rückstellung bereits vor 1955 erfolgte. EZ 39 KG Anningerforst sowie die Kärntner Liegenschaften stehen heute noch im Eigentum des Deutschen Ritterordens, die steirischen Liegenschaften in den KG Hönigthal, Kainbach und Stifting stehen heute im Alleineigentum einer Privatperson, jene in der KG Schafthal im Alleineigentum einer anderen. Seit 1949 war bei der RK beim LGfZRS Wien bezüglich der in der KG Laab im Walde gelegenen Liegenschaften, die auch in der Studie Hamböck Erwähnung gefunden haben, ein Rückstellungsverfahren nach dem 471 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 55.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Dritten Rückstellungsgesetz anhängig.472 Nach einem anfänglichen Angebot der Österreichischen Bundesforste und der Gemeinde Wien über öS 2,250.000,-- und langwierigen Verhandlungen über einen Teilungsplan schlossen diese am 17. November 1960 vor der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland einen Vergleich mit dem Deutschen Ritterorden: Der Deutsche Ritterorden zog seinen Rückstellungsantrag zurück. Im Gegenzug verpflichteten sich die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, den Betrag von öS 2,310.000,--, die Gemeinde Wien den Betrag von öS 3,200.000,-- zu bezahlen. Auf den Parzellen der EZ 95, 97, 180 und 233 KG Laab im Walde im Ausmaß von 81 ha, die später zur EZ 97 und 180 vereinigt wurden, wurde das Eigentumsrecht der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste), das bis heute besteht, auf den Parzellen der EZ 74, 82, 95 und 233 im Ausmaß von 93 ha jenes der Stadt Wien eingetragen. Im Zuge eines weiteren Übereinkommens mit dem Deutschen Ritterorden erwarben die Österreichischen Bundesforste mit Kaufvertrag vom 9. Februar 1961 die Liegenschaften EZ 269 und 272 KG Laab und EZ 1333 KG Breitenfurt um den Kaufpreis von öS 289.000,-- dazu.473 Waldgut Tragöß: Der Kulturverein Tragöß wurde mit Bescheid des „Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände“ (Abwicklungsstelle) im Stab des „Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 10. August 1939474 aufgrund des Gesetzes vom 14. Mai 1938475 aufgelöst. Gleichzeitig wurde bestimmt, dass das Vermögen dieses Vereins, und damit das Wald- oder Forstgut Tragöß, in das Deutsche Reich, vertreten durch den Reichsforstmeister in Berlin, eingewiesen wird. Das gesamte Eigentum des aufgelösten Vereins ging mit dem 29. Juni 1939 über.476 Von dieser Einweisung waren folgende Liegenschaften mit einem Gesamtausmaß von 10.038 ha betroffen: EZ 1595 und 1614 Steiermärkische Landtafel (Gerichtsbezirk Graz), EZ 35, 36, 38 KG Hafning, EZ 11, 25, 32, 38, 39, 40 KG Rötz, EZ 39, 67, 87, 97 KG Vordernberg (alle Gerichtsbezirk Leoben), EZ 19, 27, 35 KG Sonnberg, EZ 6, 22, 23, 24, 25, 29, 30, 31, 33, 38, 41, 43, 51, 53, 58 KG Oberort, EZ 15, 16, 17, 26, 27, 29, 32, 34, 35, 37, 39, 41, 45, 54, 65, 66, 69, 70, 72, 88, 91, 97 KG Schattenberg (alle Gerichtsbezirk Bruck an der Mur), und die Eigentumsanteile 10/24 EZ 55, 18/35 EZ 58, 3/11 EZ 61 KG Schattenberg, 2/10 EZ 50, 18/35 EZ 49 KG Oberort, 1/8 EZ 39 KG Sonnberg. Nach dem 472 GZ 60 RK 317/49. 473 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 10149 30, Deutscher Ritterorden. 474 GZ IV A R He/E.–16F. 475 GBlfdLÖ Nr. 136. 476 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, Bescheid des „Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände“ vom 10. August 1939.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
8. Mai 1945 verwaltete die Forsttechnische Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung die Liegenschaften des ehemaligen Kulturvereines Tragöß. Am 12. Februar und 8. April 1947 brachte der Kulturverein, dessen Rechtspersönlichkeit wiederhergestellt worden war, durch seinen Wiener Bevollmächtigten, Ing. Michael Derfler, einen Rückstellungsantrag nach dem Ersten Rückstellungsgesetz ein.477 Die Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz stellte mit Rückstellungsbescheid vom 6. Juni 1947478 sämtliche, mit Bescheid des „Stillhaltekommissars“ vom 10. August 1939 in das Eigentum des Deutschen Reiches eingewiesenen früheren Liegenschaften des Kulturvereines Tragöß an diesen zurück, da es sich um Vermögen gehandelt hatte, „welches auf Grund aufgehobener Vorschriften dem früheren Eigentümer entzogen“ und sodann „von einer Dienststelle des Bundeslandes Steiermark verwaltet“ worden war.
Untergruppe „Orden und Stifte“ In allen bekannt gewordenen Fällen zu Orden und Stifte, die sich im Aktenbestand des ehemaligen Reichsforstamtes im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde sowie des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben im Lande Österreich“ im Österreichischen Staatsarchiv befinden (unter anderem Stift Wilhering, Stift Altenburg, Stift Klosterneuburg, Stift St. Peter in Salzburg, Stift Altenburg, Besitz der Redemptoristen in Mautern, Zisterzienserabtei Rein, Augustiner Chorherrenstift St. Florian, Benediktinerstift Göttweig; siehe weiters den Abschnitt der Fallgruppen), geschah die Beschlagnahme des Vermögens durch die Geheime Staatspolizei aufgrund von „volks- und staatsfeindlichen Bestrebungen“ der Geistlichen im Sinne der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938.479 Die Einziehung des Vermögens konnte dabei gemäß § 1 Abs. 1 zugunsten des Landes Österreich, gemäß § 1 Abs. 3 aber auch zugunsten „einer anderen Rechtsperson“ erfolgen. § 12 der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Ostmarkgesetzes vom 10. Juni 1939“480 enthielt eine erste wesentliche Änderung, wonach alle Einziehungen gemäß § 1 Abs. 1, daher alle zugunsten des Landes Österreich, nur mehr zugunsten des Deutschen Reiches, vertreten durch den Reichsminister für Finanzen, vorzunehmen waren. § 1 der „Neunten Verordnung zur Durchführung des Ostmarkgesetzes vom 23. März 1940“481 legte den Zeitpunkt 477 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß. 478 GZ 334/4-V–47. 479 RGBl.. I S. 1620. 480 RGBl. I S. 995/1939. 481 RGBl. I S. 545.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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mit dem 1. April 1940 fest. Nach dem „Ostmarkgesetz“ trat daher im Allgemeinen das Reich in das Vermögen des Landes Österreich ein, soweit nicht vom Reichsminister der Finanzen etwas anderes angeordnet wurde. Eine Verordnung des „Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren“ vom 8. Oktober 1940482 bzw. ein Erlass des Reichsministers für Finanzen vom 17. Oktober 1940483 wiederholte, dass ab dem 1. April 1940 Einziehungen nach der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ grundsätzlich nur mehr zugunsten des Deutschen Reiches (Reichsfinanzverwaltung) vorzunehmen waren. Nur mehr ausnahmsweise und mit der Zustimmung des Reichsministers des Inneren konnte die Einziehung zugunsten einer anderen Rechtsperson im Sinne des § 1 Abs. 3 ausgesprochen werden. Nach der „Verordnung des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren“ vom 8. Oktober 1940 und des Erlasses des Reichsministers für Finanzen vom 17. Oktober 1940 erfolgte die „Verwaltung und Verwertung“ des zugunsten des Deutschen Reichs (Reichsfinanzverwaltung) eingezogenen Vermögens durch den zuständigen Oberfinanzpräsidenten. Eine weitere Ausgestaltung erhielten diese Bestimmungen durch § 1 Abs. 1 des „Erlasses des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941“.484 Der Erlass wiederholte zwar den Wortlaut der Verordnung vom 8. Oktober 1940 sinngemäß, dass „in den Fällen, in denen nach den geltenden Vorschriften zur Verhinderung volks- und staatsfeindlicher (reichsfeindlicher) Bestrebungen Vermögen oder Vermögensteile eingezogen werden können, die Einziehung zu Gunsten des Deutschen Reiches“ zu erfolgen hatte, gemäß Abs. 2 aber waren „derartige Vermögen oder Vermögensteile, soweit sie ihrer Natur nach der Erfüllung der Aufgaben der gebietlichen Selbstverwaltungskörper dienlich sind, auf Vorschlag des Reichsministers des Inneren diesen Selbstverwaltungskörpern unentgeltlich zu überlassen“. In der Definition der §§ 2 und 9 des „Gesetzes über den Aufbau der Verwaltung in der Ostmark“ („Ostmarkgesetz“) vom 14. April 1939485 waren die Reichsgaue und ihre Land- und Stadtkreise staatliche Verwaltungsbezirke und Selbstverwaltungskörperschaften. An der Spitze des Reichsgaues stand der Reichstatthalter, der die Selbstverwaltung des Reichsgaues unter der Aufsicht des Reichsminister des Inneren führte. Gemäß § 1 Abs. 3 des Erlasses behielt sich Hitler selbst vor, „im Einzelfall andere Anordnungen zu treffen“. Das Gewicht hatte sich daher deutlich zugunsten der Reichsgaue verschoben. 482 GZ S I E 3 Nr. 4242/1940. 483 GZ O 1353 Ak–2640 V. 484 RGBl. I S. 303. 485 RGBl. I S. 777/1939.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
„Gauwald“ sollte aus eingezogenen staatsfeindlichen Vermögen „in erster Linie unter solchen Verhältnissen gebildet werden, wo es sich um einen Globalbesitz handelt, dessen Erhaltung als selbstständiges Wirtschaftsganzes auch für die Zukunft erwünscht“ sei. Der „Gauwald“ sollte „durch seine Erträge besonderen Zwecken, insbesondere kulturellen Aufgaben dienen“, wobei „eine entsprechende Ertragsfähigkeit Voraussetzung“ war.486 § 1 Abs. 2 des zitierten Erlasses schien auf das Stiftsvermögen geradezu angepasst worden zu sein, auf welches die Reichsgaue als Selbstverwaltungskörper folglich auch reflektierten, denn es bestand zum einen Teil aus kunsthistorisch wertvollen Gebäuden, zum anderen Teil aus land- und forstwirtschaftlichem Besitz. Die mit der nachhaltigen Sicherung der Erhaltung des Kulturbesitzes verbundenen hohen Kosten sollten durch die Erträge, welche die Land- und Forstwirtschaft der ehemaligen Stiftsgüter abwarfen, gedeckt werden.487 Indem die Reichsgaue beim Reichsminister des Inneren die Zuweisung des jeweiligen Stiftsvermögens beantragen, traten sie somit in Konkurrenz zur Reichsforstverwaltung, welche die forstlichen Teile beanspruchte. In den meisten Fällen erfolgte spätestens nach dem Inkrafttreten des Erlasses „über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941“ die unentgeltliche Überlassung an die Reichsgaue als Selbstverwaltungskörper, nachdem das betreffende Stiftsvermögen zugunsten des Deutschen Reiches (Reichsfinanzverwaltung) eingezogen worden war.488 So wurde das Vermögen des Stiftes Wilhering, um das sich die Reichsforstverwaltung beim Reichsminister der Finanzen bemüht hatte, aufgrund einer persönlichen Anordnung Hitlers vom 22. November 1941 sofort zugunsten des Reichsgaues Oberdonau eingezogen. Die Reichsfinanzverwaltung sah sich deshalb gezwungen, von ihren Absichten zurückzutreten und auf eine Übertragung zu verzichten.489 Vergeblich blieben auch die an den Reichsforstmeister gerichteten Appelle Güdes im Fall des Stiftes Altenburg, wegen des in das Ankaufsschema der Reichsforstverwaltung passenden Stiftswaldes „im Hinblick auf die Wahrung einer billigen, schlagkräftigen und einheitlichen Reichsforstverwaltung“, beim Reichsminister des Inneren vorstellig zu werden und dort seine, nämlich Güdes Ansicht zu vertreten, dass „der Reichsgau Niederdonau nicht
486 BArch, R 3701/2202, Reichsforstamt, Erwerb und Tausch von Grundflächen (Bezirk Graz), Anordnung des Reichsmarschalls über die Geschäftsführung bei den Landesforstämtern, 5. Februar 1943. 487 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1942, Sig. 13, Kt. 41, GZ 942 3078 13, Verwertung eingezogenen Vermögens, Der Reichsforstmeister an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, Güde, 28. Juli 1942. 488 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 2436 13, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, an den Reichsforstmeister, 9. Mai 1941. 489 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1942, Sig. 13, Kt. 26, GZ 940 5524 13, Einziehung des Vermögens des Stiftes Wilhering, Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im RMI an den Reichsforstmeister, 8. Jänner 1942.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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berufen“ sei, „Forste zu besitzen und zu verwalten“. Güde hielt deswegen „die Voraussetzungen für die unentgeltliche Übertragung des Vermögens im Sinne des § 1 Abs. 2 des Führers für nicht gegeben“. Die Reichsforstverwaltung war sogar wie in vielen ähnlichen Fällen bereit gewesen, den Wald „gegen Werterstattung“, daher gegen Bezahlung, zu übernehmen.490 Wie im Fall des Stiftes Klosterneuburg folgte der Reichsminister des Inneren den Übertragungsanträgen der Reichsforstverwaltung aus oben angeführten Gründen des Erhaltes des reichhaltigen Kulturbesitzes durch die Erträge der Land- und Forstwirtschaft nicht und befürwortete die später erfolgte Zuweisung an den Reichsgau Niederdonau. Deswegen unterblieben weitere Schritte der Reichsforstverwaltung hinsichtlich der Zuweisung der Wälder aus dem eingezogenen Vermögen der Stifte St. Florian, Hohenfurth, Kremsmünster, Schlägl und St. Paul. Das Vermögen der Redemptoristen in Mautern wurde dem Reichsgau Steiermark nach einem diesbezüglichen Antrag beim Reichsminister des Inneren eingewiesen.491 Im Fall des Stiftes St. Peter ordnete Hitler nach der Einziehung des Vermögens zugunsten des Deutschen Reiches (Reichsfinanzverwaltung) die vorläufige Verwaltung durch den Reichsgau Salzburg an und verfügte sodann die Zuweisung des Vermögens, einschließlich des Forstbesitzes, mit einem persönlichen Erlass, ähnlich wie im Fall Starhemberg, an den Reichsgau als Selbstverwaltungskörper.492 Göring, der großspurig verkündet hatte, dass es in der „Ostmark“ keinen „Gauwald“ geben werde und bekanntlich angeordnet hatte, den Reichsforstbesitz im Lande Österreich soweit zu vergrößern, dass er die anteilsmäßige Größe im sogenannten „Altreich“ erreiche, musste zurückstecken. Im Fall der Übertragung des Vermögens der Zisterzienserabtei Rein mit den Forstbetrieben Rein und Rohr ging die Reichsforstverwaltung zum Angriff über. Der Reichstatthalter in der Steiermark hatte die „Unverzichtbarkeit“ der Übertragung, vor allem was den Stiftswald betraf, beim Reichsminister des Inneren damit begründet, dass die Erträge zum Umbau des Stiftes in eine Schulungsstätte für Biotechnik und Flugkunde sowie in eine Meisterschule für Graphik Verwendung finden sollten. Das Reichsforstamt protestierte wegen der „grundlosen Vorrangstellung der Bestrebungen der Gaue vor etwaige Erwerbsabsichten der Reichsforstverwaltung“.493 Die auf diese Weise attackierten Reichsgaue argumentierten schließlich mit der „Geschlossenheit“ des Besitzes, die eine 490 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1942, Sig. 13, Kt. 41, GZ 942 3875 13, Stift Altenburg, Beschlagnahme. 491 BArch, R 3701/2202, Reichsforstamt, Erwerb und Tausch von Grundflächen (Bezirk Graz), Der RMF an den Reichsforstmeister, 24. Dezember 1942. 492 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1942, Sig. 13, Kt. 41, GZ 942 3078 13, Verwertung eingezogenen Vermögens, Der Reichsforstmeister an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, Güde, 28. Juli 1942. 493 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2202, Reichsforstamt, Erwerb und Tausch von Grundflächen (Bezirk Graz), Der Reichsforstmeister an den Reichsstatthalter, Landesforstamt in Graz, 26. Jänner 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Zerreißung der Stiftsgebäude vom Wald nicht zulasse, was das Reichsforstamt auch nicht länger gelten lassen wollte. Im Fall des Augustiner Chorherrenstiftes St. Florian hatte der Reichsgau Oberdonau beispielsweise aus Gründen der „wirtschaftlichen produktiven Einheit“ einen Abverkauf des Waldes an die Reichsforstverwaltung strikt abgelehnt.494 Auf einem Nebenschauplatz versuchte Güde unterdessen, der Reichsforstverwaltung wenigstens die „forstliche Betriebsführung“ der Stiftswälder zu sichern, womit sie zumindest einen indirekten Einfluss erlangt hätte. Die Einziehung des Vermögens des Benediktinerstiftes Göttweig im Herbst 1939 bot sich als Anlassfall geradezu an. Versuche der Reichsforstverwaltung, die Übertragung des 5.114 ha großen Waldes aus dem 6.392 ha Gesamtbesitz wegen des „hervorragenden Interesses“ zu erwirken oder zumindest die Übertragung auf das Land Österreich zu beeinflussen, womit das Stift nach dem „Ostmarkgesetz“ leicht zu erlangendes Vermögen des Deutschen Reiches geworden wäre, waren fehlgeschlagen: Der Reichsminister des Inneren hatte im Einvernehmen mit dem „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ die Einweisung zugunsten der Stadt Krems verfügt. Güde gab in einem Schreiben an den Reichsforstmeister seinem Unverständnis Ausdruck, dass „eine verhältnismäßig kleine Gemeinde“ einen Besitz verwalte, der sie überfordern müsse, und begann einen Rechtsstreit. Er machte die Übertragung der forstlichen Betriebsführung gemäß § 1 der „Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich“ vom 6. Juli 1938 auf die Reichsforstverwaltung geltend. Der Oberbürgermeister der Stadt Krems zeigte sich wegen „dieser deprimierenden Maßnahme“ besorgt, mit der die Stadt, „welche die Verwaltung nunmehr unter nationalsozialistischen Gesichtspunkten führen werde, unter Kuratel gestellt werden“ solle und forderte von Seiten der Reichsforstverwaltung Aufklärung über die Hintergründe. Güde argumentierte nun in einem Schreiben an den Reichsforstmeister vom 23. März 1940 mit § 1 Z 7 der „Ersten Durchführungsverordnung zur Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich“, wonach die „forstliche Betriebsführung aller Waldungen der bisherigen österreichischen Länder, Gemeinden, Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts“ auf die Reichsforstverwaltung übergegangen wäre, was ex lege auf die Stadt Krems zutreffen würde. Er stellte den Antrag, beim Reichsminister des Inneren zu intervenieren, Krems nahezulegen, „sich dem Vollzug der Verordnung nicht länger zu widersetzen“. Der Reichsminister des Inneren sprach sich in einem Erlass vom 7. Februar 1941 gegen diese „Rechtsauffassung“ aus, die er „nicht teilen“ könne: § 1 der Durchführungsverordnung müsse im Zusammenhang mit § 2 der „Verordnung über das Forst- und Jagdwesen im Lande Österreich“ 494 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 34, GZ 941 1369 13, Augustiner Chorherrenstift St. Florian; Enteignung.
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gesehen werden. Nach dieser Bestimmung waren die Aufgaben des Reichsstatthalters (Österreichische Landesregierung) auf dem Gebiet der Forst- und Holzwirtschaft auf die Reichsforstverwaltung übergegangen. Es sei daher davon auszugehen, dass nach der Ersten Durchführungsverordnung nur solche Zuständigkeiten auf die Reichsforstverwaltung überführt worden waren, die vorher beim Reichsstatthalter gelegen waren. Denn § 6 hätte nur ermächtigt, zur Durchführung der Verordnung Vorschriften zu erlassen. Auf § 1 Z 7 der Ersten Durchführungsverordnung angewendet bedeute dies, dass die Betriebsführung nur in den Fällen, in denen sie bisher von Dienststellen des Landes Österreich oder der ehemaligen Länder Österreichs ausgeübt worden wäre, auf die Reichsforstverwaltung übergegangen wäre. Der Reichsminister des Inneren lehnte daher ab, der Stadt Krems diesbezügliche Weisungen zu erteilen, der Reichsforstmeister nahm aufgrund der „zutreffenden rechtlichen Auslegung“ davon Abstand, weiter auf die Übertragung der forstlichen Betriebsführung zu bestehen.495 Dies kam einer gänzlichen Niederlage in der Frage der Einziehung des Vermögens der Orden und Stifte zugunsten der Reichsforstverwaltung gleich. Am 22. Mai 1942 fand aufgrund dieser Konkurrenzsituation in der Parteikanzlei eine erste Besprechung Reichsfeldmarschall Görings mit den Gauleitern der „Alpen- und Donau-Reichsgaue“ statt. Das Ergebnis war ein für die Reichsforstverwaltung eher lauer Kompromiss, denn sie konnte sich lediglich einige Mitspracherechte sichern. Laut einer Anordnung Görings an die Landesforstämter vom 5. Februar 1943 blieb der Grundsatz bestehen, dass „gemischter Globalbesitz“ den Reichsgauen als Selbstverwaltungskörper aufgrund des kulturellen Erhaltungswertes weiter eingewiesen werde. Im Gegenzug erklärten die Gauleiter die Erweiterung dieses Besitzes auf dem Gütermarkt als „Zugeständnis“ an die Reichsforstverwaltung „für unerwünscht“. Sollten sie „aus ganz besonderen Gründen im Einzelfall“ eine Erweiterung für wünschenswert halten, war in „jedem Einzelfall“ die Entscheidung des Reichsforstmeisters herbeizuführen. So konnte die Reichsforstverwaltung zumindest Arrondierungen dieser Güter durch Zukäufe der Reichsgaue beeinflussen. Auch konnten die Güter auf Antrag der Reichstatthalter (Gauselbstverwaltung) von der Reichsforstverwaltung verwaltet und bewirtschaftet werden, wie dies im Fall Starhemberg geschah. Zudem standen alle „Gauwaldungen“ unter der Betriebsaufsicht der Reichsforstverwaltung496, die jedoch bei der Durchführung dieser Agenden mit einem viel schwächeren Instrumentarium ausgestattet war. 495 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 34, GZ 941 9914 13, Einziehung des gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Benediktinerstiftes Göttweig bei Krems. 496 BArch, R 3701/2202, Reichsforstamt, Erwerb und Tausch von Grundflächen (Bezirk Graz), Anordnung des Reichsmarschalls über die Geschäftsführung bei den Landesforstämtern, 5. Februar 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Ing. Julius Güde kam auch in seinem „Abschiedsschreiben“ an die Landesforstämter vom 30. Oktober 1942, in denen er ihnen „praktische Fingerzeige“ für die Weiterführung seiner Aufgaben gab, auf das Vermögen der Orden und Stifte zu sprechen. Seine Bemerkungen verraten einmal mehr den Ehrgeiz, der ihn in allen Angelegenheiten des Liegenschaftserwerbs getrieben hatte, sollten aber auch sichtlich sein subjektiv empfundenes Versagen kaschieren. So hätte er sich bei diesen Enteignungen „äußerst bemüht, den in dieser Beziehung anfallenden, größtenteils forstlichen Grundbesitz meist größeren Ausmaßes, für die Reichsforstverwaltung sicherzustellen, in der Überzeugung, dass die im Führererlasse für den unentgeltlichen Erwerb durch die Gauselbstverwaltungen geforderten Voraussetzungen zumeist nicht zutreffen und im Bestreben, den Anordnungen des Herrn Reichsforstmeisters, Reichsmarschall Göring, den reichseigenen Forstbesitz in der Ostmark bei jedweder sich bietenden Gelegenheit zu vermehren, getreulich nachzukommen. … Ich habe diese Fälle dem Herrn Reichsforstmeister jeweilig gemeldet mit der Bitte, beim Herrn Reichsminister der Finanzen und beim Herrn Reichsminister des Inneren zu intervenieren, dass der forstliche Anteil des eingezogenen Vermögens der Reichsforstverwaltung ins Eigentum und zur Verwaltung übergeben werde“. Unter der Überschrift „Eine bessere Gelegenheit zur Mehrung des Reichsforstbesitzes in der Ostmark kann sich gar nicht ergeben, als durch den Erwerb des ziemlich umfangreichen forstlichen Vermögens von Reichsfeinden“, richtete Güde nun einen derart flammenden Appell an die Landesforstämter, in dem der direkte Aufruf steckte, den Erlass Hitlers vom 29. Mai 1941 zu umgehen, weswegen er von der Rechtsabteilung gestrichen wurde und in der Reinschrift nicht mehr aufscheint. Dieser Appell ist nicht nur wegen seiner Streichung interessant, er beweist einmal mehr die Unnachgiebigkeit, mit der Güde trotz der Abgabe dieser Agenden sein Ziel weiter im Auge behielt. Er bezog sich zunächst vorsichtig auf einen Empfang der Leiter der Landesforstämter in der „Ostmark“ bei Göring in Karinhall, anlässlich dessen ihnen „richtunggebende Weisungen erteilt“ worden wären, „die den Erwerb solchen Forstbesitzes für die Reichsforstverwaltung in besonders gelagerten Fällen immerhin“ ermögliche. Es werde, auf diesen Weisungen aufbauend, „darauf ankommen, darzutun, dass das Objekt zum Erwerbe durch die Gauselbstverwaltungen im Sinne des Erlasses des Führers nicht in Betracht komme, da das forstliche Vermögen seiner Natur nach der Erfüllung der Aufgaben der gebietlichen Selbstverwaltungskörperschaften, zu denen die Verwaltung und Betriebsführung von Forsten keineswegs gezählt werden kann, nicht dienlich“ sei. Es liege nun an den Landesforstämtern, „den Herrn Reichsstatthalter bzw. Gauleiter … durch persönliche Fühlungnahme dazu zu bringen, von der Inanspruchnahme des forstlichen Anteiles von künftig zur Einziehung gelangenden Gütern mit Rücksicht darauf, daß der Besitz und die Verwaltung … nicht in den Aufgabenkreis der Gauselbstverwaltung fällt, … abzu-
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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bringen“. Vielleicht gelinge „es sogar in einigen Fällen, die maßgeblichen Organe der Gauselbstverwaltung in dem Sinne zu beeinflussen, daß bereits zugewiesene, eingezogene Forstgüter der Reichsforstverwaltung zum Kauf angeboten werden“.497 Sehr spärlich waren die Angaben zu einzelnen Orden und Stiften, die in den Listen 1945, 1946 und 1948 aufscheinen. Entsprechende Hinweise auf das Bundesland, KG oder EZ fehlen gänzlich, bei vielen Orden und Stiften ist zudem der Gutsname bzw. Name des Waldes nicht vorhanden, oft ist nur der (verkürzte) Name der Kongregation ersichtlich. So konnte mangels ausreichender Spezifikation bei den Bezeichnungen „Pfarramt Piber“ und „Pfarre Mürzsteg“ keine Identifizierung bzw. Zuordnung zu Liegenschaften vorgenommen werden. Das „bischöfliche Eigentum Oberburg“498 konnte in der Untersteiermark verortet werden (heutiges Gornji Grad in Slowenien) und findet in der Fallgruppe „Liegenschaften außerhalb der Grenzen Österreichs von 1937“ Erwähnung. Bezüglich des „Schloss-Hofenwald Bregenz“ des Chorherrenstiftes Wilten wurde die EZ 262, richtigerweise müsste es heißen EZ 263, der KG Lochau in Vorarlberg unter der Bezeichnung „Schlosshoferwald“ geführt.499 Mit Kaufvertrag vom 31. Oktober bzw. 12. November 1941 veräußerte die „Selbstverwaltungskörperschaft Vorarlberg im Reichsgau Tirol und Vorarlberg“ die Liegenschaft EZ 263 KG Lochau, bestehend aus den Grundstücken Nr. 375 Wald, 376/1 und 376/II Wald und aus der EZ 70 KG Lochau das Grundstück Nr. 427 Wald im Gesamtausmaß von 15 ha um den Kaufpreis von RM 31.000,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), vertreten durch den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben in Wien“. Die Intabulation erfolgte mit Beschluss des Amtsgerichts Bregenz vom 22. August 1942.500 Bereits vor 1938 hatten die Bundesländer Vorarlberg und Tirol Liegenschaften vom Chorherrenstift Wilten erworben (Kaufverträge aus 1899, 1903, 1927 und 1937).501 Im Kaufvertrag deutet nichts auf eine Enteignung bzw. sonstige Entziehung hin. Die Liegenschaft EZ 263 KG Lochau steht heute wieder im Eigentum des Landes Vorarlberg. Folgende Liegenschaften des Gutes Wasserberg Ingering aus dem ursprünglichen Eigentum des Zisterzienser Ordensstiftes Heiligenkreuz gingen zwischen 1938 und 1945 in 497 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 942 3813 13, Behandlung von Grundstücksangelegenheiten bzw. Liquidierung des Aufgabenkreises des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“. Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Julius Güde, an die Landesforstämter in Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg und Wien, 30. Oktober 1942. 498 Fälschlicherweise wird in einer Liste „Oderburg“ angeführt. 499 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.). 500 �������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 155/41, Kaufvertrag vom 31. Oktober bzw. 12. November 1941. 501 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 154/41.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
das Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) über: EZ 1305, 1587, 1616 Steiermärkische Landtafel, EZ 9, 10, 14, 16, 18, 25, 28, 56, 11 KG Ingering II, EZ 8 KG Graden, EZ 24, 25, 34, 61, 65, 69, 80, 98, 105, 116, 117, 120, 123 KG Gaal. Nach dem 8. Mai 1945 wurde das Gut als „Deutsches Eigentum“ von der Forsttechnischen Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung verwaltet. Grundbuchabfragen haben ergeben, dass sich sämtliche Liegenschaften heute wieder im Eigentum des Stiftes befinden.502 Anhand des Verzeichnisses der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG) gehörigen Liegenschaften“ konnten jene Liegenschaften aus dem ursprünglichen Eigentum des Benediktinerstiftes Lambach ermittelt werden, die in der NS-Zeit in das Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) übergegangen sind: Es sind dies die Liegenschaften EZ 73 Grundstück 107/1 KG Kemating503, EZ 420 Grundstück 693/1 KG Lambach (Fläche 4,7 ha), EZ 297, 296, 232, 241, 243, 246, 247, 179, 206, 160, 161 KG Stadl-Hausruck, EZ 512, 513, 432 KG Stadl-Traun, EZ 88, 243 KG Kreisbichl, EZ 108, 136, 137 KG Edt. Der Reichsminister des Inneren (RMI) stellte in einem Erlass vom 11. November 1941 fest, dass „die Bestrebungen der Insassen des Stiftes Lambach volks- und staatsfeindlich gewesen“ seien. Mit Verfügung des RMI vom 21. November 1941, kundgemacht im Deutschen Reichsanzeiger Berlin, von Mittwoch, dem 26. November 1941, wurde aufgrund „der Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich vom 18. November 1938 in Verbindung mit dem Erlass des Reichsstatthalters in Österreich vom 7. Februar 1939504 und der Rundverfügung des Inspekteurs der Sicherheitspolizei und des SD in Wien vom 28. Juli 1939505 sowie aufgrund des Erlasses des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941“ das durch die Verfügung der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Linz, vom 4. Juli 1941 beschlagnahmte Vermögen des Benediktinerstiftes Lambach, „einschließlich aller Rechte und Forderungen“, zugunsten des Deutschen Reiches, vertreten durch den Reichsminister der Finanzen (RMF), eingezogen. Aufgrund der „günstigen Lage“ der ca. 580 ha Wald nördlich und südlich der Traun, der Anschlussmöglichkeit an das Forstamt Traunstein sowie in Entsprechung des „Befehles des Herrn Reichsmarschalls, den Staatswaldbesitz in den Reichsgauen mit allen Mitteln zu vergrößern“, ersuchte das Reichsforstamt 502 Siehe auch www.wasserberg-stift-heiligenkreuz.at 503 Im Verzeichnis wird fälschlicherweise als KG Schwanenstadt angegeben. 504 GZ B Nr. S II G – 41/V/39. 505 GZ B Nr. S II G 1084/39.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
209
den RMF in einem Schreiben vom 20. Februar 1942 um Zuweisung des Waldes an die Reichsforstverwaltung „gegen Werterstattung“.506 Mit Erlass des RMF vom 12. Februar 1943 übertrug dieser die zum eingezogenen Vermögen gehörigen Waldparzellen des Stiftes Lambach auf das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung).507 Dass diese Übertragung „ohne Werterstattung“ erfolgte, dürfte mit einem Erlass des RMF vom 25. April 1942 „zur Durchführung des Erlasses des Führers über die weitere Vereinfachung der Verwaltung vom 25. Januar 1942 für die Dauer des Krieges“508 in Zusammenhang stehen, wonach die in Verwaltung der Reichsfinanzverwaltung (Oberfinanzpräsidenten) übergegangenen Reichsliegenschaften an andere Reichsdienststellen „bis auf weiteres ohne Werterstattung“ überlassen werden durften. Das Reichsforstamt wies das Landesforstamt Salzburg-Oberdonau in einem Schreiben vom 23. Februar 1943 an, den Wald zu übernehmen und für die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Reichsforstverwaltung im Einvernehmen mit dem OFP Oberdonau Sorge zu tragen.509 Am 30. März 1943 berichtete das Landesforstamt Salzburg-Oberdonau dem Reichsforstmeister, dass der um die Übergabe der Waldparzellen ersuchte OFP bei Überprüfung der Parzellen „Unrichtigkeiten in der grundbücherlichen Bezeichnung“ festgestellt habe, die er mit dem RMF abklären müsse.510 Da bis zum 27. Juni 1943 keine Richtigstellung des Erlasses vom 12. Februar 1943 erfolgt war, setzte das Landesforstamt Salzburg-Oberdonau den Reichsforstmeister von mehreren Eingaben des Luftgaukommandos XVII in Kenntnis, mit denen die noch gar nicht übergebenen Parzellen Nr. 216, 217, 218/2 und 221 der EZ 548 KG Stadl-Traun beansprucht worden seien.511 Außerdem sei der Reichstatthalter Oberdonau vom RMF ersucht worden, der Abtretung der Parzellen 107/1 und 203 der EZ 73 Kemating, 181 und 186/2 EZ 548 der KG Stadl-Traun, 185, 186/1 EZ 64 Stadl-
506 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 942 825 13, Eingezogenes Vermögen des Stiftes Lambach, Oberdonau, Der Reichsforstmeister an den RMF, 20. Februar 1942. 507 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 942 825 13, Eingezogenes Vermögen des Stiftes Lambach, Oberdonau, RFM an den Reichsforstmeister, 12. Februar 1943. 508 Nr. 3995 Weitere Vereinfachungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Reichshaushaltswesens, abgedruckt in: Reichshaushalts- und Besoldungsblatt, 21. Jhg., Nr. 11, Berlin, 12. Mai 1942. 509 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 942 825 13, Eingezogenes Vermögen des Stiftes Lambach, Oberdonau, Der Reichsforstmeister an den Reichsstatthalter, Landesforstamt Salzburg, 23. Februar 1943. 510 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 942 1002 13, Eingezogenes Vermögen des Stiftes Lambach, Oberdonau, Der Reichsstatthalter in Salzburg, Landesforstamt Salzburg-Oberdonau, an den Reichsforstmeister, 30. März 1943. 511 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 943 2280 13, Eingezogenes Vermögen des Stiftes Lambach, Oberdonau, Der Reichsstatthalter in Salzburg, Landesforstamt Salzburg-Oberdonau, an den Reichsforstmeister, 27. Juni 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Traun und 247/3 EZ 432 Stadl-Traun zuzustimmen.512 Der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, wies das Landesforstamt Salzburg-Oberdonau am 13. Juli 1943 an, „wenigstens den Hauptteil des eingewiesenen stiftlichen Waldbesitzes ehestens in reichsforstlichen Betrieb und Verwaltung zu nehmen“ und deswegen die Übernahme des Waldes auf der Basis des Erlasses des RMF vom 12. Februar 1943 anzustreben, da „nicht vorauszusehen“ sei, „wie lange noch auf die Entscheidung des Herrn Reichsfinanzministers bzgl. der erbetenen Richtigstellung gewartet werden“ müsse.513 Hiermit endet der Aktenlauf. Ein Vergleich der Waldparzellen, die im Erlass des RMF vom 12. Februar 1943 angeführt worden waren – das Verzeichnis liegt in keiner richtiggestellten Version vor –, mit jenen Parzellen, die im Verzeichnis der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG) gehörigen Liegenschaften“ angeführt werden, macht ersichtlich, dass letztlich weit weniger Parzellen auf die Reichsforstverwaltung übertragen worden sind. Laut dem Verzeichnis des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung führte das Benediktinerstift Lambach selbst die öffentliche Verwaltung nach 1945 über diese Liegenschaften. Alle angeführten Liegenschaften stehen heute wieder im Eigentum des Benediktinerstiftes Lambach, eine Rückstellung vor 1955 ist sehr wahrscheinlich. Mit Verfügung der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Graz, vom 6. Mai 1940514 wurden die Liegenschaften der Benediktinerabtei Seckau (Stiftswald) in Entsprechung des Erlasses des RMI vom 30. April 1940 wegen „staatsfeindlicher Umtriebe der Stiftsgeistlichkeit“ zugunsten des Deutschen Reiches, vertreten durch den RMF, eingezogen und die grundbücherliche Eintragung eingeleitet. Mit der weiteren Durchführung wurde der OFP Wien ND, Abwicklungsstelle Finanzprokuratur, betraut. Der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, stellte unter Berufung auf die Anordnung des Reichsforstmeisters, mit Rücksicht auf den relativ geringen Staatsforstbesitz jede Möglichkeit zur Erweiterung der Waldfläche der öffentlichen Hand wahrzunehmen, den Antrag, die Einziehung des an das Forstamt Ingering-Wasserberg angrenzenden beschlagnahmten Waldbesitzes mit einer Fläche von 150 ha zugunsten des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) vorzunehmen. Nach Verhandlungen mit dem „RM für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“ wegen der Übernahme des Stiftes durch die „Napo512 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 943 2280 13, Eingezogenes Vermögen des Stiftes Lambach, Oberdonau, Der Reichsstatthalter in Salzburg, Landesforstamt Salzburg-Oberdonau, an das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, 17. Juli 1943. 513 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 943 2280 13, Eingezogenes Vermögen des Stiftes Lambach, Oberdonau, Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, Güde, an den Reichsstatthalter in Salzburg, Landesforstamt Salzburg-Oberdonau, 13. Juli 1943. 514 GZ B.Nr. 128/40 – II B L-.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
211
la“ wurde mit Beschluss des Amtsgerichtes Graz vom 17. April 1941 das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) als Eigentümer auf den Liegenschaften bzw. Parzellen EZ 1321 Steiermärkische Landtafel, EZ 87 KG Dürnberg und EZ 11, 31, 48, 55, 70 KG Seckau intabuliert. Für die von der EZ 1321 Steiermärkische Landtafel abgeschriebenen Liegenschaften wurde eine neue EZ 1651 eröffnet. Da diese Eintragungen aber nur deklarative, nicht konstitutive, rechtsbegründende Wirkung hatten, bedurfte es der formellen Übergabe des Gutes, die jedoch am 28. April 1941 vom OFP Graz mit der Begründung abgesagt wurde, dass „bis zur Entscheidung des Führers über die eventuelle Einweisung der in der Steiermark eingezogenen Liegenschaften staatsfeindlicher Eigentümer an den Reichsstatthalter (Gauselbstverwaltung) keine der eingezogenen Liegenschaften ins Eigentum übertragen“ werden dürfe. Der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“ drängte mit der Begründung der bereits durchgeführten Verbücherung auf eine Ausnahmeregelung. Am 1. Oktober 1941 suchte der OFP Graz beim RMF um eine Ermächtigung an, den Stiftswald auch in die Verwaltung und Betriebsführung der Reichsforstverwaltung zu übergeben. Nach einer gescheiterten Intervention des Reichsstatthalters für Steiermark beim RMI erfolgte die formelle Übergabe am 26. März 1942. Mit Erlass des RMF vom 9. November 1942 wurde von der Durchführung der Werterstattung abgesehen.515 Keine der Liegenschaften, die ursprünglich im Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) gestanden sind, befinden sich heute im Eigentum der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) bzw. Österreichische Bundesforste AG. Zisterzienserkloster Stams in Tirol: Das Regierungsforstamt Innsbruck informierte den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ mit Schreiben vom 19. Dezember 1939 über die Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten des Landes Tirol in den zum Stift Stams gehörigen Grundbuchseinlagen des Grundbuches Silz, EZ 11, 12, 13, 14/I, 53/ II, 54/II, 55/II, 56/II, 57/II, 58/II, 59/II, 60/II, 61/II, 62/II, 44/II, 174/II, 184/II, 46/II, 47/ II, 48/II, 171/II, 197/II, 176/II, 185/II, 85/II und 187/II, durch die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Innsbruck, aufgrund des § 1 Abs. 3 der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938516 und des „Erlasses des Inspekteurs der Sicherheitspolizei“ vom 28. Juli 1939.517 Diese Feststellung sei nach einer Einsichtnahme in die Grundbücher gemacht worden – 515 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 2436 13, Einziehung des Besitzes des Benediktinerstiftes Seckau. 516 RGBl. I S. 1620. 517 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 939 11.584 13, Stiftswald Stams. Eigentumsübertragung auf das Land Tirol, Regierungsforstamt Innsbruck an das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, 19. Dezember 1939.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
ein wichtiger Hinweis, dass die Regierungsforstämter die Grundbücher regelmäßig nach Erwerbsmöglichkeiten durchgesehen haben dürften. Generalreferent Güde ersuchte den Reichsforstmeister am 3. Jänner 1940, die Rückgängigmachung der Einweisung zu erwirken und die Einziehung des Besitzes zugunsten des Landes Österreich zu betreiben:518 Die Reichsforstverwaltung sei bei der Eigentumsübertragung nicht gehört worden und der etwa 950 ha große Waldbesitz sei laut Regierungsforstamt sehr vorteilhaft zur Vergrößerung der Waldflächen. Zumindest sollte gemäß § 1 Abs. 7 der „Ersten Durchführungsverordnung zur Verordnung über das Jagdwesen im Lande Österreich“ vom 6. Juli 1938519 die Übertragung der Betriebsführung vom Land Tirol auf die Reichsforstverwaltung bewirkt werden. Im schlechtesten Fall müsse man in Ankaufsverhandlungen treten. Das Reichsforstamt machte den RMI in einem Schreiben vom 17. Februar 1940 aufmerksam, dass „die Einziehung von Wald zu Gunsten einer anderen Körperschaft als des Landes Österreich oder des Reiches der Anordnung des Herrn Generalfeldmarschalls Hermann Göring“ widerspreche, „nach der es ,gaueigenen Wald in der Ostmark nicht gibt‘“. Bei Einziehungen sei daher das Reichsforstamt „in jedem Einzelfall vor der Erteilung der Genehmigung zu beteiligen“.520 Der RMI antwortete dem Reichsforstmeister in einem Erlass vom 13. Juni 1940, dass die Einziehungsverfügung, mit der das Vermögen des Zisterzienserstiftes Stams zugunsten des Landes Tirol eingezogen worden war, „rechtsungültig“ sei, da seine, nach § 1 Abs. 3 der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ erforderliche Zustimmung nicht eingeholt worden war. Er habe die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Innsbruck, angewiesen, das Vermögen des Stiftes Stams unter Aufhebung der Einziehungsverfügung aufgrund von § 1 Abs. 1 der Verordnung nunmehr zugunsten des Deutschen Reiches, vertreten durch den Reichsminister der Finanzen, einzuziehen.521 Der Reichsforstmeister beanspruchte in einem Schreiben an den Reichsminister der Finanzen vom 19. Juli 1940 die Wälder des Stiftes und die zur Bewirtschaftung notwendigen landwirtschaftlichen Flächen gegen Werterstattung und beauftragte den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, in einem Erlass vom 7. April 1941, die Übernahme des eingezogenen
518 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 939 11.584 13, Stiftswald Stams. Eigentumsübertragung auf das Land Tirol, Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen an den Reichsforstmeister, 3. Jänner 1940. 519 RGBl. I S. 793/1938 (GBlfdLÖ Nr. 239/1938). 520 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 940 960 13, Einziehung des Stiftswaldes Stams in Tirol, Der Reichsforstmeister an den RMI, 17. Februar 1940. 521 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 940 1.587 13, Einziehung des Stiftswaldes Stams in Tirol, RMI an den Reichsforstmeister, 13. Juni 1940.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Vermögens durchzuführen.522 Der Oberfinanzpräsident Innsbruck, der wiederum vom RMF im Mai 1940 beauftragt worden war, mit der Reichsforstverwaltung bezüglich der „Verwertung“ der Liegenschaften zu verhandeln, ersuchte die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Innsbruck, am 10. Juni 1941, unter Bezugnahme auf den ihr erteilten Auftrag des RMI, um eine Abschrift der Einziehungsverfügung und die Übergabe der Liegenschaften, ohne die er mit der Reichsforstverwaltung nicht in Verhandlung treten könne.523 Im Juni 1941 erging auch ein Bericht des Reichsforstmeisters an den RMF, dass nach einem vorliegenden Bericht des Landesforstamtes Innsbruck der „Reichsgau Tirol-Vorarlberg aufgrund einer inzwischen erfolgten Entscheidung des Führers neuerlich in den Stiftswald Stams eingewiesen worden“ sei. Der Bericht enthielt die Beschwerde, „dass sich in letzter Zeit die Fälle (mehren), in denen dem Reich verfallene oder zugunsten des Deutschen Reiches zur Einziehung gelangte Liegenschaften in der Ostmark entgegen meinen Anträgen oder auch meine Beteiligung den Reichsgauen (Gauselbstverwaltung) zugewiesen werden“. Der Reichsforstmeister ersuchte den RMF um sein Einverständnis, mit dem Reichsgau bezüglich der und noch anderer „vorteilhaft erscheinender“ Liegenschaften in Ankaufsverhandlungen treten zu dürfen.524 Bis April 1943 erhielt die Reichsforstverwaltung vom Oberfinanzpräsidenten Innsbruck nicht einmal die dafür notwendige Einziehungsverfügung der Staatspolizeileitstelle Innsbruck. Dem OFP war im August 1942 mitgeteilt worden, weitere Weisungen des RMF abzuwarten.525 Nach dem vorliegenden Aktenmaterial ist keine Liegenschaft aus dem ursprünglichen Eigentum des Zisterzienserstiftes Stams in Tirol in das Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) übergegangen. Keine der im damaligen Grundbuch angeführten Liegenschaften steht heute im Eigentum der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste) bzw. Österreichischen Bundesforste AG. 12 EZ bestehen heute nicht mehr, 13 EZ befinden sich im Eigentum verschiedener Privatpersonen, nur eine EZ 11 KG Silz befindet sich im Eigentum der r.-k. Pfarrkirche in Silz.
522 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 941 1812 13, Einziehung des Stiftswaldes Stams in Tirol, Der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Güde, an den Oberfinanzpräsidenten Innsbruck, 10. Mai 1941. 523 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 941 1812 13, Einziehung des Stiftswaldes Stams in Tirol, Der Oberfinanzpräsident Innsbruck an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Innsbruck, 10. Juni 1941. 524 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 941 1812 13, Einziehung des Stiftswaldes Stams in Tirol, Der Reichsforstmeister an den RMF, 23. Juni 1941. 525 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 941 2.968 13, Einziehung des Stiftswaldes Stams in Tirol, Der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Güde, an den Reichsforstmeister, 1. April 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
3.2.2.2. Fallgruppe mit jenen Liegenschaften, bei denen aufgrund der derzeitigen Aktenlage keine Rückstellung nach 1945 feststellbar ist; die Liegenschafen stehen nicht im Eigentum der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste) bzw. Österreichischen Bundesforste AG Spitzberggründe: ursprünglicher Eigentümer Robert Gerö, Jude, geb. am 23. Februar 1904 in Leobersdorf, Adresse 1938: Wien 1, Grünangergasse 3. Mit dem Erkenntnis der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Linz, vom 19. Oktober 1938 erfolgte die Beschlagnahme des gesamten Vermögens Robert Gerös, darunter die Liegenschaften EZ 1, 206, 207 KG Reichraming in Oberösterreich (Gesamtfläche 35 ha), nach der „Zweiten Verordnung über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 18. März 1938 in Verbindung mit dem Erlass des Reichsführers SS vom 23. März 1938. Die spätere Einziehung zugunsten des Landes Österreich mit gleichzeitiger Intabulation des Eigentumsrechts in den Grundbüchern machte einen geplanten Ankauf der Liegenschaften durch die Reichsforstverwaltung hinfällig. Die Liegenschaften wurden lediglich in Verwaltung des Regierungsforstamtes Salzburg Oberdonau bzw. des örtlichen Forstamtes Reichraming übergeben.526 Der Aktenlauf der Reichsforstverwaltung endet mit September 1939. Etwaige Unterlagen über die Rückstellung der Liegenschaften konnten nicht aufgefunden werden. Die EZ 1, 206, 207 KG Reichraming stehen heute im Eigentum verschiedener Privatpersonen. Gut Schwadorf: ursprünglicher Eigentümer Dr. Arnold Segal, Jude. Aus einem undatierten Verzeichnis der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG) gehörigen Liegenschaften“527 geht hervor, dass das Gut Schwadorf, EZ 1 KG Schwadorf und EZ 192 KG Dorf Fischamend, mit einer Gesamtfläche von 397 ha „enteignet“ und am 10. März 1939 um RM 480.000,-- vom „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ (RKFDV) erworben worden ist. Das Gut ging sodann in treuhändige Verwaltung der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft (DAG), die 145 ha um RM 569.545,-- an Einzelpersonen528 veräußerte. 163 ha wurden von der DAG „für Rechnung der Wehrmacht“ verwaltet. EZ 1 KG Schwadorf und EZ 192 KG Dorf Fischamend bestehen heute nicht mehr.
526 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 9096 13, Spitzberggründe in Reichraming. 527 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624, Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG, Mappe „DAG“, Liste Gruppe I mit Verzeichnis A, B, C (undat.). 528 Frank, Tatzber, Wohlfart, Hapel, Messeritsch, Kopf und Frast.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Waldgut in Königstetten bei Tulln: Die beiden Firmen „Maschinenfabrik Fa. Schüssler & Dirschler“ und „Klosterneuburger Metallfabrik GmbH“ waren im Jahre 1938 je zur Hälfte Eigentümer dieses Gutes. Die beiden Firmen und somit auch das Gut galten als jüdisches Eigentum, denn der Firmeninhaber Leo Weiss war nach den Nürnberger Gesetzen Jude. Aus einem undatierten Verzeichnis der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG) gehörigen Liegenschaften“529 geht hervor, dass das Waldgut EZ 990 KG Königstetten, im Gesamtausmaß von 6 ha und mit einem Einheitswert von RM 3.030,-- ex 1943 im Jahre 1942 aufgrund der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ ohne Entgelt zugunsten des Deutschen Reiches – Reichsfinanzverwaltung – eingezogen worden ist. Mit Verfügung des Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau vom 3. September 1943 wurde das Gut der Reichsforstverwaltung gegen eine „ressortmäßige Werterstattung“ von RM 5.100,-- übertragen. Die Liegenschaft EZ 990 KG Königstetten mit einer Fläche von 2,3 ha steht heute je zur Hälfte im Eigentum zweier Privatpersonen.
3.2.2.3. Fallgruppe „Kleinerwerbungen“ des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) Diese Fallgruppe betrifft eine Reihe von Eigentumsübertragungen an die Reichsforstverwaltung in der NS-Zeit, die von Dorf- bzw. Stadtgemeinden getätigt worden sind. Kaufgegenstand war in all diesen Fällen ein kleineres Grundstück, meist eine Parzelle, zur Errichtung eines Forsthauses in oder in näherer Umgebung der betreffenden Gemeinde. So veräußerte die Tiroler Gemeinde Ischgl mit Kaufvertrag vom 29. Dezember 1942 das Grundstück 13/13 Weide (Fläche 678m²) der EZ 128/II KG Ischgl, das heute wieder in ihrem Eigentum steht, zur Errichtung eines Forstwarthauses um den Kaufpreis von RM 1.810,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung).530 Ebenso steht das Grundstück 4031/10 Weide (Fläche 666m²) der EZ 260/II KG Kappl (gesamt 151 ha) wieder im Eigentum der Tiroler Gemeinde Kappl, welches sie mit Kaufvertrag vom 16. Juli 1941 und einem Kaufpreis von RM 466,20 zur Errichtung eines Reichsforstgartens entlang der Hauptstraße veräußert hat.531 Die Salzburger Stadtgemeinde Radstadt veräußerte die kleine Fläche im Ausmaß von 0,99 ha EZ 240 KG Radstadt, die heute wieder 529 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624, Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG, Mappe „DAG“, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.). 530 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB_RF Regionen Tirol, Zl. 153, Kaufvertrag vom 29. Dezember 1942. 531 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 172, Kaufvertrag vom 16. Juli 1941.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
in ihrem Eigentum steht, und die Gemeinde Lermoos veräußerte das Grundstück 493/2 Wiese der EZ 304/II KG Lermoos (Fläche 0,19 ha) um den Kaufpreis von RM 2.889,-zur Errichtung eines Forsthauses an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung).532 Für letztere Parzelle, welche die Reichsforstverwaltung mit Kaufvertrag vom 10. September 1940 erwarb, wurde im Grundbuch der KG Lermoos die neue EZ 615/II eröffnet.533 Die Liegenschaft steht heute im Eigentum zweier Privatpersonen. All diese Fälle, bei denen nichts auf eine Entziehung hindeutet, fanden keine Aufnahme in die Studie Hamböck. Eine Erklärung dafür gibt Dr. Gottfried Hamböck selbst in der Dokumentation zu seiner Studie, in der er anführt, keine Liegenschaften unter einer Gesamtfläche von 2 ha aufgenommen zu haben, ausgenommen, wenn darüber ein Rückstellungsverfahren geführt wurde. Sämtliche Liegenschaften dieser Fallgruppe, die die Reichsforstverwaltung zwischen 1938 und 1945 erworben haben, weisen eine Fläche unter 2 ha auf: Gemeinde Ischgl 0,06 ha; Gemeinde Kappl 0,06 ha; Gemeinde Radstadt 0,99 ha und Gemeinde Lermoos 0,19 ha. Ebenso wenig fanden diese Fälle Aufnahme in die Datenbank der Historikerkommission, denn keine Liegenschaft befindet sich heute noch im Eigentum der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG. Eine Ausnahme bildet jenes Grundstück 244/3 Acker (Fläche 0,24 ha), welches die Stadtgemeinde Kufstein mit Kaufvertrag vom 28. Februar 1942 um den Kaufpreis von RM 13.322,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) veräußerte, das dann als „Baugrund Haunfeld“ angeführt wurde534. Die Liegenschaft EZ 677/II KG Kufstein, die damals wie heute einzig aus dieser Grundstücksnummer 244/3 besteht, befindet sich noch im Eigentum der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste). EZ 677 KG Kufstein wurde auch von der Datenbank der Historikerkommission erfasst, aus der auch ersichtlich ist, dass kein Rückstellungsverfahren angemerkt worden ist. Wenige Anhaltspunkte lagen dem Erwerb der Parzelle 222/II der KG Vomp in Tirol von einer Finanzlandesdirektion zugrunde. In der Urkundensammlung der Österreichischen Bundesforste findet sich dazu einzig ein Protokollarübereinkommen vom 20. Jänner 1930535 über die Übergabe einiger Parzellen der KG Vomp in das Eigentum der Finanzlandesdirektion Innsbruck zur Errichtung eines Zollhauses. Es befindet sich heute 532 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 166, Kaufvertrag vom 10. September 1940. 533 �������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1940, Sig. 5, Kt. 23, GZ 940 1190 5, Zl. 5744/50, Landesforstamt Tirol Vorarlberg an das Amtsgericht Reutte, 14. Dezember 1940. 534 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 179, Kaufvertrag vom 28. Februar 1942. 535 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB I 168 Zl. 477, Protokollarübereinkommen vom 20. Jänner 1930.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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kein Grundstück mit Parzellen Nr. 222/II im GB-Bestand (EZ KG Vomp) der Österreichischen Bundesforste. Genauso verhält es sich im Fall des Erwerbes der EZ 770/II und 1455 KG Reutte vom ehem. gemischten Finanzamt Reutte durch das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Es konnte keine Übereinstimmung mit dem im Archiv der ÖBF eingesehenen Servitutsablösungsvertrag vom 18. November 1939 erzielt werden, die Liegenschaften EZ 770/II und 1455 KG Reutte stehen heute nicht mehr im Eigentum der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste) bzw. Österreichischen Bundesforste AG.
Untergruppe „Parzellen oder einzelne EZ mit unvollständigen Angaben, die sich heute nicht mehr im Eigentum der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG befinden“ Die Angaben in den Listen 1945, 1946, 1948 bestehen bei dieser Gruppe nur aus dem ursprünglichen Eigentümer und den Parzellen bzw. einer einzelnen EZ aus einer KG ohne sonstige Hinweise, was weiterführende Recherchen unmöglich machte. Es konnte daher nur anhand des heutigen Gesamtbestandes der ÖBF überprüft werden, ob sich zur entsprechenden KG auch die damalige Parzellen-Nr. bzw. EZ findet. War dies nicht der Fall, kann ausgeschlossen werden, dass sich die Parzelle bzw. EZ heute noch im Eigentum der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste) bzw. Österreichischen Bundesforste AG befindet. Zur Parzelle 59/I der KG Waidring in Tirol aus dem ursprünglichen Eigentum von Ludwig Eberl wurden die EZ 234 und EZ 45/II KG Waidring, ein Baugrund, welchen Katherina Pravda mit Kaufvertrag vom 5. März 1942536 an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) veräußert hat, und die Liegenschaften EZ 235 sowie EZ 72/I (sog. Heigenhäuserwald), KG Waidring, welche Josef Heigenhäuser mit Kaufvertrag vom 17. Februar 1942 an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) veräußert hat,537 überprüft, ohne eine Übereinstimmung zu erzielen. Josef und Franziska Seitlinger veräußerten in der NS-Zeit die Liegenschaft EZ 1 KG Weißpriach, eine größere Fläche mit einem Gesamtausmaß von 33 ha an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), die heute zu je einer Hälfte im Eigentum eines Ehepaares steht. 536 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 1074/42, Kaufvertrag vom 5. März 1942. 537 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 2464/42, Kaufvertrag vom 17. Februar 1942.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Bezüglich der EZ 108 KG Wals aus dem ursprünglichen Eigentum von Ernst Strasser kamen wegen fehlender Angaben des Bundeslandes, des Gerichtsbezirkes bzw. der politischen Gemeinde mehrere Liegenschaften in Frage, sodass eine eindeutige Zuordnung nicht vorgenommen werden konnte. Neben der heutigen Liegenschaft EZ 108 KG Wals in Salzburg, Bezirksgericht Salzburg, politische Gemeinde Wals-Siezenheim, besteht noch das sog. „Gerl- oder Prumergut“ Nr. 9 in Wals, mit einer Fläche von 7 ha ohne Wald, das heute je zur Hälfte im Eigentum zweier Privatpersonen steht. Infrage käme auch die heutige KG Wals, Bezirksgericht Salzburg, politische Gemeinde Salzburg, die jedoch keine EZ 108 aufzuweisen hat. Zu den Parzellen 928 und 929/1 KG Tamsweg „Pflanzgarten“ konnte lediglich festgestellt werden, dass heute eine Parzelle 928/1 mit dieser Nummer in der EZ 134 KG Tamsweg angeführt wird, die sich im Eigentum der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste) befindet. Es deutet aber nichts darauf hin, dass zwischen 1938 und 1945 ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat (Historikerkommission und Studie Hamböck), wenn auch nicht ausgeschlossen ist, dass diese Parzelle zwischen 1938 und 1945 der EZ 134 KG Tamsweg zugeschrieben worden ist. Die unvollständige Bezeichnung der Liegenschaft EZ 7 KG Wald538 aus dem ursprünglichen Eigentum von Petr Rottenwänder ließ bei einer aktuellen Grundbuchabfrage mehrere Zuordnungen möglich erscheinen: Im Bundesland Niederösterreich, KG Wald, Bezirksgericht St. Pölten, politische Gemeinde Pyrha, besteht keine EZ 7. Im Bundesland Salzburg, KG Wald, Bezirksgericht Zell am See, politische Gemeinde Wald im Pinzgau, besteht die Liegenschaft EZ 7 nur aus dem Grundstück Nr. 213, einer 309 m² großen Baufläche, die im Eigentum einer Privatperson steht. Im Bundesland Salzburg, KG Wald, Bezirksgericht Tamsweg, politische Gemeinde Zederhaus, besteht die EZ 7 aus einem Grundstück Nr. 5, einem kleinen Wald mit einer Fläche von 162 m², der ebenfalls im Alleineigentum einer Privatperson steht. Im Bundesland Steiermark, KG Wald, Bezirksgericht Stainz, politische Gemeinde Marhof, besteht keine EZ 7. Im Bundesland Steiermark, KG Wald, Bezirksgericht Leoben, politische Gemeinde Wald am Schoberpass besteht die Liegenschaft EZ 7 aus den Grundstücken Nr. 1115/2, 1116, 1117, 1118, 1119, 1120/1, 1120/2, 1121, 1122/3, 1125, 1245, 127/3, 137, 138/1, 138/2 mit einer Gesamtfläche von 25 ha (davon 17 ha Wald), die im Eigentum zweier Privatpersonen steht. Eine KG Würmlach befindet sich nur im Bundesland Kärnten, politischer Bezirk Kötschach-Mauthen, Bezirksgericht Hermagor. Die gesuchte EZ 314 besteht heute nicht mehr.
538 Wenn damit überhaupt eine Katastralgemeinde gemeint war und nicht „Wald“ als Waldfläche.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Die unvollständige Bezeichnung EZ 99 KG Trattenbach ohne Nennung eines ursprünglichen Eigentümers ließ bei einer aktuellen Grundbuchabfrage mehrere Deutungen zu: Im Bundesland Niederösterreich, KG Trattenbach, Bezirksgericht Gloggnitz, politische Gemeinde Trattenbach, besteht keine EZ 99. Im Bundesland Oberösterreich, KG Trattenbach, Bezirksgericht Steyr, politische Gemeinde Ternberg, steht eine EZ 99 heute im Eigentum zweier Privatpersonen.
Untergruppe „Zuschreibung von Parzellen“ Eine besonders heikle Fallgruppe betrifft jene Fälle, in denen Liegenschaften oder meist kleinere Liegenschaftsteile zwischen 1938 und 1945 vom Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) erworben worden sind, welche dann einer bereits bestehenden, im Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) befindlichen EZ zugeschrieben wurden, oder für die eine neue EZ eröffnet wurde (meist nach Löschung der alten, nun „leeren“ EZ). In beiden angeführten Fällen wurde eine Eigentumsübertragung von 1938 bis 1945 nicht sichtbar. Das hat zur Folge, dass auch Liegenschaften, die sich heute noch im Eigentum der ÖBF befinden, im Sample der Histkom-Datenbank mit der Eingabeanforderung Eigentümerwechsel zwischen 1938 und 1945 nicht aufscheinen. In der Studie Hamböck wiederum finden diese Liegenschaften abgesehen von der Gesamtfläche unter 2 ha keine Entsprechung und fallen nicht in die Eingabekriterien, wenn beispielsweise Parzellen einer EZ zugeschrieben wurden, die bereits vor 1938 bestanden hatte und im Eigentum der damaligen ÖBF gestanden war. Fünf Fälle konnten dieser Fallgruppe zugeordnet werden: Karl und Johann Holzmann veräußerten mit Kaufvertrag vom 29. März 1943 und 6. April 1943 die Teilfläche des Grundstückes 1109, die je zur Hälfte in ihrem Eigentum stand, mit der neuen Grundstücksbezeichnung 1109/3 Wiese aus dem Bestand der EZ 39/II GB Steinach in Tirol mit einer Fläche im Ausmaß von 0,5 ha um den KP in Höhe von RM 22.495,-- (RM 5,--/m²) an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Für dieses Grundstück wurde unter EZ 353/II KG Steinach eine neue EZ gebildet und das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) wurde als Eigentümer intabuliert.539 Während sich die EZ 39 KG Steinach noch immer im Eigentum der Familie Holzmann befindet, besteht die EZ 353 laut aktueller GB-Abfrage (rückwirkend bis 1982) nicht mehr und scheint auch nicht im Gesamtbestand der ÖBF auf. 539 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UBF RF_Regionen, Tirol, Zl. 156, Kaufvertrag vom 29. März 1943 und 6. April 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Ähnlich verhält es sich in den Fällen Adelinde Lederle, geb. Huter und Josef Dietmann (Krainerhütte), jedoch mit dem Unterschied, dass sich die fraglichen Liegenschaften heute noch im Bestand der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG befinden: Adelinde Lederle, wohnhaft Mieming See 7, veräußerte mit Kaufvertrag vom 5. August 1941 das Grundstück 4087 Acker im Ausmaß von 1,2 ha, das von der in ihrem Eigentum befindlichen EZ 211/II KG Obsteig in Tirol abgeschrieben wurde, um den Kaufpreis von RM 320,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), das sodann der EZ 86 KG Obsteig zugeschrieben wurde.540 Josef Dietmann veräußerte mit Kaufvertrag vom 15. November 1941 die Grundstücke 452/9 und 452/24 der in seinem Eigentum befindlichen EZ 36 KG Siegenfeld in Niederösterreich im Ausmaß von 6,722 m² um den Kaufpreis von RM 5,377 (RM 0,80/m²) an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Die Grundstücke gingen in der im Eigentum der Reichsforstverwaltung stehenden EZ 97 KG Siegenfeld auf.541 Sowohl im Fall Holzmann als auch in den Fällen Lederle und Dietmann ist das für das Sample der Datenbank der Historikerkommission entscheidende Kriterium des Eigentümerwechsels zwischen 1938 und 1945 nicht sichtbar gewesen, obwohl die entsprechenden EZ aufscheinen, während für die Nichtberücksichtigung im Sample Hamböck das geringe Flächenausmaß von 0,5 ha, 1,2 ha bzw. 0,6 ha entscheidend gewesen sein dürfte. Die Holzgroßhandlung Fa. „Hans Mast & Bruno Felix“ in Wien 3, veräußerte mit Kaufvertrag vom 3. Mai 1942 die Grundstücke 304/22 Wald, 304/1 Wiese und 191 Wiese der EZ 162 KG St. Michael mit einer Fläche im Ausmaß von 21,9941 ha um den Kaufpreis von RM 2,700,-- (!) an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung).542 Aus einem Schreiben des Landesforstamtes Wien-Niederdonau an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ vom 9. August 1941 geht hervor, dass die Firma Mast & Felix die Grundstücke dem Landesforstamt zum Kauf angeboten hatte.543 Das um die Bewertung der Waldparzelle 304/22 ersuchte „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ berechnete am 1. Oktober 1941 für den Schutzwald nur den Bodenwert, bewertete 550 fm Grubenbrennholz und 550 fm Brennholz zum Mittelpreis von RM 10,-- (= RM 11.000,--) und zog von dieser Summe die Aufarbeitungskosten (RM 3,50/fm), Bringungskosten bis zur
540 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 171, Kaufvertrag vom 5. August 1941. 541 ������������������������������������������������������������������������������������������ Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_LF, LF Wien ND, 142/42, Kaufvertrag vom 15. November 1941. 542 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_LF, LF Wien ND, 146/42, Kaufvertrag vom 3. Mai 1942. 543 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 34, GZ 941 3902 13, Waldankauf Mast & Felix, Der Reichsstatthalter in Wien, Landesforstamt Wien-Niederdonau, an das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“, 9. August 1941.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Straße (RM 3,--/fm) und die Zufuhr zur Bahn (RM 1,50/fm) von RM 8,--/fm = RM 8.800,-- ab, was einer Summe von RM 2.200,-- entsprach. Den Bodenwert bewertete das Amt mit den ortsüblichen RM 260,--/ha für die 15ha Waldboden (= RM 3.000,--), RM 100,--/ha für 4,67ha Schutzwald (= RM 467,--) und RM 50,--/ha für 2ha unproduktiven Boden (= RM 100,--), was wiederum einer Summe von RM 4.467,-- entsprach. Der Gesamtwert der Waldparzelle betrug daher nach dieser Bewertung RM 6.667,--.544 Warum die endgültige Kaufsumme so niedrig war, lässt sich anhand der vorliegenden Unterlagen nicht feststellen. Aufgrund des Kaufvertrages und des vorliegenden Schriftwechsels ist nicht anzunehmen, dass es sich bei der Firma „Mast & Felix“ um ein „jüdisches Unternehmen“ gehandelt hat. Die Grundstücke wurden der bereits im Eigentum der Reichsforstverwaltung stehenden EZ 32 KG St. Michael zugeschrieben, die sich heute noch im Bestand der ÖBF befindet. Schon vor dem Kaufvertrag mit der Holzgroßhandlung Mast & Felix war der EZ 32 das Grundstück 361/1 aufgrund eines Tauschvertrages vom 31. Jänner 1940 mit Anna Röck aus St. Michael zugeschrieben worden. Die EZ 32 KG St. Michael wird in der Studie Hamböck zwar angeführt, die Zuschreibung der Grundstücke aufgrund des Eigentümerwechsels (auch mangels Präzisierung durch die Angabe der jeweiligen Grundstücke einer EZ wie im Gesamtbestand ÖBF) jedoch nicht. Quasi als Musterfall und als Beweis, wie heikel diese Fallgruppe bezüglich Entziehungen während der NS-Zeit ist, gilt der Fall „Aurelia Koritschoner“ (Forsthaus Mallnitz): Aurelia Koritschoner, geb. Retjahr, damals whft. in Wien 1, Canovagasse 7, veräußerte mit Kaufvertrag vom 17. Dezember 1940 die Grundstücke 264 Bauareal, 550/26 Weide und 590/29 Weide der EZ 190 KG Mallnitz in Kärnten mit einer Fläche von 0,54 ha um den Kaufpreis von RM 34.750,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), wobei RM 3.750,-- auf die mitübernommenen Einrichtungsgegenstände des Hauses entfielen. Im Kaufvertrag wurde vermerkt: „Es wird festgestellt, dass an diesem Kaufgeschäfte kein Jude beteiligt ist.“ Nach Löschung der EZ 190 KG Mallnitz wurden die Grundstücke der EZ 72 KG Mallnitz zugeschrieben, die sich bereits im Eigentum der Reichsforstverwaltung befunden hatte.545 Aurelia Koritschoner gab am 23. Dezember 1949 in einer Verzichtserklärung an, dass ihr verstorbener Ehemann Dr. Moritz Koritschoner als Jude NS-Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen war. Aus Angst vor „NS-Repressalien“ hätte sie in den Verkauf der EZ 190 KG Mallnitz an die Reichsforstverwaltung eingewilligt. In der Verzichtserklärung wird angeführt, dass die EZ 72 KG Mallnitz, der die Lie544 Ebda., Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen an den Reichstatthalter in Wien, Landesforstamt WienNiederdonau, 1. Oktober 1941. 545 ������������������������������������������������������������������������������������������ Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 87, Kaufvertrag vom 17. Dezember 1940.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
genschaften von Aurelia Koritschoner zugeschrieben wurden, „alten österr. Staatsforstbesitz“ umfasste, „bei der jedoch damals auf Grund des Ostmarkgesetzes das Deutsche Reich (Reichsforstvw.) als Eigentümer eingetragen war“. Nach 1945 wäre die EZ „als alter Staatsforstbesitz“ wieder auf die Republik Österreich rückübertragen worden. Aurelia Koritschoner gab gegenüber den ÖBF die Erklärung ab, gegen Leistung einer „Ergänzungszahlung“ von öS 17.000,-- auf die „ihr zustehenden Ansprüche auf Rückstellung dieser Liegenschaften samt Inventar im Sinne der Rückstellungsgesetze unwiderruflich und rechtsverbindlich“ zu verzichten.546 Die EZ 72 KG Mallnitz scheint heute noch als zum GB-Bestand der ÖBF gehörig auf. Die Histkom-Datenbank weist die EZ 72 KG Mallnitz zwar aus, aber – und das ist in diesem Fall wesentlich – ohne den Zuwachs der von der Reichsforstverwaltung erworbenen Grundstücke. In der Studie Hamböck fand die EZ 72 KG Mallnitz trotz der augenscheinlichen Entziehung wegen des zu geringen Ausmaßes unter 2 ha keine Aufnahme.
3.2.2.4. Fallgruppe mit jenen Liegenschaftserwerbungen des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung), bei denen keine Entziehung festgestellt werden konnte Gut Krumbach: Ursprünglicher Eigentümer Josef Theisl, der das Gut Krumbach, EZ 17 KG Krumbach (Gerichtsbezirk Eibiswald, heute Deutschlandsberg, Steiermark), im Gesamtausmaß von 23 ha um RM 18.000,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) veräußerte. Nach dem 8. Mai 1945 wurde das Gut von der Forstamtsabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung verwaltet.547 In dem undatierten Verzeichnis der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG) gehörigen Liegenschaften“ finden sich keinerlei Eintragungen über eine Vermögensentziehung bzw. über einen Rückstellungsantrag oder eine erfolgte Rückstellung. Die Liegenschaft EZ 17 KG Krumbach befindet sich heute im Eigentum einer Privatperson. Sophie Kainradl, verwitwete Scherzer, veräußerte die in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft EZ 55 KG Mürzsteg (Gerichtsbezirk Mürzzuschlag) Scherzerhaus Krampen oder Seitzkeusche im Ausmaß von 0,1 ha um den Kaufpreis von RM 19.000,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Nach dem 8. Mai 1945 wurde die Liegenschaft 546 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 87, Verzichtserklärung Aurelia Koritschoner, 23. Dezember 1949. 547 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.).
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste verwaltet.548 In dem undatierten Verzeichnis der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG) gehörigen Liegenschaften“ finden sich keinerlei Eintragungen über eine Vermögensentziehung bzw. über einen Rückstellungsantrag oder eine erfolgte Rückstellung. Die EZ 55 KG Mürzsteg besteht heute nicht mehr. Mit Kaufvertrag vom 1. November 1940 veräußerten die damals minderjährigen Johann, Gottfried, Josefine, Alois und Karoline Martischnig, „Grundbesitzer gen. Plattner in Oberdorf Nr. 10“ in Kärnten, vertreten durch ihren Vormund Christian Stampfer in Oberdorf, das Grundstück Nr. 994/5 aus der Liegenschaft EZ 9 KG Techendorf im Ausmaß von 7.999m² an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), vertreten durch den Reichsstatthalter, Landesforstamt Kärnten – Steiermark, zur Anlegung eines Holz lagerplatzes nächst Kreuzberg und zur Errichtung eines Werkswohnhauses. Als Kaufpreis wurden RM 1,--/m², daher RM 7.999,-- vereinbart. Wegen Einräumung eines Wasserservitutsrechtes sollte ein weiterer Betrag in Höhe von RM 900,-- als Entschädigung zur Auszahlung gelangen. Der Kaufvertrag wurde am 2. November 1940 vom Amtsgericht Greifenburg pflegschaftsbehördlich genehmigt. Eine weitere Genehmigung erfolgte mit Bescheid des RM f Ernährung und Landwirtschaft vom 10. Mai 1941 aufgrund des Art. 1 der Anlage 2 – Veräußerung von entschuldeten Betrieben – zur „Verordnung über die Entschuldung der Landwirtschaft im Lande Österreich“ vom 5. Mai 1938, 549 die jedoch aufschiebend unter der Auflage erfolgte, dass von den Verkäufern der Aufbauzuschuss von RM 260,--, die jährliche Entschuldungsrente von RM 126,-- sowie die Forderungen der Gewerbe- und Handelskasse Greifenburg in der Höhe von RM 2.836,55 zurückbezahlt werden würden. Die Erfüllung der Auflage wurde am 11. November 1941 beurkundet. Mit Beschluss des Amtsgerichts Greifenburg vom 10. Jänner 1942 wurde das Grundstück Nr. 994/5 von der EZ 9 KG Techendorf ab- und der im Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) stehenden EZ 113 KG Techendorf zugeschrieben.550 Weder im Kaufvertrag noch in den dazu ergangenen Bescheiden und Urkunden (Steuerunbedenklichkeitsbescheinigung etc.) sind „Auffälligkeiten“ zu bemerken, die auf eine Entziehung schließen lassen. EZ 9 KG Techendorf steht heute noch im Eigentum eines Familienmitglieds. 548 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2 Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.). 549 RGBl. I S. 502. 550 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Urkunde Nr. 82, Kaufvertrag vom 1. November 1940. ÖStA AdR BMF VS Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.).
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Am 24. Februar 1941 bot ein Oberförster und Forstwirtschaftsführer in Vertretung von Hugo Freiherr Klinger von Klingerstorff dem „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, Klingers verbliebenen „Restbesitz“ zum Kauf an, folglich auch Restbesitz Baron Klinger genannt. Dieser lag bei Raabs an der Thaya in Niederösterreich, umfasste etwa 93 ha und bestand aus der EZ 55 KG Zettenreith, EZ 7, 44 und 73 Kollmitzdörfl, EZ 32 und 158 KG Schweinburg. Bereits von 1933 bis 1936 hätte Freiherr Klinger von Klingerstorff aufgrund der damaligen wirtschaftlichen Situation fast alle seine Güter verkaufen müssen, nun sehe er sich aufgrund einer schweren Erkrankung, die es ihm nicht ermögliche, seinen „Restbesitz“ zu bewirtschaften, und aufgrund der dadurch entstandenen erneuten prekären wirtschaftlichen Situation gezwungen, zu verkaufen. Es sei wegen des akuten Geldmangels auch nicht mehr möglich, die Zinsen aus einem aushaftenden Hypothekardarlehen in Höhe von RM 15.000,-- zu bedienen. Ein zunächst vorgesehener parzellenweiser Abverkauf des Besitzes an vorhandene private Interessenten sowie an die Gemeinden Waidhofen an der Thaya und Raabs hätte jedoch keine Genehmigung durch die höhere Forstbehörde gefunden, weswegen ein Ankauf durch die Reichsforstverwaltung die einzige Möglichkeit darstelle. Um den Kauf schmackhaft zu machen, führte der Oberförster in dem Schreiben auch zahlreiche zukünftige Arrondierungsmöglichkeiten, wie den Stiftswald des Benediktinerklosters Geras, die Güter des Grafen von der Straten, der ohne männliche Nachkommen sei, sowie einen Besitz in Raabs an, dessen Eigentümer sich aus politischen Gründen in Haft befinden würde. Er bezeichnete Klinger von Klingerstorff in dem Schreiben als „Parteigenossen“, sein Sohn sei bei der Waffen-SS.551 Ein dem Schreiben beiliegendes Schätzgutachten der Preisbildungsstelle Niederdonau, das durch die Agrarbezirksbehörde in Wien erstellt worden war, wies für den „Restbesitz“ einen Wert von RM 148.459,32 aus, was einem Preis/ha von RM 1.596,-entsprach. Da es sich um einen Besitz unter 100 ha handelte, trat Generalreferent Güde den „Ankaufsfall“ zur weitern Bearbeitung und Überprüfung der Ankaufsmöglichkeit an das zuständige Landesforstamt Wien-Niederdonau ab, machte aber zugleich auf den „über das übliche Ausmaß hinausgehenden Hektardurchschnittspreis“ aufmerksam.552 Am 13. Mai 1941 teilte das Landesforstamt Wien-Niederdonau dem „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ mit, dass die Absicht bestünde, den „Restbesitz“ an551 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 33, GZ 941 884 13, Hugo Freiherr von Klinger – Restbesitz in Raabs, Kreis Waidhofen an der Thaya, Ankauf, Oberförster – Forstwirtschaftsführer Ferdinand Lindner an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Julius Güde, 24. Februar 1941. 552 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 33, GZ 941 884 13, Hugo Freiherr von Klinger – Restbesitz in Raabs, Kreis Waidhofen an der Thaya, Ankauf, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Julius Güde, an den Reichsstatthalter, Landesforstamt Wien-Niederdonau, 1. April 1941.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
225
zukaufen, weil die Aussichten, „in gleicher Gegend noch weiteren Waldbesitz im Ausmaß von mehreren 100 ha zu erwerben“, als hoch veranschlagt wurden. Da jedoch der Kaufpreis in Höhe von RM 148.459,32 als „viel zu hoch“ erscheine, ersuchte das Landesforstamt das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ um eine Überprüfung. 553 Das Amt für Forsteinrichtung korrigierte in seinem Schätzgutachten vom 26. Juni 1941 die Bewertungsrichtlinien der Preisbildungsstelle und setzte den Wert des Besitzes auf RM 112.500,-- herab. Trotz der zugegebenen „äußerst schwierigen“ Nachprüfung der Wertberechnung, da die Ableitung der wertbestimmenden Faktoren „nicht ersichtlich“ gewesen sei, bemängelte das Gutachten, dass der angegebene Stockzins ohne Differenzierung der Altersklassen des abtriebsreifen Holzes errechnet worden war, und überdies der ungepflegte Waldzustand und die relativ großen Kulturrückstände unberücksichtigt geblieben seien. Dadurch fände die „nicht unbedeutende Wertdifferenz der beiden Schätzungen (hinsichtlich der einzelnen Waldteile wie auch beim Wert des Ganzen) ihre Erklärung“.554 Mit Kaufvertrag vom 12. August 1941 veräußerte Gertrude Baronin Klinger-Klin gerstorff“, Universalerbin des am 17. Juni 1941 verstorbenen Hugo Freiherr Klinger von Klingerstorff, sämtliche Liegenschaften des „Restbesitzes“ um den Kaufpreis von RM 112.500,--, der somit dem im Gutachten des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ festgestellten Wert entsprach, an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Diese, im Kaufvertrag als „Baron Klinger-Klingerstorff’scher Restbesitz“ bezeichneten Güter555, werden auch bis auf die EZ 7 KG Kollmitzdörfl (GB Raabs an der Thaya) Grundstück 51 Haus, das nur eine Gesamtfläche von 0,2 ha aufweist (zur Problematik von Liegenschaften unter 2 ha, siehe oben) von der Studie Hamböck erfasst (die im Kaufvertrag angegebene Gesamtfläche von 93,3884 ha, daher inklusive des Hauses, stimmt jedoch mit der in der Studie Hamböck angegebenen Gesamtfläche überein). In der Studie Hamböck wird angemerkt, dass die von Gertrude Baronin Klinger-Klingerstorff erworbenen Liegenschaften nach 1945 „offenbar zurückgestellt“ worden sind. Im Kaufvertrag deutet nichts auf eine NS-Verfolgung hin. EZ 55 KG Zettenteith, EZ 73 Kollmitzdörfl, EZ 32
553 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 34, GZ 941 2495 13, Restbesitz Hugo Baron Klinger, Ankauf durch das Deutsche Reich, Der Reichsstatthalter in Wien, Landesforstamt Wien-Niederdonau, an das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, 13. Mai 1941. 554 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1941, Sig. 13, Kt. 34, GZ 941 2495 13, Restbesitz Hugo Baron Klinger, Ankauf durch das Deutsche Reich, Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen an den Reichsstatthalter in Wien, Landesforstamt Wien-Niederdonau, 28. Juni 1941, und „Schätzgutachten des Restbesitzes Klinger, Raabs an der Thaya“, 26. Juni 1941. 555 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_LF, LF Wien ND, Zl. 108/40, Kaufvertrag vom 12. August 1941.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
und 158 KG Schweinburg stehen heute im Eigentum des Prämonstratenser Chorherrenstiftes Geras, EZ 44 KG Kollmitzdörfl steht im Alleineigentum einer Privatperson, EZ 7 KG Kollmitzdörfel besteht heute nicht mehr.
3.2.2.5. Fälle außerhalb des Untersuchungssamples Untergruppe mit jenen Liegenschaften, die in der Studie (inkl. Excel-Liste)556 von Dr. Gottfried Hamböck bereits Erwähnung gefunden haben, bisher aber nicht zugeordnet werden konnten Diese „atypische“ Fallgruppe betrifft jene Fälle, bei denen eine genaue Bearbeitung zum Ergebnis geführt hat, dass sie eigentlich von der Studie Hamböck erfasst, aufgrund von geringfügigen Ungenauigkeiten der Basisdaten aber nicht erwähnt worden sind, weswegen sie in der Schnittmenge als „atypisch“ gelten und als nicht infrage kommende Desiderate ausgeschieden sind. Auch hier ist eine Struktur erkennbar: So scheinen die in der Liste 1948 angeführten Fälle „Arzberg“ und „Trattenbach“, das sind die jeweiligen KG der OÖ Landtafel, deswegen in der Studie Hamböck nicht auf, weil darin die entsprechenden EZ nur mit der Angabe „OÖ Landtafel“ verknüpft, die KG aber nicht genannt wurden. Dies trifft teilweise auch auf den Fall „Erben nach den Herzö gen Ulrich und Robert von Württemberg“ zu. Die Liegenschaft EZ 38 KG Erlberg in Salzburg aus dem ursprünglichen Eigentum von Emma Trubrig wird gemeinsam mit den anderen entzogenen Liegenschaften in der Studie Hamböck, „Historische Besitzaufarbeitung“, angeführt. Zur Entziehungsgeschichte erging eine Fallstudie.557 Die in der Liste 1945 angeführte Liegenschaft „Augenossenschaft Fischamend“ wird in der Studie Hamböck mit der übereinstimmenden EZ als „Fischamend Dorf“ geführt. Das war der Gutsname. Ähnlich verhält es sich in den Fällen „Hubert Pucher, Sonnblickanwesen“ und „Volksbank Gmünd, Veitaueralpe“: Der Transportunternehmer Hubert Pucher verkaufte mit Kaufvertrag vom 6. Februar 1941 die EZ 1 und 8 KG Malta und die EZ 75 KG Dornbach in Kärnten um RM 49.500,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Diese Liegenschaften wurden im Kaufvertrag als „Schober in Brandstatt“ (EZ 1 KG Malta), „Egarter in Brandstatt“ (EZ 8 KG Malta) und „Molzawiese“ (EZ 75 KG Dornbach) 556 Dr. Gottfried Hamböck hat vor Erstellung der ungedruckten Studie eine Excel-Liste mit sämtlichen Basisdaten erstellt. 557 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Siehe Gottfried Hamböck, Österreichische Bundesforste AG. Historische Besitzaufarbeitung. Identifizierung des in Bundesforstebesitz befindlichen ehemaligen Deutschen Eigentums, S. 52f.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
227
bezeichnet.558 In der Studie Hamböck werden diese Liegenschaften hingegen wie Familiennamen und Wohnadressen angeführt, ohne jedoch den Verkäufer Hubert Pucher zu nennen: „Schober und Ehgarter, Brandstatt 1 und 7, Molzanwiese in Dornbach“. Die Volksbank Gmünd veräußerte mit Kaufvertrag vom 11. Juni 1942 die EZ 75 KG Malta an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) um den Kaufpreis in der Höhe von RM 3.000,--.559 Diese Liegenschaft wurde der seit dem Ankauf von Hubert Pucher im Eigentum der Reichsforstverwaltung befindlichen EZ 1 KG Malta zugeschrieben, die in der Studie Hamböck wie im Fall Pucher ohne Nennung der Volksbank Gmünd unter „Schober und Ehgarter, Brandstatt 1 und 7, Molzanwiese in Dornbach“ geführt wird. „Robert und Antonia Zangerl“ veräußerten mit Kaufvertrag vom 27. Februar 1942 die Liegenschaft EZ 91/II KG See in Tirol, bestehend aus dem Grundstück 155/13, um den Kaufpreis von RM 3.000,-- an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung).560 Die Reichsforstverwaltung ließ das Grundstück der bereits bestehenden und in ihrem Eigentum befindlichen EZ 190 KG See zuschreiben. Diese EZ scheint in der Studie Hamböck auf (zur Problematik der Zuschreibungen, siehe oben). Matznerwald: ursprüngliche Eigentümer Wilhelm Löw, Franziska Löw, Gustav Löw, Dr. Marianne Hamburger-Löw, Gertrud Löw (damals mj.), Eva, Georg und Stefan Löw (Juden, vor 1938 alle in Angern wohnhaft) und Fa. Gustav & Wilhelm Löw. Am 25. März 1938 wurde im C-Blatt aller Liegenschaften das „Pfandrecht zur Sicherstellung einer Steuerstrafe über 2 Mio. S für den österreichischen Bundesschatz“ angemerkt. Die „Deutsche Ansiedlungsgesellschaft“ (DAG) „erwarb“ die Liegenschaften (5 EZ aus 2 KG) mit Kaufvertrag vom 8. Dezember 1938 von den Eigentümern, die zu diesem Zeitpunkt bereits alle ins Ausland geflüchtet waren, um den Kaufpreis von RM 348.000,--. Am 8. Mai 1939 veräußerte die DAG die Waldanteile an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Bis auf eine EZ 1138 KG Prottes werden alle Liegenschaften in der Liste Hamböck erwähnt – dafür führt er EZ 1755 KG Prottes an, was auf einen Übertragungsfehler zurückzuführen sein dürfte. Zwei Erwerbungen hätten in die Fallgruppe „Kleinerwerbungen“ Aufnahme finden müssen. Bekannt waren vorerst nur die Parzellen als Erwerbsgegenstand. Anhand von Grundbuchabfragen konnte diesen Parzellen EZ zugeordnet werden (weder in der Studie Hamböck noch in der Dokumentation der Historikerkommission werden Parzellen 558 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 92, Kaufvertrag vom 6. Februar 1941. 559 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 86, Kaufvertrag vom 11. Juni 1942. 560 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Tirol, Zl. 150, Kaufvertrag vom 27. Februar 1941.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
angeführt!), die wiederum in der Excel-Liste Hamböck angeführt werden: Das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) erwarb in der NS-Zeit vom Land Tirol das Grundstück 3479/3 der EZ 591 KG St. Johann in Tirol im Ausmaß von 0,5 ha, bestehend aus einem Wohnhaus, einer Hütte und einer Wiese, zur Errichtung eines Pflanzgartenbetriebes für die BFI Kitzbühel.561 Obwohl die Gesamtfläche der Liegenschaft unter 2 ha betrug, dürfte sie deswegen in die Liste Aufnahme gefunden haben, weil sich auch anhand des Grundbuchauszuges nicht vollständig klären ließ, ob das Land Tirol, das heute wieder Eigentümer der Liegenschaft ist, nach 1945 einen Rückstellungsantrag eingebracht hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Wiesengrundstück 880/22 (Stuttgarterstraße 13), welches das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) von der Stadtgemeinde Bludenz erwarb.562 Die Liegenschaft wird in der Liste Hamböck mit der dazugehörigen EZ 1431 KG Bludenz geführt. Sie steht heute im Eigentum einer Wohnbau GmbH. All diese Liegenschaften scheinen in der Histkom-Datenbank nicht auf, weil sich keine der damals an die Reichsforstverwaltung veräußerten Liegenschaften heute noch im GB-Bestand der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG befinden. In drei Fällen befinden sich noch einzelne EZ im GB-Bestand der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG: Das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) erwarb von der „Reichs werke AG Alpine Montanbetriebe Hermann Göring“ die EZ 182 und 183 KG Mürzsteg in der Steiermark, darunter das „Haus Nr. 25 Krampen“ im Gesamtausmaß von 31 ha um den Kaufpreis von RM 23.100,--.563 Der Eigentümerwechsel ist sowohl in der Datenbank der Historikerkommission (im GB kein Restitutionsverfahren angemerkt!) als auch in der Studie Hamböck (Excel-Liste) dokumentiert. EZ 182 KG Mürzsteg besteht heute nicht mehr, EZ 183 befindet sich im Eigentum der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste). Die Erben nach Dr. Karl Freiherr von Wolf-Zdeckauer veräußerten das Almbauern gut EZ 32 und 107 KG Reichraming (GB Weyer) im Gesamtausmaß von 132 ha an das Deutsche Reich.564 In der Datenbank der Historikerkommission wird als Verkäufer der Liegenschaften „Dr. Karl Freiherr von Wolf-Zdeckauer“ erwähnt. Dr. Gottfried Hamböck führt in der Excel-Liste sowohl die EZ 32 KG Reichraming („Albauergut, Haus Nr. 69“) als auch EZ 107 KG Reichraming (ebenfalls „Albauergut, Haus Nr. 69“) an. Es 561 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.). 562 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.). 563 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.). 564 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.).
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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sind weder Entziehungen noch angemerkte Rückstellungsverfahren ersichtlich. EZ 107 besteht heute nicht mehr, EZ 32 KG Reichraming befindet sich heute im Eigentum der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste). Jakob Doblander und Marianna Handl, geb. Zoller, veräußerten einige, in Tirol gelegene Liegenschaften (EZ 1036/II und 1511/II KG Silz), darunter die Parzellen 528 und 529 aus dem Bestand der EZ 1929/II KG Imst zur Errichtung eines Dienstgebäudes an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), wobei vom Kaufpreis Jakob Doblander RM 4.866,-- und Marianna Handl RM 12.131,-- zukamen.565 In dem undatierten Verzeichnis der Abt. 14 des BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung „über die dem Deutschen Reich (Reichsführer SS, Reichsforstverwaltung, DAG) gehörigen Liegenschaften“ finden sich keinerlei Eintragungen über eine Vermögensentziehung bzw. über einen Rückstellungsantrag oder eine erfolgte Rückstellung. Von den Liegenschaften wird EZ 1929/II KG Imst in der Excel-Liste Hamböck unter „Handl“ erwähnt.566 Auch hier sind weder Entziehungen noch angemerkte Rückstellungsverfahren ersichtlich. EZ 1929 KG Imst (besteht nunmehr aus Grundstück Nr. 3568/1) befindet sich heute im Eigentum der Österreichischen Bundesforste AG, EZ 1036 KG Silz im Eigentum der Gemeinde Silz und EZ 1511 KG Silz im Eigentum einer Privatperson.
Untergruppe mit jenen Fällen, zu denen mangels weiterführender Angaben nichts erhoben werden konnte Aufgrund der nur sehr bruchstückhaften Angaben in den Listen 1945, 1946, 1948 konnte nur eine grobe Überprüfung vorgenommen werden, ob eine Erwähnung in der Studie Hamböck bzw. in der Dokumentation der Historikerkommission stattgefunden hat. Dies traf auf keinen dieser Fälle zu. Dann wurde versucht, die lückenhaften Daten mithilfe anderer Bestände oder Grundbuchabfragen zu ergänzen. Adolf Jurza: Die einzige Angabe zu diesem Namen, Warnrath 60, erbrachte kein Ergebnis. Es gibt in Österreich weder eine Ortschaft noch eine Katastralgemeinde mit der Bezeichnung „Warnrath“. Für eine Wohnadresse fehlen alle zusätzlichen Angaben. Auch die Mitarbeiter des Allgemeinen Entschädigungsfonds / Schiedsinstanz für Naturalrestitution, denen die Unterlagen nach Abschluss des Liegenschaftsprojekts der Historikerkommission übergeben wurden, konnten keine weiterführenden Hinweise geben. 565 ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624 Reichsführer SS, Reichsforstvw., DAG, Mappe 2, Verzeichnis über die dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) gehörigen Liegenschaften (undat.). 566 Eingabe Nr. 406.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Johann Scherer mit der bruchstückhaften Besitzbezeichnung „… Mahder“: Mangels Adresse bzw. genauerer Liegenschaftsbezeichnung erbrachten weiterführende Recherchen kein Ergebnis. Auch die Mitarbeiter des Allgemeinen Entschädigungsfonds / Schiedsinstanz für Naturalrestitution, denen die Unterlagen nach Abschluss des Liegenschaftsprojekts der Historikerkommission übergeben wurden, konnten keine weiterführenden Hinweise geben. Bäckengraben (ohne zusätzliche Angaben): Hierbei könnte es sich um den Bäckengraben in Reichraming, Oberösterreich, handeln. EZ 320 KG Wildbadgastein (ohne Nennung eines ursprünglichen Eigentümers): Eine KG Wildbadgastein besteht heute nicht mehr. „Preyßvilla Neuberg“ im ursprünglichen Eigentum von Dr. Walter Preyß: Mangels Angabe einer KG bzw. EZ konnten keine weiterführenden Recherchen durchgeführt werden. Ritteralmjagdhütte in Größgraben, ursprüngliche Eigentümerin Maria Gräfin Pach ta-Rayhofen: Beim „Größgraben“ und der dazugehörigen Jagdhütte könnte es sich um den Ritteralmfall im Maltatal handeln. Bei Maria Gräfin Pachta-Rayhofen könnte es sich um die am 10. Juni 1905 in Salzburg geborene Musikpädagogin handeln, die in der NSZeit in Wien 4, Wohllebengasse 19, wohnhaft gewesen ist und nach 1947 verstorben ist. Nascher & Co., ehemals jüdisches Eigentum: Hierbei könnte es sich um den Liegenschaftsbesitz der Firma bzw. des Eigentümers der Firma, Ignaz Nascher, Adresse 1938: Wien 4, Starhemberggasse 32 bzw. Wien 1, Hegelgasse 5, handeln. In einem Akt der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Dienststelle für Vermögenssicherungs- und Rückstellungsangelegenheiten, wird die Liegenschaft zwar explizit erwähnt, ohne dass jedoch nähere Angaben wie Adresse, KG oder EZ gemacht werden. Bei „Reichwerke Hermann Göring AG“ fehlt jede weitere Bezeichnung. Auch „Grundstück zur Arrondierung der Gemeinde Wien“ lässt viele Deutungen zu. Am ehesten könnte es sich dabei um Grundstücke in Wildalpen, der Lobau oder im Lainzer Tiergarten handeln.
Untergruppe „Sonderfälle Verwaltung durch die Österreichischen Bundesforste“ Zu dieser Fallgruppe gehören drei sehr großflächige Besitztümer, die schon vor 1938 im Eigentum von deutschen Staatsbürgern gestanden sind und den Österreichischen Bundesforsten nach dem 8. Mai 1945 von den Besatzungsmächten lediglich zur kurzfristigen Verwaltung übergeben worden sind. Hinzu kommen auch die „forstlichen“ Teile des
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Truppenübungsplatzes Bruck an der Leitha-Sommerein. Keine dieser Liegenschaften steht heute mehr im Eigentum der Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste) bzw. Bundesforste AG. Eine Sonderstellung nimmt das Gut Schallaburg und Plankenstein ein, weil es nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich von einem reichsdeutschen Staatsbürger erworben wurde, nach 1945 kurz in Verwaltung der Österreichischen Bundesforste stand, dann aber von der sowjetischen Besatzungsmacht als „Deutsches Eigentum“ beschlagnahmt wurde. Heute stehen Schloss Schallaburg samt den Liegenschaften im Eigentum des Landes Niederösterreich, Burg Plankenstein im Eigentum einer Privatperson. Bereits 1878 übernahmen die Prinzen zu Schaumburg-Lippe die in Oberösterreich, im politischen Bezirk Kirchdorf an der Krems gelegene Gutsherrschaft Steyrling von den Grafen Starhemberg. Wie aus einem Schreiben der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an das BMfVS und WP vom 26. Jänner 1948 hervorgeht, wurde die Gutsherrschaft Steyrling mit einer damaligen Gesamtfläche von 9.265 ha, die eine „große Anzahl von Grundbuchkörpern umfasste“, „nach der Befreiung Österreichs von der amerikanischen Militärregierung verwaltet“, von dieser an die österreichische Bundesregierung (BMfVS und WP) und sodann im Jahre 1947 vom Ministerium „den österreichischen Bundesforsten zur Verwaltung übergeben“.567 Das Gut Steyrling mit einer derzeitigen Fläche von mehr als 7.000 ha steht im Eigentum des Prinzen Wolrab zu Schaumburg-Lippe, Fürstlich Schaumburg Lippische Forstverwaltung. Auch der Ullerspergsche Besitz im damaligen Eigentum der (reichs)deutschen Erben nach Dr. Ullersperg, bestehend aus den EZ 76, 139 und 169 KG Hinterstoder mit einer Gesamtfläche von 272 ha (davon 184 ha Wald) sowie der Besitz der Erben nach den Herzögen Ulrich und Robert von Württemberg, der mit einer Gesamtfläche von 3.978 ha (davon 1.102 ha Wald) wie das Gut Steyrling und der Ullersperg’sche Besitz in Oberösterreich, in Hinterstoder im politischen Bezirk Kirchdorf an der Krems liegt, wurden zunächst von der amerikanischen Militärregierung verwaltet, ehe sie 1947 vom BMfVS und WP den Österreichischen Bundesforsten zur Verwaltung übergeben wurden.568 Der ehemalige Besitz der Erben nach Dr. Ullersperg steht heute im Eigentum zweier deutscher privater Staatsbürger. Aus dem Schreiben der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an das BMfVS und WP vom 26. Jänner 1948 geht weiters hervor, dass die „forstlichen“ Teile 567 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 946 6522 30.1, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMfVS und WP, 26. Jänner 1948. 568 Ebda.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
der Truppenübungsplätze Döllersheim und Sommerein „kurz nach der Befreiung Österreichs den österreichischen Bundesforsten zur Verwaltung übergeben“ worden sind. Dann wurden die beiden Truppenübungsplätze von der sowjetischen Besatzungsmacht in Anspruch genommen, sodass auch die forstlichen Teile bereits vor 1948 wieder aus der Verwaltung der Bundesforste ausgeschieden sind.569 Erster Erbauer des zum Gut Schallaburg und Plankenstein gehörigen heutigen Renaissanceschlosses Schallaburg war vermutlich Graf Sighard von Burghausen Schala, Ehemann der Tochter des Markgrafen Leopold II. von Österreich. Nach Aussterben der Linie der Grafen von Schala 1190 ging ihr großer Besitz auf die Landesfürsten und die verwandten Peilsteiner über, ehe Herzog Albrecht I. von Österreich im Juli 1286 Otto von Zelking und dessen Frau Leukardia mit der „halben Feste Schala und Zelking“ belehnte. Mit dem Tod von Elisabeth von Zelking 1450, deren Ehe mit Stephan von Zelking kinderlos geblieben war, fiel die Schallaburg an die Kinder seiner Schwester Anna, die mit Bernhard von Losenstein aus dem oberösterreichischen Adelsgeschlecht mit Sitz im Ennstal bei Steyr verheiratet war. Unter Hans Wilhelm von Losenstein (1546–1601) erfolgte die Erweiterung und Fertigstellung des Schlosses mit der Errichtung des berühmten Arkadenganges. Parallel dazu baute er den benachbarten Ort Loosdorf zu einem protestantischen Zentrum des Landes auf. Der Neffe Hans Wilhelms, Christoph von Stubenberg, sah sich aufgrund der Schuldenlast, die ihm sein Onkel hinterlassen hatte, gezwungen, Schloss Schallaburg an seinen Schwiegervater Georg von Stubenberg zur Begleichung aller Forderungen zu übergeben. Als dieser als Anhänger der lutherischen Lehre das Land verlassen musste, vermachte er die Güter seinen Vettern, die Hans Wilhelm von Stubenberg mit der Schallaburg abfertigten. Als auch dieser wegen seiner religiösen Haltung unter Druck geriet, verkaufte er 1660 das Schloss und die Herrschaft an die Familie der Kletzl von Altenach, die ursprünglich aus dem Elsass stammend, nach Bayern zugewandert und als Pfleger der bischöflich freisingischen Güter nach Österreich gekommen war. Aufgrund des wirtschaftlichen Niedergangs verkauften die Nachkommen der Familie den Besitz 1762 an Bartolomäus Freiherrn von Tinti. Die Familie Tinti war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus dem damals österreichischen Norditalien nach Österreich gekommen, hier landsässig geworden und in rascher Folge in den Reichsritter- und Freiherrnstand aufgestiegen. Bereits 1713 hatte Bartolomäus Freiherr von Tinti die 1186 zum ersten Mal urkundlich erwähnte Burg Plankenstein von den Grafen Kunitz erworben, die diese wiederum 1655 von der Familie Malenthein angekauft hatten. Mit dem Tod des 96-jährigen Bartolomäus Freiherrn von Tinti 1757 auf Plankenstein begann der Verfall der Burg, da dessen Nachkommen längst 569 Ebda.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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auf der Schallaburg wohnten. Obwohl das Schloss und die Grundherrschaft für fast 200 Jahre im Besitz der Familie Tinti waren, kam es kaum zu baulichen Veränderungen. Unter der persönlichen Mitwirkung von Karl Gustav Freiherr von Tinti (1859–1914), dem Sohn des Gründers und ersten Präsidenten des Roten Kreuzes in Österreich, Karl Wilhelm Freiherr von Tinti (1829–1884), wurde 1906/08 eine Renovierung des Arkadenhofes durchgeführt.570 Karl Gustav Freiherr von Tinti hatte zwei Söhne, Karl Ferdinand (1891–1936) und Hugo. Die Fideikommissgüter Schallaburg und Plankenstein kamen am 25. November 1936 im Erbweg nach dem verstorbenen Karl Ferdinand von Tinti an dessen Bruder Hugo. Der Verstorbene hatte in den USA gelebt, sodass die Güter infolge unsachgemäßer Verwaltung brachlagen und sich bis 1938 Schulden in Höhe von RM 350.000,-- angehäuft hatten, von denen RM 284.000,-- auf den Liegenschaften verbüchert waren. Die mit einem Antrag auf Einleitung des Entschuldungsverfahrens konfrontierten Stellen teilten Hugo von Tinti im Oktober 1938 mit, dass die Bezahlung der Schulden nur durch einen raschen Verkauf der Güter möglich sei.571 Im November 1938 schloss Hugo von Tinti einen Vorvertrag mit dem Kaufwerber Franz Graf von Merveldt aus Westfalen, Parteimitglied und Ortsgruppenleiter der NSDAP in Wolbeck, auf Basis eines Kaufpreises von RM 750.000,--. Der Vertrag umfasste das Fideikommissgut Schallaburg mit den Liegenschaften EZ 601 der NÖ Landtafel der KG Anzendorf, Merkendorf, Ritzengrub, Roggendorf, Rosen feld, Schallaburg und Schallbach sowie die EZ 75 und 102 KG Schallaburg und EZ 27 und 31 KG Ritzengrub mit einem Gesamtausmaß von 708 ha (580 ha Waldanteil) und das Fideikommissgut Plankenstein mit den Liegenschaften EZ 141 der NÖ Landtafel der KG Plankenstein und Weissenbach sowie die EZ 72 KG Plankeinstein mit Gesamtausmaß von 172 ha (davon 105 ha Waldanteil).572 Einerseits erschien das Forstgut wegen der Schallaburg, die als eine der bedeutendsten Profanbauten angepriesen wurde, attraktiv, andererseits erforderte selbst eine notdürftige Instandsetzung des fast zur Ruine verkommenen Renaissancejuwels unter den strengen Auflagen des Denkmalschutzes riesige Summen. Der Kaufvertrag musste im Juni 1939, vor der Genehmigung durch den zuständigen 570 Zur Besitz- und Herrschaftsgeschichte der Schallaburg, siehe: Renaissance-Schloss Schallaburg. Ein Kunstwerk (Hg. v. Amt der NÖ-LReg.), Wien 1989. Zur Besitz- und Herrschaftsgeschichte der Burg Plankenstein, siehe http://www.burgenkunde.at/niederoesterreich/plankenstein/plankenstein.htm. 571 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Regierungsforstamt Wien-Niederdonau an das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“, 10. Mai 1939. 572 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Landesbauernschaft Westfalen, Verwaltungsamt, an den Reichsforstmeister, 5. Dezember 1939, und RA Dr. Hanns Zallinger-Thurn in Vertretung von Franz Graf von Merveldt, Wolbeck, Kreis Münster, an den Landrat Melk, Ansuchen um Genehmigung des Ankaufes der Fideikommissgüter Schallaburg und Plankenstein, 6. Juni 1939.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Landrat, der Reichsforstverwaltung zur Stellungnahme vorgelegt werden, ob gegen die Veräußerung Einspruch erhoben werde. Die Reichsforstverwaltung konnte daher mit einem Einspruch die Eigentumsübertragung auf eine Privatperson verhindern. Eine eigene Erwerbung machte die Reichsforstverwaltung von einer Übernahme der landwirtschaftlichen Flächen durch die Reichsdomänenverwaltung abhängig.573 Deren Oberbehörde, das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, stellte für eine Erwerbung wiederum die Bedingung der Übernahme der Verwaltung der Schallaburg und der Burg Plankenstein durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM). Als das REM die Schallaburg für Zwecke der Errichtung einer „Napola“ für ungeeignet befand und das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft folglich von seinen Erwerbsabsichten zurücktrat, verzichtete auch die Reichsforstverwaltung auf die Erwerbung.574 Im Frühjahr 1940 trat Graf von Mersveldt von den Kaufvertragsverhandlungen zugunsten von Josef Freiherr von Nagel-Doornick zurück, der am 3. März 1940 mit Hugo Freiherr von Tinti einen Kaufvertrag über die Güter mit einem Kaufpreis in Höhe von RM 780.000,-- abschloss. Nagel-Doornick, wie von Mersveldt Westfale (Osterfelde über Ölde), seit 1938 bei der Wehrmacht, hatte seinen gesamten ererbten Besitz in Dinslaken an die Thyssen-Werke für industrielle Zwecke veräußert und genoss die Unterstützung der Behörden bei der Wiedererlangung von Grundbesitz. Nachdem sich der Landrat wegen des Fideikommissbandes für unzuständig erklärt hatte575, ersuchte der Fideikommiss-Senat beim Oberlandesgericht Wien die Reichsforstverwaltung um Stellungnahme zum Kaufvertrag.576 Erneut spielte dabei eine Rolle, dass der hohe unwirtschaftliche Aufwand der Schallaburg den Ertrag der Güter aufgesogen hätte. Ein Gutachten des Forstrates Dipl.Ing. Franz Hörander, das sowohl von Veräußerer- als auch von Käuferseite dem Fideikommiss-Senat vorgelegt wurde und die Angemessenheit des Kaufpreises bestätigte, stufte die Schallaburg als „Zubehör wie ein Landhaus“ mit einem Wert von gerade einmal RM 30.000,-- ein. Für die Burg Plankenstein gab Hörander als einzigen Wert überhaupt nur
573 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Der Reichsforstmeister an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, 23. Juli 1940. 574 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Aktenvermerk des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Julius Güde, zur GZ 940 3920 13, vom 19. August 1940, und Der Reichsforstmeister an den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, 23. August 1940. 575 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Der Landrat des Kreises Melk an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, 10. September 1940. 576 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Aktenvermerk des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Julius Güde, zur GZ 940 5843 13, vom 10. Jänner 1941.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
235
die Tavernenkonzession mit RM 4.000,-- an.577 Der Reichsforstmeister gab die Güter mit Erlass vom 14. September 1940 frei, der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, teilte am 27. September mit, dass gegen die Genehmigung des Kaufvertrages kein Einwand bestehe. Mit Beschluss vom 19. November 1940 genehmigte der Fideikommiss-Senat beim Oberlandesgericht Wien den Kaufvertrag im Einvernehmen mit den übrigen NS-Dienststellen und sprach das Erlöschen des Fideikommissbandes aus.578 In den Unterlagen der Behörden wurde mehrmals betont, dass es sich bei allen Beteiligten an dem Rechtsgeschäft um „Nichtjuden“ handle, dass daher keine „Arisierung“ vorliege. Nach dem 8. Mai 1945 galten die Güter als Eigentum eines Reichsdeutschen. Der Aufenthaltsort des Eigentümers Nagel-Doornick war unbekannt. Die Schallaburg selbst war von russischen Soldaten besetzt worden. Der Revierförster und die Forstaufsichtsorgane waren gefallen oder galten als vermisst. Im September 1945 wurde der infolge der Abwesenheit Nagel-Doornicks eingesetzte öffentliche Verwalter von russischen Soldaten erschossen.579 Daraufhin bewilligte das Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft mit Erlass vom 22. September 1945 den im Einvernehmen mit der Bezirksbauernkammer Melk gestellten Antrag der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, die öffentliche Verwaltung für das „herrenlose Gut“ zu übernehmen. Die eigentliche Verwaltung über die Forstgüter des Gutes Schallaburg und des gesamten Gutes Plankenstein übernahm die personell völlig unterbesetzte Forstverwaltung Wieselburg, die Verwaltung der landwirtschaftlichen Flächen des Gutes Schallaburg die Bezirksbauernkammer Melk.580 Da die Verwaltung ohne Bereitstellung von Staatsmittel zu führen war, daher auf Rechnung des früheren Eigentümers, nahm die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste auch kein neues Personal in Dienst.581 Im November 1945 stellte sich für sie das Problem der Weiterbeschäftigung des bisher auf dem Gut Plankenstein tätig gewesenen Forstaufsehers, der bis zum April 1945 NSDAP-Ortsgruppenleiter gewesen war. Die Forstverwaltung Wieselburg setzte sich für den „grundehrlichen, rechtschaffenen Mann“ ein, der auch seine Stellung bei der örtlichen Raiffeisenkasse behalten 577 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Schätzung der Güter Schallaburg und Plankenstein, Konsulent für das Forstwesen, Ing. Franz Hörander, 31. Juli 1940. 578 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 940 1976 13, Gut Schallaburg und Plankenstein, Oberlandesgericht Wien, GZ FS I 46/38–166, Beschluss vom 15. November 1940. 579 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an den Staatssekretär für Land- und Forstwirtschaft, 18. September 1945. 580 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an die Forstverwaltung Wieselburg, 9. Oktober 1945. 581 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an die Forstverwaltung Wieselburg, 22. Oktober 1945.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
hätte und nur in „Ermangelung geeigneter Persönlichkeiten“ Ortsgruppenleiter geworden wäre.582 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste legte den Fall nach dem „Wirtschaftssäuberungsgesetz vom 12. September 1945“583 aus, wonach nur „Illegale“ außer Dienst zu stellen waren. Da die Angestellten der beiden Güter als Privatangestellte anzusehen seien – die Verwaltung wurde nur für den abwesenden Freiherrn Nagel-Doornick geführt – versicherte sich die Generaldirektion mittels einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der Gemeinde, dass der Forstaufseher weder als „Illegaler“ noch als schwerbelasteter Nationalsozialist einzustufen sei, erstattete Meldung bei der bei den Arbeitsämtern eingerichteten Kommission und beschäftigte den Aufseher weiter.584 Im März 1946 befürwortete die Forstverwaltung Wieselburg bei der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste den Antrag des Forstaufsehers, ihm die landwirtschaftlichen Flächen des Gutes Plankenstein zu verpachten, um ihm, „über den das Damoklesschwert der Entlassung als ehemaliger Parteigenosse schwebe“, Anreize zu geben, damit er „nicht die Schlendrian-Wirtschaft seiner Vorgänger führen“ müsse. Einen diesbezüglichen zweijährigen Pachtvertrag schloss die Generaldirektion im April 1946.585 Die Berichte der Forstverwaltung Wieselburg an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste sind geprägt von der bitteren Not der unmittelbaren Nachkriegszeit, von Plünderungen durch die eigene Bevölkerung und von Übergriffen durch die Rote Armee, deren Soldaten sich immer wieder die landwirtschaftlichen Flächen für die eigene Versorgung zunutze machen würden.586 Die Generaldirektion fragte mehrmals beim BMLFW an, ob sie unter diesen Umständen die Verwaltung, „die in keiner Weise mit der Übernahme des Besitzes für die Österreichischen Bundesforste“ verbunden sei, fortführen solle, da sich „derartige Fälle bei der öffentlichen Verwaltung von Gütern reichsdeutscher Staatsbürger wiederholen“ würden.587 Bis Juli 1946 versuchte die russi582 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Forstverwaltung Wieselburg an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 21. Dezember 1945. 583 StGBl. Nr. 160/1945. 584 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an die Forstverwaltung Wieselburg, 12. Jänner 1946. 585 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Forstverwaltung Wieselburg an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 14. März 1946 und 17. April 1946. 586 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Abschrift der Berichte von Josef Ebner, Gutsangestellter in Plankenstein, 26. Oktober 1945, und Bericht von Forstmeister Ing. Haiderer, Kirchberg an der Pielach, 26. Februar 1946, Forstverwaltung Wieselburg an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, Bericht vom 8. März 1946. 587 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, 4. März 1946.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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sche Stadtkommandantur Melk zu beschwichtigen, dass es sich bei den Vorgängen um eigenmächtige Übergriffe einiger Offiziere handle, ehe ein Oberleutnant von der „Verwaltung des sowjetrussischen Besitzes in Österreich“ in Wien 4, Starhemberggasse 4/6, bei der Forstverwaltung in Wieselburg erschien und die Übernahme der Güter wegen der Staatsbürgerschaft Nagel-Doornicks als „Deutsches Eigentum“ ankündigte.588 Aufgrund des Befehls Nr. 17 der sowjetischen Besatzungsmacht vom 27. Juni 1946 erfolgte am 22. August 1946 mit einem Notariatsakt die Übernahme und Eingliederung der Güter Schallaburg und Plankenstein in die USIA-Verwaltung zur Versorgung der sowjetischen Besatzungstruppen.589 Auf der Schallaburg wurden Büros eingerichtet. 1948 lehnte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste Schadenersatzforderungen des ehemaligen Forstaufsehers mit der Begründung ab, dass sie auf die Beendigung seines Pachtvertrages „nicht den geringsten Einfluß hatte“.590 Nach Abschluss des Staatsvertrages 1955 stand das Gut Plankenstein unter Verwaltung der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer. Das Gut Plankenstein und die landwirtschaftlichen Flächen des Gutes Schallaburg wurden nach einem Rückstellungsverfahren an Josef Freiherr von Nagel-Doornick zurückgegeben, der Forstbesitz blieb in öffentlicher Verwaltung.591 1965 trat die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an das BMF wegen eines Ankaufs der Waldteile heran, da die Forstverwaltung aufgrund der Abgabe von Liegenschaften für den Autobahnbau nur mehr einen kleinen Wirtschaftsbesitz zu betreuen hatte und mit dem vorhandenen Personal in der Lage gewesen wäre, das Gut zu übernehmen.592 Die Generaldirektion stellte dies aber von vornherein als „Versuch“ dar, denn postwendend kam die Antwort des Nationalrats und Leiters der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, Ökonomierat Alois Scheibenreif, dass er sich mit einer Übertragung auf die Österreichischen Bundesforste nicht einverstanden erklären könne. Man stehe in Verbindung mit dem Stift Melk, das im Gegenzug Liegenschaften an bedürftige Bauern abgeben würde, was aus agrarpolitischer Sicht als viel sinnvoller angesehen werde. Falls die Bundesforste auf einen Ankauf 588 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Forstverwaltung Wieselburg an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 11. Juli 1946. 589 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Abschrift des Aktes „Behördliche Verwaltung von Sowjetgut in Österreich, Generalmajor Borisov, 22. August 1946. 590 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an Johann Ebner, 7. August 1948. 591 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an das BMF, 24. August 1965. 592 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an das BMF, 18. November 1965.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
verzichteten, würde die Niederösterreichsche Landwirtschaftskammer deren Bemühungen um den Erwerb des Waldes Tavlow II in der Steiermark unterstützen.593 Das Gut Schallaburg wurde infolgedessen nicht von den Österreichischen Bundesforsten, sondern vom Land Niederösterreich erworben, das 1974 mit der Renovierung der Burg begann.594
Untergruppe Liegenschaften außerhalb der Grenzen Österreichs von 1937: „Tschechoslowakei“ – Tschechische Republik bzw. Untersteiermark – Slowenien Mehrere Fälle betreffen Liegenschaften von ursprünglichen Eigentümern, die in jenem ehemals südböhmischen und südmährischen Gebietsstreifen gelegen sind, der nach der Zerreißung der Tschechoslowakei im Zuge des Münchner Abkommens den ehemaligen Reichsgauen Niederdonau und Oberdonau angegliedert wurde. Der Gebietsstreifen mit den dort von der Reichsforstverwaltung zwischen 1938 und 1945 erworbenen Liegenschaften wurde 1945 wieder an die Tschechoslowakei abgetreten. Österreich erstand in den Grenzen von 1937. Diese Liegenschaften konnten daher weder Aufnahme in das Hamböck-Sample – Aufnahmekriterium Übernahme 1955 als ehemals „Deutsches Eigentum“ in das Eigentum der Republik Österreich (ÖBF) – noch in das der Datenbank der Historikerkommission – Aufnahmekriterium Eigentum der ÖBF 2001 – finden. Einer Dokumentation dieser Fälle stehen folgende Hindernisse im Wege: Die historischen Grundbücher sind nur in der Tschechischen Republik einsehbar, Grundbuchabfragen aus Österreich sind nicht möglich. Akten nach 1945 sind naturgemäß in österreichischen Archiven nicht vorhanden. Eine erste Untersuchung ergab zudem, dass die Basisdaten schwer zu erheben sind. Wegen der geringen Aussagekraft für die heutigen ÖBF wurden daher jene Fälle, die Liegenschaften betreffen, die heute gänzlich im Staatsgebiet der heutigen Tschechischen Republik liegen, nicht weiter verfolgt. Dies betrifft folgende Erwerbungen der Reichsforstverwaltung: Das „Gut Frain“ des Grafen Auersperg, die Güter mit der Bezeichnung „Pötschen, Alte Aue und Theben“ aus dem ursprünglichen Eigentum der Stadt Pressburg/Bratislava, das Gut „Rudoletz“ aus dem ehemaligen Staatseigentum der Tschechoslowakei, das Gut „Neuhaus“ des Grafen Czernin, die „Herrschaft Gratzen“ des Landgrafen Fürstenberg, die „Säge Znaim“ aus dem ehemaligen Staatseigentum der Tschechoslowakei sowie die Veräußerung des „Waldgutes Haid 593 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 945 1242 301, Gut Schallaburg, Forstverwaltung Wieselburg, Nationalrat Ökonomierat Alois Scheibenreif an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 10. Dezember 1965. 594 Renaissance-Schloss Schallaburg. Ein Kunstwerk (Hg. v. Amt der NÖ-LReg.), Wien 1989, S. 38.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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berg-Stüblerin“, das im damaligen Gerichtsbezirk Hohenfurth an der Moldau, Oberdonau (GB St.Gem. Wadetschlag, Friedberg, Wulachen und Wörles), gelegen ist und von Rudolf und Wanda Dobrovolny, beide damals wohnhaft in Prag, veräußert wurde. Der Schafflerwald Dürnholz aus dem ursprünglichen Eigentum einer Stiftung Theresi anum konnte als zwischen Nikolsburg und Porlitz (Tschechische Republik) gelegen verortet werden. Diese Erwerbung steht auch mit dem Erwerb der „Staatsjagd Porlitz“ der ehemaligen Tschechoslowakei in Zusammenhang. Die beiden Güter sollten vereint werden. Aus oben erwähnten Gründen wurde auch das „bischöfliche Eigentum Oberburg“ nicht weiter untersucht. Das Benediktinerstift Oberburg, um das es sich aufgrund von Recherchen bei diesem „bischöflichen Eigentum“ zweifelsfrei handelt und das eigentlich der Fallgruppe Orden und Stifte hätte zugeordnet werden müssen, liegt im heutigen Slowenien in der Gemeinde Gornji Grad. Im Zuge des Balkankrieges und der Besetzung Jugoslawiens wurde 1941 die Untersteiermark, ein Teil des heutigen Slowenien, als sogenanntes „CdZ Gebiet“ den Reichsgauen Kärnten bzw. der Steiermark angeschlossen. Der „Chef der Zivilverwaltung“ (CdZ) leitete im Auftrag des Oberbefehlshabers der Wehrmacht die Zivilverwaltung in den faktisch annektierten Gebieten und war zugleich Reichsstatthalter und NSDAP-Gauleiter angrenzender deutscher Gebiete. In Ausübung dieser beiden Funktionen unterstand er wiederum Hitler und dem Reichsministerium des Inneren, welches die Annexion überwachte. Das Benediktinerkloster Oderburg wurde am 7. April 1140 von Diebald von Chagar gemeinsam mit dem Patriarchen von Aquilea Peregrin gegründet und mit einem großen Waldbesitz ausgestattet. Weitere Donatoren folgten, die den Besitz des Klosters mehrten. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde die noch heute bestehende Kathedrale der Heiligen Hermagoras und Fortunatus errichtet, deren Kuppel die flächenmäßig größte in Slowenien ist. Nach der Verwüstung Oberburgs 1471 durch die Türken wurde das Kloster 1473 auf Initiative des Laibacher Bischofs Sigismund von Lamberg durch den Papst aufgelöst, wurde aber von den Bischöfen von Laibach noch zeitweise als Residenz genutzt. Ab 1941 war das in der Nähe von Cilli (Celje) gelegene Oderburg dem Reichsgau Steiermark angegliedert. Am 12. Dezember 1942 benachrichtigte der „Beauftragte der Forstverwaltung in der Untersteiermark“ den Reichsforstmeister, dass „über Auftrag des Gauleiters und Chefs der Zivilverwaltung in der Untersteiermark Uiberreither der ehemalige bischöfliche Besitz in Oberburg im Gesamtausmaß von rund 12.000 ha, davon Waldfläche 7.800 ha, sofort von der bisher zwischenbewirtschaftenden Dienststelle des „Reichskommissars zur Festigung Deutschen Volkstums“ der Forstverwaltung (Deutsches Reich – Reichsforstverwaltung) zu übergeben bzw. von dieser zu übernehmen“ sei.595 Als 595 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 943 66 13, Übernahme von Forsten in der Unterstei-
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Stichtag der Übergabe wurde der 1. Jänner 1943 festgelegt. Der „Beauftragte der Forstverwaltung in der Untersteiermark“ und der Reichsforstmeister vereinbarten, dass die Bewirtschaftung vom 1. Jänner bis 31. März 1943 „für Rechnung“ des Reichsforstamtes zu tragen sei, diese aber ab dem 1. April 1943 für die Reichsforstverwaltung „im Rahmen des Sonderhaushalts des Chefs der Zivilverwaltung“ zu erfolgen habe.596 Sie beorderten Reg. Oberinspektor Fux vom „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ in die Untersteiermark, den sie mit der Übernahme der Wälder in die Zuständigkeit des Landesforstamtes in Graz, der Umstellung des Rechnungs- und Buchungswesens nach den Bestimmungen der Reichsforstverwaltung und mit allen Fragen der Kassaführung beauftragten.597 Das Familienfondsgut Krampen, das zum Kriegsgeschädigtenfonds und damit zum ursprünglichen Familienversorgungsfonds Habsburg gehört, blieb ebenfalls unberücksichtigt.
3.2.3. Liegenschaften, die folgende Eigenschaften aufweisen: Sie scheinen in der Datenbank der Historikerkommission mit dem Stand 17. Jänner 2001 als im Eigentum der Republik Österreich (ÖBF) bzw. ÖBF AG befindlich auf; im jeweiligen Grundbuch ist ein Rückstellungsverfahren angemerkt worden; sie sind jedoch nicht in den Verzeichnissen aus den Jahren 1945, 1946 und 1948 erfasst worden Das Untersuchungssample wurde ursprünglich durch 50 EZ, auf welche die oben genannten Voraussetzungen zutrafen und die 22 ehemaligen Eigentümern zugeordnet werden konnten (in fünf Fällen war die Identität der Eigentümer nicht angeführt) ergänzt. Nach zusätzlichen Recherchen stellte sich heraus, dass 17 EZ, die zwölf Eigentümern zugeordnet werden konnten, bereits in der Studie Hamböck Erwähnung gefunden haben (Unterstützungsinstitut der Schutzpolizei in Wien 4, Goberlinger Wald, EZ 27 KG Stadtschlaining; Gut Ugersbach GmbH, EZ 92 KG Schwarzau im Gebirge und EZ 210 KG Gutenstein; Familienversorgungsfonds Habsburg, EZ 178 KG Mannsdorf und EZ 93 KG Schönau an der Donau; Arbeiterkrankenversicherungskasse Wien, EZ 17, 106, 178, 201 KG Arndorf; Deutscher Ritterorden, EZ 180 KG Laab im Walde; Herrschaft ermark, Der Chef der Zivilverwaltung in der Untersteiermark, Der Beauftragte der Forstverwaltung, an den Reichsforstmeister, 12. Dezember 1942. 596 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 943 66 13, Übernahme von Forsten in der Untersteiermark, Der Reichsforstmeister an den Chef der Zivilverwaltung in der Untersteiermark, Beauftragter der Forstverwaltung, 5. Jänner 1943. 597 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 943 1715 13, Übernahme von Forsten in der Untersteiermark, Der Reichsforstmeister an das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, 28. Mai 1943.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Fahrafeld [Gut Neuhaus] des Georg Graf Wimpffen, EZ 302 KG Fahrafeld und die zunächst einem „unbekannten Eigentümer“ zugeordnete EZ 170 KG Altenmarkt; Dr. Alfred Wolfgang Wurzbach, danach Viktor Zauner, EZ 37 KG Bad Ischl; Alois Müllegger, EZ 84 KG Perneck; Sgalitzer-Besitz in Bad Gastein, EZ 579 KG Badgastein; Franz und Marianne Eder, „Wendelhof“ EZ 57 KG Göriach; Franz und Maria Murg vulgo Öttaler, EZ 56 KG Oswaldgraben, ehemals Religionsfondsbesitz). Diese 17 EZ wurden aus dieser Untersuchung herausgenommen, sodass letztlich 33 EZ, die zehn Eigentümern zugeordnet werden konnten (in zwei Fällen war die Identität der Eigentümer nicht angeführt), verblieben. Eine Überprüfung der Erwerbungen erfolgte anhand der jeweiligen historischen Grundbuchauszüge und der Unterlagen in den betreffenden Urkundensammlungen. Da es sich nur um zehn Eigentümer handelt, unterblieb eine Zuteilung zu Fallgruppen. Es wurde eine numerische Aufzählung vorgezogen. 1.) Ursprünglicher Eigentümer: zunächst unbekannt; Liegenschaft EZ 1491 KG Man nersdorf am Leithagebirge, Grundstück 284 Ruine Scharfenegg, BG Bruck an der Leitha, Niederösterreich: Grundstück 284 Ruine Scharfenegg der EZ 1491 KG Mannersdorf gehörte zum ursprünglichen Gut Scharfenegg-Mannersdorf des Familienver sorgungsfonds Habsburg, ehemals EZ 570 KG NÖ Landtafel, der nicht Gegenstand dieses Projektes ist (die Republik Österreich machte dieses Gut als durch das Deutsche Reich entzogenes Vermögen nach dem Ersten Rückstellungsgesetz geltend; die Rückstellung erfolgte am 25. Jänner 1955 mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland. Am 21. Juni 1982 wurde im Grundbuch beim Eigentum der Republik Österreich der Zusatz „Österreichische Bundesforste“ angemerkt). 2.) Ursprünglicher Eigentümer: „Aktiengesellschaft für Edelobstkulturen“ in Vaduz; Liegenschaft „Gut Unterbergern“ EZ 223, 229 KG Oberbergern, EZ 139 KG Paudorf, EZ 50, 76, 90, 281, 282 KG Unterbergern, BG Krems an der Donau, Niederösterreich. Die „AG für Edelobstkulturen“ in Vaduz erwarb das 294 ha große Gut aufgrund des Meistbotsverteilungsbeschlusses vom 1. August 1931 aus dem ursprünglichen Eigentum von Otto Stolle. Aus den Grundbüchern ist ersichtlich, dass ab März 1938 laufend Pfandrechte zugunsten des Landes Niederösterreich bzw. der Landwirtschaftskrankenkasse für NÖ einverleibt worden sind. Mit Beschluss des Amtsgerichtes Krems vom 18. Juni 1938 wurde schließlich das Veräußerungsverbot und die kommissarische Verwaltung des Gutes angemerkt. In der Zwangsversteigerung der Liegenschaften am 20. Juli 1939 erzielte Konrad Stelzer das Meistbot, dessen Eigentumsrecht am 14. Februar 1940 in den Grundbüchern einverleibt wurde. Aufgrund einer Erklärung vom 23. Jänner 1941 erfolgte
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
zwar die Anmerkung des Vorkaufsrechts zugunsten des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung), bis zum Mai 1945 ist es aber zu keiner Eigentumsübertragung gekommen. Mit Teilerkenntnis vom 22. März 1960598 verpflichtete die Rückstellungskommission beim LGfZRS Wien die Antragsgegnerin, Verlassenschaft nach Konrad Stelzer, vertreten durch Dr. Fritz Stelzer, München, der Rückstellungswerberin „AG für Edelobstkulturen“ in Vaduz, sämtliche Liegenschaften des Gutes Unterbergern zurückzustellen, da es sich bei dem Erwerb im Zuge der Zwangsversteigerung um eine nichtige Vermögensentziehung gehandelt habe, bei der die „Regeln des redlichen Verkehrs“ „auch im übrigen“ nicht eingehalten worden seien. Mit Kaufvertrag vom 10. August 1970 veräußerte die „AG für Edelobstkulturen“ in Vaduz die Liegenschaften an die Republik Österreich (Österreichische Bundesforste).599 3.) Ursprünglicher Eigentümer: Felix Klein, Adresse am 13. März 1938: Wien 13, Hietzinger Hauptstraße 4; Liegenschaft EZ 58, 130, 131, 132, 133, 134, 135 KG Pfalzau, BG Purkersdorf, Niederösterreich. Bei den Liegenschaften handelt es sich um ehemals jüdi sches Eigentum. Die VVSt. bestellte am 7. März 1939 Reinhard Werner zum zwangsweisen „Abwickler“ für das Unternehmen „Weingroßhandlung Klein & Brandl“, Wien 13, Pfandenhauergasse 2, und für das Privatvermögen von Otto, Ernestine und Felix Klein. Letzterem war zu diesem Zeitpunkt bereits die Flucht aus Österreich geglückt. Mit Kaufvertrag vom 30. Juni 1939 veräußerte Reinhard Werner die Liegenschaften Felix Kleins im Gesamtausmaß vom 1,5 ha an Anton Pantleon, Kaufmann in Pressbaum, Pfalzauerstraße 31, um den zunächst vereinbarten Kaufpreis von RM 6.100,--. Dabei sollten öS 5.400,-- = RM 3.600,--, die Pantleon in den Jahren 1929 bis 1931 bereits an Felix Klein entrichtet hatte, auf den Kaufpreis angerechnet werden. Der Restbetrag in der Höhe von RM 2.500,-- sollte auf ein Konto „Felix Klein Liegenschaften Verkauf“ bei der CA Wiener Bankverein zur Verfügung der „Firma Klein & Brandl AG in Liquidation“ erlegt werden. Nachdem im Genehmigungsverfahren durch das Ministerium für Landwirtschaft als Obere Siedlungsbehörde der Schätzwert der Liegenschaften mit RM 4.500,-- festgelegt worden war, kamen die Vertragsparteien in einem Nachtrag vom 16. August 1939 überein, den ursprünglichen Kaufpreis von RM 6.100,-- auf diese Summe zu reduzieren. Es sollten daher nur mehr RM 900,-- auf erwähntes Konto erlegt werden, der Rest wurde dem Käufer wieder zurückbezahlt. Das Ministerium für Landwirtschaft in Wien als Obere Siedlungsbehörde genehmigte mit Bescheid vom 2. September 1939 den unter diesen Bedingungen geschlossenen Kaufvertrag gemäß § 8 der „Verordnung 598 GZ Rk 79/58. 599 Siehe dazu auch 50 Jahre Österreichische Bundesforste, S. 247.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938. Zugleich verfügte das Ministerium gemäß § 15 dieser Verordnung, dass der Käufer RM 450,-- als Ausgleichsumlage auf ein Konto zugunsten des Deutschen Reiches einzubezahlen habe. Die restlichen RM 450,-- gelangten nach der Genehmigung durch die Devisenstelle Wien, die am 22. September 1939 erfolgt ist, auf ein sog. „Auswanderersperrkonto“. Mit Beschluss des BMfVS und WP vom 14. Oktober 1946 wurden in den Grundbüchern der Liegenschaften die Bestellung der öffentlichen Verwaltung und mit Beschluss der RK beim LGfZRS Wien vom 16. Jänner 1948600 am 10. Februar 1948 die Einleitung des Rückstellungsverfahrens angemerkt. Diese Anmerkung wurde aufgrund des Beschlusses der RK vom 8. Juni 1949 am 17. Juni 1949 gelöscht und die öffentliche Verwaltung am 27. Juni für beendet erklärt. Zwar finden sich in der Urkundensammlung zu den Liegenschaften keine Unterlagen mehr, doch ist es wahrscheinlich, dass es zu einer Regelung in Form eines Vergleiches zwischen Anton Pantleon und Felix Klein bzw. dessen Rechtsnachfolgern gekommen ist, wonach Anton Pantleon Eigentümer der Liegenschaften blieb. Mit Kaufvertrag vom 19. März 1957 veräußerte die Verlassenschaft nach dem am 15. Februar 1956 verstorbenen Anton Pantleon, vertreten durch die erbserklärten gesetzlichen Erben, seine Witwe Else Pantleon bzw. sein Sohn Dr. Johann Pantleon, beide zum damaligen Zeitpunkt wohnhaft in Graz, die Liegenschaften EZ 58, 130 und 131 KG Pfalzau sowie EZ 894 KG Pressbaum im Gesamtausmaß von 8.359 m² um den Kaufpreis von öS 15.000,-- an die Republik Österreich (Österreichische Bundesforste). 4.) Ursprünglicher Eigentümer: Eugen Kern, Eisen- und Kohlehändler in Ravensburg, und Bernhard Müller, ebenfalls Ravensburg, beide deutsche Staatsbürger, je zur Hälfte; Liegenschaft „Weissenburger Gut“ EZ 63 KG Dachsberg, EZ 217, 352, 358 KG Fran kenfels, BG Scheibbs und BG St. Pölten, Niederösterreich. Eugen Kern und Bernhard Müller erwarben das „Weissenburger Gut“ mit den in Ravensburg abgeschlossenen Kaufverträgen vom 21., 27., und 29. August 1930 vom Voreigentümer Ernst Forster je zur Hälfte. Nach dem „Anschluss“ wurde am 9. Juli 1938 die Eröffnung des Entschuldungsverfahrens im Grundbuch angemerkt und am 23. Februar 1942 wieder gelöscht. Am 25. bzw. 26. Februar 1941 schlossen die beiden Hälfteeigentümer jeweils in Ravensburg einen Kaufvertrag mit Otto Fürst zu Salm-Horstmar, Land- und Forstwirt auf Schloss Varlar bei Coesfeld im westlichen Münsterland, über ihren Anteil am „Weissenburger Gut“. Der Kaufvertrag Eugen Kerns liegt in der Urkundensammlung zu den Liegenschaften auf. Demnach war für den Hälfteanteil an den Liegenschaften ein Kaufpreis von RM 142.500,-- vereinbart worden. In Artikel II des Vertrages wurde festgestellt, dass „kein 600 GZ 59 Rk 34/48.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Vertragsteil Jude ist, oder als Jude gilt“. In einem Nachtrag vom 26. Februar 1942 erfuhr der Kaufvertrag in zwei Punkten Änderungen: Philipp Franz Prinz zu Salm-Horstmar, damals wie sein Vater wohnhaft in Osterwick, Höven 44, trat als Universalerbe anstelle seines am 2. März 1941 verstorbenen Vaters in den Kaufvertrag ein. Der Landrat des Kreises St. Pölten setzte mit Bescheid vom 16. Jänner 1942 den Kaufpreis von RM 142.500,-- auf RM 124.500,-- herab. Mit Beschluss des BG Scheibbs bzw. BG St. Pölten vom 30. Juli 1955 bzw. 4. Dezember 1956 wurde aufgrund des Bescheids des BMF vom 27. Juli 1955 bzw. 26. November 1956 die Bestellung der Landwirtschaftskammer für Niederösterreich zum öffentlichen Verwalter für die Liegenschaften in den jeweiligen Grundbüchern angemerkt. Die Löschung der Anmerkungen erfolgte aufgrund eines Bescheides des BMF vom 15. April 1960. Aufgrund des Beschlusses der RK beim LGfZRS Wien vom 25. September 1961601 wurde die Einleitung des Rückstellungsverfahrens angemerkt und am 29. April 1964 wieder gelöscht. Als die Grundbucheintragungen der Liegenschaften KG Frankenfels am 6. Oktober 1966 in ein neues Grundbuch übernommen wurden, waren die unter den OZ 4 – 15 vorgenommenen Eintragungen nicht mehr sichtbar („Gelöscht und Löschung“), sodass an diesem Tag noch immer „Philipp Franz Fürst zu Salm-Horstmar“ als Alleineigentümer des „Weissenburger Gutes“ aufschien (nach Zusammenziehung der in seinem Eigentum stehenden Hälften). Philipp Franz Fürst zu Salm-Horstmar veräußerte das Gut mit Kaufvertrag vom 17. Februar bzw. 3. März 1972 an die Republik Österreich (Österreichischen Bundesforste). Die Intabulation erfolgte mit Beschluss des BG Scheibbs bzw. BG St. Pölten vom 11. Juni bzw. 3. Juli 1972. 5.) Ursprünglicher Eigentümer: Baron Louis Nathaniel de Rothschild; Liegenschaften EZ 789, 959, 960, 986 KG Waidhofen, EZ 136, 145, 156 KG Wirts, EZ 21, 23, 24, 25, 37 KG Ybbssteinbach, alle BG Waidhofen an der Ybbs, Niederösterreich. Mit Schnellbrief der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Wien, an das Amtsgericht Waidhofen vom 5. April 1938 erging das „Ersuchen“, im Grundbuch auf den Liegenschaften EZ 789, 959, 960, 986 KG Waidhofen, EZ 136, 145, 156 KG Wirts, EZ 21, 23, 24, 25, 37 KG Ybbssteinbach des Louis Freiherr von Rothschild das Eigentumsrecht für das Deutsche Reich einzuverleiben. Aufgrund der „Zweiten Verordnung zum Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 18. März 1938602 in Verbindung mit dem Erlass des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium
601 GZ RK 1023/61. 602 RGBl. I S. 262.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
245
des Inneren vom 23. März 1938603 waren die Liegenschaften zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen und alle Rechte an diesen Vermögenswerten für erloschen erklärt worden. Das Eigentum ging mit dem 5. April 1938 über. Nur bei den Liegenschaften der KG Waidhofen wurde am 13. Mai 1939 der Rekurs gegen die Eigentumseinverleibungen im Grundbuch angemerkt, die Löschung erfolgte jedoch bereits am 28. Juni 1939. Am 22. bzw. 24. August 1942 wurde in den Grundbüchern aufgrund der Zuschrift des Reichswirtschaftsministeriums vom 18. August 1942 das Eigentumsrecht des „Verwaltungszweiges Reichsforstverwaltung „angemerkt“. Mit Beschluss des BG Waidhofen vom 7. Juli 1945 und aufgrund der „Vollmacht des Staatsamtes für Land und Forstwirtschaft“ vom 5. Juli 1945 erfolgte nur auf den Liegenschaften der KG Ybbsteinbach die Anmerkung der Bestellung des Ing. Schönfeldt zum öffentlichen Verwalter. Die Anmerkungen wurden bereits am 13. Oktober 1945, aufgrund einer Zuschrift der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 10. Oktober 1945, gelöscht. Am 26. Februar 1947 brachte Louis de Rothschild, vertreten durch RA Rudolf Skrein, bei der FLD für Wien, NÖ und Bgld. einen Rückstellungsantrag nach dem Ersten Rückstellungsgesetz ein. Mit Bescheid vom 26. April 1948 und Rechtswirksamkeit vom 30. April 1948604 stellte die FLD das Gut Waidhofen an der Ybbs, darunter sämtliche oben angeführte Liegenschaften, die von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste verwaltet worden waren, an Louis de Rothschild zurück. Die FLD sah die Voraussetzungen für eine Rückstellung nach dem Ersten Rückstellungsgesetz als gegeben an, weil die Entziehung der Liegenschaften vom Deutschen Reich aufgrund von aufgehobenen reichsrechtlichen Vorschriften bzw. durch verwaltungsbehördliche Verfügung ohne irgendwelche Gegenleistung erfolgt war und das entzogene Vermögen von einer Dienststelle des Bundes verwaltet worden war. Bezüglich der Ausfolgung der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht feststehenden Erträgnisse und der Feststellung der Ersatzansprüche aus der Verwaltung des Gutes, die nach einer Mitteilung der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste voraussichtlich öS 600.000,-- betragen würden, verfügte die FLD bis zur Erlassung eines gesonderten Bescheides die Sicherung der Ersatzansprüche durch Einverleibung einer Kautionshypothek in der Höhe von öS 600.000,-- auf den Liegenschaften. Mit Grundbuchsbeschluss vom 2. September 1948605 bewilligte das BG Innere Stadt-Wien die Einverleibung des Eigentumsrechts für Louis de Rothschild. Nachdem Louis de Rothschild wieder frei verfügungsberechtigter Eigentümer des Forstgutes Waidhofen an der Ybbs sowie des Forstgutes Göstling geworden 603 GZ C.d.S. B.Nr. 150/38. 604 GZ. GA XIV 20.119–22/48. 605 GZ 5464/48.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
war, befassten sich die durch einen Ministerratsbeschluss vom 14. Jänner 1947 ermächtigten Ministerien für Landwirtschaft und Finanzen mit seinem Angebot, die beiden Forstgüter gegen Übernahme seiner Pensionslasten durch den Bund an die Republik Österreich zu übereignen. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, die mit der Wertberechnung der beiden Forstgüter sowie der Pensionslasten beauftragt worden war, errechnete dabei laut einem Bericht an das BMF vom 18. Oktober 1948 einen Schätzwert der Liegenschaften und Betriebe in der Höhe von öS 9,286.500,--. Dabei scheint im Gutachten nur der halbe Wert eines Sägewerks auf. Der andere Hälfteanteil stand im Eigentum von Clarice de Rothschild, der Witwe von Alphonse de Rothschild, die sich jedoch weigerte, diesen Anteil an die Österreichischen Bundesforste abzutreten. Die Generaldirektion hoffte, diesen später im Zuge der Rückstellung des Gutes Langau an Clarice de Rothschild aus dem Titel von Vergütungsansprüchen aus der Verwaltung des Gutes in Höhe von öS 1 Mio. im Kompensationswege zu erwerben.606 Weiters führte die Generaldirektion in ihrem Bericht in einer Fußnote aus, dass der Liegenschaftswert nur den Ertragswert darstelle und daher der Wert des bereits geschlägerten und zum Verkauf bereitliegenden Holzes nicht berücksichtigt werden konnte. Diesen schätzte die Generaldirektion auf mindestens öS 600.000,--, sodass Louis de Rothschild Werte von öS 9,286.500,-- plus öS 600.000,--, daher insgesamt öS 9,886.500,--, an den Bund übergeben hätte. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste betrachtete den Wert der Holzvorräte als Ausgleich für die „formelle passive Gebarung der Güter für die Zeit bis zum Stichtag der Rückstellung“,607 dem 30. April 1948, obwohl später in den Kaufvertrag der gegenseitige Verzicht auf die Verrechnung der Erträgnisse und Aufwendungen aufgenommen wurde, mit dem auch die Sicherungshypothek zum Erlöschen gebracht wurde. Diesem errechneten Wert standen kapitalisierte Pensions- und Rentenleistungen in Höhe von rund öS 9 Mio. gegenüber. Im Frühjahr 1949 schloss die Republik Österreich mit Louis de Rothschild einen Vertrag, in dem sich dieser verpflichtete, die Liegenschaften der Forstgüter Waidhofen und Göstling unter gegenseitigem Anspruchsverzicht in das Eigentum der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) zu übertragen. Im Gegenzug übernahm die Republik Österreich rückwirkend mit dem 1. April 1947 sämtliche frühere Angestellte Rothschilds samt ihren „Pensionen, Renten, Gnadengaben und Deputaten“ als Angestellte des Bundes. Es bedurfte noch eines besonderen Bundesgesetzes, mit dem eine gesetzliche Pensionsverpflichtung Rothschilds gegenüber seinen Angestellten zum Erlöschen gebracht werden musste. Das 606 ÖStA/AdR, ÖBF, 1948, GZ 6741-Pr. 48, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMF, 18. Oktober 1948, S. 2. 607 Ebda., S. 6.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
247
diesbezügliche „Bundesgesetz vom 13. Juli 1949, betreffend die Übernahme der Louis de Rothschild’schen Domänen Waidhofen an der Ybbs und Göstling durch die Republik Österreich“608 wurde am 10. September 1949 im BGBl. kundgemacht. 6.) Ursprünglicher Eigentümer: Johann und Christine Fuchs je zur Hälfte; Liegenschaft „Hirschenhubergut in Salchgraben Nr. 4“, EZ 92 KG St. Pankratz, BG Windisch garsten, Oberösterreich. Johann und Christine Fuchs veräußerten mit Kaufvertrag vom 28. Mai bzw. 3. Juni 1943 die Grundstücke Nr. 548 Wiese, 584/1 Wald, 584/2 unproduktiv und 584/11 Wald im Gesamtausmaß von 4,79 ha aus ihrer Liegenschaft EZ 39 KG St. Pankratz, die sie mit Einantwortungsurkunde vom 22. Mai 1901 bzw. Ehepakt vom 25. Jänner 1931 übertragen bekommen hatten, an die „Deutsche Heraklith AG“ mit Sitz in München 2, Pettenbeckstraße 5. Als Kaufpreis waren RM 38.782,-- vereinbart worden, wobei der Hauptteil des Betrages auf die Gebäude, eine Feldschmiede, eine Rollbahn samt Wagen sowie auf einen Kalkofen und nur RM 1.410,-- auf die Grundstücke entfiel. Die „Deutsche Heraklith AG“ verpflichtete sich im Kaufvertrag, RM 37.702,-- nach der grundbücherlichen Durchführung zu bezahlen, die restlichen RM 1.080,-- sollten jedoch durch die Verpflichtung, für jeden zur Verladung gebrachten Dolomit zwei Pfennige zu bezahlen, aufgebracht werden, wobei der Jahreswert bei RM 60,-- lag. Im Kaufvertrag räumten die Verkäufer Johann und Christine Fuchs dem Erwerber neben einem Vorkaufsrecht zahlreiche Servituten auf den ihnen verbliebenen Liegenschaftsteilen ein, wie die Schlägerung des Waldes und den Abtransport des Holzes, die Benützung der Gleisanlagen, die Duldung einer Seilbahnüberquerung und das Aufstellen von Strommasten. Nach der Unbedenklichkeitsbescheinigung der Preisüberwachungsstelle und der Genehmigung des Vertrages durch den Landrat des Kreises Kirchdorf an der Krems wurden die Grundstücke von der EZ 39 KG St. Pankratz abgeschrieben und am 23. August 1943 der neu eröffneten EZ 92 KG St. Pankratz zugeschrieben. Mit Beschluss des Amtsgerichtes Windischgarsten vom selben Tag erfolgte die Einverleibung des Eigentumsrechts für die „Deutsche Heraklith AG“. Aufgrund eines Rückstellungsvergleiches (Wiedergutmachungsabkommen) vom 18. November 1949, abgeschlossen vor der Wiedergutmachungsbehörde I in München609 samt Übereinkommen Nr. 1 und 2 vom gleichen Tage und des Aufteilungsabkommens (Dissolution Contract) sowie des hiezu gehörigen Zusatzabkommens Nr. 1 (Supplementary Agreement) vom 5. Dezember 1950 verpflichtete sich die „Deutsche Heraklith AG“, inzwischen Simbach am Inn, die Liegenschaft EZ 92 KG St. Pankratz an die „Österreichisch Amerikanische Magnesit AG“ in Radenthein zurückzustellen, indem sie diese in deren Eigentum 608 BGBl. Nr. 202/1949. 609 GZ Ia 2573, 2574, 2576, 4467.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
übertrug. Mit Bescheid vom 4. Mai 1954610 gab das BMF „der Meinung Ausdruck“, dass das in Österreich gelegene Eigentum der „Deutschen Heraklith AG“ aufgrund des abgeschlossenen Rückstellungsvergleiches nicht als „Deutsches Eigentum“ anzusehen sei und daher auch nicht den in Österreich für ehemals „Deutsches Eigentum“ geltenden Beschränkungen unterliege. Daraufhin schlossen die „Deutsche Heraklith AG“ und die „Österreichisch Amerikanische Magnesit AG“ am 17. Dezember 1954 ein Rückstellungsübereinkommen über die Übergabe der Liegenschaft. Mit Beschluss des BG Windischgarsten vom 25. Februar 1955 wurde im Grundbuch das Eigentumsrecht für die „Österreichisch Amerikanische Magnesit AG“ einverleibt. Mit Kaufvertrag vom 8. Juli 1980 veräußerte die „Österreichisch Amerikanische Magnesit AG“ die Liegenschaft EZ 92 KG St. Pankratz an die „Tiroler Magnesit AG“, die wiederum die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 12. September bzw. 24. Oktober 1980 an die Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) veräußerte. Die Intabulation erfolgte mit Beschluss des BG Windischgarsten vom 7. Februar 1983. 7.) Ursprüngliche Eigentümerin: Florence von Poser (auch Florence „de“ Poser), Gutsbesitzerin in Lofer; Liegenschaft „Das Seidlgut (oder Oberrain)“ EZ 11 KG Unken; „Aschlgründe in Unken“ EZ 15 KG Unken, BG Saalfelden, Salzburg; die „vom Rauschgut in Gföll vorbehaltenen Grundstücke Nr. 515/1, 516/2, 558, 515/4, 515/5 je Wald der EZ 29 KG Gföll“. Mit Kaufvertrag vom 9. Oktober 1940 veräußerte Florence de Poser das „Seidlgut“, einige Grundstücke aus der EZ 29 KG Gföll sowie die „Aschlgründe“ EZ 15 KG Unken, die ihr aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 22. Jänner 1923611 aus dem ursprünglichen Eigentum von Hermann Gewista übertragen worden waren, an die NS-Volkswohlfahrt e.V. in Berlin-Neukölln, Maybachufer 48/51, vertreten durch Oberbefehlsleiter Erich Hilgenfeldt, dieser vertreten durch den Gauamtskassenverwalter Luis Ebner, Salzburg. Als Kaufpreis war die Summe von RM 290.000,-für alle Liegenschaften vereinbart worden, die laut Vertrag am 1. November 1940 fällig wurde und auf ein Konto der Verkäuferin bei der Landeshypothekenanstalt Salzburg einzubezahlen war. Aus dem Kaufvertrag geht nicht hervor, ob Florence de Poser Jüdin gewesen ist, auch fehlt eine entsprechende „Klausel“ im Kaufvertrag. Mit Beschluss des BG Saalfelden vom 27. November 1940 wurde im Grundbuch bei der Liegenschaft EZ 15 KG Unken das Eigentumsrecht für die NS-Volkswohlfahrt in Berlin einverleibt. Aufgrund des Bescheides der Finanzlandesdirektion Salzburg vom 4. Juli 1956612, des Kaufvertrages vom 21. Dezember 1956 und des Vergleiches vom 16. Juli 1956 erfolgte mit 610 Zl. 157424–33/54. 611 GZ A 55/19. 612 Zl. 4/7 – IV R – 1956.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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Beschluss des BG Saalfelden vom 20. August 1957 die Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten des Landes Salzburg. Das Land Salzburg veräußerte die Liegenschaft EZ 15 KG Unken mit Kaufvertrag vom 28. Dezember 1961 bzw. 10. Jänner 1962 an die Republik Österreich (Österreichische Bundesforste), die Einverleibung des Eigentumsrechts erfolgte am 25. Mai 1962. 8.) Ursprünglicher Eigentümer: „Ferienhort für bedürftige Gymnasial- und Realschü ler“ in Wien 9, Sensengasse 3; Liegenschaften EZ 2, 27, 32, 36, 39, 54, 59, 67, 74, 81 KG Ried, EZ 32 KG Winkl, BG Sankt Gilgen, Salzburg, EZ 113 KG Gschwendt. Der „Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände“ löste mit Bescheid vom 22. Juni 1938613 den Verein „Ferienhort für bedürftige Mittelschüler“ in Wien 9, Sensengasse 3, aufgrund des Gesetzes vom 17. Mai 1938614 auf und wies dessen Liegenschaften, darunter die seit 1910 im Eigentum des Vereins befindliche Liegenschaft EZ 32 KG Winkl, in das Vermögen der NS-Volkswohlfahrt in Berlin e.V. ein. Mit Beschluss des BG Thalgau vom 26. Oktober 1938 erfolgte die Einverleibung des Eigentumsrechts für die NS-Volkswohlfahrt in Berlin e.V. Gemäß § 1 des Verfassungsgesetzes vom 8. Mai 1945615 ging das Vermögen der NSVolkswohlfahrt in Berlin e.V. durch Verfall in das Eigentum der Republik Österreich über. Mit Beschluss des BG Thalgau vom 13. September 1946 wurde auf der Liegenschaft EZ 32 KG Winkl das Eigentumsrecht für die Republik Österreich einverleibt. Der Wiener Magistrat, MA 7, setzte mit Bescheid vom 4. Oktober 1945616 die Auflösung des Vereines „Ferienhort für bedürftige Mittelschüler“ gemäß den Bestimmungen des Vereinsorganisationsgesetzes vom 31. Juli 1945617 außer Kraft und gestattete dem Verein gemäß § 5 mit Bescheid vom 6. Dezember 1945 die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit. Am 18. April 1947 brachte der Verein, vertreten durch seinen Obmann Dr. Hans Perntner, bei der Finanzlandesdirektion Salzburg einen Rückstellungsantrag nach dem Zweiten Rückstellungsgesetz ein. Mit Bescheid vom 21. April 1947618 stellte die Finanzlandesdirektion Salzburg die Liegenschaften, darunter die Liegenschaft EZ 32 KG Winkl, die sich im Eigentum der Republik Österreich und in Verwaltung des Amtes der Salzburger Landesregierung befunden hatte, an den Verein „Ferienhort für bedürftige Mittelschüler“ zurück, da es sich bei der Auflösung des Vereines und der Übertragung seines Vermögens um 613 Zl. IV Ac Referat 22/F Gc–34. 614 GBl.f.d.L.Ö Nr. 136/38. 615 StGBl. Nr. 13. 616 Zl. MA 7/2–4937/45. 617 StGBl. Nr. 102. 618 Zl. 80 – Dep. IV R/47.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
eine Vermögensentziehung aus politischen Gründen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme gemäß § 1 Abs. 1 des Zweiten Rückstellungsgesetzes gehandelt habe. Mit Beschluss des BG Sankt Gilgen vom 30. April 1947 wurde auf der Liegenschaft EZ 32 KG Winkl wieder das Eigentumsrecht für den Verein „Ferienhort für bedürftige Mittelschüler“ einverleibt. Mit Tauschvertrag vom 23. August 1974 veräußerte der Verein „Ferienhort für Mittelschüler“ – das Wort „bedürftige“ war 1958 gestrichen worden – die Liegenschaft an die Republik Österreich (Österreichische Bundesforste). Die Intabulation erfolgte mit Beschluss vom 28. Juli 1975. 9.) Ursprünglicher Eigentümer: Isidor Mautner, gestorben am 13. April 1930, letzte Wohn adresse Wien 18, Khevenhüllerstraße 102; Liegenschaft „Schwaiberalm“ EZ 384 KG Grundlsee, BG Bad Aussee, Steiermark. Mit Beschluss des Amtsgerichtes Wien-Döbling vom 1. Februar 1943619 wurde die Einantwortungsurkunde des Handelsgerichtes Wien vom 10. Oktober 1933620 dahingehend ergänzt, dass die Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Erben des am 13. April 1930 verstorbenen jüdischen Industriellen Isidor Mautner auf den Liegenschaften des Verstorbenen, darunter die Liegenschaft EZ 384 KG Grundlsee, vorzunehmen war, und zwar für seine Kinder Stefan Mautner, Marie Kalbeck und Käthe Breuer zu je einem Viertel sowie für seine Enkel – Kinder seines 1924 verstorbenen Sohnes Konrad Mautner – Heinrich Mathias Mautner, Lorenz Sebastian Mautner, Konrad Michael Mautner und Anna Mautner zu je einem Sechzehntel. In einer Amtsbestätigung vom 10. Mai 1944621 gab der Oberfinanzpräsident (OFP) Oberdonau in Linz bekannt, dass der Chef der Sicherheitspolizei und des SD in Berlin mit Erlass vom 23. April 1944622 festgestellt hatte, dass das Vermögen von Stefan Mautner, Maria Kalbeck, Heinrich Mathias Mautner, Konrad Michael Mautner und Anna Mautner gemäß § 8 Abs. 1 der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 25. November 1941623 dem Deutschen Reich verfallen war. Mit Erlass des RMF vom 25. April 1942624 war der Oberfinanzpräsident Oberdonau in Linz bevollmächtigt worden, das verfallene Vermögen im eigenen Namen zu verwalten und zu verwerten. Außerdem hatte die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Wien, mit Einziehungserkenntnis vom 17. Februar 1943625 das gesamte Vermögen von Käthe Breuer gemäß § 1 der „Verordnung über die Einziehung 619 GZ 8 A 423/35. 620 GZ A 116/30-90. 621 GZ 0 5300 B – 180/43 – P 3 a/DW. 622 GZ IV A 4 b – (II) c Nr. 1209/43. 623 RGBl. I S. 722. 624 GZ 0 5210 – 2020 VI. 625 GZ B.Nr. 2363/42/3a IV B 4.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938626 zugunsten des Deutschen Reiches (Reichsfinanzverwaltung) eingezogen. Weiters hatte der Chef der Sicherheitspolizei und des SD in Berlin mit Erlass vom 30. Juni 1943627 betreffend den Vermögensverfall von Lorenz Mautner aufgrund der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ festgestellt, dass für die Verwaltung und Verwertung des verfallenen Vermögens der Oberfinanzpräsident Wien-Niederdonau – Vermögensverwertungsstelle in Wien – zuständig sei. Die Einverleibung des Eigentumsrechts der Erben nach Isidor Mautner, denen zu diesem Zeitpunkt die Flucht aus Österreich geglückt war, auf den Liegenschaften unterblieb daher. Noch vor der Amtsbestätigung vom 10. Mai 1944 schloss der vom RMF mit der Verwaltung und Verwertung der Liegenschaft EZ 384 KG Grundlsee ermächtigte OFP Oberdonau am 5. Mai 1944 ein Überlassungsübereinkommen mit dem Deutschen Reich, Reichsfiskus Luftfahrt, vertreten durch den Kommandanten der Fliegertechnischen Schule 5 in Wischau, Mähren. Der OFP übertrug die Liegenschaft unentgeltlich an das Deutsche Reich, Reichsfiskus Luftfahrt, welches sich verpflichtete, die in etwa dem Schätzwert entsprechenden, auf der Liegenschaft haftenden Schulden in Höhe von RM 4.462,80 zu tilgen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Aussee vom 15. Mai 1944 wurde das Eigentumsrecht für das Deutsche Reich (Reichsfiskus Luftfahrt) einverleibt. Aufgrund des Beschlusses der RK beim LGfZRS Linz vom 16. März 1949628 wurde im Grundbuch der Liegenschaft EZ 384 KG Grundlsee am 19. März 1949 die Einleitung des Rückstellungsverfahrens angemerkt und am 18. Jänner 1954 aufgrund des Beschlusses der RK beim LGfZRS Linz vom 13. Jänner 1954 gelöscht. Die Rechtsnachfolger der Erben nach Isidor Mautner hatten am 26. Juni 1953 einen Rückstellungsvergleich abgeschlossen, demzufolge der Antragsgegner Deutsches Reich Eigentümer der Liegenschaft blieb. Aufgrund des Art. 22 des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 und des § 11 Abs. 1 des „Staatsvertragsdurchführungsgesetzes“ vom 25. Juli 1956 wurde mit Beschluss des BG Bad Aussee vom 28. November 1956 das Eigentumsrecht für die Republik Österreich einverleibt. Mit Beschluss vom 13. Februar 1959 erfolgte aufgrund eines Verwaltungsübereinkommens vom 23. Dezember 1958 bei der Eigentumseinverleibung die Anfügung des Zusatzes „Österreichische Bundesforste“. Derzeit bereiten einige Rechtsnachfolger der Erben nach Isidor Mautner einen Antrag an die Schiedsinstanz für Naturalrestitution gegen die Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) auf Rückstellung der Liegenschaft EZ 384 KG Grundlsee vor, da ihrer Ansicht nach der Vergleich vom 26. Juni 1953 als „extrem ungerecht“ einzustufen sei. 626 RGBl. I S. 1620. 627 GZ IV B 4 b – 4 – M 12 356. 628 GZ Rk 55/49.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
10.) Ursprünglicher Eigentümer: zunächst unbekannt; Liegenschaft EZ 40 KG Krampen, BG Mürzzuschlag, Steiermark. Wie die Liegenschaft EZ 1491 KG Mannersdorf stand auch die Liegenschaft EZ 40 KG Krampen im ursprünglichen Eigentum des Familien versorgungsfonds Habsburg (siehe Punkt 1) und ist nicht Gegenstand dieses Projekts. Fazit: Zwei Liegenschaften, von denen die Voreigentümer unbekannt waren, konnten dem ehemaligen Familienversorgungsfonds Habsburg zugeordnet werden und schieden aus der Untersuchung aus, womit acht Eigentümer und 31 EZ verblieben. Gleichsam als Kontrolle der Studie Hamböck konnte festgestellt werden, dass bis auf den „Sonderfall“ Louis de Rothschild, dem nach erfolgter Restitution ein Vergleichsvertrag und ein Bundesgesetz zugrunde lag, alle Liegenschaften erst nach 1955 von der Republik Österreich bzw. den Österreichischen Bundesforsten erworben worden waren und damit in der Studie Hamböck keine Erwähnung hätten finden können. Dies gilt auch für den Fall Isidor Mautner: Die betreffende Liegenschaft gelangte erst nach einem Verwaltungsübereinkommen vom 23. Dezember 1958 in die Verwaltung der Österreichischen Bundesforste. Aufgrund der vorhandenen und eingesehen Unterlagen können die Erwerbungen der ÖBF in den Fällen „Aktiengesellschaft für Edelobstkulturen“ in Vaduz, Eugen Kern und Bernhard Müller / Philipp Franz Prinz zu Salm-Horstmar, Johann und Christine Fuchs / „Deutsche Heraklith AG“, Florence von Poser / NS Volkswohlfahrt e.V., „Ferienhort für bedürftige Gymnasial- und Realschüler“ / NS Volkswohlfahrt e.V. als unbedenklich angesehen werden: In allen Fällen ist nach 1945 ein Rückstellungsverfahren durchgeführt worden. In den Fällen „Aktiengesellschaft für Edelobstkulturen“ in Vaduz und „Ferienhort für bedürftige Gymnasial- und Realschüler“ / NS Volkswohlfahrt e.V. fand das Rückstellungsverfahren mit der Rückstellung der betreffenden Liegenschaften an die früheren Eigentümer seinen Abschluss. Im Fall Johann und Christine Fuchs / Deutsche Heraklith AG endete das Verfahren mit einem Rückstellungsvergleich in Form eines „Wiedergutmachungsabkommens“ und einem Übergabevertrag an ein anderes Unternehmen; im Fall Florence von Poser / NS Volkswohlfahrt e.V. mit einem Vergleich und einem anschließenden Kauf. Im Fall Eugen Kern und Bernhard Müller / Philipp Franz Prinz zu Salm-Horstmar fand das Verfahren mit größter Wahrscheinlichkeit mit der Abweisung des Rückstellungsbegehrens seinen Abschluss. Bedenklich erscheint hingegen neben dem Fall Isidor Mautner, in dem zumindest die Rechtsnachfolger der Erben von Isidor Mautner den Abschluss des Rückstellungsvergleiches vom 26. Juni 1953 als „extrem ungerecht“ einstufen, der Fall Felix Klein / Anton Pantleon. Mangels Unterlagen ist eine Beurteilung des Ausgangs des Rückstellungsverfahrens, das höchstwahrscheinlich mit einem Vergleich geendet hat, da Anton Pantleon Eigentümer der entzogenen Liegenschaft blieb, nicht möglich.
3.2. Befund „Desiderate“ nach Abgleich …
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„Villa Breitenstein“ mit Propagandaspruch und Hakenkreuz
NS-Propaganda auf der Internationalen Jagdausstellung in Berlin 1937
Ferdinand Preindl, Generaldirektor der Österreichischen Bundesforste 1929–1938 und 1945–1958
Kirchenchor Brandenberg im „Kaiserhaus“ um 1938
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
3.3. Fallbeispiele Die Fallbeispiele, die im Folgenden angeführt werden, wurden nach mehreren Kriterien ausgewählt. Zum einen ergab sich eine Beschränkung auf Fälle, die von Dr. Gottfried Hamböck in seiner Studie aus den im vorigen Teil beschriebenen Gründen noch nicht bearbeitet worden sind oder bei denen Fragen offen geblieben sind. Andererseits sollten über die bereits im Allgemeinen Teil ausführlich erläuterte „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ hinaus möglichst verschiedene Entziehungsvorgänge beschrieben werden, die aufgrund ihrer Komplexität nicht in der vorigen Untersuchung untergebracht werden konnten, deren Hauptaugenmerk die Auffindung von „Desideraten“ war. Dazu gehören auch Fälle, die im Graubereich rassistischer Verfolgung, wie der Fall „Gut Zierma – Hilde Horr“, oder an der Schnittstelle zwischen Rechtmäßigkeit und Androhung einer Enteignung, wie der Fall „Sonnblickrealität – Hubert Pucher“ oder „Augenossenschaft Dorf Fischamend“, anzusiedeln sind. Der Fall „RA Dr. Otto und Valerie Kohn“ wirft wiederum ein Licht auf die Problematik des Erwerbes einer bereits entzogenen, aus vormaligem jüdischem Eigentum stammenden Liegenschaft und die Rückabwicklung dieses Rechtsgeschäfts nach 1945. Auf den ersten Blick erscheint auch der Fall „Villa Dietrichstein / Wurzbach / Zauner“ wegen seines örtlichen Bezuges und der darin vorkommenden Personen verwandt. Er nahm jedoch einen völlig anderen Ausgang. Quasi als Kontrast für die doch recht erfolglosen Bemühungen der Reichsforstverwaltung, Liegenschaften aus eingezogenem Vermögen der Orden und Stifte übertragen zu bekommen, steht der Fall des „Kulturvereins Tragöß“; dabei handelte es sich zwar um eine Niederlassung eines Ordens, die jedoch aufgrund der gewählten Rechtsform des Vereins vom „Stillhaltekommissar“ aufgelöst und deren Liegenschaftsvermögen der Reichsforstverwaltung eingewiesen wurden. Die beiden Fälle „Gutsbesitz Lanckoronski-Brzezie“ und „Waldgut Sabine Perlberger“ beinhalten nicht nur Entziehungsvorgänge aufgrund von politischer bzw. rassistischer Verfolgung, die Auswahl wurde auch deswegen getroffen, weil Entziehungen nach der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates“ vom 17. September 1940 in den bisher vorliegenden Darstellungen über den Vermögensentzug wenig bis überhaupt nicht thematisiert wurden. Daneben wird das Konkurrenzverhältnis der Reichsforstverwaltung zur „Haupttreuhandstelle Ost“ und zum „Reichskommissar für die Festigung Deutschen Volkstums“ aufgezeigt. Auch die Tätigkeit dieser beiden Dienststellen auf dem Gebiet des heutigen Österreichs wurde bisher bestenfalls am Rande erwähnt und sollte Anlass für weiterführende Einzelstudien sein.
3.3. Fallbeispiele
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Schließlich wurde in die Überlegungen bei der Auswahl der Fälle einbezogen, das Verhalten der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste in den Rückstellungsverfahren nach 1945 einer Darstellungsweise zu unterziehen, welche auch generelle Schlüsse zulässt.
3.3.1. Gut Zierma – Hilde Horr Gut Zierma (auch Ziermahof ):
EZ 6 KG Wiel St. Oswald Ger. Bez. Deutschlandsberg, Steiermark Gesamtausmaß: 146.8589 ha (davon 133 ha Wald) Eigentümerin am 13. März 1938: Hilde Emma Horr, Staritsch 29 bei Eibiswald Eigentumsübertragung auf: Deutsches Reich (Reichsforstverwaltung) Kaufvertrag vom 1. April 1941 Kaufpreis: RM 63.000,-Verwaltung nach 1945: Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Forstamtsabteilung Vermögensentziehung: Rückstellungsantrag im Frühjahr 1948; Rückstellung der Liegenschaft mit Teilerkenntnis der Rückstellungskommission für die Steiermark vom 3. Juli 1950 (Rk 152/47) Heutiger Eigentümer: Privatperson (Gesamtausmaß wie 1938) Diesem ersten Fallbeispiel liegt ein schwer zu beurteilender Sachverhalt zugrunde. Aufgrund von Auslegungsproblemen einer Nebenabrede im Kaufvertrag kam es schon in der NS-Zeit zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien. Letztlich war es nicht so sehr das Verhalten der Käuferin Reichsforstverwaltung, sondern jenes der NSDAP-Parteistellen, welches aufgrund des in einer Grauzone befindlichen Status der Verkäuferin nach den Nürnberger Gesetzen als „Mischling 1. Grades“ zu einem Rückstellungsverfahren führte, welches die Rückstellung der Liegenschaft zufolge hatte. Der Landwirt und Sägewerksbesitzer Theodor Horr, Ehemann von Hilde Emma Horr, trat im September 1939 an das Forstamt Deutschlandsberg mit einem schriftlichen Verkaufsangebot bezüglich des im Eigentum seiner Ehefrau stehenden Gutes Zierma samt Sägewerksbetrieb, EZ 6 der KG Wiel St. Oswald, heran. Als Kaufpreis für das Gut, das Hilde Horr 1937 von einem Güterschlächter um öS 65.000,-- (= RM 43.333,--) er-
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
worben hatte, nannte Theodor Horr die Summe von RM 85.000,--.629 Ein Hypothekargläubiger, der Linzer Holzgroßhändler Rudolf Zellinger, würde wegen der Realisierung seiner Forderung, die in Höhe von RM 70.000,-- auf der Liegenschaft vorgemerkt war, zum Verkauf drängen.630 Der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, bestätigte am 8. Oktober 1940 in einem Schreiben an das Finanzamt Graz-West sein Interesse an dem 146 ha großen Gut Zierma, das ihm von der Forsttechnischen Kanzlei Martinowitz in Vertretung der Eigentümerin Hilde Emma Horr angeboten worden wäre. Der Besitz würde „an das Gut St. Oswald ob Eibiswald, welches von der Reichsforstverwaltung von der Verlassenschaft nach dem verstorbenen Juden Hugo Ornstein erstanden wurde“, angrenzen und somit „den reichseigenen Besitz erweitern bzw. arrondieren“.631 Güde gab Horr jedoch zu verstehen, dass der Kaufpreis für die verkehrungünstige Liegenschaft, bestehend aus 133 ha „ungepflegten, vernachlässigten und ausgeschlägerten“ Waldes, auch hinsichtlich des seinerzeitigen Anschaffungswertes „viel zu hoch“ sei und von der „zuständigen Preisprüfungsstelle nicht gutgeheißen werden könne, da er das allgemeine Grundstückspreisniveau in ungünstiger Weise beeinflussen würde“.632 Das veraltete Sägewerk erschien für die Reichsforstverwaltung von Anfang an wenig attraktiv. Es sollte entweder im Ankaufsfall stillgelegt und die Einrichtung verkauft werden, oder nach Auffassung des Landesforstamtes Klagenfurt gar nicht erworben werden, da der „staatseigene Betrieb von Sägewerken grundsätzlich für unzweckmäßig“ gehalten wurde.633 Das Landesforstamt befürwortete daher an sich einen Verbleib des Sägewerkes bei Theodor Horr, „auch um seine Existenzbasis zu sichern“, was sich zunächst ganz mit dessen Vorstellungen oder besser jenen seines Gläubigers traf. Horr musste nämlich sehr bald einsehen, dass er für die Liegenschaft weniger als die angebotenen RM 85.000,-- bekommen würde. Da er aber die Liegenschaft lastenfrei zu übergeben hatte, sollten jene Schulden, die vom Kaufpreis nicht abgedeckt werden konnten, mit Einverständnis sei629 ÖStA/AdR, RFV, FEA 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an das Forstamt Deutschlandsberg, 8. September 1939. 630 ÖStA/AdR, RFV, FEA 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Forstamt Eibiswald an das Regierungsforstamt Klagenfurt, 25. Oktober 1939, und Steuerberater Forstmeister Ing. Otto Martinowitz an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 20. August 1940. 631 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Sig. 13, FEA 1940, Kt. 26, GZ 4.651/1940, „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen im Lande Österreich“ an das Finanzamt Graz-West, 8. Oktober 1940. 632 ÖStA/AdR, RFV, FEA 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf. „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an Theodor Horr, 24. Jänner 1940. 633 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Landesforstamt Klagenfurt, Karitzky, an Forstmeister Ing. Otto Martinowitz, 30. September 1940.
3.3. Fallbeispiele
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nes Gläubigers durch die Erträge des Sägewerks sichergestellt werden, weswegen er dieses unbedingt behalten musste.634 Am 8. August 1940 informierte der Reichsstatthalter in der Steiermark, Obere Siedlungs- und Umlegungsbehörde, den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, dass der Behörde vom Reichsnährstand „im Zuge der endgültigen Erfassung des jüdischen landwirtschaftlichen Vermögens“ auch der „Ziermahof“ namhaft gemacht worden wäre. Da es sich um ein Waldgut handelte, wurde der Akt an Güde abgetreten.635 Güde erhielt in der Folge sowohl eine Bestätigung der Evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Süd als auch eine eidesstattliche Erklärung von Theodor Horr, dass die am 26. April 1902 geborene Hilde Horr einen jüdischen Vater und eine „arische“ Mutter hatte und mit einem „Arier“ verheiratet war.636 Inzwischen waren auch die von der Oberen Siedlungsbehörde in Auftrag gegebenen Schreiben der Kreisbauernschaft und des Finanzamtes Deutschlandsberg eingelangt, die Hilde Horr als „Mischling 1. Grades“ gemäß § 2 der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Reichsbürgergesetzes“ vom 14. November 1935637 auswiesen.638 Generalreferent Güde stellte abschließend fest, dass Hilde Horr „nicht als Jüdin im Sinne der Nürnberger Gesetze“ gelte und „eine Entjudung des Besitzes daher nicht in Frage“ komme, da es sich um „arisches Eigentum“ handle.639 Im November 1940 erfuhr Theodor Horr, dass das Landesforstamt Klagenfurt ihr Sägewerk Krumbach verkaufte, das unweit des Ziermahofes, auf vom Forstamt Eibiswald verwalteten benachbarten Reichsforstebesitz lag. Nachdem er in Vorgesprächen mit Oberforstmeister Karitzky das Einverständnis erzielen konnte und mit einer kleinen Intrige einen Mitbewerber ausgeschaltet hatte, wandte sich Horr am 23. November 1940 direkt an das Reichsforstamt in Berlin, um ein Tauschgeschäft – Verkauf des Sägewerks in Zierma gegen Kauf des Sägewerks in Krumbach – vorzuschlagen. Wegen der geplanten Reichs634 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Forstmeister Ing. Otto Martinowitz an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 11. Juli 1940. 635 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Der Reichsstatthalter in der Steiermark, Obere Siedlungs- und Umlegungsbehörde, an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 8. August 1940. 636 ÖStA/AdR, RFV, FEA 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Bestätigung der Evangelisch-Reformierten Pfarrgemeinde Wien-Süd, 9. September 1940. 637 RGBl. I S. 1333. 638 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Finanzamt Deutschlandsberg an den Reichsstatthalter in der Steiermark, 15. Juli 1940, und Kreisbauernschaft Deutschlandsberg an den Reichsstatthalter in der Steiermark, 20. Juli 1940. 639 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, Aktenvermerk vom 7. Oktober 1940.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
autobahn Graz–Klagenfurt, deren Trasse durch das Gut Zierma führen werde, sei der Bestand des Sägewerks ohnehin unsicher. Außerdem gehe die Tendenz dahin, ein Drittel aller in der „Ostmark“ bestehenden Sägewerke abzubauen. Mit dem Erwerb der Säge Zierma durch die Reichsforstverwaltung werde daher zumindest eine Säge stillgelegt, er, Horr, erhalte aber durch die Überlassung der Krumbacher Säge wieder eine Existenzgrundlage.640 Nach der von Horr in einem späteren Schreiben an den Generalreferenten Güde vom 3. Juli 1943 geschilderten Darstellung hätte das Reichsforstamt „vollstes Verständnis“ für sein Anliegen gezeigt und ihn lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass das Einverständnis des Forst- und Holzwirtschaftsamtes in Salzburg einzuholen sei. Auch hier sei sein „Plan gutgeheißen“ worden und es wurde ihm die „aufrechte Erledigung“ zugesagt.641 Tatsächlich gab aber der Reichsforstmeister in einem Erlass an das Landesforstamt Kärnten–Steiermark in Klagenfurt vom 24. Februar 1941 eine Mitteilung des Forst- und Holzwirtschaftsamtes in Salzburg bekannt, in der darauf aufmerksam gemacht wurde, „dass Theodor Horr von sämtlichen Dienststellen in der Steiermark“, daher auch von diesem Amt, „abgelehnt“ werde, „da seine Frau Halbjüdin“ sei. Er versuche nunmehr „unter Umgehung der Dienststellen“ an den Reichsforstmeister heranzutreten, „welcher über die Familienverhältnisse nichts wissen“ könne. Dass Horr „auch auf Betreiben des Reichsnährstandes mit Rücksicht auf seine jüdische Verwandtschaft seinen Gutsbesitz abtreten“ müsse, und „der Verkauf seines Waldbesitzes damit in Zusammenhang stehen“ dürfte, „um sich als unbekannter Mann in einer anderen Gegend neu seßhaft zu machen“, entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, rundete aber das Bild ab. Das Forst- und Holzwirtschaftsamt ersuchte den Reichsforstmeister, „unter keinen Umständen vor endgültiger Anhörung meiner Dienststelle zu entscheiden“. Der Reichsforstmeister stellte fest, dass „nach diesen Ausführungen der Antragsteller Horr für eine Erwerbung der Krumbach-Säge nicht in Frage kommen“ dürfte und das Landesforstamt daher wegen des Verkaufs der Säge mit anderen Interessenten zu verhandeln habe. Weiters wies der Reichsforstmeister das Landesforstamt an, von dem Erwerb der Säge Abstand zu nehmen und Horr die Auflage zu erteilen, den Betrieb stillzulegen. Ob sich hierdurch eine Erhöhung des Kaufpreises ergebe, sei zu prüfen.642 Der Erlass des Reichsforstmeisters wurde am 13. März 1941 dem für die Ankaufsverhandlungen von Liegenschaften über 100 ha 640 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an das Reichsforstamt in Berlin, 23. November 1940. 641 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Güde, 3. Juli 1943. 642 ÖStA/AdR, RFV, FEA , 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Der Reichsforstmeister an den Reichsstatthalter in Kärnten – Landesforstamt in Klagenfurt, GZ III 9 m 1473, Erlass vom 24. Februar 1941.
3.3. Fallbeispiele
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zuständigen „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, vom Landesforstamt Kärnten–Steiermark übermittelt.643 Güde erhielt in einem weiterem Erlass des Reichsforstmeisters vom 17. März 1941 die Anweisung, die Ankaufsverhandlungen über das Waldgut Zierma wieder aufzunehmen, sobald Horr vom Landesforstamt in Klagenfurt der „Bescheid erteilt worden“ sei, „dass ihm die Krumbach-Säge nicht verkauft“ werde. Überdies hielte das Landesforstamt den „Ankauf des Horr’schen Sägewerks nicht für zweckmäßig“.644 Wie nun dieser Bescheid erteilt wurde, stellt einen der wesentlichen Angelpunkte dieses Falles dar. In den jeweiligen Akten, auch in denen nach 1945, findet sich weder ein offizielles noch inoffizielles Schreiben. Es wird wohl eher so gewesen sein, wie Güde in seinem Bericht an den Reichsforstmeister vom 31. März 1941 angab, dass die Pläne Horrs nur als „indiskutabel abgelehnt“ wurden und von einem „Tausch gegen die Krumbach-Säge keine Rede“ mehr gewesen sei,645 sonst hätte Horr in seinem bereits erwähnten späteren Schreiben an den Generalreferenten vom 3. Juli 1943 nie behaupten können, dass er von fixen Zusicherungen des Reichsforstamtes und des Forst- und Holzwirtschaftsamtes in Salzburg ausgegangen sei.646 Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Güde Horr in dieser Phase helfen wollte, indem er sich über die Vorgaben des Landesforstamtes, des Forstund Holzwirtschaftsamtes in Salzburg und schließlich über die Weisungen des Reichsforstmeisters hinwegsetzte, Horr einen negativen Bescheid über die Krumbach-Säge zu erteilen, wenn diese Hilfe auch nicht uneigennützig war. Güde handelte mit Horr einen Kaufvertrag über das Gut Zierma aus, der eine recht schwammige Klausel beinhaltete, die zwar keinen Tausch, aber die getrennte Abwicklung von zwei Geschäften vorsah. Die Reichsforstverwaltung sollte das Sägwerk Zierma nun doch erwerben, genauer das Sägegebäude und die verschiedenen dazugehörigen Nebengebäude, während die Maschinen und Inventargegenstände der Verkäuferin verblieben. Das Sägegelände sollte nach der Darstellung Güdes nicht separat bewertet werden, sondern im Kaufpreis inbegriffen sein. Im Gegenzug verpflichtete sich die Reichsforstverwaltung, falls die Bestrebungen 643 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Der Reichsstatthalter – Landesforstamt Kärnten-Steiermark, an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 13. März 1941. 644 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Der Reichsforstmeister an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, GZ II 2555, Erlass vom 17. März 1941. 645 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsforstmeister, 31. März 1941. 646 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Güde, 3. Juli 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
des Ehepaares Horr, entweder das Sägewerk der Reichsforste in Krumbach oder ein anderes staatliches Sägwerk binnen eines Jahres nach Genehmigung des Kaufvertrags zu pachten oder zu kaufen, nicht zum Ziel führen sollten, das ca. 0,75 ha große Sägegelände und verschiedene Nebengebäude ohne Entgelt mit einer entsprechenden Aufsandungserklärung an die Verkäuferin rückzuübertragen.647 In den späteren Kaufvertrag wurde noch unter Punkt VI die Bestimmung aufgenommen, dass das Sägegelände einschließlich Sägegebäude samt Nebengebäude und Holzlagerplatz bis zur endgültigen Entscheidung ohne Entgelt in Benützung von Hilde bzw. Theodor Horr verblieben. Sobald feststand, dass die Verkäuferin oder ihr Ehemann ein anderes Sägewerk pachtweise oder käuflich übernehmen konnten, oder aber wenn innerhalb der Frist von der Verkäuferin kein Antrag auf Rückübertragung gestellt wurde, waren die Objekte binnen vier Wochen nach Eintritt der Voraussetzungen zu räumen. Theodor Horr, der, wie er im Juli 1943 ausführte, von der falschen Hoffnung getrieben war, die Säge Krumbach zu erhalten, willigte in diesen Pakt ein. Güde wiederum handelte deshalb nicht uneigennützig, weil ihm klar sein musste, dass Horr bei einer endgültigen Untersagung des Erwerbs der Krumbach-Säge seine eigene Säge behalten würde. Dies stellte er in einem Rechtfertigungsschreiben an den Reichsforstmeister vom 8. Mai 1941 als nicht „im Interesse der Reichsforstverwaltung gelegen“ dar, da sich dann „inmitten des geschlossenen Besitzes ein Fremdbesitz befinden“ würde. Güde setzte auf seine Autorität und beantragte daher, die Bestrebungen Horrs bezüglich des Erwerbs der Krumbach-Säge „nach Tunlichkeit“ zu unterstützen, da „der Umstand, dass die Frau des Bewerbers ein Mischling 1. Grades“ sei, seiner „Ansicht nach nicht so in die Waagschale fallen“ dürfte, „daß ihm als Arier die Schaffung einer Existenzgrundlage dauernd verwehrt bleiben“ sollte.648 Diese Abmachung wirkte sich auch auf den Kaufpreis aus. Das letzte Angebot von Theodor Horr hatte sich auf RM 55.000,-- belaufen, eine Summe, die, verglichen mit seinem Erstangebot über RM 85.000,-- ob ihrer Geringfügigkeit nur schwer nachvollziehbar ist. Horr war bei diesem Angebot jedoch noch davon ausgegangen, dass davon das Sägewerk samt dazugehörigem Grund und Boden sowie 1500 m³ Holz ausgenommen sein sollten. Am 14. Jänner 1941 wurde die Liegenschaft vom „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ geschätzt. Das Gutachten wies einen Gutswert von RM 63.450,-- aus. Das 647 ÖStA/AdR, RFV, FEA 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsforstmeister, 31. März 1941. 648 ÖStA/AdR, RFV, FEA 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsforstmeister, 8. Mai 1941.
3.3. Fallbeispiele
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„Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ betrachtete dabei den „ausgeschlägerten und ungepflegten“ Waldbestand als wertmindernd. Entscheidend wurde nun, dass das vom Generalreferenten mit der Schätzung beauftragte Amt anders als Horr davon ausgegangen war, dass (nur) das Sägewerk von der Reichsforstverwaltung nicht miterworben werde und dies auch entsprechend im Gutachten berücksichtigte, andererseits aber auch an „die Möglichkeit der Übernahme der Sägeanlage und Holzbauten durch die Reichsforste“ dachte und eine an sich nicht erwünschte wertmäßige Schätzung durchführte. Mangels eines dauernden Interesses an der Übernahme wies das Gutachten für die Sägeanlage und die Holzbauten einen reinen Verkaufswert von RM 4.000,--, im Falle einer Verpachtung einen Ertragswert von RM 12.000,-- aus, was einem Mittelwert von RM 8.000,-- entsprach, wobei das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ mit den vielsagenden Worten schloss: „Der Besitzer wird den Wert der Sägeanlage allerdings höher einschätzen.“ Dadurch, dass dieser Wert aufgrund der Klausel nicht im Kaufpreis enthalten war, verkürzte er den Kaufpreis, falls es zu keiner Realisierung der beiden vereinbarten Möglichkeiten – Kauf der Krumbach- oder einer anderen Säge bzw. Rückübertragung der Säge Zierma an Theodor Horr – kommen sollte. Der letztlich vereinbarte Kaufpreis von RM 63.000,-- lag dann auch ein wenig unter dem im Gutachten ausgewiesenen Gutswert ohne Sägewerk von RM 63.450,--, obwohl Theodor Horr bis zuletzt RM 65.000,-- gefordert hatte.649 Am 1. April 1941 unterzeichnete Theodor Horr in Vertretung und mit Vollmacht seiner Frau Hilde vom 27. Jänner 1941 den Kaufvertrag, in den in Punkt XVII die Klausel aufgenommen worden war, dass die Eigentümerin der Liegenschaft, Hilde Horr, die „eidesstattliche Erklärung abgegeben“ habe, „daß sie zwar Mischling 1. Grades“ sei, „dass jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen, denen zufolge sie im Sinne der Nürnberger Rassengesetze als Jüdin zu gelten hätte, nicht vorliegen“ würden.650 Sofort nach Abschluss des Kaufvertrages am 1. April 1941 traten auch erste Schwierigkeiten bezüglich der in den Vertrag aufgenommenen Vereinbarung auf: In einem Schreiben vom 2. April 1941 informierte Theodor Horr Generalreferent Güde, dass ihm die Kreisleitung der NSDAP in Deutschlandsberg die Mitteilung gemacht habe, dass „ein Mischling, sei es 1. oder 2. Grades, keinen Grund und Boden mehr erwerben“ könne.651 Diese, nach den damaligen scheingesetzlichen Grundlagen an sich unrichtige Aus649 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Güde, 3. Juli 1943. 650 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Beilage A, Kaufvertrag vom 1. April 1941. 651 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 2. April 1941.
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kunft und ein Gespräch mit dem Landrat im Jänner 1941, der Horr versichert hatte, dass keinerlei Probleme bestünden, wenn das Sägewerk statt auf seine Ehefrau auf ihn als „Arier“ rückübertragen würde, veranlassten Horr, Güde zu ersuchen, einen diesbezüglichen Nachtrag in den Kaufvertrag aufzunehmen, um diesen Teil des Gutes für ihn zu „sichern“. Als dies geschehen war und Horr auch die Nachtragsvereinbarung unterzeichnet hatte, womit der Kaufvertrag nur mehr der Genehmigung durch den Reichsforstmeister bedurfte, berichtete Horr Güde am 17. April 1941 von erneuten Schwierigkeiten, die ihm anlässlich einer Vorsprache im Reichsforstamt in Berlin „streng vertraulich“ mitgeteilt worden wären. Obwohl ihm die Krumbacher Säge bereits „sicher“ zugesagt worden wäre, sei „im letzten Augenblick“ eine Zuschrift der NSDAP eingelangt, in der man das Reichsforstamt ersucht habe, von einer „Abgabe“ der Säge „doch Abstand“ zu nehmen, da es „nicht gut aussehen“ würde, wenn jemand, der mit einem „Mischling“ verheiratet wäre, „vom Staat etwas erwirbt“. Doch Horr machte sich selbst Hoffnungen, indem er auf die „gesetzlichen Grundlagen“ pochte, denen zufolge seine Ehefrau im Sinne der Nürnberger Gesetze nicht als Jüdin zu gelten hatte, und spielte gegenüber dem Reichsforstamt, wie er Güde berichtete, seine letzten Trümpfe aus. So hätte seine Frau am 10. April 1938 an der Volksabstimmung teilnehmen dürfen und sei seit dem 1. Juli 1938 Mitglied bei der NSV und gehöre der DAF an.652 Diese im Grauzone, in der sich Hilde Horr aufgrund ihres in Schwebe gehaltenen Status nach den Nürnberger Gesetzen befand, die ihr einerseits einen gesetzlich recht wackeligen Schutz angedeihen ließen, sie aber nicht vor Diskriminierungen und Verfolgungshandlungen vor allem von untergeordneten Dienst- und Parteistellen bewahrte, war nun Ursache für das Entstehen der späteren Meinungsverschiedenheiten und Missinterpretationen der Vereinbarung. Theodor Horr musste aufgrund der Schwierigkeiten, die man ihm machte, jeden Eindruck verwischen, dass es sich bei einer allfälligen Rückübertragung der Säge Zierma auf ihn um eine Neuerwerbung, noch dazu vom Deutschen Reich, handeln würde, weswegen er diese unter dem unverdächtig klingenden Titel „Tausch“ zu verbergen suchte. Um diese Konstruktion Tausch „seiner“ Säge Zierma gegen die Säge Krumbach zu stützen, musste er auch den Anschein erwecken, dass die Säge samt den Baulichkeiten nicht in dem Kaufpreis enthalten war, was formell aber nicht zutraf. Die Konstruktion des Tausches als Nebenabrede in dem Kaufvertrag wurde auch 652 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 17. April 1941.
3.3. Fallbeispiele
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anlässlich der Vorsprache Horrs im Reichsforstamt „nicht recht verstanden“, 653 denn tatsächlich lagen in diesem speziellen Fall zwei Rechtsgeschäfte vor, nämlich die Übertragung der Säge auf die Reichsforstverwaltung und ein weiteres, nämlich die an eine Bedingung geknüpfte unentgeltliche Rückübertragung, noch dazu nicht an den ursprünglichen Veräußerer, sondern an eine dritte Person. Für das Reichsforstamt musste auch die Diskrepanz Vertragsklausel – „Tausch“ – und das Vorbringen Horrs, der immer wieder von einer „unentgeltlichen Abtretung seiner Säge“ im Falle des Nichterwerbs der Säge Krumbach sprach, unverständlich wirken. Güde – und das war letztlich entscheidend – kam nun dem Ersuchen Horrs, eine Erklärung an das Reichsforstamt und das Landesforstamt in Klagenfurt abzugeben, dass die Säge Zierma „nicht in dem Kaufpreis enthalten“ sei, und er, nämlich Horr, sich bereit erklärt hatte, im Falle des Erwerbs der Säge Krumbach seine Säge abzutreten,654 nicht nach und beließ Horr in seinem Glauben. Für Güde lagen überhaupt zwei von zwei verschiedenen Stellen zu bearbeitende Rechtsakte vor. Aus oben dargelegten Gründen war er an einer Rückübertragung der Säge Zierma an Horr nicht interessiert und unterstützte daher dessen Bestrebungen, die Säge Krumbach bzw. eine andere Säge zu erwerben, was das Tätigwerden einer anderen Dienststelle erforderte. Am 1. Juli 1941 genehmigte der Reichsforstmeister mit einem Erlass den Ankauf des Waldgutes Zierma.655 Die Übergabe erfolgte am 6. August 1941 in Anwesenheit Horrs und Güdes, rückwirkend mit dem 1. August 1941, der als Stichtag für die Verrechnung der Einnahmen und Ausgaben galt. Die Betriebsführung und Verwaltung des Gutes übernahm das Landesforstamt Graz, die Bewirtschaftung das Forstamt Eibiswald.656 Nach den Bestimmungen der Grundstücksverkehrsbekanntmachung (GVB) vom 26. Jänner 1937657 in der Fassung der Verordnung vom 20. Juli 1938658 war eine Genehmigung nicht erforderlich, wenn an dem Rechtsgeschäft das Deutsche Reich beteiligt war. Da das Gut Zierma aber in der Nähe der jugoslawischen Grenze lag, war eine Genehmigung des 653 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 17. April 1941. 654 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 17. April 1941. 655 ÖStA/AdR, RFV, FEA 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, Aktenvermerk vom 11. Juli 1941. 656 ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, GZ 939 11382 13, Aktenkonvolut Waldgut Ziermahof, Ankauf, Niederschrift der Übergabe der Liegenschaft EZ 6, KG Wiel St. Oswald, 6. August 1941. 657 RGBl. I S. 35. 658 GBlfdLÖ. Nr. 238/1938.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Landrates des Kreises Deutschlandsberg nach der GVB sowie nach den Bestimmungen des „Gesetzes über die Sicherung der Reichsgrenze und über Vergeltungsmaßnahmen“ vom 9. März 1937659 in der Fassung der Verordnung vom 27. Februar 1939660 erforderlich, die erst am 4. November 1941 erfolgte. Der gesamte Kaufpreis in Höhe von RM 63.000,-- sollte vereinbarungsgemäß Hypothekargläubiger Rudolf Zellinger zukommen. Der Betrag wurde am 1. Juli 1941 auf ein diesbezügliches Sperrkonto bei der Creditanstalt-Wiener Bankverein erlegt. Erst nach erfolgter Pfandrechtslöschung und dem Vollzug der grundbücherlichen Eintragung sowie der Feststellung der auf Theodor Horr entfallenden Wertzuwachssteuer sollte der Kaufpreis zur freien Verfügung Zellingers freigegeben werden.661 Nach einigen Problemen bei der Zug-um-Zug-Abwicklung, die dadurch entstanden waren, dass Zellinger keine Löschungsquittung ausstellen wollte, bevor die grundbücherliche Eigentumsübertragung durchgeführt worden war, erfolgte diese zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts Eibiswald vom 25. November 1941.662 Nachdem Rudolf Zellinger im Dezember 1941 eine Löschungserklärung vorgelegt hatte und Theodor Horr einen Nachweis über die Einzahlung der Wertzuwachssteuer erbracht hatte, ohne den nur 90 % des Kaufpreises freigegeben worden wären, hob die Reichsforstverwaltung mit Schreiben vom 8. Jänner 1942 an die Creditanstalt-Wiener Bankverein die Sperre des Treuhandkontos auf und der gesamte Betrag kam zur freien Verfügung Rudolf Zellingers.663 Während dieser Zeit wurde Theodor Horr allmählich klar, dass er die Säge Krumbach nicht erhalten würde. Noch immer dürfte ihn aber weder ein offizielles Schreiben noch eine sonstige Verständigung erreicht haben. Aus seinen eigenen späteren Schreiben geht hervor, dass er, nachdem er die Gauleitung bereits mit Schädigungsabsichten konfrontiert hatte, am 9. August 1942 ein Schriftstück folgenden Inhalts erhalten hatte: „Eine Schädigung ihrerseits ist nicht erfolgt, da sich außer Ihnen um die Säge Krumbach andere Fachleute beworben haben, die Mitglieder der NSDAP sind, und daher auch von der NSDAP aus in erster Linie zu befürworten sind. Dem liegt aber keinerlei Schädigungsabsicht zugrunde.“664 Auch sprach Horr während der Zeit bis zur Einverlei659 RGBl. I S. 281. 660 GBlfdLÖ. Nr. 327/1939. 661 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an Rudolf Zellinger, 3. November 1941. 662 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Beschluss des Amtsgerichts Eibiswald zur GZ Tz. 1028/41, EZ 6 KG Wiel St. Oswald, vom 25. November 1941. 663 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an die Creditanstalt-Wiener Bankverein, 8. Jänner 1942. 664 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Güde, 3. Juli 1943.
3.3. Fallbeispiele
265
bung des Eigentumsrechts zugunsten der Reichsforstverwaltung erneut mehrmals beim Reichsforstamt in Berlin vor. Aus seinem anfänglichen Protest, dass er die Säge nicht erhalten würde, wurde schnell der Plan, seinen Besitz Zierma zurückzuerhalten. Nach seiner Darstellung hätte er von einem Ministerialdirektor des Reichsforstamtes die Zusage in Form eines Erlasses erhalten, zusätzlich zu dem Sägegelände noch 2 ha Grundfläche zurückzukaufen, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten.665 Im Mai 1942 begann Theodor Horr bei seiner Vorgangsweise schwankend zu werden. Er wandte sich einerseits hilfesuchend an den Generalreferenten Güde, dem er, so scheint es, am liebsten die weiteren Verhandlungen überlassen hätte, andererseits bestand er auf die Rückübertragung seines Sägegeländes. Darüber hinaus interessierte er sich für die Erwerbung der Säge „Königsalm“ bei Gföhl. In einem Schreiben an das Landesforstamt Wien-Niederdonau vom 3. Mai 1942 versuchte er glaubhaft zu machen, dass er mit der ihm in Berlin zugesicherten 2 ha Grundfläche ein gewichtiges Faustpfand in der Hand habe. Horr verzichtete zunächst auf die für ihn plötzlich „nicht sehr lukrative Wiederinbetriebnahme“ der Säge Zierma, die auch nicht im Interesse der Reichsforstverwaltung und des Forst- und Holzwirtschaftsamtes in Salzburg gelegen sei, um einen „klaren Tauschvertrag“ vorzuschlagen, nämlich die Übertragung des Sägewerks Gföhl zum festgesetzten Schätzpreis. Dafür würde er von seinem Recht der Aufsandung hinsichtlich des Sägewerks samt Baulichkeiten und Sägegelände wie auch von dem Recht des Rückkaufs der 2 ha Grundfläche keinen Gebrauch machen.666 Generalreferent Güde unterstützte dieses Ansuchen Horrs zwar in einer Eingabe an das Landesforstamt Wien-Niederdonau vom 15. Mai 1942, machte aber in einer Bemerkung, dass nämlich „die pflichtgemäße Abstandsnahme von der Übertragung des einen Bestandteil des Gutes Zierma bildenden Sägewerks keine Kaufpreisminderung des zu erwerbenden Sägewerks Königsalm begründen“ könne, deutlich, was er von den Bestrebungen Horrs hielt: „Es kann deshalb auf keinen Fall ein Tauschvertrag abgeschlossen werden!“667 Mit einem Schreiben vom selben Tag, dem 15. Mai 1942, begann Güde aber auch, Horr zu drängen. Laut der Vereinbarung im Kaufvertrag hatte dieser binnen einem Jahr nach der Genehmigung des Vertrags durch den Reichsforstmeister den Antrag auf Rück665 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Güde, 3. Juli 1943. 666 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den Reichsstatthalter – Landesforstamt Wien-Niederdonau, 3. Mai 1942. 667 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsstatthalter – Landesforstamt WienNiederdonau, 15. Mai 1942.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
übertragung des Sägegeländes bei sonstigem Verfall zu stellen. Dieses Datum trat mit dem 1. Juli 1942 ein, somit drohte mit dem 1. August 1942 die Räumung des Geländes.668 Dies war auch ein taktischer Schachzug Güdes, der hoffen konnte, dass Horr ob der neuen Erwerbsaussicht die Frist verstreichen lassen würde. Der auf diese Weise unter Druck geratene Horr musste nun am 1. Juni einerseits den Antrag auf Rückübertragung einbringen, andererseits aber Güde ersuchen, den Termin bis zur eigentlichen Durchführung bis zum 30. Juni 1943 zu erstrecken.669 Güde gab dazu sein Einverständnis, war doch mit der Fristerstreckung die Möglichkeit verbunden, dass Theodor Horr in dieser Zeit ein anderes Sägewerk ankaufen konnte. Auch einer nicht in seinem Interesse gelegenen allfälligen Rückübertragung musste er zustimmen, entsprach sie den vertraglichen Vereinbarungen, wie Güde mehrmals betonte. Hingegen wies er das mit der Betriebsführung und Verwaltung betraute Landesforstamt in Graz scharf an, das Begehren Horrs auf Zukauf von 2 ha abzuweisen. Dies könne mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des eigenen Forstbetriebes aus Gründen der mangelnden Holzlagerplätze „keinesfalls zugelassen“ werden.670 Dies war aber nur ein Vorwand, denn dahinter steckte abermals Strategie, wollte doch Güde im Falle der Rückübertragung die „unangenehme Enklave“ Horr so schnell als möglich abkaufen.671 Ihre Vergrößerung hätte dies möglicherweise verhindert. Was aber Güde, wie aus den Aufzeichnungen hervorgeht, zum damaligen Zeitpunkt nicht wusste, war, dass sich das Landesforstamt in Graz aufgrund der Zusage des Reichsforstamtes bezüglich des Zukaufes Horr gegenüber entgegenkommend verhalten hatte, sodass dieser bereits Vermessungsarbeiten durchführen ließ. Um es zu der Rückübertragung und einem möglichen Konflikt mit dem Reichsforstamt wegen des zugesagten Zukaufes gar nicht kommen zu lassen, unterstützte Generalreferent Güde ab Oktober 1942 die Bemühungen Horrs, die Säge auf dem ehemaligen Gut Georg Ritter von Schönerer in Rosenau bei Zwettl zu erwerben. Doch der Abschluss der Entziehung des Gutes durch die Reichsforstverwaltung und die endgültige Entscheidung, ob die als veraltet und wenig leistungsstark beschriebene Säge überhaupt 668 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an Theodor Horr, 15. Mai 1942. 669 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 1. Juni 1942. 670 ���������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsstatthalter in der Steiermark, Landesforstamt in Graz, 17. November 1942. 671 ���������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsstatthalter in der Steiermark, Landesforstamt in Graz, 17. Mai 1943.
3.3. Fallbeispiele
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zum Abverkauf kommen oder nicht doch stillgelegt werden sollte, verzögerten die weiteren Verhandlungen. Wie groß der Einsatz Güdes war, beweist ein Schreiben an das Landesforstamt Wien-Niederdonau vom 23. November 1942, in dem er versuchte, einen Kriegsversehrten und möglichen Mitkonkurrenten Horrs von vornherein aus dem Feld zu schlagen. Den Ausführungen, warum die Erwerbsabsichten Horrs, die auch der Reichsforstmeister unterstütze, berücksichtigungswürdiger seien, setzte er mit Nachdruck hinzu: „Die Reichsforstverwaltung hat ein begreifliches Interesse, dass er zum Zug kommt, um ihn los zu werden.“672 Als sich der Erwerb der Säge Rosenau immer unsicherer gestaltete und eine abermalige Verfristung der Rückübertragung drohte, ließ der vor seiner Einberufung zur Wehrmacht stehende Theodor Horr, der „mit der Angelegenheit ins Reine kommen“ wollte, in einem Schreiben an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ vom 8. Juni 1943 sämtliche Hemmungen fallen. Mit sehr mutigen Worten führte er aus, warum die Reichsforste bezüglich des Erwerbs der Krumbach-Säge „ihr Wort nicht gehalten“ und ihn „nun vollkommen wirtschaftlich ruiniert“ hätten. So hätte er auch die Zusage des Minsterialdirektors, der seine „Schädigung eingesehen“ habe, 2 ha von seinem Besitz zurückzukaufen, als Wiedergutmachung „zugefügten Unrechts“ gesehen. Indem das Landesforstamt in Graz diesem Ansuchen zunächst stattgegegen habe, wodurch ihm aufgrund von Vermessungsarbeiten und der Erstellung von Plänen Kosten von RM 700,-- entstanden wären, dieses jedoch im Jänner 1943 abgelehnt habe, hätte die Reichsforstverwaltung „jegliches Recht mit Füßen getreten“ und „sämtliche Zusagen und Abmachungen vergessen“.673 Generalreferent Güde stellte in seinem Antwortschreiben vom 28. Juni 1943 zunächst fest, dass Horr verpflichtet sei, seinen ehemaligen Besitz gänzlich der Reichsforstverwaltung zu überlassen, falls es ihm gelingen sollte, ein anderes Sägewerk zu erwerben, um dann dessen „Auslassungen richtigzustellen“: Von einer wirtschaftlichen Schädigung durch die Reichsforstverwaltung könne keine Rede sein, da diese weder ihn noch seine Frau zu einem Verkauf gedrängt hätte und die Veräußerung vielmehr über seine Initiative aus freien Stücken und zu einem Kaufpreis im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt sei, um sich „Erleichterung in einer prekären finanziellen Lage“ zu verschaffen. Güde gab seiner „Verwunderung“ Ausdruck, dass Horr, „anstatt der Reichsforstverwaltung dankbar zu sein, jetzt auf sie Steine“ werfe. Die „unbegründete Anschuldigung“ bezüglich des 672 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsstatthalter in Niederdonau, Landesforstamt Niederdonau Wien, 23. November 1942. 673 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 8. Juni 1943.
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Nichtzustandekommens des Erwerbs der Säge Krumbach parierte Güde mit so deutlichen Worten, dass diese später, möglicherweise im Zuge des Rückstellungsverfahrens, im Akt doppelt unterstrichen wurden. Die Reichsforstverwaltung hätte gegen diesen Erwerb keine Einwendungen gehabt, „der Ankauf durch Sie kam nur deshalb nicht zustande, weil Sie von der Partei abgelehnt wurden“.674 In einem Schreiben vom 3. Juli 1943 steckte Theodor Horr auch merklich zurück, was die Person des Generalreferenten Güde anbelangte, der ihm „immer reinen Wein eingeschenkt“ habe, für das Nichtzustandekommen des Erwerbs der Säge Krumbach nichts dafür könne und versucht habe, ihn mit der Erwerbsaussicht der Säge in Rosenau „irgendwie zu entschädigen“. Das Schreiben verfolgte dann aber doch drei Stoßrichtungen: Zum einen bestritt Horr die prekäre finanzielle Situation, die ihn zu dem Verkauf veranlasst hätte, ging auch auf zwei Angebote von privaten Kaufwerbern in der Höhe von RM 90.000,-- und RM 100.000,-- ein und schloss daran die Feststellung des Schätzmeisters des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ nach dem Angebot an die Reichsforstverwaltung, dass er sich jetzt „nicht mehr um private Käufer kümmern“ solle, „denn die Reichsforste lassen diesen Besitz unter keinen Umständen mehr aus“. Dabei machte er Güde bereits in diesem Stadium auf die Nichtangemessenheit des Kaufpreises aufmerksam, denn die Verkürzung von seinen ursprünglich geforderten RM 65.000,-- auf RM 63.000,-- sei nur aufgrund der Aufnahme der Bedingung bezüglich des Erwerbes der Säge Krumbach in den Vertrag erfolgt. Andererseits fühlte sich Horr um die Kosten der Vermessung und Planerstellung in Höhe von RM 700,-- für die 2 ha große Grundfläche betrogen, zu deren Durchführung ihn das Landesforstamt mit der Zusage des Erwerbs gedrängt habe. Schließlich ging Horr auf die Verhinderung des Erwerbs der Säge Krumbach durch die NSDAP ein: „Solange ich lebe, ist und bleibt mein Standpunkt wie folgt: Ich bin nicht nur geschädigt, sondern existenzlos und wirtschaftlich ruiniert worden. Ob durch Partei oder Reichsforste ist schließlich gleich. Die Partei ist eine staatliche Einrichtung und die Reichsforste ebenfalls und Staat ist Staat.“675 Wegen dieser letzten Äußerung fragte Güde bei seinem Rechtsreferenten Franz Hackermüller an, ob man Horr dafür strafrechtlich belangen könne. Hackermüller verneinte dies und begründete, dass sich Horr seiner Meinung nach „wenn auch mit Unrecht, offenbar subjektiv wirklich geschädigt“ fühle, „sodass in seinen Auslassungen mehr oder minder nur die Verfolgung seines vermeintlichen Rechts zu erblicken“ sei. Hackermüller 674 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an Theodor Horr, 28. Juni 1943. 675 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 3. Juli 1943.
3.3. Fallbeispiele
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stellte dem Amt des Generalreferenten selbstredend das Zeugnis einer „vollkommen korrekten“ Vorgangsweise aus, vermerkte aber dann doch kryptisch: „Inwieweit von dritter Seite Horr vielleicht zu weitgehende Hoffnungen gemacht worden sind, kann ich nicht beurteilen.“676 Am 17. August 1943 musste der nun endlich rechtsfreundlich vertretene Theodor Horr erneut wegen einer Fristerstreckung der Rückübertragung ansuchen, die ihm mit Schreiben des Reichsstatthalters in der Steiermark, Landesforstamt in Graz, vom 24. August 1943 bis zum 30. Juni 1944 bewilligt wurde.677 Wie sehr in dieser mehrmals erwähnten Grauzone eine NS-Dienst- oder Parteistelle mehr oder weniger wohlwollend, die andere aber wieder schroff ablehnend sein konnte, beweist das Schreiben Theodor Horrs an den Generalreferenten Güde vom 14. November 1943, in dem er ihn von seiner endgültigen Ablehnung durch die NSDAP-Gauleitung Niederdonau bezüglich des Erwerbs der Säge Rosenau in Kenntnis setzte. Der Kreisleiter von Deutschlandsberg hätte ihm jedoch anlässlich einer Vorsprache in Anbetracht der Tatsache, dass gegen seine Ehefrau Hilde Horr „nichts vorliege“, versprochen, bei der Gauleitung zu intervenieren. Horr ersuchte daher Güde um eine Bestätigung, dass die Säge Rosenau ein „Äquivalent“ für die nicht zum Ankauf gelangte Säge Krumbach sei, die ursprünglich „gegen den Besitz Zierma gegeben“ werden sollte, und es nicht im Interesse der Reichsforstverwaltung gelegen sei, wenn er, Horr, die Säge Zierma rückübertragen bekäme.678 Generalreferent Güde übermittelte ihm auch am 19. November 1943 diese Bestätigung, wenn auch die Wortwahl eine andere war. Es wurde darin nur die Bedingung der Verpflichtung der Rückübertragung angesprochen, falls es Horr nicht gelingen sollte, „ein reichsforstliches Sägewerk anzupachten oder anzukaufen“. Interessant erscheint auch, dass Güde nun mit völlig offenen Karten gegenüber Horr die Argumente ausspielte, weswegen er schon immer gegen eine Rückübertragung der Säge Zierma gewesen sei, nämlich um eine Enklave innerhalb des Reichsforstbesitzes zu verhindern und notwendige Lagerplätze zu erhalten.679 Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte Horr ein Licht aufgehen müssen, dass Güde nicht nur eine Rückübertragung trotz aller vertraglicher Verpflichtungen hintertrieben hätte und hatte, sondern sich auch gegen die geplan676 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Äußerung des Rechtsreferenten Franz Hackermüller, Aktenvermerk vom 29. Juli 1943. 677 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Der Reichsstatthalter in der Steiermark – Landesforstamt in Graz, an Theodor Horr, 24. August 1943. 678 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, Theodor Horr an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 14. November 1943. 679 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an Theodor Horr, 19. November 1943.
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te Erweiterung der Fläche um 2 ha ausgesprochen hatte. Horr saß zwischen den Stühlen: Eine Rückübertragung der Säge Zierma versuchte Güde zu verhindern, den Erwerb einer anderen staatlichen Säge verhinderte die NSDAP aus rassistischen Gründen. Zwar vermeinte Güde, mit der Aufzählung obiger Gründe in der Bestätigung das „besondere öffentliche Interesse“ bekundet zu haben, „dass die Gauleitung Niederdonau die Bedenken gegen den beabsichtigten Erwerb des Sägewerkes Rosenau durch Theodor Horr zurückstellt, damit der Erwerb möglich gemacht“ werde,680 doch bis zum 8. Mai 1945 erfolgte weder ein Erwerb eines Sägewerks durch Theodor Horr noch eine Rückübertragung des Sägegeländes Zierma an ihn. Nach dem 8. Mai 1945 wurde das Gut Zierma als „Deutsches Eigentum“ vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Forstamtsabteilung, verwaltet. Im Frühjahr 1948 brachte Hilde Horr bei der Rückstellungskommission für Steiermark beim LGfZRS Graz einen Rückstellungsantrag gegen das Deutsche Reich, vertreten durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, nach dem Dritten Rückstellungsgesetz ein. Sie sei durch „unlautere Manipulationen“ zum Verkauf des Gutes genötigt worden. Hilde Horr beantragte neben der Rückstellung der Liegenschaft die Zuerkennung von Kosten und den Verdienstentgang für die Jahre 1941 bis 1947 in der Höhe von öS 192.800,40.681 Der gerichtlich bestellte Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich, der Grazer Rechtsanwalt Wolfgang Thomich, setzte sich im Mai 1948 mit dem ehemaligen Rechtsreferenten ORR Franz Hackermüller in Verbindung, den ihm die damalige Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste neben dem ehemaligen „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, als Auskunftsperson für die Vertragsverhandlungen mit Hilde Horr genannt hatte, um ihn nach Beweismitteln zu befragen, „die eventuell das Vorbringen der Antragstellerin widerlegen könnten“. Sollten bei den Recherchen Hackermüllers Spesen auflaufen, werde sie ihm Thomich überweisen, „sobald er sie vom Antragsteller hereinbekommen habe“.682 In seinem Antwortschreiben vom 12. Mai 1948, das er mit Wissen der Generaldirektion der Bundesforste verfasst hatte, betonte ORR Hackermüller zwar, sich nicht mehr an Details erinnern zu können, er wisse aber, dass ein „normales freiwilliges Rechtsgeschäft aufgezogen“ worden sei, dem ein „ganz normaler Kaufvertrag“ zugrunde gelegen sei, „mit voll angemessenem Kaufpreis, den Theodor Horr selbst vorgeschlagen und akzeptiert“ hätte. Auf das Ehepaar sei „von der Reichs680 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 11382 13, Waldgut Ziermahof, Ankauf, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an Theodor Horr, 19. November 1943. 681 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, Waldgut Ziermahof – Hilde Horr, RA Dr. Wolfgang Thomich an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 14. April 1948. 682 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, RA Dr. Wolfgang Thomich an ORR Dr. Franz Ha ckermüller, 7. Mai 1948.
3.3. Fallbeispiele
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forstverwaltung keinerlei Druck ausgeübt“ worden, sodass „zumindest der Reichsforstverwaltung … die Einhaltung der Regeln des redlichen Verkehrs zugebilligt werden“ müssten. Dass Horr, wie er nun behaupte, „unter nachhaltigem Druck der Parteidienststellen gestanden sei“, sei ihnen, wobei er sich auf sich selbst und die Zeugenschaft Julius Güdes berief, „überhaupt nicht bekannt“ gewesen. (sic!) ORR Hackermüller ging dann aber doch auf einen für das Verfahren wesentlichen Aspekt ein, nämlich auf die, wie er sie nannte, „Winkelzüge betreffend die Überlassung eines anderen Sägewerkes“. Dazu sei ihm „nichts Näheres bekannt, da sich dies bei anderen Dienststellen und nicht bei der Reichsforstverwaltung abgespielt“ hätte. (sic!) Das Amt des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ hätte bei den Kaufverhandlungen Theodor Horr „ausdrücklich erklärt“, dass „nur ein reiner glatter Kauf ohne Realkompensation in Betracht“ käme, da das Amt „keine Möglichkeit hatte, in den abzuschließenden Vertrag als Gegenleistung die Verpflichtung zur Überlassung eines anderen Sägewerkes aufzunehmen, da über die Vergabe von Sägewerken auf Grund einer eigenen Verordnung andere Dienststellen (Forst- und Holzwirtschaftsamt bzw. Reichsstelle Holz in Berlin) zu verfügen hatten“. Das war natürlich nur teilweise richtig und verkürzte den Sachverhalt bedenklich, weil Hackermüller beispielsweise die in den Vertrag aufgenommene Vereinbarung überhaupt nicht erwähnte. Um aber jeden Verdacht an der Freiwilligkeit des Rechtsgeschäfts zu zerstreuen, zog der nach 1945 nun für die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste tätige Hackermüller einen eigenwilligen Umkehrschluss: Dass „kein Vermögensentziehungsfall“ vorliege, ergebe „sich auch daraus“, dass er, „betraut mit der Einbringung der Vermögensentziehungsanmeldungen“ (sic!), im Fall Horr „keinen Zweifel daran hatte“, eine Anmeldung nicht einzubringen.683 Im Februar 1950 trat die Finanzprokuratur dem Rückstellungsverfahren, zu dem bisher trotz fast zweijähriger Dauer nur zwei Tagsatzungen stattgefunden hatten, gemäß § 1 Abs. 3 Prokuratursgesetz684 zur Wahrung öffentlicher Interessen bei. Die Finanzprokuratur ersuchte in einem Schreiben an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, die für den 23. Februar 1950 anberaumte Verhandlung „durch einen rechtskundigen und informierten Beamten verrichten zu lassen“ und gab gleichzeitig die eindeutige Strategie vor: Es wäre „zu bestreiten, daß eine Entziehung im Sinne des Dritten Rückstellungsgesetzes stattgefunden“ habe, „da die Liegenschaft durch Kaufvertrag gegen angemessenen Preis von der Antragstellerin veräußert wurde, und diese Veräußerung unabhängig von der nationalsozialistischen Machtergreifung oder von politischem 683 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, ORR Dr. Franz Hackermüller an RA Dr. Wolfgang Thomich, 12. Mai 1948. 684 StGBl. Nr. 172/1945
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Druck erfolgte. … Für den Fall der Rückstellung wären … Aufwendungen der Reichsforstverwaltung … geltend zu machen“.685 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste bestätigte am 16. Februar 1950, bei der Verhandlung „im Sinne der erteilten Weisung zu intervenieren“ und nominierte als rechtskundigen Beamten zur Vertretung der Finanzprokuratur – HR Franz Hackermüller.686 Jener Beamte, den das Ehepaar Horr als damaligen Vertreter der Reichsforstverwaltung für die Entziehung ihres Gutes bzw. ihrer wirtschaftlichen Schädigung in der NS-Zeit zumindest mitverantwortlich machte, saß ihnen nun als Vertreter der Finanzprokuratur gegenüber, die zur „Wahrung öffentlicher Interessen“ an der Seite des Antragsgegners Deutsches Reich dem Verfahren beigetreten war. Der mittlerweile mit dem gesamten Akteninhalt vertraute HR Franz Hackermüller intervenierte in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 1950 nicht nur für die Finanzprokuratur, wobei er zusätzlich jegliche Verabredung eines „Tausches“ des Gutes Zierma mit der Säge Krumbach bestritt – ein „Tausch“ war ja tatsächlich nicht vereinbart worden –, er wurde über Antrag des nunmehrigen Abwesenheitskurators für das Deutsche Reich, AR Heinrich Placereano, „selbst als Zeuge vernommen“, wobei er „in obigem Sinne aussagte“, wie Hackermüller in seinem Bericht an die Finanzprokuratur vom 28. März 1950 bestätigte.687 HR Hackermüller brachte also das schier unmöglich scheinende Kunststück zusammen, im Sinne der Verteidigungsstrategie der Finanzprokuratur „zur Wahrung öffentlicher Interessen“ gegen den Rückstellungsantrag Hilde Horrs zu agieren und gleichzeitig als Zeuge unter Wahrheitsverpflichtung über Vorgänge während der NS-Zeit auszusagen – ohne die Strategie der Prokuratur aufgeben zu müssen oder sich in Gefahr der falschen Zeugenaussage zu begeben. Denn das Verfahren lief alles andere als gut für den Antragsgegner und seinen Beteiligten. Dem Bericht HR Hackermüllers ist zu entnehmen, dass der als Zeuge vernommene Hypothekargläubiger Rudolf Zellinger „wider Erwarten“ und trotz der Fragen Hackermüllers „für das Deutsche Reich sehr ungünstig aussagte“. Anders als beim Abschluss des Kaufvertrages legte nun Hilde Horr „Beweise vor, daß sie Volljüdin sei“, was Hackermüller sichtlich irritierte und zu dem Schluss kommen ließ, „dass das zu gewärtigende Teilerkenntnis der Rückstellungskommission aller Voraussicht nach zuungunsten des Deutschen Reiches lauten“ werde. Auch sei sein Rettungsversuch, der einer Kapitulation gleichkam, nämlich die „Gegenseite zur Außerstreitstellung der 685 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, Finanzprokuratur, Abt. VI, GZ 5.822/50, an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 13. Februar 1950. 686 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Finanzprokuratur, 16. Februar 1950, und Legitimation HR Dr. Franz Hackermüller. 687 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, HR Dr. Franz Hackermüller an die Finanzprokuratur, 28. März 1950, S. 1.
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Redlichkeit des Erwerbes zu bestimmen“, erfolglos geblieben. Um für den Eventualfall des Unterliegens gerüstet zu sein, ersuchte Hackermüller die Finanzprokuratur schon jetzt, dem Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich „Richtlinien zu geben, in welcher Weise er die von ihm einzubringende Berufung begründen“ solle.688 Die Rückstellungskommission für die Steiermark beim LGfZRS Graz verpflichtete das Deutsche Reich in ihrem Teilerkenntnis vom 3. Juli 1950 zur Rückstellung des Gutes Zierma an die Antragstellerin Hilde Horr. Dieses Teilerkenntnis befindet sich nicht mehr in den Akten. Abermals wurde HR Hackermüller von der Finanzprokuratur um Stellungnahme ersucht, wie aussichtsreich eine Berufung sei.689 Hackermüller gab in seinem Bericht zunächst durchaus zurückhaltend zu bedenken, dass die im Teilerkenntnis enthaltene Anerkennung der Einhaltung der „Regeln des redlichen Verkehrs“ durch die damalige Reichsforstverwaltung einen „so großen Vorteil“ bei der noch ausständigen Regelung der Ausgleichszahlungen mit sich bringe, der „durch eine Berufung nicht aufs Spiel gesetzt werden“ dürfe.690 Er bezog aber dann doch Stellung zu der für ihn im Teilerkenntnis „irrigen Annahme“, Hilde Horr hätte zum vom NS-Regime verfolgten Personenkreis gehört sowie zum „schweren Konstruktionsfehler“, sie wäre durch das NSRegime wirtschaftlich so schwer geschädigt worden, dass sie zum Verkauf ihres Gutes gezwungen war. Durchaus zutreffend kam Hackermüller zu dem Schluss, dass Hilde Horr als „Mischling 1. Grades“ anzusehen gewesen sei, mit seiner Begründung, weil „eben die Anwendung der gegen Juden erlassenen Vorschriften (Veräußerungsauftrag und Bestellung eines Veräußerungstreuhänders) gar nicht möglich gewesen“ sei, interpretierte er aber immer noch die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 5. Dezember 1938. Er verkannte dabei aber wissentlich oder nicht, dass auch „Mischlinge 1. Grades“ zum vom NS-Regime verfolgten Personenkreis gehörten, was ihn dann auch bezüglich der Vereinbarung im Kaufvertrag zu einer völlig unrichtigen Beurteilung kommen ließ. Der von Hackermüller angesprochene „schwere Konstruktionsfehler“ des Teilerkenntnisses, nämlich die wirtschaftlich schwere Schädigung Hilde Horrs, die sie zum Verkauf genötigt hätte, scheint daher vor diesem Hintergrund durchaus glaubhaft und dürfte auf die „wider Erwarten ungünstige Zeugenaussage“ des Hypothekargläubigers Rudolf Zellinger zurückzuführen sein, wegen der Hackermüller unter anderem auch einer Berufung wenig Chancen einräumte. Vielleicht wollte Zellinger den Verkaufsdruck, den er auf das Ehepaar Horr ausgeübt hatte, auch nur weitergeben bzw. damit begrün688 Ebda., S. 2 und 3. 689 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, Finanzprokuratur, Abt. VI, GZ 27.578/50, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Dr. Franz Hackermüller, 5. Juli 1950. 690 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, HR Dr. Franz Hackermüller an die Finanzprokuratur, 6. Juli 1950.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
den, dass er dafür die Drosselung des Sägeholzkontingents an das Ehepaar Horr als „tendenziöse wirtschaftliche Verfolgungsmaßnahme“ ursächlich machte, weswegen er um die Hereinbringung seines Darlehens fürchtete. Im Gegensatz dazu erscheint aber die Verteidigung des „Kenners der damaligen Verhältnisse der Holzwirtschaft“ Hackermüller, dass die „damalige allgemeine Wirtschaftslenkung darauf ausgerichtet gewesen“ sei, „angesichts des Mangels an Rohholz, kleine unwirtschaftliche Sägen durch Streichung oder Drosselung der Sägeholzzuteilung womöglich ganz stillzulegen“ und dass „dies keineswegs eine Verfolgungsmaßnahme gegen jüdische Sägewerke“ gewesen sei, „sondern genau so auch gegenüber arischen unwirtschaftlichen Kleinbetrieben gehandhabt“ wurde, eher als Schutzbehauptung, stellt man sich die Frage, wer eher im rechtsfreien Raum gestanden ist bzw. von Entschädigungen abgeschnitten war. Hackermüller führt seine Argumente am Ende des Berichtes auch selbst mit der Bemerkung ad absurdum, dass das erste Verkaufsangebot des Ehepaares Horr vom 8. September 1939 stammte, „zu einem Zeitpunkt also, in der sich die allgemeinen drosselnden Maßnahmen der Wirtschaftslenkung noch gar nicht auswirkten“. Die Bemerkung, welche die Annahme stützen sollte, dass alleine die finanzielle Situation des Ehepaares Horr zur Verkaufsabsicht geführt hatte, widerlegte daher sein wichtigstes Argument. Völlig fehl ging die Interpretation Hackermüllers, was die „Schwierigkeiten, die Horr bei der Erwerbung oder Pachtung eines anderen Sägewerkes hatte“, anbelangte, auf welche die Rückstellungskommission nach seiner Aussage in der Beurteilung „größten Wert“ gelegt habe. Seine Feststellung, dass „diese Frage bei der Beurteilung, ob eine Vermögensentziehung“ vorliege „oder nicht, überhaupt keine Rolle“ spiele, ist Ausdruck seiner Sichtweise eines eingeschränkten Opferkreises und erscheint hierbei als logische Konsequenz. Diese Annahmen verleiteten ihn auch zur Schlussfolgerung, dass das Nichtzustandekommen der Erwerbung oder Pachtung eines anderen Sägewerkes „keinerlei Einfluß auf die Beurteilung des Kaufvertrages über das Gut Zierma“ gehabt habe. Mag Hackermüller auch die weitere Benützung der Säge und die Zusicherung der Rückübertragung des Sägegeländes für den Fall, dass Horr binnen einer Frist kein anderes Sägewerk pachten oder kaufen könne, als „Entgegenkommen“ bezeichnen, wobei das Wort „Entgegenkommen“ schon einen deutlichen Gradmesser darstellt, auf welcher Seite die Autorität lag, und als „Bedingung, die von der Reichsforstverwaltung auch loyal eingehalten wurde“, so hatte doch gerade der Nichterwerb eines anderen Sägewerks und die Unterlassung der Rückübertragung der Säge Zierma zur Folge, dass er den Kaufpreis um den Wert der Säge Zierma verkürzte und damit unangemessen machte. Ansonsten gab HR Hackermüller das Gut Zierma verloren. Da es in Verwaltung der Landesforstinspektion Graz stehe, sei es nicht Sache der Österreichischen Bundesforste, über die Berufungseinbrigung zu entscheiden. Als aber wenig später, im Juli 1950, Theo-
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dor Horr wegen eines gegenseitigen Berufungsverzichts bei ihm vorsprach, nahm Hackermüller sofort Vergleichsverhandlungen auf, obwohl dies eigentlich in die Zuständigkeit des Abwesenheitskurators für das Deutsche Reich gefallen wäre. (sic!) Hackermüller hatte stets von den „besonderen Schwierigkeiten“ gewarnt, die „in diesem Falle“ die Verrechnung der gegenseitigen Ansprüche nach Rechtskraft des Teilerkenntnisses bereiten würden. Von den ursprünglich von Hilde Horr in ihrem Rückstellungsantrag zuzüglich zur Rückstellung ihres Gutes geltend gemachten Kosten und dem Verdienstentgang für die Jahre 1941 bis 1947 in der Höhe von öS 192.800,40, die HR Hackermüller im Schreiben an die Finanzprokuratur vom 28. März 1950 als „natürlich maßlos übertrieben“ bezeichnet hatte,691 war aufgrund der von Hackermüller geltend gemachten „wertsteigernden Schlägerungen“, welche die Rückstellungskommission als zurecht bestehend anerkannte, nicht mehr viel übrig geblieben, als sie Theodor Horr in der Verhandlung vor der Rückstellungskommission am 18. April 1951, nach fast einjährigen Vergleichsverhandlungen, zur Hälfte mit dem von seiner Frau zurückzuzahlenden Kaufpreis in Höhe von öS 63.000,--, daher mit öS 31.500,--, gegenverrechnete. Die Begleichung der vom Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich geltend gemachten Ansprüche der Treuhandverwaltung seit 1945 lehnte Theodor Horr jedoch ab, weswegen die Vergleichsverhandlungen als aussichtslos abgebrochen wurden. Die Rückstellungskommission beschloss, ein Sachverständigengutachten über die bestehenden Differenzen einzuholen.692 In einem weiteren Bericht an die Finanzprokuratur vom 19. April 1951 listete HR Franz Hackermüller die strittigen Verrechnungsposten auf und kommentierte sie. Da Theodor Horr bei ihm vorgesprochen hatte, um einen weiteren unnötigen Prozessaufwand an Zeit und Kosten hintanzuhalten, hätte er ihm einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Zum Posten 1, dem Rückersatz des vom Forstamt Eibiswald getragenen Gebarungsabganges, sprich Verlust, für die Zeit der Treuhandverwaltung ab Mai 1945 bis 30. September 1950, dem Tag der Rückstellung des Gutes an Hilde Horr, in der Höhe von öS 5.415,37, bemerkte HR Hackermüller, dass dieser Betrag „voll und ohne Abstrich von der Rückstellungswerberin bezahlt werden“ müsse. Das Gut wäre gemeinsam mit dem ebenfalls zur Rückstellung gelangten Gut St. Oswald ob Eibiswald verwaltet worden, der Verlust des Gutes Zierma zulasten dieses Gutes abgedeckt worden, weswegen „der Rückersatz letzten Endes dem Gut St. Oswald gebühre“.693 Auch auf die Ausgleichszah691 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, HR Dr. Franz Hackermüller an die Finanzprokuratur, 28. März 1950, S. 2. 692 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, HR Dr. Franz Hackermüller an die Finanzprokuratur, 18. April 1951. 693 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, HR Dr. Franz Hackermüller an die Finanzprokuratur, 19. April 1951, S. 1.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
lung der von der Landesforstinspektion Graz geführten Oberleitung und Aufsicht über die Betriebsführung des Gutes Zierma in der Höhe von öS 2.409,-- könne diese nicht verzichten. Bei der Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von öS 63.000,--, der ja seinerzeit an Hypothekargläubiger Rudolf Zellinger ausbezahlt worden war, Hilde Horr daher zugute gekommen war, räumte HR Hackermüller jedoch berechtigte Gegenforderungen Horrs ein: So hätte Hilde Horr einen auf Kosten der Gutsgebarung ausgeführten Wegebau in Höhe von öS 12.661,--, vor allem aber die Unterlassung der Instandhaltung der zum Gute gehörigen Baulichkeiten bemängelt, die nach den Ausführungen Hackermüllers „zur Zeit der Übernahme des Gutes durch die Reichsforstverwaltung im Jahre 1941 laut ausdrücklicher Feststellung im Übernahmeprotokoll in vollkommen gutem Zustand waren“. Da „die Sachverständigen und die Rückstellungskommission selbst erfahrungsgemäß nur allzu bereit“ wären, „Gegenforderungen gegen den Anspruch des Deutschen Reiches auf Kaufpreisrückersatz festzustellen“, schlug Hackermüller der Finanzprokuratur vor, eine Gegenforderung in Höhe von öS 10.000,-- anzuerkennen, wodurch sich der Anspruch des Deutschen Reiches auf Rückersatz des Kaufpreises auf öS 53.000,-reduzierte.694 Zu den öS 13.000,--, die Hilde Horr wiederum vom Deutschen Reich als Prozess- und Anwaltskosten forderte, bemerkte Hackermüller, dass sie „als überhöht angesetzt erscheinen“. Weil diese aber „bei Unterbleiben eines Vergleiches aller Voraussicht nach dem Deutschen Reich angelastet werden“, fand es HR Hackermüller „nur billig und angemessen“, eine „Kostenbeitrag“ von öS 7.000,--, also ein wenig mehr als die Hälfte, zu leisten.695 Die Kaufpreisrückzahlung verringerte sich dadurch auf öS 46.000,--. Theodor Horr erklärte sich schließlich bereit, den Vergleichsvorschlag zu akzeptieren, und zuzüglich zur Kaufpreisrückzahlung in Höhe von öS 46.000,-- noch den Verwaltungsaufwand des Gutes in voller Höhe rückzuerstatten (öS 5.415,37 und öS 2.409,--), daher insgesamt öS 53.824,37, zu leisten. Das BMF stimmte dem Vergleich am 7. Mai 1951 zu,696 der am 18. Mai 1951 vor der Rückstellungskommission für die Steiermark beim LGfZRS Graz zwischen dem Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich und Theodor Horr abgeschlossen wurde. Die Finanzprokuratur trat diesem Vergleich bei.697 Dieser Fall ist in seiner ersten Phase hintergründig geprägt von dem vom NS-Regime in Schwebe gehaltenen Status der Eigentümerin, wobei das Amt des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ mehr oder weniger auf den gesetzlichen Wortlaut abstell694 Ebda., S. 2. 695 Ebda. 696 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, Finanzprokuratur, Abt. VI, GZ 21.377/51, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Dr. Franz Hackermüller, 8. Mai 1951. 697 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 10178 30, Finanzprokuratur, Abt. VI, GZ 31.982/51, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Dr. Franz Hackermüller, 3. Juli 1951.
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te, wonach Hilde Horr nicht als Jüdin zu gelten habe, während die Parteistellen willkürlich verfuhren und sich nicht an die bestehenden Gesetze hielten. Aber selbst innerhalb der Reichsforstverwaltung ist keine gerade Linie zu beobachten, wie der Erlass des Forst- und Holzwirtschaftsamtes in Salzburg vom 24. Februar 1941 verdeutlicht, in dem sich das Amt sehr deutlich gegen den Erwerb der staatlichen Säge aufgrund der „halbjüdischen“ Abstammung Hilde Horrs aussprach. Die zweite Phase, jene nach 1945, die das Rückstellungsverfahren umschloss, war geprägt durch das Verhalten des von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste autorisierten HR Franz Hackermüller. Obwohl das Gut nach 1945 als „Deutsches Eigentum“ von der Forstamtsabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung verwaltet wurde, zog die Generaldirektion über Hackermüller die Fäden im Rückstellungsverfahren. Der ehemalige Rechtsreferent des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, dem nach 1945 bei den Österreichischen Bundesforsten die Aufgabe zugekommen war, Anmeldungen über entzogenes Vermögen zu erstellen, intervenierte schließlich in dem Verfahren für die Finanzprokuratur zur Wahrung öffentlicher Interessen für die Republik Österreich auf Seiten des Antragsgegners Deutsches Reich und wurde darüber hinaus noch als Zeuge über die Vorgänge vor 1945 vernommen.
3.3.2. Sonnblickrealität – Hubert Pucher Sonnblickrealität (auch Pucherhof ): 1/1 EZ 1 KG Malta698 „Schober in Brandstatt“; Gasthof „Zum Sonnblick“, daher die zu dieser Liegenschaft gehörigen 6/45 Anteile an der EZ 85 KG Malta; 1/1 EZ 8 KG Malta „Egarter in Brandstatt“699; die mit dieser Liegenschaft verbundenen 14/45 Anteile an der EZ 85 KG Malta sowie 2/3 Anteile an der EZ 88 KG Malta „Kleinmelnikalpe“; 1/1 EZ 75 KG Dornbach700 „Molza-Wiese“; und Grdstck. 279/1 Wiese EZ 129 KG Dornbach „Molzingerwiese“
698 Katastralgemeinde Malta, damaliger Gerichtsbezirk Gmünd, heute Spittal an der Drau. 699 Aufgrund einer Nachtragsvereinbarung vom 11. März 1941 wurden die bereits mit Kaufvertrag vom 6. Februar 1941 veräußerten Gründstücke 107/5, 1144, 1145/1 und 1145/2 der EZ 8 KG Malta von dieser abgeschrieben, Hubert Pucher zurückgegeben und einer in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft zugeschrieben. 700 Katastralgemeinde Dornbach, Gerichtsbezirk Spittal an der Drau.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Gesamtausmaß: Eigentümer am 13. März 1938: Eigentumsübertragung auf:
Verwaltung nach 1945: Vermögensentziehung:
Heutiger Eigentümer:
26.5865 ha Hubert Pucher, Transportunternehmer in Gmünd Deutsches Reich (Reichsforstverwaltung) Kaufvertrag vom 6. Februar 1941; und Nachtragsvereinbarung vom 11. März 1941; Kaufpreis: RM 49.500,--701 Forstverwaltung Millstatt am See für die Österreichischen Bundesforste RS-Antrag zur GZ Rk 106/50 bei der RK beim LGfZRS Klagenfurt nach dem Dritten RStG; mit Erkenntnis der ROK Graz vom 20. Dezember 1951 (GZ Rkb 170/51) abgewiesen EZ 1 KG Malta Privateigentum EZ 8 KG Malta Land- und forstwirtschaftliche Betriebs GmbH, Salzburg EZ 85 KG Malta besteht nicht mehr EZ 88 KG Malta besteht nicht mehr EZ 75 KG Dornbach Privateigentum (Eigentümer wie EZ 1 KG Malta) EZ 129 KG Dornbach Privateigentum
Die in der Kärntner Gemeinde Malta gelegene „Sonnblickrealität“, die seit 1935 im Eigentum des Transportunternehmers und Autohändlers Hubert Pucher stand, wurde mit seinen 26,5 ha wie eine Enklave vom 6.000 ha großen Waldbesitz des Schlosses Gmünd umschlossen. Dieser gehörte bis 1934 dem Hause Lodron und stand dann im Eigentum des Gutsbesitzers Karl Isra. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich wurde der Forstbesitz Gmünd Karl Isra im Jahre 1939 entzogen und von der Reichsforstverwaltung angekauft.702 Hubert Pucher schloss am 6. Februar 1941 einen Kaufvertrag mit der Reichsforstverwaltung, vertreten durch den Reichstatthalter (Landesforstamt Kärnten-Steiermark), über die „Sonnblickrealität“ ab. Das Landesforstamt war zuvor zum Abschluss dieses Kaufvertrags vom Reichsforstamt in Berlin ermächtigt worden. Der Kaufvertrag umfasste die Liegenschaften EZ 1 KG Malta „Schober in Brandstatt“ samt den zu dieser 701 Hiervon entfielen RM 46.500,-- auf die Liegenschaften und RM 3.000,-- auf das Inventar des samt Schank- und Gastgewerbekonzession mitübernommenen Gasthofs „Sonnblick“ 702 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Sonnblickrealität Forstverwaltung Millstatt, Erkenntnis RK beim LGfZRS Klagenfurt, GZ Rk 106/50, vom 4. September 1951, Sachverhaltsdarstellung, S. 2f.
3.3. Fallbeispiele
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Liegenschaft gehörigen 6/45 Anteilen an der EZ 85 KG Malta, EZ 8 KG Malta „Egarter in Brandstatt“ und die mit dieser Liegenschaft verbundenen 14/45 Anteile an der EZ 85 KG Malta; weiters 2/3 Anteile an der EZ 88 KG Malta „Kleinmelnikalpe“, die EZ 75 KG Dornbach „Molza-Wiese“ und das Grundstück 279/1 Wiese EZ 129 KG Dornbach „Molzingerwiese“; darüber hinaus den auf der Liegenschaft EZ 8 KG Malta befindlichen Gasthof „Sonnblick“ mit dem dazugehörigen Inventar und der Schankund Gastgewerbekonzession und einigen Dienstbarkeiten. Als Kaufpreis wurde der Betrag von RM 49.500,-- vereinbart, wobei RM 46.500,-- auf das Grundstücksvermögen und RM 3.000,-- auf das Inventar des Gasthofes entfielen.703 Aufgrund einer Nachtragsvereinbarung vom 11. März 1941 wurde der Kaufvertrag vom 6. Februar 1941 dahingehend berichtigt, dass sich Hubert Pucher einige Grundstücke aus der EZ 8 KG Malta zurückbehielt,704 die von dieser EZ abgeschrieben und der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft EZ 129 KG Dornbach zugeschrieben wurden. Am vereinbarten Kaufpreis änderte sich jedoch nichts.705 Mit Beschluss des Amtsgerichtes Gmünd vom 21. März 1941 wurde das Grundstück 289/1 „Molzingerwiese“ von der EZ 129 KG Dornbach ab- und der EZ 75 KG Dornbach zugeschrieben und gleichzeitig die Einverleibung des Eigentumsrechts für das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) auf den Liegenschaften EZ 1 und 8 KG Malta sowie EZ 75 KG Dornbach bewilligt.706 Kaufvertrag und Nachtragsvereinbarung lassen auf keine Vermögensentziehung schließen; zudem weisen beide Verträge die Zusatzklausel auf, dass an dem Rechtsgeschäft „kein Jude beteiligt“ sei.707 Die Rückstellungskommission beim LGfZRS Klagenfurt708 verpflichtete 1948 das Deutsche Reich zur Rückstellung des Forstbesitzes Gmünd an die Erben von Karl Isra.709 Beim Erwerb des Gutes durch die Reichsforstverwaltung habe es sich um eine nichtige Vermögensentziehung nach dem Dritten Rückstellungsgesetz gehandelt, bei welchem die „Regeln des redlichen Verkehrs“ nicht eingehalten worden seien. Jene Liegenschaften 703 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 92, Kaufvertrag vom 6. Februar 1941. 704 Es handelte sich dabei um die Grundstücke 107/5, 1144, 1145/1 und 1145/2 der EZ 8 KG Malta. 705 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 92, Zusatzvereinbarung vom 11. März 1941. 706 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 92, Beschluss des Amtsgerichtes Gmünd zur GZ 129/41 vom 21. März 1941. 707 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Regionen, Kärnten, Zl. 92, Kaufvertrag vom 6. Februar 1941, Pkt. 13, S. 6. Zusatzvereinbarung vom 11. März 1941, Pkt. 5, S. 2. 708 GZ Rk 71/48 709 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Sonnblickrealität Forstverwaltung Millstatt, Erkenntnis ROK beim OLG Graz, Rkb 170/51, vom 20. Dezember 1951, S. 2.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
aus dem ursprünglichen Eigentum Karl Isras, die als ehemaliges „Deutsches Eigentum“ vom ehemaligen Forstamt der Reichsforste Maltatal verwaltet worden waren, wurden ausgegliedert, die verbliebenen Liegenschaften, die bis 1941 im Eigentum von Hubert Pucher gestanden waren, wurden in die Verwaltung der Österreichischen Bundesforste, Forstverwaltung Millstatt am See, übergeben.710 Am 17. Juni 1950 richtete der Salzburger RA Reinhold Möbius, der im Rückstellungsverfahren die Erben von Karl Isra vertreten hatte, ein Schreiben an den damaligen Generaldirektor der Österreichischen Bundesforste, Ferdinand Preindl, in dem er zunächst auf den „gewissen Zusammenhang mit dem Isra-Prozeß“ aufmerksam machte und dann namens seines Mandanten Hubert Pucher eine vergleichsweise Rückabwicklung des Kaufvertrags vom Jahre 1941 vorschlug, daher die Rückstellung der Liegenschaften gegen Rückerstattung des zur Auszahlung gelangten Kaufpreises. Dafür würde sein Mandant auf Schadenersatzforderungen wegen des Umbaus des Gasthofs zu einem Personalhaus und wegen des fehlenden Inventars verzichten.711 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste erklärte sich in ihrem Antwortschreiben an RA Möbius für unzuständig, da die Bundesforste die ehemaligen Liegenschaften Puchers lediglich verwalten würden, in Rückstellungsverfahren nicht als Partei eingeschaltet und daher ohne Einfluss sei. Außerdem würden die Beamten nur zur Feststellung des Sachverhalts einvernommen. Darüber hinaus könnten sich „Schadenersatzansprüche niemals gegen den österreichischen Staat richten“, da dieser wie im Fall des Umbaus des Gasthofs „gar nicht verantwortlich“ sei.712 Kurze Zeit später brachte RA Möbius bei der Rückstellungskommission beim LGfZRS Klagenfurt einen Rückstellungsantrag gegen das Deutsche Reich nach dem Dritten Rückstellungsgesetz ein. Er forderte darin namens seines Mandanten Hubert Pucher die Rückstellung aller mit Kaufvertrag vom 6. Februar 1941 veräußerten Liegenschaften, einschließlich aller darauf befindlichen Baulichkeiten sowie das mitübernommene Inventar. Von dieser Forderung waren jene Liegenschaften ausgenommen, die Pucher einbehalten hatte. Die zur Wiederherstellung des Gasthausbetriebes erforderlichen Umbaukosten sowie die Kosten zur Wiedererlangung der zurückgelegten Gastgewerbekonzession gehörten jedoch zum Streitwert, den Möbius mit öS 100.000,-- bezifferte.713 Als Rückstellungs710 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Sonnblickrealität Forstverwaltung Millstatt, Bezirksforstinspektion Spittal/Drau an die Landesforstinspektion für Kärnten, 21. Februar 1951. 711 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Sonnblickrealität Forstverwaltung Millstatt, RA Reinhold Möbius an den Generaldirektor der Österreichischen Staatsforste Ferdinand Preindl, 17. Juni 1950. 712 ������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Sonnblickrealität Forstverwaltung Millstatt, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an RA Reinhold Möbius, 4. Juli 1950. 713 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Sonnblickrealität Forstverwaltung Millstatt, Erkenntnis RK beim LGfZRS Klagenfurt, GZ Rk 106/50, vom 4. September 1951.
3.3. Fallbeispiele
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Auszug aus: Der Deutsche Forstwirt, 15. September 1939
gründe führte er dieselben wie im Schreiben an den Generaldirektor der Österreichischen Bundesforste vom 17. Juni 1950 an: Hubert Pucher sei in der NS-Zeit politischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen, weswegen der Kaufvertrag vom 6. Februar 1941 samt Nebenvereinbarung nichtig sei. Außerdem hätte sich Pucher nur aufgrund von Drohungen bzw. einer Prozessführung mit dem Deutschen Reich unter Zwang zum Verkauf entschlossen. Oberhalb seiner ehemaligen Liegenschaften, die zum Teil an einem Steilhang gelegen seien und dessen Steigung bis zu 25 % betrage, hätte sich der 1939 in das Eigentum der Reichsforstverwaltung übergegangene Waldbesitz Karl Isras befunden. Obwohl der Waldbesitz bereits überständig gewesen sei, hätten Hubert Pucher bzw. dessen Vorgänger bereits vor dem Ersten Weltkrieg mehrfach mit Erfolg gegen eine beabsichtigte Schlägerung Einspruch erhoben, da das Fällen von Bäumen durch die Möglichkeit von Lawinen und Steinschlag eine Gefahr für das unterhalb gelegene Anwesen gebildet hätte. Die Reichsforstverwaltung hätte jedoch sofort nach der Entziehung des Waldbesitzes Isras im oberen Egarterwald mit Schlägerungen begonnen, ohne den Anrainer Pucher zu verständigen. Nach seinem Einspruch hätte die Landesforstbehörde die Schlägerungen zwar eingestellt und eine Kommissionierung angeordnet. Anlässlich dieser Kommissionierung, bei der Pucher Sicherheitsmaßnahmen durch Dammbauten gefordert habe, sei es jedoch zu einem Wortwechsel mit dem Forstmeister der Reichsforstverwaltung Richard Borowan
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
gekommen, der sich entschieden gegen alle Maßnahmen ausgesprochen und vor Zeugen erklärt habe, „daß ihm (Pucher) nichts anderes übrig bleibe, als mit dem Deutschen Reich Prozeß zu führen, oder zu verkaufen. Pucher könne sich ausmalen, ob er einen Prozeß gegen das Deutsche Reich gewinnen werde“. Diese Äußerung hätte Hubert Pucher auch aufgrund seiner politischen Verfolgung derart eingeschüchtert, dass er sich zu einem Verkauf entschlossen habe. Hinzu wäre gekommen, dass die Reichsforstverwaltung großes Interesse an seinen Liegenschaften gehabt habe, um durch Umbauten des großen Gasthofs in ein Personalhaus Unterkunftsmöglichkeiten für ihr Forstaufsichtspersonal zu schaffen, womit man Pucher zusätzlich unter Druck gesetzt und mit Enteignung bedroht habe. Auf seine Kaufpreisvorstellungen von RM 60.000,-- bis RM 70.000,-- sei die Reichsforstverwaltung schließlich nicht eingegangen und hätte den Kaufpreis einseitig, „wie dies damals üblich war“, mit RM 45.000,-- festgesetzt, womit dieser unangemessen niedrig gewesen wäre. Die „Regeln des redlichen Verkehrs“ seien daher mangels freier Auswahl des Käufers und infolge des unangemessenen Kaufpreises nicht eingehalten worden.714 Am 2. Dezember 1950 wurde der Klagenfurter RA Dr. Kurt Dörflinger vom Bezirksgericht Klagenfurt zum Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) für das Rückstellungsverfahren bestellt. Dörflinger war bereits Abwesenheitskurator im Rückstellungsverfahren Isra gewesen. Bereits am 15. Dezember 1950 „ersuchte“ das BMF die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, dem „Abwesenheitskurator alle zur Erstattung der Gegenäußerung erforderlichen Informationen, insbesondere im Bezug auf den vom Antragsteller behaupteten Tatbestand der Entziehung und hinsichtlich der im Falle der eventuellen Rückstellung der Liegenschaft vom Antragsteller zu leistenden Erstattungsbeträge, zu erteilen“.715 Schließlich schaltete sich am 8. Jänner 1951 die Finanzprokuratur mit einem Schreiben an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ein und gab auch gleich eine Begründung für ihr Einschreiten mit: „Obwohl es sich nicht um Ansprüche gegen die Republik Österreich, sondern gegen das Deutsche Reich handelt, so besteht doch ein öffentliches Interesse daran, daß der Antragsteller mit den Ansprüchen nur dann durchdringt, wenn die Voraussetzungen nach dem 3. Rückstellungsgesetz wirklich gegeben sind. Wenn die Gefahr besteht, daß … der Kurator des Deutschen Reiches mangels entsprechender Information oder aus anderen Gründen die Interessen des Deutschen Reiches nicht zweckmäßig zu vertreten 714 Ebda., Vgl. ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Sonnblickrealität Forstverwaltung Millstatt, Erkenntnis ROK beim OLG Graz, Rkb 170/51, vom 20. Dezember 1951, Sachverhaltsdarstellung, S. 2, und RA Reinhold Möbius an Generaldirektor der Österreichischen Staatsforste Ferdinand Preindl, 17. Juni 1950. Der RS-Antrag Puchers befindet sich nicht im Aktenkonvolut 950 9256 30. 715 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, BMF an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 15. Dezember 1950.
3.3. Fallbeispiele
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in der Lage ist (sic!), im Gesetz nicht begründete Rückstellungsanträge durchdringen, schaltet sich die Prokuratur über Ersuchen der mit der Verwaltung des Rückstellungsobjektes befassten staatlichen Stelle in das Rückstellungsverfahren als Partei ein.“716 Die Finanzprokuratur machte daher ihre Parteistellung im Rückstellungsverfahren Pucher vom Ersuchen der verwaltenden Stelle Österreichsche Bundesforste abhängig. Indem die Prokuratur aber nun offenlegte, wie „unbegründet“ der Rückstellungsantrag Puchers aus ihrer Sicht war, und damit den Bundesforsten die „Gefahr des Durchdringens“ aufzeigte, zugleich dem Abwesenheitskurator die Strategie für seine Gegenäußerung vorgab, wurde die Frage des Ersuchens an die Bundesforste zu einer reinen Suggestivfrage. Tatsächlich erfolgte die diesbezügliche Erklärung der Österreichischen Bundesforste am 23. Jänner 1951, die Finanzprokuratur schloss sich dem Rückstellungsverfahren am 25. Jänner 1951 „in Vertretung öffentlicher Interessen“ an717 und erstattete am 29. Jänner 1951 eine Gegenäußerung.718 Die im Schreiben an die Österreichischen Bundesforste vom 8. Jänner 1951 dargelegten Hauptangriffspunkte der Finanzprokuratur gegen den Rückstellungsantrag zielten auf die Entkräftung der Behauptungen Puchers, politisch verfolgt gewesen zu sein, und die Liegenschaften nur aufgrund der Drohungen Forstmeister Borowans veräußert zu haben. Bezüglich der Frage der politischen Verfolgung Hubert Puchers sah die Finanzprokuratur dem Verfahren scheinbar gelassen entgegen. In seinem Rückstellungsantrag hatte Pucher angegeben, als Unteroffizier vom 11. bis 14. September 1939 im Gefangenenhaus des Bezirksgerichts Spittal wegen „schwer belastender defaitistischer Äußerungen“ in Untersuchungshaft gewesen zu sein. Er sei vom Militärgericht verfolgt gewesen, weil er „abfällige Äußerungen über die Wehrmacht und den Kriegsausbruch“ gemacht habe. Als Bestätigung legte er die eidesstattliche Erklärung des Notars Dr. Paul Sablatnigg vor, der Pucher damals verhört hatte.719 Der Finanzprokuratur erschien diese Darstellung in drei Punkten als „zweifelhaft“. Pucher hätte dieses „Verhalten“ selbst „hervorgerufen“, das „nicht nur in dem nationalsozialistischen Staat, sondern auch in jeder anderen Armee verfolgt worden wäre“. Pucher wäre nur drei Tage in Haft gewesen, worunter zweifellos kein 716 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 8. Jänner 1951, S. 1. 717 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMF, 23. Jänner 1951, und Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 25. Jänner 1951. 718 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, RA Dr. Kurt Dörflinger an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 30. Mai 1951. 719 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Erkenntnis RK beim LGfZRS Klagenfurt, GZ Rk 106/50, vom 4. September 1951, Sachverhaltsdarstellung S. 7. Erkenntnis ROK beim OLG Graz, Rkb 170/51, vom 20. Dezember 1951, Sachverhaltsdarstellung, S. 2. RA Reinhold Möbius an den Generaldirektor der Österreichischen Staatsforste Ferdinand Preindl, 17. Juni 1950.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Dauerzustand zu verstehen sei, denn „nicht jeder einzelne Vorfall“ sei „an sich zu werten, sondern erst die Gesamtheit der Verfolgungsakte“ ergebe „das richtige Bild“.720 Außerdem hätte dieser einzige Fall keine weiteren Folgen für Pucher nach sich gezogen. Insgesamt sei daher nicht von einer politischen Verfolgung Hubert Puchers auszugehen.721 Größere Bedenken bereiteten der Finanzprokuratur jedoch sichtlich die Äußerungen des Forstmeisters Richard Borowan, der von Pucher als Zeuge angeführt worden war. Deshalb regte sie in ihrem Schreiben an die Österreichischen Bundesforste an, Borowan „informativ über den Sachverhalt zu befragen“.722 Diesem Ansinnen kamen die Bundesforste am 16. Jänner 1951 mit einer entsprechenden Weisung an die Forstverwaltung Millstatt nach,723 womit die Österreichischen Bundesforste trotzdem und gerade deswegen, weil ihnen im Rückstellungsverfahren keine Parteistellung zukam, zum Drahtzieher hinter den Kulissen wurden. Am 18. Jänner 1951 langte das Ergebnis der informativen Befragung von Forstmeister Richard Borowan ein, der ja eigentlich ein von Pucher namhaft gemachter Zeuge war, aber „vertrauliche Mitteilungen“ gemacht hatte. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste leitete das Dossier sogleich an die Finanzprokuratur weiter.724 Borowan hätte die gegenüber Pucher getätigte Äußerung: „Wir werden ja sehen, wer der Stärkere ist, die Reichsforstverwaltung oder Sie“ bestätigt, worauf sich Pucher zum Verkauf der Liegenschaften entschlossen habe. Der Beamte der Forstverwaltung Millstatt am See, der Borowan befragt hatte, versuchte nun quasi als Draufgabe mit einem Lagebericht und einer politischen Beurteilung zu überzeugen, die er als „Vormerk über Hubert Pucher in Döbriach“ betitelte und dessen Wortlaut an sechs Jahre zuvor erinnerte. So nütze Pucher „das politische Moment aus, weil er wegen einer belanglosen Angelegenheit 3 Tage in Haft gesetzt wurde“. Er habe „wegen seines durchtriebenen Charakters und Spekulantentums auch heute hier in Döbriach und Millstatt einen schlechten Ruf“. Er sei „durch seine Spekulationen und Eingaben auch der Schrecken des Finanzamtes“. Pucher habe gesehen, „daß die Herrschaft Gmünd infolge Rückstellungsverfahren den Besitz zurückerhalten“ habe, weswegen er nun „dasselbe für sein Anwesen“ versuche.725 720 Die Finanzprokuratur stützte sich hierbei auf die Entscheidung Rkv 306/49 vom 17. September 1949. 721 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 8. Jänner 1951, S. 2. 722 Ebda., S. 3. 723 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Österreichische Staatsforste an die Forstverwaltung Millstatt, 16. Jänner 1951. 724 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Österreichische Staatsforste an die Finanzprokuratur, 23. Jänner 1951. 725 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Forstverwaltung Millstatt am See, Forstmeister Passer, Vormerk über Hubert Pucher in Döbriach.
3.3. Fallbeispiele
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Fast entschuldigend machten auch die Österreichischen Bundesforste die Finanzprokuratur auf den Umstand aufmerksam, dass der befragte Borowan „nicht mehr in unseren Diensten steht, da die Forstverwaltung Gmünd an den früheren Eigentümer Isra im Rückstellungsweg zurückgegeben worden ist“, versuchten aber nun ihrerseits, die Äußerungen Borowans durch Feststellungen aus dem „teilweise erhalten gebliebenen Akt des früheren Landesforstamtes in Klagenfurt“, die sie der Finanzprokuratur erstmals bekannt gaben, infrage zu stellen. So sei es Pucher gewesen, der an das Forstamt Gmünd mit einem Kaufangebot herangetreten sei und am 7. Dezember 1939 bestätigt habe, dass er der Reichsforstverwaltung mit einem Kaufpreis von RM 58.000,-- bis 1. Jänner 1940 im Wort bleibe. Am 28. Februar 1940 hätte er schließlich die Reichsforstverwaltung zu einer Stellungnahme gedrängt, da „auch eine Großfirma sich an der Sonnblickrealität interessiere“. Aus dem Akt seien „Schriftstücke oder Bemerkungen über einen Zwang nicht feststellbar“.726 Bis zum Mai 1951 kamen die Österreichischen Bundesforste auch einer weiteren, von der Finanzprokuratur gestellten Aufgabe nach, nämlich dem Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich die Einnahmen und Ausgaben, die sich aus der Verwaltung der ehemaligen Liegenschaften Puchers ergeben hatten, bekannt zu geben. Bereits am 20. März gaben die Bundesforste in einem Zwischenbericht die Feststellung an RA Dörflinger und die Prokuratur weiter, dass die Sonnblickrealität „sowohl in der Zeit der Verwaltung der Reichsforste als auch der Verwaltung der Bundesforste … passiv war“.727 Am 10. Mai 1951 konnten die Österreichischen Bundesforste den Gesamtabgang für die Verwaltung des Gutes vom 1. Mai 1945 bis zum 2. März 1951 beziffern. Hierbei handelte es sich nun um eine Forderung der Republik Österreich, die auch als solche im Verfahren vor der Rückstellungskommission angemeldet wurde. Hubert Pucher hätte im Falle der Rückstellung seiner Liegenschaften öS 51.836,81 an die Bundesforste zu bezahlen gehabt. Nicht nachvollziehbar erscheint dabei die Berechnung der im Abgang enthaltenen Verwaltungstangente von öS 3,-- pro ha sowie der Kosten der örtlichen Forstverwaltung, die beide „im Verhältnis des Ausmaßes der Sonnblickrealität von 161.6349 ha (sic!) zur Gesamtfläche der Forstverwaltung berechnet wurden“.728 Das Gesamtausmaß der Sonnblickrealität betrug bekanntlich laut Kaufvertrag vom 6. Februar 1941 26.5865 ha und war aufgrund der Nachtragsvereinbarung noch geringer. 726 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Österreichische Staatsforste an die Finanzprokuratur, 23. Jänner 1951. 727 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Österreichische Staatsforste an RA Dr. Kurt Dörflinger und an die Finanzprokuratur, 20. März 1951. 728 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Österreichische Staatsforste an die Finanzprokuratur, 10. Mai 1951.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Über die Verhandlung vor der Rückstellungskommission Klagenfurt vom 29. Mai 1951 erging ein Bericht sowohl von Abwesenheitskurator Dörflinger als auch von der Finanzprokuratur an die Österreichischen Bundesforste. Dörflinger bestätigte den Bundesforsten in seinem Bericht vom 30. Mai 1951 zunächst, sich den Ausführungen der Prokuratur „vollinhaltlich angeschlossen“ zu haben und versicherte, dass „Pucher mit seinen Anträgen nicht durchdringen“ werde. Zusätzlich habe er als Kurator im Verfahren einige „notwendige Ergänzungen“ vorgenommen. So sei es ihm gelungen, den als Zeugen einvernommenen Forstmeister Richard Borowan so zu verunsichern, sodass dieser zugeben musste, „dass er sich nicht daran erinnern könne, dass von Enteignung oder derartigen Zwangsmaßnahmen gesprochen wurde.“ Dörflinger weiter: „Er ist sich heute offensichtlich nicht mehr im Klaren darüber, ob die Äußerung, die Reichsforste würden stärker sein und Pucher würde den Kürzeren ziehen, nur auf das Verfahren über die Schlägerungsbewilligung oder auch auf den Verkauf des Anwesens Bezug hatte.“729 Längst hatte sich das Rückstellungsverfahren auf die Beurteilung der Äußerungen Borowans zugespitzt, was auch einem späteren Amtsvermerk des Forstamtes Millstatt vom 30. Juli 1951 zu entnehmen ist, der Rückstellungsanspruch scheine nur durch die Aussage des Forstmeisters „begründet und aufrecht erledigt“ zu werden.730 In diesem Sinne ist auch eine Passage im Bericht Dörflingers an die Bundesforste vom 30. Mai 1951 zu verstehen, in der Dörflinger zu verstehen glaubte, warum Borowan an seinen Äußerungen festhielt. Borowan würde sich in einer „Zwickmühle“ befinden, denn er habe „damals als Beamter gehandelt und ist heute sicherlich bestrebt, gewisse Härten, die damals durchaus gerechtfertigt erschienen, auszugleichen“. Mehr noch, Dörflinger äußerte den Verdacht, dass die Familie Isra, in deren Diensten Borowan heute stehe, „ein Interesse daran habe, daß Pucher sein Anwesen zurückerhalte, um eine ähnliche Arrondierung dann vornehmen zu können, wie sie die Reichsforste seinerzeit anregten“.731 Viel pessimistischer beurteilte die Finanzprokuratur den Ausgang des Rückstellungsverfahrens in ihrem Bericht an die Österreichischen Bundesforste vom 18. Juni 1951. Borowan hätte „in allen wesentlichen Punkten die Behauptungen des Antragstellers bestätigt“. Auch die Frage der Angemessenheit des Kaufpreises hätte nicht zur Zufriedenheit geklärt werden können, da Forstmeister Niedermüller, der die Liegenschaften seinerzeit für die Reichsforstverwaltung geschätzt hatte, im Krieg gefallen sei. Die Prokuratur versuchte daher vorsichtig, den Bundesforsten einen Strategiewechsel näherzubringen: Auf729 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, RA Dr. Kurt Dörflinger an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 30. Mai 1951, S. 2. 730 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Amtsvermerk Forstamt Millstatt, 30. Juli 1951. 731 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, RA Dr. Kurt Dörflinger an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 30. Mai 1951, S. 3.
3.3. Fallbeispiele
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grund der Passivität der Liegenschaften und der „unliebsamen Lage als Enklave“ nach der Rückstellung der ehemaligen Güter Karl Isras wäre in der Verhandlung die Frage „aufgeworfen“ worden, ob die Bundesforste noch ein „Interesse an der Beibehaltung“ der Liegenschaften hätten. RA Möbius, der Rechtsvertreter Puchers, sei zu „einem annehmbaren Vergleich bereit“, die Liegenschaften nach der Rückstellung den Bundesforsten zum Rückkauf anzubieten. Es sei auf alle Fälle zweckmäßig, „schon jetzt dem Vertreter Puchers nahezulegen, einen konkreten Vergleichsvorschlag zu stellen“.732 Interessant erscheint bei diesem Bericht, dass die Bundesforste, welche die Liegenschaften als ehemaliges „Deutsches Eigentum“ lediglich in ihrer Verwaltung hatten, über die „Beibehaltung“ befragt wurden, so als ob sie sich schon in ihrem Eigentum befunden hätten. Die Antwort der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 4. Juli 1951 war dann nicht ganz im Sinne der von der Finanzprokuratur vorgeschlagenen Vergleichsmöglichkeiten. Die Bundesforste verknüpften das Schicksal der Sonnblickrealität mit jenem der Isra-Güter, deren Rückkauf aber nicht zu erwarten war. Da die Einnahmen der Bundesforste für „wertvollere“ Grundstücksankäufe verwendet werden müssten, hätten demnach Vergleichsverhandlungen keinen Sinn. Es bleibe daher nichts anderes übrig, als den Ausgang des Rückstellungsverfahrens abzuwarten.733 Das Interesse der Bundesforste an dem Verfahren sank ab diesem Zeitpunkt auch merklich. Nach mehreren Anfragen der Prokuratur und weiteren Antworten der Bundesforste, in denen sie einen Rückkauf strikt ablehnten734, ließen sie sich am 21. August 1951 zu einer Äußerung hinreißen, die wenigstens der allgemeinen Erwartungshaltung Ausdruck verlieh: Auch wenn die Sonnblickrealität für die Bundesforste „keine wirtschaftliche Bedeutung“ mehr hätte, bleibe „selbstverständlich immer noch das allgemeine Interesse des Bundes zur Wahrung des Reichsvermögens, das voraussichtlich durch den Staatsvertrag an den Bund übergehen wird“.735 Unverständlicherweise, denn viel zu spät, nämlich am 4. September 1951, dem letzten Verhandlungstag, an dem sich der Vorsitzende der Rückstellungskommission längst sein Urteil gebildet hatte, brachte RA Möbius neue, für die Antragsgegner unangenehme Beweise vor, die das Rückstellungsbegehren stützten. So sei im Rückstellungsverfahren „Erben nach Karl Isra gegen das Deutsche Reich“ von den Zeugen Dr. Franz Hackermüller 732 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 18. Juni 1951. 733 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Finanzprokuratur, 4. Juli 1951. 734 So am 6. Juli 1951. 735 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Finanzprokuratur, 21. August 1951. Hervorhebung im Original.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
und Ing. Julius Güde bestätigt worden, dass ein „geheimer Erlass“ bestanden habe, „laut welchem die Reichsforstverwaltung vom zuständigen Landratsamt von jedem Abverkauf verständigt werden musste, damit wenn die Reichsforstverwaltung sich am Verkauf interessiert erklären sollte, diese als Erstkäuferin in Betracht kommt“. Allein durch diesen geheimen Erlass sei die freie Käuferwahl Hubert Puchers beeinträchtigt worden, der wegen dieses Eintrittsrechts seine Liegenschaften an niemanden anderen veräußern hätte können.736 Weiters hätte die Oberste Rückstellungskommission in ähnlichen Fällen wie dem vorliegenden eine Rückstellungsverpflichtung ausgesprochen, wenn Liegenschaften zu Arrondierungszwecken enteignet worden waren. Der Senat der Rückstellungskommission, der sichtlich zu einem Ende des Verfahrens kommen wollte – auch der Bericht des Abwesenheitskurators Dörflinger an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vermittelt diesen Eindruck –, wies die Beweisanträge von Möbius jedoch als unerheblich ab.737 Der Ausgang des Verfahrens blieb vorerst bis zur Herausgabe des schriftlichen Erkenntnisses offen, sodass beiden Parteien Zeit blieb, Prognosen abzugeben. Während der Vertreter Puchers Abwesenheitskurator Dörflinger anvertraute, davon überzeugt zu sein, dass der Rückstellungsantrag in erster Instanz abgewiesen werde,738 war es interessanterweise erneut die Finanzprokuratur, welche die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste auf „den anzunehmenden Fall der Rückstellung“ vorbereitete und auf die „fragliche Legitimation der Republik Österreich zur Austragung der Aufwendungsansprüche im Rückstellungsverfahren Pucher gegen Deutsches Reich“ hinwies.739 Mit Erkenntnis vom 4. September 1951 wies die Rückstellungskommission beim LGfZRS Klagenfurt sämtliche Rückstellungsansprüche Hubert Puchers gegen das Deutsche Reich ab. Bezüglich der politischen Verfolgung Puchers schloss sich die Rückstellungskommission vollinhaltlich dem Vorbringen der Finanzprokuratur an und verneinte sie mit der Begründung, daß die damalige Einleitung des Strafverfahrens „nicht typisch nationalsozialistisch“ gewesen sei. Außerdem hätte es sich um einen einzelnen Vorfall gehandelt, „von dem gar nicht feststeht, dass er beim Verkauf der Liegenschaften den Vertretern des Käufers bekannt war und sich zum Nachteil des Verkäufers ausgewirkt hat“. Somit verblieb die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nach § 2 Abs. 2 des Drit736 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, RA Dr. Kurt Dörflinger an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 6. September 1951, S. 1. 737 Ebda., S. 2. 738 Ebda. 739 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 20. September 1951.
3.3. Fallbeispiele
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ten Rückstellungsgesetzes, wonach der Erwerber zu überzeugen hatte, dass der frühere Eigentümer die Person des Käufers frei wählen konnte, eine angemessene Gegenleistung erhalten hatte, oder dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre. Auch in diesem Punkt sah die Rückstellungskommission einen Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Vertrag und der Machtübernahme des Nationalsozialismus als „nicht genügend“ gegeben an. Zwar räumte die Rückstellungskommission ein, dass Pucher durch die Schlägerungen in eine „gewisse Zwangslage“ versetzt worden sei und seinem Anwesen eine „erhöhte Gefahr“ gedroht hätte, weder der „Entschluss der Reichsforstverwaltung, im Egarterwald zu schlägern, noch die Ausführung dieses Entschlusses“ könne jedoch „als für die NS-Zielsetzung typisch und charakteristisch angesehen werden“. Es sei „durchaus nicht ausgeschlossen, daß auch ein anderes politisches System in Österreich sich im Falle einer Holzknappheit eine Schlägerung im Egarterwald gestattet hätte“, Pucher wäre es „freigestanden, die Behörden im Instanzenweg anzurufen und auf diese Weise weitere Vorkehrungen und Zugeständnisse zu erwirken“. Er habe hiervon aber keinen Gebrauch gemacht.740 Die Rückstellungsoberkommission beim Oberlandesgericht Graz gab in ihrem Erkenntnis vom 20. Dezember 1951 der Beschwerde Hubert Puchers keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Die ROK, welche die „richtige rechtliche Beurteilung“ des Sachverhalts durch die Vorinstanz mehrmals bestätigte, beschäftigte sich in ihrer Begründung mit der Äußerung Richard Borowans, welche „auch die Möglichkeit der Deutung offengelassen“ habe, „Pucher möge nur im Rechtsmittelwege bis zur obersten Behörde eine Schlägerung im Egarterwald zu verhindern trachten“. Pucher hätte dies aber nicht getan, sondern hätte die Liegenschaften „ohne Zwang“ angeboten, wäre daher der „interessierte Teil am Abschluss“ gewesen. Die Behauptung der Enteignung hätte im Beweisverfahren keine Stütze gefunden. Der Nachweis eines Zusammenhangs der Machtergreifung des Nationalsozialismus mit dem Abschluss des Kaufvertrages sei nicht gelungen. Für das Vorliegen einer Entziehung stellte die ROK überaus hohe Hürden auf, denn es hätte sich nicht nur „um typisch nationalsozialistische Motive für den Abschluß des Rechtsgeschäfts gehandelt haben“ müssen, eine Entziehung hätte außerdem zur Voraussetzung, „daß der Abschluß des Rechtsgeschäfts durch typisch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen veranlasst wurde“. Die ROK kam zu dem Schluss: „Eine allfällige Besorgnis entweder sowieso nichts zu erreichen, oder sich sonst politisch missliebig zu machen, vermag jedoch keineswegs einer freiwillig getätigten Rechtshandlung, wie es der 740 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Erkenntnis RK beim LGfZRS Klagenfurt, GZ Rk 106/50, vom 4. September 1951, S. 7f.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Abschluß des gegenständlichen Kaufvertrages war, zu einer nichtigen Vermögensentziehung zu machen.“741 Die Sonnblickrealität ging von der Treuhandverwaltung als „Deutsches Eigentum“ aufgrund des Art. 22 des Staatsvertrages und des § 11 Abs. 1 des „Ersten Staatsvertragsdurchführungsgesetzes“ vom 25. Juli 1956742 sowie des Beschlusses des Bezirksgerichts Gmünd vom 13. März 1957743 in das Eigentum der Österreichischen Bundesforste über.744 Noch während der Zeit der Treuhandverwaltung langten bei der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste zahlreiche Kaufangebote für die Liegenschaften, darunter auch von Hubert Pucher selbst, ein. Über das Angebot von einem Pächter eines Teiles der Liegenschaften wurde am 1. September 1955 ein Aktenvermerk angelegt: „Der Mann wittert ein Geschäft. Die Drauwerke beabsichtigen ab 1956 eine Sperre im oberen Maltatal zu errichten. … Verkauf daher unbedingt abzulehnen, da mit einer bedeutenden Preissteigerung für Gebäude in der Gegend zu rechnen sein wird.“745 Die Sonnblickrealität, die während des Rückstellungsverfahrens gegen Hubert Pucher als Bestandsobjekt nicht gerade beliebt war, war zu einem Spekulationsobjekt geworden. Letztlich wurden die Liegenschaften für den Bau der Kölnbreinsperre im Inneren Maltatal, der zwischen 1971 und 1978 erfolgte, nicht herangezogen. Sie befinden sich heute in Privateigentum bzw. im Eigentum einer Salzburger Land- und forstwirtschaftlichen Betriebs-GmbH.746 Fraglich bleibt die Beurteilung des Sachverhalts nach dem Kriterium der freien Käuferauswahl, die weder von der Rückstellungskommission noch von der Rückstellungsoberkommission vorgenommen wurde, was letztlich auch auf das verspätete Vorbringen des Rechtsvertreters von Hubert Pucher zurückzuführen ist. Gerade in diesem Punkt zeigte sich die Finanzprokuratur äußerst skeptisch, was ihr Obsiegen anbelangte. Hubert Pucher sah aufgrund der Schlägerungen der Reichsforstverwaltung keinen anderen Ausweg, als seine Liegenschaften zu verkaufen, und war aufgrund des Erlasses, wonach die Reichsforstverwaltung von jedem Abverkauf verständigt werden musste und Liegen-
741 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Erkenntnis ROK beim OLG Graz, Rkb 170/51, vom 20. Dezember 1951, S. 3f. 742 BGBl. Nr. 165/56 743 GZ 208/57 744 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Forstverwaltung Millstatt der Österreichischen Bundesforste an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, 23. April 1957. 745 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 950 9256 30, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, Aktenvermerk vom 1. September 1955. 746 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Aktuelle Grundbuchauszüge. Zur Baugeschichte der Kölnbreinsperre: G. Kandutsch, Landschaft, Gesteine und Mineralisationen im Maltatal, Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft, Nr. 143 (1998), S. 407f.
3.3. Fallbeispiele
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schaften nach den GVB „sperren“ konnte,747 damit sie als Erstkäuferin in Betracht kam, geradezu gezwungen, mit jener Behörde einen Kaufvertrag abzuschließen, von der die vermeintliche Bedrohung ausging. In diesem Licht erscheint die in beiden Erkenntnissen angenommene Freiwilligkeit sowie die Möglichkeit Puchers, den Rechtsweg zu wählen, mehr als fraglich. Auch die kurze Inhaftierung Puchers, die nach der Rechtsprechung der Obersten Rückstellungskommission zum Dritten Rückstellungsgesetz zweifellos nicht gereicht hätte, um eine politische Verfolgung anzunehmen, bekommt, fragt man nach der zusätzlichen Motivation für den Abschluss des Kaufvertrages und der damit verbundenen Schlechterstellung, zumindest als bereits manifestierte „politische Missliebigkeit“ Gewicht. Gerade aber die Verneinung der politischen Verfolgung Hubert Puchers stellte für die Beurteilung des restlichen Sachverhalts als Entziehung eine schier unüberwindliche Hürde dar. Möglicherweise wäre Hubert Pucher mehr Erfolg beschieden gewesen, hätte er den Kaufvertrag wegen Verletzung seiner Privatautonomie nach den Bestimmungen des ABGB vor einem ordentlichen Gericht angefochten.748 Aus rechtspolitischer Sicht hätte wiederum die Beurteilung des „Geheimerlasses“ als „typisch nationalsozialistische“ Maßnahme, etwa zur „politischen und wirtschaftlichen Durchdringung“ Österreichs durch das Deutsche Reich im Sinne des Nichtigkeitsgesetzes vom 30. Juli 1946 und eines damit verbundenen Zusammenhangs mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zur Folge gehabt, dass sämtliche Kaufverträge, welche die Reichsforstverwaltung zwischen 1938 und 1945 mit Verkäufern abgeschlossen hatte, für null und nichtig erklärt worden wären. Dies wäre, vorsichtig ausgedrückt, auch nicht im Sinne der Republik Österreich gewesen, die spätestens ab 1950 damit rechnen konnte, dass ihr die nicht zurückgestellten und als „Deutsches Eigentum“ verwalteten Liegenschaften letztlich zufallen würden. Dieses Bemühen, die verfolgten Absichten und Strategien, fanden auch in diesem Fallbeispiel ihren Niederschlag.
747 Siehe Allgemeiner Teil. 748 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Bei einem kürzlich im Wiener Juridicum abgehaltenen Symposium über die Schiedsinstanz für Naturalrestitution wurden die Möglichkeiten der Beschreitung des Zivilrechtsweges aus damaliger Sicht diskutiert.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
3.3.3. Augenossenschaft Dorf Fischamend Grundbesitz in Fischamend:
EZ 193749 KG Fischamend-Dorf750 Ger. Bez. Schwechat Gesamtausmaß: 78.9826 ha (davon 58.7941 ha Wald) Eigentümerin am 13. März 1938: „Augenossenschaft Dorf Fischamend“ Eigentumsübertragung auf: Deutsches Reich (Reichsforstverwaltung) Kaufvertrag vom 18. und 24. Juni 1940 Kaufpreis: RM 51.000,-Einheitswert: RM 24.000,-- (ex 1942) Verwaltung nach 1945: Städtische Forstverwaltung (Stadt Wien) Vermögensentziehung: RS-Antrag Heutiger Eigentümer: Stadt Wien (Gesamtausmaß nur mehr 3.5519 ha) Die „Augenossenschaft Dorf Fischamend“ veräußerte die Liegenschaft EZ 193 des Grundbuchs der KG Fischamend, die seit 1924 in ihrem Eigentum stand, aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung vom 16. März 1940 und mit Kaufvertrag vom 18. und 24. Juni 1940 an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung). Als Kaufpreis wurde die Summe von RM 51.000,-- vereinbart. Der Kaufvertrag wurde zwischen den Vertretern der Augenossenschaft, Obmann Rudolf Wegl und Ausschussmitglied Rudolf Häuel, und dem „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung durch die Agrarbezirksbehörde Wien und den Reichsforstmeister in Berlin geschlossen.751 Die erforderlichen Genehmigungen langten am 24. August 1940 bzw. 17. Jänner 1941 ein, die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Verkehrssteuern Wien erfolgte am 18. April 1941.752 Die Intabulation des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) wurde am 15. Mai 1941
749 Bestehend aus den Gst. Nr. 180/1–3, 180/8, 181/1, 183/1, 184, 185/1–3, 186/1–3, 187, 188. Heute besteht die EZ 193 nur mehr aus den Gst. Nr. 188/1 und 188/2. 750 Bis März 1967 lautete die Bezeichnung der Katastralgemeinde (Dorf ) Fischamend, danach FischamendDorf. 751 �������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_LF, LF Wien ND, GZ 108/40, Abschrift des Kaufvertrages vom 18. Juni 1940. 752 ���������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_LF, LF Wien ND, GZ 108/40, Beschluss des Amtsgerichts Schwechat, 15. Mai 1941.
3.3. Fallbeispiele
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durchgeführt753, die Begehung und Übergabe der Liegenschaft erfolgte am 11. Juli 1941.754 Die Auszahlung des Kaufpreises an die „Augenossenschaft Dorf Fischamend“ fand zu den in den Kaufverträgen der Reichsforstverwaltung eigentümlichen Bedingungen statt. Der Kaufpreis, manchmal nur ein Teil davon, hier in voller Höhe, wurde am 4. Februar 1941, daher unmittelbar nach der Genehmigung durch den Reichsforstmeister in Berlin, von der Reichshauptkasse Berlin auf ein Treuhandkonto bei der CreditanstaltBankverein Wien erlegt, das die Augenossenschaft als Verkäuferin zu errichten hatte. Dieses Konto blieb jedoch bis zur völligen Lastenfreistellung und grundbücherlichen Übertragung der Liegenschaft auf das Deutsche Reich gesperrt und wurde Obmann Josef Wegl erst am 10. Oktober 1941 freigegeben.755 Dass bei der Begehung und Übergabe der Liegenschaft auch Jäger anwesend waren, hatte seinen Grund darin, dass Hermann Göring in seiner Funktion als Reichsforst- und Reichsjägermeister kurz nach dem „Anschluss“ Anweisung zur Errichtung des Reichsjagdgebietes Lobau gegeben hatte, dem diese Liegenschaft eingegliedert werden sollte.756 Die Behörden hatten dadurch gewisse Handlungsvorgaben, doch deuten weder Kaufvertrag noch Übergabeprotokoll auf Unregelmäßigkeiten hin. Dennoch erblickte die Abteilung 14 des BMfVS und WP in der Eigentumsübertragung dieser Liegenschaft, die nach 1945 als „Deutsches Eigentum“ geführt wurde, auf das Deutsche Reich, eine Vermögensentziehung, wie aus einem undatierten Abschlussblatt hervorgeht.757 Da Reichsjägermeister Hermann Göring die Weisung zur Errichtung des Reichsjagdgebietes Lobau gegeben habe, liege eine zwangsweise Erwerbung durch die Reichsforstverwaltung vor, weil im Falle einer Verkaufsverweigerung durch die „Augenossenschaft Fischamend Dorf“ die Liegenschaft unter Naturschutz gestellt und gemäß § 18 Abs. 1 des Reichsnaturschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 enteignet worden wäre.758
753 Bezirksgericht Schwechat, Abt. Grundbuch, Grundbuch der EZ 193 KG Fischamend Dorf, B-Blatt, TZ 697/41, OZ 2, 9. Mai 1941. 754 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_LF, LF Wien ND, GZ 108/40, Protokoll vom 11. Juli 1941. 755 ����������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_LF, LF Wien ND, GZ 108/40, Abschrift des Kaufvertrags vom 18. Juni 1940, Artikel VII. ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624, Reichsführer SS Reichsforstverwaltung DAG, Mappe 2, Liegenschaften über Deutsches Reich, Reichsforstverwaltung, Abschlussblatt BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Abt. 14, Liste II B 1, östliche Zone, o. D. 756 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, BMF, VS WP, Kt. 6624, Mappe 2, Abschlussblatt BM für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Abt. 14, Liste II B 1, östliche Zone, o. D. 757 Ebda. 758 Ebda.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Tatsächlich stellte die „Augenossenschaft Dorf Fischamend“ im Jahre 1949 bei der Rückstellungskommission beim LGfZRS Wien einen Rückstellungsantrag nach dem Dritten Rückstellungsgesetz (GZ 61 RK 159/59).759 Über die Liegenschaft durfte als ehemaliges „Deutsches Eigentum nur mit Zustimmung der Alliierten verfügt werden. Diese Zustimmung wurde bei Liegenschaften, die sich wie in diesem Fall in der sowjetischen Besatzungszone befanden, nur mit ganz wenigen Ausnahmen erteilt. Es sollte daher bis zum 17. April 1958 dauern, ehe die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Dienststelle für Vermögenssicherungs- und Rückstellungsangelegenheiten, nach Abschluss des Staatsvertrags und gemäß § 3 Abs. 3 des Staatsvertragsdurchführungsgesetzes vom 30. Juli 1956 den Antrag stellte, das Rückstellungsverfahren nach dem Zweiten Rückstellungsgesetz fortzusetzen.760 Am 20. November 1959 erließ die FLD für Wien, Niederösterreich und Burgenland einen Bescheid761, am 16. November 1959 die Abt. 34 des BMF einen Berufungsbescheid.762 Der Ausgang dieses Rückstellungsverfahrens lässt sich nur mehr anhand des Grundbuchs nachvollziehen, die entsprechenden Bescheide wurden der Urkundensammlung entnommen und konnten auch nicht mehr in den entsprechenden Archiven eingesehen werden: Am 3. Februar 1960 wurde aufgrund der Bestimmungen des Art. 22 des Staatsvertrags und des § 11 Abs. 1 des Staatsvertragsdurchführungsgesetzes vom 25. Juli 1956763 das Eigentumsrecht für die Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) einverleibt,764 der Rückstellungsantrag der „Augenossenschaft Dorf Fischamend“ daher glatt abgewiesen. Die Liegenschaft EZ 193 KG Fischamend-Dorf wurde mit Kaufvertrag vom 11. Juli und 22. November 1977 von den Österreichischen Bundesforsten an die Stadt Wien veräußert, in deren Eigentum sie sich heute noch befindet.765
759 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Die Einleitung des Rückstellungsverfahrens wurde aufgrund des Beschlusses der Rückstellungskommission beim LGfZRS Wien vom 14. September 1949 im Grundbuch angemerkt. Siehe: Bezirksgericht Schwechat, Abt. Grundbuch, Grundbuch der EZ 193 KG Fischamend Dorf, B-Blatt, TZ 1328/49, OZ 3, 19. September 1949. Der Akt der Rückstellungskommission beim LGfZRS Wien, GZ 61 RK 159/49, befindet sich nicht mehr im Aktenbestand im Wiener Stadt- und Landesarchiv und dürfte wie fast alle Rückstellungsakten dieses Jahrgangs skartiert worden sein. 760 Bezirksgericht Schwechat, Abt. Grundbuch, Grundbuch der EZ 193 KG Fischamend Dorf, B-Blatt, TZ 535/58, OZ 4, 22. April 1958. 761 GZ VR-V 24.717–7/57 762 GZ 212.571–34/59 763 BGBl Nr. 156/1956 764 Bezirksgericht Schwechat, Abt. Grundbuch, Grundbuch der EZ 193 KG Fischamend Dorf, B-Blatt, TZ 231/60, OZ 6, 3. Februar 1960. 765 Ebda., TZ 514/1981, OZ 7, 18. März 1981. Kaufvertrag – Stadt Wien GZ MA 7–6A–Auß 14/77kk; Österreichische Bundesforste GZ 15.831/77–II/2/-W.
3.3. Fallbeispiele
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Auch wenn eine rechtliche Beurteilung dieses Falles aufgrund der fehlenden Rückstellungsakten und Bescheide schwerfällt, so ist doch festzuhalten, dass das BMfVS und WP kurz nach 1945 eine Kausalität zwischen der gesetzlichen Möglichkeit einer Enteignung nach § 18 Abs. 1 des Reichsnaturschutzgesetzes 1935 und dem Abschluss des Kaufvertrages annahm, daher eine Vermögensentziehung bejahte, das BMF jedoch 1960 eine diametral entgegengesetzte Rechtsmeinung vertrat und diese Kausalität verneinte, wofür wohl auch rechtspolitische Gründe ausschlaggebend gewesen sein dürften. Der Fall weist Ähnlichkeiten mit dem Gut Wiesen aus dem ursprünglichen Eigentum von Carl Maria Abensperg-Traun auf, der in der NS-Zeit keiner Verfolgung ausgesetzt war, zu dem bereits Peter Böhmer eine Fallstudie erstellt hat.766 Hier wie dort ging es um Waldbesitz in der Lobau, den die Reichsforstverwaltung letztlich mit der „Begründung“ erwarb, dass es, wie im Fall Abensperg-Trau vorgebracht, gesetzliche Möglichkeiten gebe, die Enklave als wertvolle Landschaft in ein geschlossenes Jagd- und Naturschutzgebiet einzubeziehen. Die Finanzprokuratur argumentierte in dem von Abensperg-Traun 1958 angestrengten Rückstellungsverfahren, in dem es in erster Linie um die Klärung der Frage ging, ob diesem anlässlich des Verkaufs seines Gutes mit Enteignung gedroht worden wäre, damit, dass auch eine Enteignung des Reviers rechtens gewesen wäre. Das am 10. Februar 1939 in Kraft getretene Deutsche Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 hätte nämlich – so die Finanzprokuratur – kein NS-Gedankengut enthalten, was schon daran zu ersehen sei, dass es in die österreichische Rechtsordnung übernommen wurde.767 Das BMF als Berufungsbehörde schloss sich dieser Ansicht an. Die Einschätzung der Finanzprokuratur spiegelte, so Böhmer, deutlich die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zum Vorliegen einer Vermögensentziehung durch Enteignung oder Drohung mit Enteignung wider. Auch die Oberste Rückstellungskommission sei sehr einzelfallbezogen geblieben und hätte grundsätzlich in der Drohung mit Enteignung noch keine Vermögensentziehung gesehen, da das Institut der Enteignung allen Rechtsordnungen bekannt und daher kein typisches NS-Instrument sei. Regelmäßig mussten spezifische NS-Zielsetzungen hinzukommen, um unter Drohung erfolgte 766 Böhmer / Faber / Wladika, Die Finanzprokuratur, S. 421f. 767 Gemäß § 1 Abs. 1 Rechts-Überleitungsgesetz, StGBl. Nr. 6/1945, wurden alle nach dem 13. März 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen, die mit dem Bestand eines freien und unabhängigen Staates Österreich oder mit den Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar sind, dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprechen oder typisches nationalsozialistisches Gedankengut enthalten, aufgehoben. Als aufgehoben galten nach damals herrschender Auffassung nur jene Rechtsvorschriften, für die das Außerkrafttreten in einer Kundmachung ausdrücklich festgestellt wurde. Das war beim Reichsnaturschutzgesetz nicht der Fall.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Veräußerungen als Vermögensentziehungen zu qualifizieren. In der Datenbank von Dr. Gottfried Hamböck wird der Fall als „Fischamend Dorf EZ 195“ zwar erwähnt, die Nennung des Eigentümers „Augenossenschaft Dorf Fischamend“ unterblieb jedoch, weswegen der Fall in die Liste der möglichen Desiderate Aufnahme fand. Außerdem wird in der Datenbank das Rückstellungsverfahren nicht angeführt. Ob der Kaufvertrag mit der Stadt Wien am 22. November 1977 von den Österreichischen Bundesforsten abgeschlossen wurde, blieb ebenso fraglich. Die Liegenschaft wurde in die Datenbank der Historikerkommission nicht aufgenommen, weil sie zum Stichtag nicht mehr im Eigentum der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) stand.
3.3.4. RA Dr. Otto und Valerie Kohn, Liegenschaft EZ 272 KG Bad Ischl, Grazerstraße 17 Grazerstraße 17, Bad Ischl: Gesamtausmaß: Eigentümerin am 13. März 1938: Eigentumsübertragung auf: Verwaltung nach 1945: Vermögensentziehung: Heutiger Eigentümer:
EZ 272768 KG Bad Ischl Ger. Bez. Deutschlandsberg, 586 m² RA Dr. Otto und Valerie Kohn, je zur Hälfte 1.) Sparkasse Bad Ischl Kaufvertrag vom 23. Juni 1938 Kaufpreis: öS 25.000,-- (= RM 16.666,67) 2.) Deutsches Reich (Reichsforstverwaltung) Kaufvertrag vom 31. Juli bzw. 4. August 1939 Kaufpreis RM 40.000,-US-Besatzungsmacht RS-Antrag nach dem Dritten Rückstellungsgesetz RS der Liegenschaft mit Teilerkenntnis der Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz vom 20. Jänner 1948, GZ RK 231/47 Privatbesitz (mehrere Eigentümer zu 1.280tel Anteilen)
Diese Fallstudie zeigt neben der immer wiederkehrenden Problematik der Verrechnung von Erträgnissen und Aufwendungen exemplarisch auf, welche Schwierigkeiten österreichische Behörden kurz nach 1945 in Fragen der Zuständigkeit bezüglich „Deutschen 768 Bauparzelle Nr. 569/1 (Wohnhaus) und Gartenparzelle Nr. 570.
3.3. Fallbeispiele
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Eigentums“ hatten, auch wenn diesen Unsicherheiten eine scheinbar eindeutige und unkomplizierte Entziehungsgeschichte zugrunde lag. Der jüdische Rechtsanwalt Dr. Otto Kohn und seine nichtjüdische Ehefrau Valerie Kohn wohnten am 13. März 1938 in Bad Ischl, Grazerstraße 17 (EZ 271, KG Bad Ischl), in einer Villa, die je zur Hälfte in ihrem Eigentum stand. Wie aus einem Beschwerdeschreiben Valerie Kohns an Gauleiter Bürckel vom September 1939 hervorgeht, wurde dem Ehepaar Mitte Juni 1938 von drei Männern, die in der Villa erschienen waren, gedroht, „Österreich sofort, ob legal oder illegal zu verlassen, widrigenfalls sie für die Sicherheit“ Otto Kohns „nicht garantieren könnten“. Am nächsten Tag sei ein Mann mit der Mitteilung erschienen, dass die Villa umgehend zu veräußern sei, sonst würde die Gestapo Linz die Einweisung des Ehepaares in das KZ Dachau verfügen.769 Auf diese Art und Weise, durch Drohungen, Erpressung und psychische Gewalt eingeschüchtert, veräußerten Otto und Valerie Kohn die Villa mit Kaufvertrag vom 23. Juni 1938 an die örtliche Sparkasse Bad Ischl. Was als Kaufsumme in der Höhe von öS 25.000,-- (= RM 16.666,67) für das Haus samt Einrichtung genannt wurde (öS 20.000,-- für die Liegenschaft, öS 5.000,-- für die Einrichtung), kam dem Ehepaar freilich nur bedingt zugute: Die Sparkasse tilgte eine auf der Liegenschaft lastende Hypothek in der Höhe von RM 5.016,13. RM 4.700,-- wurden Valerie Kohn bar ausbezahlt.770 Über die „Verwendung“ des restlichen Kaufpreises informierte der Leiter der Sparkasse Bad Ischl, Haenel, der zugleich die Funktion des Ortsgruppenleiters der NSDAP ausübte771, die inzwischen ins Ausland geflüchtete Valerie Kohn in einem Schreiben vom 27. Februar 1939: „Laut mündlicher Vereinbarung und wiederholter Zusicherung hat Dr. Otto Kohn auf den gesamten Kaufschilling verzichtet und den Betrag der Partei zur Verfügung gestellt, wenn seine Verhaftung nicht erfolgt. Es war auch einzig und allein der Intervention der Ortsgruppe zu verdanken, dass er nicht nach Dachau überstellt wurde und ausreisen konnte.“772 Die Ortsgruppe zog für sich Rechtsanwaltskosten, Telefongebühren, Unkos769 Zit. In: Daniela Ellmauer / Michael John / Regina Thumser, „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich. Veröffentlichungen der Österreichischen His torikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Band 17/1, Wien / München 2004, S. 387, Schreiben Kaba an Ortsgruppe „Karl Traint“, 15. September 1939. Vgl. Oberösterreichisches Landesarchiv, Bestand „Arisierungen“ (FLD), Mikrofilm 11, 16/5, Otto und Valerie Kohn. 770 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Anmeldung entzogener Vermögen nach der VEAV, 15. November 1946. 771 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Oberösterreichisches Landesarchiv, Bestand „Arisierungen“ (FLD), Mikrofilm 11, 16/5, Otto und Valerie Kohn. 772 Zit. In: Ellmauer / John / Thumser, „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
ten aus Manipulationen, die Bäderbauabgabe, Wassergebühren etc. ab und „spendete“ den Rest in Höhe von RM 3.000,-- der Ortsgruppe „Saureis-Unterberger“.773 Die Sparkasse Bad Ischl veräußerte die Villa mit Kaufvertrag vom 31. Juli bzw. 4. August 1939 um den Kaufpreis von RM 40.000,-- (RM 39.000,-- für die Liegenschaft, RM 1.000,-- für die Einrichtung) an das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung),774 daher um RM 23.333,-- mehr als sie ein Jahr davor selber dafür „bezahlt“ hatte. Der Kaufpreis kam am 4. August 1939 an die Sparkasse Bad Ischl zur Auszahlung. Die Reichsforstverwaltung ließ im Haus zahlreiche Umbauarbeiten durchführen, die später mit RM 6.262,57 angegeben wurden,775 und übergab die Villa anschließend dem Forstamt Bad Ischl, welches die Liegenschaft als Amtsgebäude der Forstkasse nutzte. Üblicherweise waren die Forstkassen nach damaligem Stand bei den jeweiligen Landesforstämtern der Reichsstatthaltereien angesiedelt, Bad Ischl, dem Landesforstamt Salzburg-Oberdonau zugehörig, bildete hier die einzige Ausnahme. Nach der Räumung im Mai 1945 wurde das Gebäude kurzfristig von der US-Militärregierung requiriert und verwaltet, im September 1945 setzten die US-Behörden den zurückgekehrten Otto Kohn als „Unterverwalter“ ein. Kohn hatte daher keinen Status als öffentlicher Verwalter nach dem österreichischen Verwaltergesetz.776 Am 15. Februar 1946 meldete Direktor Stoiber von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste die Villa bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden als entzogenes Vermögen nach der VEAV an. Als Wert wurde der seinerzeitige Kaufpreis plus den Investitionen, daher öS 46.262,67, angegeben.777 Zu diesem Zeitpunkt schien alles auf eine rasche Rückstellung hinauszulaufen. Otto Kohn nahm im Oktober 1947 Kontakt mit der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste auf, um quasi als besitzender Nichteigentümer über die Rückstellung seiner Liegenschaft zu verhandeln. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits ein Bescheid der ameEntschädigungen in Oberösterreich, S. 305, Schreiben Haenel an Valerie Kohn, 27. Februar 1939. Vgl. Oberösterreichisches Landesarchiv, Bestand „Arisierungen“ (FLD), Mikrofilm 11, 16/5, Otto und Valerie Kohn. 773 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Ellmauer / John / Thumser, „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich, S. 305. 774 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Anmeldung entzogener Vermögen nach der VEAV, 15. November 1946. 775 Ebda. 776 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Forstverwaltung Bad Ischl an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 10. November 1948. 777 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Anmeldung entzogener Vermögen nach der VEAV, 15. November 1946.
3.3. Fallbeispiele
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rikanischen Militärregierung vom 17. September 1947 vor, in welchem diese der Republik Österreich die Ermächtigung erteilt hatte, über die Rückstellung der im Eigentum des Deutschen Reiches stehenden Liegenschaft zu entscheiden.778 Wenngleich es verständlich erscheint, dass Otto Kohn so schnell wie möglich in seine vollen Rechte eingesetzt werden wollte, schmälerte er mit dem sicher vorschnellen Angebot, bei einem freiwilligen Vergleich der Bundesforste auf jede „gegenseitige Verrechnung“ zu verzichten und darüber hinaus einen noch im Haus wohnenden Beamten als Mieter zu belassen, um ein „langwieriges Rückstellungsverfahren zu vermeiden“,779 seine spätere Verhandlungsposition. Die General direktion der Österreichischen Bundesforste erwiderte Otto Kohn in diesem frühen Stadium mit dem Reflex, tunlichst alles zu vermeiden, was sie als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) in Verbindung bringen könnte. Die Einbringung eines Rückstellungsanspruches sei wohl nicht zu vermeiden, da die Generaldirektion nicht ident mit der im Grundbuch als Eigentümerin eingetragenen Reichsforstverwaltung sei und daher weiters auch nicht befugt sei, über etwaige Aufwendungen Vergleiche abzuschließen. Ein interner Vermerk lautete „vorläufig nichts weiter zu veranlassen“.780 Otto Kohn musste sich seinen Antragsgegner im Rückstellungsverfahren erst suchen, was erstaunlicherweise nicht nur ihm als Rechtsanwalt schwerfiel: Die Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz leitete mit Beschluss vom 20. Oktober 1947 den von Otto Kohn gegen das Deutsche Reich nach dem Dritten Rückstellungsgesetz eingebrachten Rückstellungsantrag an den „Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ mit Sitz in Wien 1, Bankgasse 8, mit der Aufforderung weiter, binnen vier Wochen die Gegenäußerungen einzubringen.781 Dr. Wallentin vom Büro des Liquidators trat den Beschluss wiederum an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ab, da er als „Liquidator der Reichseinrichtungen“ nicht zur „Vertretung des Deutschen Reiches“ befugt sei. Außerdem nehme er an, dass die Liegenschaft in Verwaltung der Bundesforste stehe, weswegen der Inhaber als Antragsgegner zu gelten hätte.782 Die Österreichischen Bundesforste sahen nun plötzlich ihre Passivlegitimation als 778 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz, GZ 231/47, Teilerkenntnis vom 20. Jänner 1948, S. 3. 779 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Otto Kohn an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Lesser, 10. Oktober 1947. 780 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Vermerk vom 14. Oktober 1947. 781 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, RK beim LGfZRS Linz, GZ 231/47, Beschluss vom 20. Oktober 1947. 782 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Der Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich, Wallentin, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 27. Oktober 1947.
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gegeben an. Unter Berufung auf § 43 des Behördenüberleitungsgesetzes,783 wonach der wiedererrichtete Wirtschaftskörper Österreichische Bundesforste „für den Bereich der Staatsforste auch die Geschäfte des bisherigen Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ zu übernehmen habe, soweit sie nach österreichischem Recht einer Weiterführung bedurften, erkannte die Generaldirektion in einem Schreiben an die Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz vom 21. November 1947 den Rückstellungsanspruch Otto Kohns als gegeben an.784 Dieses Anerkenntnis betraf jedoch nur die Nichtigkeit des seinerzeitigen Rechtsgeschäftes Otto Kohns mit der Sparkasse Bad Ischl. Anstatt aber nun die Nichtigkeit nach dem Grundsatz, dass niemand mehr Eigentum übertragen könne, als ihm selber zugestanden sei, auch auf den Kaufvertrag zwischen der Sparkasse und der Reichsforstverwaltung auszudehnen und sich für die Rückabwicklung beider Verträge auszusprechen, beharrte die Generaldirektion darauf, dass bei diesem zweiten Rechtsgeschäft die „Regeln des redlichen Verkehrs“ eingehalten worden seien (sic!). Mit dieser Ansicht versuchte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, sich, oder wie sie es eleganter in dem Schreiben ausdrückte, „dem Rechtssubjekt, das bei der Regelung des Deutschen Eigentums an die Stelle der Reichsforstverwaltung treten wird“, das Regressrecht zu sichern. Die Generaldirektion stellte daher bei der Rückstellungskommission den Antrag auf Rückstellung des Kaufpreises von RM 40.000,-- zuzüglich der getätigten Investitionen in der Höhe von RM 6.262,57. Allein die Aufrechnung verkomplizierte das weitere Geschehen ungemein: Der Anspruch auf Rückstellung des Kaufpreises und der Investitionen sollte sich in erster Linie gegen den geschädigten Eigentümer Otto Kohn richten, jener Kaufpreisrest, der ihm nicht zugute gekommen wäre, sollte von der Sparkasse Bad Ischl aus dem Titel der Bereicherung bestritten werden.785 Freilich war auch die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste trotz ihrer rechtlichen Stellung durch das Behördenüberleitungsgesetz in Fragen des „Deutschen Eigentums“ nicht befugt, als Vertreterin des Antragsgegners Deutsches Reich im Rückstellungsverfahren aufzutreten. Die Rückstellungskommission bestellte mit Beschluss vom 15. Dezember 1947 Dr. Peter Handel-Mazzetti zum Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich.786 Dass dieser ausgerechnet die Funktion des Forstmeisters in Bad Ischl ausübte, begründete die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste später et783 Gesetz vom 20. Juli 1945 über die Überleitung der Verwaltungs- und Justizeinrichtungen des Deutschen Reiches in die Rechtsordnung der Republik Österreich, StGBl. Nr. 94/1945. 784 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz, 21. November 1947. 785 Ebda. 786 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz, GZ RK 231/47, Beschluss vom 15. Dezember 1947.
3.3. Fallbeispiele
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was scheinheilig damit, dass ihr Bestellungsvorschlag aus „Zweckmäßigkeitsgründen“, nämlich zur Wahrung der „Kontinuität gemäß Behördenüberleitungsgesetz“, erfolgt sei. Außerdem sei die Bestellung noch vor der allgemeinen Anordnung ergangen, dass österreichische öffentliche Beamte nicht als Kuratoren herangezogen werden dürften.787 Forstmeister Handel-Mazzetti ersuchte jedenfalls von nun an die Generaldirektion fortlaufend um „Weisungen“ für sein weiteres Verhalten.788 Die Antwort der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste lautete, dass sie ihm diese als einem vom Gericht bestellten Kurator „naturgemäß“ nicht erteilen könne. Es sei jedoch mit seiner Stellung „ohneweiters vereinbar“, wenn er sich die „Standpunkte“, welche die Generaldirektion vorgeben würde, „zu eigen“ mache.789 Unter diesen Voraussetzungen fand am 20. Jänner 1948 die entscheidende Tagsatzung vor der Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz statt. Otto Kohn ging dabei erstmals in die Offensive und machte neben dem auf ihn ausgeübten Zwang, der zum Kaufvertrag mit der Sparkasse Bad Ischl geführt habe, und der Unangemessenheit des Kaufpreises, die sich allein aus der Kaufsumme ergebe, um welche die Liegenschaft ein Jahr später veräußert worden war, geltend, welche zusätzlichen Verluste er durch diese Vermögensentziehung unter dem Titel Erträgnisse erlitten habe: Er legte eine Liste des Villeninventars (Mobiliar, Teppiche, Bibliothek, Gemälde, Silbergegenstände) und des Inventars der in der Villa befindlichen Rechtsanwaltskanzlei vor, welches er insgesamt auf rund öS 100.000,-- schätzte. Dieses Inventar wäre bereits bei der Übergabe der Villa an die Reichsforstverwaltung nicht mehr vorhanden gewesen. Weiters machte Otto Kohn einen monatlichen Mietzinsentgang von RM 400,-- geltend, was bei einer Vermietung vom 25. Juni 1938 bis Juni 1945 die beträchtliche Summe von RM 32.800,-- ausgemacht hätte. Hingegen seien die von der Reichsforstverwaltung getätigten Investitionen in der Höhe von RM 6.262,57, die eigentlich aus den Mieterträgen bestritten hätten werden können, ohne sein Wissen und seine Einwilligung vorgenommen worden und würden für ihn keinen Vorteil bedeuten. Alleine die Ersetzung der Holzbrandöfen durch Koksöfen würde sich nun in Zeiten akuten Kohlemangels äußerst nachteilig auswirken. Die einzige notwendige Investition, eine Dachreparatur, sei nicht vorgenommen worden, wodurch der Bauzustand durch Nässeschäden in Mitleidenschaft gezogen worden sei, was insge-
787 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BM f VS und WP, 5. Jänner 1949. 788 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, So Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 29. Dezember 1947 und 11. Februar 1948. 789 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Handel-Mazzetti, 7. Jänner 1948.
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samt eine Wertminderung der Villa darstelle.790 Forstmeister Handel-Mazzetti vertrat den Standpunkt der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste und gab das Vorbringen Kohns bezüglich des nicht angemessenen Kaufpreises, der nicht freien Käuferwahl und des fehlenden Inventars als richtig zu, anerkannte somit die Voraussetzungen für die Rückstellung, machte jedoch den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und der getätigten Investitionen geltend.791 Im Anschluss an die Tagsatzung verurteilte die Rückstellungskommission mit Teilerkenntnis vom 20. Jänner 1948 das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) zur sofortigen Rückstellung der Liegenschaft an Otto und Valerie Kohn zu je einer Hälfte, da es sich bei der Veräußerung an die Sparkasse Bad Ischl um eine nichtige Vermögensentziehung gemäß § 2 Abs. 1 des Dritten Rückstellungsgesetzes gehandelt habe. Im Übrigen seien die „Regeln des redlichen Verkehrs“ nicht eingehalten worden. Weiters verurteilte die Rückstellungskommission den Antragsgegner Deutsches Reich zur Rechnungslegung binnen vier Wochen und zur Herausgabe der Erträgnisse, da ihm die Stellung eines redlichen Besitzers nicht eingeräumt werden könne. Die Reichsforstverwaltung hätte beim Erwerb der Villa durch die Sparkasse Bad Ischl wissen müssen, dass es sich um entzogenes Vermögen gehandelt habe. Die Entscheidung, welche Aufwendungen in welcher Höhe dem Deutschen Reich zu ersetzen seien, und welcher Kaufpreisteil Otto und Valerie Kohn tatsächlich zugekommen sei, müsse jedoch dem Enderkenntnis vorbehalten bleiben.792 Hierbei folgte die Rückstellungskommission allerdings den Einwänden Handel-Mazzettis, was den ansonsten glatten Prozessausgang für Otto und Valerie Kohn merklich belasten sollte. Wie aus dem Schreiben Handel-Mazzettis an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste hervorgeht, sei bereits in der Tagsatzung bei der Feststellung, dass der Antragsgegner Deutsches Reich (Reichsforstverwaltung), somit die Forstverwaltung Bad Ischl, binnen vier Wochen Rechnung über die Erträgnisse zu legen habe, „mündlich vereinbart“ worden, „daß anzustreben ist, die aufscheinenden gegenseitigen Forderungen in einer vertraulichen Aussprache zum Ausgleich zu bringen“. Ob es nun der spontane Ausdruck der Genugtuung gewesen ist, die Liegenschaft wiedererlangt zu haben, oder aber die scheinbare Übermacht und die daraus resultierende Einschüchterung durch den Kurator des Deutschen Reiches und Vertreter der Forstverwaltung Bad Ischl in einer Person, hinter der noch 790 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz, GZ RK 231/47, Verhandlungsprotokoll und Teilerkenntnis vom 20. Jänner 1948. Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 21. Jänner 1948. 791 Ebda. 792 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz, GZ RK 231/47, Teilerkenntnis vom 20. Jänner 1948.
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dazu die Österreichischen Bundesforste standen – Otto Kohn war in der Frage der Verrechnung der Meinung, dass die Bundesforste sein Antragsgegner seien, wie er dies in mehreren Schreiben zum Ausdruck brachte793 – Kohn gab bekannt, auf sämtliche Forderungen zu verzichten, falls auch die Forstverwaltung ihm gegenüber eine gleichlautende Erklärung bezüglich ihrer eigenen Forderungen abgeben würde.794 Einen nicht unerheblichen Druck dürfte dabei auch der Vorsitzende der Rückstellungskommission ausgeübt haben. Einmal mehr ersuchte Forstmeister Handel-Mazzetti, der sich äußerst unwillig zeigte, binnen vier Wochen Rechnung zu legen, die Generaldirektion um Weisung, wie diese Rechnungslegung zu verhindern sei und schlug daher die aus der Sicht der Forstverwaltung so günstige vergleichsweise Regelung vor.795 Im Antwortschreiben an den Forstmeister vom 18. Februar 1948 macht die Generaldirektion erneut darauf aufmerksam, dass sich die Liegenschaft nach 1945 zu keinem Zeitpunkt in der Verwaltung der Österreichischen Bundesforste befunden hatte, eine Verrechnung der Bundesforste mit Otto Kohn daher entfallen müsse, und Handel-Mazzetti als Kurator daher selbst die Verrechnung zwischen der ehemaligen Reichsforstverwaltung und Otto Kohn einerseits und zwischen der ehemaligen Reichsforstverwaltung und der Sparkasse Bad Ischl andererseits durchführen müsse.796 Dennoch begann die Generaldirektion zu rechnen, um die „diesbezügliche Auffassung“ bezüglich einer vergleichsweisen Regelung bekanntzugeben, nachdem ihr Otto Kohn unverständlicherweise mitgeteilt hatte, nun auch neben der Wahrung der Mietrechte des einen noch in der Villa wohnenden Beamten auf sämtliche Forderungen gegen die Sparkasse Bad Ischl, daher auf die Mieterträge von 1. Juli 1938 bis zum 31. August 1939 und auch auf sein sämtliches Inventar, das von dieser veruntreut worden war, zu verzichten, „damit diese Angelegenheit auf diese Weise am leichtesten zu Ende geführt werden könne“.797 Als Forderungen der Reichsforstverwaltung gegen Otto Kohn errechnete die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste die Summe von RM = öS 15.978,80, die sich aus der Entlastung der Villa durch Abdeckung der Hypothek (RM 793 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, beispielsweise Otto Kohn an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 12. Februar 1948. Eine Rolle dürfte auch Forstmeis ter Handel-Mazzetti gespielt haben, der Kohn immer wieder an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste verwies. 794 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 21. Jänner 1948. 795 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 11. Februar 1948. 796 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, 18. Februar 1948. 797 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Otto Kohn an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 12. Februar 1948.
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5.016,13), der Teilauszahlung des Kaufpreises an Valerie Kohn (RM 4.700,--) sowie aus den Investitionen der Reichsforstverwaltung (RM 6.252,67) zusammensetzte. Dass sich die Gegenforderungen Otto Kohns gegen die Reichsforstverwaltung, die zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mit einem fixen Betrag feststanden, „ziemlich die Waage halten würden“, war eine mehr als gewagte Feststellung der Generaldirektion, denn sie verkürzte den von Kohn mit RM 400,-- vorgebrachten monatlichen Mietwert einfach auf RM 200,--, auf eine Summe, die „sich rechtfertigen ließ“, kam dabei auf die Summe von RM = öS 13.800,-- und ließ ebenfalls unberücksichtigt, dass die getätigten Investitionen für Kohn zumindest zum Teil wertlos gewesen sein dürften. Der zweite Teil der Rechnung betraf die Forderungen der Reichsforstverwaltung gegen die aufgrund des Teilerkenntnisses der Rückstellungskommission regresspflichtig gewordenen Sparkasse Bad Ischl: Die Rückerstattung des von der Reichsforstverwaltung bezahlten Kaufpreises in der Höhe von RM 40.000,-- abzüglich der bereits mit Otto Kohn verrechneten Hypothek und des an Valerie Kohn ergangenen Kaufpreisteiles von insgesamt RM 9.716,13 bezifferte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste mit RM = öS 30.283,87. Diese Summe, die nun zum Gegenstand der weiteren Verhandlungen wurde, habe der Abwesenheitskurator auf jeden Fall, „sei es im Klageweg“, gegen die Sparkasse Bad Ischl geltend zu machen. Eine Zahlung der Sparkasse wäre aber quasi durch die Hintertüre wieder bei der Generaldirektion gelandet, die ein eigenes Verrechnungskonto „über die Forderungen und Verbindlichkeiten der ehemaligen Reichsforstverwaltung“ geführt hat. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste war der Überzeugung, bei dieser vergleichsweisen Regelung, die zwischen den drei Beteiligten Kurator, Otto Kohn und der Sparkasse Bad Ischl stattfinden hätte sollen, gute Karten zu haben, jene öS 30.238,87, die fast drei Viertel des ursprünglich bezahlten Kaufpreises entsprachen, auch tatsächlich hereinbringen zu können, konnte sie doch gehörigen Druck auf die Sparkasse ausüben: Durch die Erklärung Otto Kohns, die beträchtlichen Forderungen gegen die Sparkasse nicht weiter aufrechtzuerhalten, „dürfte die Sparkasse unschwer zur Annahme des Vergleiches und zur Rückzahlung des Betrages von öS 30.238,87 zu bestimmen sein“. Im Falle einer Weigerung, den Vergleich abzuschließen, sei es daher ein leichtes Unterfangen, die Forderungen Otto Kohns wieder aufleben zu lassen. Aber auch im Falle einer Weigerung der Sparkasse, so lautete die Mitteilung an Handel-Mazzetti, sei zunächst eine Kompensation der gegenseitigen Ansprüche zwischen Otto Kohn und der Reichsforstverwaltung herbeizuführen,denn die Regresspflicht der Sparkasse würde unabhängig von diesen Ansprüchen bestehen.798 Am 9. März 1948 schloss der Kurator für das Deutsche Reich mit 798 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, 18. Februar 1948.
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Otto und Valerie Kohn ein außergerichtliches Übereinkommen, gegenseitig auf sämtliche Forderungen zu verzichten.799 Die Sparkasse Bad Ischl verweigerte ab diesem Zeitpunkt jegliche Rückzahlung des Kaufpreises und begann das Verfahren mit allen Mitteln zu verzögern. Zunächst stellte die mittlerweile durch Hans Ernstbrunner anwaltlich vertretene Sparkasse in einem Schreiben an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste die direkte Rechtsnachfolge der Österreichischen Bundesforste nach dem letzten Eigentümer der Villa, der Reichsforstverwaltung, infrage.800 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste übermittelte der Sparkasse Bad Ischl daraufhin eine Amtsbestätigung, wonach der Wirtschaftskörper Österreichische Bundesforste vom „Liquidator für die Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ beauftragt worden sei, die Ansprüche der ehemaligen Reichsforstverwaltung wahrzunehmen (sic!) und „in gesonderter Rechnung“ zu führen.801 Dann lehnte die Sparkasse die Rückzahlung unter Berufung auf § 929 ABGB ab, wonach der Anspruch auf Gewährleistung dann verwirkt sei, wenn jemand eine „fremde Sache wissentlich an sich“ gebracht habe. Die Reichsforstverwaltung hätte wissen müssen, dass es sich bei der Villa um ehemals entzogenen jüdischen Besitz gehandelt habe, ein Blick ins Grundbuch hätte genügt.802 Nachdem auch der Versuch fruchtlos geblieben war, der Sparkasse durch einen Zinsverzicht die Rückzahlung schmackhaft zu machen, und diese ein Vergleichsangebot über lediglich öS 5.000,-- in die Verhandlungen eingebracht hatte, schaltete die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste am 24. Juni 1948 die Finanzprokuratur ein.803 Diese folgte in ihrem Antwortschreiben an die Generaldirektion zwar der Rechtsmeinung der Sparkasse, wonach Gewährleistungsansprüche verwirkt seien, sprach der Generaldirektion jedoch Bereicherungsansprüche gemäß § 1435 ABGB zu, daher die Rückforderung des bezahlten Kaufpreises von der Sparkasse, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein rechtsgültiger Kauf nicht zustande gekommen sei, und empfahl die Rückabwicklung beider Verträge. Daraus würde sich die Verpflichtung der Sparkasse Bad Ischl ergeben, den gesamten Kaufpreis von RM = öS 40.000,-- an den Kurator 799 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMF, 12. Mai 1950. 800 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 4. März 1948. 801 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Amtsbestätigung, 11. März 1948. 802 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 27. April 1948. 803 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Finanzprokuratur, 24. Juni 1948.
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des Deutschen Reiches zurückzustellen, wobei der Sparkasse ihrerseits das Recht zustünde, von Otto Kohn jenen Teil des Kaufpreises zurückzufordern, der ihm zur freien Verfügung zugekommen sei. Die Finanzprokuratur hielt jedoch eine vergleichsweise Regelung zwischen allen drei Beteiligten für empfehlenswert. Sollte diese nicht zustande kommen, hätte der Kurator des Deutschen Reiches zunächst einen Vergleich zwischen Otto Kohn und der ehemaligen Reichsforstverwaltung anzustreben, was bereits ge schehen war, hingegen den Anspruch auf Rückstellung des gesamten Kaufpreises gemäß § 15 Abs. 1 des Dritten Rückstellungsgesetzes bei der Rückstellungskommission geltend zu machen.804 Mit diesem Anspruch konfrontiert, lehnte der Vertreter der Sparkasse erneut die Rückzahlung des Kaufpreises mit der Begründung ab, dass aus der Tatsache der Nichtigkeit des Kaufvertrages zwischen Otto Kohn und der Sparkasse nicht gefolgert werden könne, „dass auch der Vertrag zwischen der Sparkasse und dem Forstamt keine Rechtswirksamkeit nach sich“ gezogen hätte. (sic!)805 Am 15. August 1948 brachte Forstmeister Handel-Mazzetti als Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich eine zuvor von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste abgeänderte „Eingabe“806 gegen die Sparkasse Bad Ischl bei der Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz ein. Diese teilte Handel-Mazzetti am 6. Dezember 1948 mit, dass er hierzu gar nicht mehr befugt sei. Mit der außergerichtlichen Einigung über die Verrechnung der gegenseitigen Ansprüche habe das Rückstellungsverfahren Otto Kohn gegen das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) seine „Erledigung gefunden“. Für einen besonderen Antrag des Deutschen Reiches bezüglich Regressleistung gegen die Sparkasse Bad Ischl müsse zuvor eine Kuratorenbestellung beim hierfür zuständigen Pflegschaftsgericht beantragt werden.807 Die von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste neuerlich um Auskunft ersuchte Finanzprokuratur, wer überhaupt zur Antragstellung beim zuständigen Bezirksgericht Bad Ischl bezüglich der Bestellung eines Abwesenheitskurators für das Deutsche Reich berufen sei, verwies die Finanzprokuratur die Generaldirektion an das BMfVS
804 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 1. Juli 1948. 805 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 29. Juli 1948. 806 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Handel-Mazzetti, 11. August 1948: „… empfehlen wir, bei ihrer Eingabe an die Rückstellungskommission Linz die im rückgefolgten Entwurf mit Bleistift vorgesehenen Änderungen zu berücksichtigen.“ 807 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz an Handel-Mazzetti, 6. Dezember 1948.
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und WP.808 In ihrem Schreiben an das Ministerium vom 5. Jänner 1949 machte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste dann sehr deutlich, dass sie den Anspruch gegen die Sparkasse Bad Ischl nicht aus der Hand geben wollte: Sie schlug dem BMfVS und WP vor, „aus Zweckmäßigkeitsgründen“ wieder Forstmeister Handel-Mazzetti zum Kurator zu bestellen, da er bereits mit der Sparkasse verhandelt habe. Sollte das Ministerium hingegen die Kuratorenbestellung nicht selbst veranlassen, würde dies die Generaldirektion übernehmen, da sich gemäß Behördenüberleitungsgesetz die Aktivlegitimation der Österreichischen Bundesforste ergebe, die „Forderungen der ehemaligen Reichsforstverwaltung einzutreiben“.809 Dieses Maß an rechtlicher Unsicherheit sollte sich im März 1950 noch um eine Stufe steigern, als sich die Generaldirektion dafür einsetzte, die Finanzprokuratur, immerhin die Rechtsvertretung der Republik Österreich, zum Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich zu bestellen.810 Eine weitere Rechtsfrage beschäftigte inzwischen die Finanzprokratur bzw. den Vertreter der Sparkasse Bad Ischl, ob nämlich derartige Regressansprüche eines Zweiterwerbers überhaupt in die Kompetenz der Rückstellungskommissionen fallen würden. Die Finanzprokuratur stützte sich dabei in einem Schreiben an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 29. Dezember 1948 auf eine sehr junge Entscheidung der Obersten Rückstellungskommission,811 welche diese Zuständigkeit bejahte. RA Hans Ennsbrunner nutzte diese Gelegenheit, um zumindest auf einer „Mitschuld“ der ehemaligen Reichsforstverwaltung zu beharren. Auf diese „Tatsache“ stützte er den Vorschlag, die endgültige Entscheidung bis „zur völligen Klarheit des Rechtsstandpunktes der Obersten Rückstellungskommission“ zurückzustellen.812 Tatsächlich schien die Rechtssache einzuschlafen. Das von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste im Jänner 1949 mit der Kuratorenbestellung befasste BMfVS und WP begann sich nämlich für den Fall zu interessieren und verlangte von der Generaldirektion im April 1949 sämtliche Unterlagen, da zuerst die Verwendung der Kaufsummen geprüft werden müsste. Unter Umständen könnten sich auch Forderungen der Sparkasse an das Deutsche Reich ergeben. Erst danach sei zu erwägen, ob die
808 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 24. Dezember 1948. 809 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMfVS und WP, 5. Jänner 1949. 810 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Aktenvermerk, 3. Mai 1950. 811 ORK, Rkv 126/48. Vgl. ÖJZ, Nr. 23 (1948), S. 557. 812 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Handel-Mazzetti an die General direktion der Österreichischen Staatsforste, 10. Februar 1949.
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gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auch „wirtschaftlich zweckmäßig“ sei.813 Das BMfVS und WP, nach dessen Auflösung die Sektion Vermögenssicherung des BMF, hatte die Causa nun an sich gezogen, das Interesse der Generaldirektion erlahmte nach der Mitteilung des Ministeriums vom April 1949 deutlich. Die Übermittlung der geforderten Unterlagen erfolgte äußerst schleppend. So war es erst im Juli 1950 möglich, dass RA Georg Jochmann – und nicht Forstmeister Handel-Mazzetti – zum Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) bestellt wurde, der bei der Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz einen völlig neuen Rückstellungsantrag gegen die Sparkasse Bad Ischl einbrachte.814 Auch die Streitsumme hatte eine Änderung erfahren. Sie betrug nun, abzüglich der Otto und Valerie Kohn tatsächlich zugekommenen Kaufpreisteile, öS 29.854,97.815 Einen weiteren Rückschlag musste die Generaldirektion hinnehmen. Nach mehreren Stellungnahmen an das BMF, dass Kurator RA Dr. Georg Jochmann die von der Sparkasse einzufordernde Regresssumme den Österreichischen Bundesforsten als „Nachfolgebehörde“ der ehemaligen Reichsforstverwaltung auszufolgen habe, teilte das Ministerium der Generaldirektion im März 1951 mit, dass der Betrag nicht den Österreichischen Bundesforsten zukommen werde, sondern einem Konto des BMF „Vermögenssicherung, Erstattungsbeträge Rückstellungsberechtigter zugunsten des Deutschen Reiches, amerikanische Zone“, gutgeschrieben werde.816 Auffallend ist außerdem, dass die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ihre Informationen nun ausschließlich von Forstmeister Handel-Mazzetti bekam, der diese wiederum als Informant über das Erstverfahren Otto und Valerie Kohn gegen das Deutsche Reich von Kurator Jochmann bezog.817 Der Rechtsvertreter der Sparkasse Bad Ischl versuchte nun das Verfahren nach allen Regeln der Kunst weiter zu verschleppen. So machte er am 27. Jänner 1951 in der ersten Verhandlung vor der Rückstellungskommission geltend, dass die Forderung „Deutsches Eigentum“ darstelle, über die nur mit Einwilligung des Alliierten Kontrollrates verfügt werden dürfe.818 Im November 1951 brachte er schließlich den gänzlich unhaltbaren 813 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, BMfVS und WP an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 8. April 1949. 814 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, BMF an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 9. Oktober 1950. 815 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMF, 22. Februar 1951. 816 Ebda. 817 ������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, laufende Berichte der Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, beispielsweise vom 18. Oktober und 19. November 1951. 818 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 5. Februar 1951.
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Standpunkt vor, dass bei Abschluss des Kaufvertrags zwischen Otto und Valerie Kohn und der Sparkasse Bad Ischl die „Regeln des redlichen Verkehrs“ eingehalten worden seien.819 Obgleich diese Frage längst im damaligen Rückstellungsverfahren entschieden war, führte dies unter anderem zur neuerlichen Vernehmung von Otto Kohn, sodass es bis zum 2. Jänner 1952 dauern sollte, bis die Rückstellungskommission zu einer Entscheidung kam. Die Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz gab in dem Erkenntnis vom 2. Jänner 1952 dem Rückstellungsbegehren des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) nur teilweise statt. In der irrigen Annahme, dass nicht die Reichsforstverwaltung, sondern die Sparkasse Bad Ischl Investitionen in der Höhe von öS 6.662.67820 getätigt hatte, verurteilte sie die Sparkasse Bad Ischl zur Herausgabe des geltend gemachten Streitwerts abzüglich der Investitionen, daher zur Zahlung von öS 23.192,30 an den Kurator des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung).821 Dieser legte Beschwerde gegen das Erkenntnis der Rückstellungskommission ein, nachdem die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste das BMF über den „offensichtlichen Irrtum“ der Rückstellungskommission aufgeklärt hatte. Aber auch der Vertreter der Sparkasse Bad Ischl beschritt den Instanzenweg. In seiner Beschwerde machte er jedoch genau jene öS 13.800,-- geltend, die Otto Kohn als entgangene Mietzinsen gefordert hatte, und die nun als Erträgnisse der Liegenschaft von der Forderung des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) in Abzug zu bringen wären. Kurator Jochmann wandte dagegen ein, dass diese Erträgnisse bereits vergleichsweise bereinigt worden wären.822 Die Rückstellungsoberkommission beim OLG Linz wies schließlich in ihrem Erkenntnis vom 19. November 1952 die Beschwerde der Sparkasse Bad Ischl ab, gab der Beschwerde des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) Folge und änderte das angefochtene Erkenntnis dahingehend ab, dass nunmehr die Sparkasse Bad Ischl schuldig war, den gesamten Betrag von öS 29.854,97 samt 4% Zinsen von 5. August 1939 bis 31. Dezember 1952 per öS 16.005,70, daher öS 45.860,67 zuzüglich den Kosten des Verfahrens, zu Handen des Kurators zu bezahlen.823 Dem Begehren war in vollem Umfang 819 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Handel-Mazzetti an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 19. November 1951 und 5. Jänner 1952. 820 Auch diese Summe stimmte nicht mit dem tatsächlichen Betrag der Investitionen, die bekanntlich RM = öS 6.262,67 betragen hatten, überein. 821 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMF, Sektion Vermögenssicherung, Abt. 16, Vielgatterer, 22. Februar 1952. 822 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 17. März 1952. 823 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 20. November 1952.
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stattgegeben worden. RA Hanns Ennsbrunner verzichtete auf eine weitere Beschwerde an die Oberste Rückstellungskommission,824 sodass das Erkenntnis rechtskräftig wurde. Am 14. Jänner 1953 langte der Betrag auf einem Konto der Oberbank, Bank für Oberösterreich und Salzburg, Linz, auf das alle im Zuge von Rückstellungen an das Deutsche Reich zu leistenden Zahlungen erlegt werden mussten, ein und wurde dem BMF gutgeschrieben.825 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste nahm in einem Schreiben an die Forstverwaltung Bad Ischl deren abschließenden Bericht „mit Befriedigung zur Kenntnis“ und betrachtete „diese Angelegenheit nun als restlos erledigt“.826 Daniela Ellmauer, Michael John und Regina Thumser kommen in ihrer Studie für die Österreichische Historikerkommission „,Arisierungen‘, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich“ zu dem Schluss, dass „der Anwalt Dr. Otto Kohn aus Ischl … sogar seinen eigenen Rückstellungsprozess unglücklich führte“.827 Dem ist angesichts der Tatsache, dass RA Otto Kohn statt einer vollständigen „Restitution“ eine leer geräumte Villa mit einem gehörigen Wertverlust zurückbekam und der Geschmeidigkeit, mit der er auf sämtliche Erträgnisse in Form eines Vergleiches verzichtete, durchaus beizupflichten. Wie ist nun die Rolle der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste zu bewerten? Abseits der Rechtsunsicherheiten und Abgrenzungsprobleme lassen sich in diesem Fall einige Phasen beobachten: Von der Verneinung jeglicher Rechtsnachfolge nach der Reichsforstverwaltung in einer ersten frühen Phase 1947 rückte die Generaldirektion schnell ab und besann sich des Behördenüberleitungsgesetzes. Kraft der nun verliehenen Kompetenzen vermeinte sie nun, dem als Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich eingesetzten Forstbeamten zwar keine Weisungen zu erteilen, doch aber so weit auf ihn einzuwirken, um das Verfahren ohne Parteistellung in der Hand zu behalten. Dazu gehört sicherlich auch die vermeintliche Kompetenz, den Antrag für die Kuratorenbestellung einzubringen. Die Zielvorgabe der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, nämlich einen möglichst großen Anteil am seinerzeitigen, von der Reichsforstverwaltung bezahlten Kaufpreis anlässlich der Rückabwicklung von der Sparkasse Bad Ischl über ein Verrechnungskonto in ihren Gewahrsam zu bringen, wurde deutlich 824 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 8. Dezember 1952. 825 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Forstverwaltung Bad Ischl, Handel-Mazzetti, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 16. Jänner 1953. 826 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 948 90 30, Otto und Valerie Kohn, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Forstverwaltung Bad Ischl, 21. Jänner 1953. 827 Zit. in: Ellmauer / John / Thumser, „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich, S. 458.
3.3. Fallbeispiele
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angesprochen. Zwar betonte die Generaldirektion mehrmals, dass ihr dieser Betrag nur zur „Verwahrung“, „Verrechnung“ bzw. „Verwaltung“ zukommen würde, zwischen den Zeilen wird jedoch die Erwartungshaltung deutlich, nach Abschluss des Staatsvertrages auch über diese Summe verfügen zu können. In einer dritten Phase, ab 1950, entglitt der Generaldirektion die Causa nach einem Wechsel in der Person des Abwesenheitskurators, sie wurde vom BMF abgelöst, in dessen Verfügungsgewalt der von der Rückstellungskommission zugesprochene Betrag schließlich gelangte. Dabei fallen vor allem die scheinbar ungeregelten Verhältnisse nach der Zuerkennung von so beachtlichen Beträgen im Werte von Liegenschaften zwischen den Kuratoren und den Kontoinhabern, sprich österreichischen Ministerien und Dienstellen, auf. Die Unsicherheit, welcher Betrag auf welches Konto einzuzahlen war, wurde sicherlich auch durch die unterschiedliche Vorgangsweise in den vier Besatzungszonen verschärft. Letztlich zeigte die Generaldirektion ihre Befriedigung darüber, dass der Kaufpreis nicht der Sparkasse verbleiben würde, sondern der Republik Österreich zukommen werde. Am Rande sei in diesem Zusammenhang noch auf die Haltung des Rechtsvertreters der Sparkasse Bad Ischl hingewiesen: Seine Sturheit und die Verschleppungsabsicht ist durchaus auch als Ausdruck seines Unverständnisses zu werten, dass der „Ariseur“ Deutsches Reich, im Erstverfahren zur Rückstellung verurteilt und bei der Entziehung der Villa über die Ortsgruppe der NSDAP tatkräftig beteiligt, mit der Rückerstattung des Kaufpreises gleichsam belohnt wurde und dieser Betrag wiederum der Republik Österreich zufallen sollte.
3.3.5. Villa Dietrichstein / Wurzbach / Zauner Villa Dietrichstein Menndorf, Haus Nr. 40 / Villa Wurzbach / Villa Zauner Wirerstraße 10, Bad Ischl: EZ 37828 KG Bad Ischl Ger. Bez. Bad Ischl Gesamtausmaß: 1.348m² (Villa 370 m²)829 Eigentümer am 13. März 1938: Prof. HR Alfred Wolfgang Wurzbach Eigentumsübertragung auf: 1.) KR Viktor Zauner Kaufvertrag vom 25. Juli 1939 Kaufpreis: RM 55.000,- 2.) Deutsches Reich (Reichsforstverwaltung) 828 Parzellen 53/1 und 53/3 Garten sowie 54 Villa. 829 In einem Gutachten wird die Gesamtgröße mit nur 712 m² angegeben.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Verwaltung nach 1945: Vermögensentziehung:
Heutiger Eigentümer: Überprüfungsgegenstand:
Kaufvertrag vom 21. Dezember 1940 Kaufpreis RM 63.000,-Gebäude der Forstverwaltung RS-Antrag nach dem Dritten Rückstellungsgesetz vom 28. November 1952, eingebracht von der Adoptivtochter und Universalerbin Viktor Zauners, Rosina Kurth, gegen das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung), Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz, GZ RK 94/52, Zurückziehung des RS-Antrages am 5. Juli 1955 Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) In der Datenbank von Dr. Gottfried Hamböck (Liegenschaften „Deutsches Eigentum“) scheinen zur „Villa Dietrichstein“ folgende Einträge auf: „Arisierung?“ und „Jetziges FB-Gebäude wurde vom Deutschen Reich von Zauner gekauft, der es allerdings auch erst nach dem Anschluß von einem ..... Dr. ..... gekauft hat. Nach dem Rückstellungsverfahren angemerkt. WER war Antragsteller?????“ In der Hist. Kom. Datenbank wird der Name des ursprünglichen Eigentümers mit „Alfred Wolfgang Würzbach“ angegeben.
In dieser Fallstudie treten viele der Akteure rund um die Entziehung der Villa von Dr. Otto und Valerie Kohn in Bad Ischl erneut auf, wenn auch in unterschiedlichen Rollen. Es handelt sich dabei vorrangig um eine Auseinandersetzung der Honoratioren der Stadt unter Vorspiegelung „öffentlicher Interessen“ aus verschiedenen Sichtweisen und unter sich verändernden Zeitläuften. KR Viktor Zauner, Inhaber der öfters als „weltberühmt“ bezeichneten Konditorei Zauner in Bad Ischl, erwarb mit Kaufvertrag vom 25. Juli 1939 die im Zentrum des Ortes gelegene und an seinen Betrieb angrenzende Villa Dietrichstein um RM 55.000,--. Eigentümer war zu diesem Zeitpunkt Prof. HR Alfred Wolfgang Wurzbach830, weswegen 830 Dies geht u. a. auch aus einem Scheiben RA Georg Jochmanns an Oberregierungsrat Josef Danter vom Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau hervor. ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Georg Jochmann an das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, Oberregierungsrat Josef Danter, 20. Juli 1940.
3.3. Fallbeispiele
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die Villa auch in dem Aktenkonvolut über die nun folgenden Vorgänge als „Villa Wurzbach“ bezeichnet wurde. Die Salinenverwaltung Bad Ischl kündigte dem Forstamt Bad Ischl mit Schreiben vom 20. Mai 1940 die Miete der im Salinenamtsgebäude gelegenen Kanzleiräume und der Forstmeisterwohnung wegen Verlegung des Sitzes der Generaldirektion der „Ostmärkischen Salinen“ von Wien nach Bad Ischl.831 Diese Verlegung wurde als Prestigeprojekt im „öffentlichen Interesse“ von Gauleiter Eigruber abwärts besonders gefördert.832 Eine Anfechtung der Kündigung erschien dem Forstamt auch deswegen wenig sinnvoll, weil bei der Trennung von Saline und Forst im Jahre 1870 viele Fragen offen geblieben waren. So wurde damals das Forstamt ohne Vertrag oder schriftliche Vereinbarung im Salinenamt untergebracht.833 Es schien nun ebenfalls im „öffentlichen Interesse einer reibungslosen Fortführung des Forstamtsbetriebes dringend notwendig, dem Forstamt sofort einen geeigneten Ersatz zu verschaffen“, weil sonst, wie das Regierungsforstamt Salzburg Oberdonau befürchtete, das Forstamt die Verlegung infrage stellen könnte, was eine „Blamage für die Stadt Ischl und für all diejenigen Instanzen“ bedeutet hätte, „die sich besonders für diese Verlegung eingesetzt hätten“.834 Da ein Neubau aufgrund des Zeitdrucks der Räumung bis September 1940 nicht infrage kam, wandte sich Forstmeister Ing. Emil Patzak bereits am 17. Mai 1940, als er von der bevorstehenden Kündigung erfahren hatte, an seinen Bekannten und „eingesessenen Ischler“ Viktor Zauner, um mit ihm über den Verkauf der neben der Salinenverwaltung gelegenen Villa Wurzbach zu verhandeln.835 Über die Vorkommnisse anlässlich dieser Verhandlungen, welche auch in einem Amtsvermerk des Regierungsforstamts Salzburg-Oberdonau festgehalten wurden, verfasste Patzak ein Gedächtnisprotokoll. Demnach hätte sich Viktor Zauner einem Verkauf durchaus nicht abgeneigt gezeigt und ein „Anbot“ über RM 70.000,-- unterbreitet, welches Patzak wegen der Übernahme der Kosten der Vertragserrichtung und des Rechtsbeistandes von Zauner sofort auf RM 68.000,-- „gedrückt“ hätte. Es sei vereinbart worden, dass Zauner ein schriftliches Anbot 831 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Salinenverwaltung, Oberbergrat Krieger, an das Forstamt Bad Ischl, 20. Mai 1940. 832 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Franz Konrad an das Forstamt Bad Ischl, 21. Juli 1940. 833 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Forstamt Bad Ischl an das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, 24. Juli 1940. 834 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, Amtsvermerk Referat VII, Rudolf Klein, 28. Mai 1940. 835 �������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Gedächtnisprotokoll Forstmeister Ing. Emil Patzak „betreffend die Verlegung des Forstamtes und den Ankauf des Hauses Wirerstraße Nr. 10“, o. D.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
an das Regierungsforstamt richte und mit der Summe von RM 68.000,-- drei Monate im Wort bleibe. Tags darauf hätte der Rechtsvertreter Zauners, RA Dr. Georg Jochmann, Patzak eröffnet, dass Zauner mit einem anderen Interessenten, dem Apotheker Hrovath, einen Vorvertrag abgeschlossen habe.836 Dieser Vorvertrag und die dahinterstehende Verkaufsabsicht sollten später zum eigentlichen Streitgegenstand werden. Die Verlegung der bereits am Kreuzplatz bestehenden Kurapotheke in die Villa Wurzbach, daher direkt in die Kurzone, wurde wiederum von den örtlichen Stellen der NSDAP, dem Bürgermeister und der Kurverwaltung gefördert.837 Zweifellos wollte man damit auch einem „Günstling“ einen Vorteil verschaffen, der der unweit gelegenen zweiten Apotheke des Apothekers Jänsch Konkurrenz machen sollte.838 Viktor Zauner saß nun gewissermaßen zwischen den Stühlen: Einerseits sah er sicher eine günstige Gelegenheit, den Kaufdruck des Forstamtes auf den Apotheker zu übertragen, was sich auf den Kaufpreis auswirkte. So beklagte sich Apotheker Hrovath in einer späteren Eingabe bitter, dass der Kaufpreis durch das Anbot Zauners auf RM 70.000,-- getrieben worden wäre.839 Zauner begründete den Vorvertrag mit Hrovath laut Gedächtnisprotokoll Patzak damit, dass er dem Forstamt bisher kein „juridisch formelles Angebot“ gemacht hätte und eine dreimonatige Wartefrist ein „Novum“ darstelle, mit dem er nicht gerechnet hätte. Andererseits ließ sich Viktor Zauner dann anscheinend doch recht schnell aus Gründen der „geschäftlichen Anständigkeit“ von Forstmeister Patzak überreden, doch „lieber“ einen Kaufvertrag „unter denselben Bedingungen wie mit Hrovath“ mit dem Forstamt abzuschließen. Damit könne er auch den Schwierigkeiten mit dem Apotheker Jänsch, mit dem er befreundet sei, „vollständig aus dem Wege gehen“.840 Zauner soll sogar zur Kenntnis genommen haben, dass Patzak „nun mit allen Mitteln versuchen würde, der Handlungsweise Jochmanns“, daher der des eigenen Rechtsvertreters Zauners, „zu begegnen“.841 Die Vermutung ist daher auch nicht ganz abwegig, dass Zauner selbst auf jene Entscheidung gedrängt hatte, um aus seinem Dilemma herauszukommen, die nun Forst836 Ebda., S. 2. 837 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Forstamt Bad Ischl, Ing. Emil Patzak, an das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, 24. Juli 1940. 838 Dies geht auch aus dem Amtsvermerk des Regierungsforstamtes Salzburg-Oberdonau hervor. ÖStA/ AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Regierungsforstamt SalzburgOberdonau, Amtsvermerk Referat VII, Rudolf Klein, 28. Mai 1940. 839 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Forstamt Bad Ischl, Ing. Emil Patzak, an das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, 24. Juli 1940. 840 �������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Gedächtnisprotokoll Forstmeister Ing. Emil Patzak „betreffend die Verlegung des Forstamtes und den Ankauf des Hauses Wirerstraße Nr. 10“, o. D., S. 2. 841 Ebda.
3.3. Fallbeispiele
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meister Emil Patzak am 20. Mai 1940 anstrebte. Der für die Genehmigung von Kaufverträgen zuständige Landrat des Kreises Gmunden erläuterte Patzak nach Darlegung des Sachverhalts die Möglichkeit, die Liegenschaft aufgrund § 5 des Wehrmachtsleistungsgesetzes auf unbestimmte Zeit anzufordern. Schließlich ermächtigte das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau Forstmeister Patzak, beim Landrat in Gmunden die Beschlagnahme der Villa gemäß Reichsleistungsgesetz zu beantragen.842 Gemäß § 1 dieses Gesetzes vom 1. September 1939843 konnten sämtliche Bewohner des Reichsgebietes, die im Reichsgebiet Vermögen hatten, „zu Leistungen nach Maßgabe des Gesetzes verpflichtet“ werden. „Bedarfstelle“ war der Landrat, der gemäß § 2 a des Gesetzes befugt war, Leistungen für Dritte anzufordern. In diesem Sinne wurde am 23. Mai 1940 der diesbezügliche Anforderungsbescheid aufgrund § 22 des Reichsleistungsgesetzes von Landrat Kaltenegger erlassen. Gegen diesen Bescheid war kein Rechtsmittel zulässig. Somit wurde die gesamte Liegenschaft ohne bewegliches Inventar mit der Widmung zur Unterbringung des Forstamtes Bad Ischl „auf unbestimmte Dauer mit sofortiger Wirksamkeit angefordert“. Gleichzeitig wurde gemäß § 25 des Gesetzes zur Sicherstellung der angeforderten Leistung die Beschlagnahme der Liegenschaft mit der Wirkung ausgesprochen, dass „Rechtsgeschäfte über die beschlagnahmte Liegenschaft nicht zulässig“ seien.844 Begründet wurde der Bescheid damit, dass sich die Notwendigkeit ergeben habe, „für das Forstamt raschest Ersatz zu schaffen“ und die Villa schon seit längerer Zeit leer stand.845 Für die Anforderung der Liegenschaft stand Viktor Zauner eine Vergütung bzw. Entschädigung gemäß § 26 des Reichsleistungsgesetzes zu. Konnte über die Höhe der Vergütung keine Einigung mit dem Regierungsforstamt erzielt werden, war binnen Monatsfrist bei sonstigem Erlöschen eine „angemessene Entschädigung“ gemäß § 27 beim Landrat zu beantragen. Gegen dessen Verfügung stand das Rechtsmittel der Beschwerde an den Reichsstatthalter offen.846 Sofort erhob sich nun Widerstand von Seiten des Kurdirektors Hamm. Nach Abstimmung des Regierungsforstamtes mit Gauleiter Eigruber beraumte der Landrat für den Kreis Gmunden für den 26. Mai 1940 eine Besprechung mit allen Beteiligten in der Konditorei Zauner an. Laut dem Gedächtnisprotokoll des Forstmeisters Patzak nutzte Viktor Zauner in dieser Situation sein Verhandlungsgeschick. Er hätte am Vorabend 842 Ebda., S. 3. 843 RGBl. I S. 1645. 844 ������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Anforderungsbescheid aufgrund des § 22 des Reichsleistungsgesetzes vom 1. September 1939, GZ I/A–309/1940, Landrat des Kreises Gmunden, gez. Kaltenegger, 23. Mai 1940. 845 Ebda., S. 2. 846 Ebda. S. 3.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
der Besprechung erwirkt, dass das Forstamt ein Mietverhältnis mit ihm einginge und gleichzeitig Verkaufsverhandlungen unter den gleichen Bedingungen, zu denen er an den Apotheker Hrovath verkauft hätte, in Angriff nehme.847 Anläßlich der Besprechung, an der neben Landrat Kaltenegger der Bürgermeister von Bad Ischl, die Kurverwaltung und die Forstmeister Klein und Patzak von der Reichsforstverwaltung teilnahmen, verdeutlichte Kaltenegger, dass der Vorvertrag Zauners mit Hrovath niemals seine Genehmigung bekommen hätte, „da die Interessen der Reichsforste denen eines Privatmannes unbedingt vorgehen“ würden, wie er dies in einem Schreiben im Juli 1940 noch einmal bekräftigte.848 Aus dem Amtsvermerk des Reichsforstamtes Salzburg-Oberdonau geht hervor, dass der von Gauleiter Eigruber beauftragte Kaltenegger, „alle sich der Übersiedlung der Generaldirektion der Salinen entgegenstellenden Hindernisse zu beseitigen“, nun folgende Lösung als „ideal“ anbot, nachdem Versuche des Bürgermeisters und des Kurdirektors, dem Forstamt andere Villen in Bad Ischl anzubieten, fehlgeschlagen waren: Er könne für die „gute und zweckmäßige“ Unterbringung der Apotheke Hrovaths das sogenannte Leitnerhaus beschlagnahmen. Diese Villa gehörte der Tochter des ehemaligen Bad Ischler Bürgermeisters, die aufgrund ihrer Ehe mit einem von den Nationalsozialisten verfolgten Juden nach England geflüchtet war.849 Damit wollte sich der Apotheker nicht zufriedengeben und verweigerte zwei Tage später, erneut vom Bürgermeister und dem Kurdirektor bestärkt, die Herausgabe der Schlüssel der Villa, die ihm Zauner bereits ausgehändigt hatte, an das Forstamt mit der Begründung, dass für ihn der Abschluss des Kaufes gültig sei und für das Forstamt nur die Anforderung infrage käme. Wenn eine Beschlagnahme erfolgt sei, so träfe sie ihn als Besitzer der Villa, daher müsse die Reichsforstverwaltung an ihn herantreten und bei ihm um die Herausgabe der Schlüssel ansuchen.850 Nach hektischen Interventionen durch das Forstamt Bad Ischl und das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau beim Landrat für den Kreis Gmunden wurde der Bürgermeister von Bad Ischl am 30. Mai 1940 zum Landrat zitiert und angewiesen, die Ausfolgung der Schlüssel zu veranlassen.851 Damit war der Wider847 �������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Gedächtnisprotokoll Forstmeister Ing. Emil Patzak „betreffend die Verlegung des Forstamtes und den Ankauf des Hauses Wirerstraße Nr. 10“, o. D., S. 3. 848 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Landrat in Gmunden, Kaltenegger, an Forstmeister Ing. Emil Patzak, 21. Juli 1940. 849 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, Amtsvermerk Referat VII, Rudolf Klein, 28. Mai 1940. 850 �������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Gedächtnisprotokoll Forstmeister Ing. Emil Patzak „betreffend die Verlegung des Forstamtes und den Ankauf des Hauses Wirerstraße Nr. 10“, o. D., S. 4. 851 Ebda., S. 5.
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stand gebrochen. Dass in dieser internen Auseinandersetzung zwischen NS-Partei- und Dienststellen um „öffentliche Interessen“ letztlich übergeordnete Behörden ihre Hände im Spiel hatten, vermerkte Landrat Kaltenegger in einem Schreiben an Forstmeister Patzak kryptisch, in dem er im Juli 1940 auf die Ereignisse rückblickte. Er gab darin seiner Überzeugung Ausdruck, „dass unser lieber Kurdirektor Hamm das treibende Element war, und er in seiner Eitelkeit gekränkt schien, da sein diktatorischer Wille nicht durchgesetzt worden war. … Seit dieser Zeit sind dem jungen Aar die Flügel erheblich gestutzt worden.“852 Viktor Zauner suchte seinen Vorteil. Das vom Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau mit der Verhandlung über die Entschädigung nach dem Reichsleistungsgesetz beauftragte Forstamt Bad Ischl konnte bereits Anfang Juni 1940 berichten, dass Zauner 4 ½ % der Kaufsumme von RM 68.000,-- , daher RM 255,--, in Form einer monatlichen Miete bis zum Kaufabschluss begehrte,853 was dem Regierungsforstamt in seinem Bericht an den Landrat als „bedeutend zu hoch“ erschien.854 Das Regierungsforstamt erachtete RM 150,-- für angemessen. Da eine Einigung nicht zustande kam, entschied schließlich der Landrat des Kreises Gmunden mit Bescheid vom 6. August 1940, dass das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau Viktor Zauner für die Benützung der Räumlichkeiten der Villa einen monatlichen Betrag von RM 220,-- als Entschädigung zu bezahlen habe.855 Interessant erscheinen auch die Schätzungen der Liegenschaft im Zuge der Kaufverhandlungen, die auch im Verfahren zur Festsetzung der Entschädigung nach dem Reichsleistungsgesetz dienten: Ein erstes Schätzgutachten stammte vom gerichtlich beeideten Schätzmeister und Sachverständigen im Baufach, dem Bad Ischler Baumeister Hans Brandl. Er bewertete in seinem Gutachten vom 2. Juli 1940 die 1.348 m² Bau- und Gartengrund inklusive Anlage und Einzäunung recht einfach mit RM 6,-- per m² (= RM 8.088,--), und rechnete den umgebauten Raum der Villa ohne Baugrund in 3.350 m³ um, die er mit RM 19 per m³ bewertete (= RM 63.650,--), was einer Gesamtsumme von RM 71.738,-- entsprach.856 Dieses Gutachten, das am 13. Juli 1940 vom Landrat des Krei852 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Landrat in Gmunden, Kaltenegger, an Forstmeister Ing. Emil Patzak, 21. Juli 1940. 853 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Forstamt Bad Ischl an das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, 3. Juni 1940. 854 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau an den Landrat des Kreises Gmunden, 7. Juni 1940. 855 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Entscheidung des Landrates des Kreises Gmunden, GZ I/A–309/40, vom 6. August 1940. 856 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, „Befund und Wertschätzung des Hauses Zauner, Bad Ischl, EZ 37, Grundbuch Bad Ischl“, Hans Brandl & Söhne, Ingenieur und Baumeister, Bad Ischl, 2. Juli 1940.
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ses Gmunden an das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau übermittelt wurde, wurde in Berlin nicht anerkannt. In einem Erlass des Reichsforstmeisters vom 13. September 1940 wurde das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau scharf angewiesen, dass „für die Abschätzung von Grundstücken und Gebäuden und zur Aufstellung von Kostenvoranschlägen Reichsbehörden zur Verfügung“ stünden: „Die Verwendung von Reichsmitteln zur Bezahlung privater Gutachten und Kostenvoranschlägen (Anm. für den Umbau der Villa)“ könne „nicht vertreten werden“.857 Das am 22. Oktober 1940 von der Bauabteilung Va des Reichsstatthalters Oberdonau, Reichsbauamt in Linz, erstellte Gutachten ging von einem gänzlich anderen Berechnungsschlüssel aus: Der Grund- und Bodenwert wurde für die 1.348 m² Gesamtfläche „nach Rücksprache mit dem Finanzamt Gmunden“ ebenfalls mit RM 6,-- per m² errechnet, was eine Summe von RM 8.088,-- ergab. Beim umgebauten Raum ging das Reichsbauamt von 3.139,15 m³ aus, setzte jedoch den Vorkriegswert von RM 18,-- per m³ als Multiplikator ein, was einer Summe von RM 56.504,70 entsprach. Hinzu kam nun die letzte bekannte Baukostenrichtzahl vom Juni 1940 von 40,2 % dieses Wertes (= RM 22.713,44), was eine vorläufige Summe von RM 79.218,14 ergab. Von dieser Summe wurde nun die Abnützung der Villa „nach der Tabelle von Roß“ abgezogen: Bei einer geschätzten Bestanddauer der Villa von rund 200 Jahren und einem damaligen Alter von 100 Jahren kamen 38 % (= RM 30.101,53) von der vorläufigen Summe von RM 79.218,14 in Abzug. Zu diesem nun errechneten Sachwert der Villa über RM 49.116,61 kam nun der bereits errechnete Grund- und Bodenwert (= RM 8.088,--) hinzu, wobei noch der Sachwert für die Balkone, Einfriedung etc. separat errechnet wurde, womit zunächst ein Gesamtsachwert von RM 55.704,61 feststand. Um nun zum Verkehrswert zu gelangen, wurde in einem zweiten Teil der Ertragswert errechnet: Das Reichsbauamt ging dabei davon aus, dass mit einem monatlichen Mietertrag von RM 260,--, daher jährlich mit RM 3.120,-- gerechnet werden könne. Nach Abzug aller Abgaben und der Kosten für Bauunterhaltung und Verwaltung blieben jährliche Einnahmen von RM 1.284,17. Das Reichsbauamt nahm nun einen Zinsfuß von 4 % an, was bei einer verbleibenden Lebensdauer der Villa von 100 Jahren (1284,17 x 100 : 4) einen kapitalisierten Ertragswert von RM 51.366,80 ergab. Als Verkehrswert, daher der Hälfte des Gesamtsachwerts und des Ertragswerts, gab das Reichsbauamt die Endsumme von RM 53.500,-- an.858 Viktor Zauner hatte seinerseits die Liegenschaft von Alfred Wolfgang Wurzbach um 857 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Reichsforstmeister, Erlass GZ II 7567, an den Reichsstatthalter in Salzburg, Landesforstamt, 13. September 1940. 858 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Reichsstatthalter in Oberdonau, Bauabteilung Va, Reichsbauamt in Linz, Schätzung der Liegenschaft Bad Ischl Nr. 40, Wirerstraße 10, 22. Oktober 1940.
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RM 55.000,-- erworben, womit er bei dieser Verkehrswertberechnung im Falle eines Ankaufes durch die Reichsforste weniger bekommen hätte. Sein Angebot belief sich auf RM 68.000,--. Da die Reichsforstverwaltung an einer schnellen Unterbringung des Forstamtes interessiert war, kam es zu dem sicher äußerst raren Vorgang, dass das nunmehrige Landesforstamt Salzburg-Oberdonau Ende Oktober 1940 vom Reichsbauamt eine Bestätigung wünschte, dass auch ein höherer Kaufpreis als der bisher errechnete Schätzwert bezahlt werden könne.859 Das Reichsbauamt zeigte in seinem Antwortschreiben vom 4. November 1940 sämtliche Möglichkeiten auf, den Schätzwert nach oben zu revidieren. So wurde in der neu aufgestellten Schätzung der Kaufpreis des Grundstückes statt mit RM 6,-- per m² mit RM 10,-- bewertet, bei der Errechnung des kapitalisierten Ertragswertes wurde statt einem Zinsfuß von 4 % ein Zinsfuß von 2,5 % zugrunde g elegt, sodass die Schätzung der Villa samt Garten, jedoch ohne Inventar, mit RM 57.300,- abschloss.860 Weites wurde nun in Betracht gezogen, dass bei der Baukostenrichtzahl von 40,2 % die Überteuerung der Neubaukosten in der „Ostmark“, die zum damaligen Zeitpunkt 30 bis 40 % betrug, sowie die günstige Lage des Objekts nicht berücksichtigt wurden. Schließlich gab das Reichsbauamt als weitere Begründung an, dass die Kosten für einen Neubau schätzungsweise RM 98.000,-- betragen würden.861 Zuletzt fand auch ein wohlwollendes Schreiben des Landrates für den Kreis Gmunden vom Juli 1940 Eingang in die Verhandlungen, in dem er den von Zauner geforderten Kaufpreis über RM 68.000,-- als „durchaus angemessen“ bescheinigte und zu bedenken gab, „dass Zauner vor kurzer Zeit der notleidenden Gemeinde Bad Ischl das von ihm gepachtete, der Gemeinde gehörig gewesene Esplanadenkaffee zu einem für die Gemeinde außerordentlich vorteilhaften Preis abgekauft hat“.862 Zauner konnte sich also mit seiner Kaufpreisforderung über RM 68.000,-- gegenüber der Reichsforstverwaltung durchsetzen. Eine Korrektur mit Kompromisscharakter erfuhr der endgültige Kaufpreis dadurch, dass in den Verhandlungen immer von der Villa samt Einrichtungsgegenständen die Rede war. Dieses Inventar, das wahrscheinlich noch aus dem ursprünglichen Eigentum von Alfred Wolfgang Wurzbach stammte und ne859 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Reichsstatthalter in Oberdonau, Reichsbauamt Linz, an den Reichstatthalter in Salzburg, Landesforstamt in Salzburg, 4. November 1940. 860 Ebda. Vgl. Der Reichsstatthalter in Oberdonau, Bauabteilung Va, Reichsbauamt in Linz, Berichtigte Schätzung der Liegenschaft Bad Ischl Nr. 40, Wirerstraße 10, 22. Oktober 1940. 861 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Reichsstatthalter in Oberdonau, Reichsbauamt Linz, an den Reichstatthalter in Salzburg, Landesforstamt in Salzburg, 4. November 1940. 862 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Landrat des Kreises Gmunden an das Regierungsforstamt Salzburg-Oberdonau, 21. Juli 1940, S. 3.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
ben Einrichtungsgegenständen und Möbeln auch zahlreiche Ölbilder umfasste, ließ das Landesforstamt in Salzburg im November 1940 über Auftrag des Reichsbauamtes von einem beeideten Schätzmeister schätzen.863 Die Gesamtschätzung ergab RM 5.934,--. Es wurde nun zwischen dem Landesforstamt und Viktor Zauner vereinbart, dass Letzterer das Inventar übernähme, wodurch sich der Kaufpreis um RM 5.000,-- verkürzen sollte. Die endgültige Kaufsumme betrug daher RM 63.000,--.864 Nachdem die Genehmigung des Reichsforstmeisters am 2. Dezember mit Telegramm bzw. 10. Dezember 1940 mit Schnellbrief eingelangt war, wurde am 21. Dezember 1940 der Kaufvertrag über den Verkauf der Villa zwischen der Reichsforstverwaltung und Viktor Zauner abgeschlossen.865 Im Februar 1942 gelang es Viktor Zauner noch zusätzlich, einen 10 m langen und 2 m breiten Grundstreifen, den er für eine Einfahrt benötigte, im Wege einer Grenzberechtigung von der veräußerten Liegenschaft abzutrennen.866 Am 28. November 1952 brachte Rosina Kurth, die Adoptivtochter und Universalerbin des am 10. April 1950 verstorbenen Viktor Zauner, nunmehrige Inhaberin der Konditorei, über ihren Salzburger Rechtsanwalt Dr. Hans Asamer bei der Rückstellungskommission beim LGfZRS Linz einen Rückstellungsantrag gegen das Deutsche Reich nach dem Dritten Rückstellungsgesetz ein.867 Den Streitwert bezifferte sie mit öS 63.000,--. Viktor Zauner hätte sich entschlossen, nachdem die Reichsforstverwaltung kein Mittel unversucht gelassen habe, sich in den Besitz der Villa zu setzen, diese um RM 68.000,- an den Apotheker Hrovath zu veräußern. Daraufhin hätte das Forstamt den nationalsozialistischen Landrat veranlasst, den Verkauf durch Zwangsmaßnahmen wie der Anforderung und der gleichzeitigen „völlig ungerechten und unbegründeten“ Beschlagnahme der Villa, wonach Rechtsgeschäfte über die beschlagnahmte Villa nichtig seien, zu verhindern. Weiters hätte die Beschlagnahme den Zweck verfolgt, Viktor Zauner, der „dem damaligen Regime nicht genehm“ gewesen sei, zu zwingen, die Liegenschaft an die Reichsforstverwaltung zu veräußern, was sonst „niemals freiwillig“ geschehen wäre, 863 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Reichsstatthalter in Oberdonau, Reichsbauamt Linz, an den Reichstatthalter in Salzburg, Landesforstamt in Salzburg, 15. November 1940. 864 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Reichsforstmeister an das Landesforstamt Salzburg-Oberdonau, Schnellbrief vom 10. Dezember 1940. 865 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Kaufvertrag vom 21. Dezember 1940. 866 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Landesforstamt SalzburgOberdonau, Amtsvermerk Referat VI, 7. Februar 1942. 867 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Rosina Kurth, vertreten durch RA Hans Asamer, an die RK beim LGfZRS Linz, Rückstellungsantrag gegen das Deutsche Reich gem. dem Dritten Rückstellungsgesetz, GZ RK 94/52, 28. November 1952.
3.3. Fallbeispiele
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und zwar zu einem wesentlich niedrigeren und daher nicht angemessenen Kaufpreis von RM 63.000,--, als ihn der Apotheker Hrovath bezahlt hätte.868 Rosina Kurth beantragte neben der Rückstellung der Villa die Anmerkung der Einleitung des Rückstellungsverfahrens über die Liegenschaft EZ 37 KG Bad Ischl im Grundbuch.869 Die Finanzprokuratur informierte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste am 29. Dezember 1952 von diesem Rückstellungsantrag mit dem Ersuchen um Bekanntgabe, ob durch die etwaige Rückstellung Interessen der Österreichischen Bundesforste berührt seien und ob, falls dies zutreffen sollte, der Beitritt der Prokuratur zu diesem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin Deutsches Reich gemäß § 1 Abs. 3 ProkuraturG erwünscht sei.870 Zum Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich war pikanterweise der Bad Ischler RA Dr. Otto Kohn bestellt worden,871 seinerzeitiger Verfahrensgegner des Deutschen Reiches und damit indirekt auch der Österreichischen Bundesforste im Verfahren um die Rückstellung seiner ihm im Zuge der NS-Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden entzogenen Villa. Auf Ersuchen der Generaldirektion der Österreichischen Staatforste erging die Mitteilung seitens der Forstverwaltung Bad Ischl, dass aufgrund des „besonderen Interesses“ „aufs Schärfste gegen den Rückstellungsantrag Stellung zu nehmen“ sei, da im Falle einer Rückstellung „für die Forstverwaltung kein Gebäude zur Verfügung stehen würde“. Dabei wurde besonders hervorgehoben, dass es RA Kohn gelungen sei, herauszufinden, dass Viktor Zauner Mitglied des NSKK gewesen sei.872 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste gab dies in einem Schreiben vom 9. Jänner 1953 an die Finanzprokuratur weiter und lieferte die Munition dazu, um den Rückstellungsantrag erfolgreich zu bekämpfen. So hätte Viktor Zauner nicht erst wegen der Beschlagnahme der Villa, sondern schon vorher mit der Reichsforstverwaltung Kaufverhandlungen geführt. Außerdem sei die Eigentumsübertragung auf das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) in keinem Zusammenhang mit der NS-Machtübernahme gestanden, da die Beschlagnahme der Villa aufgrund des Reichsleistungsgesetzes erfolgt sei, aufgrund eines „allgemeinen Gesetzes“ ohne politischer Verfolgung, das „auch noch in der Republik Österreich in Geltung“ stehe. Auch habe die Reichsforstverwaltung den geforderten Kaufpreis 868 Ebda., S. 2f. 869 Ebda., S. 3. 870 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 29. Dezember 1952. 871 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Otto Kohn an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 30. Dezember 1952. 872 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Forstverwaltung Bad Ischl an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 5. Jänner 1953.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
abzüglich des einbehaltenen Inventars an Viktor Zauner ausbezahlt. Es liege daher keine Vermögensentziehung vor.873 Eine Abschrift dieses Schreibens erging mitsamt dem gesamten Ankaufsakt und den Gedächtnisprotokollen des mittlerweile verstorbenen Forstmeisters Patzak an Otto Kohn,874 der bereits vom BMF Informationen über den seinerzeitigen Kauf zwischen Alfred Wolfgang Wurzbach und Viktor Zauner erhalten hatte.875 So war es dem Abwesenheitskurator, dem erst am 13. Jänner 1953 sämtliche Unterlagen zugegangen waren, möglich, bereits am 14. Jänner 1953, daher innerhalb der von der Rückstellungskommission gesetzten Frist, die Gegenäußerung zu erstatten, indem er die von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vorgegebene Argumentationsgrundlage übernahm.876 Auch die Nominierung von Zeugen877 bzw. „über welche Umstände sie aussagen sollen“ wurde zwischen Otto Kohn und der Generaldirektion abgestimmt.878 In der Verhandlung vor der Rückstellungskommission am 26. Februar 1953 trat die Finanzprokuratur neben Otto Kohn, der schon vorher von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ersucht worden war, mit der Prokuratur enge Fühlung zu nehmen,879 dem Verfahren bei.880 Nachdem ein umfangreicher Beweisbeschluss gefasst worden war und in der Tagsatzung vom 10. April 1953 bereits zahlreiche Zeugen befragt worden waren, erreichte den Abwesenheitskurator Otto Kohn am 5. Mai 1953 ein Schreiben des Rechtsvertreters Rosina Kurths, Hans Asamer, das er zuvor zwecks Einleitung von Vergleichsverhandlungen angekündigt hatte. Asamer ging darin auf das wahre „Motiv, warum meine Klientin die Rückstellung der EZ 37 begehren muss“(!), ein. Demnach sei Rosina Kurth in keinster Weise an der Bauparzelle 54 und der darauf errichteten Villa interessiert, die wiederum für die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste von Interesse sei, sondern an den Gartenparzellen, die zur „Vergrößerung 873 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Finanzprokuratur, 9. Jänner 1953. 874 Ebda. 875 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Otto Kohn an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 30. Dezember 1952. 876 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Otto Kohn an die RK beim LGfZRS Linz, GZ RK 94/52, Gegenäußerung, 14. Jänner 1953. 877 ���������������������������������������������������������������������������������������������������� Es waren dies Oberforstmeister Dr. Rudolf Klein, Oberförster Josef Scheichl, Oberforstmeister DI Rudolf Kwisda, Oberforstmeister DI Dschulnigg, Oberforstmeister DI Franz Pasching sowie HR Lesser. 878 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Forstverwaltung Bad Ischl an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 14. Jänner und 21. Jänner 1953. 879 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Otto Kohn, 29. Jänner 1953. 880 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Otto Kohn an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 27. Februar 1953.
3.3. Fallbeispiele
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ihres weltbekannten Konditorei- und Kaffeehausbetriebes benötigt“ würden. Die bisher zur Verfügung stehenden Parzellen, die im Eigentum der Familie verblieben waren, würden in der Sommersaison nicht ausreichen, um die Gäste im Freien „klaglos“ bedienen zu können. Die Adaptierung der vom Rückstellungsantrag umfassten benachbarten Parzellen im „Vergleichswege“ würde nicht nur „im Interesse von Rosina Kurth, sondern auch im Interesse des Fremdenverkehrsortes Bad Ischl“ liegen. Bei so vielen Interessenslagen beeilte sich Asamer auch hinzuzufügen, dass „dieses öffentliche Interesse gegenüber denen der Forstdirektion an diesem Gartenteilstück“ überwiege.881 Wenig später übermittelte RA Asamer einen Vergleichsvorschlag, der eine Abtretung von 488 m² Gartenfläche gegen Zurückziehung des Rückstellungsantrages vorsah. Trotz dieser Vordergründigkeit des Rückstellungsantrages erscheint die Stellungnahme der Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 26. Mai 1953 mehr als defensiv, obwohl sie „die Chancen im Rückstellungsstreit“ als „günstig“ beurteilte: Da die Abtretung zu keiner wirtschaftlichen Entwertung der Stammliegenschaft führen würde, sei nur noch zu klären, „ob der Rückstellungswerberin die Rücknahme des Rückstellungsantrages gegen entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung des Trennstückes“ vorschwebe.882 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste sprach sich strikt gegen den Vergleich aus Gründen größter wirtschaftlicher Nachteile aus, da die Abtretung den Abriss des auf diesem Gartenstreifen errichteten hölzernen Garagen- und Holzlagergebäudes bedeutet hätte, für das auf der Liegenschaft kein anderer Platz mehr gewesen wäre. Das mit der Prüfung des Vergleichsvorschlags beauftragte BMF schloss sich dieser Meinung am 3. Juni 1953 an und die Finanzprokuratur machte eine Kehrtwende.883 Dabei fällt auf, dass die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste die Vorgabe der weiteren Vorgangsweise in diesem Verfahren gänzlich übernommen hatte. Fragen des „Deutschen Eigentums“ wurden überhaupt nicht erörtert. Sehr bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, dass dem Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich, Otto Kohn, die Ablehnung des Vergleichsvorschlags durch das BMF erst eine Woche später mitgeteilt wurde.884 Im September 1953 zeigte sich Rosina Kurth schon etwas kleinmütiger. Sie frage über 881 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Hans Asamer an RA Otto Kohn, 5. Mai 1953. 882 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 26. Mai 1953. 883 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 3. Juni 1953. 884 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Finanzprokuratur, 10. Juni 1953.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
ihren Rechtsanwalt Hans Asamer bei der Forstverwaltung an, ob die Abtretung eines kleineren Gartenstreifens gegen volle Bezahlung des Zeitwertes und Vergütung der den Österreichischen Bundesforsten erwachsenen Kosten für die Verlegung der Holzhütten möglich sei.885 Zu diesem Zeitpunkt begann auch der Reigen der Interventionen zugunsten der Konditorei Zauner: Den Anfang machte der Vorsitzende der „Ennskraftwerke AG“, DI Albert Hochleitner. Er brachte in seinem Schreiben an HR Hackermüller von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, in dem er davor warnte, „in einer verhältnismäßig kleinen Sache viel Staub aufzuwirbeln“, erneut die Interessensabwägung zugunsten des Fremdenverkehrsortes Bad Ischl ins Spiel und kritisierte die voreilige Ablehnung des Vergleichsvorschlages vor jeglicher Prüfung, ob das Rückstellungsbegehren überhaupt gerechtfertigt sei.886 Dann folgten die Honoratioren der Stadt Bad Ischl, die sich nun, ähnlich wie vor 13 Jahren für den Apotheker Hrovath, für Rosalie Kurth einsetzten: Im Schreiben des Kurdirektors von Bad Ischl, das dieser zur Vorlage an den Ehemann von Rosina Kurth, Richard Kurth, richtete, in dem in hochtrabenden Worten das „weitverbreitete Renommee“ der Konditorei und „der Begriff des Weltkurortes Bad Ischl“ beschrieben wurden, war bezeichnenderweise nur mehr vom „Ansuchen“ der Abtretung des Teilgrundstücks die Rede, welches „mit größtem Interesse befürwortet“ wurde.887 Der Bürgermeister von Bad Ischl, der zugleich die Funktion des Vizepräsidenten des Fremdenverkehrsverbands bekleidete, verwies wiederum auf den „nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Faktor für das gesamte Salzkammergut“, der mit der Vergrößerung der berühmten Konditorei, die „seit ihrer Gründung im Jahre 1832 ein Inbegriff im In- und Ausland“ geworden sei, im Zusammenhang stehe und ersuchte die Österreichischen Bundesforste „höflich“ um die Abtretung des Grundstücks. Als sanfte Warnung fügte der Bürgermeister hinzu, dass die Stadtgemeinde Bad Ischl „alle in Betracht kommenden Stellen“ ersucht habe, „alles dran zu setzen, daß das Ansuchen der Firma Zauner positiv erledigt“ werde.888 Vor allem die Intervention des Bürgermeisters dürfte ausschlaggebend für einen persönlichen Lokalaugenschein durch Generaldirektor Preindl im Dezember/Jänner 1954 gewesen
885 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Aktenvermerk vom 11. September 1953. 886 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Vorsitzende des Vorstandes der Ennskraftwerke AG, DI Albert Hochleitner, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Hackermüller, 14. September 1953. 887 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Kurverwaltung Bad Ischl, Der Kurdirektor, an Richard Kurth, 18. Oktober 1953. 888 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Bad Ischl an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 22. Oktober 1953.
3.3. Fallbeispiele
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sein. Auffallend ist, dass Preindl in seinem Schreiben an die Stadtgemeinde Bad Ischl vom 6. Jänner 1954 neben dem „unentbehrlichen Eigenbedarf“ der Bundesforste an den Gartenparzellen damit argumentierte, dass diese „wenig fremdenverkehrsfördernd“ seien, der Betrieb in ein „unschönes Milieu gezwängt werden“ würde und bereits ein „renommierter Caféhausgarten auf der Esplanade existiere“.889 In dem Wissen eines starken Rückhalts richtete der vom Bürgermeister von Bad Ischl informierte Richard Kurth am 25. Februar 1954 ein persönliches Schreiben an Generaldirektor Preindl, eine Mischung aus flehentlichem Bitten, einem ehrlichen Gewerbetreibenden, „der keine Kosten scheut, um dem Ort eine Attraktion zu verschaffen“, zu helfen und unverhohlenen Drohungen, einen Nachbarschaftskrieg unter Ausnutzung „jeglicher baupolizeilicher Vorschriften“ zu beginnen.890 Im Mai 1954 versuchte diesmal der Rechtsvertreter von Rosina Kurth, Hans Asamer, an die Generaldirektion wegen Vergleichsverhandlungen heranzutreten und ließ eine Verhandlung vor der Rückstellungskommission anberaumen. Hierbei stellte er erstmals in Aussicht, den Rückstellungsantrag im Falle des Scheiterns eines Vergleichs zurückzuziehen. Die Finanzprokuratur blieb im Gegensatz zur Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste weiter nachgiebig, wenn sie sich auch aufgrund der „günstigen Lage“ des Rückstellungsverfahrens für eine allfällige entgeltliche Überlassung der Gartenparzellen aussprach.891 Schließlich fuhr das Ehepaar Kurth mit dem scheinbar schwersten Geschütz gegen die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste auf. Die Forstverwaltung Bad Ischl leitete am 4. November 1954 ein Schreiben des oberösterreichischen Landeshauptmanns Heinrich Gleißner an die Generaldirektion weiter, in dem dieser jedoch nur über die „Bitte“ berichtete, mit der die Inhaber der Konditorei Zauner an ihn herangetreten wären und letztlich nur um Mitteilung ersuchte.892 Nachdem ein letzter Versuch Hans Asamers fehlgeschlagen war, den Grundstreifen zu pachten,893 zog Rosina Kurth am 9. Juli 1955 den Rückstellungsantrag zurück.894 889 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Preindl, an die Stadtgemeinde Bad Ischl, 6. Jänner 1954. 890 �������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Richard Kurth an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Preindl, 25. Februar 1954. 891 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 19. Mai 1954. 892 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Forstverwaltung Bad Ischl an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 4. November 1954. 893 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, RA Hans Asamer an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 11. Jänner 1955. 894 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 953 117 30, Villa Dietrichstein Bad Ischl, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 11. Juli 1955.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Dieses Fallbeispiel zeigt auf, wie unbegründet scheinbar plausible Rückstellungsanträge nach einer Gesamtbeurteilung sein konnten und wie leicht diese Form von Anträgen missbraucht werden konnte, um wirtschaftlichen oder den in diesem Fall so strapazierten „öffentlichen“ Interessen zu dienen, die mit einer Vermögensentziehung nichts zu tun hatten. Angesichts der in vielen Fällen jahrelangen letztlich oft aussichtslosen Bemühungen von durch das NS-Regime Geschädigten, wieder in ihre Rechte eingesetzt zu werden, mag die Vordergründigkeit und Ungeniertheit, mit der dieses Begehren samt allen Interventionen betrieben wurde, verblüffen, sie geben jedoch den damaligen Umgang mit dem als „Rückstellungsproblematik“ apostrophierten Thema Restitution glänzend wieder. Die in der Datenbank von Dr. Gottfried Hamböck offengebliebene Frage, wer Antragsteller im Rückstellungsverfahren gewesen ist, dessen Einleitung im Grundbuch vermerkt wurde, scheint somit geklärt. Außer Rosina Kurth hat niemand vor Ablauf der letzten Frist nach den Rückstellungsgesetzen einen Rückstellungsantrag eingebracht. Ein vorhergehendes Rückstellungsverfahren wäre im Verfahren Rosina Kurth gegen das Deutsche Reich von so entscheidender formeller wie materieller Bedeutung gewesen, dass es in den Akten von 1952 bis 1955 seinen Niederschlag hätte finden müssen. Die Aktivitäten, welche die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste in den Rückstellungsverfahren, ohne dass ihnen eine Parteistellung zugekommen wäre, an den Tag legten, lassen sich am besten anhand des § 43 Abs. 2 des Behördenüberleitungsgesetzes und seiner Auslegung durch die Generaldirektion veranschaulichen. Nach dieser Bestimmung übernahm der wiedererrichtete Wirtschaftskörper „Österreichische Bundesforste“ „für den Bereich der Bundesforste auch die Geschäfte des bisherigen Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“, einer nur schwer als Behörde zu bezeichnenden Stelle, der außer Kontrollfunktionen bei der Bewertung und Preisgestaltung von Liegenschaften wenig bis gar keine Kompetenzen zukam. Bei aller Problematik des Rückstellungsantrags in diesem Fall, so lag doch ein solcher vor und die Generaldirektion hat aufgrund ihrer eigenen Interessenslage – im Falle einer Rückstellung wäre kein Gebäude mehr für die Forstverwaltung zur Verfügung gestanden – und unter völliger Außerachtlassung des Umstandes, dass es sich dabei um „Deutsches Eigentum“ gehandelt hatte, massiv in das Geschehen eingegriffen. Ihre Rolle ist daher kaum als neutral zu bezeichnen, sondern eher in einer gefährlichen Grenzlage zu einer Rechtsnachfolge nach der Reichsforstverwaltung anzusiedeln. Das begann mit der Anfrage der Finanzprokuratur, ob ihre Intervention auf Seiten der Antragsgegnerin Deutsches Reich im Rückstellungsverfahren von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste erwünscht sei und setzte sich mit der Interpretation des historischen Sachverhalts fort. Die auf diese Weise vorgegebenen Argumentationsgrundlagen brauchte der
3.3. Fallbeispiele
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Abwesenheitskurator für das Deutsche Reich nur mehr zu übernehmen. Massiven Einfluss nahm die Generaldirektion schließlich auf den Ausgang des Verfahrens, indem sie sich gegenüber einer erstaunlich defensiven Finanzprokuratur durchsetzte und sich strikt gegen die Annahme jeglicher Vergleichsvorschläge aussprach, wobei es als bezeichnend anzusehen ist, dass dem Abwesenheitskurator die Ablehnung eines Vergleichsvorschlags erst eine Woche später mitgeteilt wurde, bis Rosina Kurth den Rückstellungsantrag zurückzog. Dieser Fall ist beispielgebend für viele andere, geht es bei der Beurteilung des Verhaltens der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste in Rückstellungsverfahren eben nicht darum, wie begründet oder unbegründet der Rückstellungsantrag war. Es bleibt letztendlich die entscheidende Frage zu klären, ob der erste Ankauf der Villa durch Viktor Zauner am 25. Juli 1939 als Vermögensentziehung zu beurteilen ist, womit infolge der Nichtigkeit dieses Kaufvertrags auch alle weiteren Rechtsgeschäfte, daher auch die Eigentumsübertragung von Viktor Zauner auf die Reichsforstverwaltung, davon betroffen wären. Eigentümer der Villa Dietrichstein, die im Aktenkonvolut auch als „Villa Wurzbach“ bezeichnet wird, war am 13. März 1938 laut Grundbuch Prof. HR Alfred Wolfgang Wurzbach. Bei Prof. HR Alfred Wolfgang Wurzbach handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den 1879 geborenen und 1957 verstorbenen Enkel des bekannten Lexikografen und Schriftstellers Constant Ritter von Wurzbach-Tannenberg (1818–1893), Verfasser des 60-bändigen „Biographischen Lexikons des Kaisertums Österreich“.895 Dessen Sohn, Alfred von Wurzbach Ritter von Tannenberg (1846–1915), Vater von Prof. HR Alfred Wolfgang Wurzbach, war Kunsthistoriker und Schriftsteller.896 Alfred Wolfgang Wurzbach wurde am 3. Juni 1879 in Wien geboren und schloss 1902 sein Studium der Romanistik an der Universität Wien mit dem akademischen Grad Dr. phil. ab. Seit 1907 Privatdozent, habilitierte er sich 1907 ebenfalls an der Universität Wien und lehrte ab 1922 als ao. Universitätsprofessor für romanische Philologie. Am 13. März 1938 war Alfred Wolfgang Wurzbach in Wien 1, Bösendorferstraße 2, wohnhaft.897 Ein erster Hinweis auf eine mögliche politische Verfolgung Alfred Wolfgang Wurzbachs findet sich in einem Aufsatz über das Institut für Romanistik im Zusammenhang mit den von den Nationalsozialisten als Jüdinnen verfolgten und ermordeten Schwestern Elise und Helene Richter. Es findet sich die Anmerkung, dass „Alfred Wolfgang von 895 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Siehe dazu Elisabeth Lebensaft / Hubert Reitterer, Wurzbach Aspekte, Sonderabdruck aus Wiener Geschichtsblätter 47 (1992), Heft 1, http://www.oeaw.ac.at/oebl/service/wurzbach.pdf. 896 http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.w/w988372.htm. 897 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ Mit Dank an Prof. Hubert Reitterer, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Datenbank und Materialiensammlung, für zahlreiche Hinweise.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Wurzbach 1938 vom Institut entfernt“ wurde und „1945 für genau fünf Jahre als ordentlicher Professor an sein angestammtes Institut zurückkehrte“.898 In einem anlässlich seines 75. Geburtstags von Univ.-Doz. Johann Sofer verfassten Zeitungsartikel ist von einer „Pensionierung“ im Jahre 1938 die Rede.899 In einem Nachruf im „Neuen Österreich“ vom 27. Februar 1957 auf den am 10. Februar 1957 Verstorbenen finden sich konkretere Hinweise: Der Artikel beginnt mit einem Zitat aus dem Testament Alfred Wolfgang Wurzbachs: „Da ich in meinem Leben und speziell in meinem akademischen Berufe den Unwert, die Undankbarkeit, Feindseligkeit, den Neid und die gemeine Gesinnung der Menschen nur leider zu gut kennengelernt habe, ist es mein Wunsch, den größten Teil der in meinem Eigentume befindlichen Vermögenswerte unseren besseren … Zeitgenossen, den Tieren, zugute kommen zu lassen. Ich ernenne daher zu meinem Universalerben den Wiener Tierschutzverein.“ Und weiter: „Wurzbachs Erbitterung war so groß, dass er in seinem Testament sogar bestimmte, dass ,eine offizielle Teilnahme der Universität an seiner Beerdigung zu unterbleiben habe‘.“ An einer anderen Stelle berichtete die Zeitung, was ihn dazu veranlasst hätte, „über seine Behandlung als akademischer Lehrer zu klagen“ und über die Gründe der „maßlosen Verbitterung“, welche „nur einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt“ geworden wären: „Es scheint jedoch, dass Wurzbach manche Zurücksetzung erfahren hat, weil sich in seiner Vorfahrenreihe ein ,nichtarisches‘ Familienmitglied fand. Er durfte von 1938 bis 1945 seine Lehrtätigkeit nicht ausüben.“900 Da Alfred Wolfgang Wurzbach mit einem Berufsverbot belegt worden ist, daher mit einer Verfolgungshandlung im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich, ist nicht auszuschließen, dass es sich beim Verkauf seiner Villa in Bad Ischl an Viktor Zauner um einen sogenannten Notverkauf gehandelt hat, der zur Abdeckung der Vermögensverluste infolge des Berufsverbots gedient hatte und ohne die Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht durchgeführt worden wäre. In den Archiven konnten jedoch keine Materialien gefunden werden, die eine Entziehung der Villa eindeutig belegen. Im Archiv der Universität Wien befindet sich im Personalakt von a.o. Prof. HR Alfred Wolfgang Wurzbach als einziger Hinweis auf das Berufsverbot ein Schreiben des Ministeriums für inneres und kulturelle Angelegenheiten vom 6. Juli 1938, in dem ihm 898 ������������������������������������������������������������������������������������������������ Thierry Elsen, Runde Jubiläen an der Wiener Romanistik. … 0/ … /5 oder die Magie von „runden Geburtstagen“, Elise und Helene Richter. Wissenschafterinnen. Jüdinnen. Wienerinnen. Weblog, Samstag, 9. April 2005, http://richter.twoday.net/stories/617337/. 899 Institut Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Datenbank und Materialiensammlung, Diverse Zeitungsartikel aus der Sammlung H. Mück (erhalten 1986) ohne Angabe der Titel und Daten, hier: Univ.-Doz. Dr. Johann Sofer, Hofrat Wurzbach – 75 Jahre, 3. Juni 1954. 900 Institut Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Datenbank und Materialiensammlung, Der Tierschutzverein beerbt einen Gelehrten, in: Neues Österreich vom 27. Februar 1957.
3.3. Fallbeispiele
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mitgeteilt wurde, dass er rückwirkend mit dem 1. Juni 1938 in den „zeitlichen Ruhestand“ versetzt worden war. Das Schreiben, das sich auf einen Ministerialerlass stützte, gab als rechtliche Grundlage die am 1. Juni in Kraft getretene „Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums“ vom 31. Mai 1938901 als Rechtsgrundlage an. Demnach waren „Jüdische Beamte, Beamte, die jüdische Mischlinge sind, und Beamte, die mit einer Jüdin (einem Juden) oder mit einem Mischling ersten Grades verheiratet sind“, abgesehen von einigen Ausnahmen, „in den Ruhestand zu versetzen“ (Mussbestimmung, § 3 Abs. 1). Genauso konnten „Beamte, die nach ihrem bisherigen politischen Verhalten nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten, … in den Ruhestand versetzt werden“ (Kannbestimmung, § 4 Abs. 1). Die Höhe des Ruhegenusses war davon abhängig, ob die Versetzung in den Ruhestand aus rassistischen oder aus politischen Gründen erfolgte. Da aus dem Schreiben an Prof. Wurzbach nicht hervorgeht, aufgrund welcher genauen Bestimmung er in den Ruhestand versetzt wurde, lässt sich anhand des Personalakts nicht mehr feststellen, wie hoch sein Ruhegenuss war, dessen Bemessung überdies keine Angelegenheit der Universität gewesen ist. Diesbezügliche Akten sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im heutigen Allgemeinen Verwaltungsarchiv nicht mehr vorhanden.902 Auch gilt als gesichert, dass Alfred Wolfgang Wurzbach keinen Rückstellungsantrag bezüglich seiner Villa eingebracht hat, was die Beurteilung einer Entziehung sehr erschwert. Der Nachlass Wurzbachs kann keine Aufschlüsse mehr liefern. Wurzbach verfügte in seinem Testament: „Mein gesamter handschriftlicher Nachlass, meine gesamten Vorlesungs- und Vortragskonzepte, meine gesamte geschäftliche und schriftstellerische sowie meine gesamte Privatkorrespondenz sind zu vernichten.“903
901 GBlfdLÖ. Nr. 160/1938. 902 Auskunft des Archivs der Universität Wien, November 2007. 903 Ebda.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
3.3.6. Kulturverein Tragöß Wald- oder Forstgut Tragöß:
Gesamtausmaß: Eigentümer am 13. März 1938: Eigentumsübertragung auf:
Verwaltung nach 1945: Vermögensentziehung:
EZ 1595 und 1614 Steiermärkische Landtafel (Ger. Bez. Graz); EZ 35, 36, 38 KG Hafning, EZ 11, 25, 32, 38, 39, 40 KG Rötz; EZ 39, 67, 87, 97 KG Vordernberg (Ger. Bez. Leoben); EZ 19, 27, 35 KG Sonnberg, EZ 6, 22, 23, 24, 25, 29, 30, 31, 33, 38, 41, 43, 51, 53, 58 KG Oberort, EZ 15, 16, 17, 26, 27, 29, 32, 34, 35, 37, 39, 41, 45, 54, 65, 66, 69, 70, 72, 88, 91, 97 KG Schattenberg, (Ger. Bez. Bruck a. d. Mur); und die Eigentumsanteile 10/24 EZ 55, 18/35 EZ 58, 3/11 EZ 61 KG Schattenberg; 2/10 EZ 50, 18/35 EZ 49 KG Oberort; 1/8 EZ 39 KG Sonnberg 10,038.8784 ha Kulturverein Tragöß Deutsches Reich (Reichsforstverwaltung) Auflösung des Kulturvereins Tragöß aufgrund des Gesetzes vom 14. Mai 1938, GBlfdLÖ Nr. 136, mit Bescheid des „Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände“, GZ IV A R He/E 16F, und Einweisung des Wald- oder Forstgutes in das Eigentum des Deutschen Reiches, Reichsforstverwaltung, vertreten durch den Reichsforstmeister Berlin Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Forsttechnische Abteilung RS-Antrag nach dem Ersten RStG, Rückstellung des Wald- oder Forstgutes Tragöß an den Kulturverein Tragöß mit RS-Bescheid der FLD für Steiermark in Graz, GZ 334/4-V–47, vom 6. Juli 1947
3.3. Fallbeispiele
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Das Vermögen des Kulturvereines Tragöß wurde bereits am 18. März 1938 beschlagnahmt.904 Diese Beschlagnahme dürfte sich auf die „Zweite Verordnung zum Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ begründet haben, welche in § 1 den „Reichsführer SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren“ unter Einräumung des breitesten Ermessenspielraums ermächtigte, „die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung notwendigen Maßnahmen auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen“ zu treffen.905 Das Vorgehen gegen den Kulturverein stand im Zusammenhang mit der über Auftrag des Ortsgruppenleiters der NSDAP Bruck an der Mur durchgeführten Verhaftung des Obmanns, Superior Pater Optatus Pfäfflin, am 18. März 1938, dem vorgeworfen wurde, der Regierung Schuschnigg eine sogenannte „Geiselliste von Tragöß“, auf der sich die Namen der illegalen NSDAP-Mitglieder befunden haben sollen, übermittelt zu haben.906 Über Anordnung des „Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände“, der am 18. März 1938 vom „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, Josef Bürckel, ernannt und ihm direkt unterstellt worden war und dessen Aufgabe „die Neuregelung des Vereinswesens in Österreich im Sinne der nationalsozialistischen Interessen und Ideologie“ war,907 wurde Forstrat Ing. Peletter zum kommissarischen Verwalter des Vereins bestellt.908 Diese Vorgänge werfen ein Licht auf die Entstehungsgeschichte des Kulturvereines Tragöß. Der Verein wurde im Jahre 1927 gegründet und verstand sich als kirchenrechtliche Niederlassung (Anm. „domus non formata“) der oberbayrischen Erzabtei St. Ottilien, einer Kongregation des Benediktinerordens, die sich ausschließlich mit auswärtigen
904 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, RA Dr. Ludwig Pramer an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 5. Februar 1940. 905 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Zweite Verordnung zum Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 18. März 1938 bekannt gemacht wird, GBlfdLÖ. Nr. 37/1938. 906 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, Pater Optatus Pfäfflin an den „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, Gauleiter Josef Bürckel, 14. September 1938. 907 Zum „Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände“, siehe Verena Pawlowsky, Edith Leisch-Prost, Christian Klösch, Vereine im Nationalsozialismus. Vermögensentzug durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände und Aspekte der Restitution in Österreich nach 1945, Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Wien / München 2004. 908 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, Pater Optatus Pfäfflin an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, Gauleiter Josef Bürckel, 14. September 1938.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Missionen befasst.909 Die Verknüpfung der benediktinischen Lebensweise mit der Missionstätigkeit, welche die 1884 gegründete Erzabtei bis auf den heutigen Tag verfolgt910, findet sich auch in § 3 der am 19. Jänner 1931 beim Magistrat der Stadt Wien geänderten Satzungen des nunmehr auf den Namen „Kulturverein Tragöß“ lautenden Vereins. Am 6. September 1938 richtete die „Niederlassung der Missions-Benediktiner Steiermark“ ein Schreiben an die für die weitere Vorgehensweise höchste zuständige Stelle, an Stillhaltekommissar Albert Hofmann persönlich, um gegen die durch das Gesetz vom 14. Mai 1938911 möglich gewordene Auflösung des Vereins zu intervenieren. Die Mönche versuchten Hofmann zu überzeugen, dass es sich hierbei um keinen „Kulturverein“, sondern um eine Ordensniederlassung handle. So sei die Rechtsform des Vereins bei der Gründung 1927 nur auf Empfehlung österreichischer Juristen gewählt worden, da sich die in Deutschland übliche Genossenschaftsform für eine derartige geistliche Einrichtung nicht geeignet hätte. So ganz konnten die Verfasser des Schreibens aber nicht verhehlen, dass es sich bei dem „Kulturverein“ um eine mit der „Hilfe von Gönnern und Freunden“ ermöglichte „Zweckgründung“ gehandelt habe. Diese habe in erster Linie dazu gedient, um nach den Krisenjahren und der „Sorge um die wirtschaftlichen Grundlagen der Missionstätigkeit“ das Herrschaftsgebiet Vordernberg-Tragöß, welches von einem „angeblichen Fachmann“ auf öS 17 Mio. geschätzt worden wäre, von dem früheren Eigentümer Rudolf von Leutzendorf um öS 6 Mio. zu erwerben und zu bewirtschaften. Dass es sich bei dem Kulturverein Tragöß aber trotzdem um eine Ordensniederlassung und keinen Verein handle, gehe nicht nur aus dem Schematismus der Diözese Seckau hervor, sondern ergebe sich schon allein aufgrund der Struktur und der Tatsache, dass der Erzabt von St. Ottilien „bis zur Entstehung der österreichisch-deutschen Spannungen im Jahre 1933/34“ stets der „Präsident des Kulturvereines“ gewesen sei und auch danach mit der Verwaltung und Führung der Geschäfte des Vereins nur dem Stift angehörige Mönche betraut worden wären. Da diese somit als Angehörige des Benediktinerordens an die Erzabtei St. Ottilien „gebunden“ seien, „dieser in disziplinarischer Hinsicht unterstehen und rein katholische Ordensleute“ seien, wäre diese „kirchliche Einrichtung“ wie alle anderen von den Maßnahmen des Stillhaltekommissars, wie dies im Gesetz „ausdrücklich“ vorgesehen sei, ausgenommen.912 909 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, Niederlassung der Missions-Benediktiner Steiermark an den „Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände“, Albert Hofmann, 6. September 1938. 910 http://www.erzabtei.de/html/ottgesch.htm und http://www.missionsbenediktiner.de/html/index1.htm. 911 Gesetz über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden, GBlfdLÖ Nr. 136. 912 ������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, Niederlassung der Missions-Be-
3.3. Fallbeispiele
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Die Rettungsversuche des Ordens waren nicht ganz frei von Anbiederungen an die neuen Machthaber. So betonten die Verfasser des Schreibens an Stillhaltekommissar Hofmann mehrmals, dass die Gründung von St. Ottilien 1884 auf Wunsch der damaligen Reichsregierung erfolgt sei, um in den neuen Kolonialgebieten von Deutsch-Ostafrika die dort befindlichen französischen Missionare abzulösen: Dadurch sei „jede Missionsstation in dem kleinsten Negerdorf neben dem Ziel der Gewinnung der Heiden für die christliche Religion zugleich auch eine lebende Zelle deutscher Propaganda und eine Insel deutschen Wesens“ geworden. Die Wichtigkeit der Ordensbemühungen lägen nun darin, „die uns durch den Versailler Vertrag geraubten Kolonialgebiete, wenigstens in Ostafrika, für die deutsche Mission zu erhalten“. Schließlich forderte der am 29. März 1938 wieder aus der Haft entlassene „Superior der Missionsbenediktiner“, Pater Optatus Pfäfflin, in einem Schreiben an Reichskommissar Bürckel vom 14. September 1938, ihm aufgrund der gegen ihn verbreiteten „infamen Lügen und Verleumdungen“ einen „Preis von RM 50,--“ zuzuerkennen. In dem Schreiben, das sich wie ein historischer Abriss der deutschen und österreichischen Zwischenkriegszeit liest, berichtete Pfäfflin über die Zusammenarbeit des Ordens mit den Freikorps während der Münchner Räterepublik, das Anlegen eines versteckten „Geschützparks“ unter Leitung von Ritter von Epp zur Verhinderung der „geforderten vollständigen Abrüstung Deutschlands“ und seine eigene Tätigkeit als militärischer Ausbildner von Klerikern gegen die „marxistische Gefahr“. Diese „besondere nationale Haltung“ der Erzabtei sei nicht zuletzt auch von Heinrich Himmler in seiner Funktion als Präsident der Polizeidirektion München gelobt worden. In Österreich hätten die Räumlichkeiten der Niederlassung in Tragöß nach dem Zusammenbruch des „Pfriemer-Putsches“ erneut als Waffenverstecke der ansässigen Ortsgruppe des steirischen Heimatschutzes gedient. Besonders hob Pfäfflin jedoch seine Tätigkeit in der „Verbotszeit“ hervor. So hätte er sich für die Freilassung der wegen der Teilnahme am Juli-Putsch 1934 verhafteten Förster des Kulturvereines Tragöß eingesetzt und sie gegen alle „behördliche Schikanen“ wieder eingestellt. Für mehrere Forstarbeiter des Vereins, die wegen NS-Bestätigung vor Gericht standen, hätte sich dieser um den Rechtsbeistand gekümmert. Interventionen seien bis zum Landeshauptmann gegangen. Bald sei der Kulturverein zu einem Zufluchtsort aller illegalen NSDAP-Mitglieder der Umgebung geworden. Sprengstoffe, mit denen Anschläge geplant worden seien, seien bei ihm, Pfäfflin, abgegeben worden. All seine Angaben würden sich durch Zeugeneinvernahmen und den Schriftwechsel mit den Ämtern und Behörden beweisen lassen. nediktiner Steiermark an den „Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände“, Albert Hofmann, 6. September 1938.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Hinter den Anschuldigungen gegen seine Person vermutete Pfäfflin aufgrund der Vorgeschichte eine „Racheaktion“, um ihn von der Leitung „der Niederlassung unseres Klosters zu entfernen“ und er konnte Bürckel auch gleich „zwei Verdächtige“ präsentieren: Den NSDAP-Ortsgruppenleiter Tragöß-Oberort, der „zuerst der marxistischen, dann der christlichsozialen Partei angehört“ habe sowie den nunmehrigen kommissarischen Verwalter, Forstrat Ing. Peletter, der wiederholt mit einem „jüdischen Holzhändler“ gegen den Verein konspiriert habe.913 Doch sämtliche Interventionen fruchteten nichts: Der Kulturverein Tragöß wurde mit Bescheid des „Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände“ (Abwicklungsstelle) im Stab des „Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 10. August 1939914 aufgrund des Gesetzes vom 14. Mai 1938915 aufgelöst. Gleichzeitig wurde bestimmt, dass das Vermögen dieses Vereins, und damit das Wald- oder Forstgut Tragöß, in das Deutsche Reich, vertreten durch den Reichsforstmeister in Berlin, eingewiesen werde. Das gesamte Eigentum des aufgelösten Vereins ging rückwirkend mit dem 29. Juni 1939 über.916 Aus der vom Stillhaltekommissar erstellten Vermögensbilanz nach dem Stand vom 31. März 1938 geht hervor, dass der Kulturverein Tragöß Zahlungsmittel (Kassenbestand, Postsparkasseneinlagen sowie Bank- und Sparkassenguthaben) in der Höhe von RM 46.018,96 aufzuweisen hatte. Die Liegenschaften waren mit RM 2,800.000,-- bewertet worden. Dem standen Steuerrückstände und sonstige Schulden in der Höhe von RM 196.465,03 gegenüber. Außerdem haftete aufgrund einer Schuld- und Pfandurkunde vom 19. und 23. Dezember 1930 eine Hypothek der „Schweizerischen Spar & Kreditbank“ in St. Gallen in der Höhe von Sfr. 2,200.000,-- zum damaligen Umrechnungskurs von RM 1,450.000,-- auf den Liegenschaften.917 Die Vermögensübersicht wurde gemeinsam mit der von Gauleiter Bürckel als „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ unterzeichneten Überführungsbestätigung, wonach für die Einweisung des Vermögens eine einmalige Verwaltungsgebühr in Höhe von RM 50.000,-- zu entrichten war, an den Reichsforstmeister in Berlin weitergeleitet.918 913 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, Superior Pater Optatus Pfäfflin an den „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, Josef Bürckel, 14. September 1938. 914 GZ IV A R He/E.–16F. 915 GBlfdLÖ Nr. 136. 916 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, Bescheid des „Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände“ vom 10. August 1939. 917 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, Vermögensbilanz des Kulturvereines Tragöß per 31. März 1938. 918 �������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, Überführungsbestätigung des Vermögens des Kulturvereines Tragöß, 29. Juni 1939.
3.3. Fallbeispiele
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Ein letztes Mal bäumte sich der Orden gegen die Einweisung des Vermögens in das Deutsche Reich auf. Unter Berufung auf die Satzungen des „Kulturvereines Tragöß“, wonach dem Verein „zur Errichtung RM 3,5 Mio. zu Gebote“ standen, machte die Erzabtei St. Ottilien geltend, dass dieser Vermögenswert eine Verbindlichkeit des Kulturvereines gegenüber dem Orden darstelle, die vom Deutschen Reich mit übernommen worden wäre.919 In einem Bericht des Grazer Wirtschaftsprüfers Hans Leyrer, den der Stillhaltekommissar in Auftrag gegeben hatte und der den Status des Kulturvereins per 31. Juli 1938 wiedergeben sollte, wurde dies natürlich entschieden in Abrede gestellt. Obwohl in der Eröffnungsbilanz des Vereins „Schulden an das Stift St. Ottilien“ in Höhe von öS 5,915.000,-- aufschienen, was exakt jenem Betrag über RM 3,5 Mio. entsprach, versuchte Leyrer den Nachweis für zwei selbständige Strukturen zu erbringen. Er behauptete einerseits, dass „der Verein nur zum Zwecke der Tarnung des Besitzes des Stiftes St. Ottilien gegründet“ worden sei, „weil das Stift vermutlich nicht selbst als Waldspekulant auftreten wollte“. Andererseits sei eine „geschenkweise Überlassung“ des Betrags durch die Erzabtei anzunehmen, weil Fremdkapital in den Satzungen ebensowenig Erwähnung gefunden hätte, wie eine hypothekarische Sicherstellung auf den Liegenschaften stattgefunden hätte. Weniger erfolgreich, weil völlig unrealistisch, erwies sich der Versuch Leyrers, mit derselben Vorgangsweise das Schweizer Hypothekardarlehen in Höhe von Sfr 2,200.000,-wegzudiskutieren. Mit einigen Konjunktiven versehen, ging der Bericht von der Annahme aus, dass sich die Erzabtei die dem Verein „geschenkweise überlassenen Geldmittel im Kreditwege“ hätte besorgen müssen und „um aus der Klemme gegenüber den Gläubigern herauszukommen“, „die unbelasteten Grundstücke des Vereines zu Sicherstellung herangezogen“ hätte. Aus den Eintragungen in den Grundbüchern könne daher nicht gefolgert werden, „daß nun der Verein für das geschenkweise zur Verfügung gestellte Eigenkapital plötzlich Schuldnerin“ geworden sei, sie könne vielmehr „nur so verstanden werden, dass der Verein hierfür gleichsam die Ausfallshaftung übernahm“: „Bei einer Auseinandersetzung müsste somit St. Ottilien dem Verein oder dessen Rechtsnachfolger die Zahlung für diese Hypothek ersetzen“.920 Aufgrund der „rechtskräftigen“ Einweisung bestimmte der Stillhaltekommissar mit Bescheid für jede Liegenschaft einzeln, dass das Eigentumsrecht für das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) einzuverleiben sei, die Intabulation erfolgte dann mit Beschluss 919 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, RA Dr. Ludwig Pramer an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, 5. Februar 1940. 920 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 938 6054 13 66, Waldgut Tragöß, „Bericht des Wirtschaftsprüfers Hans Leyrer, Graz, im Auftrage des Stillhaltekommissärs des Gaues Steiermark wegen Aufstellung eines Status beim Kulturverein Tragöß, per 31. Juli 1938“, S. 3f.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
des jeweiligen Bezirksgerichts.921 Die auf diese Weise in das Eigentum des Deutschen Reiches (Reichsforstverwaltung) übergegangenen Liegenschaften des aufgelösten Kulturvereines Tragöß wurden bis 8. Mai 1945 vom Landesforstamt Graz verwaltet. Die vor 1938 bestehende Einteilung in die Försterbezirke Jassing, Oberort, Unterort, Rötz und Vordernberg wurde beibehalten.922 Bereits im Zuge der Einweisung des Vermögens des Kulturvereines Tragöß war das Darlehen der „Schweizerischen Spar & Kreditbank“ auf Veranlassung des Beauftragten des Stillhaltekommissars in Graz entgegen den Ausführungen im Bericht Leyrer in verschiedenen Teilbeträgen an das Bankinstitut zurückbezahlt worden.923 Daraufhin stellten die Direktoren der Schweizer Bank am 28. Jänner 1939 eine Löschungsquittung aus, in der sie die Bewilligung erteilten, dass das eingetragene Simultan-Pfandrecht über Sfr 2,200.000,-- auf sämtlichen Liegenschaften des ehemaligen Kulturvereines Tragöß gelöscht werde.924 Aufgrund der fehlenden Genehmigung der Devisenstelle wies das Amtsgericht Graz den Antrag der Reichsforstverwaltung jedoch ab, die Löschung durchzuführen, sodass der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Wien“, Ing. Julius Güde, erst am 4. März 1941 das Einvernehmen mit der Devisenstelle Wien herstellen konnte, welche die Genehmigung mit Wirkung vom 14. März 1941 erteilte.925 Nach 1945 ist es dem Kulturverein Tragöß sehr schnell gelungen, seine Rechtspersönlichkeit wiederherzustellen.926 Am 12. Februar und 8. April 1947 brachte der Kulturverein durch seinen Wiener Bevollmächtigten, Ing. Michael Derfler, einen Rückstellungsantrag nach dem Ersten Rückstellungsgesetz bezüglich der mit Bescheid des Stillhaltekommissars vom 10. August 1939 eingezogenen Liegenschaften bei der Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz ein.927 Diese wandte sich am 23. April 1947 schriftlich an die 921 ������������������������������������������������������������������������������������������������ Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, Bescheid des Stillhaltekommissars vom 30. November 1939, GZ IV Ab/16 F/7, über die Einverleibung der Liegenschaft EZ 97 KG Vordernberg und Beschluss des Amtsgerichts Leoben vom 29. April 1940. 922 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13103 30, Waldgut Tragöß, Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz, Rückstellungsbescheid vom 6. Juni 1947, Zl. 334/4-V–47, S. 2. 923 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Wien“, Güde, an die Devisenstelle Wien, 4. März 1941. 924 Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, Löschungsquittung der „Schweizerischen Spar- & Kreditbank“, St. Gallen, 28. Jänner 1939. 925 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Archiv der ÖBF, Urkundensammlung, UB RF_Gen.Ref., Zl. 71, Waldgut Tragöß, Beschluss des Amtsgerichtes Graz vom 10. Mai 1940; „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Wien“, Güde, an die Devisenstelle Wien, 4. März 1941, sowie Genehmigungsstempel der Devisenstelle Wien vom 14. März 1941. 926 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz, Rückstellungsbescheid vom 6. Juni 1947, Zl. 334/4-V–47, S. 2. 927 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 23. April 1947.
3.3. Fallbeispiele
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Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste zwecks „Durchführung dieses gesetzlich begründeten Rückstellungsanspruchs“.928 Die Österreichischen Bundesforste wurden in dem Schreiben ersucht, die Akten über das Waldgut Tragöß, insbesondere aber eine Abrechnung der zurückzustellenden Erträgnisse sowie eine Aufstellung der sich aus der Verwaltung ergebenden Forderungen seitens der Reichsforstverwaltung bzw. der Österreichischen Bundesforste gegen den Kulturverein Tragöß an die Finanzlandesdirektion zu übermitteln. Gleichsam insinuierend fügte die Finanzlandesdirektion hinzu, dass durch die Rückzahlung des Hypothekardarlehens über Sfr 2,200.000,-- und durch die Abdeckung der übernommenen Abgaben- und Steuerrückstände durch die Reichsforstverwaltung sowie durch die laufende Verwaltung „vermutlich“ keine Ertragsüberschüsse, sondern Ersatzansprüche vorhanden seien, welche bei der Rückstellung „in Betracht gezogen werden müssen“.929 Die Liegenschaften standen zum damaligen Zeitpunkt nicht in Verwaltung der Österreichischen Bundesforste. Nach der Auflösung des Landesforstamtes Graz am 8. Mai 1945 war die Verwaltung auf die „Forsttechnische Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung“ übergegangen.930 Die Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz stellte mit Rückstellungsbescheid vom 6. Juni 1947 sämtliche, mit Bescheid des Stillhaltekommissars vom 10. August 1939 in das Eigentum des Deutschen Reiches eingewiesenen früheren Liegenschaften des Kulturvereines Tragöß an diesen zurück, da es sich um Vermögen gehandelt hatte, „welches auf Grund aufgehobener Vorschriften dem früheren Eigentümer entzogen“ worden war und sodann „von einer Dienststelle des Bundeslandes Steiermark verwaltet“ wurde.931 Da jedoch das Landesforstamt Graz als Verwalterin des Waldgutes Tragöß das 1930 aufgenommene Hypothekardarlehen mit einem Betrag von RM 1,315.586,95 zur Gänze zurückbezahlt und die bis zur Übernahme am 29. Juni 1939 rückständigen Steuern und Gebühren bis zu einer noch festzustellenden Höhe von öS 175.000,-- beglichen hätte, wäre die Einverleibung des Eigentumsrechts für den Kulturverein Tragöß nur möglich, wenn zur Sicherung dieser Ersatzansprüche gemäß § 3 Abs. 3 des Ersten Rückstellungsgesetzes das Simultanpfandrecht für die Republik Österreich auf sämtlichen Liegenschaften bis zum Höchstbetrag von öS 1,500.000,-- einverleibt werde.932 Bezüglich der Verrechnung der Erträgnisse und Aufwendungen führte der Rückstellungsbescheid aus, dass die Finanzlandesdirektion dem Ersuchen der Rückstellungswerber aus volkswirtschaftlichen 928 Ebda. 929 Ebda. 930 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz, Rückstellungsbescheid vom 6. Juni 1947, Zl. 334/4-V–47, S. 2. 931 Ebda., S. 1. 932 Ebda., S. 2.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Gründen entsprochen hätte, eine beschleunigte Rückstellung durchzuführen. Weil die Abrechnung, die zwischen dem Kulturverein und der derzeitigen Verwalterin in A ngriff zu nehmen sei, längere Zeit in Anspruch nehmen werde, würde die Ausfolgung der Erträge, die in der Zwischenzeit angelaufen waren, mit gesondertem Bescheid erfolgen. Nur jene Erträge könnten jedoch zur Ausfolgung gelangen, die sich „noch im Inland“ befinden würden. Das bedeutete mit anderen Worten, „dass die Erträgnisse bis zum 31. März 1945 als nicht mehr im Inland befindlich angesehen werden können, da sie seinerzeit an Stellen des Deutschen Reiches abgeliefert wurden“.933 Am 30. Juni 1947 übermittelte die „Forsttechnische Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung“ der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste eine Abrechung der Aufwendungen für die Verwaltung der Liegenschaften in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 1. Juni 1947: Einnahmen von öS 64.187,91 standen Ausgaben bis 31. Oktober 1946 (Sach- und Personalaufwand) von öS 333.020,11 gegenüber. Für die Monate November und Dezember 1946 sowie für die Zeit vom 1. Jänner bis zum 31. Mai 1947 wurde der Personalaufwand vom Zentralbesoldungsamt in Wien abgedeckt. Diese Beträge über öS 12.141,10 und öS 27.494,99 wurden von der Buchhaltung der Österreichischen Bundesforste, Außenstelle Graz, ermittelt und hinzugerechnet, sodass sich ein Gesamtaufwand in der Höhe von öS 308.468,29 ergab.934 Dieser Betrag wurde am 3. Juli 1947 vom Grazer RA Dr. Alexander Pesendorfer namens des Kulturvereines Tragöß zur Einzahlung gebracht und den Österreichischen Bundesforsten zugesprochen.935 Wenig später wurde ein weiterer, nicht näher definierter „Ersatzbetrag“ über öS 152.672,-- an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung überwiesen. Die Finanz prokuratur zitierte in einem Schreiben an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 6. November 1947 die Finanzlandesdirektion für die Steiermark, wonach aufgrund der „restlosen Rückzahlung“ der Aufwendungen keine Ersatzansprüche der Republik Österreich an den Kulturverein mehr bestünden.936 Als die Prokuratur jedoch um Mitteilung der Einzahlung ersuchte, löste dies eine bemerkenswert hektische Suche nach den Einzahlungsbelegen in Wien und Graz aus. Die Generaldirektion der
933 Ebda., S. 3. 934 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Amt der Steiermärkischen Landesregierung – Forsttechnische Abteilung an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 30. Juni 1947. 935 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Aktenvermerk der Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 10. November 1947, sowie Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Finanzprokuratur, 17. November 1947. 936 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 6. November 1947.
3.3. Fallbeispiele
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Österreichischen Bundesforste musste sogar erst eine Abschrift des Rückstellungsbescheids bei der Finanzprokuratur anfordern.937 Am 9. Juli 1947 erfolgte die Übergabe des Waldgutes Tragöß samt unverändertem Personalstand – abgesehen von drei Ausnahmen – aus der Verwaltung der „Forsttechnischen Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung“ „in den physischen Eigentumsbesitz“ des Kulturvereines Tragöß.938 Die Verrechnung der Aufwendungen der seinerzeitigen Reichsforstverwaltung war noch offen geblieben. Die Republik Österreich konnte den Rückstellungswerbern die vor 1945 angelaufenen Schulden nicht einfach erlassen, die sie auch folglich mittels Hypotheken sicherte, musste sie doch bei zu erwartenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen mit deutschen Stellen gewärtigen, diese selbst angerechnet zu bekommen. Ab März 1948 gingen die Bestrebungen des mittlerweile durch den Wiener RA Dr. Walter Loewenfeld-Russ vertretenen Kulturvereines Tragöß aber dahin, die auf den Liegenschaften einverleibte Sicherungshypothek über öS 1,500.000,-- zum Erlöschen zu bringen. Nachdem ein erster Antrag bei der Finanzlandesdirektion für die Steiermark in Graz infolge eines Rekurses der Finanzprokuratur mit Bescheid des BMf VS und WP abgewiesen wurde, versuchte Loewenfeld-Russ, die Ausstellung einer Löschungserklärung bei der Finanzlandesdirektion im Privatrechtsweg zu erwirken. Dabei versuchte er, die „Forsttechnische Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung“ als Verfahrenspartei zu gewinnen. Lowenfeld-Russ stellte weiters in einem Schreiben an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 20. März 1948 den vom Kulturverein anerkannten Ansprüchen des Deutschen Reiches, „vertreten durch die Republik Österreich als Treuhänderin“, sogenannte „Gegenposten“ in Form von Hypotheken-, Steuern- und Gebührenrückzahlungen sowie die Errichtung von Arbeiterwohnhäusern in der Höhe von öS 1,445.506,-- gegenüber, wobei er sich auf Gutachten von Ing. Burkert und Ing. Julius Güde (sic!), an anderer Stelle von Ing. Kolowrat,939 stützte: Für die Errichtung von (möglicherweise durch die Kriegsereignisse zerstörten) Seilbahn- und Sägewerksanlagen machte Loewenfeld-Russ weitere öS 965.000,--, für Forstaufwertungen öS 867.000,-- geltend, was einer Gesamtsumme von öS 1,832.000,-- entsprach. Da diese Abrechnung ergeben würde, dass die Gegenposten höher seien als die Ansprüche des Deutschen Reiches, sei, so Loewenfeld-Russ, die auf den Liegenschaften eingetragene 937 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Finanzprokuratur an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 20. November 1947. 938 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Übergabeprotokoll des Waldgutes Tragöß, 7. bis 9. Juli 1947. 939 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, BMF, Untersuchungskommissär Trimmel an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Stoiber, 31. Jänner 1956.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Sicherungshypothek zu löschen.940 Wie Loewenfeld-Russ in dem Schreiben an HR Jakob Stoiber von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 20. März 1948 darlegte, hätten nun die einzelnen Stellen begonnen, sich die „Angelegenheit“ gegenseitig zuzuschieben. Das BMfVS und WP wünsche zwar, dass der Fall schnellstens bereinigt würde, „aus politischen Gründen“ wolle das Ministerium jedoch „keine Verantwortung übernehmen“.941 Um welche brisanten politischen Gründe es sich handelte, teilte das BMfVS und WP HR Stoiber wenig später, in einem Schreiben vom 18. Juni 1948, mit: Der Saldo, der sich aus der Gegenüberstellung der tatsächlichen Aufwendungen, welche die Reichsforstverwaltung getätigt hatten, mit den Ersatzforderungen des Kulturvereines Tragöß ergebe, hätte deswegen eine immens wichtige Bedeutung, weil er „einen Bestandteil jener Erhebungsziffer deutscher Forderungen“ darstelle, der bei dem damaligen Stand der Staatsvertragsverhandlungen im Jahr 1948 „beachtet werden müsse“.942 Dies bedeutete nicht nur, dass anhand der Akten der Österreichischen Bundesforste (ehem. Reichsforstverwaltung) und mithilfe der früher tätig gewesenen Beamten eine exakte Rechnungslegung aller Aufwendungen wie des getilgten Darlehens notwendig war, um sich die Blamage bei einem etwaigen Vergleich mit Zahlen, die von deutscher Seite vorgelegt worden wären, zu ersparen. Aus der Sicht der zuständigen Stellen hatte sich die Lage nun diametral verkehrt: Die Forderungen der Republik Österreich waren zur Gänze beglichen worden, der Kulturverein hatte in diesem Stadium interessanterweise keine Ansprüche compensando eingewendet. Nun galt es, die „Gegenposten“ des Kulturvereins möglichst wohlwollend, daher auch im Sinne der Löschung der Sicherungshypothek zugunsten der Republik Österreich, zu behandeln, denn jede durch Österreich anerkannte Kompensation schmälerte den Saldo zugunsten des Deutschen Reiches bzw. brachte ihn zum Verschwinden. Deswegen erging auch das Ersuchen des BMf VS und WP an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, die der Generaldirektion „bekannten Ersatzforderungen“ des Kulturvereines Tragöß „ziffernmäßig“ und „dem Rechtsgrund nach“ zu belegen und bekannt zu geben.943 Das Ministerium schob die Entscheidung über die Gegenforderungen einer Unterbehörde zu, die ihm kompetenzmäßig nicht unterstand, nämlich der Landesforstinspektion für die Steiermark in Graz. Das Ministerium stand zwar der Löschungsbewilligung 940 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, RA Walter Loewenfeld-Russ an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Jakob Stoiber, 20. März 1948. 941 Ebda. 942 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, BM f Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Abt. 14, Hintze, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Stoiber, 18. Juni 1948. 943 Ebda.
3.3. Fallbeispiele
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aus dargelegten Gründen sichtlich positiv gegenüber, wollte aber andererseits aus politischen Gründen keine Verantwortung auf sich nehmen. Die Landesforstinspektion fühlte sich jedoch „mangels eigener Aktenunterlagen selbst nicht sicher genug“944 und rief wiederum die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an. Die Generaldirektion schließlich ließ der Landesforstinspektion ausrichten, dass die Frage der Gegenforderungen bzw. später getätigten Aufwendungen aus Reichsmitteln in Graz beurteilt werden müsse, „da ja die Verwaltung Tragöß von der Reichsforstdirektion (sic!) verwaltet worden ist und nicht von Wien aus“.945 Wie aus Akten aus dem Jahr 1957 hervorgeht, war die Verrechnung im Sommer 1949 noch immer nicht abgeschlossen. Dann dürften die nun folgenden Ereignisse die Frage der Aufwendungen und Ersatzforderungen gänzlich in den Hintergrund gestellt haben. In einer vertraulichen Mitteilung der Forstverwaltung Wieselburg an den Generaldirektor der Österreichischen Bundesforste Ferdinand Preindl vom 16. Juli 1949 wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es „mit der finanziellen Betriebsgebarung bei dem 1947 rückgestellten Waldgut Tragöß sehr schlecht bestellt sei“. Die groß angelegten und geplanten Bauten sollen „bereits eingestellt“ worden sein und der Exekutor sei „schon einige Male vorstellig“ gewesen.946 Spätestens im November 1949 war der Kulturverein Tragöß insolvent und sah sich mit horrenden Schadenersatzforderungen konfrontiert, die noch von Anfang der 30er-Jahre datierten. Das Ausgleichsverfahren lief.947 Der Berichterstatter an Generaldirektor Ferdinand Preindl vom Juli 1949 hatte diese wirtschaftliche Entwicklung angesichts der „phantastischen Planungen nicht ausgeschlossen“, sah darin aber die Möglichkeit, den „Besitz wieder in die Staatshand zu bringen“, was jedoch bekanntlich nicht geschah. Er schloss seinen vertraulichen Bericht unter dem Hinweis der Insolvenz des Kulturvereines Tragöß mit der völlig ungezwungenen Darlegung des behördeninternen Standpunkts, vielleicht auch seines eigenen, zu Restitutionsfragen, indem er Generaldirektor Preindl an ein Gespräch erinnerte. Anlässlich dieses Gesprächs hätte er ihm mitgeteilt, „dass seinerzeit nach der Rückstellung des Gutes Tragöß durch die Landesregierung Steiermark die Generaldirektion Vorwürfe
944 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, RA Walter Loewenfeld-Russ an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Jakob Stoiber, 20. März 1948. 945 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Landesforstinspektion für die Steiermark in Graz, 24. März 1948. 946 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Forstverwaltung Wieselburg an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Ferdinand Preindl, 16. Juli 1949. 947 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, RA Wilhelm Marno an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 1. Dezember 1949.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
erhalten habe, dass dieses Gut überhaupt zur Rückstellung gekommen sei“.948 Es ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen, dass dabei auch die im Schreiben von Superior Pfäfflin an Reichskommissar Bürckel geschilderte „Vorgeschichte“ des Kulturvereines Tragöß eine gewisse Rolle gespielt haben könnte. Im Jänner 1956, daher nach Abschluss des Staatsvertrags, dürfte die zahlenmäßige Erfassung der „Gegenposten“ des Kulturvereines Tragöß gegen die Aufwendungen der Reichsforstverwaltung ein Nachspiel gehabt haben. Aus dem dazu vorliegenden spärlichen Aktenbestand erhellt sich nur, dass das BMF vom BMLF und von der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste sämtliche Akten anforderte, die mit den Gutachten von Ing. Burkert und Ing. Kolowrat und deren Überprüfung zu tun hatte. Das BMF hatte eine Untersuchungskommission eingesetzt und gegen einige Beamte ein Disziplinarverfahren eingeleitet.949 Trotzdem die Liegenschaften des ehemaligen Kulturvereines Tragöß nach 1945 nicht in Verwaltung der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste standen und diese schon gar nicht Partei des Rückstellungsverfahrens war, war sie Drehscheibe aller damit zusammenhängenden Entwicklungen. Diese Funktion verdankte sie neben § 43 des Behördenüberleitungsgesetzes sicherlich auch praktischen Gründen. So war die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste Verwahrerin der Akten des Aktenproduzenten Reichsforstverwaltung, zumindest jener des ehemaligen „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, die für den Bereich Liegenschaften von eminent wichtiger Bedeutung waren. Dadurch kam ihr bei der Verrechnung der Erträgnisse und Aufwendungen, wie im Fall des Kulturvereines Tragöß, die Position des Ansprechpartners zu. Das Controlling der Einnahmen- und Ausgabenrechnung während der Verwaltung der Liegenschaften durch die „Forsttechnische Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung“ lief ebenso über die Generaldirektion wie die Korrespondenz beider Parteien. Schließlich erging das Ersuchen des BMf VS und WP an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, die ihr „bekannten Ersatzforderungen“ des Kulturvereins „ziffernmäßig“ und „dem Rechtsgrund nach“ zu belegen und bekannt zu geben.
948 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, Forstverwaltung Wieselburg an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Ferdinand Preindl, 16. Juli 1949. 949 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.103 30, Waldgut Tragöß, BMF, Untersuchungskommissär Trimmel an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, HR Stoiber, 31. Jänner 1956.
3.3. Fallbeispiele
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3.3.7. Gutsbesitz Lanckoronski-Brzezie Güter Frauenwald und Steinhaus am Semmering: EZ 693, 53, 67, 107 KG Rettenegg (Ger. Bez. Birkfeld); EZ 23, 27 KG Filzmoos, EZ 15, 15, 35, 37, 47, 50, 53, 54 KG Kaltenegg, (Ger. Bez. Vorau); EZ 4, 5, 9, 10 KG Fröschnitz, EZ 1, 73, 78, 84, 117, 148 KG Semmering, (Ger. Bez. Mürzzuschlag); EZ 85 KG Trattenbach (Ger. Bez. Gloggnitz); Güter Einöd und Mühlen: EZ 71 KG Dürnstein in der Steiermark, EZ 4 KG Mühlen EZ 58, 59, 73 KG St. Margarethen bei Knittelfeld EZ 1023 Niederösterreichische Landtafel Ger. Bez. Neumarkt); Palais in Wien 3, Jacquingasse 18: EZ 2362 KG Landstraße Haus in Wien 3, Jacquingasse 16: EZ 1905 KG Landstraße Haus in Wien 9, Wasagasse 6: EZ 1187 KG Alsergrund „Faniteum“ in Wien-Ober St. Veit: EZ 800 KG Ober St. Veit Gesamtausmaß: 4.303 ha Eigentümer am 13. März 1938: Anton Graf Lanckoronski Dr. Karolina Lanckoronska Adelajde Lanckoronska Eigentumsübertragung auf: Eine Eigentumsübertragung auf das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) ist bis zum 8. Mai 1945 nicht erfolgt. Vermögensentziehung: Beschlagnahme gem. § 2 Abs. 1 der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich vom 18. November 1938950“ mit Bescheid der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Wien, vom 19. September 1939; Anordnung der kommissarischen Verwaltung 950 RGBl. I S. 1620/1938.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
und Beschlagnahme vom 6. Jänner 1941 durch die „Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich“, gem. §§ 1, 2 und 5 der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. November 1940.951 Das Adelsgeschlecht Lanckoronski von Brzezie, dessen Wurzeln sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, gehört zu den bedeutendsten Aristokratenfamilien Polens. Während viele Magnaten im 16. und 17. Jahrhundert ihre Position verloren, gelang es der Familie Lanckoronski, ihren Status zu bewahren. Antoni Joszef Lanckoronski (1761–1830), Abgeordneter zum Vierjahres-Sejm, wählte nach der dritten polnischen Teilung Wien zu seinem Zufluchtsort, wo ihm Josef II. 1783 zur Würde eines Kammerherren den erblichen Titel eines Reichsgrafen verlieh. Antonis Sohn Kazimierz Lanckoronski (1802–1874) wurde von Kaiser Franz Joseph die „erbliche Reichsratswürde“ verliehen. Er hatte bis zu seinem Tod einen Sitz im Herrenhaus inne.952 Zum bedeutendsten Vertreter der Familie im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde jedoch Kazimierz’ Sohn, der am 4. November 1848 in Wien geborene Schriftsteller, Kunsthistoriker und Jurist Karl (Karol) Graf Lanckoronski-Brzezie. Ihn zeichnete nach seiner Ernennung zum Oberhofmarschall und als Träger des Ordens vom Goldenen Vlies nicht nur seine Stellung am Hof aus, als Organisator von Forschungsreisen und Förderer zahlreicher Künstler wie Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Hans Makart, Auguste Rodin oder Viktor Tilgner galt er als eine der letzten großen Kunstmäzene Europas.953 1894 ließ er von den Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Hellmer in Wien 3, Jacquingasse 18, ein Palais im neo-barocken Stil erbauen, in dem er seine bedeutende private Kunstsammlung unterbrachte, eine der wertvollsten öffentlich zugänglichen Galerien, die unter anderem Gemälde von Tintoretto, Canaletto, van Goyen und Rembrandt auszeichnete.954 Die Sammelleidenschaft steigerte auch das wissenschaftliche Interesse Lanckoronskis an der Kunst, was ihn neben all seinen anderen Tätigkeiten befähigte, die Funktion eines Vizepräsidenten des Denkmalamtes einzunehmen. Als Generalkonservator in Galizien trat 951 RGBl. I S. 1270/1940. 952 http://www. Poland.pl/archives/ww1/article„id,284221.htm. Charles I the emperor of Austria confirms membership of the Lanckoronski family (14. Mai 2007). 953 http://www.answers.com/topic/count-karol-lanckoronski (14. Mai 2007). 954 Archiv des Österreichischen Bundesdenkmalamtes (BDA), Restitutionsmaterialien (Rest.Mat.), K 26, Sammlung Lanckoronski I, Mappe 1 (Akten 1939–1940), BDA, Zl. 9098/56, Amtsvermerk Hainisch, 28. November 1956. http://www.bezirksmuseum.at/landstrasse/page.asp/951.htm (14. Mai 2007).
3.3. Fallbeispiele
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er zugleich als Förderer der polnischen Kultur und Wissenschaft auf. Die Verbundenheit mit Polen ließ ihn auch nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie für den neu entstandenen Staat optieren, obwohl sein Lebensmittelpunkt Wien blieb, von wo aus er in seiner „Zentralkanzlei“ seine ausgedehnten Güter im vormaligen Galizien und Kongresspolen sowie in der Steiermark verwaltete.955 Karl Lanckoronski war dreimal verheiratet. Seine erste Frau Franziska starb am 8. August 1893 im Kindbett, nachdem sie einen gesunden Sohn, Anton, zur Welt gebracht hatte. Für sie ließ Karl Lanckoronski am Hanschweg in Ober St. Veit eine Art Mausoleum errichten, das nach ihrem Kosenamen „Faniteum“ benannt wurde. Nach der zweiten Ehe mit einer Gräfin Attems, die kinderlos geblieben war, heiratete Karl Lanckoronski Margarete von Lichnowsky, die Schwester von Karl Max Lichnowsky, der während des Ersten Weltkriegs deutscher Botschafter in London war. Aus dieser Ehe stammten zwei Töchter, die 1898 geborene Dr. Karolina Lanckoronska, eine in Lemberg, Florenz und Rom tätige, renommierte Kunsthistorikerin, und Adelajde Lanckoronska.956 Karl Lanckoronski starb am 15. Juli 1933 in Wien. Seine drei Kinder beerbten ihn: Aufgrund der Einantwortungsurkunde des BG Landstraße vom 8. November 1937 wurde Anton Lanckoronski auf den in der Steiermark gelegenen Gütern als Drei-Fünftel-Eigentümer intabuliert, während seine beiden Halbschwestern als je Ein-Fünftel-Eigentümerinnen aufscheinen. Das „Faniteum“, das Palais in der Jacquingasse 18 sowie ein Nebengebäude in der Jacquingasse 16, wo Anton Lanckoronski am 13. März 1938 seinen Hauptwohnsitz hatte, gelangte in dessen Alleineigentum, während sich die beiden Schwestern das Eigentum an einem Wohnhaus in Wien 9, Wasagasse 6, teilten, das der alte Graf Karl Lanckoronski vor Errichtung seines Palais bewohnt hatte.957 Bereits wenige Tage nach dem 1. September 1939, dem deutschen Überfall auf Polen, der den Zweiten Weltkrieg auslöste, am 19. September 1939, wurde das gesamte, in der „Ostmark“ gelegene Vermögen von Anton Lanckoronski und seine beiden Schwestern Karolina und Adelajde beschlagnahmt, die zum damaligen Zeitpunkt polnische Staatsbürger waren. Diese „vorläufige Beschlagnahme“ zur „Vorbereitung der Einziehung
955 http://www.a1133.at/index.php?menu=geschichte&inc=personen/lanckoronski/biografie Karol Lanckoronski 1848–1933. Karolina Lanckoronska 1898–2002 (14. Mai 2007) Vgl. Karolina Lanckoronska, Mut ist angeboren, Köln Wien Weimar 2004. 956 http://www.a1133.at/index.php?menu=geschichte&inc=fakten/faniteum/faniteum. Das Faniteum (14. Mai 2007). 957 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701, 14 Österreich, 2204: Reichsforstamt, Bezirk Graz: Erwerb und Tausch von Grundstücken, Lanckoronski’sche Güter, Der Gutsbestand des Anton Graf Lanckoronski und seiner Schwestern, beschrieben und bewertet von dem Treuhänder Forstrat Dipl. Ing. Woldemar Pelleter, Graz, September 1940.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
zu Gunsten des Landes Österreich“ durch die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Wien, die auch in den Grundbüchern auf sämtlichen Liegenschaften angemerkt wurde,958 erfolgte aufgrund der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ vom 18. November 1938.959 Die Beschlagnahme, die noch keinen Eigentumsverlust, sondern den Verlust der Verfügungsbefugnis über eine Sache nach sich zog, richtete sich zunächst gegen die ca. 2.000 Objekte umfassende Kunstsammlung Lanckoronski, die im Palais in Wien 3, Jacquingasse 18, untergebracht war. Einem Bericht der damaligen Zentralstelle für Denkmalschutz vom 26. September 1939 zufolge sei die Geheime Staatspolizei auf die Sammlung durch den Umstand aufmerksam geworden, dass sich Anton Lanckoronski bei Kriegsausbruch nach Polen begeben und „dem Vernehmen nach“ in der polnischen Armee als Offizier gekämpft habe. Die Geheime Staatspolizei werde „die Angelegenheit nun weiter behandeln“.960 Die Sammlung wurde im Bericht aufgrund der Funktion des verstorbenen Grafen Lanckoronski, die er im Denkmalamt eingenommen hatte, als „besondere Delikatesse“ beschrieben.961 Die Geheime Staatspolizei ordnete die Verwaltung und Verwahrung der Sammlung, die sich weiter im nunmehr versiegelten Palais befand, durch die Zentralstelle für Denkmalschutz an.962 Diese Verwahrung erfolgte im Sinne des sogenannten „Führervorbehalts“, mit dem sich Adolf Hitler ab Juni 1938 als Ausdruck des Führerprinzips zunächst die vorrangige Verfügungsgewalt über alle konfiszierten Objekte in Österreich, dann im gesamten Reich, für den „Sonderauftrag Linz“, dem Aufbau eines „Führermuseums“, sicherte. Federführend bei der Formulierung und Durchführung der Ansprüche auf die Kunstgegenstände waren Reichsminister Hans Heinrich Lammers, Chef der Reichskanzlei, und Reichsleiter (später Reichsminister) Martin Bormann. Als Hitlers Berater in Kunstfragen fungierte ab Juni 1939 der Direktor der Dresdner Ge958 Vgl. BG Innere Stadt, Abt. Historisches GB, KG Landstraße EZ 2362 (S. 355), Jacquingasse 18, OZ 2. Die Beschlagnahme der Güter in der Steiermark erfolgte erst am 4. Jänner 1940 und wurde gemäß Edikt im Verordnungs- und Amtsblatt für Steiermark, 14. Stück, am 21. Februar 1940 bekannt gemacht. BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 1, Zentralstelle für Denkmalschutz, Zl. IV–4h-9936/40, Amtsvermerk Zykan, 27. März 1940. 959 RGBl. I. S. 1620 (GBl.f.d.L.Ö Nr. 589/1938). BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 1, Anton Lanckoronski an das BMF, 20. April 1956. 960 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 1, Zentralstelle für Denkmalschutz, Zl. IV–4h-9936/40, Bericht über die Beschlagnahme der Kunstsammlung eines Grafen polnischer Staatsbürgerschaft, der sich bei Kriegsausbruch außer Landes begeben hat, 26. September 1938. 961 Ebda. 962 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 1, Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Wien, GZ II E/So– 21.548/39, an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, Staatskommissar Plattner, 7. November 1939.
3.3. Fallbeispiele
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mäldegalerie, Dr. Hans Posse.963 Nach dem deutschen Überfall auf Polen, am 19. Oktober 1939, wurde durch einen Geheimerlass Hermann Görings die „Haupttreuhandstelle Ost“ (HTO) als Dienststelle des „Beauftragten für den Vierjahresplan“ gegründet. Die Aufgaben der HTO, die bis 1945 als „staatliche Regulierungsinstanz für konkurrierende Beuteansprüche“964 fungierte, waren die Erfassung, Verwaltung und „Verwertung“ des Vermögens des polnischen Staates und seiner Bürger, die Regelung des Geld- und Kreditwesens sowie die Durchführung von Maßnahmen, die der „Germanisierung“ Polens dienten.965 Die HTO verfügte unter anderem über eine in Berlin ansässige „Sonderabteilung Altreich“, die unter der Leitung des Majors Dr. Karl Reetz stand und für die „Verwertung“ des Vermögens der im Altreich lebenden polnischen Staatsangehörigen zuständig war. Als bedeutendste Rechtsgrundlage diente der HTO die „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates“ (PolVermVO) vom 17. September 1940,966 die das gesamte Privatvermögen von Polen und Juden dem Zugriff der HTO unterstellte.967 Sofort nach Erlass der Verordnung vom 17. September 1940 ergingen bezüglich des Lanckoronski’schen Vermögens Anordnungen zur Vorbereitung der Konfiskation. Am 6. Jänner 1941 wurde aufgrund der §§ 1, 2 und 5 der Verordnung die kommissarische Verwaltung über das Vermögen von Anton, Karolina und Adelajde Lanckoronski, „soweit es sich innerhalb des Gebietes des Großdeutschen Reiches einschließlich der eingegliederten Ostgebiete“ befand, durch die „Sonderabteilung Altreich“ der HTO ausgesprochen. Die Anordnung der kommissarischen Verwaltung galt gemäß § 5 Abs. 2 PolVermVO gleichzeitig als Beschlagnahme. Nach § 2 der Verordnung war die Beschlagnahme bei Vermögen von Personen auszusprechen, die „geflüchtet oder nicht nur vorübergehend abwesend“ waren. Im Bescheid wurden „insbesondere“ die Güter Frauenwald, Steinhaus am Semmering, Mühlen und Einöd und die vier Häuser in Wien angeführt.968 Auch die963 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 1, Institut für Denkmalpflege, Zl. 9936/40, Aktenvermerk Berg, 7. Oktober 1940. Zum „Führervorbehalt“ siehe u. a. auch Jonathan Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn. Kunst und Politik im Dritten Reich, Berlin 1999, S. 113f. 964 Werner Röhr, Zur Wirtschaftspolitik der deutschen Okkupanten in Polen 1939–1945, in: Dietrich Eichholz (Hg.), Krieg und Wirtschaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939–1945, Berlin 1999, S. 234. 965 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Bernhard Rosenkötter, Treuhandpolitik. Die „Haupttreuhandstelle Ost“ und der Raub polnischen Vermögens 1939–1945, Essen 2003, S. 81f. 966 RGBl. I S. 1270. 967 Martin Broszat, Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945, Frankfurt a. M. / Hamburg 1965, S. 52f. 968 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 1, Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, GZ 10 140, Anordnung der kommissarischen Verwaltung gem. §§ 1, 2 und 5 der Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940, RGBl. I S. 1270, Berlin, 6. Jänner 1941.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
se kommissarische Verwaltung und gleichzeitige Beschlagnahme wurde grundbücherlich angemerkt, die Anmerkung der vorangegangenen Beschlagnahme durch die Geheime Staatspolizei hingegen gelöscht.969 Zum kommissarischen Verwalter des gesamten Besitzes wurde der Grazer Forstrat Dipl.-Ing. Woldemar Pelleter bestellt, dem somit auch die schier unlösbare Aufgabe der Verwaltung der Kunstsammlung zukam. Dies war jedoch durchaus beabsichtigt, wie sich zeigen sollte. Im Zuge der „Vorbereitung“ hatte Dipl.-Ing. Pelleter bereits im September 1940 eine umfangreiche Beschreibung und grobe Bewertung der Güter in der „Ostmark“ vorgenommen.970 Von den in Polen gelegenen Gütern war der im Bezirk Stanislau gelegene wertvollste Teil, der aufgrund einer Schätzung Anton Lanckoronskis 1939 einen Wert von 4,5 Mio. Zloty hatte, unter russische Oberhoheit gelangt. Ein im nunmehrigen „Generalgouvernement“ gelegenes Gut im Kreis Kielce, das von Lanckoronski 1939 auf 1,5 Mio. Zloty geschätzt worden war, unterstand ebenfalls einem kommissarischen Verwalter.971 Pelleter schätzte den in Österreich gelegenen Teil der nunmehr völlig zersplitterten Güter auf rund RM 3 Mio., ohne jedoch eine genaue Bewertungsmethode anzugeben. Wie unsicher diese Schätzung war, beweist die Tatsache, dass sich Pelleter auch an eine Bewertung der Kunstsammlung heranwagte, dabei von einem Gemälde ausging, das vor 1938 auf etwa RM 100.000,-- geschätzt worden war, und daraus den Schluss zog, als einen „nicht zu hoch gegriffenen Betrag“ für die Kunstsammlung RM 233.000,-- einzusetzen.972 Tatsächlich wurde die Sammlung am 18. März 1942 vom beeideten Sachverständigen Bruno Ritter auf eine Gesamtsumme von RM 1,150.803,-- geschätzt, wobei alleine für ca. 300 Objekte keine Schätzergebnisse vorliegen.973 Im Jänner 1942 informierte daher die HTO, „Sonderabteilung Altreich“, das Reichsforstamt, die Göring als Beauftragten für den Vierjahresplan unterstehende Dienststelle, die von Göring geleitete oberste Reichsbehörde, dass das gesamte in der „Ostmark“ gelegene Eigentum Lanckoronski in nächster Zeit zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen werde. Das Reichsforstamt richtete daraufhin am 16. Jänner 1942 ein Schreiben an das Reichsministerium für Finanzen mit der „Bitte“, der Reichsforstverwaltung im
969 Vgl. BG Innere Stadt, Abt. Historisches GB, KG Landstraße EZ 2362 (S. 355), Jacquingasse 18, OZ 3, Eintrag vom 10. Jänner 1941, TBZl. 512 und Eintrag vom 30. Jänner 1941, TBZl. 1356. 970 ������������������������������������������������������������������������������������������������ BArch, R 3701/2204. Der Gutsbestand des Anton Graf Lanckoronski und seiner Schwestern, beschrieben und bewertet von dem Treuhänder Forstrat Dipl.-Ing. Woldemar Pelleter, Graz, September 1940. 971 Ebda., S. 1. 972 Ebda., S. 20. 973 BDA, Rest.Mat., K 26/1, Lanckoronski II, Mappe 4. Der Schätzwert der Sammlung über RM 8 Mio., den Jonathan Petropoulos angibt, ist nicht nachvollziehbar. Jonathan Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, S. 211.
3.3. Fallbeispiele
349
Falle der Einziehung aus dem Eigentum „die Waldungen und die zur Bewirtschaftung der Waldungen erforderlichen landwirtschaftlichen Liegenschaften und Gebäude gegen Wertersatz“ zuzuweisen.974 Der informierte „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Wien“, Ing. Julius Güde, ersuchte das Reichsforstamt, den Zuweisungsantrag auf die Gebäude in Wien 3, Jacquingasse 16 und 18 zu erstrecken.975 Die forstlichen Dienststellen in Wien, das Landesforstamt, das „Forst- und Holzwirtschaftsamt“, das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“, der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, das Oberforstamt für das Reichsjagdgebiet Lobau, die Regierungsforstkasse sowie die „Forschungsstelle für Holzbringung“ waren im einzig zur Verfügung stehenden Gebäude in Wien 3, Marxergasse 2, untergebracht. Wegen des prekären Raumbedarfs sollte daher ein Teil der Verwaltung in das Palais Lanckoronski und das Nebengebäude übersiedeln. Da jedoch mit einer baldigen Einziehung der Liegenschaften zugunsten des Deutschen Reiches nicht zu rechnen war, versuchte das Reichsforstamt zunächst vergeblich, mit der „Sonderabteilung Altreich“ im Zuge der „Liquidierung polnischen Vermögens“ in vorbereitende Verkaufsverhandlungen zu treten. Erst im Juni 1942 wurde der kommissarische Verwalter Pelleter ermächtigt, mit der Reichsforstverwaltung vorerst nur über die Güter Einöd und Mühlen zu verhandeln. Aufgrund der schlechten organisatorischen Angliederungsmöglichkeit an bestehenden Reichsforstbesitz, der zahlreichen landwirtschaftlichen Liegenschaften und dem mäßigen Ertrag, der zu erwarten war, sprach sich Güde beim Reichsforstamt jedoch gegen einen Erwerb aus, unterstrich aber sein Interesse an den Gütern Frauenwald und Steinhaus.976 Bis Mai 1943 beantwortete die „Sonderabteilung Altreich“ die zahlreichen Urgenzschreiben ausweichend mit dem Zusatz, mit den nötigen Vorarbeiten noch nicht fertig zu sein. Der eigentliche Grund für die Verzögerung wurde in den Akten des Reichsforstamtes mit dem lapidaren Satz zusammengefasst, dass der „Führer“ Anfang April 1943 beschlossen habe, die Sammlung Lanckoronski als Ganzes seinem Beauftragten Prof. Hermann Voss mit dem Auftrag zu übergeben, sie nach dem Krieg den Museen der „Alpen- und Donaugaue“ zu überlassen, sodass nunmehr die Möglichkeit bestünde, auch über den „anderweitigen“ Besitz Lanckoronski zu verfügen.977 Dahinter steckte eine weitere per974 BArch, R 3701/2204, Der Reichsforstmeister, GZ B 327.05, Pflanz, an den Herrn Reichsminister der Finanzen in Berlin, 16. Jänner 1942. 975 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, an den Reichsforstmeister, 27. Jänner 1942. 976 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, an den Reichsforstmeister, 29. Juni 1942. 977 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, GZ 10 140, an den Reichsforstmeister, 16. April 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
sönliche Niederlage Görings im Ränkespiel der NS-Eliten, dessen Stern ab dem Frühjahr 1943 endgültig im Sinken begriffen war. Der Liegenschaftsbesitz Lanckoronski wurde dabei zu einem Nebenschauplatz. Auf die Ereignisse um die Kunstsammlung kann an dieser Stelle nur in groben Umrissen eingegangen werden: Göring versuchte trotz „Führervorbehalts“ im Rahmen der Befugnisse der HTO Zugriff auf die Sammlung Lanckoronski zu bekommen, was ihn in Gegensatz zu Hitler, vor allem aber zu dem mit der Koordinierung des „Sonderauftrages Linz“ befassten Reichsleiters Martin Bormann bringen musste. Am 3. Oktober 1942 unterrichtete der Chef der Reichskanzlei, Hans Lammers, Hitlers Beauftragten Hans Posse, dass der „Führervorbehalt“ in Form einer Weisung Hitlers nun auch auf das „Generalgouvernement“ ausgedehnt worden sei und somit die Verwertung beschlagnahmter und eingezogener Kunstsammlungen im „Generalgouvernement“ miteinbeziehe.978 Die Absichten Görings, die Sammlung eigenmächtig zu „verwerten“, waren seit Längerem bekannt,979 weswegen anzunehmen ist, dass es sich bei der Ausdehnung des „Führervorbehalts“ um eine „Lex Lanckoronski“ gehandelt hat. Sofort wurde auch dem kommissarischen Verwalter Pelleter signalisiert, dass der „Führervorbehalt“ automatisch auf die Sammlung Lanckoronski Anwendung finde und Verfügungen über einzelne Objekte nur mehr mit ausdrücklicher Genehmigung Posses erfolgen könnten.980 Der Reichsmarschall übernahm nun die Rolle des Angreifers, indem er über Major Reetz von der „Sonderabteilung Altreich“ zunächst auf den dringenden Platzbedarf im Palais Lanckoronski hinweisen ließ, in dem die Sammlung noch immer geschlossen untergebracht war, um am 17. November 1942 in einem Schreiben an Hitlers Beauftragten Hans Posse darauf aufmerksam zu machen, dass er „gehalten“ sei, „das polnische Vermögen unverzüglich zu verwerten“. In einer gewissen Umkehr des „Führervorbehalts“ wies Reetz Posse darauf hin, dass „eine geschlossene Zurverfügungstellung dieser Sammlung für die Zwecke des Führers undurchführbar sei“, weswegen Posse lediglich einzelne Stücke aussuchen solle.981 Die Situation eskalierte tags darauf erstmals, als Reetz trotz des Widerstands der Beamten des Instituts für Denkmalpflege, das seit 9. Oktober 1940 mit 978 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2 (Akten 1941–1942), Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, Lammers, an den Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie Dresden, Posse, 3. Oktober 1942. 979 So wurde Reetz vom Institut für Denkmalpflege am 15. September 1942 ausdrücklich gewarnt, einzelne Stücke der Sammlung abtransportieren zu lassen. BDA, Rest. Mat., K 26, Mappe 2, Institut für Denkmalpflege, Seiberl, an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, 15. September 1942. 980 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2, Institut für Denkmalpflege, Seiberl, an Dipl.-Ing. Woldemar Pelleter, 18. Oktober 1942. 981 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2, Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, GZ 10 140, an die Staatliche Gemäldegalerie Dresden, Direktor Hans Posse, 17. November 1942.
3.3. Fallbeispiele
351
der Verwaltung der Sammlung betraut war, im Namen Görings mehrere der wertvollsten Objekte aus der Sammlung entfernen ließ.982 Zwar versuchte Göring zu beschwichtigen, indem er wiederholt in Aussicht stellte, mit Hitler persönlich über die Aufteilung der Sammlung zu verhandeln, dann von einer Überschuldung des Lanckronski’schen Vermögens sprach, die ein sofortiges Handeln verlange, und schließlich eine Verrechnung mit polnischen Reparationen nach einer Verwertung der Sammlung im Dorotheum vorschlug.983 Die Auseinandersetzung erreichte einen weiteren Höhepunkt, als Göring begann, als weitere „Beschwichtigungsmaßnahme“ „entwendete“ Bilder aus der Sammlung an die NS-Elite zu verschenken. Am 18. Februar 1943 teilte Posse dem Institut für Denkmalpflege mit, dass er aufgrund der wiederholten Vorstöße der HTO die Angelegenheit der Sammlung „nunmehr in das richtige Gleis zu leiten beabsichtige“.984 Am 1. April 1943 beendete Adolf Hitler mit dem bereits zitierten Machtwort den Streit und die Sammlung wurde geschlossen seinem Beauftragten Prof. Voss, der dem mittlerweile verstorbenen Posse nachgefolgt war, übergeben. Um die Sammlung auch sicher dem Zugriff Görings zu entziehen, wurde sie in den Bergungsort Schloss Thürntal bei Tulln verbracht.985 Martin Bormann kostete seinen Sieg und die Demütigung, die er Göring beigebracht hatte, aus: In mehreren Schreiben ließ der nunmehrige Referent für den „Sonderauftrag Linz“, Dr. Gottfried Reimer, Göring über Major Reetz im August 1943 generös ausrichten, dass „der Führer auf einer Rückforderung der beiden bisher noch nicht zurückgegebenen Bilder aus der Sammlung Lanckoronski nicht mehr“ bestehe.986 Ein Gemälde von Rudolf von Alt hatte Göring Hitler bereits am 20. April 1943 zum Geburtstag geschenkt. Für dieses und auch für die anderen der Sammlung entnommenen Objekte musste Göring, genauer die HTO, bezahlen.987 Einen Karriereknick, wenn auch anderer Art, musste auch der kommissarische Verwalter Woldemar Pelleter durch die Affäre hinnehmen, dessen Befugnisse während der Auseinandersetzung der NS-Eliten auf ein Minimum eingeschränkt worden waren. In einem Gespräch mit dem Leiter des Instituts für Denkmalpflege, Herbert Seiberl, beklagte er sich, dass er nun als Sündenbock herhalten müsse, weil er versucht habe, die
982 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2, Brieftelegramm Seiberl an Posse, 18. November 1942. 983 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2, Lammers an Seiberl, 21. November 1942. 984 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2, Posse an Seiberl, 18. Februar 1943. 985 ������������������������������������������������������������������������������������������������ Siehe dazu Theodor Brückler, Ein Kunstgut-Bergungsort im Zweiten Weltkrieg, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge 63/64, St. Pölten 1998, S. 205ff. 986 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2, Der Referent für den Sonderauftrag Linz, Gottfried Reimer, an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, 12. August 1943. 987 Jonathan Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn, S. 213f.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Interessen des „Führervorbehalts“ wahrzunehmen. Er schied im Mai 1943 aus den Diensten der HTO aus und wurde als kommissarischer Verwalter durch Rudolf Mauve ersetzt, von dem Seiberl zu berichten wusste, dass er im Palais Lanckoronski „sehr damit beschäftigt“ gewesen wäre, nicht inventarisierte Objekte der Sammlung aufzufinden, nachdem er den gesamten Weinkeller ausgeräumt habe.988 Die Vorkommnisse um die Kunstsammlung Lanckoronski und die Blamage Görings hatten sicherlich auch Einfluss auf die „Verwertung“ der Liegenschaften, denn im Mai 1943 meldete auch der „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ (RKFDV) Ansprüche bei der Verteilung der Beute an.989 Die Inanspruchnahme dieser Kompetenz war auch „rechtlich“ gedeckt, denn gem. § 12 Abs. 1 der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates“ vom 17. September 1940 war für „Maßnahmen und Entscheidungen“ aufgrund dieser Verordnung die HTO, für die „Landwirtschaft, einschließlich landwirtschaftlicher Nebenbetriebe“ hingegen der RKFDV zuständig. Mit Führererlass vom 7. Oktober 1939 hatte Adolf Hitler die „Neuordnung der ethnographischen Verhältnisse“ dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, übertragen. Hitler gab in diesem Erlass nur die höchst summarischen Richtlinien vor, wie die „Zurückführung der für die endgültige Heimkehr in das Reich in Betracht kommenden Reichs- und Volksdeutschen im Ausland“ sowie die „Ausschaltung des schädigenden Einflusses von solchen volksfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten“ und schließlich die „Gestaltung neuer deutscher Siedelungsgebiete durch Umsiedlung, im besonderen durch Seßhaftmachung der aus dem Ausland heimkehrenden Reichs- und Volksdeutschen“.990 Himmler füllte diesen vage abgesteckten Rahmen mithilfe eines komplexen und vielfach gegliederten Apparats von Ämtern und Dienststellen, an dessen Spitze die „Dienststelle des RKFDV“ stand, die „für die Leitung und Herausgabe der allgemeinen Anordnungen und Richtlinien und für die Durchführung bestimmter nur zentral zu erledigender Aufgeben“ vorgesehen war.991 Mitte Juni 1941 wurde die „Dienststelle“ mit Sitz in Berlin-Halensee, Kurfürstendamm 140, unter der neuen Bezeichnung „Stabshauptamt“ zum Hauptamt der SS aufgewertet. Da sich aus Himmlers Sicht für die Bewältigung der Aufgaben die bestehenden Reichsbehörden wenig eigneten, entstanden 988 BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 2, Amtsvermerk Herbert Seiberl, 16. Mai 1943. 989 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsforstmeister, von Hammerstein, an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, 11. Mai 1943. 990 Erlass des Führers und Reichskanzlers zur Festigung deutschen Volkstums vom 7. Oktober 1939, in: Hans Buchheim, Martin Broszat, Hans-Adolf Jacobsen, Helmut Krausnick, Die Anatomie des SS-Staates, München 1994, S. 183. 991 Ebda. S. 187.
3.3. Fallbeispiele
353
in rascher Folge eine Zahl neuer, dem „Stabshauptamt“ unterstehende Dienststellen, von denen die wichtigsten die „Deutsche Umsiedlungs-Treuhand GmbH“ (DUT) und die „Deutsche Ansiedlungsgesellschaft“ (DAG) waren. Während der DUT die „vermögensrechtliche Betreuung der Umsiedler“ zukam, übernahm die DAG den enteigneten Besitz und hielt ihn für die „Neusiedler“ bereit.992 Mit Erlass vom 7. Oktober 1942 hatte Reichsforstmeister Hermann Göring Neuregelungen der Grundstücksangelegenheiten getroffen, das „Amt des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ befand sich „in Abwicklung“. Der Erwerb des gesamten Liegenschaftsbesitzes Lanckoronski für die Reichsforstverwaltung sollte nun durch das Landesforstamt in Graz vollzogen werden. Da jedoch einige Liegenschaften in die örtliche Zuständigkeit des Landesforstamtes Wien-Niederdonau fielen, hielt es der Berichterstatter des Landesforstamtes Steiermark Kärnten in einem Schreiben vom 17. Mai 1943 für „zweckmäßig“, dass die Ankaufsverhandlungen mit der HTO wegen der Berührung zweier Landesforstämter vom Reichsforstamt geführt werden.993 Über Vorschlag des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Güde, wurde jedoch, wiederum aus „Zweckmäßigkeitsgründen“ und mit Zustimmung des Landesforstamtes WienNiederdonau, das Landesforstamt Steiermark Kärnten mit den Ankaufsverhandlungen über den gesamten Komplex, inklusive der in Niederdonau gelegenen Liegenschaften, betraut.994 Die Ankaufsverhandlungen verliefen äußerst zäh. Im Juni 1943 erhielt der Leiter der „Oberen Siedlungs- und Umlegungsbehörde“ von Reichsstatthalter Siegfried Uiberreither einen Sonderauftrag, darauf zu achten, dass bei der Einweisung der Güter die Interessen der Bauernschaft im „Ansiedlungs- und Wiederbesiedlungsverfahren“ berücksichtigt würden. Anlässlich einer Besprechung bei der „Oberen Siedlungs- und Umlegungsbehörde“ am 8. Juni 1943 in Graz, an der Vertreter der HTO samt dem kommissarischen Verwalter Mauve, der Landesbauernschaft, der DAG und der Vorstand der Agrarbezirksbehörde Leoben teilnahmen, wurde rasch eine dahingehende Einigung erzielt, dass die Liegenschaften nach der Einziehung zugunsten des Deutschen Reiches zwischen dem RKFDV und der Reichsforstverwaltung aufgeteilt werden sollten. Danach sollten die Güter Einöd und Mühlen mangels eines geschlossenen Waldkomplexes als „Siedler- und Anliegeland“ der DAG bzw. einer zu bildenden Agrargemeinschaft zufal992 Peter Widmann, Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, in: Wolfgang Benz (Hg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 3. Aufl., München 1998, S. 677. 993 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsstatthalter in der Steiermark, Landesforstamt, Oberforstmeister Furgler, an den Reichsforstmeister, 17. Mai 1943. 994 ����������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsstatthalter in Niederdonau, Landesforstamt Niederdonau-Wien, Landesforstmeister Christian, an den Reichsforstmeister, 22. Juni 1943.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
len, vom Gut Steinhaus, das wiederum der Reichsforstverwaltung zufallen sollte, sollten zwei Bauernhöfe im Ausmaß von 46 bzw. 56 ha zugunsten der DAG abgetrennt werden. Schwierigkeiten bereitete jedoch die Teilung des größten Besitzteiles, des Gutes Frauenwald, mit einer Gesamtfläche von rund 3.389 ha, wovon 2.842 ha Waldgebiet waren. Der Vertreter der „Oberen Siedlungs- und Umlegungsbehörde“ bestand darauf, dass 307 ha Almgebiet von der für die Reichsforstverwaltung vorgesehenen Fläche abgetreten und dem RKFDV (Abgabe an die DAF bzw. an eine Agrargemeinschaft) eingewiesen werde. Davon sollten dann später wieder einzelne bewaldete Liegenschaftsteile der Reichsforstverwaltung übereignet werden.995 Bei den Teilungsverhandlungen wurde die Frage der „Verwertung“ der Häuser in Wien völlig ausgeklammert. Im Juli 1943 teilte das Reichsforstamt der HTO mit, nun doch auf eine Zuweisung der Häuser Jacquingasse 16 und 18 zu verzichten, da sie für die beabsichtigte Verwendung ungeeignet schienen. Zur Behebung des akuten Raummangels wurde aber nun „ersucht“, der Reichsforstverwaltung das „Faniteum“ und das Haus in der Wasagasse zu überlassen.996 Die HTO lehnte jedoch die Übereignung des Hauses in der Wasagasse wegen „anderweitiger Verfügungen“ ab, bezüglich des „Faniteums“ lag zwar die grundsätzliche Bereitschaft der HTO zu einem Verkauf vor, sie machte das Amt des Reichsforstmeisters aber auf die noch bestehende Inanspruchnahme der Räume durch die Marine-Verwaltung aufmerksam,997 worauf die Reichsforstverwaltung im November 1943 auch auf das „Faniteum“ verzichtete.998 Der Reichsforstmeister konnte im Gegensatz zur HTO und dem RKFDV keine Einziehungen im Rahmen der PolVermVO zugunsten des Deutschen Reiches verfügen. Als sich im August 1943 Schwierigkeiten einstellten, die für den Erwerb durch die Reichsforstverwaltung infrage kommenden Liegenschaftsteile anhand der Grundbesitzbögen einzeln festzustellen,999 wurde quasi eine Vorrangstellung des RFKDV vereinbart. Demnach sollten der Reichsforstverwaltung all jene Liegenschaften zufallen, die nicht vom RKFDV beansprucht werden würden. Die vom RKFDV „gewünschten Flächen“ gemäß den Teilungsvereinbarungen, daher die Güter Einöd und Mühlen, die beiden Bauern995 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsstatthalter in der Steiermark, Landesforstamt, Oberforstmeister Furgler, an den Reichsforstmeister, 15. Juni 1943, und Aktenvermerk betreffend Lanckoronski’sche Güter in der Steiermark und Niederdonau, Verwertung, 30. Juni 1943. 996 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsforstmeister, von Hammerstein, an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, 10. Juli 1943. 997 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, GZ 10 140, Reetz, an den Reichsforstmeister, 21. Juli 1943. 998 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsforstmeister, von Hammerstein, an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, 3. November 1943. 999 BArch, R 3701/2204, Der Reichsstatthalter in der Steiermark, Landesforstamt, an den Reichsforstmeis ter, 6. August 1943.
3.3. Fallbeispiele
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höfe des Gutes Steinwald und die zwischen Alm- und Waldflächen ungetrennten 307 ha des Gutes Frauenwald, wurden schließlich mit Verfügung vom 23. August 1943 zugunsten des Deutschen Reiches, vertreten durch den RKFDV, eingezogen und der DAG in treuhändige Verwaltung übergeben.1000 Um quasi eine Gleichrangigkeit wiederherzustellen, machte das Reichsforstamt im September 1943 bei der HTO, „Sonderabteilung Altreich“ geltend, dass im Falle der Einweisung der Reichsforstverwaltung in die Liegenschaften eine „Werterstattung“ nicht zu leisten sei.1001 Das Reichsforstamt bezog sich dabei auf einen Erlass des Reichsministers der Finanzen (RMF) vom 25. April 1942 „zur Durchführung des Erlasses des Führers über die weitere Vereinfachung der Verwaltung vom 25. Januar 1942 für die Dauer des Krieges“,1002 wonach die in Verwaltung der Reichsfinanzverwaltung (des Oberfinanzpräsidenten) übergegangenen Reichsliegenschaften an andere Reichsdienststellen bis auf Weiteres ohne Werterstattung überlassen werden durften. Eine diesbezügliche Antwort der „Sonderabteilung Altreich“ langte erst am 21. März 1944 ein. Die HTO sehe sich „nicht in der Lage“, den Grundbesitz Lanckoronski ohne Werterstattung abzugeben, da sich besagter Erlass nur auf Liegenschaften beziehe, die sich in der Verwaltung des RMF befinden würden.1003 Diese Ansicht wurde auch durch ein Schreiben des RMF vom 19. Oktober 1944 bestätigt, das sich wiederum auf einen Erlass vom 9. Juni 1944 bezog.1004 Das Reichsforstamt war sich zunächst nicht sicher, welche Liegenschaften unter Beteiligung der oberen Siedlungsbehörde aus der „Betreuung“ durch die DAG wieder zugunsten der Reichsforstverwaltung ausscheiden würden. Nach Klärung einiger Missverständnisse signalisierte das Stabshauptamt des RKFDV im März 1944, dass die Einziehungsverfügung infolge von aufgetretenen Differenzen in der Grundbuchbezeichnung abgeändert werden musste,1005 woraus geschlossen werden kann, dass auf einigen Liegenschaften eine Intabulation des Deutschen Reiches durchgeführt worden ist, dies jedoch 1000 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, GZ 10 140, Reetz, an den Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, 5. November 1943. 1001 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsforstmeister an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Reetz, 3. September 1943. 1002 Nr. 3995 Weitere Vereinfachungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Reichshaushaltswesens, abgedruckt in: Reichshaushalts- und Besoldungsblatt, 21. Jhg., Nr. 11, Berlin, 12. Mai 1942. 1003 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, GZ 10 140, Reetz, an den Reichsforstmeister, 21. März 1944. 1004 BArch, R 3701/2204, Der Reichsminister der Finanzen, FA 3301–313 I, an den Reichsforstmeister, 16. Oktober 1944. 1005 BArch, R 3701/2204, Der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, Stabshauptamt, an den Reichsforstmeister, 2. März 1944.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
bei anderen unterblieben ist. Zudem stellte sich heraus, dass für eine genaue Abtrennung jener Flächen, die der Reichsforstverwaltung zufallen sollten, Vermessungsarbeiten durchgeführt werden mussten.1006 Ab Oktober 1944, nach Klärung der bis dahin offenen Frage der Werterstattung, bemühte sich das Reichsforstamt um eine Wertschätzung der ihr zukommenden Liegenschaften Lanckoronski durch den Oberfinanzpräsidenten.1007 Dieser leitete einen diesbezüglichen Auftrag im Dezember 1944 an die Schätzungsstelle für Liegenschaften beim Reichsstatthalter in Graz weiter. Da jedoch örtliche Erhebungen im Winter nicht vorgenommen werden konnten, wurden diese für das Frühjahr 1945 zugesagt.1008 Am 25. Jänner 1945 ersuchte das Amt des Reichsforstmeisters das Landesforstamt Steiermark Kärnten, die „Angelegenheit der Wertermittlung weiter im Auge zu behalten“. Die Verhandlungen über die Zuweisung der Liegenschaften an die Reichsforstverwaltung seien zum Stillstand gekommen, eine endgültige Entscheidung sei „bis nach Kriegsende“ hinausgeschoben worden. Als Frist für die weitere Berichterstattung wurde der 1. Juni 1945 vermerkt. Nach dem 8. Mai 1945 bemühte sich der inzwischen staatenlos gewordene Anton Lanckoronski von seinem Wohnsitz in der Schweiz aus um die Rückstellung seiner Liegenschaften. Bei einigen Liegenschaften, wie dem Palais in der Jacquingasse, das 1944 völlig ausgebombt und in den 50er-Jahren abgerissen wurde, und dem Nebengebäude, ist eine Intabulation des Deutschen Reiches nicht mehr erfolgt, sodass im Grundbuch als letzter Eintrag die Beschlagnahme nach der PolVermVO aufschien. Um die früheren Eigentumsverhältnisse unbeschränkt wiederherzustellen, genügte ein Bescheid des BMI, Generaldirektion für öffentliche Sicherheit, mit dem die Anmerkung der Beschlagnahme gelöscht wurde.1009 1948 stellte Anton Lanckoronski in seinem und im Namen seiner beiden Schwestern Rückstellungsanträge bezüglich seiner Güter bei der Rückstellungskommission beim LGfZRS Graz.1010 Einer Mitteilung der Abt. 35 des BMF zufolge sind bis 1951 sämtliche 1006 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsforstmeister, von Hammerstein, an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, GZ 10 140, Reetz, 16. März 1944. 1007 ������������������������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 3701/2204, Der Reichsforstmeister, von Hammerstein, an den Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, GZ 10 140, Reetz, 3. November 1944. 1008 BArch, R 3701/2204, Der Reichsstatthalter in der Steiermark, Landesforstamt, an den Reichsforstmeis ter, 27. Dezember 1944. 1009 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� Im Falle des Palais, Wien 3, Jacquingasse 18, siehe BG Innere Stadt, Abt. Historisches GB, KG Landstraße EZ 2362 (S. 355), Jacquingasse 18, OZ 5, TBZl. 592, vom 4. März 1947: „Auf Grund des Bescheides des Bundesministeriums für Inneres (Generaldirektion für öffentliche Sicherheit) vom 21. Februar 1947, Zl. 25.682–4747, wird die Anmerkung … gelöscht.“ 1010 GZ RK 233/48 und 234/48. BDA, Rest.Mat., K 26, Mappe 1, Anton Lanckoronski an das BMF, 20.
3.3. Fallbeispiele
357
Liegenschaften zurückgestellt worden.1011 Seine gesamte Energie musste Anton Lanckoronski hingegen bis zu seinem Tod 1965 für die Rückstellung seiner Kunstsammlung aufwenden. Er brachte Rückstellungsanträge sowohl in Österreich als auch in Deutschland für seine dorthin verschleppte Silbersammlung, seine Teppiche und wertvolle, an NSEliten verschenkte Gemälde, ein. In Österreich wurden der Familie wertvolle Gemälde gegen Erstattung einer Ausfuhrbewilligung für den zusammengeschrumpften Rest der Sammlung abgepresst. Die Rückstellung auch dieser Kunstgegenstände im Rahmen der seit 1998 laufenden Restitutionsbemühungen hat auch Anton Lanckoronskis Schwester, Dr. Karolina Lanckoronska, nicht erlebt. Sie starb im August 2002 im Alter von 104(!) Jahren in Rom. Der Fall Lanckoronski zeigt exemplarisch die Stellung in der Rangordnung, welche der Reichsforstverwaltung nach der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates“ vom 17. September 1940 zukam, die ihr keine Setzung unmittelbarer Zwangsmassnahmen wie etwa die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938 einräumte. Auch wenn es sich wie in diesem Fall um Waldbesitz handelte, musste die Reichsforstverwaltung gegenüber der HTO mit dem zweiten Rang, nach Einschaltung des RKFDV mit dem dritten Rang Vorlieb nehmen und ihre Ambitionen, den Forstbesitz mit allen Mitteln zu vergrößern, zurückstecken. Ebenso deutlich wird neben den Doppelgleisigkeiten, dem Konkurrenzstreben und den sich daraus ergebenden Revierkämpfen, wie schwerfällig eine überbordende NSBürokratie bei der Verteilung der Beute arbeitete. Dem Wesen eines totalitären Staates entsprechend bedurfte jede Handlung einer Legitimation durch ein Gesetz, eine Verordnung, einen Erlass etc. Da Reichsforstverwaltung, HTO und RKFDV sich überschneidende Ansprüche am Liegenschaftsbesitz Lanckoronski anmeldeten, gelang es während vier Jahren nicht, eine genaue Aufteilung vorzunehmen.
April 1956. Aufgrund der Einziehung zugunsten des Deutschen Reiches dürften diese Anträge höchstwahrscheinlich an die zuständige FLD für Steiermark in Graz abgetreten worden sein. 1011 Zl. 174.520–35/51
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
3.3.8. Waldgut Sabine Perlberger Gut Kirchbach: Gut Hintersdorf: Zusätzlich: Gesamtausmaß: Eigentümerin am 13. März 1938: Eigentumsübertragung auf:
Vermögensentziehung:
1012 RGBl. I S. 1709/1938. 1013 RGBl. I S. 1270/1940.
EZ 370 der NÖ Landtafel KG Kirchbach EZ 481 der Landtafel für Wien und NÖ (Ger. Bez. Wien) EZ 205 KG Gugging (Ger. Bez. Klosterneuburg) EZ 73 KG Kirchbach EZ 100 KG Hintersdorf (Ger. Bez. Tulln) 216,2120 ha Sabine (Scheindl) Perlberger Eine verbücherte Eigentumsübertragung auf das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) ist bis zum 8. Mai 1945 nicht erfolgt. Beschlagnahme von Teilen des Gutes (Gebäude) im März 1938 zugunsten der JH; Zwangsveräußerungsauftrag des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ gem. § 6 der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938“1012 mit Bescheid vom 3. April 1940, Bestellung eines „Verkaufstreuhänders; Anordnung der kommissarischen Verwaltung und Beschlagnahme vom 13. März 1941 durch die „Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich“, gem. §§ 1, 2 und 5 der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. November 19401013“; Kaufvertrag vom 28. Juni bzw. 20. Juli 1943 zwischen dem von der „Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich“ eingesetzten kommissarischen Verwalter und der Reichsforstverwaltung; Einziehung des Veräußerungserlöses und der bis zum Stichtag erzielten Verwaltungsüberschüsse mit Bescheid der „Haupttreuhandstelle Ost, Sonderab-
3.3. Fallbeispiele
Heutige Eigentümer:
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teilung Altreich“ vom 3. November 1943 gem. §§ 1, 2, 9 und 12 der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. November 1940“ Privatpersonen; eine Liegenschaft steht im Eigentum eines Rechtsnachfolgers von Sabine Perlberger.
Sabine (Scheindl) Perlberger, polnische Staatsbürgerin, Jüdin, war am 13. März 1938 in Wien 2, Aspernbrückengasse 4, wohnhaft. Das Haus stand in ihrem Eigentum. Neben diesem Haus besaß sie das in ihrem Alleineigentum befindliche „Waldgut Perlberger“, ein aus mehreren Teilen bestehendes, ursprünglich 320 ha großes Gut mit ca. 225 ha Waldanteil, das sie 1929 durch Kaufverträge und im Erbwege nach ihrem in diesem Jahr verstorbenen Ehemann Jakob Perlberger erworben hatte. Das Gut Perlberger lag zum größten Teil im Bezirk Tulln, wobei sich der kleinere Teil von der Ortschaft Hintersdorf nach Gugging erstreckte. Die Liegenschaft in Gugging befand sich somit in dem von den Nationalsozialisten erweiterten „Groß-Wien“, im 26. Bezirk. Der größere Teil des Gutes zog sich von der Ortschaft Hintersdorf gegen Süden, östlich von Oberkirchbach, bis zur Siedlung „Steinriegl“, wobei dieser Hauptkomplex mit rund zwei Drittel seines Umfangs unmittelbar an Staatsforstbesitz grenzte, der vom Forstamt Wien-Neuwaldegg verwaltet wurde. Der kleinere Teil grenzte wiederum an das von den Nationalsozialisten entzogene, ursprüngliche Gut von Oskar Ehrmann.1014 Bereits im März 1938 erhielt Sabine Perlberger von der Ortsgruppe der NSDAP St. Andrä Wördern die Verständigung, dass das Gut zugunsten der HJ beschlagnahmt wurde. Es folgten wiederholte Aufforderungen des Bürgermeisters von Hintersdorf, auf das Gut „freiwillig“ zu verzichten. Sabine Perlberger weigerte sich.1015 Am 6. August 1938 schlug der Kreisleiter der NSDAP-Kreisleitung Tulln als „beauftragter Vertrauensmann des Staatskommissars in der Privatwirtschaft“ in einem Schreiben an Staatskommissar Walter Raffelsberger bzw. die Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (VVSt.) vor, den auch vom „zuständigen SA Führer empfohlenen“ Jäger Robert Wiesmayer aus Hintersdorf, der bereits auf dem Waldgut Perlberger tätig war, im Sinne des „Gesetzes über die Bestellung von kommissarischen Verwaltern und kom-
1014 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Beschreibung und Schätzung des Gutes Perlberger in Hintersdorf, o. D. 1015 ������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Beschwerde Sabine Perlberger an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, eingebracht von Rechtskonsulent Dr. Lucian Dauber, 19. April 1940.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
missarischen Überwachungspersonen“ vom 13. April 19381016 zum kommissarischen Verwalter im Hinblick auf die „eheste Arisierung“ des Gutes zu bestellen.1017 Nach diesen Bestimmungen konnte der Reichsstatthalter „in Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen für Unternehmungen, die ihren Sitz im Lande Österreich haben“ auf Kosten der Unternehmen kommissarische Verwalter bestellen, die „zu allen Rechtshandlungen für die Unternehmung“ befugt waren und dessen Weisungen Folge zu leisten war. Für die Dauer der Verwaltung ruhte die Handlungsbefugnis des Unternehmensinhabers. Tatsächlich wurde wenig später der gerichtlich beeidete Sachverständige für Güterschätzung und Konsulent für das Forstwesen, Forstrat Ing. Franz Hörander, Wien 14, Penzingerstraße 116, von der VVSt. zum kommissarischen Verwalter bestellt. Zunächst bekundete die Gemeinde Hintersdorf bei der VVSt. ihr „Interesse“ an sämtlichen Acker- und Wiesenflächen und einzelnen Parzellen des Gutes Perlberger für die Wasserversorgung des Ortes. Die VVSt., die das Regierungsforstamt Wien-Niederdonau eingeschaltet und in einem Schreiben vom 22. September 1938 eine Stellungnahme zu den Erwerbsabsichten der Gemeinde Hintersdorf abgegeben hatte, ersuchte den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, am 19. Oktober 1938 um Mitteilung, ob eine Übernahme der Güter von Sabine Perlberger und Oskar Ehrmann durch die Reichsforstverwaltung beabsichtigt sei.1018 Daraufhin setzte Güde die VVSt. in Kenntnis, dass die „Arisierung“ zur „Arrondierung des Staatsforstbesitzes“ erfolgen werde.1019 Diese Sicherung der Rangordnung durch die Reichsforstverwaltung erfolgte ohne Wissen und Verkaufsabsicht der Eigentümerin Sabine Perlberger, die spätestens Ende des Jahres 1938 nach Polen geflüchtet und nunmehr in Krakau, Sarego 16, wohnhaft war. Die NS-Behörden gingen andererseits auch nicht mit dem sonst üblichen Zwangsapparat vor, handelte es sich doch bei Sabine Perlberger um eine Ausländerin, die noch einen gewissen Schutz genoss, der es ihr erlaubte, in dieser Phase mit Mut aufzutreten. Auch die Bestimmungen der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom 18. Juli 1938, die am 20. November 1938 in Kraft traten und mit ihrem breiten Ermessensspielraum den Reichsstatthalter im Lande Österreich ermächtigten, das Vermögen vor allem geflüchteter Juden auch mit ausländischer Staatsangehörigkeit 1016 GBlfdLÖ Nr. 80/1938. 1017 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Der beauftragte Vertrauensmann des Staatskommissars in der Privatwirtschaft, Der Kreisleiter der NSDAP Kreisleitung Tulln, an Staatskommissar Walter Raffelsberger, 6. August 1938. 1018 �������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, VVSt. an den Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Julius Güde, 19. Oktober 1938. 1019 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Aktenvermerk der VVSt. zur GZ 11590/38, 15. November 1939.
3.3. Fallbeispiele
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zugunsten des Landes Österreich einzuziehen, wurden nicht angewendet. Sabine Perlberger war es auch noch unmittelbar vor ihrer Flucht möglich, am 16. Dezember 1938 bei der Creditanstalt-Bankverein einen Kredit über RM 70.000,-- aufzunehmen, der möglicherweise mit Fluchtvorbereitungen in Zusammenhang stand und auf ihren Liegenschaften hypothekarisch besichert wurde.1020 Auch die „Übersiedlung der Wohnungseinrichtung“ konnte mit „Genehmigung aller zuständigen Behörden“ vorgenommen werden.1021 Bis zum 17. April 1939 geschah auch in Sachen Zwangsverkauf des Gutes nichts. An diesem Tag fand eine Besprechung unter dem Vorsitz von Julius Güde statt, an der auch Vertreter der „Deutschen Ansiedlungsgesellschaft“ (DAG) teilnahmen, welche Ankaufsabsichten bezüglich der landwirtschaftlichen Flächen bekundeten. Bei dieser Verhandlung über fremdes Gut wurde dem kommissarischen Verwalter Franz Hörander nahegelegt, Sabine Perlberger zu einem „freiwilligen Verkauf“ zu veranlassen. Diese beauftragte ihren in ihrem Haus in Wien verbliebenen Schwiegersohn Löbel Goldstoff, mit Hörander in „unverbindliche Vorverhandlungen“ zu treten. Hörander berichtete in einem Schreiben an das Regierungsforstamt Wien-Niederdonau vom 7. Mai 1939 von Perlbergers anfänglichem Widerwillen zu verkaufen und ihrer nunmehrigen „Einsicht, daß sie unter den gegebenen Verhältnissen nicht auf die Erzielung des vollen Verkehrswertes für das Gut rechnen könne“. Für Perlberger liege „andererseits kein Grund vor, eine einvernehmliche Lösung durch einen zu hohen Abschlag vom Verkehrswert zu honorieren“. Den von Goldstoff genannten Kaufpreis von RM 200.000,-- als Verhandlungsbasis stufte Hörander allerdings als weit unter dem Verkehrswert liegend ein und stellte bei einem weiteren „Entgegenkommen“, vor allem durch die gewünschte Überweisung eines Teiles des Kaufpreises in polnischer Währung, „bedeutende Preisnachlässe“ in Aussicht.1022 Ein weiteres Schreiben Höranders vom 2. Juli 1939 zeugt von dem Kampf, den Sabine Perlberger um ihr Gut führte. Sie schlug nunmehr einen Gütertausch der landwirtschaftlichen und nicht an Staatswald grenzenden Waldflächen mit einer von ihr genannten nichtjüdischen Person vor, die Liegenschaftsbesitz in Polen hatte. Die restlichen Waldflächen würde sie sodann an die Reichsforstverwaltung veräußern.1023 Tatsächlich 1020 Hier stellvertretend ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, C-Blatt des Grundbuchauszugs EZ 370 Landtafel für Niederösterreich, Auszug des Amtsgerichts Wien (Grundbuchgericht), 26. Oktober 1940. 1021 ������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Beschwerde Sabine Perlberger an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, eingebracht von Rechtskonsulent Dr. Lucian Dauber, 19. April 1940. 1022 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Forstrat Ing. Franz Hörander an das Regierungsforstamt Wien-Niederdonau, 7. Mai 1939. 1023 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Forstrat Ing. Franz Hörander an das Regierungsforstamt Wien-Niederdonau, 2. Juli 1939.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
ersuchte Franz Hörander „im Hinblick auf das lebhafte Interesse der Reichsforstverwaltung an dem Erwerb“ die Devisenstelle Wien um entsprechende Weisungen, inwiefern Sabine Perlberger die „Transferierung wenigstens eines Teiles des Kaufschillings, mit dem sie sich begnügen würde, gestattet werde“.1024 Die von Sabine Perlberger vorgeschlagene „Lösung“ des Tausches ihrer landwirtschaftlichen Flächen, „der zu einem beiderseits zufriedenstellenden Resultat führen könnte“, wurde jedoch von der DAG abgelehnt. Die DAG bestand darauf, dass das Gut einschließlich der landwirtschaftlichen Teile an die Reichsforstverwaltung veräußert werde, danach sollte es zu einer Abtretung dieser Flächen an sie kommen. Am 15. August 1939 diktierte Julius Güde dem in sein Amt zitierten Löbel Goldstoff einen Kaufvertrag. Güde stellte darin einen Kaufpreis in Höhe von RM 195.000,-- in Aussicht, der zunächst treuhändig auf ein Konto der Creditanstalt-Wiener Bankverein erlegt werden und für die Lastenfreistellung des Gutes Verwendung finden sollte. Der Rest würde einem „Auswanderersperrkonto“ zugeführt werden, über welches nur mit Zustimmung der Devisenstelle Wien verfügt werden dürfe. Goldstoff wurde eine Frist von zwei Monaten eingeräumt, um die Zustimmung Sabine Perlbergers zu diesem Vertrag einzuholen.1025 Trotz dieser radikaleren Gangart, die sichtlich mit der Zuspitzung der politischen Lage korrelierte, war Güde bestrebt, einen scheinlegalen Kaufvertrag zustande zu bringen. Dies entsprach Güdes allgemeiner Linie, die er den Landesforstämtern nach Abtretung der Fälle im Oktober 1942 als „praktischen Fingerzeig“ darlegte, nämlich zu versuchen, „es zu erreichen, daß der jüdische Eigentümer oder sein Verkaufsbevollmächtigter den jüdischen Grundbesitz freihändig veräußert“.1026 Wenige Tage vor dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 ersuchte er das Passamt des Polizeipräsidenten Wien in einem Schreiben um eine „ein oder zweimalige Ausreisebewilligung für den Juden Löbel Goldstoff nach Krakau“, damit sich dieser eine Vollmacht Sabine Perlbergers für den Vertragsabschluss besorgen könne.1027 Am 26. September 1939 hielt Ing. Julius Güde in einem Aktenvermerk fest, dass „ein weiteres Zuwarten im Hinblick darauf, daß das Gut einer ausländischen polnischen Jüdin gehört, nicht gerechtfertigt werden kann, und die Ergreifung von Zwangsmaß1024 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Forstrat Ing. Franz Hörander an die Devisenstelle Wien, 23. August 1939. 1025 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Gedächtnisnotiz des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben in Wien“, Ing. Julius Güde, 15. August 1939. 1026 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA 1943, Sig. 13, Kt. 47, GZ 3813/42, Behandlung von Grundstücksangelegenheiten bzw. Liquidierung des Aufgabenkreises des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, an die Landesforstämter Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt, 2. Oktober 1942. 1027 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Wien“, Güde, an den Polizeipräsidenten Wien, Passamt, o. D.
3.3. Fallbeispiele
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nahmen hinsichtlich des polnischen Judenbesitzes wohl dermalen keinem Anstand mehr unterliegen dürfte“. Er teilte nunmehr die Ansicht seines Mitarbeiters im „Amt des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Franz Hackermüller, dass „mit Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse“ bis zum vereinbarten Termin am 15. Oktober 1939 „kaum ein rechtsverbindliches Anbot (sic!) von der polnischen Jüdin eintreffen“ werde. Es sei wie im Fall Dr. Porada mit Zwangsmaßnahmen vorzugehen, weswegen Güde das Reichsforstamt ersuchte, ihn zu ermächtigen, im Sinne der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 19381028 tätig zu werden, falls nicht ohnehin vorgesehen sei, den Besitz feindlicher Ausländer im Deutschen Reich zu beschlagnahmen und zu enteignen.1029 Güde stellte daher sein Einschreiten von vornherein als zweitrangige Alternative dar. Von seinem Ermächtigungsansuchen informierte er auch die DAG. Es dauerte bis zum 19. Februar 1940, ehe der Erlass des Reichsforstmeisters einlangte, im Fall Sabine Perlberger die „Zwangsarisierung“ vorzunehmen. In dem Bescheid vom 3. April 1940 trug der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Wien“ Sabine Perlberger gemäß § 6 der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938“ im Einvernehmen mit der Oberen Siedlungsbehörde auf, ihr 320 ha großes Waldgut mit rund 225 ha Waldanteil zu veräußern. Dieser Zwangsveräußerungsauftrag war mit der Auflage verbunden, dass die Veräußerung der forstwirtschaftlichen Teile des Gutes an die Reichsforstverwaltung, der landwirtschaftlichen Teile an die DAG „im Hinblick auf die vorliegenden öffentlichen Interessen“ zu erfolgen habe. Gemäß § 2 der Verordnung wurde „zur Durchführung der Veräußerung und zur einstweiligen Fortführung des aufgegebenen Betriebes“ ein Treuhänder in der Person des Forstrates Ing. Franz Hörander bestellt, womit Sabine Perlberger endgültig das Recht verlor, über ihr Gut zu verfügen. Nach den Bestimmungen des § 17 Abs. 3 der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ trat bei (überwiegend) forstwirtschaftlichem Vermögen an die Stelle der für Verfügungen wie Aufträge zur Zwangsveräußerung und Treuhänderbestellung zuständigen höheren Verwaltungsbehörde die höhere Forstbehörde. Diese Behörde war zum damaligen Zeitpunkt der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde. Da das Gut auch kleinere landwirtschaftliche Flächen umfasste, war das Einvernehmen mit der Oberen Siedlungsbehörde herzustellen. Der Bescheid ließ das Rechtsmittel der Beschwerde an den Reichsforstmeister zu, die binnen zwei Wochen beim Generalreferenten einzubringen war. Da Sabine 1028 RGBl. I. S. 1709. 1029 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, Aktenvermerk und Schreiben an den Reichsforstmeister, 26. September 1939.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Perlberger, wie im Spruch des Bescheides angeführt, „unbekannten Aufenthalts“ war, die Zustellung der Verfügung somit „untunlich“ erschien, wurde diese durch Bekanntmachung im Deutschen Reichsanzeiger ersetzt, wobei der erste Tag der Bekanntmachung als Tag der Zustellung galt. Um dem Bescheid den nötigen rechtlichen Anschein zu verleihen, wurde die Maßnahme mit der Feststellung, dass es sich um jüdisches Vermögen handle, womit die „Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ zur Anwendung hatte kommen müssen, in der Begründung dadurch legitimiert, dass die Durchführung der „Zwangsarisierung“ angeordnet worden sei, da ein freihändiger Verkauf „mit Rücksicht auf die Abwesenheit der Gutsinhaberin“ nicht erfolgen konnte.1030 Tatsächlich brachte Sabine Perlberger am 19. April 1940 durch ihren Rechtskonsulenten Dr. Lucian Dauber, der „nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden zugelassen“ war, eine Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem ihr bzw. ihrem Treuhänder die Veräußerung ihres Gutes aufgetragen worden war, ein. Sie zählte darin ohne Anzeichen von Einschüchterung sämtliche bisherige Erpressungsversuche auf, mit denen versucht worden war, ihr das Gut wegzunehmen und schloss mit den Worten: „Ich bin nicht gewillt, das Gut freiwillig zu verkaufen. Es würde daher der Verkauf des Gutes durch den für mich bestellten Treuhänder meinem Willen nicht entsprechen.“ Wenn schon eine „Enteignung nach dem Gesetze“ vorgenommen werden würde, hätte diese unter anderen Voraussetzungen zu erfolgen, weswegen sie die Aufhebung des Bescheides beantragte.1031 In einer Eingabe an den zuständigen Reichsforstmeister in Berlin vom 7. Mai 1939 beantragte Julius Güde die Abweisung der Beschwerde, da der angefochtene Bescheid „den gesetzlichen Voraussetzungen“ entspreche. Dies führte Güde wiederum darauf zurück, dass sich die „beschwerten Zwangsmaßnahmen“ auf die Ermächtigung des Reichsforstmeisters stützten. Außerdem seien die im Bescheid verfügten Maßnahmen notwendig gewesen, weil, wie in der Beschwerde selbst ausgeführt worden war, die Gutsbesitzerin nicht gewillt sei, das Gut freiwillig zu verkaufen.1032 Diese Argumentation machte jede Beschwerde zwecklos, die auch folglich vom Reichsforstmeister in Berlin abgewiesen wurde. Bereits am 5. April 1940, daher zwei Tage nach Erlass des Bescheids des Generalreferenten, waren der „Verkaufsauftrag“ und die Treuhänderbestellung im 1030 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Bescheid gemäß §§ 6 und 17 Abs. 3 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938, GZ 959/1940, 3. April 1940. 1031 ������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Beschwerde Sabine Perlberger an den „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, eingebracht von Rechtskonsulent Dr. Lucian Dauber, 19. April 1940. 1032 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, an den Reichsforstmeister, 7. Mai 1940.
3.3. Fallbeispiele
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Grundbuch der Liegenschaften angemerkt worden, was verdeutlicht, welche Bedeutung die Machthaber den Rechtsmitteln gegen ihre Entscheidungen beimaßen. Entsprechend dem nunmehrigen Vorhaben, einen geteilten Kauf durchzuführen, mussten die Liegenschaften parzellenweise getrennt werden, denn es hatte sich herausgestellt, dass die Waldflächen wegen notwendiger Verbindungen untereinander nur g emeinsam mit einigen landwirtschaftlichen Flächen angekauft werden konnten, genauso wie der DAG auch Jungwald überlassen werden musste. Diese Aufteilung nahm wieder einige Monate in Anspruch, sodass Forstrat Hörander erst am 23. Oktober 1940 von Güde in Ergänzung des Veräußerungsauftragsbescheids angewiesen wurde, den forstwirtschaftlichen Teil im Gesamtausmaß von rund 217 ha um den Kaufpreis von RM 100.000,-- an die Reichsforstverwaltung und den restlichen, landwirtschaftlichen Teil im Gesamtausmaß von rund 102 ha um den Kaufpreis von RM 68.000,-- zu veräußern.1033 Die Reduzierung des ursprünglichen Kaufpreises von RM 195.000,-- auf RM 168.000,-- rechtfertigte Güde damit, dass infolge „des Verschleppens durch die Eigentümerin“ Zwangsmaßnahmen notwendig geworden waren: „Es wäre unbillig, der Jüdin bei Anordnung des Zwangsverfahrens denselben Preis zuzugestehen, als ihr bei freiwilligem Verkaufe zugedacht war.“1034 Güde musste bekannt sein, dass Sabine Perlberger nach damaliger „Rechtslage“ keine RM mehr zur freien Verfügung zugekommen wäre. Am 13. März 1941 schaltete sich ein mächtiger Konkurrent ein. „Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich in Berlin“, ordnete die kommissarische Verwaltung des Waldgutes Perlberger an und sprach zugleich dessen Beschlagnahme aus. Diese Maßnahme erfolgte aufgrund der §§ 1, 2 und 5 der Verordnung des „Vorsitzenden des Ministerrats für die Reichsverteidigung und Beauftragten für den Vierjahresplan“, Reichsmarschall Göring, „über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940“.1035 Gemäß § 1 Abs. 1 unterlag „Vermögen von (nichtdeutschen1036) Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates … innerhalb des Großdeutschen Reiches einschließlich der eingegliederten Ostgebiete der Beschlagnahme, kommissarischen Verwaltung und Einziehung“, sofern die in § 2 genannten Voraussetzungen zutrafen. Demnach war gemäß § 2 Abs. 1 die Beschlagnahme bei „Vermögen von Juden und Personen, die geflüchtet oder nicht nur vorübergehend abwesend sind“, auszusprechen („Ist“-Bestimmung). Ge1033 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Güde, an Forstrat Ing. Franz Hörander, 23. Oktober 1940. 1034 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Güde, Aktenvermerk zur GZ 4.640/1940, 23. Oktober 1940. 1035 RGBl. I S. 1270. 1036 Begriffsbestimmung siehe § 1 Abs. 2 der VO vom 17. September 1940.
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mäß § 5 Abs. 1 konnte über Vermögen, das der Beschlagnahme unterlag, die kommissarische Verwaltung angeordnet werden, „sofern es die ordnungsgemäße Bewirtschaftung erfordert“. Die Anordnung der kommissarischen Verwaltung galt gleichzeitig als Beschlagnahme (§ 5 Abs. 1). § 11 sah die Eintragung von kommissarischer Verwaltung und Beschlagnahme im Grundbuch vor, die in diesem Fall auch erfolgte.1037 Als weiterer Schritt war gemäß § 9 der Verordnung die Einziehung des Vermögens „durch die zuständige Stelle“ zugunsten des Deutschen Reichs vorgesehen, die erfolgen konnte, „wenn es das öffentliche Wohl, insbesondere die Reichsverteidigung oder die Festigung deutschen Volkstums erfordert“. „Zuständige Stelle“ war nach § 12 der „Beauftragte für den Vierjahresplan – Haupttreuhandstelle Ost“, für landwirtschaftliches Vermögen der „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“. Der am 19. Oktober 1939 durch einen Geheimerlass Hermann Görings als Dienststelle des „Beauftragten für den Vierjahresplan“ gegründete „Haupttreuhandstelle Ost“ (HTO) diente diese Verordnung als bedeutendste Rechtsgrundlage zur Erfassung, Verwaltung und „Verwertung“ des Vermögens des polnischen Staates und seiner Bürger, der Regelung des Geld- und Kreditwesens sowie der Durchführung von Maßnahmen, die der „Germanisierung“ Polens dienten.1038 Die HTO verfügte unter anderem über eine in Berlin ansässige „Sonderabteilung Altreich“, die unter der Leitung des Majors Dr. Karl Reetz stand und für die „Verwertung“ des Vermögens der im „Altreich“ lebenden polnischen Staatsangehörigen zuständig war. Nur wenige Tage nach der für die Reichsforstverwaltung bzw. DAF einschneidenden Beschlagnahme des Gutes appellierte der nach der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ eingesetzte Treuhänder Franz Hörander in einem Schreiben an die HTO, „Sonderabteilung Altreich“, sämtliche Maßnahmen aufzuheben und im Grundbuch zu löschen, um „weitere Verzögerungen bei der Übergabe an die Reichsforstverwaltung und an die DAG“ zu vermeiden. Den „Stand der Dinge“ konnte er aber nicht verheimlichen: Im Dezember 1940 war ein mit der DAG ausgehandelter umständlicher Teilungsplan der Liegenschaften in den Grundbüchern angemerkt worden, zum Zeitpunkt der Beschlagnahme fehlten trotz Vorliegens eines Kaufvertragsentwurfs sämtliche Regelungen bezüglich der zu bestellenden Servituten. Hörander schlug deshalb in seinem Schreiben der HTO vor, statt der Beschlagnahme des Gutes den eingehenden Kaufpreis nach Abdeckung der auf den Liegenschaften lastenden Hypo-
1037 Hier stellvertretend ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, CBlatt des Grundbuchauszuges EZ 370 Landtafel für Niederösterreich, Auszug des Amtsgerichts Wien (Grundbuchgericht), 26. Oktober 1940. 1038 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Bernhard Rosenkötter, Treuhandpolitik. Die „Haupttreuhandstelle Ost“ und der Raub polnischen Vermögens 1939–1945, Essen 2003, S. 81f.
3.3. Fallbeispiele
367
thek einzuziehen.1039 Er fand dabei die vollste Unterstützung des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“, Julius Güde, vor allem als dieser erfuhr, dass die HTO von der Beschlagnahme des Gutes nur Abstand nehmen werde, wenn der von ihrem Sachverständigen ermittelte Kaufpreis in der Höhe von RM 254.000,-- gezahlt werde.1040 Güde gab in seinem Protestschreiben an das Reichsforstamt vom 22. Juli 1941 zu bedenken, dass „aus der Erhöhung des Kaufpreises nur die polnische Jüdin profitiere“. (sic!) Da dies „nicht einzusehen“ sei, müsse die Einziehung des Kaufpreises zugunsten des Deutschen Reiches sofort nach der Bezahlung ausgesprochen werden, wobei Güde nicht an die HTO, sondern an eine „finanzielle Auseinandersetzung“ mit dem Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau dachte, womit er eine weitere Behörde ins Spiel brachte. Außerdem ersuchte er, auf die HTO Einfluss zu nehmen, dass es „zu recht unangenehmen Doppelgleisigkeiten“ führe, wenn das von einem Treuhänder unter Aufsicht der Reichsforstverwaltung geführte Gut von einer anderen Stelle beschlagnahmt werde und nicht der bestellte Treuhänder, „sondern ein Branchenfremder zum kommissarischen Verwalter ernannt“ werde. Indem er das Reichsforstamt ersuchte, beim Reichsführer SS und der HTO „vorstellig zu werden, daß Bestellungen von kommissarischen Verwaltern für beschlagnahmte Güter seitens der Staatspolizeileitstelle und seitens der Haupttreuhandstelle nur im Einvernehmen mit mir in der Zukunft erfolgen“, 1041 versuchte Güde sichtlich, seine Kompetenz durch diesen Anlassfall zu stärken. Jedenfalls den Vorwurf der „Branchenfremdheit“ konnte die HTO wenig später mit der Bestellung des Forstrats Ing. Franz Hörander zum kommissarischen Verwalter des Gutes entkräften. Zwei Hermann Göring unterstehende, aber streng voneinander getrennte Dienststellen standen einander blockierend gegenüber. Ein ordnender Eingriff „von oben“ erfolgte nicht. Die Höhe des Kaufpreises, die zwei divergierenden Schätzgutachten entsprang, wurde nun zum eigentlichen Streitpunkt. Julius Güde legte seinem Schreiben an das Reichsforstamt vom 22. Juli 1941 ein Schätzgutachten vom Juli 1939 bei, welches von Ing. Otto Zöhrer vom „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen im Lande Österreich“ erstellt worden war. Zöhrer hatte einen Bodenwert nach Gütestufen des Holzes in Höhe von RM 29.961,--, einen Bestandswert nach einer Näherungsformel, unterteilt in Holzvorräten und Festmeterpreisen, in der Höhe von RM 96.749,-- und einen Wert der Waldwiesen von RM 655,-- errechnet, was insgesamt der Summe von RM 127.365,-1039 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Ing. Franz Hörander an die HTO, Sonderabteilung Altreich, 19. März 1941. 1040 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, Aktenvermerk zur GZ 3528/1941, 22. Juli 1941. 1041 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Ing. Julius Güde, an den Herrn Reichsforstmeister, 22. Juli 1941.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
ent“sprach. Zusammen mit den landwirtschaftlichen Flächen ergab dies den ursprünglich Sabine Perlberger angebotenen Verkaufswert von RM 195.053,--.1042 Diesem Gutachten stand ein Gutachten des Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau gegenüber: Auf ein Schreiben des Reichsforstmeisters an die HTO, „Sonderabteilung Altreich“, vom 1. Oktober 1941, die Gründe darzulegen bzw. das Schätzgutachten zu übermitteln, um die Erhöhung des Kaufpreises auf RM 254.000,-- zu rechtfertigten,1043 langte am 25. April 1942, daher über ein Jahr nach der Beschlagnahme des Gutes durch die HTO, die Antwort ein. Die HTO erklärte nunmehr, die Kaufverträge nur zu genehmigen, wenn die Reichsforstverwaltung und die DAG bereit wären, für das Gut anstelle der ursprüng lichen RM 168.000,-- (Reichsforstverwaltung RM 1000.000,--, DAG RM 68.000,--) und der bisher vorgesehenen RM 254.000,-- den Kaufpreis von RM 281.499,-- zu bezahlen, wobei diesmal besagtes Gutachten beigelegt wurde. Güde hielt fest, dass „der Herr Oberfinanzpräsident die Preiserhöhung verursacht bzw. gefördert hat“, beschwerte sich in einem Schreiben an das Reichsforstamt über diese „Art von Preistreiberei“1044 und zerpflückte das Gutachten gegenüber dem OFP Wien Niederdonau mit recht freizügigen und belehrenden Worten, wobei es ihm sichtlich Genuss bereitete, sein Fachwissen gegenüber dem „Branchenfremden“ zu präsentieren. Er errechnete aus dem Gutachten Zöhrer des Jahres 1939 wiederum einen Hektarpreis von RM 461,--, verglich diesen recht aufschlussreich mit den „bisher für ehemals jüdische Forstgüter vom Herrn Reichsminister der Finanzen bewilligten Kaufpreisen“ in dieser Gegend, wie dem Gut Jaidhof-Gföhl (RM 420,--/ha), dem Gut Matzen (RM 463,--/ ha) oder dem Hagengut (RM 255/ha), und stellte diese Zahlen dem „außerordentlich hohen und anfechtbaren“ Hektarpreis des Gutachtens des Oberfinanzpräsidenten von RM 705,-- gegenüber. Besonders konnte sich Güde darüber ereifern, dass der Oberfinanzpräsident der Kapitalisierung der Ertragswerte einen anderen Zinsfuss zugrunde gelegt hatte als der ihm vorgesetzte Reichsfinanzminister. Das Ergebnis der Berechnung der Holzgüteklassen und der Festmeterpreise tat er unter dem Hinweis als „Phantasiezahlen“ ab, dass ein Altlärchenbestand berechnet wurde, den es im Wald gar nicht gab. Güde ersuchte in seinem Schreiben an den Oberfinanzpräsidenten vom 4. Mai 1942 1042 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Beschreibung und Schätzung des Gutes Perlberger in Hintersdorf, Ing. Otto Zöhrer, „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen im Lande Österreich, 4. Juli 1939. 1043 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Der Reichsforstmeister an den „Beauftragten für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich“, 1. Oktober 1941. 1044 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, „Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Güde, an den Reichsforstmeister, 4. Mai 1942.
3.3. Fallbeispiele
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nicht nur um baldige Revision des Gutachtens, sondern benutzte die scheinbar günstige Gelegenheit, mit einem Verweis auf den jüngsten Erlass des RMF vom 25. April 1942 „zur Durchführung des Erlasses des Führers über die weitere Vereinfachung der Verwaltung vom 25. Januar 1942 für die Dauer des Krieges“,1045 wonach die in Verwaltung der Reichsfinanzverwaltung (des Oberfinanzpräsidenten) übergegangenen Reichsliegenschaften an andere Reichsdienststellen bis auf Weiteres ohne „Werterstattung“ überlassen werden durften.1046 Dies war aber insofern illusorisch, als das Gut noch immer unter der Beschlagnahme der HTO stand. Aufgrund des Erlasses des Reichsforstmeisters vom 7. Oktober 1942 betreffend „Behandlung von Grundstücksangelegenheiten“1047 und der gemeinsamen Besprechung des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ mit Ministerialdirektor Mahler vom Reichsforstamt am 15. November 1942 in Wien, wurden die örtlich zuständigen Landesforstämter mit sämtlichen Grunderwerbungen, auch mit der Fortführung der beim Generalreferenten bereits laufenden Verfahren und somit auch mit dem Erwerb jüdischer Forstgüter betraut, das „Amt des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ trat in Liquidation.1048 Ausnahmen konnten jedoch jederzeit per Erlass des Reichsforstmeisters verfügt werden, was der Übersicht nicht gerade dienlich war. So benachrichtigte der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“, Ing. Julius Güde, das Landesforstamt Wien am 24. November 1942, dass einige der laufenden Fälle, wie jener des Waldgutes Perlberger, von ihm als Leiter des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ „weiter verhandelt und durchgeführt werden“.1049 Güde erreichte mit seinem heftigen Auftreten beim Oberfinanzpräsidenten – das Schreiben ließ er der HTO in Abschrift zukommen – zwar keine Überlassung des Gutes ohne „Werterstattung“, jedoch eine wesentliche Reduktion des Kaufpreises: Nachdem ihn die HTO ermächtigt hatte, schloss der kommissarische Verwalter Ing. Franz Hörander mit der DAG und am 28. Juni bzw. 20. Juli 1943 mit der Reichsforstverwaltung, vertreten durch den Leiter des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen in Wien“, Ing. Julius Güde, Kaufverträge über das Waldgut Perlberger ab. Die Reichsforstverwaltung 1045 Nr. 3995 Weitere Vereinfachungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Reichshaushaltswesens, abgedruckt in: Reichshaushalts- und Besoldungsblatt, 21. Jhg., Nr. 11, Berlin, 12. Mai 1942. 1046 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, an den Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau, 4. Mai 1942. 1047 GZ B 301.02 Gen.Ref.–1. 1048 ���������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, 1942, Sig. 13, Kt. 41, GZ 4185/42, „Grundbesitz der Jüdin Neumann-Ditterswald in der KG St. Gilgen“, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben, Güde, an das Landesforstamt in Salzburg, 9. November 1942. 1049 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste an Ing. Julius Güde, 3. Februar 1947.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
erwarb jenen Teil des Gutes mit den Liegenschaften EZ 370 und 481 des „Grundbuches über landtäfliche Liegenschaften in Wien und Niederdonau“ sowie den Liegenschaften EZ 205 KG Gugging, EZ 73 KG Kirchbach und EZ 100 KG Hinterdorf mit einer Gesamtfläche von 216 ha um den Kaufpreis von RM 153.700,--.1050 Der Kaufvertrag war aber insofern unfertig, als die endgültige Aufteilung zwischen Reichsforstverwaltung und DAG noch immer nicht abgeschlossen war. So wurden zahlreiche Abtretungen kleinerer Liegenschaftsteile einer künftigen Regelung vorbehalten. Zwei Bestimmungen im Kaufvertrag sollten noch weitreichende Bedeutung erlangen: So verpflichtete sich die HTO, die Hypothek in der Höhe von RM 70.000,-- zur Löschung zu bringen. Andererseits wurde als Stichtag für die Übergabe „in den tatsächlichen Besitz des Käufers“ der 1. April 1943 vereinbart, daher ein Datum, das vor Abschluss des Kaufvertrags lag, zu dem Zufall und Gefahr bzw. die Verrechnung der Nutzungen und Verbindlichkeiten auf den Käufer übergingen. Sollten bis zu diesem Tag die zur Rechtswirksamkeit des Kaufvertrags vorbehaltenen Genehmigungen noch nicht erteilt worden sein, wurde weiters vereinbart, dass die Besitzübergabe sogleich nach Erhalt der Genehmigungen, jedoch mit Rückwirkung auf den 1. April 1943 zu erfolgen habe.1051 Die Einholung der angesprochenen Genehmigungen für die beiden Kaufverträge führte zu weiteren Verzögerungen: Die eigentliche Genehmigung nach der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates“ durch die HTO, „Sonderabteilung Altreich“, die Voraussetzung für alle weiteren war, erfolgte erst mit Bescheid vom 3. November 1943. Gleichzeitig wurde mit diesem Bescheid nach den §§ 1, 2, 9 und 12 dieser Verordnung die Einziehung des Veräußerungserlöses und der bis zum 1. April 1943, dem Tag des Übergangs der Nutzungen und Lasten, erzielten Verwaltungsüberschüsse zugunsten des Deutschen Reiches (Beauftragter für den Vierjahresplan – HTO) ausgesprochen. Die Zahlung des Kaufpreises durch die Reichsforstverwaltung hatte daher auf ein Konto der HTO bei der „ReichskreditGesellschaft AG“ zu erfolgen.1052 Mit einem Teil der Kaufsumme wollte die HTO wiederum die auf den Liegenschaften lastende Hypothek in Höhe von RM 70.000,-- tilgen. Zur Rechtswirksamkeit des Vertrags waren weiters die Genehmigungen des Reichsforstmeisters im Einvernehmen mit dem RMF bezüglich der Höhe des Kaufpreises und des 1050 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Kaufvertrag, abgeschlossen zwischen dem Verkäufer, Forstrat Ing. Franz Hörander, und dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) als Käufer, 20. Juli 1943. 1051 Ebda., Art. III, S. 4 und Art. VII, S. 7. 1052 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, „Der Beauftragte für den Vierjahresplan“, HTO, Sonderabteilung Altreich, Bescheid über Genehmigung und Einziehung, 3. November 1943.
3.3. Fallbeispiele
371
Landesforstamtes Wien-Niederdonau als nunmehrige „höhere Forstbehörde“ im Sinne der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938“ nötig, die erst mit Erlass vom 15. Juni 1944 bzw. Bescheid vom 20. Juni 1944 erfolgten. 1053 Eine Genehmigung der Devisenstelle Wien war infolge der Einziehung des Kaufpreises durch die HTO nicht mehr notwendig, jedoch dauerte die diesbezügliche Klärung bis Juli 1944,1054 sodass die tatsächliche Übergabe des Gutes an die Reichsforstverwaltung erst am 5. August 1944 mit Rückwirkung auf den 1. April 1943 stattfinden konnte. Mit diesem Tag ging die Verwaltung und Betriebsführung des Gutes vom kommissarischen Verwalter Ing. Franz Hörander auf die Reichsforstverwaltung über. Das Gut wurde im Einvernehmen zwischen dem Landesforstamt Wien-Niederdonau und dem „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ organisatorisch dem Forstamt Neuwaldegg-Wien angegliedert. In der „Niederschrift über die Übernahme bzw. Übergabe“ wurde festgehalten, dass die vorgeschriebene Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfolgen konnte, da die HTO ihrer Verpflichtung im Kaufvertrag, die Hypothek zur Löschung zu bringen, noch nicht nachgekommen sei, weswegen die Reichsforstverwaltung die Fälligkeit der Überweisung der Kaufsumme nicht anerkenne.1055 Ein Bombenagriff auf Berlin im Sommer 1944 vernichtete sämtliche Unterlagen der HTO, „Sonderabteilung Altreich“. In langwierigen Verhandlungen musste erst eine dahingehende Regelung gefunden werden, dass die Reichsforstverwaltung zunächst den Kaufpreis in der Höhe von RM 153.700,-- einbezahlte, was am 5. September 1944 geschah, und die HTO anschließend die Hypothek zum Erlöschen zu bringen hatte. Infolge weiterer Verzögerungen konnte die HTO erst am 1. November 1944 die ausständigen RM 70.000,-- zur Überweisung bringen und am 23. November 1944 den Löschungsantrag einreichen, sodass die grundbücherliche Löschung der Hypothek nicht mehr durchgeführt wurde. Am 28. Februar 1945 ersuchte die DAG das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ um „beschleunigte Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben“ mit Forstrat Hörander, da die Übernahme des Gutes durch die Reichsforstverwaltung praktisch mit dem 1. April 1943 erfolgt war.1056 Das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ 1053 ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Kaufvertrag, abgeschlossen zwischen dem Verkäufer Forstrat Ing. Franz Hörander und dem Deutschen Reich (Reichsforstverwaltung) als Käufer, 20. Juli 1943, S. 1. Niederschrift über die Übernahme bzw. Übergabe des Forstgutes Hintersdorf, 5. August 1944. 1054 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Der Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Wien in Abwicklung, Ing. Julius Güde, an die Devisenstelle Wien, 10. Juli 1944. 1055 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, RFV, FEA, Aktenkonvolut 939 8295 13, Waldgut Perlberger, Niederschrift über die Übernahme bzw. Übergabe des Forstgutes Hintersdorf, 5. August 1944. 1056 ÖSA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, Kt. 7, GZ 3338/44, Hintersdorf Perlberger (unerledigte Akten), DAG, Zweigstelle Wien, an das Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, 28. Februar 1945.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
hielt in einem Aktenvermerk vom 5. April 1945 fest, dass die für die Abrechnung notwendigen Akten infolge der Auflösung der „reichsdeutschen Dienststelle Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben in Liquidation“ nicht mehr bearbeitet werden konnten. Die nicht bearbeiteten Akten wären daher vorläufig „bis zum Zeitpunkt eines eventuell späteren Aufgreifens (sic!) der Angelegenheit“ zum Gesamtkonvolut zu nehmen.1057 Die grundbücherlich nicht mehr durchgeführte Löschung der Hypothek hatte zur Folge, dass auch die grundbücherliche Umschreibung auf das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) nicht mehr bewirkt werden konnte.1058 Am 8. Mai 1945 war daher in den Grundbüchern das Eigentumsrecht auf den Liegenschaften des Waldgutes Perlberger unverändert zugunsten von Sabine Perlberger einverleibt. Das organisatorisch dem Forstamt Neuwaldegg-Wien eingegliederte Gut kam trotz des zugunsten von Sabine Perlberger intabulierten Eigentumsrechts gemäß § 43 des Behördenüberleitungsgesetzes vom 20. Juli 1945,1059 das eine Fortführung der Geschäfte der Reichsforstverwaltung durch die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vorsah, in Verwaltung der Bundesforste. Bei dieser Übernahme der Verwaltung der forstlichen Liegenschaften, die seinerzeit von der Reichsforstverwaltung erworben, genutzt und verwaltet wurden, kam den österreichischen Bundesforsten im Rahmen dieser gesetzlichen Vorschrift die Stellung eines öffentlichen Verwalters zu, ohne dass es hierzu eines besonderen Bestellungsaktes bedurfte. Aufsichtsbehörde in Fragen der Verwaltung von Liegenschaften war das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung (BMfVS und WP). Die an die DAG veräußerten landwirtschaftlichen Teile des Gutes kamen in Verwaltung der „Österreichischen Ansiedlungsgesellschaft“. Offenbar hatte man aber in den ersten Monaten der Nachkriegswirren und des Chaos vergessen, den eingesetzten kommissarischen Verwalter Dipl.-Ing. Franz Hörander abzuberufen. Zu einer bei der tatsächlichen Übergabe des Gutes am 5. August 1944 vereinbarten Stichtagsabrechnung, nach der das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ den Termin für die Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten bekannt geben hätte sollen, war es nie gekommen. Als Hörander im Jänner 1946 seine Schlussabrechnung für die Verwaltung des Gutes einreichen wollte, erklärten sich sowohl der „Liquidator für die Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“, Dr. Tannhofer in der Wiener Bankgasse 1, als auch das BMfVS und WP für unzuständig. Von Letzterem wur1057 ÖSA/AdR, RFV, FEA, 1939, Sig. 13, Kt. 7, GZ 3338/44, Hintersdorf Perlberger (unerledigte Akten), „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“, Aktenvermerk, 5. April 1945. 1058 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMfVS und WP, 3. November 1947. 1059 „������������������������������������������������������������������������������������������������ Gesetz vom 20. Juli 1945 über die Überleitung der Verwaltungs- und Justizeinrichtungen des Deutschen Reiches in die Rechtsordnung der Republik Österreich“, StGBl. Nr. 94/1945.
3.3. Fallbeispiele
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de Hörander an den öffentlichen Verwalter der „Treuhandstelle Ost“, Wilhelm Holl in Wien 3., Ungargasse 18, verwiesen.1060 Dass Hörander überhaupt tätig wurde, hatte mit einer Anfrage der Finanzlandesdirektion bei ihm zu tun, da sich ein früherer Bekannter Sabine Perlbergers bei den Behörden um die Bestellung zum öffentlichen Verwalter bzw. Abwesenheitskurator bemühte.1061 Hörander hatte von dem im Kaufvertrag vereinbarten Stichtag 1. April 1943 an bis Jänner 1946 Abgaben von insgesamt RM 8.304,-- an das Finanzamt abgeführt, die durch die Erträge des Gutes gedeckt werden konnten, für weitere RM 4.550,12 hatte er jedoch um Stundung ansuchen müssen. Nach Errechnung eines komplizierten Aufteilungsschlüssels – jener zwischen Reichsforstverwaltung und DAG war unzureichend geblieben – übernahmen die Österreichischen Bundesforste sowie die „Österreichische Ansiedlungsgesellschaft“ die Begleichung der Steuerrückstände.1062 Im Zusammenhang mit dieser Schlussabrechnung steht ein Vorfall, die ein sehr bezeichnendes Licht auf Ing. Julius Güde bzw. den Umgang der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste nach 1945 mit ihm wirft: Anlässlich des Ankaufs des Waldgutes Perlberger hatte die Reichsforstkasse in Berlin dem Leiter des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ einen größeren Betrag zur Deckung der Nebenkosten wie Grunderwerbssteuer etc. überwiesen. Der verbliebene Rest von RM 3.620,-- war Ende 1944 auf ein neu eröffnetes Treuhandkonto „Kreditrest Ankauf ehem. Forstgut Perlberger“ bei der CA-Wiener Bankverein zu Gunsten des Amtes erlegt worden, um weitere Nebenkosten abzudecken, welche aber aufgrund der nicht erfolgten Stichtagsabrechnung bis Mai 1945 nicht schlagend wurden. Nach dem Mai 1945 wurde das Konto von dem Bankinstitut weitergeführt, wobei der Betrag im Sinne des Schillinggesetzes in ein Altkonto mit S 1.447,-- und in ein Altsperrkonto mit S 2.137,-- geteilt wurde.1063 Im November 1946 stieß die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste, welche die Akten des ehemaligen „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ (weiter)führte, im Zuge der Buchungen der Schlussrechnung Hörander auf einen Tagesauszug der CAWiener Bankverein, wonach vom Altkonto am 25. Juni 1946 S 1.445,-- abgehoben worden waren, sodass dieses nur mehr einen Habensaldo von S 2,-- aufwies. Das um Aufklä1060 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Forstrat Dipl. Ing. Franz Hörander an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 4. Jänner 1946. 1061 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Forstrat Dipl. Ing. Franz Hörander an Wilhelm Holl, 19. Jänner 1946. 1062 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Forstrat Dipl. Ing. Franz Hörander an die Österreichischen Staatsforste, 26. April 1946 und Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Dipl. Ing. Franz Hörander, 4. Mai 1946. 1063 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an den „Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“, 13. Jänner 1947.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
rung ersuchte Bankinstitut, auf wessen Anordnung und zu wessen Gunsten der Betrag abgebucht worden war, teilte der Generaldirektion mit, dass die anstandslose Überweisung aufgrund einer amtlichen Anforderung des „Oberlandforstmeisters Güde, Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen, derzeit in Mitterndorf“(sic!) durchgeführt worden sei.1064 Der Betrag sei auf ein persönliches Postscheckkonto Güdes überwiesen worden.1065 Ing. Julius Güde war aufgrund des Erlasses der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 21. Dezember 1945 die Einstellung seiner Tätigkeit als Leiter des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ mitgeteilt worden, was selbstverständlich auch die Nichtverwendung von Briefpapier dieses Amtes miteinschloss. Außerdem war ihm am 7. Juni 1946, also wenige Tage vor der Abbuchung, eine Entlassungsverfügung des „Liquidators der Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ vom 16. Mai 1946 aufgrund § 14 des Verbotsgesetzes „von Gesetzes wegen mit 6. Juni 1946“ zugestellt worden. Bereits am 2. Februar 1946 war in der Sitzung des vom Ministerrat eingesetzten „Komitees zur Entnazifizierung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen“ die sofortige Entlassung Güdes bei gleichzeitiger Einstellung des Gehalts beschlossen worden.1066 Das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ selbst war als Dienststelle des Deutschen Reiches gemäß § 43 Abs. 2 Behördenüberleitungsgesetz vom 20. Juli 1945 aufgelöst worden, seine Geschäfte für den Bereich der Bundesforste waren auf den selbständigen Wirtschaftskörper Österreichische Bundesforste übergegangen. Julius Güde hatte sein Abschied von der Macht mit seinen eigenen Worten wie ein „Nervenschock“ getroffen. Was den um seine „Rehabilitation“ unablässig Bemühten dazu bewogen hatte, seine Amtsgewalt weiter auszuüben, versuchte er in einem Rechtfertigungsschreiben an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 14. Dezember 1946 zusammenzufassen. Wie bereits in einem Memorandum über seine Tätigkeit in der NS-Zeit1067 vertraute Güde dabei auf den „übermäßigen Bürokratismus und Formalismus“ und die damit verbundene nicht immer übersichtliche Behördenstruktur, die wechselnden Kompetenzverteilungen und Doppelgleisigkeiten, die es ihm ermöglichen sollten, zu verharmlosen, schönzufärben und Fakten einfach umzudrehen. So wählte er eingangs seines
1064 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die CA-Wiener Bankverein, 30. November 1946. Ing. Julius Güde an die CAWiener Bankverein, 21. Juni 1946. 1065 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Ing. Julius Güde, 9. Dezember 1946. 1066 Ebda. 1067 Memorandum betreffend die Tätigkeit des OLFm. Dipl. Ing. Julius Güde während der Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich, März 1938 bis 1945, in: Personalakt Julius Güde im Archiv der Österreichischen Bundesforste.
3.3. Fallbeispiele
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Schreibens die völlig faktenwidrige Konstruktion, dass für den Abschluss des Kaufvertrages im Falle Perlberger nicht das „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“, sondern der „Generalreferent für forstliche Sonderaufgaben“ zuständig gewesen sei, wobei er die beiden Ämter mit der Bezeichnung „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen als Generalreferent“ zu mischen begann. Diese Konstruktion diente wiederum dazu, dem Amt des Generalreferenten, das für nahezu sämtliche Entziehungen jüdischen Grundbesitzes zuständig war, als „persönliche Obliegenheit des Gefertigten“(sic!) jeglichen Amtscharakter abzusprechen. Die „persönliche Obliegenheit“ Güdes hätte darin bestanden, dass mangels eines Stellvertreters und der Zeichnungsbefugnis einer anderen Person nur ihm aufgetragen worden sei, Kaufverhandlungen zu führen und sämtliche mit dem Abschluss verbundene Aufgaben zu verrichten. Als Beistand sei ihm einzig Franz Hackermüller vom Landesforstamt Wien zur Verfügung gestanden, als Geschäftsstelle hätten ihm die Büroräumlichkeiten des „Amtes für Forsteinrichtung und Bauwesen“ gedient. Versuchte Güde damit einerseits, die Bedeutung des Generalreferenten herunterzuspielen, erlaubte es andererseits seine Selbstherrlichkeit scheinbar nicht, dieser Linie auch treu zu bleiben, stand er doch als „Multifunktionär“ im Mittelpunkt. So hätte er als Generalreferent mit der Erlangung von weitreichenden Befugnissen über die finanziellen Mittel für die Ankäufe der Forstgüter wesentlich zur Entbürokratisierung und zur Erleichterung der Vorgänge beigetragen. Die Zuweisung von Krediten auf Bankkonten, die unter seiner alleinigen Sperre gestanden seien, für die alleine er zeichnungsberechtigt und für dessen Freigabe nur er zuständig gewesen sei, seien wie die persönlich vorgenommenen Stichtagsabrechnungen „in der Reichsforstverwaltung einmalige, sonst nicht gebräuchliche Erscheinungen“ gewesen.1068 Die Inanspruchnahme der Zuständigkeit des Generalreferenten diente auch einer völlig verkrampften Rechtfertigung, um aus der Misere der Abbuchung zu kommen, denn Güde begann nun, wieder nicht ohne Selbstherrlichkeit, das Behördenüberleitungsgesetz selbstständig zu interpretieren und von ihm geglaubte Lücken zu schließen. Gemäß § 44 Abs. 3 des Behördenüberleitungsgesetzes galt das „Amt des Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ für „aufgelöst“. Weil die Aufgaben der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste in § 43 angeführt wurden, zog Güde den eigenmächtigen Schluss, dass die „Abwicklung der Geschäfte des Generalreferenten nicht der Generaldirektion zugedacht war“. Aus dem Gebrach des Wortes „auflösen“ schloss er nun weiter, dass „mangels einer Regelung im Gesetz zur ordnungsgemäßen Übergabe“ nur der Generalreferent selbst die „Liquidierung seiner Geschäfte“ durchzuführen hätte. Deshalb habe er Dispositionen 1068 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Ing. Julius Güde an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 14. Dezember 1946.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
auf dem Konto durchgeführt, um die Stichtagsabrechnung mit Forstrat Hörander vorzubereiten. Mit dieser Argumentation konnte Güde aber gegenüber der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste nicht schlüssig erklären, warum er trotz seiner Entlassung den Abbuchungsauftrag gerade in Anmaßung der richtigen Amtsbezeichnung „Amt für Forsteinrichtung und Bauwesen“ gegeben hatte. Auch musste ihm bekannt sein, dass sich das Amt des Generalreferenten seit dem Jahre 1942 in Auflösung befunden hatte und er selbst zum Liquidator bestellt wurde.1069 Außerdem konnte er sich nach seiner Entlassung als Beamter nicht selbständig zum Liquidator eines nicht mehr bestehenden Amtes bestellen, abgesehen davon, dass die Anführung der Auflösung des Amtes des Generalreferenten in § 44 Abs. 3 an sich überflüssig war, diese Gesetzesstelle aber wiederum bewusst keinen Liquidator vorsah. Güde zog sich mit seinen Ausführungen weiter in die Affäre hinein. Allein die Überweisung des Betrages auf ein Privatkonto brachte ihn in gefährliche Nähe der strafrechtlich verfolgbaren Tatbestände der Veruntreuung und Unterschlagung. Auch Güdes nachfolgende Argumentation, wofür der Betrag vorgesehen gewesen sei, hinkte gewaltig. Abgesehen davon, dass er wiederum völlig aktenwidrig die Einsetzung Höranders zum kommissarischen Verwalter für sich in Anspruch nahm, hätte er 1944 den Kreditrest nach dem Ankauf zurückbehalten, da die Gebarung wegen der zu geringen Einnahmen des Gutes voraussichtlich mit einem Fehlbetrag abgeschlossen hätte. Diesen Fehlbetrag hätte er, Güde, Hörander aus dem Kreditrest ersetzen müssen. Da dieser aber bis Mai 1945 keine Schlussrechnung vorgelegt habe und er gerüchteweise vernommen habe, dass Konten ehemaliger Deutscher Dienststellen gesperrt würden, hätte er die Abbuchung vorgenommen, um an ihn gerichtete Regressansprüche Höranders und eine Alleinverantwortung abzuwehren. Ganz verkneifen konnte sich Güde dann doch nicht, zu bemerken, dass sämtliche, das Waldgut Perlberger betreffende Vorgänge der Generaldirektion bekannt sein müssten, denn jeder Beamte, der damit nur in geringster Weise zu tun gehabt hätte, würde heute in Diensten der Bundesforste stehen.1070 Trotzdem waren Güdes Ausführungen einmal mehr Schutzbehauptungen, denn gerade ihm musste klar sein, dass es sich bei dem Kreditrest um ein Guthaben der Reichsforstverwaltung gehandelt hatte, für das er nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches noch dazu nach Verlust seines Beamtenstatus niemals persönlich haftbar gemacht werden konnte. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste gab Güde auch in einem sehr direkten Schreiben vom 3. Februar 1947 zu verstehen, dass sie „nicht in der Lage“ 1069 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Ing. Julius Güde an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 14. Dezember 1946. Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Ing. Julius Güde, 3. Februar 1947. 1070 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Ing. Julius Güde an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 14. Dezember 1946.
3.3. Fallbeispiele
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sei, seine Rechtfertigung als „stichhältig und voll begründet“ anzuerkennen.1071 Gleichzeitig wurden sämtliche Konten, auf die Güde noch in irgendeiner Form Zugriff haben konnte, für ihn gesperrt.1072 Was nach außen nach günstiger Gelegenheit aussah, sich von historischem Ballast endgültig zu befreien, sah innerhalb der Generaldirektion, in der Güde sichtlich noch Befürworter gehabt hatte, ganz anders aus: In einem Amtsvermerk wurde zwar die nur mäßige Rechtfertigung festgehalten, Absicht, bewusster Missbrauch oder Anmaßung der Amtsgewalt wurden jedoch ausgeschlossen, da „in subjektiver Hinsicht immerhin die Möglichkeit einer irrtümlichen Auffassung über die Zeichnungsbefugnis“ bestehen könne. (sic!) Gemessen an der nun in der Öffentlichkeit „ganz vagen Vorstellung“ über öffentliche oder private Rechtsverhältnisse zeigte die Generaldirektion für das Verhalten sogar „einigermaßen Verständnis“ und attestierte Güde, dem sicher gut laufenden Rad in der Entziehungsmaschinerie der Nationalsozialisten, dass er „sich über die Auswirkungen des Zusammenbruchs des Deutschen Reiches nicht im Klaren“ gewesen sei.1073 Wie wenn er es geahnt hätte, wollte Güde gerade diesen Eindruck verwischen: Er zahlte den Betrages von öS 1.425,-- zurück, womit für die Generaldirektion die Angelegenheit auch wieder erledigt war. Von den restlichen öS 20,-- hatte sich Güde ein Los gekauft, dessen „besonderen Zweck“ er in seiner Verteidigungsschrift hervorhob. Um „keinen Widerspruch“ auf sich zu ziehen, legte er es dem Schreiben bei. Es handelte sich um ein „Stephansdom Wiederaufbaulos für ein Neues Österreich“, ausgestellt auf das „Amt für Forsteinrichtung und Bauswesen in Mitterndorf“.1074 Nach Eingang des Betrages von Güde auf das Konto der CA-Wiener Bankverein musste die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste den „Liquidator für die Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ informieren, da es sich um ein Guthaben des Deutschen Reiches handelte. Das Treuhandkonto „Kreditrest Ankauf ehemaliges Forstgut Perlberger“ wurde aufgelöst, der Betrag von öS 3.597,50 nach Abzug der Bankspesen gelangte zur Anweisung auf das für die Gegenverrechnung mit Forderungen des Deutschen Reiches vorgesehene Girokonto der Österreichischen Staatshauptkasse bei der Österreichischen Nationalbank.1075 1071 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Ing. Julius Güde, 3. Februar 1947. 1072 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an CA-Wiener Bankverein, 4. Jänner 1947. 1073 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, Vermerk vom 3. Februar 1947 zur GZ 7678/P/47. 1074 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Ing. Julius Güde, 3. Februar 1947 und „Stephansdom Wiederaufbaulos“. 1075 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, „Der Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 18. April 1947.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Die zunächst nach Polen geflüchtete Sabine Perlberger war von den Nationalsozialisten in einem Konzentrationslager ermordet worden. Aufgrund der nur eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten gelangte diese Nachricht erst im Sommer 1946 über den Schwiegersohn Sabine Perlbergers, Löbel Goldstoff, dem die Flucht in das damalige Palästina geglückt war, zunächst an den kommissarischen Verwalter Franz Hörander und von diesem an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste. Am 15. Juli 1946, daher wenige Tage vor Erlass des Ersten Rückstellungsgesetzes, stellte Dr. Rudolf Martin, ein ehemaliger Bekannter Perlbergers, dem in der NS-Zeit die Rechtsanwaltsbefugnis entzogen worden war, Vorsitzender des „U-Boot“ Verbandes, eines in Wien 9., Universitätsstraße 8/3 beheimateten Vereines „zur Wahrung der Interessen durch Verfolgung Geschädigter 1938 –1945“, bei der Generaldirektion mehrere, das Gut betreffende Anträge. Mit Beschluss des BG Innere Stadt vom 22. Februar 1946 war zunächst Anatol Petz, Wien 8., Kochgasse 8/8, zum Abwesenheitskurator für Sabine Perlberger bestellt worden, der wiederum Dr. Rudolf Martin eine Generalvollmacht erteilt hatte.1076 Unter Berufung auf eine in der Wiener Zeitung vom 11. Juli 1946 abgedruckte Erklärung Bundeskanzler Figls, wonach bereits gegen das ABGB verstoßende Vermögensübertragungen in der NSZeit im Sinne der Londoner Deklaration vom 5. Jänner 1943 null und nichtig seien, forderte Martin von der Generaldirektion die sofortige Rückstellung des forstlichen Teiles des Waldgutes Perlberger „ohne eines besonderen Wiedergutmachungsgesetzes“ an ihn, den „ausgewiesenen Generalbevollmächtigten des gerichtlich bestellten Abwesenheitskurators“: „Die weitere sogenannte treuhändige Verwaltung entbehrt jeder rechtlichen Grundlage, wird von den Opfern des Naziterrors keineswegs gewünscht, belastet vielmehr den Staat noch mit der Haftung des unrechtmäßigen, wenn nicht gar unredlichen Besitzes.“1077 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste verwies Rudolf Martin an das zuständige BMfVS und WP, da sie nicht ermächtigt sei, die geforderte Übergabe zu vollziehen.1078 Als interne Reaktion wurde jedoch das Forstamt Neuwaldegg „mit Rücksicht auf die tatsächlich vorliegende treuhändige Verwaltung“ verständigt, nur mehr den laufenden Betrieb durchzuführen, da aufgrund der zu erwartenden Gesetzgebung „mit einer Rückstellung zu rechnen“ sein werde.1079 1076 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Forstverwaltung Neuwaldegg an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 4. Mai 1948. 1077 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Dr. Rudolf Martin an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 15. Juli 1946. 1078 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Dr. Rudolf Martin, 2. August 1946. 1079 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an die Forstverwaltung Neuwaldegg, 3. August 1946.
3.3. Fallbeispiele
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Aufgrund weiterer Eingaben Rudolf Martins wurde das BMI aktiv. Da Sabine Perlberger im Grundbuch noch immer als Eigentümerin ihrer Liegenschaften aufschien, schien dem Ministerium dabei eine unbürokratische Lösung vorzuschweben: Mit zwei Bescheiden vom 29. Juli und vom 8. September 1947 hob das BMI die Anordnung der Beschlagnahme bzw. der kommissarischen Verwaltung durch die HTO, „Sonderabteilung Altreich“, auf sämtlichen Liegenschaften Sabine Perlbergers auf und stimmte der Löschung zu.1080 Wie das Ministerium in der Begründung der Bescheide hervorhob, seien „die für die Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan maßgeblichen Gründe mit der Wiederherstellung der staatlichen Selbständigkeit Österreichs weggefallen“ und da „durch diese Anordnung niemandem ein Recht erwachsen“ sei, stehe es gemäß § 68 Abs. 2 AVG der Behörde, die den Bescheid erlassen hatte, als auch der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde frei, diesen von Amts wegen aufzuheben oder abzuändern. Das Ministerium begründete seine Zuständigkeit mit § 3 Abs. 2 letzter Satz des Behördenüberleitungsgesetzes vom 20. Juli 19451081, wonach „das Staatsamt des Inneren in oberster Instanz in allen Angelegenheiten der staatlichen Verwaltung zuständig“ sei, „die nicht ausdrücklich einem anderen Staatsamt zugewiesen“ worden waren. Die Bezugnahme auf § 68 Abs. 2 AVG, durch den die Aufhebung des Bescheides ins freie Ermessen der Behörde gestellt wird, sowie die Formulierung, dass einzig die Erlangung der Selbständigkeit Österreichs die Gründe für die Anordnungen wegfallen haben lassen, erscheinen wenig opferfreundlich und geradezu zynisch, verfehlt sie doch auch völlig den rechtlichen Rahmen. Gemäß § 1 des Rechtsüberleitungsgesetzes („Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über die Wiederherstellung des Rechtslebens in Österreich“)1082 galt die „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940“ als aufgehoben, womit der Anordnung der Beschlagnahme ebenso wie der kommissarischen Verwaltung die Rechtsgrundlage entzogen war. Mit der Aufhebung dieser längst obsolet gewordenen Eigentumsbeschränkungen als reine Formsache hätten die Liegenschaften spätestens jetzt, über zwei Jahre nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches, zur freien Verfügung der Eigentümerin bzw. ihrer Rechtsnachfolger gelangen müssen. Was aber mit der Aufhebung der Beschlagnahme durch einen Bescheid des BMI vom 19. Mai 1947 als Wiedereinsetzung in sämtliche Rechte für die Wiener Liegenschaft Sabine Perlbergers gelungen war, vermochten die beiden Bescheide bei den forstwirt1080 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Bescheide des Bundesministeriums für Inneres, Zl. 93.152–4/47 bzw. 107.459–4/47, vom 28. Juli bzw. 8. September 1947. 1081 BGBl. Nr. 94/1945. 1082 StGBl. Nr. 6/1945.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
schaftlichen Liegenschaften nur teilweise zu bewirken. In einem Schreiben an die Finanzprokuratur vom 8. September 1947 schilderte Rudolf Martin die nun eingetretene paradoxe Situation: Weil das Wiener Haus Sabine Perlbergers nach der Aufhebung der Beschlagnahme ohne weiteres Verfahren in die tatsächliche Verwaltung ihres Abwesenheitskurators übergegangen war, vertrat die FLD die Rechtsauffassung, dass auch für das Waldgut kein Rückstellungsantrag erforderlich sei. Nachdem sich die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste aber geweigert hatte, das Gut ohne amtlichen Auftrag an den Abwesenheitskurator zu übergeben, hätte die FLD einen mündlich vorgebrachten Rückstellungsantrag Martins mit der Begründung zurückgewiesen, dass alleine der Grundbuchstand maßgeblich sei. Da nach diesem Sabine Perlberger unbeschränkt über ihr Eigentum verfügungsberechtigt sei, läge kein Rückstellungsfall vor. Rudolf Martin wollte andererseits die Einbringung eines formellen Rückstellungsantrages vermeiden, denn diese war mit der Anmerkung der Einleitung des Verfahrens im Grundbuch verbunden. Damit hätte man wiederum nach der sicher zutreffenden Ansicht Martins die russische Besatzungsmacht, in deren Zone die Liegenschaften lagen, „zum Eingreifen geradezu aufgefordert“. Bisher waren aufgrund des Grundbuchstandes keine Ansprüche wegen Vorliegens „Deutschen Eigentums“ gestellt worden. Rudolf Martin ersuchte die Finanzprokuratur, die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste zur Herausgabe des Gutes zu veranlassen, ansonsten sehe er sich genötigt, den Klagsweg zu beschreiten.1083 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste legte in einem Schreiben an die Aufsichtsbehörde, das BMfVS und WP, vom 3. November 1947 ihren Rechtsstandpunkt dar: Durch den Kauf des Waldgutes Perlberger sei das Deutsche Reich (Reichsforstverwaltung) am 8. Mai 1945 faktischer Besitzer und außerbücherlicher Eigentümer gewesen. Da die Erwerbsumstände zweifellos für einen Rückstellungsfall sprechen würden und das Gut derzeit in Verwaltung der Bundesforste stehe, würden die Voraussetzungen des Ersten Rückstellungsgesetzes vorliegen und die Herausgabe könne somit nur aufgrund eines rechtskräftigen Rückstellungsbescheides erfolgen. Da sich die Generaldirektion aber anscheinend doch nicht ganz sicher war, ersuchte sie das Ministerium um eine Entscheidung, ob eine Verpflichtung bestünde, das „faktisch als Deutsches Eigentum“ anzusehende Gut „in Anbetracht der gegebenen Sach- und Rechtslage“ auch „ohne Rückstellungsbescheid an die geschädigte Eigentümerin herauszugeben“. Daran schloss sich auch sofort die Feststellung, dass infolge der getilgten Hypothek in Höhe von RM 70.000,-- im Falle einer Rückstellung eine Bereicherung um diesen Betrag auf Seiten der 1083 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Dr. Rudolf Martin an die Finanzprokuratur, 8. September 1947.
3.3. Fallbeispiele
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geschädigten Eigentümerin eintreten würde.1084 Das BMfVS und WP bestärkte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste in ihrer (irrigen) Rechtsmeinung, dass keine Berechtigung bestehe, die Liegenschaften zu übergeben. Aus dem Antwortschreiben vom 17. November 1947 geht hervor, dass das Ministerium diese Ansicht einer weiteren nicht nachvollziehbaren rechtlichen Auslegung zugrunde legte, die einem Vergleich mit nichtforstlichen Liegenschaften, bei denen eine Intabulation des Deutschen Reiches unterblieben war, nicht standhielt. So sei trotz des wiedererlangten Verfügungsrechts über die Liegenschaften durch den Verkauf eine Vermögensumschichtung eingetreten, die dazu geführt habe, dass an die Stelle der Liegenschaften der Kaufpreis getreten sei. Da es sich bei dem Verkauf um eine Vermögensentziehung gehandelt habe, müssten die Bestimmungen des Dritten und nicht des Ersten Rückstellungsgesetzes zur Anwendung kommen1085, was mit anderen Worten bedeutete, dass die Erben Sabine Perlbergers die Rückstellung der Liegenschaften gegen Rückgabe des seinerzeit bezahlten und an die Stelle der Liegenschaften getretenen Kaufpreises zu begehren hatten, der ihnen aber nie zugekommen war. Die auf Antrag Rudolf Martins erfolgte Aufhebung des Bescheides des „Generalreferenten für forstliche Sonderaufgaben“ vom 3. April 1940, mit dem Sabine Perlberger gemäß § 17 Abs. 3 der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ die Veräußerung des Waldgutes aufgetragen worden war, und die Löschung der Anmerkungen in den Grundbüchern durch das BMfLFW1086 kommentierte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste schon weit gelassener und sah darin richtigerweise eine Formsache, wenn sie auch den vielsagenden Schluss zog, dass dies keinen Einfluss auf das Rückstellungsverfahren habe.1087 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste erachtete es mit ihrer Stellung als öffentlicher Verwalter eines Gutes auch durchaus vereinbar und sah es geradezu als „Verpflichtung zur bestmöglichen Auswertungen der Nutzungen“ an, während der Verwaltung gegebenenfalls auch das Jagdrecht auszuüben, was mitunter die Verpachtung der Jagd miteinschloss. Im Fall des Waldgutes Perlberger musste dies jedoch zu Komplikationen führen. Die erteilte Ermächtigung an die Forstverwaltung Neuwalde1084 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMfVS und WP, 3. November 1947. 1085 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, BMfVS und WP, Gleich, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 17. November 1947. 1086 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Bescheid des BMfLW, Zl. 42.643–2/47, 10. Jänner 1948. 1087 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, handschriftliche Notiz, 31. Mai 1948.
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gg im Dezember 1947, die Reviere Kirchbach und Hintersdorf an zwei Privatpersonen für die Dauer von sechs Jahren, daher bis 1953 (!), zu verpachten1088, stand in krassem Widerspruch zur vertretenen Meinung der Generaldirektion, dass das Waldgut bald an die Rechtsnachfolger Sabine Perlbergers zurückgestellt werden würde, wenn sie dadurch auch deutlich zum Ausdruck brachte, dass sie deren alleiniges Verfügungsrecht nicht anerkannte. Der Bevollmächtigte des Abwesenheitskurators wurde von dieser Maßnahme nicht in Kenntnis gesetzt. Erst ein Schreiben des durch „Gerüchte“ in Aufregung versetzten Rudolf Martin, in dem sich dieser energisch gegen die eigenmächtige Kompetenzüberschreitung der öffentlichen Verwaltung und „rechtswidrige Eigentumsbeschränkung“ zur Wehr setzte1089, führte zu einem Rückzugsgefecht der Generaldirektion. Stand diese zunächst auf dem Standpunkt, dass eine Änderung der Rechtslage durch den Ablauf der Anmeldefristen für Eigenjagdanmeldungen bei der Bezirkshauptmannschaft ausgeschlossen sei, stellte sie wenig später eine einvernehmliche Regelung mit der Forstverwaltung unter „voller Verantwortung“ des Abwesenheitskurators in Aussicht. Auch sei nach einem durchgeführten Rückstellungsverfahren jede Änderung der Jagdverhältnisse möglich.1090 Nach der angeblichen Verhaftung Martins wegen Finanzmanipulationen, auf die seitens der Generaldirektion nicht näher eingegangen wurde, trat RA Dr. Ignaz Budschedl an dessen Stelle, demgegenüber sich auch der Ton schlagartig änderte. So ersuchte die Generaldirektion Budschedl im Mai 1948 mit höflichen Worten „um Mitteilung“ seiner „Absichten hinsichtlich der Verwaltung der Jagdnutzung“. Falls er eine Verpachtung „wünsche“, solle er bekannt geben, ob er den Pächter „selbst aussuche“.1091 Budschedl stellte fest, dass die Ausübung des Jagdrechts „ohne Einschränkung“ der Grundeigentümerin zustehe, weswegen sich auch der Kurator entschlossen habe, in sämtlichen diesbezüglichen Angelegenheiten die Entscheidung selbst zu treffen.1092 Die Generaldirektion nahm das Schreiben Budschedls, wie von der Forstverwaltung Neuwaldegg „beantragt“, „einfach zur Kenntnis“1093, was eigentlich mehr war, nämlich das An1088 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Forstverwaltung Neuwaldegg an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 15. Dezember 1947. 1089 ��������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Dr. Rudolf Martin an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 31. Dezember 1947. 1090 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an Dr. Rudolf Martin, 27. Jänner 1948. 1091 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an RA Dr. Ignaz Budschedl, 21. Mai 1948. 1092 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, RA Dr. Ignaz Budschedl an die Forstverwaltung Neuwaldegg, 11. Juni 1948. 1093 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Forstverwaltung Neuwaldegg an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 12. Juni 1948.
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erkenntnis des Liegenschaftseigentums Sabine Perlbergers bzw. ihrer Rechtsnachfolger. Budschedl verbesserte mit seinem Einschreiten die Rechtsstellung der Erben von Sabine Perlberger zweifellos. Sonst trat er jedoch zumindest in diesem Fall nicht mehr in Erscheinung. Der potentielle Rückstellungsfall Sabine Perlberger „ruhte“ über ein Jahr, bis zum 16. August 1949. Inzwischen war der Nachlass der mit Todeserklärung des LGfZRS Wien vom 23. Oktober 19481094 mit 8. Mai 1945 für tot erklärten Sabine Perlberger mit Einantwortungsurkunde des BG Innere Stadt-Wien vom 26. April 19491095 ihren gesetzlichen Erben Blanka Blime Goldstoff, geb. Perlberger, und Salomon Perlberger je zur Hälfe eingeantwortet worden. Mit der Bestellung von RA Dr. Josef Tafler durch die Erben begann auch sofort ein neuer Wind zu wehen. RA Dr. Josef Tafler beantragte mit einem Schriftsatz an die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 16. August 1949 die längst fällige Übertragung der öffentlichen Verwaltung des Gutes auf seine Mandanten. Obgleich sich Tafler mit seiner Annahme, dass beim Kauf keine Vermögenstransferierung stattgefunden hatte, weil Verkäufer Deutsches Reich und Käufer Deutsches Reich ident waren, im Irrtum befand, legte er die Gründe dar, die für keinen Eigentumserwerb des Deutschen Reiches (Reichsfinanzverwaltung) an den Liegenschaften sprachen: Gemäß § 4 des Grundbuchgesetzes1096 wird die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung und Aufhebung der dinglichen Rechte nur durch ihre Eintragung in das Hauptbuch erwirkt. Da das Eigentumsrecht des Deutschen Reiches nie eingetragen worden sei, seien auch die Voraussetzungen des Eigentumserwerbes nicht gegeben, das Deutsche Reich habe nie Eigentum erworben und es bestehe daher das Eigentumsrecht Sabine Perlbergers unbeschränkt weiter. Auch die Voraussetzungen wirksamer Einverleibungen würden nach dem damaligen Stand nicht vorliegen, weswegen sich auch keine öffentliche Verwaltung ableiten ließe, denn es fehle ein objektiv gültiger Titel: Mit der Aufhebung der „Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940“ sei auch der zwischen HTO und Reichsforstverwaltung abgeschlossene Vertrag nichtig geworden. Dem Deutschen Reich stehe lediglich – und das anerkannte Tafler ausdrücklich – das Forderungsrecht gegenüber seinen Mandaten bezüglich der bezahlten Hypothekarforderung in Höhe von RM 70.000,-- zu.1097 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste verwies Josef Tafler wie zu1094 GZ 48 T 4038/47. 1095 GZ 5 A 849/48. 1096 Tafler bezog sich auf das alte Grundbuchgesetz, dessen § 4 auch nach dem neuen, bis heute gültigen Grundbuchgesetz vom 2. Februar 1955, BGBl. Nr. 39/1955 gleich geblieben ist (ebenfalls § 4). 1097 ����������������������������������������������������������������������������������������������� ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, RA Dr. Josef Tafler an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 16. August 1949.
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vor Rudolf Martin an die Aufsichtsbehörde BMfVS und WP und bezog sich dabei auf den Erlass vom 17. November 1947, wonach keine Berechtigung zur Übergabe der Verwaltung vorliege, solange kein Rückstellungsbescheid ergangen sei. Anders als gegenüber Rudolf Martin erklärte die Generaldirektion jedoch ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Übergabe, falls Tafler eine entsprechende Ermächtigung des Ministeriums erwirken könne, knüpfte aber an die Übergabe der öffentlichen Verwaltung zwei weitere Bedingungen. Einerseits die Begleichung der durch die Erträgnisse des Gutes nicht gedeckten Aufwendungen, und zwar nicht nur jener, die in der Zeit ab dem 27. April 1945 aus Mitteln der Österreichischen Bundesforste getragen wurden, sondern auch der Aufwendungen, die von der ehemaligen Reichsforstverwaltung bestritten worden waren. Weiters hakte die Generaldirektion beim Anerkenntnis Taflers, die offene Hypothekarforderung betreffend, ein und machte sich fortan zum Fürsprecher einer Zug um Zug Übergabe – Übergabe der Verwaltung gegen Bezahlung oder bücherliche Sicherstellung der Hypothek -, wobei sie die damalige erfolgte Lastenfreistellung des Gutes durch die HTO unter „Aufwendungen“ verbuchte. (sic!)1098 Die Generaldirektion ergriff aber dann doch die Initiative und gab gleichzeitig mit dem Antwortschreiben an Tafler vom 29. August 1949 die Erklärung gegenüber dem BMfVS und WP ab, dass sie es für „wünschenswert“ halte, „die Übergabe der Verwaltung sobald als möglich zu vollziehen“, „da die Voraussetzungen für die Erwirkung eines Rückstellungserkenntnisses hier zweifellos vorliegen und es über kurz oder lang doch zur Rückgabe kommen muss“.(sic!)1099 Als erste Vorbereitungsmaßnahme wurde die Forstverwaltung Neuwaldegg angewiesen, eine Abrechung sämtlicher Erträgnisse und Aufwendungen durchzuführen. Wenige Wochen später, am 14. Oktober 1949, erklärte das Ministerium in einem Erlass, gegen die Übergabe der vorläufigen Verwaltung an die Erben von Sabine Perlberger „keinen Einwand“ zu haben. Das BMfVS und WP stützte sich dabei ganz allgemein auf einen Erlass des Bundesministers Dr. Peter Krauland vom 8. April 1946, mit dem wiederum ein Erlass des Staatsamts für Finanzen vom 29. August 1945 aufgehoben worden war, der ein Verbot vorgesehen hatte, die Verwaltung entzogener Liegenschaften an die früheren Eigentümer zu übertragen.1100 Nachdem ein vorläufiger Übergabetermin des Gutes 1098 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an RA Dr. Josef Tafler, 26. August 1949. 1099 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMfVS und WP, 26. August 1949. 1100 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, BMfVS und WP, Zl. 16.223– 1/49, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 14. Oktober 1949. Erlass des BMfVS, Dr. Peter Krauland, Zl. 10.617–1/46, 8. April 1946. Erlass des Staatsamtes für Finanzen, Staatssekretär Zimmermann, Zl. 3807-Kred.Ref. 3/45, 29. August 1945.
3.3. Fallbeispiele
385
mit 31. Jänner 1950 festgelegt worden war, fand im November 1949 ein erstes Gespräch der Erbenvertreter mit der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste über die genaue Durchführung statt. Dabei wurde vereinbart, dass vorbehaltlich einer geteilten Abrechung Reichsforstverwaltung und Bundesforste die offene Hypothekarforderung in Höhe von RM 70.000,-- nur mit überschüssigen Erträgen aus der Zeit der Reichsforstverwaltung kompensiert werden sollte. Allfällige Erträge aus der Zeit der Verwaltung der Bundesforste wollten die Erben bar ausbezahlt bekommen, um flüssige Betriebsmittel für einen Neustart zu besitzen. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste zeigte sich vom Ergebnis der Verhandlungen höchst unzufrieden. Es war nun der entscheidende Sinneswandel eingetreten, dass aufgrund der Tatsache, dass Sabine Perlberger in den Grundbüchern noch immer als Eigentümerin ihrer Liegenschaften aufschien, kein Rückstellungsverfahren zur Durchführung gelangen werde. Wie die Generaldirektion dem BMfVS und WP in einem Schreiben vom 21. Dezember 1949 mitteilte, hätte dies zur Folge, dass die „physische Übergabe gleichbedeutend mit der endgültigen Übertragung“ des Gutes sei, wodurch die Generaldirektion die Hereinbringung und Sicherstellung der durch „die Erträgnisse nicht gedeckten Aufwendungen gefährdet“ sah. In diesem Zusammenhang ist es allerdings bezeichnend, wenn die Generaldirektion auch von einer Gefährdung der „Rückzahlung des Kaufpreises“ sprach, als ob sie ernstlich angenommen hätte, dass die Erben des Opfers, dem die Kaufpreissumme, den das Deutsche Reich für das Gut bezahlt hatte, niemals zugekommen war, diese nun an die Österreichischen Bundesforsten bezahlen würden. Bezüglich der Problematik der offenen Hypothekarforderung befand sich die Generaldirektion zusätzlich in dem Dilemma, dass sie einerseits die von den Erben geforderte Kompensation mit den überschüssigen Erträgen, die für das Gesamtgut während der gesamten Zeit der Entziehung von 1938 bis 1945 erwirtschaftet worden waren, für „berechtigt“ und „richtig“ hielt. Inzwischen hatte jedoch die Forstverwaltung Neuwaldegg signalisiert, dass sämtliche Wirtschaftsbücher über die Einnahmen und Ausgaben für die Zeit vom 5. August 1944, dem Tag der tatsächlichen Übergabe des Gutes, bis zum April 1945 im Zuge der Kriegseinwirkungen verloren gegangen waren. Der von der HTO bestellte Treuhänder Ing. Franz Hörander war verstorben und auch eine grobe schätzungsweise Abrechnung konnte sich nach dem Ermessen der Generaldirektion nur für die Zeit ab der Übernahme des forstlichen Teiles des Gutes durch die Reichsforstverwaltung mit Stichtag 1. April 1943 erstrecken.1101 Für die Zeit davor tat sich nun ein Beweisproblem auf. Aber auch ein Kommunikationsproblem: 1101 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMfVS und WP, 21. Dezember 1949.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
Das BMfVS und WP reagierte auf das Schreiben der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste vom 21. Dezember 1949 und verschärfte die Situation wieder zuungunsten der Erben von Sabine Perlberger. Das Ministerium, das nach wie vor die Rechtsansicht vertrat, dass ein Rückstellungsverfahren nach dem Dritten Rückstellungsgesetz durchgeführt werden müsse, „ersuchte“ die Generaldirektion in einem Erlass vom 9. Jänner 1950, anlässlich der Übergabe des Gutes an die Rechtsnachfolger von Sabine Perlberger von einer Ausfolgung der vorhandenen Ertragsüberschüsse Abstand zu nehmen, da diese Entscheidung der Rückstellungskommission vorbehalten bleiben müsse. Daraus ergab sich auch die von den Erben als besonders einschneidend empfundene Anleitung an die Generaldirektion, ihnen „bis zur Entscheidung über den Rückstellungsanspruch“ ebenfalls nur die öffentliche Verwaltung im Sinne des Verwaltergesetzes über das Gut zu übertragen, was gleichbedeutend war mit der Pflicht zur Rechnungslegung und Abfuhr der selber erwirtschafteten Erträge.1102 Unter diesen Voraussetzungen fand am 3. Februar 1950, ein Monat später als geplant, die Übergabe des Gutes in öffentliche Verwaltung des von den Hälfteerben Blanka Blime Goldstoff und Salomon Perlberger bevollmächtigten Löbel Goldstoff statt. Im Übergabeprotokoll wurde als besonderer Abschnitt die Kenntnisnahme Goldstoffs vom Verbot der Veräußerung des Gutes ohne Zustimmung des BMfVS und WP aufgenommen, wie auch sämtliche, über eine treuhändige Verwaltung hinausgehenden Verfügungen das Einvernehmen des Ministeriums bedurften. Offen blieb im Protokoll die Frage der Verrechnung der Hypothek. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ließ den Satz aufnehmen, dass sie „als Nachfolgebehörde der ehemaligen Reichsforstverwaltung namens des Deutschen Reiches den Anspruch auf Rückzahlung bzw. Sicherstellung des Betrages von RM 70.000,-samt 5% Zinsen seit dem 16. Dezember 1938 geltend“ machen würde. Die Erben Sabine Perlbergers machten hingegen Ansprüche aus dem Titel der Erträgnisüberschüsse während der Zeit der Entziehung geltend, die den Betrag von RM 70.000,-- bei weitem überschreiten würden. Als wesentliches Argument hoben sie jedoch hervor, dass die Abdeckung der Hypothek nicht zu Lasten des Kaufpreises erfolgt sei1103, die Abdeckung daher den Kaufpreis nicht etwa durch eine Kompensation verkürzt habe und somit für das Verhältnis Reichsforstverwaltung – Österreichische Bundesforste und Rechtsnachfolger von Sabine Perlberger unerheblich sei. Die für die Zeit der Verwaltung durch die Österreichischen Bundesforste vom 27. 1102 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, BMfVS und WP, Zl. 83.808– 4/49, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 9. Jänner 1950. 1103 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Niederschrift über die Übergabe der Verwaltung des forstlichen Teiles des Gutes Hintersdorf–Kirchbach an Herrn Löbel Goldstoff, 3. Februar 1950, S. 5f.
3.3. Fallbeispiele
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April 1945 bis 31. Jänner 1950 durchgeführte Verrechnung ergab einen Ertragsüberschuss in Höhe von öS 42.847,48.1104 Da dieser Gebarungsüberschuss aber aus bekannten Gründen nicht ausgefolgt werden durfte, konnten Löbel Goldstoff, der überdies die eigens erwirtschafteten Erträge abführen musste, keine Geldmittel zur weiteren Verwaltung des Gutes zur Verfügung gestellt werden. Deshalb erklärte sich die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste bereit, Löbel Goldstoff in seinem Bestreben um Bestellung eines Betriebskapitals zu unterstützen und beim BMfVS und WP die Zustimmung zur Eröffnung eines aus den bisherigen Ertragsüberschüssen zu bildendes Sonderkonto „Treuhandverwaltung Gut Hintersdorf – Kirchbach“ mit Verfügungsberechtigung des jetzigen Treuhandverwalters zu erwirken.1105 Das eigentliche Motiv für diese nachgiebige Haltung eröffnete die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste dem BMfVS und WP in einem Schreiben vom 21. Februar 1950, in dem sie einerseits diese Maßnahme verteidigte, andererseits aber auch Kritik an dem Erlass übte, den Erben lediglich die öffentliche Verwaltung zu übertragen. Denn damit sei ein Moment der Aussichtslosigkeit geschaffen worden, nachhaltige Erträge zu erwirtschaften. Die Generaldirektion wiederholte ihre diametral zu der des Ministeriums stehende Rechtsansicht, dass „ein reguläres Rückstellungsverfahren nicht zu führen“ sei, denn die Erben von Sabine Perlberger hätten nach der Löschung der Beschlagnahmeanmerkungen in den Grundbüchern und der Einverleibung ihres Eigentumsrechts auch ohne formelle Rückstellung des Gutes und ohne formelle Besitzübergabe „schon jetzt faktisch die unbeschränkte Verfügungsmöglichkeit“. Niemand könne sie daran hindern, das Gut aufgrund der durch die „verfehlte Maßnahme“ geschaffenen wirtschaftlichen Zwangslage zu veräußern oder zu verpfänden, wodurch jedoch der bestehende Forderungsanspruch des Deutschen Reiches ernstlich gefährdet wäre. Um diesen zu sichern, sei von der Generaldirektion geplant gewesen, das Gut samt den nach 1945 erzielten Erträgnissen in den „endgültigen Besitz“ der Erben zu übertragen, wobei nach außen den „tatsächlich gegebenen Eigentumsverhältnissen“ Rechnung getragen worden wäre. Im Gegenzug sei das Einverständnis der Erben erreicht worden, auf den Liegenschaften eine Sicherungshypothek in Höhe von öS 70.000,-- einzuverleiben und darüber hinaus die Durchsetzung von Gegenansprüchen einer gesonderten Regelung durch die Rückstellungskommission vorzubehalten. In diesem Sinne seien von beiden Seiten Vorbereitungen für die Besitzübergabe getroffen worden, die letztlich durch den Erlass des Ministeriums vereitelt worden wären, der die „eigenartige Rechtslage“ geschaffen habe, dass „die bücherlichen Eigentümer formell nur Treuhandverwalter ihres eigenes Besitzes“ seien, aber unbeschränkt über ihr Eigentum 1104 Ebda., S. 7. 1105 Ebda., S. 5.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
verfügen könnten. Die Generaldirektion sei nun mit möglichen Schadenersatzansprüchen konfrontiert, die durch die frustrierten Aufwendungen für die Beibringung der Verpfändungsurkunden etc. entstanden sein könnten. In diesem Lichte stelle sich die Freigabe eines Teiles der während der Treuhandverwaltung durch die Österreichischen Bundesforste erzielten Ertragsüberschüsse quasi als Rettungsversuch dar, um einen „Härtefall“ zu kommunizieren, einem Anspruch auf Herausgabe dieser Erträgnisse im ordentlichen Zivilrechtsweg könne die Generaldirektion wohl nichts entgegensetzen.1106 Ab März 1950 beschäftigte sich die nunmehrige für Vermögenssicherungs- und Rückstellungsangelegenheiten zuständige oberste Verwaltungsbehörde BMF mit dem Fall und ersuchte die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste um Übermittlung sämtlicher Akten. In Reaktion auf das Schreiben der Generaldirektion vom 21. Februar 1950 stimmte das BMF in einem Erlass vom 13. Mai 1950 zu, mit den Erben von Sabine Perlberger eine „vergleichsweise Regelung über Ertragsüberschüsse und Aufwendungen“ zu treffen. Die von vornherein vorgesehene Schlechterstellung der Erben bei einem Vergleichsabschluss kam gleichsam durch die Hintertüre. Das BMF hielt es für höchst „ungewiss“ ob die damalige Lastenfreistellung der Liegenschaften in einem die Ertragsüberschüsse betreffenden Rückstellungsverfahren als „Aufwendung“ gesichert werden könnte. Deshalb schlug das BMF vor, den Erben den rechtlichen Besitz an den Liegenschaften zu übertragen und die Erträge aus der Zeit der Verwaltung durch die Österreichischen Bundesforste unter der Bedingung auszufolgen, dass auf den Liegenschaften eine Kautionshypothek in Höhe von öS 70.000,-- einverleibt werde.1107 Die Erben mussten dies als Erleichterung ihrer Situation empfinden. Nur zur Erinnerung sei jedoch angemerkt, dass die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste von einem Obsiegen der Erben im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung der Erträge überzeugt war. Bezüglich der Erträge aus der NS-Zeit vertrat das BMF die Ansicht, diese nur auszufolgen, soweit sie im Inland „nachweisbar noch vorhanden“ seien.1108 Trotz der bereits im April 1949 erfolgten Einantwortung von Blanka Blime Goldstoff und Salomon Perlberger in den Nachlass von Sabine Perlberger und der Vorlage sämt licher angeforderter Unterlagen wurden die Erben nicht als Eigentümer in die Grundbücher eingetragen, was jedoch Voraussetzung für jegliche weitere Vereinbarungen mit der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste war. Es ist den Akten nicht zu entnehmen, ob die für die Intabulation zuständigen Gerichte vielleicht nicht restlos geklärte 1106 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMfVS und WP, 21. Februar 1950. 1107 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, BMF, Kramsall, Zl. VS 180.582– 4/50, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 13. Mai 1950. 1108 Ebda.
3.3. Fallbeispiele
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Eigentumsverhältnisse zum Anlass nahmen, um dem BMF bzw. der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste ein Druckmittel in die Hände zu spielen. In der Zwischenzeit war es RA Dr. Josef Tafler nach ausgiebigen Recherchen gelungen, einen genauen Überblick über die Erträge zu gewinnen, die vor dem April 1945 erwirtschaftet und abgeführt worden waren, womit er der Sache für die Erben zum entscheidenden Durchbruch verhalf, konnte er doch damit den Beweis erbringen, dass die Erträge die gelöschte Hypothek bei weitem überstiegen: In dem Schriftsatz, den er der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste am 22. November 1950 übermittelte, führte Tafler an, dass bei der Creditanstalt-Wiener Bankverein ein Konto „Sabine recte Scheindel Perlberger, Krakau“ geführt worden sei, von dem allein in den Jahren 1941 bis 1943 RM 36.026,-- an die HTO-Berlin überwiesen worden waren. Aus einer Aufstellung des Verwalters der Wiener Liegenschaft Perlbergers ergebe sich, dass dieser in den Jahren 1942 bis 1944 aufgrund einer Weisung der HTO Mietzinsüberschüsse im Gesamtbetrag von RM 21.878,02 überwiesen habe. Aus den vorhandenen, lückenhaften Bilanzen des kommissarischen Verwalters Hörander für die Jahre 1938 bis 1942 würden sich Verwaltungserträge für das Gut in Höhe von RM 42.023,96 ergeben. Bei einem errechneten durchschnittlichen Monatsertrag von RM 14.000,-- ergebe dies für die fehlenden Monate einen Gesamtertrag von weiteren RM 42.000,--. Tafler war somit bei einem Gesamtbetrag von RM 140.927,98 angelangt und machte geltend, dass die Tilgung der Hypothek über RM 70.000,-- aus den Erträgen erfolgt sei, die Sabine Perlberger bei Nichtentziehung der Liegenschaften zugestanden wären. Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste reagierte diesmal schnell. Eine genaue Beurteilung, ob die von Tafler als Gegenforderung in Anschlag gebrachten Erträge zu Recht bestünden, vermochte sie nicht abzugeben, da weder die ehemalige Reichsforstverwaltung noch die Bundesforste mit der Gebarung der kommissarischen Verwaltung Hörander konfrontiert waren, die Tendenz ging aber in einer Eingabe an das BMF vom 21. Dezember 1950 deutlich in die Richtung, die Gegenansprüche anzuerkennen, die Forderung von RM 70.000,-- als kompensiert anzusehen und auf eine Sicherungshypothek zu verzichten.1109 Diese Absicht wurde auch durch die Wiederholung unterstrichen, dass die Erben nach Sabine Perlberger faktisch die unbeschränkte Verfügungsmöglichkeit über das Gut hätten, sodass die Ermächtigung zur endgültigen Besitzübergabe, um die das BMF ersucht wurde, eigentlich nur mehr als Formalakt zu verstehen war.
1109 ������������������������������������������������������������������������������������������������ ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an das BMF, 21. Dezember 1950.
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3. Arisierung und Restitution von Liegenschaften
In diesem Sinne „stimmte“ das BMF in einem Erlass vom 17. Jänner 1951 „zu“, den Erben das Gut zu übertragen und die Ertragsüberschüsse aus der Zeit ab April 1945 freizugeben. Für das Ministerium bestand nach den vorgelegten Unterlagen „kein Zweifel, dass die Tilgung der Hypothek aus Erträgnissen der Gutsverwaltung Hintersdorf in den Jahren 1938 bis 1945 erfolgt“ sei.1110 Es dürfte sich wohl um die Mischung einer „ExitStrategie“, einem Zuvorkommen von Schadenersatzansprüchen seitens der Erben, einem bleibenden Gefühl der Rechtsunsicherheit und sicherlich auch um eine Vorkehrung gehandelt haben, mit der beide Seiten soweit leben konnten, dass das Ministerium die Übergabe und Ausfolgung der Erträgnisse an eine Haftungserklärung knüpfte. Am 23. Jänner 1951 unterzeichnete RA Dr. Josef Tafler eine Erklärung, dass seine Klienten Blanka Blime Goldstoff und Salomon Perlberger, Erben nach Sabine Perlberger, „die Republik Österreich gegen irgendwelche Ansprüche Dritter aus dem Titel der Tilgung der auf Gut Hintersdorf einverleibt gewesenen Hypothek zugunsten der Creditanstalt-Bankverein von RM 70.000,-- s.A. durch das Deutsche Reich klag- und schadlos halten“.1111 Am 30. Jänner 1951 übergab die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste das Gut nach sechs langen Jahren aufgrund des Erlasses des BMF vom 17. Jänner 1951 und der Haftungserklärung endgültig an die Erben, im März 1951 erfolgte die Überweisung der Ertragsüberschüsse in der Höhe von öS 42.847,48 auf ein Konto des bisherigen Verwalters Löbel Goldstoff.1112 Die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste hatte ob mutwillig oder nicht, sicher aber aus Gründen der Rechtsunsicherheit, wesentlich dazu beigetragen, dass die Rückstellung in Form der Übergabe des Waldgutes an die Erben von Sabine Perlberger um zumindest vier Jahre verzögert wurde. Beharrte sie bis zum Dezember 1949 für die Rückstellung auf einen entsprechenden Bescheid bzw. auf ein Erkenntnis, so setzte sich ab diesem Zeitpunkt die Einsicht durch, dass gar kein Rückstellungsverfahren notwendig war. Die Generaldirektion beschleunigte das Verfahren aber erst in dessen letzter Phase. Dass sie gegenüber der Aufsichtsbehörde BMfVS und WP bzw. BMF durchaus nicht als Weisungsempfänger auftrat, sondern durchaus Leitfunktionen übernehmen konnte, wird nicht nur in diesem Fallbeispiel deutlich. Die von Sabine Perlberger 1938 aufgenommene Hypothek in Höhe von RM 70.000,-wurde 1944 von der HTO, „Sonderabteilung Altreich“, als Teil der Kaufvertragsverpflich1110 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, BMF, Pomesberger, Zl. 216.216– 35/50, an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 17. Jänner 1951. 1111 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, RA Dr. Josef Tafler an die Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste, 23. Jänner 1951. 1112 ÖStA/AdR, ÖBF, Aktenkonvolut 947 13.490 30 Waldgut Perlberger, Generaldirektion der Österreichischen Staatsforste an RA Dr. Josef Tafler, 30. Jänner 1951.
3.3. Fallbeispiele
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tung, das Gut lastenfrei zu stellen, getilgt. Dass diese Tilgung erst nach Überweisung der Kaufsumme durch die Reichsforstverwaltung erfolgte, tut nichts zur Sache, denn es fand keine Kompensation statt. Trotzdem ein Rückstellungsverfahren aufgrund der nicht erfolgten Intabulation des Deutschen Reiches in den Grundbüchern nicht durchgeführt wurde, war der Kaufvertrag nach dem 8. Mai 1945 aus mehreren Gründen nichtig. Die Bescheide, mit denen die scheinlegalen Eingriffe in die Privatautonomie aufgehoben wurden, entzogen ihm jegliche Rechtsgrundlage. Bei der Rückabwicklung des Kaufvertrages wäre es aber die HTO bzw. ihr Rechtsnachfolger in Österreich bzw. der „Liquidator für die Einrichtungen des Deutschen Reiches in Österreich“ und eben nicht die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste gewesen, welche die Rückzahlung der Hypothek, soweit diese nicht beispielsweise für die Begleichung diskriminierender Abgaben aufgenommen worden war, beanspruchen hätte können. Dieser Fall ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie schlecht die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste mit dem sehr unbestimmten Instrumentarium, das ihr § 43 des Behördenüberleitungsgesetzes durch die Weiterführung der Geschäfte der ehemaligen Reichsforstverwaltung in die Hände gelegt hatte, umgehen konnte. Auch wenn sie dies vehement bestritt, führte sie das Bestehen auf die Rückzahlung der Hypothek und sogar der Kaufsumme „im Namen des Deutschen Reiches“ bzw. der Aufwendungen des Deutschen Reiches vor 1945 in gefährliche Nähe eines direkten Rechtsnachfolgers der Reichsforstverwaltung, auch wenn der Hintergrund sicher der war, Gelder des Deutschen Reiches für die Republik Österreich zu „sichern“, wie dies in einigen anderen Fällen ganz unverblümt zum Ausdruck kam.
Sitz der Bundesforste in den 1970er Jahren in Wien
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Personenregister Abensperg-Traun, Carl Maria 295 Alpers, Friedrich 70, 71, 112 Alt, Rudolf von 351 Asamer, Hans 320, 322, 323, 324, 325 Attems, Gäfin 345 Bailer-Galanda, Brigitte 100 Baumgartl, Friedrich, 52, 53 Bergbrunn-Ganahl, Friedrich 46 Bitterlich, Walter 106, 107 Böhmer, Peter 295 Bormann, Martin 346, 350, 351 Borowan, Richard 281, 283, 284, 285, 286, 289 Brandl, Hans 317 Breuer, Käthe 250 Brichta, Franz 75, 86 Brunner, Karl 122 Budschedl, Ignaz 382 Bürckel, Josef 57, 58, 59, 297, 331, 333, 334, 342 Burkert, Ing. 339, 342 Burghausen Schala, Sieghard Graf von 232 Chagar, Diebald von 239 Colloredo-Mannsfeld, Rudolf Graf 185, 190 Colonia Csosnowsky, Maria Gräfin 194 Czerny, Viktor 77, 78, 107, 108 Czernin Chudenitz, Otto Graf 187 Dauber, Lucian 364 Derfler, Michael 200, 336 Dier, Franz 31 Dietmann, Josef 220 Doblander, Jakob 229 Dohr, Ernst 87 Dollfuss, Engelbert 126 Domes, Heinrich jun. 87 Dörflinger, Kurt 282, 285, 286, 288 Draxler, Ludwig 189, 191
Eberts, Heinrich 160 Ebner, Luis 248 Eder, Franz 241 Eder, Marianne 241 Ehrmann, Oskar 359, 360 Eigruber, August 315, 316 Ellenbogen, Magda 144, 145, 146 Ellmauer, Daniela 310 Engl, Franz 50 Ernstbrunner, Hans 305, 307, 310 Epp, Ritter von 333 Erb, Otto 112 Fellner, Ferdinand 344 Fischer-Ankern, Peter 73, 74, 75, 79 Flatscher, Hermann 67, 68 Formanek, Karl 93 Franz Joseph, Kaiser 344 Freund, Florian 137 Fuchs, Christine 247, 252 Fuchs, Johann 247, 252 Fux, Leopold 56, 108, 109, 110, 116, 117 Gerö, Robert 214 Gewista, Hermann 248 Girbl, Helidor 41 Gleißner, Heinrich 325 Goldstorff, Blanka Blime 383, 386, 388, 390 Goldstorff, Löbel 361, 362, 378, 383, 386, 387, 390 Gömbös, Julius 124 Göring, Hermann 18, 27, 121, 203, 205, 206, 212, 293, 347, 348, 350, 351, 352, 353, 365, 366, 367 Großmann, Alois 50 Güde, Julius 20, 21, 27, 37, 50, 87, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 124, 125, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 167, 168, 169, 170, 171, 173, 187, 196, 202, 203, 204, 206, 210, 212, 224, 235, 256, 257, 259, 261, 262, 263, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 288, 292, 339, 349, 360, 361, 362, 363, 364, 367, 368, 369, 373, 374, 375, 376, 377
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Personenregister
Hackermüller, Franz 106, 117, 118, 119, 126, 173, 188, 268, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 287, 324, 363, 375 Hagmüller, Adolf 87 Haiden, Günter 104 Hamböck, Gottfried 166, 183, 185, 186, 198, 216, 220, 221, 225, 226, 227, 228, 229, 238, 240, 252, 254, 296, 312, 326 Hamburger-Löw, Marianne 227 Hamm, Kurdirektor 315, 317 Handel-Mazzetti, Peter 300, 301, 302, 303, 304, 306, 308 Handl, Marianne (geb. Zollner) 229 Harrer, Rudolf 79 Häuel, Rudolf 292 Heigenhäuser, Josef 217 Heindl, Rudolf 104 Hellmer, Hermann 344 Herberts, Ulrich 129, 130 Herdlicka, Franz 193 Herdlicka, Sophie 193 Hilgenfeldt, Erich 248 Himmler, Heinrich 333, 352 Hitler, Adolf 121, 122, 170, 201, 202, 203, 206, 239, 346, 350, 351, 352 Hochleitner, Albert 324 Hofmann, Albert 332, 333 Hofmannsthal, Hugo von 344 Holl, Wilhelm 373 Holzmann, Johann 219, 220 Holzmann, Karl 219 Hörander, Franz 197, 234, 360, 361, 363, 365, 366, 367, 369, 371, 372, 373, 376, 378, 385, 389 Hornung, Ela 138 Horr, Hilde Emma 117, 119, 192, 255, 256, 257, 260, 261, 262, 269, 270, 272, 274, 275, 276, 277 Horr, Theodor 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 274, 276 Horthy, Nikolaus 76 Hrovath, Apotheker 314, 316, 320, 321, 324
Isra, Karl 278, 280, 281, 287 Jagschitz, Gerhard 58 Jankowitsch, Josef 104 Jänsch, Apotheker 314 Jochmann, Georg 308, 309, 314 John, Michael 310 Jurza, Adolf 229 Kainradl, Sophie (verwitwete Scherzer) 222 Kalbeck, Marie 250 Kaltenegger, Landrat 315, 316, 317 Karitzky, Oberforstmeister 257 Kern, Eugen 243, 252 Klein, Ernestine 242 Klein, Felix 242, 243, 252 Klein, Forstmeister 316 Klein, Otto 242 Kletzl von Altenach, Familie 232 Klinger von Klingerstorff, Gertrude Baronin 225 Klinger von Klingerstorff, Hugo Freiherr 224 Koennecke, Erich 67 Kohn, Otto 180, 182, 191, 254, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 308, 309, 310, 312, 321, 322, 323 Kohn, Valerie 191, 254, 296, 297, 302, 304, 305, 308, 309, 312 Koidl, Erich 50 Kolowrat, Ing. 339, 342 Koritschoner, Aurelia 221, 222 Koritschoner, Moritz 221 Kral, Maria 49 Kraus, Josef 68, 126, 179 Kurth, Richard 324, 325 Kurth, Rosina 312, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326, 327 Lamberg, Graf 165 Lammers, Hans Heinrich 346, 350 Lanckoronski, Franziska 345 Lanckoronski (Lanckoronska), Karolina 343, 345, 347, 357 Lanckoronski, Kazimierz 344
Personenregister
Lanckoronski-Brzezie (Lanckoronska), Adelajde 195, 343, 345, 347 Lanckoronski-Brzezie, Anton (Antoni Joszef ) 195, 343, 344, 345, 347, 356, 357 Lanckoronski-Brzezie, Karl (Karol) Graf 195, 344, 345 Lanckoronski-Brzezie, Karolina 195 Langthaler, Ernst 138 Lederle, Adelinde (geb. Huter) 220 Leopold II von Österreich, Markgraf 232 Lesser, Ernst 49, 52, 80, 106, 116, 119 Lettner, Adelheid 78, 108 Leutzendorf, Rudolf von 332 Leyrer, Hans 335 Lingg, Anton 59, 60, 70 Loewenfeldt-Russ, Walter 339, 340 Lostenstein, Bernhard von 232 Lostenstein, Hans Wilhelm von 232 Löw, Franziska 227 Löw, Georg 227 Löw, Gertrud 227 Löw, Gustav 227 Löw, Stefan 227 Löw, Wilhelm 227 Lumpi, August 100 Mahler, Ministerialdirektor 369 Makart, Hans 344 Martin, Rudolf 378, 379, 380, 381, 382, 384 Martischnig, Alois 223 Martischnig, Gottfried 223 Martischnig, Johann 223 Martischnig, Josefine 223 Martischnig, Karoline 223 Mauser, Alfons 22, 37, 46, 48, 105, 120, 121, 122, 123 Mautner, Anna 250 Mautner, Heinrich Mathias 250 Mautner, Isidor 250, 251, 252 Mautner, Konrad 250 Mautner, Konrad Michael 250 Mautner, Lorenz Sebastian 250, 251 Mautner, Stefan 250
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Mauve, Rudolf 352 Mayr, Karl 78 Megele, Oskar 46, 87 Merveldt, Franz Graf von 233, 234 Möbius, Reinhold 280, 287 Müllegger, Alois 241 Müller, Bernhard 243, 252 Murg vlgo Öttaler, Franz 241 Murg vlgo Öttaler, Maria 241
Nagel-Doornick, Josef Freiherr von 234, 235, 236, 237 Nascher, Ignaz 230 Neugebauer, Wolfgang 79 Niederacher, Sonja 48 Nötzl, Paul 49, 52, 53 Pachta-Rayhofen, Maria Gräfin 230 Pantleon, Anton 242, 243, 252 Pantleon, Else 243 Pantleon, Johann 243 Patzak, Emil 313, 314, 315, 316, 317, 322 Peletter, Woldemar. 331, 334, 348, 351 Perlberger, Jakob 196 Perlberger (Scheindl), Sabine 196, 197, 254, 358, 359, 360, 361, 362, 363, 364, 368, 372, 373, 375, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 385, 386, 388, 389, 390 Perlberger, Salomon 383, 386, 388, 390 Perntner, Hans 249 Perz, Bertrand 137 Pesendorfer, Alexander 338 Pfäfflin, Pater Optatus 331, 333, 334, 342 Placereano, Heinrich 272 Pollanschütz, Wilhelm 41 Porada, Dr. 363 Poser, Florence von 248, 252 Posse, Hans 347, 350, 351 Preindl, Ferdinand 50, 76, 80, 86, 116, 123, 124, 125, 126, 253, 280, 324, 325, 341 Pucher, Hubert 226, 227, 254, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 287, 288, 289, 290, 291
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Personenregister
Raymann, Viktor 50 Reetz, Karl 350, 351, 366 Reimer, Gottfried 351 Reinthaller, Anton 20, 21, 37, 69, 71, 111, 114, 115, 120, 124 Richter, Elise 328 Richter, Helene 328 Rieder, Hubert 53 Rilke, Rainer Maria 344 Röck, Anna 221 Rodin, Auguste 344 Rothschild, Alphonse de 246 Rothschild, Clarice de 246 Rothschild, Baron Louis Nathaniel de 244, 245, 252 Rottenwänder, Petr 218 Rubner, Heinrich 24, 67, 72 Sablatnigg, Paul 283 Salm-Horstmar, Otto Fürst 243 Salm-Horstmar, Philipp Franz Prinz zu 243 Schaumburg-Lippe, Prinz Wolrab 231 Scheibenreif, Alois 237 Scherer, Johann 230 Schmidberger, Heinrich 52 Schmidt, Katharina 49 Schönerer, Georg Ritter von 266 Schönfeldt, Ing. 245 Schröder, Oskar 21, 37 Schussnig, Kurt 124, 331 Schuster, Walter 95 Schweitzer, Sabine 138 Segal, Arnold 214 Seiberl, Herbert 351, 352 Seitlinger, Franziska 217 Seitlinger, Josef 217 Seyß-Inquart, Arthur 20 Skrein, Rudolf 245 Sofer, Johann 328 Spillmann, Franz 53 Stampfer, Christian 223 Starhemberg, Ernst Rüdiger Fürst von 190, 191, 205
Starkel, Alfons 21, 22, 37 Stein, Martha 49, 50 Stelzer, Fritz 242 Stelzer, Konrad 241, 242 Stiefl, Dieter 72, 82, 85, 87, 89, 90, 91, 92, 94, 97, 102 Stockinger, Fritz 124, 192, 193 Stöger, Heinrich 187, 188 Stoiber, Direktor 298 Stoiber, Jakob 80, 86, 106, 126, 127, 340 Stolle, Otto 241 Strasser, Ernst 218 Streibl, Robert 146 Stubenberg, Wilhelm von 232 Tafler, Josef 383, 384, 389, 390 Tannhofer, Dr. 372 Theisl, Josef 222 Thomich, Wolfgang 270 Thumser, Regina 310 Tilgner, Viktor 344 Tinti, Bartolomäus Freiherr von 232, 233 Tinti, Karl Ferdinand Freiherr von 232, 233 Tinti, Hugo Freiherr von 232, 233, 234 Tinti, Karl Gustav Freiherr von 232, 233 Trubrig, Emma 226 Trunner, Katharina 53 Uiberreither, Siegfried 353 Ullersperg, Dr. 231 Vasold, Markus 21, 37, 46 Voss, Hermann 349, 351 Wächter, Otto 47 Walter, Julius 53 Weber, Christian 121 Wegl, Josef 293 Wegl, Rudolf 292 Weigl, Norbert 18, 75 Weiss, Leo 215 Wimpffen, Georg Graf 241 Wohlberg, Moshe 144, 145, 146
Personenregister
Wolf-Zdeckauer, Karl Freiherr von 228 Worel, Severin 145 Wurzbach (Würzbach), Wolfgang 241, 311, 312, 318, 319, 322, 327, 328, 329 Wurzbach-Tannenberg, Constant Ritter von 327 Zangerl, Antonia 227 Zangerl, Robert 227 Zauner, Viktor 241, 311, 312, 313, 314, 315, 317, 318, 319, 320, 321, 322, 324, 325, 327 Zelking, Anna von 232 Zelking, Elisabeth von 232 Zelking, Leukardia von 232 Zelking, Otto von 232 Zelking, Stephan von 232 Zellinger, Rudolf 256, 264, 272, 276 Zöhrer, Otto 367, 368 Zsolnay, Almuth 187 Zsolnay, Friedrich 187, 188, 189
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