Die neue Insolvenzordnung. Erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft: Bankrechtstag 1999 [Reprint 2017 ed.] 9783110905502, 9783110167726


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German Pages 179 [184] Year 2000

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzordnung
Die neue Insolvenzordnung – Erste Erfahrungen aus der Sicht eines Insolvenzverwalters –
Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung
Kreditsicherheiten in der Insolvenz
Anhang: Tagungsbericht
Stichwortverzeichnis
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Die neue Insolvenzordnung. Erste Erfahrungen und Tragweite für die  Kreditwirtschaft: Bankrechtstag 1999 [Reprint 2017 ed.]
 9783110905502, 9783110167726

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Die neue Insolvenzordnung Erste Erfahrungen u n d Tragweite für die Kreditwirtschaft

Bankrechtstag 1999

BrV 16

Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung

herausgegeben von Walther Hadding, Mainz Klaus J. Hopt, Hamburg Herbert Schimansky, Karlsruhe

Band 16

Walter de Gruyter • Berlin • New York

Die neue Insolvenzordnung Erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft Bankrechtstag 1999

W DE G 2000

Walter de Gruyter • Berlin • New York

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufitahme

Die neue Insolvenzordnung — erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft / Bankrechtstag 1999. — Berlin ; New York : de Gruyter, 2000 (Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung ; Bd. 16) ISBN 3-11-016772-7

© Copyright 2000 by Walter de Gruyter G m b H & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck und buchbinderische Verarbeitung: WB-Druck, Rieden am Forggensee Umschlaggestaltung: Angela Dobrick, Hamburg

Vorwort Die Bankrechtliche Vereinigung - Wissenschaftliche Gesellschaft für Bankrecht e.V. - hat ihren Bankrechtstag 1999 in Stuttgart nicht wie in der Regel sonst mit zwei Abteilungen abgehalten, sondern ihn angesichts der besonderen Bedeutung unter das Gesamtthema „Die neue Insolvenzordnung - erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft" gestellt. Das entsprach dem einhelligen, aus Praxis und Wissenschaft an die Veranstalter herangetragenen Wunsch. Die neue InsO hat für die Kreditwirtschaft naturgemäß erhebliche Auswirkungen, auch wenn sich manche ursprüngliche Befürchtung so nicht bewahrheitet hat. Das Thema wurde in Stuttgart von verschiedenen Seiten her eingekreist: Das Grundlagenreferat über „Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung" hielt K. Schmidt, Bonn. Über erste Rechtsprechung des BGH berichtete H. G. Ganter. Über praktische Erfahrungen aus der Sicht eines Insolvenzverwalters, einer Bank und der Anwaltschaft referierten B. M. Kübler, Köln, Berlin und Dresden, M. Obermüller, Frankfurt a.M. und H. Hess, Mainz. Besondere praktische Schwierigkeiten scheinen die Verbraucherinsolvenz und Rechtsschutzbefreiung und die Kreditsicherheiten in der Insolvenz aufzuwerfen. Wie bei allen Bankrechtstagen gab es in Stuttgart eine sehr lebhafte Diskussion, über die ausführlich in der Fachpresse berichtet worden ist, namentlich von R. Wunderer in WM 1999, 1489 und R. Pamp ZBB 1999, 246. Auszüge daraus sind im Anhang angefügt. Die Drucklegung hat Frau I. Stahl besorgt unter Mithilfe von E. Hess, beide Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg. Ihnen und allen die am Gelingen des Bankrechtstages mitgewirkt haben, namentlich Frau W. Preis, gilt unser besonderer Dank.

Mainz, Hamburg, Karlsruhe im November 1999

Hadding, Hopt, Schimansky

Inhaltsverzeichnis Professor Dr. Karsten Schmidt, Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn

Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung

1

Dr. Hans Gerhard Ganter, Richter am Bundesgerichtshof

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzordnung

27

Dr. Bruno M. Kübler, Rechtsanwalt, Köln, Berlin und Dresden

Die neue Insolvenzordnung - Erste Erfahrungen aus der Sicht eines Insolvenzverwalters -

49

Dr. Martin Obermüller, Syndikus Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

69

Dr. Harald Hess, Rechtsanwalt in Mainz

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

101

Anhang: Tagungsbericht

163

Stichwortverzeichnis

169

Insolvenzordnung und Unternehrnensfmanzierung Professor

Dr. Karsten

Schmidt,

Direktor d e s Instituts für

Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität B o n n

Inhaltsübersicht I.

II.

III.

Grundlagen 1. Insolvenzrecht: mehr als nur Insolvenzverfahrensrecht 2. Interaktionen von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht 3. Positives Recht und „Natur des Sache" Überschuldungsbegriff und Unternehmensfinanzierung 1. Funktionsfähigkeit oder Funktionsunfähigkeit des Überschuldungsbegriffs? 2. .Alter" und „neuer" Überschuldungsbegriff 3. Überschuldungsfeststellung und „Firmenwert" Eigenkapitalersatzrecht

1. Nochmals: Positives Recht und „Natur der Sache" 2. Neue Rechtsprechung 3. Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus IV. Haftung und Finanzierung 1. Die Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage: Überreaktion auf einen Formfehler? 2. Gesellschafterbürgschaften: wichtiger denn je? V.

Masselosigkeit 1. Was tut die Insolvenzordnung? 2. Unternehmensrechtliche Haftung?

VI. Fazit

I. Grundlagen 1. Insolvenzrecht: mehr als nur Insolvenzverfahrensrecht Wer sich gegenüber Unternehmenspraktikern als ein Autor auch des Insolvenzrechts bekennt, stößt nicht selten auf befremdetes Kopfschütteln, im besseren Fall auf Ironie, im schlechteren auf degoutiertes Befremden. Wer denkt schon gern an das Insolvenzgeschehen, und wer wird sich nicht über diejenigen wundem, die sich auch noch freiwillig mit solchen Unappetitlich-

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Karsten Schmidt

keiten abgeben. Indes braucht man nur wenig weiterzudenken, um anderen Sinnes zu werden. Zunächst einmal ist das Insolvenzrecht ja für die Gläubiger und nicht bloß für den Schuldner da, und aus dieser Perspektive wird Insolvenzrecht auch für gesunde Unternehmen interessant. Denn wer liebte es schon, Forderungen gegen eilfertig gegründete und still liquidierte Gesellschaften mit beschränkter Haftung abzuschreiben? Es ist ja kein Zufall, daß gerade auch Bankjuristen in die Insolvenzrechtsreform involviert waren 1 und in der Insolvenzliteratur präsent sind. 2 Sodann und vor allem aber ist Insolvenzrecht Bestandteil auch einer freien Wettbewerbsordnung, die das Ausscheiden aus dem Markt wie den Eintritt mit Rechtsregeln ausstatten muß. Wir gehen also nicht dem Beruf des Totengräbers nach, wenn wir uns mit dem Insolvenzrecht beschäftigen, eher schon - wenn solche Bilder erlaubt sind - dem des Sportarztes bei einem riskanten Sport, der den Zustand von Kombattanten beurteilt, die einen aus dem Ring nimmt, die anderen wieder an dem Geschehen im Ring teilnehmen läßt. So wurde das Insolvenzrecht vor allem von der neoliberalen Freiburger Schule - also von Eucken, Böhm und Miksch - in das Marktgeschehen eingeordnet, 3 und so entspricht es auch der Natur der Sache. Daß das Insolvenzrecht den lebenden Unternehmen dient, gilt aber vollends, wenn wir es im Lichte der Unternehmensfinanzierung betrachten, d.h. seine präventive Wirkung ins Auge fassen. Genau das ist mein heutiges Thema. Die Frage ist: Wie teilen sich Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht in diese präventive Ordnungsaufgabe? Und: Hat die Insolvenzordnung Einfluß auf die Praxis der Untemehmensfinanzierung? Unverkennbar hält ja das Insolvenzrecht seine unsichtbare Hand über alle, selbst die gesundesten Unternehmen. Aber auch im eröffneten Insolvenzverfahren müssen wir stets im Blick behalten, daß Verfahren und Verfahrensrecht - so unentbehrlich sie sind nur Diener des materiellen Rechts sind und sich nicht zum Selbstzweck aufschwingen dürfen. Mit Recht stellt § 1 der Insolvenzordnung die Ziele des Insolvenzverfahrens voran. § 1 KO hatte noch mit einer Definition der

1 2 3

Zu den Mitgliedern der Insolvenzrechtskommission zählte insbesondere Prof. Dr. Heinsiiis. Vgl. exemplarisch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 5. Aufl. 1997. Besonders kraß Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 37; vgl. auch Graf Lambsdorff, ZIP 1987,810.

Insolvenzordnung und Unternehmensfmanzierung

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Konkursmasse losgeplatzt, die in mehrfacher Hinsicht verräterisch war: „Das Konkursverfahren umfaßt das gesamte einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners, welches ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört." Mit dieser Definition kam eine doppelte Beschränkung des Blickwinkels zum Ausdruck: 4 zum einen der Blick auf das Modell der natürlichen Person als Schuldner und zum anderen ein exekutorisches Denken, nach dem die Verfahrenseröffnung wie ein Blitzlichtfoto das in diesem Augenblick auf die Bühne der Gesamtvollstreckung gezerrte Vermögen des Schuldners, aber nicht die unpfändbaren Gegenstände, statisch erfaßt. Schon in dieser Hinsicht ist die Insolvenzordnung klüger. Der neue Massebegriff ist dynamisch (§ 35 InsO). Er umfaßt auch den Hinzuerwerb. Das ist nicht wegen des nachträglichen Lottogewinns des Schuldners von Interesse (ein in der akademischen Lehre beliebtes, für die Kleinbürgerperspektive im Hörsaal verräterisches Beispiel), sondern wegen des dynamischen Untemehmensvermögens. 5 Insbesondere für die Gesellschaftsinsolvenz gilt, was ich gegen den Gesetzeswortlaut schon unter der Konkursordnung vertreten habe: 6 Das gesamte Gesellschaftsvermögen bildet die Insolvenzmasse. Es gibt kein massefreies Gesellschaftsvermögen. Anderes soll zwar nach § 36 Abs. 1 InsO für unpfandbare Gegenstände gelten, 7 aber diese Beschränkung hat - wie ich nach wie vor keck behaupte 8 - in der Gesellschaftsinsolvenz keinen Anwendungsbereich. Insolvenzrecht und Insolvenzverfahren müssen funktionell begriffen werden. Sieht man mit Praktikeraugen, also ganz unakademisch, auf das Insolvenzrecht und auf die Insolvenzverfahren, so kann man diese in drei große Gruppen einteilen: — — — 4 5 6 7 8

die Insolvenz der natürlichen Personen, insbesondere die Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO), die Nachlaßinsolvenz (§§ 315 ff. InsO) und die Unternehmensinsolvenz. Vgl. zur Kritik Karsten Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, 1990, S. 69 ff. Vgl. ebd. Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl. 1997, § 1 KO Anm. 1 A c und 3 D m.w.N. Vgl. nur Uhlenbruch, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1997, S. 891 f. Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 758.

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Karsten Schmidt

Alle drei haben mit Recht ihren Standort in der Insolvenzordnung, aber alle drei haben ganz und gar unterschiedliche Funktionen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person stand herkömmlich ganz im Mittelpunkt der Insolvenzrechtsdoktrin, obwohl der Konkurs der natürlichen Person so, wie ihn die Konkursordnung regelte, praktisch und rechtspolitisch von vergleichsweise geringem Interesse war. Er brachte den Gläubigern nichts ein und versprach dem Schuldner, sofern kein Zwangsvergleich zustande kam, keine Entschuldung (vgl. § 164 KO). Das hat sich durch das besondere Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO) und die Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) geändert, doch ist dies heute nicht mein Thema. Auch das Nachlaßinsolvenzverfahren ist nicht exekutorisch zu denken, sondern es steht im Dienst der Haftungsbeschränkung des Erben (§ 1975 BGB). Das Verfahren bei Unternehmensinsolvenzen, das uns heute interessieren soll, ist nun gleichfalls kein Vollstreckungsverfahren, sondern ein Liquidationsverfahren mit Sanierungsoption. So war richtigerweise schon das Konkursrecht der Handelsgesellschaften zu begreifen. Jedenfalls aber gilt dies für das neue Insolvenzrecht. Die Versöhnung von Insolvenzrecht und Liquidationsrecht, von der ich seit langer Zeit rede, 9 ist mit der Insolvenzordnung geltendes Recht.

2. Interaktionen von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht Daß es Interaktionen von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht gibt, ist leicht zu erkennen. Das ergibt sich zunächst aus der soeben getroffenen Feststellung, daß das Gesellschafts-Insolvenzverfahren ein Liquidationsverfahren mit Fortsetzungsoption ist. Es ergibt sich sodann aus der Insolvenzabwicklungspraxis. Wir brauchen ja nur zu fragen, wofür sich der Insolvenzverwalter etwa einer GmbH interessiert, wenn er die Insolvenzmasse nach §§ 148, 159 Abs. 1 InsO ergreift und verwertet: Er wird sich um Gesellschafterdarlehen kümmern, er wird nach der letzten Kapitalerhöhung fahnden (und zwar wegen des Verdachts verdeckter Sacheinlagen), und er wird prüfen, ob er Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch nehmen und diese Haftung nach § 92 InsO für die Masse requirieren kann. Er wird das Gesellschaftsrecht als insolvenzrechtlichen Gabentisch ver-

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Vgl. namentlich Karsten Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, S. 99 ff.

Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung

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stehen und sich dankbar davon bedienen. Aber weil das so ist, strahlt eben das Insolvenzrecht auch auf die Unternehmensfinanzierung aus. Das ist mein Thema.

3. Positives Recht und „Natur des Sache" Die etwas großspurig daherkommende Überschrift dieses Abschnitts läßt vielleicht mehr vermuten, als ich damit zu sagen gedenke. Wer meine Beiträge zur Insolvenzrechtsreform seit 1982 ein wenig kennt - unsere von Marcus Lutter geleitete Juristentagsabteilung arbeitete der Insolvenzrechtskommission ja um Jahre voraus! 1 0 - , wird sich vielleicht erinnern, daß ich stets gegen Wundergläubige angekämpft habe. Das positive Recht kann keine Wunder tun, kann also auch zu einem insolventen Unternehmen nicht sagen: "Stehe auf und wandle!" Die Idee, daß sich die Finanzierung und Sanierung von Unternehmen mit der Gebetsmühle des Gesetzgebers in völlig neue Bahnen lenken läßt, verführte vor der Insolvenzordnung manche zu unrealistischen Hoffnungen, aber wir müssen auch seit ihrem Inkrafttreten mit der einfachen Tatsache leben, daß die Insolvenzordnung das Recht der Untemehmensfinanzierung nicht auf den Kopf stellen kann. Ob ein Unternehmen richtig oder falsch finanziert ist, bestimmt sich nach betriebswirtschaftlichen, nicht nach juristischen Daten. Dabei ist es geblieben, und das ist gut so. Gleichwohl gibt es Rechtsgrundsätze der Untemehmensfinanzierung, und diese ergeben sich nun einmal aus der Interaktion von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht. Eben weil das Gesetz keine Wunder tun kann, muß es die an der Finanzierung und Leitung von Unternehmen zu demjenigen Verhalten anhalten, das unvermeidliche Verfahrenseröffnungen auf den richtigen Zeitpunkt verlegt und vermeidliche Verfahrenseröffnungen zu vermeiden hilft.

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Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen durch Maßnahmen im Unternehmens-, Arbeits-, Sozial- und Insolvenzrecht, in: Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentags, Abteilung D, 1982.

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Karsten Schmidt II. Ü b e r s c h u l d u n g s b e g r i f f u n d U n t e r n e h m e n s f i n a n z i e r u n g 1. Funktionsfähigkeit oder Funktionsunfähigkeit des Überschuldungsbegriffs?

a) Der Überschuldungsbegriff wird im herkömmlichen Insolvenzschrifttum ganz einseitig als Insolvenzeröffnungstatbestand begriffen. Wer wollte bestreiten, daß er ein Eröffnungstatbestand ist? § 19 InsO spricht hier eine unmißverständliche Sprache. Aber ist dies das wirklich Interessante am Überschuldungsbegriff? Gibt es eigentlich Fälle, in denen ein Insolvenzantrag wegen Überschuldung gestellt und im Insolvenzverfahren über den Überschuldungstatbestand ernsthaft gestritten wird? Die Rechtsprechung zum Überschuldungstatbestand befaßt sich nicht mit der Verfahrenseröffnung, sondern mit der Verfahrensverschleppung, und das ist charakteristisch. Die in meinen Augen wichtigste Funktion des Überschuldungstatbestandes liegt nicht in § 19 InsO, sondern in dem vom Überschuldungsstatus ausgehenden präventiven Gläubigerschutz, m.a.W. also: in den sich daraus ergebenden Spielregeln über die Finanzierung und Sanierung von Unternehmen. Aus den § § 4 2 Abs. 2 BGB, 92 Abs. 2 AktG, 64 GmbHG und 177a H G B ergibt sich ein Verbot, überschuldete Unternehmen ohne Sanierung fortzufuhren, und mittelbar ergibt sich daraus eine permanente Selbstprüfungspflicht der Unternehmensleitungen." Nicht die Insolvenzantragspflicht, sondern die Insolvenzvermeidungspflicht ist die primäre Botschaft dieser Bestimmungen an das Management. Insofern hat der Überschuldungstatbestand unmittelbar etwas mit der Unternehmensfmanzierung zu tun. Immer wieder ist seine Unbrauchbarkeit behauptet worden, so vor über zwanzig Jahre von den Betriebswirten Egner und Wolfß2 und jetzt wieder von dem Betriebswirt Fenske13. Egner und Wolff haben behauptet, der Tatbestand müsse gestrichen werden, weil unter der Fortführungsprämisse kein Unternehmen, unter der Zerschlagungsprämisse dagegen jedes Unternehmen insolvent sei. Fenske meint, die Überschuldungsprüfung laufe auf künftige Zahlungsunfähigkeit hinaus, und diese sei ausweislich des § 18 InsO ein eigener Insolvenztatbestand.

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Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 8. Aufl. 1995, §64 Rdnr. 10; in gleicher Richtung etwa BGHZ 126, 181, 199. 12 Egner/Wolff, AG 1978, 99 ff. 13 Fenske, AG 1997, 554 ff.

Insolvenzordnung und Untemehmensfinanzierung

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b) Beide Autoren haben mit ihren Befunden recht, nicht jedoch mit ihren Folgerungen. Aus der Auseinandersetzung mit Egner und Wolff habe ich vor zweiundzwanzig Jahren den sog. neuen zweistufigen Überschuldungsbegriff gezimmert, 1 4 der alsbald von Ulmer aufgenommen 1 5 und sodann in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingegangen ist. 16 Und zu Fenske ist zu sagen: Uberschuldung ist in der Tat nichts anderes als prognostizierte Zahlungsunfähigkeit. Sie darf auch nichts anderes sein, denn es wäre unvertretbar, wollte man ein Unternehmen wegen Überschuldung in das Insolvenzverfahren zwingen, obwohl es bis an der Welt Ende seine Verbindlichkeiten bedienen wird. 1 7 Genau aus diesen Überlegungen hat sich der jedenfalls unter der Konkursordnung herrschende Überschuldungsbegriff herausgebildet. In der Formulierung des BGH ist dieser Überschuldungstatbestand erfüllt, „wenn das Vermögen bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken würde (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung ausreicht (Überlebens- oder Fortbestehensprognose)." Im Hinblick auf die Insolvenzordnung lohnt es sich, noch einmal die Prämissen dieses Überschuldungstatbestands festzuhalten. Es sind dies die folgenden: —





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Ein Unternehmen, das bei Zugrundelegung von Liquidationswerten alle Forderungen bedienen kann, darf nicht in das Insolvenzverfahren gezwungen werden, selbst wenn sein Vermögen im Vollstreckungsfall die Verbindlichkeiten nicht decken würde (deshalb die rechnerische Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten). Ein Unternehmen, das dauerhaft zahlungsfähig bleibt, darf gleichfalls nicht in das Insolvenzverfahren gezwungen werden (deshalb die Prognose). Die Prognose sollte aus Gründen der Rechtsklarheit nicht, wie nach dem bis vor 25 Jahren herrschenden alten zweistufigen Überschuldungsbegriff, als bloße Bewertungsprämisse in der rechnerischen Überschuldung aufgehen, sondern von dieser getrennt ausgewiesen, ggf. also vorgerechnet werden. Karsten Schmidt, AG 1978, 334 ff. Ulmer, KTS 1981, 459 ff. BGHZ 119, 201, 214; 126, 181, 199; BGH, NJW 1997, 606, 607; 1998, 2667, 2669; für die heute h.M. vgl. etwa Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 63 Rdnr. 34 ff.; Rowedder, GmbHG, 3. Aufl. 1998, § 63 Rdnr. 7 ff. Karsten Schmidt, JZ 1982, 167.

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Karsten Schmidt

2. „Alter" und „neuer" Überschuldungsbegriff Dies sind die Grundlagen der vom Bundesgerichtshof akzeptierten sog. neuen - heute in Wahrheit gewiß nicht mehr neuen - zweistufigen Überschuldungsprüfung. Der Gesetzgeber will nun die Praxis zwingen, zu der alten Methode zurückzukehren und die Prognose wieder in die Aktivenbewertung einzubauen. § 19 Abs. 2 InsO lautet wörtlich: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortfuhrung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn dies nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist."

Das soll, wie Regierungsbegründung 18 und Ausschußbericht 19 zeigen, nicht bloß alter Wein in neuen Schläuchen sein, sondern eine gesetzlich verordnete Änderung der BGH-Praxis nach sich ziehen. Die Gesetzesverfasser wollen verhindern, daß eine - vielleicht ja unrichtige - Fortfuhrungsprognose ausreicht, um den Überschuldungstatbestand auszuschalten. In jedem Fall, so der Wille der Gesetzesverfasser, soll eine rechnerische Überschuldungsprüfung stattfinden. Man wird gespannt sein, ob der BGH seine Praxis substantiell ändern wird. 20 Ich persönlich sehe dies nicht 21 und sehe mich darin jüngst durch Annahmen von Marcus Lutter bestätigt. 22 Die Gesetzesverfasser haben die Bedeutung der Fortfiihrungsprognose in der Rechtsprechung verkannt, diese Prognose nämlich mit der subjektiven Annahme der Geschäftsleitung gleichgesetzt. Deshalb wollen sie z.B. verhindern, daß eine falsche Prognose zur Verneinung des Überschuldungstatbestands fuhren kann. Diese Gefahr sehen sie bei der gegenwärtigen Rechtsprechung, indes zu unrecht. Eine anfanglich falsche Prognose kann nach dem neuen wie dem alten Überschuldungsbegriff dazu fuhren, daß das Management eine vorhandene Überschuldung nicht erkennt; daran kann kein Gesetzgeber etwas ändern. Eine anfänglich falsche Prognose kann aber niemals etwas am Tatbestand der Überschuldung ändern, mag man die Prognose nun mit dem Gesetzgeber

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BT-Drucks. 12/2443, S. 115 (zu § 23 RegE InsO). BT-Drucks. 12/7302, S. 157 (zu § 23 RegE InsO). Dafür offenbar Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 69 Rdnr. 12; eindeutig Teller, Rangrücktrittserklärungen zur Vermeidung der Überschuldung bei der GmbHG, 2. Aufl. 1995, S. 67. Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdnr. 580. ¿ « « e r , ZIP 1999, 641 ff.

Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung

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als Bewertungsprämisse für die Aktivenbewertung einsetzen oder mit dem Bundesgerichtshof als eigenständigen Schritt bei der Überschuldungsprüfung. Eine anfänglich richtige Fortfuhrungsprognose läßt dagegen den Überschuldungstatbestand entfallen, mag man sie nun bei der Aktivenbewertung unterbringen (so der neue § 19 Abs. 2 InsO) oder als negatives Überschuldungsmerkmal isolieren. Auch geht es natürlich nicht darum, daß etwa schöne Träume der Geschäftsführer die Überlebensprognose ersetzen können. Diese muß - wiederum unabhängig von dem Streit zwischen der Gesetzgebermethode und der BGH-Methode - rechnerisch nachvollziehbar in Finanzplänen darzustellen sein. Meine Erwartung ist deshalb, daß der Bundesgerichtshof vielleicht seine Formulierungen dem Gesetzeswortlaut anpassen, seine Praxis also nominell umstellen, nicht aber einen Meinungsumschwung in den Ergebnissen vollziehen wird. Das ist eine Fortbestehensprognose für die bisherige Praxis, aber die Frage ist offen. Die Frage hat viel mit dem zu tun, was oben als „Natur der Sache" bezeichnet wurde.

3. Überschuldungsfeststellung und „Firmenwert" Auf die Spitze treiben läßt sich diese Kontroverse z. Zt. bei neugegründeten Dienstleistungsuntemehmen, soweit diese kein nennenswertes Anlagevermögen besitzen. 2 3 Hier stellt sich die Frage, ob der Betrieb solcher Unternehmen durch § 19 InsO inhibiert, die Bereitstellung haftenden Anlagevermögens also vom Insolvenzgesetzgeber erzwungen wird. Wiederum muß daran erinnert werden, daß wir uns statt von eingelernten Begriffen von der Natur der Sache leiten lassen müssen und daß Unternehmen, die nach menschlichem Maß ewig ihre Verbindlichkeiten bedienen werden, vom Gesetzgeber nicht in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden dürfen. Jedes andere Ergebnis wäre wirtschaftlich und insolvenzpolitisch unsinnig, wohl sogar verfassungswidrig. Stellen wir uns ein junges Dienstleistungsunternehmen vor, dessen pfändbare Aktiva durch typische Anlaufverluste (Werbemaßnahmen etc.) weitgehend aufgezehrt sind, das aber seine Verbindlichkeiten dauerhaft aus den Erträgen wird decken können. Ist dieses Unternehmen überschuldet und damit insolvenzreif? Der Überschuldungsbegriff des BGH sorgte in solchen Fällen mit Hilfe der isolierten Fortfuh-

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Dazu Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdnr. 580.

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Karsten Schmidt

rungsprognose dafür, daß das Unternehmen ohne verbotene Konkursverschleppung fortgeführt werden durfte. Der Überschuldungsbegriff des § 19 InsO kann zu demselben Ergebnis fuhren, wenn es zulässig sein sollte, den sog. Firmenwert im Insolvenzstatus zu aktivieren. Das wurde unter dem bisherigen Überschuldungsbegriff verneint,24 aber die Frage ist doch, ob uns die gesetzliche Neudefinition zum Umdenken zwingt. Hierfür habe ich nicht als einziger 25 - plädiert.26 Während nämlich die bisherige BGH-Praxis bei der rechnerischen Überschuldung von Liquidationswerten ausging, muß bei Zugrundelegung des neuen § 19 Abs. 2 InsO eine positive Prognose zu dem Ergebnis fuhren, daß eine Liquidation ausscheidet, das Unternehmen also zur Gänze zu Fortführungswerten bewertet wird. Das Ergebnis ist dann dasselbe wie nach der BGH-Praxis. Nur hat die Methode den seinerzeit von Egner und Wolff angeprangerten Schönheitsfehler, daß wir mit einer Fortbestehungsprognose beginnen, auf sie eine Überschuldungsrechnung aufbauen, um schließlich mit geheucheltem Erstaunen zu dem Ergebnis zu gelangen, daß das Unternehmen fortgeführt werden kann. Einen sachlichen Gewinn sehe ich darin nicht. Der Gesetzgeber hat in meinen Augen durch mißverstandene Auswertung des bisher herrschenden Überschuldungsbegriffs eine ganz überflüssige Diskussionslawine losgetreten, aber freuen wir uns, wenn wenigstens kein Porzellan zerschlagen wurde.

III. Eigenkapitalersatzrecht 1. Nochmals: Positives Recht und „Natur der Sache" Ganz erhebliche Bedeutung für das Recht der Unternehmensfinanzierung hat die Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz. Ich sage bewußt: die Rechtsprechung, denn der Beitrag des Gesetzgebers zum Eigenkapitalersatzrecht ist entgegen dem durch § 32a GmbHG und die sich daran anschließenden Vorschriften hervorgerufenen Anschein gering. Ich habe das auf dem RWSForum „Insolvenzrecht 1998" ausgeführt und kann, da der Tagungsband gerade erschienen ist, weitgehend darauf verweisen.27 Insbesondere das 24 25 26 27

So im Grundsatz Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 63 Rdnr. 12; Rowedder, § 63 Rdnr. 12. Kallmeyer, GmbHR 1999, 16 ff. Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdnr. 580. Karsten Schmidt, in: Insolvenzrecht 1998, 1999, S. 287 ff.

Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung

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Privileg für Zwerggesellschafter (§ 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG n.F.) leistet in meinen Augen keinen Beitrag zur Finanzierung von Unternehmen, 2 8 und ob das Sanierungsprivileg des neuen § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG sich als hilfreich erweist, wird sich noch zeigen. Vermutlich wird ein Gläubiger, der um der Sanierung willen Anteile erwirbt, ohnedies nicht um einen Rangrücktritt herumkommen. Ich will darauf gern in der Diskussion zurückkommen. Aber mein heutiges Thema ist dies nicht. Wohl aber wird sich zeigen, wie wenig auch die Insolvenzordnung zu diesem Gebiet beiträgt.

2. Neue Rechtsprechung a) Hinreichende Gewißheit haben wir mittlerweile über die Praxis zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung. 2 9 Ob § 32a GmbHG überhaupt tatbestandsmäßig auf die Nutzungsüberlassung paßt, scheint mir nach wie vor überaus zweifelhaft, und die Neufassung des § 32a GmbHG unter Einbeziehung des § 39 InsO scheint mir dies nur zu unterstreichen. 3 0 W o - frage ich mich - ist die dem RückZahlungsanspruch beim Darlehn entsprechende, auf der Passivseite bilanzierungsfähige nachrangige Forderung des Gesellschafters? Der Miet- oder Pachtzinsanspruch kann es nicht sein (ihm entsprechen beim Darlehen die Zinsen). Was die Nutzung selbst anlangt, so kann allenfalls von einem Anspruch der Gesellschaft aus dem Nutzungsverhältnis gesprochen werden, nicht von einem nachrangigen Anspruch des Gesellschafters, weil es eben an der für § 32a GmbHG charakteristischen Kreditfinanzierung fehlt. Wenn also die Insolvenzordnung hier etwas beigetragen hätte, dann hätte sich dies gegen das Prinzip dieser ganzen Rechtsprechung gerichtet, und es wäre darüber nachzudenken, ob nicht die Fälle der Nutzungsüberlassung Fälle der materiellen - nicht der im § 32a GmbHG beschriebenen formellen - Unterkapitalisierung sind: Fälle der Vorenthaltung, nicht Fälle der Gewährung von Risikokapital! Doch wird über diese Frage gegenwärtig in der Praxis nicht ernsthaft gestritten. Die tatbestands-

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Ebd., S. 299. Überblick bei Baumbach/Hueck, § 32a Rdnr. 33g ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, Rdnr. 118 ff.; Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdnr. 98 f. Vgl. Scholz/Karsten Schmidt, §§ 32a, b Rdnr. 113; Karsten Schmidt, ZIP 1995, 69 ff.; scharf ablehnend auch Roth/Altmeppen, § 32a Rdnr. 82 ff.

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mäßige Anwendbarkeit des § 32a Abs. 3 GmbHG wird in der Praxis als Datum genommen. Ich will das für heute gleichfalls tun. Umso bedeutsamer ist, daß zehn Jahre nach dem Beginn dieser Rechtsprechung weitgehende Einigkeit über die Rechtsfolgen herrscht: Miet- oder Pachtzinsen dürfen nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen beglichen werden, 3 1 und der Insolvenzverwalter kann im Insolvenzfall das vertragsmäßige Nutzungsrecht - nicht den Nutzungsgegenstand selbst - für die Masse verwerten. 3 2 Das alles kennen meine Zuhörer. b) Weite Teile der Praxis haben, ohne groß über die Stimmigkeit des gesamten Konzepts nachzudenken, erleichtert aufgeatmet, als der Bundesgerichtshof zweimal in der Amtlichen Sammlung ausgesprochen hatte, daß das Eigentum des Gesellschafters an dem Grundstück nicht durch bloße Gebrauchsüberlassung in das Eigentum der Gesellschaft und damit in die Insolvenzmasse falle. 3 3 Daß solche Beschwichtigungen notwendig waren, zeigt, in welch aufgeregten Bahnen die Diskussion über die Nutzungsüberlassung als Eigenkapitalersatz damals verlief. Die bloße Nutzung oder Verwertung des Nutzungsrechts zugunsten der Masse ist als Rechtsfolge des § 32a Abs. 3 GmbHG für den Gesellschafter vergleichsweise erträglich. Bedrohlich wird diese Rechtsfolge allerdings, wenn das Grundstück seinerseits fremdfinanziert ist und der Gesellschafter aus den Miet- oder Pachtzinsen den Zins- und Tilgungsdienst zu bestreiten gedenkt. Einem solchen Gesellschafter kann, wenn die Nutzung ohne Entgelt für die Masse reklamiert wird, buchstäblich die finanzielle Puste ausgehen. So ist es denn auch kein Zufall, daß der Bundesgerichtshof am 7. Dezember 1998 über das Verhältnis der Nutzungsüberlassung zur Zwangsverwaltung entscheiden mußte. 3 4 Da hatte der alleinige Gesellschafter zugunsten der finanzierenden Bank Grundschulden in Höhe von 510.000 D M auf dem Grundstück bestellt und dieses Grundstück der GmbH zur Verfügung gestellt. Während des Gesellschaftskonkurses hatte die Bank die Zwangsverwaltung beantragt, und der Zwangsverwalter hatte zunächst vom Konkursverwalter, später (nachdem der Konkursverwalter das Grundstück freigegeben hatte) von der G m b H

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Bäcker, GmbHR 1994, 767; Michalski, NZG 1998, 42. BGHZ 127, 1; 127, 17. BGHZ 121,31,45; 127, 1,8. BGHZ 140 , 147 = NJW 1999, 577 = ZIP 1999,65.

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Zahlung der vereinbarten Pachtzinsen verlangt. Das OLG Köln hatte in einem solchen Fall ein Sonderkündigungsrecht des Zwangsverwalters angenommen. 3 5 Das OLG München 3 6 und, ihm im Ergebnis folgend, der B G H 3 7 gehen noch weiter. Der BGH bringt das Dreiecksverhältnis Gläubiger/Grundeigentümer/Pächter ins Spiel und folgert aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 146 ff. ZVG, 1123, 1124 Abs. 2 BGB, daß das Nutzungsrecht der Insolvenzmasse ohne weiteres mit der Anordnung der Zwangsverwaltung endet. Das überzeugt, denn die Miet- oder Pachtverträge gehören mit in den grundpfandrechtlichen Haftungsverband, und die Eigenkapitalersatzfunktion der Grundstücksüberlassung an die Gesellschaft kann nicht auch den dinglich gesicherten Gläubiger des Gesellschafters treffen. Sonst stünde j a der Gläubiger schlechter als er nach § 32a Abs. 2 G m b H G stünde, wenn der auf dem Gesellschaftergrundstück besicherte Kredit in das Gesellschaftsvermögen geflossen wäre. Vor allem für Banken ist diese scheinbar spezielle Entscheidung von großer Bedeutung. c) Offen ist noch, wie mit den sog. Finanzplankrediten und der sog. Finanzplan-Nutzungsüberlassung verfahren werden soll. Es geht um die - nicht zuletzt im Bereich der Betriebsaufspaltung - höchst diffizile Behandlung derjenigen Fälle, bei denen eine Kreditfinanzierung oder Nutzungsüberlassung nicht erst in der Krise, sondern von Anfang an planvoll an Stelle von Eigenkapital eingesetzt wird. Ich habe diesen Typus des Eigenkapitalersatzes - noch ohne Verwendung des wohl auf Hommelhoff zurückgehenden Schlagworts - im Jahr 1981 in der Meinung aus der Taufe gehoben, es handle sich um einen Anwendungsfall des § 32a GmbHG. 3 8 Der zweite Zivilsenat hat vereinzelt Sympathie hierfür angedeutet, 3 9 und im Fall der „Finanzplan-Nutzungsüberlassung" hat das OLG Karlsruhe einem Gesellschafter die Herausgabe eines zur Nutzung überlassenen Grundstücks in der Krise versagt, weil die Nutzungsüberlassung Teil der Finanz- oder Investitionsplanung der Gesellschaft gewesen sei. 40 Welche Wege die Rechtspre-

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OLG Köln, GmbHR 1998, 830 = NJW-RR 1998, 1569 = NZG 1998,77. OLG München, ZIP 1998, 1917. Vgl. Fn. 34; zust. z.B. Jungmann, ZIP 1999, 601 ff. Karsten Schmidt, ZIP 1981, 691 f. Vgl. BGHZ 104, 33; BGH, LM Nr. 21 zu § 30 GmbHG. OLG Karlsruhe, ZIP 1996, 918.

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chung gehen wird, ist vorerst noch offen. Drei Methoden des Umgangs mit Finanzplankrediten und -nutzungsüberlassungen werden diskutiert: —

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Die schärfste besteht wohl darin, daß Finanzplankredite als gewillkürtes Quasi-Haftkapital ganz unabhängig von § 30 GmbHG den strengen §§ 30, 31 unterworfen werden. 41 Der zweite Weg - auf ihn hatte einst meine Typenbildung hingezielt besteht darin, daß § 32a GmbHG angewandt wird. 42 Drittens schließlich ist daran zu denken, die Finanzplankredite nur einer rechtsgeschäftlichen, nicht einer gesetzlichen Auszahlungssperre zu unterwerfen. 43

Der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Variante ist auf den ersten Blick nur von sekundärer Bedeutung, denn beide fuhren dazu, daß die planmäßig zugefiihrten Mittel nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen zurückgezahlt bzw. Miet- oder Pachtzinsen nicht aus diesem Vermögen beglichen werden dürfen. Zu ihnen ist folgendes zu sagen: Sieht man Finanzplan-Finanzierungsleistungen mit der ersten Auffassung als gewillkürtes Quasi-Eigenkapital an, so ist nicht zu verstehen, warum eine zwingende, nicht durch Vertrag aufhebbare Rückzahlungssperre bestehen soll. Da keine Kapitalerhöhung stattgefunden hat, wird man eine förmliche Kapitalherabsetzung nicht verlangen dürfen, um diese Kredite vom Ausschüttungsverbot zu befreien. Der von Habersack vertretenen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG ohne § 32a GmbHG möchte ich deshalb nicht folgen. Anders wäre es, wenn man mit der zweiten Ansicht § 32a GmbHG auf Finanzplankredite anwenden wollte, denn dann unterliegen sie der gesetzlichen, nicht bloß einer gewillkürten Bindung. Die Frage lautet also: Ist planmäßige Fremdkapitalisierung aus Gesellschafterhand Eigenkapitalersatz i.S. von § 32a GmbHG? Ist auch dies ein Fall, in dem die Gesellschafter, um mit dem Gesetzeswortlaut zu reden, als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten? Ich habe das in der auslaufenden Auflage des Scholz-

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Fleischer, Finanzplankredite und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht, 1995, S. 195 f.; Habersack, ZHR 161 (1997), 457 ff., insbes. S. 489 f. (freilich mit der Möglichkeit, die Bindung aufzuheben). So bisher Scholz/Karsten Schmidt, §§ 32a, b Rdnr. 38. So Kallmeier, GmbHR 1998, 308; auch nach Habersack (ZHR 161 [1997], 479) können die Gesellschafter, solange die Krise nicht eingetreten ist, die Kredite in Fremdkapital umwandeln.

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Kommentars bejaht, 4 4 werde aber in der in Arbeit befindlichen neunten Auflage diesen Standpunkt überdenken: 4 5 Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 4 6 dem Absatz 1 die erläuternden Worte hinzugefugt: „Krise der Gesellschaft". Er hat dadurch zum Ausdruck gebracht, daß es gesetzlich gebundenen Eigenkapitalersatz vor der Krise der Gesellschaft nicht gibt. Das wiederum spricht flir die Annahme, daß Finanzplankredite und Finanzplan-Nutzungsüberlassungen den strengen Regeln des § 32a GmbHG erst unterliegen können, wenn sie in der Krise stehen bleiben. Vorher kann sich eine Sperre nur aus dem Vertragswillen der Beteiligten ergeben. Ob die Finanzplan-Finanzierung vor bzw. beim Eintritt der Krise abgezogen und die Gesellschaft auf diese Weise zur Liquidation gezwungen werden kann, richtet sich ausschließlich nach der sich aus der Finanzplanung ergebenden gewillkürten, nicht einer gesetzlichen Bindung. Liegt ihr eine Konsortialabrede aller Gesellschafter zugrunde, so kann die sich hieraus ergebende Beitragspflicht nicht durch schlichte Vereinbarung zwischen einem Gesellschafter und dem Geschäftsführer rückgängig gemacht werden. Hieraus - also aus der vertraglichen Bindung - kann sich flir jeden einzelnen Gesellschafter ergeben, daß die Kredite oder Nutzungsüberlassungen auch in der Krise stehenbleiben müssen. Die gesetzliche, nicht willkürlich aufhebbare Bindung des Finanzplankredits, insbesondere die Rückzahlungs- und Zinszahlungssperre analog § 30 G m b H G mit der sogar die Mitgesellschafter treffenden Sanktion des § 31 GmbHG, setzt dann aber erst nach diesem Stehenbleiben ein. Das Stehenlassen liegt darin, daß nicht die Gesellschafter insgesamt die Finanzplanungsbindung aufgehoben und die Gesellschaft liquidiert haben, wie sie es bis zum Eintritt der Krise konnten. Ich tendiere also dazu, strenger als bisher zwischen der gewillkürten und der gesetzlich verordneten Bindung von Eigenkapitalersatz zu unterscheiden.

3. Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus Ein altes und doch immer wieder neues Problem ist die Behandlung des Eigenkapitalersatzes im Überschuldungsstatus. Die Frage muß im Lichte der

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Vgl. Fn. 42. Vgl. Karsten Schmidt, GrabHR 1999, 9 ff. Gesetz vom 27.4.1998, BGBl. I, S. 786.

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Insolvenzantragspflicht gesehen werden. Darf der Geschäftsführer Gesellschafterdarlehen wegen § 32a GmbHG im Überschuldungsstatus vernachlässigen? Bis Ende 1998 war dies zwar umstritten, aber jedenfalls der Stand der Debatte war leidlich klar. Die einen lehnten die Passivierung des Eigenkapitalersatzes im Überschuldungsstatus ab, 4 7 die anderen - ich gehörte dazu - verlangten hierfür eine Rangrücktrittserklärung. 4 8 Die NichtPassivierung wurde teils ganz naiv aus dem Gesetzeswortlaut gefolgert, wonach eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen im Konkurs gar nicht geltend gemacht werden dürften, teils setzte man wertend hinzu, daß j a durch Rechtsprechung und Literatur mittlerweile geklärt sei, was unter § 32a fällt und was nicht. 4 9 Bei mir hat dieser Ansatz immer befremdetes Kopfschütteln ausgelöst. Es ist ja etwas völlig Verschiedenes, ob der Verwalter die Anmeldung einer Forderung unter Berufung auf § 32a abwehren kann oder ob sich der Geschäftsführer im Vorfeld der Insolvenz auf diese Vorschrift beruft. Soweit mir entgegengehalten wurde, daß doch die Gerichtspraxis zu § 32a G m b H G hinreichend Klarheit geschaffen habe, konnte ich nur auf die unablässige Flut neuer Prozesse um diese Bestimmung verweisen. Aus ihr ergibt sich, daß es mit der Einsicht der Gesellschafter in die angeblich so klaren Gesetzesregeln mit der Verfahrensöffnung anscheinend vorbei ist. Die Aufgabe, Rechtsklarheit zu schaffen, war deshalb nach bisherigem Recht denen zuzuweisen, die am nächsten daran waren. Nur der Rangrücktritt oder eine vergleichbare Erklärung des Gesellschafters setzte die Geschäftsführer instand, den Eigenkapitalersatz aus dem Überschuldungsstatus herauszulassen. Seit dem 1. Januar nun hat sich die Diskussion neuerlich verschoben. Eigenkapitalersatz ist nach § 32a GmbHG n.F. und nach § 39 Abs. 1 Nr. 5

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Vgl. nur OLG München, NJW 1996, 2366; 1994, 3112; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 699; LG Waldshut-Tiengen, GmbHR 1995, 899, 900; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, § 63 Rdnr. 15; Lutter/Hommelhoff, § 63 Rdnr. 7; Teller, S. 85 ff.; Noack, FS Claussen, 1997, 313 ff.; Fleischer, ZIP 1996, 773 ff. OLG Hamburg, GmbHR 1987, 97, 98 f.; OLG Düsseldorf, DB 1996, 1226; Kilger/Karsten Schmidt, § 32a KO Anm. 3d; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, §102 Rdnr. 6 ff.; Roth/Altmeppen, §63 Rdnr. 17; Scholz/Karsten Schmidt, §§ 32a, b Rdnr. 60, § 63 Rdnr. 27; jetzt auch Rowedder, § 63 Rdnr. 14. Vgl. nur Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, § 63 Rdnr. 15; Hachenburg/ Ulmer, § 63 Rdnr. 46a; Hommelhoff, FS Döllerer, 1988, S. 257; Fleischer, ZIP 1995, 775.

Insolvenzordnung und Unteraehmensfinanzierung

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InsO aus einer Nicht-Konkursforderung zu einer nachrangigen Insolvenzforderung geworden, und selbst eine Rangrücktrittserklärung bewirkt nur, daß die Forderung nachrangig ist (vgl. § 39 Abs. 2 InsO). Daraus haben die Gesetzesverfasser 5 0 und eine Reihe von Autoren die Folgerung gezogen, daß nunmehr die Passivierung des Eigenkapitalersatzes im Überschuldungsstatus gesetzlich vorgeschrieben und ein Rangrücktritt für die Nicht-Passivierung unzureichend sei. Der Gesellschafter müsse vielmehr auf seine Forderung verzichten, vielleicht mit einer Besserungsabrede, die die Forderung im Sanierungsfall wieder entstehen lasse. Ich will hier die möglichen Steuerfolgen eines solchen Forderungserlasses nicht ausmalen - das steuerrechtliche Sanierungsprivileg ist bekanntlich abgeschafft 5 1 sondern mich auf unser Thema beschränken: Hat die Insolvenzordnung hier wirklich die Szene so radikal verändert? Ich meine: nein! Hinter dem neuen Streit verbirgt sich eine elementare Fehleinschätzung dessen, was der Gesetzgeber mit der Neufassung bewirkt hat. Er hat ja durch den Wechsel vom Konzept der NichtKonkursforderung zur nachrangigen Insolvenzforderung die Eigenkapitalersatzgläubiger gegenüber dem alten Recht nicht besser stellen wollen, sondern er hat nur die Konsequenz daraus gezogen, daß die Gesellschaftsinsolvenz keine Gesamtzwangsvollstreckung ist, sondern ein Liquidationsverfahren. 5 2 In diesem Verfahren hat jeder - auch noch der aussichtsloseste Gläubiger einen Rang, aber die Insolvenzantragspflicht schützt nur die Insolvenzgläubiger ohne Nachrang. Deshalb hat die Insolvenzordnung die Argumente pro und contra nur scheinbar verschoben. 5 3 Wer bisher ganz auf die Passivierung verzichtet hat, müßte dies entgegen dem Schein des Gesetzeswortlauts weiterhin tun. Richtigerweise ist heute wie vor einem Jahr eine Rangrücktrittserklärung erforderlich und ausreichend, um Eigenkapitalersatz im Insolvenzstatus zu vernachlässigen: erforderlich, weil es außerhalb des Insolvenzverfahrens Aufgabe der Beteiligten ist, den Nachrang der Forderung klarzustellen; ausreichend, weil um nachrangiger Verbindlichkeiten willen kein Zwang zur Verfahrenseröffnung besteht. Der Rangrücktritt ist und bleibt das entscheidende Mittel, um die Insolvenzantragsplicht abzuwenden. In diesem Punkt ist sogar der Geschäftsführer - so wenig wir ihn

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BegrRegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 115. Gesetz vom 19.12.1997, BGBl. I S. 3121. Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdnr. 761 ff. Eingehend Karsten Schmidt, GmbHR 1999, 9 ff.

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sonst um seine Situation in der Krise beneiden - in einer vergleichsweise kommoden Assiette: Er kann den Gesellschaftern die Pistole auf die Brust setzen und Rangrücktritt von ihnen verlangen, wenn sie ihn am Gang zum Insolvenzrichter hindern wollen.

IV. H a f t u n g u n d F i n a n z i e r u n g 1. Die Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage: Überreaktion auf einen Formfehler? Auch die Praxis zur verdeckten Sacheinlage ist durch die Einführung der Insolvenzordnung nicht substantiell berührt worden. Sie ist reines Rechtsprechungsrecht und kann sich im Fall einer GmbH auf § 19 Abs. 4 G m b H G stützen, wonach Befreiungswirkung bei einer Nicht-Geldeinlage nur eintritt, wenn diese Einlage in Ausführung einer Satzungsbestimmung bzw. eines Sach-Kapitalerhöhungsbeschlusses (§ 56 Abs. 2 GmbHG) erbracht worden ist. Wir wissen alle, daß verdeckte Sacheinlagen - vor allem bei Kapitalerhöhungen und vor allem bei Gesellschaften m.b.H. - außerordentlich verbreitet sind, nicht zuletzt deshalb, weil Kaufleuten das Gefühl dafür abgeht, daß Umgehungen des Rechts der Sacheinlage auch dann unerlaubt sind, wenn nicht die geringste Schmälerung des Gesellschaftsvermögens dabei herauskommt. Die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage dürfen mit Lutter als „katastrophal" bezeichnet werden. Die Heilungsmöglichkeit, auf die der B G H den Sacheinleger vertröstet, 54 besteht nach wohl richtiger Auffassung nur in einer Schönwetterlage, 5 5 und sie verlangt bei der Mehrpersonengesellschaft einen nicht immer erreichbaren Beschluß. 5 6 Für all das ist es in der Krise und Insolvenz zu spät. Was dies für den Inferenten bedeutet - er muß i.d.R. noch einmal voll zahlen - ist bekannt. Noch niemand hat aber wohl auf das Ausfallhaftungsrisiko der Mitgesellschafter - es ergibt sich aus § 24 GmbHG - hingewiesen. Ein Ausfall des Inferenten kann aber auch Dritte treffen, z.B. die Bank, die die Einlageschuld bei einer Einpersonengesellschaft nach §§ 7 Abs. 2 Satz 3, 56 a GmbHG besichert hat und

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BGHZ 132, 141 = LM § 19 GmbHG Nr. 18 m. Anm. Noack; dazu Priester, ZIP 1996, 1025 ff. Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdni. 245. Vgl. Fn. 54.

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nun mit der Nichterfüllung dieser Schuld konfrontiert wird. Ich habe deshalb Sympathie für eine Außenseitermeinung, die im Fall der verdeckten Sacheinlage dem Gesellschafter nur die Beweislast hinsichtlich der Vollwertigkeit des Gesamtvorgangs zuschiebt 57 und denke seit Jahren darüber nach, ob uns §19 Abs. 5 GmbHG wirklich zu der von der Rechtsprechung praktizierten Gnadenlosigkeit zwingt. 58 Das große Wort „Kapitalaufbringung" kann doch wohl nicht den Beweis abschneiden, daß das Kapital aufgebracht ist. Und wenn mir immer entgegengehalten wird, eine Lockerung der Rechtsprechungsgrundsätze liefe in praxi auf Abschaffung des Sacheinlagerechts hinaus, weil alles in die verdeckte Sacheinlage fliehen würde, so ist doch zu überlegen: Wer ruhig schlafen will, würde das Gütesiegel der Sacheinlage auch bei einer Entschärfung der Judikatur allemal vorziehen. Und wer den Beweis der Vollwertigkeit erbringen kann: warum soll der nicht den Beweis führen dürfen, daß der Effekt einer Unterpariemission nicht eingetreten, die Gesellschaft also mit dem Gesamtvorgang auf das Beste gefahren ist? Was der BGH unter dem Beifall der herrschenden Lehre praktiziert, erscheint, mit kritischen Augen betrachtet, als eine Polizeistrafe für die Mißachtung formaler Regeln, die nicht in unser Deregulierungszeitalter paßt, bei freundlicherer Beleuchtung sub specie Kapitalaufbringung aber immer noch als ein Fall von Gefahrdungshaftung, um nicht zu sagen: als Verdachtsstrafe wegen Vermögensgefährdung! Herr Dr. Röhricht hat - gewissermaßen laut denkend - auf der Wiesbadener Steuerrechtstagung im Mai erwogen, ob man nicht im Fall der Vollwertigkeit die Heilung selbst noch im Insolvenzverfahren zulassen solle. 59 Das ist auf der Basis der bisherigen Praxis und Doktrin inkonsequent, sollte aber ein Anstoß sein, zwar nicht über erleichterte Heilungsmöglichkeiten, wohl aber über einen Vollwertigkeits-Gegenbeweis nachzudenken. Vielleicht stehen wir vor neuen Entwicklungen des Gesellschaftsrechts in der Insolvenz. An der Insolvenzordnung liegt das aber nicht.

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Roth/Altmeppen, § 19 Rdnr. 57; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1999, Rdnr. 2. C. 27; Einsele, NJW 1996, 2681 ff. Vgl. Karsten Schmidt, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der Unternehmen in Europa, 1993, S. 116 ff. Vgl. in dieser Richtung bereits Sernetz, ZIP 1995, 188 ff.

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Karsten Schmidt 2. Gesellschafterbürgschaften: wichtiger denn je?

Die Bürgschaft von Gesellschaftern bestimmt einen erheblichen Teil der Gerichtspraxis zum Bürgschaftsrecht. Hauptgegenstand von Prozessen in Gesellschafterbürgschaften sind Fragen des Haftungsumfangs, vor allem, wenn Bürgen als Gesellschafter eintreten und austreten. Heute soll es nicht hierum gehen, sondern um die Gesellschafterbürgschaft als Finanzierungsund Sanierungsstrategie und um den Einfluß des Insolvenzrechts auf diese Strategie. a) Was zunächst die Bürgschaft eines GmbH-Gesellschafters oder eines GmbH & Co.-Kommanditisten anlangt, so muß sich der Gläubiger der Gesellschaft darauf einrichten, daß die Bürgschaft in der Krise als eigenkapitalersetzend qualifiziert wird. Ist dies der Fall, so gilt im Insolvenzverfahren der Gesellschaft eine Art umgekehrte Einrede der Vorausklage: Der Gläubiger kann nach § 32 Abs. 2 GmbHG nur seinen Ausfall geltend machen, muß sich also primär an den sichernden Gesellschafter halten. Dieser kann - was der Insolvenzrechtsgesetzgeber hätte klarstellen können seine Regreßforderung im Insolvenzverfahren nur als nachrangige Forderung anmelden. Denn gegen ihn und nicht gegen den Kreditgeber richten sich die §§ 32a Abs. 2 und 32b GmbHG. Das hat der BGH unter dem bisherigen Recht betont, und das gilt auch unter der Insolvenzordnung. Viel geändert hat sich nicht. b) Man sollte allerdings meinen, daß seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung die Bürgschaften persönlich haftender Gesellschafter stark an Bedeutung zugenommen haben. Bis 1998 gab es nur einen Grund, auch den persönlich haftenden Gesellschafter dem Haftungsregime einer Bürgschaft zu unterwerfen: Nach §§ 211 Abs. 2 KO, 109 Abs. 1 Nr. 3 VglO begrenzte der Zwangsvergleich oder Vergleich die Haftung der Gesellschafter, nicht aber begrenzte er nach §§ 193 Satz 2 KO, 82 Abs. 2 VglO die Haftung eines Bürgen. Diese Regeln gelten sinngemäß fort: Nach § 227 Abs. 2 InsO werden die persönlich haftenden Gesellschafter im Zweifel durch den Insolvenzplan in demselben Umfang befreit wie die Gesellschaft selbst. Dagegen werden die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner oder Bürgen nach § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO durch den Plan nicht berührt. Nur der Schuldner selbst wird befreit, und zwar nach § 254 Abs. 2 Satz 2 InsO auch gegenüber

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dem Bürgen. Ich will hier nicht über das problematische Innen Verhältnis zwischen dem forthaftenden Bürgen und seiner Gesellschaft sprechen. Im Außenverhältnis ändert sich jedenfalls nichts. Wenn es gleichwohl eine Bestimmung gibt, die eine Zunahme der Gesellschafterbürgschaften erwarten lassen könnte, so wäre es § 93 InsO. Nach dieser Bestimmung kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien die persönliche Haftung nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Es handelt sich um die von mir auf dem Nürnberger Juristentag von 1982 geforderte 6 0 zunächst halbherzig in die Vorschläge der Insolvenzrechtskommission aufgenommene 6 1 und dann im Referentenentwurf der Insolvenzordnung 6 2 umgesetzte Ausdehnung des guten alten § 171 Abs. 2 HGB auch auf die unbeschränkte Haftung. Diese wird über die Masse liquidiert und dem Gläubigerzugriff entzogen. Unverkennbar ist dies ein Anreiz für die Inanspruchnahme von Bürgschaften oder von harten Patronatserklärungen, die ja gleichfalls im Insolvenzfall primäre Direktansprüche des Kreditgebers gegen den Sicherungsgeber geben. 6 3 Selbst wenn dieser gleichfalls insolvent geworden ist, kann der Kreditgeber nach § 43 InsO (bisher § 68 KO) parallel gegen beide - den Hauptschuldner und den Garanten - vorgehen, hat also möglicherweise einen Vorteil gegenüber den sonstigen Gläubigern des Hauptschuldners, bei uns also der Handelsgesellschaft. 6 4 Die Bürgschaft oder Patronatserklärung des persönlich haftenden Gesellschafters - z.B. einer als Konzemmutter agierenden Komplementär-Kapitalgesellschaft - ist also im Licht des § 93 InsO noch wichtiger als bisher, weil sie den direkten Zugriff auf die Außenhaftung sichert. Gleichwohl hat nach meinen Informationen der Trend zu Gesellschafterbürgschaften in diesem Lichte bisher nicht nennenswert zugenommen. Ob sich dies ändert, bleibt abzuwarten. c) Immerhin sollte man die Bedeutung des § 93 InsO für die Kreditsicherungspraxis nicht vollständig vernachlässigen. Ein gutes Beispiel hierfür

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Karsten Schmidt, Gutachten zum 54. DJT, in: Verhandlungen des 54. DJT, Bd. I, 1982, S. D 4 6 f . Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Leitsätze 2.4.9.7 und 2.4.9.8. § 100 Abs. 1 RefE InsO. BGHZ 117, 127 = NJW 1992, 2093. Vgl. für die Patronatserklärung ebd.

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scheint mir die Haftung der Vor-GmbH zu sein. Es liegt auf der Hand, daß sich der Kreditgeber oder Lieferant einer noch nicht eingetragenen GmbH noch weniger als derjenige einer fertigen GmbH mit seinen Ansprüchen gegen die Gesellschaft zufriedengeben wird. Die Ansprüche gegen die Geschäftsführer erlöschen mit der Eintragung. 65 Dasselbe gilt für die Außenhaftung der Gesellschafter, wenn es sie denn überhaupt gibt. 66 Bekanntlich hat der Bundesgerichtshof die nach Jahrzehnten endlich anerkannte Vor-Gesellschafterhaftung als Innenhaftung ausgestaltet, 67 und es wird darüber gerätselt, wann genau dieser Innenhaftungsanspruch entsteht 68 und unter welchen Voraussetzungen er sich in ein Außenhaftung verwandelt. 69 Eine ganze Reihe von Autoren - ich gehöre dazu! - sieht die Haftung von vornherein als eine Außenhaftung an. 70 Aber für den Kreditgeber ist all dies ohne Belang. Er konnte bis 1996 überhaupt nicht auf die danach weithin abgelehnte Gesellschafterhaftung bauen. Seit 1997 kann er auf eine Gesellschafterhaftung bauen, sie aber nach Ansicht des BGH nicht selbst geltend machen. Nach den Befürwortern der Außenhaftung kann er sie grundsätzlich geltend machen, aber dieses Recht endet nach § 93 InsO, wenn es am meisten gebraucht wird: in der Insolvenz! Die Bedeutsamkeit der Gesellschafterbürgschaft im Gründungsstadium scheint hiernach unabweisbar. Die Kreditvergabepraxis wird sich, gerade weil sie bisher nicht auf eine Gesellschafterhaftung bauen konnte, danach richten.

V. Masselosigkeit 1. Was tut die Insolvenzordnung? Das Stiefkind des Insolvenzrechts heißt: „Masselosigkeit"! 75% der Unternehmensinsolvenzen werden wegen Masselosigkeit nicht eröffnet (§ 26 InsO) oder eingestellt (§ 207 InsO). Im Fall der Unternehmensinsolvenz - in der Praxis geht es regelmäßig um GmbH- bzw. GmbH-&-Co.-Insolvenzen -

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BGHZ 69, 95, 103 f.; 76, 320, 323; 80, 182. Scholz/Karsten Schmidt, § 11 Rdnr. 138. BGHZ 134, 333. Erst mit dem Scheitern nach BGHZ 134, 333, 341. Weitgehend unentschieden BGHZ 134, 333, 341; s. auch Lutter, 1077. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, S. 1021 ff.

JuS 1999,

Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung

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führt dieser Fall zur Abdankung des Insolvenzverfahrens zugunsten des gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens, denn die masselose GmbH bzw. GmbH & Co. ist aufgelöst. Die einschlägigen Auflösungstatbestände sind durch das EG-InsO neu gefaßt worden (§ 60 Abs. 1 Nr. 5, § 131 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Die Abwicklung liegt dann in der Hand der Liquidatoren (§ 66 GmbHG bzw. § 146 HGB). U m Gleichbehandlung der Gläubiger brauchen sich diese nach der herrschenden Auffassung - die sich um meine einsamen Rufe in der Wüste nicht schert - nicht zu kümmern. 7 1 Das bedeutet z.B., daß sie sich wegen eigener Gehaltsforderungen usw. allein aus dem kargen Restvermögen bedienen dürfen. Viel schlimmer ist aber, daß Forderungen aus Eigenkapitalersatz, verdeckter Gewinnausschüttung, vor allem aber Forderungen wegen Verfahrensverschleppung praktisch brach liegen. Grob gesprochen, geht es den Geschäftsführern derzeit nur an den Kragen, wenn das verschleppte Insolvenzverfahren eröffnet wird. Belohnt wird dagegen, wer die Verschleppung bis zum Stadium der Masselosigkeit durchhält. Dabei sollte es nicht bleiben. 7 2 Nun ist dem Gesetzgeber, damit mehr Eröffnungen zustande kommen, etwas Neues eingefallen: Wer einen Massekostenvorschuß leistet (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO) kann nach § 26 Abs. 3 InsO dessen Erstattung von den Geschäftsführern verlangen, sofern sich diese nicht von der Vermutung schuldhafter Insolvenzverschleppung entlasten. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, wer den Anspruch aus § 26 Abs. 3 InsO geltend macht. 7 3 Demnach muß es der vorschußleistende Gläubiger sein. Eine Schadensliquidation durch den Insolvenzverwalter ist nicht vorgesehen, auch nicht in § 92 InsO, denn wie immer man den Anspruch aus § 26 Abs. 3 InsO einordnet: um einen Gesamtanspruch aller Gläubiger handelt es sich ganz bestimmt nicht. Ich halte diese Regelung für einen manifesten Fehlgriff des Gesetzgebers, der die Anreizfunktion des § 26 Abs. 3 InsO zunichte macht. Welcher Gläubiger, der zur Leistung des Vorschusses imstande ist, wird diesen erbringen, um im Insolvenzverfahren mit den anderen Gläubigern zu konkurrieren und sich wegen des Vorschusses in einem höchst riskanten Prozeß gegen die Geschäftsführer zu erholen? Der Gläubiger, der dies könnte, wird etwas ganz anderes tun. Er wird sich auf die Masselosigkeit

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Eingehend Jan Uhlenbruch S. 901 ff.

in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1997,

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Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdnr. 752 ff.

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Nicht die Rede ist hier von bloßen Darlehnsvorschüssen eines Gläubigers; darauf machte in der Diskussion Dr. Bruno M. Kubier aufmerksam.

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Karsten Schmidt

einrichten und aus einem vorhandenen oder schnell zu erwirkenden Titel Ansprüche der Gesellschaft wegen verdeckter Einlagen, wegen Eigenkapitalersatzes oder wegen verbotener Ausschüttung pfänden. Daneben wird er vielleicht einen Insolvenzverschleppungsprozeß gegen die Geschäftsführer wagen: zwar ohne die Beweislastumkehr des § 26 Abs. 3 InsO, dafür aber auch ohne jeden Vorschuß!

2. Unternehmensrechtliche Haftung? a) Ersichtlich ist es nicht einfach, die Masselosigkeit von der Gläubigerseite her anzupacken. Entweder hätte der Gesetzgeber - wie vor geraumer Zeit in einer von mir betreuten Dissertation vorgeschlagen - ein vom Staat bevorschußtes Insolvenzverfahren einfuhren müssen, 7 4 oder er hätte, wenn er das in der Zeit knapper öffentlicher Kassen nicht wagt, auf schärfere Prävention setzen müssen. Diese würde ich in einer generellen Beweislastumkehr bei Masselosigkeit sehen. Wenn es in puncto Insolvenzverschleppung bei Masselosigkeit eine Beweislastumkehr für den Ausgleich des Massekostenvorschusses geben kann, warum nicht gleich auch bei den Haftungstatbeständen der §§ 42 BGB, 92 AktG, 64 GmbHG, 177a HGB? Eine wirksame Verschärfung dieser Bestimmungen hätte lauten können: Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgelehnt, so wird eine schuldhafte Verletzung der sich aus dieser Bestimmung ergebenden Pflichten vermutet. Das - denke ich einmal - hätte Effekt gezeigt, denn ein Geschäftsführer, der diese Vermutung nicht entkräften kann, kann dann mit den Gläubigern nur noch über die Höhe des Schadensersatzes streiten. In diese mißliche Lage wird er sich nicht begeben wollen. Das aber würde bedeuten: Der Geschäftsführer wird Insolvenzverschleppungen mehr als bisher vermeiden, und er wird, wenn er den Insolvenzantrag stellt, bei der Bereitstellung einer liquiden Masse - d.h. bei der Geltendmachung von Haftungsforderungen der Gesellschaft - behilflich sein, wird sich also im eröffneten Verfahren nicht mehr gegen, sondern mit dem Verwalter solidarisieren, wenn es darum geht, Forderungen zur Masse geltend zu machen. Davon hätte ich mir mehr versprochen als von dem kärglichen § 26 Abs. 3 InsO.

74

Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, 1986, S. 106 ff.

Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung

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b) Da die Zeit der großen Reformvorhaben im Unternehmensrecht wohl einstweilen vorbei ist - z. Zt. interessiert man sich mehr für 630-Mark-Jobs, Scheinselbständigkeit und Rentenreform - wird man mittelfristig auf die Rechtsprechung zu setzen haben. In meinen Augen brauchen wir mehr Haftung für schuldhafte Insolvenzverursachung. Dahin ist es noch ein weiter Weg. Während das Bundessozialgericht in Unterkapitalisierungsfällen eine Durchgriffshaftung praktiziert, 7 5 wird eine solche vom Bundesgerichtshof 7 6 und vom Bundesarbeitsgericht 7 7 - zuletzt in einem Urteil vom 10.2.1999 78 nachdrücklich abgelehnt. Gläubiger werden in krassen Fällen mit § 826 B G B vertröstet. Wenig Echo fand bisher eine von mir als Insolvenzverursachungshaftung bezeichnete, 7 9 im wesentlichen von Wilhelm80, Altmeppenix und mir 8 2 vertretene Haftung: Die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter ist danach nicht bloß - wie es der B G H bei § 32a GmbHG ausdrückt 8 3 „Finanzierungsfolgenverantwortung", sondern sie erstreckt sich auch auf den Schutz der Gesellschaft gegen ruinöse Finanzierungsmaßnahmen: Die Gesellschafter dürfen die Gesellschaft in Ausübung ihrer Finanzierungsfreiheit gründen und liquidieren, aber eines dürfen sie nicht: die Gesellschaft auf Kosten der Gläubiger schuldhaft in den Ruin treiben. 84 Geschieht dies doch, so schulden sie der Gesellschaft Schadensersatz wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Sonderverbindung, 8 5 und dies gilt sogar für den Einpersonengesellschafter. 8 6 Auch bei ihm geht es nicht bloß darum, Geld von der einen Tasche in die andere zu stecken, sondern der Gesellschafter hat ein Rechtssubjekt in die Welt gesetzt, dessen Fortexistenz in seiner Disposition steht, das er aber nicht zum Nachteil der Gläubiger in die Verelendung treiben darf. Tut er dies doch, so schuldet er der Gesellschaft Schadensersatz.

75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86

BSGE 56, 76 = NJW 1984, 2117, 2119; NJW-RR 1997, 2119 = ZIP 1996, 1134. BGHZ68,312. BAG, ZIP 1999, 24; 1999, 878 m. Anm. Altmeppen. BAG, ZIP 1999, 878 m. Anm. Altmeppen. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 522 ff.; Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Rdnr. 1290 ff. Rechtsform und Haftung der juristischen Person, 1981, S. 336 ff. Roth/Altmeppen, § 13 GmbHG, Rdnr. 14. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 251, 524, 1048 f. BGHZ 127, 336, 344 f. Karsten Schmidt, ZIP 1988, 1505 ff. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 247 ff. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1248 ff.

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Karsten Schmidt VI. Fazit

Das Fazit der vorausgehenden Überlegungen läßt das Inkrafttreten der Insolvenzordnung als einen lehrreichen, nicht jedoch revolutionären Einschnitt in die Haftungsdiskussion erscheinen. So wenig, wie die Insolvenzordnung vor ihrem Inkrafttreten Wunder versprechen konnte, konnte sie nach ihrem Inkrafttreten die Haftungsdiskussion in neue Bahnen lenken. Sie zwingt uns aber, über alte Probleme neu nachzudenken, und macht insofern Mut zur Verfolgung unkonventioneller Lösungskonzepte. Dies, und nicht mehr, war hier darzulegen.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzordnung Dr. Hans Gerhard Ganter, Richter am Bundesgerichtshof

Inhaltsübersicht I.

Einführung

II.

Rechtsprechung zu Regelungen der GesO, welche die InsO inhaltlich vorwegnehmen

III. Die Auslegung des bisherigen Rechts im Lichte der Regelungen der InsO 1. Die Wirkung einer Vorausabtretung oder Verpfändung künftiger Forderungen im Eröffnungsverfahren 2. Beiderseits nicht voll erfüllte gegenseitige Verträge 3. Ersatzaussonderung und Ersatzabsonderung IV. Die Voranwendung von Rechtsnormen der InsO in der Rechtsprechung des BGH 1. Das Statut der Konkursanfechtung beim grenzüberschreitenden Güteraustausch 2. Der Nullplan, insbesondere im Verbraucherinsolvenzverfahren

I. Einführung Die Insolvenzordnung (InsO) ist am 1. Januar 1999, also vor einem knappen halben Jahr, in Kraft getreten. Verfahren, die nach den Bestimmungen der InsO abgewickelt werden, sind meines Wissens noch nicht Gegenstand rechtlicher Überprüfung durch den BGH geworden. Das ist nicht verwunderlich, weil die meisten Streitfragen erst während der praktischen Erprobung eines neuen Verfahrenstyps entstehen und nach Anrufung der Gerichte das Durchlaufen des Instanzenzugs weitere Zeit in Anspruch nimmt. Gleichwohl gibt es bereits Rechtsprechung des BGH zur InsO. Ich meine nicht Entscheidungen zum bisherigen Recht, die deswegen aktuell bleiben, weil das neue Recht die früheren Vorschriften inhaltlich aufnimmt. Ich meine

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Gerhard Ganter

auch nicht Entscheidungen, in denen der BGH neben den Vorschriften der Konkursordnung (KO), welche die Entscheidung trugen, die entsprechenden Vorschriften der InsO gleich mit zitiert hat. Dies ist nicht deshalb geschehen, weil die Vorschriften der K O im Lichte der InsO interpretiert wurden oder weil zur InsO etwas zu sagen war, was sich von der K O unterschied; die Erwähnung der InsO-Vorschriften hatte vielmehr lediglich redaktionelle Bedeutung. Ein Beispiel ist das Urteil vom 25. März 1999, 1 in welchem der BGH entschieden hat, daß Gebührenforderungen von Steuerberatern grundsätzlich pfändbar sind und dem Insolvenzbeschlag gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 GesO, § 36 Abs. 1 InsO unterliegen. Derartige, eher belanglose Bezüge zur InsO werden im folgenden nicht mehr angesprochen werden. Von dem Thema „Die Rechtsprechung des BGH zur InsO" erwarten Sie mit Recht etwas anderes, jedenfalls mehr als das Aufzeigen bloßer Gesetzeskonkordanzen. Soweit die Rechtsprechung des BGH weiterfuhrende Hinweise zur InsO enthält, möchte ich sie in drei verschiedene Kategorien einteilen. Zum einen hat die im Jahre 1990 für die neuen Bundesländer erlassene Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) einige Regelungen der seinerzeit noch im Planungsstadium befindlichen InsO bewußt vorweggenommen. Dazu ergangene BGH-Entscheidungen sind auf das Recht der Inso unmittelbar übertragbar. Zum zweiten hat der BGH vielfach bei Unklarheiten des bisherigen Rechts - also der KO, der VerglO und der GesO - im Wege der Auslegung Regelungen der InsO berücksichtigt. Zum dritten finden sich, wenngleich viel seltener, Fälle, in denen die noch nicht geltenden Rechtsnormen der InsO unmittelbar oder analog im Wege der Rechtsfortbildung zur Ausfüllung einer offenen oder verdeckten Lücke des bisherigen Rechts angewendet worden sind. Über Vorwirkungen der InsO, insbesondere in der Rechtsprechung des BGH, gibt es im Schrifttum bereits Stellungnahmen. 2 Prütting 3 und Kreft 4 haben darüber im Rahmen der RWS-Foren Insolvenzrecht 1996 bzw. 1998 ausführlich referiert. Ein großer Teil von Ihnen, meine sehr geehrten Damen

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BGH, Urt. V. 25. März 1999 - IX ZR 223/97, ZIP 1999, 621. Vgl. Pape NJW 1997, 2777 ff. Prutting, Vorwirkungen der Insolvenzordnung, in: Prütting (Hrsg.), RWSForum 9, Insolvenzrecht 1996 S. 311 ff. Kreft, in Henckel/Kieft (Hrsg.), RWS-Foram 14, Insolvenzrecht 1998, S. 305 ff.

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und Herren, wird diese Ausführungen kennen. Ich will Sie nicht durch Wiederholungen langweilen. Deshalb möchte ich versuchen, Sie mit neueren Entscheidungen bekannt zu machen. Früher ergangene sollen hier vorwiegend deshalb zur Sprache kommen, um gewisse Aspekte, die bisher nicht im Vordergrund standen, zu beleuchten. Ich kann aber nicht ganz umhin, auch bereits Bekanntes wiederaufzugreifen, wenn es sich um grundlegende Erkenntnisse handelt, auf denen die spätere Rechtsprechung aufbaut.

II. R e c h t s p r e c h u n g zu R e g e l u n g e n d e r G e s O , w e l c h e d i e I n s O inhaltlich v o r w e g n e h m e n 1. Ein Urteil vom 5. Februar 1998 5 befaßt sich mit folgendem Sachverhalt: Ein Gläubiger hatte ungesicherte Forderungen in Millionenhöhe gegen eine GmbH. Als der Gläubiger auf Sicherstellung drängte, vereinbarte man, ihm als Ausgleich für das Stehenlassen der Kredite eine Grundschuld zu bestellen. Eines Morgens ging der Geschäftsführer der GmbH zu einem Notar; vor diesem bewilligte und beantragte er die Eintragung der Grundschuld. Der Notar sandte die Unterlagen durch Boten zum Grundbuchamt. Anschließend begab sich der Geschäftsführer zum Amtsgericht, um die Eröffnung der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der GmbH zu beantragen. Nach erfolgter Eröffnung focht der Verwalter die Grundschuldbestellung an. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab, weil im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung der Antrag auf Eintragung der Grundschuld beim Grundbuchamt bereits gestellt gewesen sei. Die Revision des Verwalters hatte Erfolg. Der Ausgang des Rechtsstreits hing davon ab, ob die angefochtene Rechtshandlung nach § 10 Abs. 3 GesO bereits insolvenzbeständig war, als der Insolvenzantrag gestellt wurde. Nach dieser Vorschrift gilt eine Handlung, für deren Wirksamwerden eine Eintragung im Grundbuch erforderlich ist, als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die vom Schuldner abgegebene Willenserklärung für ihn bindend geworden ist und der andere Teil die Eintragung beantragt hat. Bei der Subsumtion des Sachverhalts unter diese

5

BGH, Urt. v. 5. Februar 1998 - IX ZR 43/97, WM 1998, 620 = ZIP 1998, 513 = WuB VI G. § 10 GesO 5.98 Diel = EWiR 1998, 697 Paulus.

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Bestimmung hatten die Vorinstanzen übersehen, daß für das Entstehen der Grundschuld außerdem noch die dingliche Einigung gemäß § 873 Abs. 1, 2 BGB erforderlich gewesen wäre. Dafür, daß der Schuldner ein entsprechendes Angebot an den Gläubiger gerichtet und dieser die Annahme erklärt hatte, fehlte jeglicher Anhalt. Eine zwar nicht wort-, aber doch inhaltsgleiche Bestimmung wie § 10 Abs. 3 GesO enthält § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO. Diese Vorschrift geht, wörtlich übereinstimmend, auf § 149 RefE und § 159 RegE zur InsO zurück, die ihrerseits dem - erst durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz vom 22. März 1991 eingeführten - § 10 Abs. 3 GesO zum Vorbild gedient haben. Die damalige Gesetzesänderung bezweckte, die Übertragung der seinerzeit abweichenden Rechtsprechung des BGH 6 auf das Gesamtvollstreckungsverfahren zu verhindern. 7 Zu diesem Zweck griff man bewußt auf die Reformüberlegungen zurück, die sich später als § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO niederschlugen. 8 Demgemäß gelten die Aussagen des zu § 10 Abs. 3 GesO ergangenen Urteils auch zu § 140 Abs. 2 InsO. Wenn der BGH in dem Urteil ausgesprochen hat, daß es gegebenenfalls Sache des Gläubigers ist, die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 GesO darzulegen und zu beweisen, weil er durch die Vorverlegung des Regelzeitpunkts für die Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen einer Anfechtung entgehen will, so gelten diese Ausfuhrungen deshalb unmittelbar auch für § 140 Abs. 2 Satz 1 InsO. 2. Ich möchte aber davor warnen, vorschnell - nur wegen irgendwelcher Ähnlichkeiten des Wortlauts - eine Vorwegnahme von Regelungen der InsO durch die GesO anzunehmen. Als Beispiel möchte ich Ihnen den Fall vortragen, den der BGH mit Urteil vom 25. September 1997tJ entschieden hat. Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

6 7 8

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Dazu Ganter DNotZ 1995, 517 ff. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/449, S. 16. So auch Urt. v. 23. November 1995 - IX ZR 18/95, BGHZ 131, 189, 198 = WM 1996, 136 = ZIP 1996, 83 = WuB VI G. § 10 GesO 1.96 Luke = EWiR 1996, 119 Gerhardt = LM GesO Nr. 12 Eckardf, vgl. ferner Ehricke KTS 1996, 209 ff. IX ZR 231/96, WM 1997, 2134 = ZIP 1997, 1926 = WuB VI G. § 10 GesO 1.98 Pape = EWiR 1998, 121 Paulus = LM GesO Nr. 28.

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Der spätere Gesamtvollstreckungsschuldner betrieb einen Schlachthof. Der Beklagte hatte aus Viehlieferungen Forderungen in Höhe von ca. 900.000 DM. Da der Gesamtvollstreckungsschuldner nicht zahlen konnte, trat er Kundenforderungen an den Beklagten ab. Dieser zog von zwei Drittschuldnern ca. 56.000 DM ein. Etwa zwei Monate später wurde ein erfolgreicher Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung gestellt. Der Gesamtvollstreckungsverwalter focht die Abtretung an und verlangte von dem Beklagten die 56.000 DM heraus. Nach Ansicht des BGH waren die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes aus § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO schlüssig dargetan. Danach kann der Verwalter gläubigerbenachteiligende „Rechtshandlungen" des Schuldners anfechten, wenn sie nach der Zahlungseinstellung gegenüber Personen vorgenommen wurden, denen zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder den Umständen nach bekannt sein mußte. Der BGH hat angenommen, daß der Gesamtvollstreckungsschuldner nach dem Klägervortrag bereits im Zeitpunkt der Abtretung zahlungsunfähig war und daß der Beklagte dies auch hätte erkennen müssen. Er habe die Tatsachen gekannt, welche die Zahlungsunfähigkeit begründeten. Daß er den daraus zweifelsfrei folgenden Schluß auf die Zahlungsunfähigkeit nicht gezogen habe, sei unerheblich. Diesen Ausführungen angeschlossen ist der Klammerzusatz „vgl. § 130 Abs. 2 InsO". Was hat es mit diesem Hinweis für eine Bewandtnis? Nach § 130 Abs. 1 InsO setzt die Anfechtbarkeit der kongruenten Deckung ebenfalls voraus, daß der Gläubiger zu dem maßgeblichen Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Dazu ist in Abs. 2 bestimmt: „Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen". Wie in § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO ist also von „Umständen" die Rede, die etwas nahelegen. Es drängt sich die Frage auf, ob die GesO-Regelung etwa die InsORegelung vorweggenommen hat und ob die Rechtsprechung zu der ersten somit auch auf die zweite Regelung unmittelbar übertragbar ist. Diese Frage ist zu verneinen. Das subjektive Tatbestandsmerkmal „Kenntnis von Umständen" ist erst auf Empfehlung des Rechtsausschusses in den Text der InsO aufgenommen worden. 10 Zu Lasten des Anfechtungs-

10

BT-Drucks. 12/7302, S. 173.

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gegners, der die Umstände kennt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, wird damit die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit selbst unwiderlegbar vermutet. Diese Rechts Vermutung" ist neu. Im Regierungsentwurf (§ 145) war es noch für ausreichend angesehen worden, eine grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungseinstellung für die Anfechtung ausreichen zu lassen. In dieser Tradition hatte auch der Gesetzgeber der GesO gestanden. Die dortige Formulierung „...den Umständen nach bekannt sein mußte" spricht denn auch eher für eine Umschreibung der Fahrlässigkeit. Sind dem Gläubiger Tatsachen bekannt, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen, so reicht schon einfache Fahrlässigkeit. Dazu hat der BGH später 1 2 bemerkt, der klare Wortlaut des Gesetzes lasse keinen Raum für die Annahme, die Regelung habe insoweit § 135 Abs. 1 des damaligen Referentenentwurfs zur InsO vorwegnehmen sollen. Die spätere Hinwendung zu einer Rechtsvermutung habe der Gesetzgeber der GesO nicht voraussehen können. Ein Vorgriff auf die InsO könne ihm insoweit also nicht unterstellt werden. Der Beispielsfall gehört vielmehr schon in die zweite der von mir genannten Kategorien. Dieser will ich mich nun zuwenden.

III. D i e A u s l e g u n g des b i s h e r i g e n R e c h t s im L i c h t e der Regelungen der InsO Für diese Kategorie gibt es zahlreiche Beispiele. Ich will nur drei Problemfelder herausgreifen.

1. Die Wirkung einer Vorausabtretung oder Verpfändung künftiger Forderungen im Eröffnungsverfahren a) Am 20. März 1997 hat der BGH folgenden Sachverhalt entschieden: Ein Finanzamt ließ wegen Steuerschulden die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Steuerschuldners aus dem Girovertrag mit dessen Bank

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Krefu in HK § 130 InsO Rdnr. 26. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 337/97, WM 1998, 2345 = ZIP 1998, 2008, 2011 = WuB VI G. § 10 GesO 1.99 Mankowski = EWiR 1998, 1131 Gerhardt = NZG 1999, 87 Eckardt.

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pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Später wurde die Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt; das Konkursgericht ordnete die Sequestration an und verhängte gegen den Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot. Erst danach entstand auf dem bis dahin debitorisch geführten Schuldnerkonto durch Zahlungseingänge ein positiver Saldo. Nach Konkurseröffnung stritten sich der Konkursverwalter und das Finanzamt um das Guthaben. Der BGH gab dem Finanzamt, also dem Pfändungspfandgläubiger, recht. 1 3 Er begründete dieses Ergebnis mit der Erwägung, eine Pfändung könne nicht anders behandelt werden als eine Vorausabtretung des künftigen Kontoguthabens. Eine Vorausabtretung bleibe aber trotz der zwischenzeitlichen Anordnung der Sequestration und des Verfügungsverbots wirksam. Denn die Entstehung der abgetretenen Forderung gehöre nicht zum Übertragungstatbestand. Ob man das Verfügungsverbot als relatives Verbot im Sinne der §§ 135, 136 BGB oder als absolute Verfügungsbeschränkung verstehe, sei unerheblich. In jedem Falle könne das Verfugungsverbot den Erwerb durch den Pfändungspfandgläubiger bzw. Zessionar nach Vollendung des Abschlußtatbestands der Vorausverfugung - also nach dem Pfandungsakt oder der Einigung über die Abtretung - nicht mehr hindern. Gemäß § 21 Abs. 2 K O blieben Vorausverfügungen über Miet und Pachtzinsen in gewissem Umfang sogar vom Konkursbeschlag unberührt. Dann bedeutete es einen Wertungswiderspruch, wenn man annehmen wollte, Vorausverfügungen würden schon durch einen Sequestrationsbeschluß außer Kraft gesetzt. 1 4 Obwohl diese Entscheidung, die im Schrifttum zum Teil Beifall, 1 5 aber auch Kritik 1 6 erfahren hat, zum Recht der KO ergangen ist, hat der BGH den Text und die Entstehungsgeschichte der InsO mit erörtert. Er hat daraus nichts zu entnehmen vermocht, was ein abweichendes Verständnis des geltenden Rechts nahelegen würde 1 7 . Der BGH hat insbesondere darauf aufmerksam gemacht, daß die InsO in § 110 Abs. 1 und 2 inhaltlich die Regelung des § 21 Abs. 2 K O übernommen habe. Darüber hinaus enthalte

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IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 ff. = WM 1997, 831 = ZIP 1997,737. AaO, S. 146. Marotzke JR 1998, 31; Sturner/Bormann LM KO § 106 Nr. 16; Bode WuB VI B. § 37 KO 1.97; vorsichtig zustimmend auch Henckel EWiR 1997, 943. Eckardt ZIP 1997, 957 ff.; Häsemeyer ZZP 111 (1998), 83 ff. BGHZ 135, 140, 146.

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§ 114 Abs. 1 und 3 InsO entsprechende Bestimmungen für Bezüge aus einem Dienstverhältnis. Hinsichtlich der Wirkungen der Verfügungsbeschränkungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO verweise § 24 Abs. 1 zwar auf § 81, der (entsprechend § 7 KO) hiergegen verstoßende Rechtshandlungen des Schuldners für unwirksam erkläre. Ein Verweis auf die dem § 15 KO entsprechende Bestimmung des § 91 InsO fehle aber für das Eröffnungsverfahren. Gleichwohl hat sich der BGH mit der Bemerkung, ,jedenfalls für den Geltungsbereich der Konkursordnung" müsse es dabei verbleiben, daß die Masse gegen Vorausverfügungen über künftige Forderungen und bereits durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur durch die Anfechtungsvorschriften geschützt sei, die erneute Prüfung der Frage unter der Geltung der InsO vorbehalten. 18 Im Schrifttum ist dieser Passus als Ausdruck einer Tendenz gewertet worden, der BGH werde zur InsO seine Rechtsprechung ändern und die Wirkungen des Insolvenzbeschlags auf den Zeitpunkt der Sequestration vorverlagern. 19 Dabei ist auch darauf hingewiesen worden, daß der BGH schon unter der Geltung der GesO vergleichbare Fallgestaltungen anders entschieden habe. 20 Lassen Sie mich zunächst diesem Hinweis nachgehen, bevor ich mich abschließend dazu äußere, ob sich aus der Entscheidung vom 20. März 1997 Fingerzeige zu der Haltung des BGH in InsO-Fällen ergeben. b) Mit Urteil vom 24. Oktober 1996 21 hat der BGH über folgenden Sachverhalt entschieden: Vor Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens waren auf dem Konto des Schuldners Geldbeträge eingegangen. Bei Verfahrenseröffnung wies das Konto ein Guthaben auf. Dieses nahm die kontoführende Bank, hauptsächlich gestützt auf die Pfandklausel in Nr. 14 AGBBanken, für sich in Anspruch. Der Gesamtvollstreckungsverwalter hielt das für unberechtigt und verlangte im Wege einer Zahlungsklage die Auskehr des Guthabens. Der BGH hat danach differenziert, ob sich der Guthabenstand auf dem Konto aus Zahlungen vor Stellung des Eröffnungsantrags oder aus späteren 18 So auch Bode WuB VI B. § 37 KO 1.97, Kreft, RWS Forum 14 S. 305, 325. 19 Bode WuB VI B. § 37 KO 1.97. 20 Marotzke JR 1998, 31. 21 BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, WM 1996, 2250 = ZIP 1996, 2080 = WuB VI G. § 10 GesO 1.97 Bader = EWiR 1997, 33 Gerhardt = LM BGB § 400 Nr. 10a Marotzke.

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Zahlungen ergeben hat. Für Einzahlungen nach Stellung des - zulässigen Antrags auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens hat der BGH die Entstehung eines Pfandrechts abgelehnt. Begründet hat er das wie folgt: Gemäß § 1274 Abs. 2 BGB könne kein Pfandrecht an einem nicht übertragbaren Recht bestellt werden. Unwirksam sei auch die Verpfändung eines künftigen Rechts, wenn es als unübertragbares Recht entstehe. Nicht übertragbar sei ein Recht, das der Pfändung nicht unterworfen sei (§§ 400, 413 BGB). Der Pfändung nicht unterworfen sei ein Recht, sobald über das Vermögen des Rechtsträgers die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens beantragt sei (§ 2 Abs. 4 GesO). Diese Konstruktion ist heftig angegriffen worden, vielleicht nicht ganz zu Unrecht. Darauf ist heute nicht einzugehen. Wichtig ist das Ergebnis, daß der Zeitpunkt, ab welchem gemäß Nr. 14 AGB-Banken getroffene Vorausverfügungen über künftige Rechte nicht mehr wirksam werden können, auf die Antragstellung vorverlagert worden ist. Marotzke 22 hat diese Entscheidung als „Versuchsballon" gewertet, dessen Ziele weniger im gegenwärtigen als vielmehr im künftigen Insolvenzrecht lägen. Wenn sich die Ansicht des BGH durchsetze, daß § 2 Abs. 4 GesO ein Vollstreckungsverbot im Sinne des § 400 BGB enthalte, so sei nicht auszuschließen, daß Gleiches demnächst auch in bezug auf § § 2 1 Abs. 2 Nr. 3, 88, 89 InsO vertreten werde. Dann werde die Rückschlagsperre des § 88 InsO mit Hilfe des § 400 BGB auf rechtsgeschäftlich erlangte Sicherungen erstreckt werden. c) Ob es unter der Geltung der InsO bei der Entscheidung vom 20. März 1997, 23 also der Insolvenzfestigkeit von Vorausverfugungen, bleiben oder ob der BGH bei Vorausverfugungen die Wirkungen des Insolvenzbeschlags auf den Zeitpunkt der Sequestration vorverlagern wird, kann und will ich nicht prognostizieren. Nach meinem Eindruck ist aber weder nach der einen noch nach der anderen Richtung bereits eine Vorentscheidung gefallen. Einerseits finden sich - worauf in der Entscheidung ja ausdrücklich hingewiesen worden ist - in der InsO Vorschriften, die dem vom BGH für seine Auffassung herangezogenen § 21 Abs. 2 KO entsprechen. 24 Auch die fehlende

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LM BGB § 400 Nr. 10a. BGH, Urt. v. 20. März 1997 - IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 (Fußn. 13). Dazu Eckardt ZIP 1997, 957, 960 Fußn. 22.

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Verweisung auf § 91 InsO in § 24 Abs. 1 InsO ist ein ernst zu nehmendes Argument. Andererseits wollte der Gesetzgeber der InsO aber den Schutz der Gläubiger vor nachhaltigen Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners während des Eröffnungsverfahrens verbessern. 2 5 Im übrigen lassen sich auch die insbesondere von Häsemeyer 2 6 und Eckardt 2 7 erhobenen Einwände gegen den dogmatischen Ausgangspunkt des BGH - der Verfiigungstatbestand sei mit der Abtretung vollauf verwirklicht, so daß der Verlust der Verfügungsmacht vor Entstehung der abgetretenen Forderung nicht mehr schaden könne - sehr wohl hören. Warten wir also ab, welche Meinung sich durchsetzen wird. d) In dem durch Urteil vom 24. Oktober 1996 entschiedenen Fall 2 8 hatte sich die Bank, die das Guthaben für sich beanspruchte, hilfsweise auch auf Aufrechnung gestützt. Diese ließ der BGH nicht durchgreifen, falls das umstrittene Guthaben nach Eingang des Insolvenzantrages angesammelt wurde. Marotzke hat in seiner ablehnenden Anmerkung 2 9 zu diesem Urteil auch die Befürchtung geäußert, der BGH werde die Rückschlagsperre des § 88 InsO zu einem das System der § § 9 1 , 94 ff. InsO sprengenden Aufrechnungshindernis fortentwickeln. Jedenfalls in bezug auf das Aufrechnungsverbot 3 0 im Eröffnungsverfahren sind derartige Befürchtungen unberechtigt. Dieses Verbot hat der BGH - anknüpfend an § 2 Abs. 4 GesO - strikt auf das

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BT-Drucks. 12/2443 S. 116. Häsemeyer ZZP 11 (1998), 83, 84. Eckardt ZIP 1997, 957, 959. BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, aaO (Fußn. 21). LM BGB § 400 Nr. 10a. Dazu BGH, Urt. v. 13. Juni 1995 - IX ZR 137/94, BGHZ 130, 76 = WM 1995, 1375 = ZIP 1995, 1200 = WuB VI G. § 7 GesO 3.95 Smid = EWiR 1995, 1195 Henckel = LM GesO Nr. 10 Eckardt; vgl. femer die Besprechungen von Eckardt ZIP 1995, 1146; Mankowski JZ 1996, 392; BGH, Urt. v. 21. März 1996 - IX ZR 195/95, WM 1996, 834 = ZIP 1996, 845, 846 = WuB VI G. § 2 GesO 1.96 Henckel = EWiR 1996, 549 Eckardt-, v. 18. April 1996 - IX ZR 88/95, ZIP 1996, 926, 927 = EWiR 1996, 795 Henckel; v. 18. April 1996 - IX ZR 206/95, WM 1996, 1063 = ZIP 1996, 1015, 1016 = WuB VI G. § 2 GesO 1.96 Henckel = EWiR 1996, 659 Tappmeier = LM GesO Nr. 17 Gerhardt, v. 14. Januar 1999 - IX ZR 208/97, WM 1999, 378 = ZIP 1999, 289, 290 = WuB VI G. § 2 GesO 1.99 Smid; v. 25. Februar 1999 - IX ZR 353/98, WM 1999, 781, 782 = ZIP 1999, 665, 666 - hierzu näher Obermüller ZInsO 1999, 324 ff.

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Gesamtvollstreckungsverfahren beschränkt. Für das Konkursverfahren hatte er eine Vorverlagerung der allgemeinen Aufrechnungsschranke des § 55 Nr. 1 K O auf den Zeitpunkt der Sequestration schon früher abgelehnt. 3 1 Daran hat er mit Beschluß vom 4. Juni 1998 32 festgehalten. Dieser Beschluß enthält den bemerkenswerten Satz: „Die von den Vertretern der Gegenmeinung gewünschte Verstärkung der Insolvenzmasse hat auch der Gesetzgeber der Insolvenzordnung nicht verwirklicht (vgl. im Gegenteil §§ 21-24, 94, 95, 96 Nr. 3 InsO)". Damit hat der BGH bestätigt, daß die Rechtsprechung zum Aufrechnungsverbot im Eröffnungsverfahren nach der GesO für die InsO nicht fortgeführt werden kann. § 96 Nr. 3 InsO löst die vergleichbare Problematik auf anfechtungsrechtlichem Wege. Danach ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Ist die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise begründet worden, wird eine vor der Insolvenzeröffnung erklärte Aufrechnung mit der Insolvenzeröffnung rückwirkend unwirksam; andernfalls bleibt sie wirksam, selbst wenn sie erst während des Eröffnungsverfahrens erklärt worden ist. Der Gesetzgeber hat mithin dem Vertrauen des Aufrechnungsbefugten in die Beständigkeit unanfechtbarer Aufrechnungslagen den Vorrang vor den Interessen der übrigen Insolvenzgläubiger eingeräumt. An diese bewußte gesetzgeberische Entscheidung sind die Gerichte gebunden. e) Da die Aufrechnung in der Eröffnungsphase künftig nur mit der Insolvenzanfechtung bekämpft werden kann (§ 96 Nr. 3 InsO), wird von besonderem Interesse sein, daß der BGH es mit Urteil vom 25. Februar 19 9 9 3 3 für möglich gehalten hat, eine Verrechnung - und für die Aufrechnung kann nichts anderes gelten - könne unter Umständen eine unanfechtbare Bardeckung darstellen. U m diese Entscheidung zu verstehen, muß man sich den Sachverhalt vergegenwärtigen. Die verklagte Bank hatte dem Schuldner auf seinem

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BGH, Urt. v. 20. Oktober 1986 - II ZR 292/85, BGHZ 99, 36, 40 f. = WM 1987, 603 = WuB VI A. § 59 VerglO 1.87 Obermüller = EWiR 1987, 823 Grub; v. 7. Dezember 1989 - IX ZR 228/89, BGHZ 109, 321, 322 = WM 1990, 248 = ZIP 1990, 112 = WuB VI A. § 107 VerglO 1.90 Sundermann = EWiR 1990, 191 Johlke. BGH, Beschl. v. 4. Juni 1998 - IX ZR 165/97, ZIP 1998, 1319. BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 - IX ZR 353/98, aaO (Fußn.30).

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Girokonto einen Überziehungskredit in Höhe von 100.000 DM eingeräumt. Als der Insolvenzantrag gestellt wurde, befand sich das Konto mit ca. 101.000 DM im Soll. Später wurden dem Schuldner auf dem Konto insgesamt ca. 67.000 DM gutgeschrieben. Im selben Zeitraum nahm die Bank auch Belastungen vor, so daß das Konto bei Erlaß eines allgemeinen Verfiigungsverbots mit ca. 96.000 DM im Soll stand. Der BGH hat zunächst darauf abgestellt, daß die Gutschriften in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den Belastungen geschahen. Erheblich war weiterhin, daß sich die verrechneten Gutschriften und die Belastungsbuchungen - im großen und ganzen - gegenseitig aufhoben. Während durch die Verrechnungen der Gutschriften Leistungen des Schuldners an die Bank erfolgten, flössen durch die Ausführung der Belastungsbuchungen Gegenleistungen an den Schuldner. Die Gutschriften verhinderten, daß die Kreditobergrenze überschritten wurde. Soweit die Insolvenzgläubiger durch diesen Zahlungsverkehr benachteiligt wurden, war dies letztlich auf die Auszahlungen und nicht auf die Gutschriften zurückzufuhren. Der Leistungsaustausch erfolgte absprachegemäß. Als Grundlage hierfür genügte dem BGH die Kontokorrentabrede. Mit dieser Entscheidung wird für Verfahren nach der GesO sichergestellt, daß Banken einen Sollsaldo auf dem Konto eines Kunden während der Eröffnungsphase nicht durch Verrechnung mit Zahlungseingängen von dritter Seite verringern können, daß sie aber - solange sie ein allgemeines Verfügungsverbot nicht kennen - geschützt sind, wenn sie den Kunden noch im Rahmen der ungekündigten Kreditlinie über Eingänge verfugen lassen. Andernfalls hätte jede Bank, die von einem Insolvenzantrag gegen ihren Kunden erfahrt, sofort dessen Konto für Ausgänge sperren müssen. Damit hätte sie regelmäßig - auch wenn der Insolvenzantrag nicht begründet war den endgültigen Ruin des Kunden herbeigeführt.

2. Beiderseits nicht voll erfüllte gegenseitige Verträge Nach ständiger BGH-Rechtsprechung wird ein gegenseitiger Vertrag, der zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht erfüllt ist, durch die Verfahrenseröffnung umgestaltet. Die Erfüllungsansprüche erlöschen. Wählt der Konkursverwalter später gemäß § 17 KO die Vertragserfüllung, entstehen die untergegangenen Erfullungsansprüche mit dem früheren Inhalt

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neu. Deshalb bleibt ein vor Eröffnung des Konkursverfahrens abgetretener Erfüllungsanspruch erloschen; an dem durch das Erfüllungsverlangen des Verwalters neu entstehenden Anspruch kann der Zessionar gemäß § 15 Satz 1 KO keine gegenüber den Konkursgläubigern wirksamen Rechte erwerben. 3 4 Mit einem vor Verfahrenseröffhung entstandenen Anspruch kann gegen den aufgrund des Erfüllungsverlangens neu begründeten Anspruch der Masse gemäß § 55 Satz 1 Nr. 1 K O nicht aufgerechnet werden. 3 5 Diese Ergebnisse erscheinen unbillig, wenn der Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung bereits Teilleistungen erbracht hat und nunmehr um den Vergütungsanspruch für diese Teilleistungen gestritten wird. Die Aufspaltung eines einheitlichen Anspruchs in einen Teil, der abgetreten bleibt oder gegen den aufgerechnet werden kann, und einen anderen Teil, dessen Abtretung unwirksam oder dem gegenüber eine Aufrechnung unzulässig ist, bereitet aber dogmatische Schwierigkeiten. Zu § 17 KO ging die herrschende Meinung deshalb von einem „Alles-oder-nichts"-Prinzip aus. Das Erfüllungsverlangen verpflichtete den Verwalter, die ganze Verbindlichkeit als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO bzw. § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO zu erfüllen, mithin auch diejenigen Teilleistungen voll zu bezahlen, die dem Schuldner noch vor der Verfahrenseröffhung zugeflossen waren. Mit Urteil vom 4. Mai 1995 hat der B G H 3 6 seine Haltung modifiziert. Auslöser war folgender Fall: Die Schuldnerin war vom Fiskus mit der Durchführung von Bauarbeiten beauftragt. An dem Tage, an dem sie mit der Einrichtung der Baustelle begann, stellte sie Konkursantrag. Die Vertragsparteien hielten deswegen eine Kündigung des Bauvertrages für zulässig und kamen überein, daß die weiteren Arbeiten zurückgestellt werden sollten, bis sich der Auftraggeber über die Kündigung schlüssig geworden war. Später nahm die Schuldnerin die Arbeiten vereinbarungsgemäß wieder auf und setzte diese fort, bis der Auftraggeber nach Eröffnung des Konkursver34 35

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BGH, Urt. v. 20. Dezember 1998 - IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236, 243 = WM 1989, 229 = ZIP 1989, 171 = WuB VI B. § 15 KO 1.89 Sundermann = EWiR 1989, 283 Pape = JR 1990, 331 Marotzke. BGH, Urt. v. 21. November 1991 - IX ZR 290/90, BGHZ 116, 156, 158 = WM 1992, 75 = ZIP 1992, 48 = WuB VI B. § 17 KO 1.92 Smid = EWiR 1992, 71 Marotzke = LM KO § 17 Nr. 29 Stürner = JZ 1992, 425 Uhlenbruck = JR 1992, 423 Häsemeyer. BGH, Urt. v. 4. Mai 1995 - IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 339 = WM 1995, 1116 = ZIP 1995, 926 = WuB VI B. § 17 KO 2.95 Paulus = EWiR 1995, 691 Uhlenbruck = LM KO § 17 Nr. 31 Marotzke.

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fahrens dann doch kündigte. Der Konkursverwalter verlangte Zahlung des bis zur Kündigung verdienten Werklohns. Der verklagte Fiskus rechnete mit vorkonkurslichen Steuerforderungen auf. Nach Meinung des BGH ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 17 KO, daß der Masse nur für die von ihr erbrachten Leistungen auch die Gegenleistung zustehen soll. Demgemäß sei zwischen vor und nach Konkurseröffnung erbrachten Leistungen zu differenzieren. Ergänzend hat sich der BGH, um die unterschiedliche rechtliche Behandlung der verschiedenen Teile zu begründen, auf die Vorschrift des § 105 Satz 1 InsO bezogen. Damit bleibt der Vertragspartner des Schuldners, falls er die ihm obliegende teilbare Leistung bei Verfahrenseröffnung bereits teilweise erbracht hat, auch bei einer Erfullungswahl des Verwalters mit dem der Teilleistung entsprechenden Anspruch auf die Gegenleistung Konkursgläubiger. 3 7 Nur der Rest m u ß als Masseschuld voll bezahlt werden. Der BGH hat unter Heranziehung der Begründung zu § 119 RegE-InsO 3 8 daraufhingewiesen, daß dies auch dann nicht unangemessen erscheint, wenn die Kalkulation des Vertragspartners die reibungslose Abwicklung des gesamten Geschäfts voraussetzt. 3 9 Im umgekehrten Fall - der Schuldner hat vor Konkurseröffnung bereits Teilleistungen erbracht - wird der diesen Teilleistungen entsprechende Anspruch auf die Gegenleistung durch die Konkurseröffnung nicht berührt; der Vertragsgegner kann gegen diesen Anspruch mit vorkonkurslichen Forderungen aufrechnen. 4 0 Auf die im Schrifttum laut gewordene grundsätzliche Kritik 41 an dieser Rechtsprechung einzugehen, ist heute nicht möglich. Ich will nur noch ein paar Worte zum Begriff der „Teilbarkeit" der Leistung verlieren. Der B G H hat in der Entscheidung vom 4. Mai 1995 42 einen außerordentlich großzügigen Maßstab angelegt. Das ist auch bei solchen, die dem BGH im

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BGH, Urt. v. 27. Februar 1997 - IX ZR 5/96, BGHZ 135, 25, 29 = WM 1997, 794 = ZIP 1997, 688 = WuB VI G. § 9 GesO 2.97 Hess = EWiR 1997, 517 Huber = LM GesO Nr. 24 Marotzke = JZ 1998, 154 Henckel. BT-Drucks. 12/2443 S. 146. BGH, Urt. v. 27. Februar 1997 aaO (Fußn. 37) S. 28; vgl. hierzu Häsemeyer, Insolvenzrecht 2. Aufl. Rdnr. 20.27. BGH, Urt. v. 4. Mai 1995 aaO (Fußn. 36) S. 342. Vgl. aus neuerer Zeit z.B. Gerhardt, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk 1997, S, 171 ff.; Bork Festschrift für Zeuner S. 310; Henckel JZ 1998, 155 ff. BGH, Urt. v. 4. Mai 1995 aaO (Fußn. 36) S. 343, 345.

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Grundsatz folgen, auf Skepsis gestoßen. 43 Sie haben darauf aufmerksam gemacht, daß nach der früheren Rechtsprechung zu § 36 Abs. 2 VerglO die bloße Feststellbarkeit und Bewertbarkeit der erbrachten Leistungen - etwa nach einer Kündigung gemäß § 8 Nr. 2 VOB/B - nicht ausgereicht habe. 44 Diese Fragen bedürfen weiterer Vertiefung. Dazu wird der BGH spätestens dann, wenn die ersten Fälle zu § 105 Satz 1 InsO an ihn herangetragen werden, Gelegenheit haben.

3. Ersatzaussonderung und Ersatzabsonderung a) Die GesO enthält keine dem § 46 KO entsprechende Bestimmung. Es war lange streitig, ob in der Gesamtvollstreckung Ersatzaussonderungs- und Ersatzabsonderungsrechte entsprechend den nach der KO geltenden Voraussetzungen entstehen können. Ein Teil der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung 45 sah in den § § 1 2 Abs. 1,13 Abs. 1 Nr. 1 GesO eine in sich geschlossene Sonderregelung, die für eine Analogie keinen Raum lasse. Außerdem, so meinte man, habe der Gesetzgeber in § 48 InsO das Ersatzaussonderungsrecht eingeschränkt. Dem ist der BGH mit Urteil vom 17. September 1998 46 nicht gefolgt. Er hat darauf aufmerksam gemacht, daß § 48 InsO das Ersatzaussonderungsrecht keineswegs einschränke, vielmehr ebenso regele wie § 46 KO. Zwar sei § 60 RegE, der eine ausdrückliche Regelung des Ersatzabsonderungsrechts zum Gegenstand gehabt habe, auf Vorschlag des Rechtsausschusses gestrichen worden. Das sei jedoch in der Absicht geschehen, es aus Vereinfachungsgründen bei dem bisherigen Rechtszustand zu belassen (nach welchem man sich mit einer Analogie zu § 46 KO behelfen muß). In diesem

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Kritisch Krull InVo 1998, 180, 181 ff.; ders. NZI 1998, 66 ff; den. ZInsO 1998, 291, 293; zur Teilbarkeit vgl. ferner Huber NZI 1998, 97, 100; Tintelnot, in Kübler/Prütting, Komm, zur InsO, § 105 Rdnr. 4, 8; Marotzke, in Heidelberger Kommentar zur InsO, § 105 Rdnr. 8. Vgl. BGH, Urt. v. 21. Oktober 1976 - VII ZR 335/75, BGHZ 67, 242, 249 = LM VerglO § 36 Nr. 6 Girisch; v. 10. März 1994 - IX ZR 236/93, BGHZ 125, 270, 274 = WM 1994, 1084 = ZIP 1994, 715 = WuB VI A. § 36 VerglO 1.94 Jendrek = EWiR 1994, 717 Mohrbutter. Vgl. die Nachweise in BGH, Urt. v. 17. September 1998 - IX ZR 300/97, WM 1998, 2160, 2161 = ZIP 1998, 1805, 1806, zVb in BGHZ = WuB VI G. § 12 GesO 1.99 Hess = EWiR 1999, 27 Marotzke. BGH, Urt. v. 17. September 1998 aaO (Fußn. 45).

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Zusammenhang hat der BGH folgenden Grundsatz formuliert: Behandelt die GesO eine Frage nicht, die in der KO und der InsO jedenfalls in den wesentlichen Punkten übereinstimmend geregelt ist, gibt es im allgemeinen keinen einsichtigen Grund, davon in der Gesamtvollstreckung abzuweichen. 47 b) Mit Urteil vom 5. März 1998 48 hat der BGH es abgelehnt, die Vorschrift des § 48 InsO auf die GesO entsprechend anzuwenden. Die genannte Vorschrift ermöglicht eine Ersatzaussonderung - anders als nach § 46 KO unter Umständen auch dann, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gegenstand der Aussonderung vom Schuldner veräußert und die Gegenleistung eingezogen wurde. Der soeben vorgestellte Grundsatz, wonach sich die Auslegung der GesO an übereinstimmenden Regelungen von KO und InsO orientieren kann, war nicht anwendbar, weil eine derartige Übereinstimmung hier gerade fehlte. Deshalb hat der BGH diesen Grundsatz wie folgt ergänzt: Wurden Vorschriften der KO bereits bei Schaffung der GesO von 1990 als reformbedürftig empfunden und haben die - damals bereits bekannten - Reformvorschläge des Referentenentwurfs zur InsO in diese Eingang gefunden, so kann bei der Anwendung der GesO allein auf die Vorschriften der InsO zugegriffen werden. 49 Danach ergab sich folgendes Bild: Nach § 52a des Referentenentwurfs kam eine Ersatzaussonderung nicht in Betracht, wenn der Aussonderungsgegenstand - wie im konkreten Fall - vor der Eröffnung der Gesamtvollstreckung veräußert wurde. § 48 InsO erhielt seine Fassung erst aufgrund von Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses im April 1994. 50 Deshalb konstatierte der BGH, es habe nicht der Wille des Gesetzgebers der GesO sein können, in dieses Gesetz eine Norm aufzunehmen, deren Inhalt ihm nicht habe bekannt sein können. 51

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So schon BGH, Urt. 23. November 1995 - IX ZR 79/96, BGHZ 131, 189, 199 = WM 1996, 136 = ZIP 1996, 83 = WuB VI G. § 10 GesO 1.96 Lüke = EWiR 1996, 119 Gerhardt = LM GesO Nr. 14 Eckardt; v. 25. Februar 1997 - IX ZR 79/96, BGHZ 135, 30, 34 f. = WM 1997, 728 = ZIP 1997, 649, 650 f. = WuB VI G. § 7 GesO 1.97 Smid = EWiR 1997, 409 Paulus = LM GesO Nr. 25/26 Obermüller. BGH, Urt. v. 5. März 1998 - IX ZR 265/97, WM 1998, 838 = ZIP 1998, 655 = EWiR 1998, 695 Undritz = LM GesO Nr. 35 Pape = NZG 1998, 475 Eckardt. BGH, Urt. v. 5. März 1998 aaO (Fußn. 48) S. 841. BT-Drucks. 12/7302 S. 22, 160. BGH, Urt. v. 5. März 1998 aaO (Fußn. 48) S. 841.

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c) Mit Urteil vom 11. März 1999 52 hat der BGH zur Unterscheidbarkeit des Gegenstandes der Ersatzaussonderung im Sinne von § 46 Satz 2 KO Stellung genommen. Diese Entscheidung wird eigentlich von unserem Thema nicht erfaßt, handelt es sich doch hierbei nicht um „Rechtsprechung zur InsO" . Ich möchte diese Entscheidung ausnahmsweise dennoch erwähnen, weil die Unterscheidbarkeit - bisher ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Ersatzaussonderung - nun in § 48 Satz 2 InsO ausdrücklich verlangt wird. Die Entscheidung wird also unter der Geltung der InsO nicht nur ihre Bedeutung behalten, sondern sogar noch an Bedeutung gewinnen. Folgender Sachverhalt war zu entscheiden: Bei Konkurseröffnung hatte der Gemeinschuldner einen der Klägerin gehörenden Turmdrehkran im Besitz. Der Konkursverwalter verkaufte den Kran zusammen mit dem sonstigen beweglichen Anlagevermögen für insgesamt 28.750 DM. Davon entfielen auf den Kran 11.310 DM. Der Kaufpreis wurde dem Konkursanderkonto gutgeschrieben. Dieses wies danach ein Guthaben von zunächst rund 36.000 DM auf. Durch spätere Abbuchungen ermäßigte sich das Guthaben auf zuletzt rund 19.000 DM. Die Klägerin nahm den verklagten Konkursverwalter auf Zahlung der 11.310 DM in Anspruch. Der BGH hat zunächst klargestellt, daß die gemeinsame Veräußerung des Krans mit massezugehörigem Vermögen zu einem Gesamtpreis der Geltendmachung des Ersatzaussonderungsanspruchs nicht entgegensteht. Ausgesondert werden kann in einem solchen Fall der Teil des Erlöses, der dem Wert des massefremden Gegenstandes im Verhältnis zum Gesamtwert der veräußerten Gegenstände entspricht. Des weiteren hat der BGH ausgesprochen, daß Geld grundsätzlich auch bei Einzahlung auf ein allgemeines Bankkonto des Konkursverwalters aussonderungsfähig ist, weil es aufgrund der Buchungen und der dazugehörigen Belege von den übrigen Guthaben unterschieden werden kann. Bei einer wertenden Betrachtungsweise büßt das zunächst aussonderungsfahige Guthaben seine Unterscheidbarkeit auch nicht dadurch ein, daß anschließend das Konto mit Zahlungsausgängen belastet wird. Wörtlich hat der BGH hierzu ausgeführt: „Steht ein bestimmter dem Konto gutgeschriebener Betrag materiell nicht der Masse, sondern einem andern zu, so muß er so lange als noch vorhanden gelten, wie das Konto eine ausreichende Deckung aufweist."

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BGH, Urt. v. 11. März 1999 - IX ZR 164/98, WM 1999, 784 = ZIP 1999,626.

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Besondere Schwierigkeiten bereitete in dem konkreten Fall der Umstand, daß die Gutschrift, die den Kaufpreis fiir den Kran enthielt, in die laufende Rechnung eingestellt worden war und daß inzwischen periodische Rechnungsabschlüsse stattgefunden hatten. Nach ständiger Rechtsprechung gehen die in ein Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen durch die mit dem Rechnungsabschluß verbundene Saldoanerkennung unter; nur die durch das Schuldanerkenntnis begründete Saldoforderung bleibt übrig. Deshalb war bisher angenommen worden, der auf ein Konto des Konkursverwalters geflossene Erlös aus der Veräußerung eines der Aussonderung unterliegenden Gegenstandes könne nach § 46 Satz 2 KO nicht mehr herausverlangt werden, sobald ein Rechnungsabschluß mit Saldoanerkennung stattgefunden habe. 5 3 Davon ist der BGH nunmehr abgewichen. Er hat dabei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Vorzug vor dogmatischen Konstruktionen gegeben, bei deren Entwicklung - wie der BGH ausdrücklich vermerkt hat - der vorliegende Interessenkonflikt nicht berücksichtigt worden ist.

IV. D i e V o r a n w e n d u n g v o n R e c h t s n o r m e n d e r I n s O in der R e c h t s p r e c h u n g des B G H 1. Das Statut der Konkursanfechtung beim grenzüberschreitenden Güteraustausch In der Entscheidung „Rnäbäck" vom 21. November 1996 54 hat der BGH die in Art. 102 Abs. 2 EGInsO enthaltene Regelung der Internationalen Insolvenzanfechtung im Wege der Vorwirkung bereits für die Anfechtungsklage eines schwedischen Konkursverwalters berücksichtigt, die vor Inkrafttreten des EGInsO erhoben worden war. Der BGH trug damit der völlig offenen Rechtslage Rechnung; zum andern wollte er vermeiden, daß eine von ihm entwickelte abweichende Lösung nach zwei Jahren überholt sein würde. Dazu sowie zu der noch nicht beantworteten Frage, ob die einseitige Kolli-

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BGH, Urt. v. 8. März 1972 - VIII ZR 40/71, BGHZ 58, 257, 262. BGH, Urt. v. 21. November 1996 - IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116, 125 = WM 1997, 178 = ZIP 1997, 150 = WuB VI B. § 237 KO 1.97 Summ = EWiR 1997, 229 Johlke = LM KO §§ 237, 238 Nr. 9 Eckardt = IPrax 1998, 170 Gottwald/ Pfaller.

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sionsnorm des Art. 102 Abs. 2 EGInsO zu einer allseitigen Kollisionsnorm ausgebaut werden kann, hat sich Kreft eingehend geäußert. 5 5 Darauf möchte ich verweisen.

2. Der Nullplan, insbesondere im Verbraucherinsolvenzverfahren Es gehört zu den derzeit umstrittensten Fragen des Insolvenzrechts, ob ein sogenannter Nullplan den vom Gesetzgeber in § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO niedergelegten Gläubigerinteressen ausreichend Rechnung trägt und somit zulässig ist. Diese Frage hat sich insbesondere in Verfahren auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) gestellt. Sie ist bisher von den Amts- und Landgerichten ganz unterschiedlich beantwortet worden. Es ist deshalb die Ansicht vertreten worden, im Interesse der Rechtsvereinheitlichung müsse auch gegen die PKH-Verweigerung im Verbraucherinsolvenzverfahren eine weitere Beschwerde gemäß § 7 InsO zulässig sein. 56 Ohne die weitere Beschwerde wäre namentlich der Zugang zum BGH versperrt. Indes ist in diesem Zusammenhang zugleich bemerkt worden, der BGH habe die Zulässigkeit eines Nullplans im Grunde bereits entschieden, 5 7 und zwar mit Urteil vom 14. November 1996 in der Sache „Norsk Data" 5 8 . In diesem Urteil hat der BGH ausgeführt, daß unter die in Art. 102 Abs. 1 und 3 EGInsO angesprochenen ausländischen Insolvenzverfahren auch ausländische Vergleichsverfahren - wie das Verfahren des norwegischen „tvangsakkord" - fallen, wenn deren Ergebnisse anerkannt werden können, ohne daß dadurch die inländische öffentliche Ordnung verletzt wird und im Einzelfall zwingende inländische Vorschriften entgegenstehen. 5 9 Den Umstand, daß der norwegische Zwangsvergleich den Gläubigern nur eine Quote

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Kreft, RWS-Forum 14 (Fußn. 4) S. 305, 318. Befürwortend Ahrens ZInsO 1999, 190, 194; ablehnend OLG Köln ZInsO 1999, 230; Kirchhof, in Heidelberger Kommentar zur InsO § 6 Rdnr. 4, § 7 Rdnr. 5; wohl auch Schmerbach, in Frankfurter Kommentar zur InsO § 6 Rdnr. 27, § 7 Rdnr. 2; differenzierend Vollender ZIP 1999, 125, 126 f. Ahrens ZInsO 1999, 190, 194. BGH, Urt. V. 14. November 1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79 = WM 1997, 42 = ZIP 1997, 39 = LM VerglO § 1 Nr. 1 Arnold = JZ 1997, 415 Paulus = WuB VI B. § 327 KO 2.97 Summ = EWiR 1997, 83 Hanisch. BGHZ 134, 79, 80 (Fußn. 58).

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Gerhard Ganter

von 25% ihrer Forderungen bietet, während § 7 Abs. 1 und 4 VerglO den Gläubigem einen Mindestsatz von 35% gewährleistet, hat der BGH für unerheblich erklärt. Es gehöre, so der BGH, nicht zu den unverzichtbaren Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung, daß Gläubigem in einem Zwangsvergleich mindestens 35% ihrer Forderungen geboten werden müßten. In diesem Zusammenhang hat der BGH 60 daran erinnert, daß die „§§ 221 ff., 305 ff. InsO ... sogar von jedem Mindestsatz ab"-sehen. Ergibt sich daraus, daß der BGH den Nullplan bereits „abgesegnet" hat? Einem derartigen Mißverständnis muß widersprochen werden. Der BGH hat nicht mehr und nicht weniger gesagt, als daß den Gläubigem in den § 221 ff., 305 ff. InsO keine bestimmte Quote ihrer Forderungen garantiert ist. Damit wollte er deutlich machen, daß es mit den innerdeutschen Rechtsvorstellungen nicht unvereinbar ist, wenn sich die Gläubiger mit nur 25% ihrer Forderungen bescheiden müssen. Wie er die Rechtslage beurteilt, wenn sich diese Quote gegen Null bewegt, folgt sich aus dieser Entscheidung nicht. Allerdings hat der BGH an der zitierten Stelle noch folgendes ausgeführt: „Entscheidend ist für die deutsche öffentliche Ordnung allein, daß einerseits der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gewahrt ist und daß andererseits die Gläubiger insgesamt nicht unangemessen gering an dem zu verteilenden Schuldnervermögen beteiligt, also nicht im Verhältnis zum Schuldner selbst in unvertretbarer Weise zurückgesetzt werden."

Diese Stellungnahme könnte dafür sprechen, daß der BGH die Interessen des Schuldners und der Gläubiger in ein ausgewogenes Verhältnis setzen will. Hierbei könnten die Verfahrenszielbestimmungen in § 1 InsO Anhaltspunkte bieten. Diese lassen sich indes nicht einfach miteinander in Einklang bringen. Einerseits heißt es in § 1 Satz 2, daß dem redlichen Schuldner „Gelegenheit gegeben" wird, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Andererseits dient das Insolvenzverfahren gemäß § 1 Satz 1 dazu, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Es geht mithin um eine Haftungsverwirklichung. Außerdem soll der Schuldner nicht von seinen Verbindlichkeiten schlechthin, sondern nur von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit werden. Das setzt voraus, daß nach der teilweisen Befriedigung der Gläubiger noch Schulden verbleiben. Es spricht demgemäß einiges dafür, daß das Ziel der Restschuldbefreiung nicht ausschließlich auf

60

AaO, S. 92 (Fußn. 58).

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzordnung

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die Person des Schuldners bezogen und von dem Ziel der Haftungsverwirklichung abgekoppelt werden darf. Allerdings könnte auch ein Nullplan durchaus noch für die Gläubiger interessant sein, nämlich dann, wenn er ihnen die Aussicht beläßt, an dem Erwerb des Schuldners in der siebenjährigen Wohlverhaltensphase teilzuhaben („flexibler Nullplan"). Wie der BGH, falls er doch einmal mit der Sache befaßt werden sollte - der Nullplan spielt ja nicht nur im Verfahren der Prozeßkostenhilfe eine Rolle - , die Diskrepanz zwischen den Verfahrenszielen der InsO auflösen wird, bleibt abzuwarten.

Die neue Insolvenzordnung - Erste Erfahrungen aus der Sicht eines Insolvenzverwalters -* Dr. Bruno M. Kübler, Rechtsanwalt, Köln, Berlin und Dresden

I.

Einleitung

II.

Eröffnungsverfahren

III. Insolvenzgeldvorfinanzierung IV. Insolvenzplan

I. Einleitung Seit genau 175 Tagen ist die Insolvenzordnung in Kraft. Bereits unmittelbar nach dem Inkrafttreten und namentlich aus Anlaß des „100 Tage InsOJubiläums" gab es zahlreiche Veranstaltungen, die sich mit den ersten Erfahrungen befaßten. Auch nach weiteren 75 Tagen in der nachgeburtlichen Früh-Phase der InsO darf festgestellt werden, daß der Erfahrungsschatz allgemein noch nicht sehr groß ist. Um Ihnen das Thema schmackhaft zu machen, sozusagen als „amuse-gueule", möchte ich zunächst einige brandaktuelle Zahlen vorstellen. Es gibt inzwischen im Internet - einige wissen es, die Schleichwerbung möge man mir nachsehen, da die Präsentation kostenlos ist - eine Datenbank des RWS-Verlages namens INDat, die die Veröffentlichungen der Insolvenzverfahren im Bundesanzeiger zeitnah auswertet.1 Per 15.06.1999 gab es hiernach 2.397 eröffnete InsO-Verfahren,2 für die insgesamt 778 Verwalter bestellt wurden. 4 Verwalter können jeweils mehr als 20 eröffnete Verfahren vorweisen, der „Rekordhalter" bringt es auf 34 Bestellungen. Weitere 159 Verwalter wickeln 4 - 9 bislang eröffnete Verfahren ab. * 1 2

Die Vortragsform wurde beibehalten; statistische Daten sind auf dem Stand vom 30.9.1999. Der Text wurde um die notwendigsten Zitate ergänzt. http://www.rws-verlag.de/INDat. Ohne Verbraucherinsolvenzen.

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Bruno M. Kübler

Das Gros der Verwalter, nämlich 577 an der Zahl, das entspricht rund 75%, ist mit bis zu 3 Verfahren vertreten. Bei den Gerichten ist „Tabellenfuhrer" Dresden mit 96 Verfahren, gefolgt von Chemnitz mit 81, Berlin mit 73 und Hamburg mit 67 Verfahren. Großstadtgerichte wie Essen mit 45, Hannover mit 44 und Köln mit 41 haben gegenüber Dresden weniger als die Hälfte an Verfahren aufzuweisen, Düsseldorf, Aachen, Dortmund, München, Nürnberg etwa ein Drittel der Verfahren gegenüber Dresden und schließlich Frankfurt am Main weniger als ein Viertel der Dresdner Verfahren. 3 3

Fortgeschrieben ergibt sich nach neun Monaten InsO folgendes Bild (Stand der im Bundesanzeiger im Jahre 1999 bis zum 30.9.1999 veröffentlichten Verfahrenseröffnungen): I. Gesamtzahl InsO-Verfahren Eröffnete Verfahren: 5.133 (ohne Verbraucherinsolvenzen) II. Verteilung der Verfahren auf Verwalter Anzahl der Bestellungen in eröffneten InsO-Verfahren

Verwalter mit mit mit über mit mit mit bis zu

1 1 9 22 335 640

78 52 30 20 bis 29 5 bis 19 4

III. Gerichte mit mehr als 100 eröffneten Verfahren Amtsgericht

Zahl der InsO-Verfahren in Klammern Zahl aller Verfahren, d.h. einschl. auslaufender KO-, GesO- und VglO-Verfahren, jedoch ohne Verbraucherinsolvenzen

Dresden Berlin Hamburg Chemnitz Leipzig München Düsseldorf Halle-Saalkreis

198(292) 182 182 162 111 94 (148) 75 (139) 63 (131)

(290) (288) (225) (161)

Die neue Insolvenzordnung

51

Da die Sicht eines Insolvenzverwalters - so die Themenstellung - gefragt ist, sehe ich mich legitimiert, meine persönlich-subjektiven Erfahrungen einzubringen. So nehme ich mir die Freiheit, keine spezifisch bankjuristischen Probleme des Verfahrens anzusprechen. Auch werde ich kein Klagelied über die Macht der Banken in der Insolvenz anstimmen - das haben j a andere schon getan 4 - und auch nicht über die viel zu geringen gesetzlichen Kostenbeiträge jammern. 5 Ich möchte vielmehr einige Aussagen machen zu Problemen, die sich in der Anfangsphase - und viel darüber hinaus sind wir j a bislang noch nicht gekommen - eines Verfahrens stellen und konzentriere mich dabei auf zwei verwalterspezifische Schwerpunktthemen, reiche Ihnen also nach dem amuse-gueule ein Menü mit zwei Hauptgängen. Es folgt abschließend ein dritter Gang, der jedoch nouvelle cuisine-artig nur als ein zarter Hauch ausfällt. Auf das Dessert müssen Sie aus Zeitgründen, jedoch ganz im Sinne kalorienbewußter business-luncher, verzichten.

II. E r ö f f n u n g s v e r f a h r e n Der erste „Hauptgang" - hier gibt es inzwischen sicherlich die meisten Erfahrungen - ist das Eröffnungsverfahren und die Position des vorläufigen Verwalters: Es sei in Erinnerung gerufen, daß die Väter der InsO eine möglichst rasche Verfahrenseröffhung anstrebten. Die Verfahrenskostendeckung, d.h. die Deckung der Gerichtskosten und der Verwaltervergütung nebst Auslagen

Erfurt Köln Wuppertal Magdeburg Essen Gera Schwerin Potsdam Münster Meiningen 4 5

83 94 81 45 75 79 60 75

(128) (127) (123) (122) (116) (115) (115) (115)

108

73 (103)

Grub, DZWiR 1999, 133. Grub, a.a.O. (Fn. 4), S. 135 f.; Zimmermann, NZi 1999, 57 ff.

(110)

52

Bruno M. Kübler

(§ 54 InsO), sollte zunächst nur bis zum Berichtstermin gesichert sein. 6 Dies hätte zweierlei bedeutet: Zum einen wären viele Verfahren zwar eröffnet worden, hätten kurzfristig aber wieder eingestellt werden müssen, 7 zum anderen wäre das „Liquiditätsbeschaffungsinstrument" der

Insolvenzgeldvorfinanzierung

angesichts

der

Kürze des Eröffnungsverfahrens obsolet geworden. Die Praxis hat daher darauf gedrängt, im Gesetz zu regeln, daß das Gericht den vorläufigen Verwalter nicht nur mit der Prüfung des Eröffnungsgrundes und der Verfahrenskostendeckung, sondern zusätzlich auch damit beauftragen kann, zu prüfen, welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen. 8 Auf diese Weise sollte - unausgesprochen - eine Streckung des Eröffnungsverfahrens erfolgen können,

um

auch

im neuen

Recht

die

Insolvenzgeldvorfinanzierung f ü r längstens drei Monate zu ermöglichen. Der Rechtsausschuß des Bundestages ist diesen Überlegungen

im

Ergebnis

gefolgt und hat es durch die Einfügung des jetzigen § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO dem richterlichen Ermessen überlassen, die Prüfung der Fortflihrungsaussichten in den Auftrag an den vorläufigen Verwalter einzubeziehen. Den vorläufigen Verwalter gibt es bekanntlich in zwei Ausprägungen: als „schwachen" oder als „starken" Verwalter. (Bei manchen Gerichten wird auch neudeutsch-salopp vom Verwalter „light" als Kennzeichnung des Verwalters ohne Verfügungsmacht gesprochen; das Pendant ist dann der „fullpower-Verwalter". Ich bleibe aber bei den gesetzteren Begriffen „schwach" und „stark".) Der Gesetzgeber favorisierte zweifelsohne den „starken" vorläufigen Verwalter, der mit umfassender Verwaltungs- und Verfiigungsbefugnis ausgestattet sein und auch die Möglichkeit der Begründung von Masseverbindlichkeiten haben sollte. Nach der jetzigen Regelung des § 55 Abs. 2 InsO gelten aber nicht nur die vom „starken" vorläufigen Verwalter

6 7

8

Vgl. § 30 Abs. 1 RegE, abgedruckt bei Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, RWS-Dokumentation 18, S. 190. Diese Situation droht allerdings auch bei der jetzigen Gesetzeslage, nach der zwar die gesamten Verfahrenskosten gedeckt sein müssen, nicht jedoch die Masseverbindlichkeiten, die der Verwalter zur Durchführung des Verfahrens eingehen muß, vgl. hierzu Kübler, Die Behandlung massearmer Insolvenzverfahren nach neuem Recht, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. (im Druck), s.a. Rattunde/Röder, DZWiR 1999, 309 ff.; Wienberg/Voigt, ZIP 1999, 1662 f. Vgl. Gravenbrucher Kreis, ZIP 1992, 657, 658 sowie § 106a Abs. 1 Nr. 3 des Alternativentwurfs (AE) des Gravenbrucher Kreises, ZIP 1993, 625, 628.

Die neue Insolvenzordnung

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originär begründeten Verbindlichkeiten, sondern auch die im Eröffnungsverfahren oktroyierten Verbindlichkeiten aus weiterlaufenden Dauerschuldverhältnissen, soweit die Gegenleistung in Anspruch genommen wird, als Masseverbindlichkeiten. Dies war für die bis zu 6 Monate rückständigen Arbeitnehmeransprüche schon nach bisherigem Recht der Fall (§§ 59 Abs. 1 Nr. 3 KO, 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO). Allerdings wurden die auf die Bundesanstalt für Arbeit durch die Zahlung von Konkursausfallgeld übergeleiteten Arbeitnehmeransprüche in bevorrechtigte Forderungen zurückgestuft, beeinträchtigten also nicht die Liquidität des Verfahrens (§§ 59 Abs. 2 KO, 13 Abs. 2 GesO). Diese Rückstufung ist nach neuem Recht - bewußt oder unbewußt, das sei dahingestellt - unterblieben. Folglich ist die Bundesanstalt nunmehr im eröffneten Verfahren, in dem zuvor ein „starker" vorläufiger Verwalter tätig war, Massegläubiger. Sie muß bei Massearmut mit dem Ausfall ihrer Forderungen rechnen, da Altmasseverbindlichkeiten nur im dritten Range des § 209 InsO befriedigt werden. Unbefriedigte Massegläubiger werden nun aber - im Gegensatz zu früher - vom Gesetz nachdrücklich ermuntert, für den Ausfall den Verwalter in Anspruch zu nehmen. So begründet § 61 InsO eine Haftung des Verwalters für von diesem begründete unerfüllte Masseverbindlichkeiten. Über § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO gilt die Vorschrift auch für den vorläufigen Verwalter. Daneben greift die allgemeine Haftung für schuldhafte Pflichtverletzungen gegenüber allen Beteiligten ein (§ 60 InsO). Ob § 61 InsO auf den „starken" vorläufigen Verwalter wirklich anwendbar ist, ist allerdings umstritten. Zum einen ist fraglich, ob die Lohnund Gehaltsansprüche der weiterbeschäftigten Mitarbeiter als oktroyierte Masseverbindlichkeiten vom (starken) vorläufigen Verwalter im Sinne der Vorschrift überhaupt „begründet" werden. 9 Darüber hinaus hat jüngst Kirchhof, Angehöriger des BGH-Insolvenzsenats, die Auffassung vertreten, § 61 InsO greife nur ein, wenn der „starke" vorläufige Verwalter hätte erkennen müssen, daß das Unternehmen erhebliche Verluste „fährt" und dennoch davon abgesehen hat, einen Stillegungsantrag zu stellen. 1 0

9 10

Verneinend Peters, ZIP 1999, 421, 424: im Ergebnis ebenso Uhlenbruck, KTS 1994, 172, 181; Feuerborn, KTS 1997, 171; Braun/Wierzioch, DB 1998, 2217, 2219 f. Vortrag auf der Frühjahrstagung des Arbeitskreises für Insolvenzrecht beim Deutschen Anwaltverein (DAV) am 4.6.1999 in München; vgl. auch ZInsO 1999, 365,367.

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Bruno M. Kübler

Das Damoklesschwert der persönlichen Verwalterhaftung für Masseverbindlichkeiten ist sicherlich ein Grund, weshalb in der Praxis nach meiner Einschätzung der „starke" vorläufige Verwalter bislang nur wenig anzutreffen ist. 11 Die Gerichte haben für ihre Entscheidung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entdeckt und in der Anfangsphase mitunter - v o r allem in kleineren Verfahren - zunächst einen „reinen" Gutachtenauftrag erteilt und den Gutachter nur auf seinen ausdrücklichen Wunsch zum vorläufigen Verwalter bestellt. Jedenfalls ist nach meiner Kenntnis die automatische Bestellung eines „starken" vorläufigen Verwalters, wenn der in Aussicht genommene nicht ausdrücklich darauf drängt, die Ausnahme. 12 Dagegen dürfte die Bestellung als Gutachter und „schwacher" vorläufiger Verwalter, d.h. ohne umfassende Verfügungsbefugnis, jedoch unter Bindung des Schuldners an einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt inzwischen die Regel sein. 13 Insoweit ist umstritten, ob in der Anordnung des allgemeinen Zustimmungsvorbehalts gegenüber dem Schuldner eine Umgehung des § 55 Abs. 2 InsO - mit der Konsequenz der „Nichts-desto-trotz-Begründung" von Masseverbindlichkeiten - zu sehen ist, wie dies Bork angenommen hat. 14 Die Auffassung von Bork dürfte sich allerdings mit dem Gesetz nur schwer begründen lassen, da § 55 Abs. 2 InsO zum einen ausdrücklich auf die „übergegangene" Verfügungsbefugnis abstellt, was m. E. für einen förmlichen Akt, d.h. für die Notwendigkeit eines ausdrücklichen gerichtlichen Beschlusses spricht, und zum anderen weil § 22 Abs. 2 Satz 2 InsO die Pflichten des „schwachen" vorläufigen Verwalters ausdrücklich so definiert, daß sie nicht über die Pflichten des „starken" vorläufigen Verwalters hinausgehen dürfen, im Umkehrschluß also unterhalb - wenn auch nur marginal des umfassenden Pflichtenkreises des „starken" vorläufigen Verwalters liegen können. 15 Unabhängig von der Haftungsgefahr für den „starken" vorläufigen Verwalter werden nach meiner Einschätzung auch renommierte und nach ihrer

11 Vgl. auch Bork/Klaas, ZinsO 1999, 485 f. in Auswertung einer Praxisbefragung. 12 Vgl. Ritoff, ZinsO 1999,270, 272; Bork/Klaas, ZinsO 1999, 485 f.; s. auch Kirchhof, ZinsO 1999, 365. 13 Vgl. auch Kirchhof, ZinsO 1999, 365; Ritoff ZinsO 1999, 270, 272. 14 ZIP 1999, 781 ff.; ebenso im Ergebnis Ahrendt/Struck, ZinsO 1999, 450 ff. 15 Gegen die Auffassung von Bork auch Förster, ZinsO 1999, 332, 333; Jaffel/ Heilert, ZIP 1999, 1204 ff.; Kirchhof, ZinsO 1999, 365, 368.

Die neue Insolvenzordnung

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Kapazität durchaus „starke" Verwalterpersönlichkeiten bei Gericht nur in Ausnahmefallen - z.B. wenn der Schuldner renitent oder flüchtig ist oder die Geschäftsführung in U-Haft sitzt o.ä. - ihre Einsetzung als „starker" vorläufiger Verwalter im Sinne des Gesetzes vorschlagen. Der Grund hierfür liegt in der Liquiditätseinengung, die durch § 55 Abs. 2 InsO und die Begründung von Masseansprüchen der Bundesanstalt für Arbeit entsteht. Gerade in der Anfangsphase des eröffneten Verfahrens ist es mißlich, fällige Masseverbindlichkeiten befriedigen zu müssen. Davon ist hier aber auszugehen, da das 6-monatige Vollstreckungsverbot für Masseverbindlichkeiten gem. § 90 Abs. 1 InsO nicht für Masseansprüche weiterbeschäftigter Arbeitnehmer gilt (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Nach dem Wortlaut greifen die Ausnahmeregelungen - d.h. greift die sofortige Vollstreckungsmöglichkeit - nur für Masseverbindlichkeiten ein, die nach Verfahrenseröffnung entstehen. Ein Blick in die schon reichhaltig sprießende Kommentarliteratur belegt jedoch, daß sich eine herrschende Meinung zugunsten der analogen Anwendung der Vorschrift auch auf solche Masseverbindlichkeiten entwickelt, die vom „starken" vorläufigen Verwalter begründet werden. 1 6 Schließlich ist ein weiterer Grund auszumachen, warum die Gerichte von der Bestellung des „starken" vorläufigen Verwalters durchweg absehen. Nur für diesen besteht eine Pflicht zur Unternehmensfortführung (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO), was zugleich die Pflicht beinhaltet, im Bedarfsfalle an das Insolvenzgericht heranzutreten und um Zustimmung zur Stillegung zu ersuchen. Dieser mögliche Entscheidungszwang, der zur eigenen Haftung des Insolvenzrichters führen kann, ist - wie aus Richterkreisen zu hören ist - ein weiterer Grund dafür, warum die Gerichte - neben ihrer „fürsorglichen" Einstellung zugunsten der von Haftung bedrohten Verwalter - davon absehen, den vorläufigen Verwalter von vornherein als „starken" zu etablieren. Will der Gesetzgeber sein Ziel, daß im Eröffnungsverfahren bereits ein „starker" vorläufiger Verwalter tätig wird, realisiert sehen, ist in jedem Falle die Begründung von Masseansprüchen zugunsten der Bundesanstalt für Arbeit aus dem Zeitraum vor Verfahrenseröffnung zu beseitigen. 1 7 Andern16 17

Kübler/Prätting/Läke, InsO, § 90 Rz. 10. Vgl. auch Bork/Klaas, ZInsO 1999, 485, 486 zu den Ergebnissen einer Praxisbefragung; dagegen Henckel in einem Vortrag auf dem Kölner Insolvenzrechtskongreß 1999 des Arbeitskreises für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e.V. am 30.10.1999, demnächst nachzulesen im Anfang 2000 erscheinenden Kongreßband (RWS-Verlag Köln).

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falls - das zeichnet sich nach fast sechs Monaten Erfahrung mit der InsO ab - wird die Praxis weiterhin zur Vermeidung von Masseansprüchen der Bundesanstalt fur Arbeit den „schwachen" vorläufigen Verwalter favorisieren.

III. Insolvenzgeldvorfinanzierung Der zweite „Hauptgang", den ich servieren möchte - thematisch gehört er an sich zum ersten, wegen seiner Bedeutung möchte ich ihm jedoch den Charakter eines eigenständigen „Gerichts" geben - ist die Insolvenzgeldvorfinanzierung. Bekanntlich war die Vorfinanzierung des Konkursausfallgeldes im alten Recht in den letzten Jahren wieder zu einem wichtigen Instrument der Anschubfinanzierung geworden, nachdem das Bundessozialgericht in den 90er Jahren der Verwendung des sog. Kaufmodells den haut goût des Mißbrauchs genommen und die Gefahr der Unwirksamkeit der Übertragung der Arbeitsentgeltansprüche gebannt hatte. 18 Wichtige negative Einschränkung war lediglich, daß die bisherige Hausbank des Gemeinschuldners nicht als Financier fungieren durfte. Auch hatte sich bei den meisten Banken herumgesprochen, daß die Zustimmung des Arbeitsamtes zur Vorfinanzierung, die vielfach gerade in kleineren Fällen Zeit benötigt, nicht erforderlich war. Das frühere Konkursausfallgeld ist nunmehr durch das Insolvenzgeld abgelöst worden. Nach § 183 SGB III deckt das Insolvenzgeld nach wie vor die für den Zeitraum von längstens drei Monaten vor dem Insolvenzereignis rückständigen Netto-Arbeitsentgeltansprüche ab. Der Arbeitnehmer ist gemäß § 188 Abs. 1 SGB III befugt, Arbeitsentgeltansprüche, die den Insolvenzgeldzeitraum betreffen, einem Dritten zu übertragen, dem dann nach Eintritt des Insolvenzereignisses der Insolvenzgeldanspruch zusteht. Damit ist vom Grundsatz her die Insolvenzgeldvorfmanzierung gesetzlich gesichert. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist auch der Ausschluß der Hausbank als Vorfinanzierer entfallen. 19 Eine wichtige Einschränkung

18 19

BSG ZIP 1992, 9 4 1 , 9 4 3 f. Vgl. hierzu die Durchfuhrungsanweisungen („DA") der Bundesanstalt für Arbeit zum Insolvenzgeld = DA Nr. 1 zu § 188 SGB III, abgedruckt bei Kübler/Prutting, InsO, Bd I, Gesetzestexte, im Anschluß an SGB III. Dort heißt es: „Die Neuregelung schließt Gläubiger des Arbeitgebers oder an dessen

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enthält jedoch § 188 Abs. 4 SGB III, wonach der Arbeitsentgeltanspruch nicht auf den finanzierenden Dritten übergeht, wenn dieser Anspruch ihm vor dem Insolvenzereignis ohne Zustimmung des Arbeitsamts zur Vorfinanzierung übertragen oder verpfändet worden ist. Die Zustimmung des Arbeitsamtes darf nur erteilt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß durch die Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze erhalten bleibt. Diese Einschränkung beschreibt Susanne Peters-Lange wie folgt: „Die künftige Praxis wird erst noch erweisen, ob die Vorfinanzierung damit faktisch obsolet geworden ist. Eine schnelle und unbürokratische Möglichkeit, im Vorgriff auf das zu erwartende Ausfallgeld die Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer zu befriedigen und damit ihren Lebensunterhalt zu sichern, ist sicherlich beseitigt ...".20 Diese Gefahr hatte auch die Bundesanstalt für Arbeit erkannt und - um die Insolvenzgeldvorfinanzierung durch Kreditinstitute entbehrlich zu machen - in den ersten Monaten nach Inkrafttreten der InsO die Möglichkeit der vorläufigen Entscheidung über Insolvenzgeld schon vor Eintritt des Insolvenzereignisses eingeräumt.21 Diese Möglichkeit ergab sich aus DA Nr. 7 Abs. 5 zu § 186 SGB III.22 Diese Finanzierungsquelle ist seit kurzem definitiv versiegt, da das Bundesministerium für Arbeit der Bundesanstalt vorläufige Entscheidungen vor Eintritt des Insolvenzereignisses generell untersagt hat. 23

20 21 22 23

Unternehmen Beteiligte von einer Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte nicht mehr aus" (S. 76). ZIP 1999,421,423. Ablehnend SG Aachen ZIP 1999, 1397; kritisch zu dieser Entscheidung Kranemann, EWiR 1999, 809 f. Abgedruckt bei Kübler/Prütting (vgl. Fn. 19) a.a.O., S. 56 f. Einzelerlaß der Bundesanstalt für Arbeit an die Arbeitsämter vom 18.5.1999 Az. 71186 - , mit dem die Anwendung der DA 7 Abs. 5 zu § 186 SGB III ausgesetzt wurde. Der Erlaß und die vorzitierte Entscheidung des SG Aachen (Fn. 19) haben in der Praxis augenscheinlich zu Irritationen und der unzutreffenden Befürchtung gefuhrt, damit sei für die Insolvenzgeld-Vorfinanzierung zukünftig kein Raum mehr. Unter Berufung auf diese Stimmen titelte die FAZ am 10.8.1999: „Insolvenzgeld nicht im Voraus zu gewähren" (S. 15) und führte aus, daß die verbleibende Möglichkeit der Vorfinanzierung mit Zustimmung des Arbeitsamtes wenig praktikabel sei. Dies trifft jedoch, wie sogleich zu zeigen ist, nicht zu.

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Auch die Gewährung von Vorschüssen auf Insolvenzgeld ist als Finanzierungsinstrument nicht brauchbar, da dies nach § 186 SGB III zwingend die bereits erfolgte Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Es bleibt der Praxis jedoch weiter - und mehr denn je - die Möglichkeit der Vorfinanzierung durch Banken. Ich möchte hier den Versuch unternehmen, die bei manchen Bankjuristen nach wie vor bestehende Abwehrhaltung 24 gegenüber der Vorfinanzierung abzubauen - dies um so mehr, als die Firmenkundenabteilungen den Reiz dieses an sich problemlosen Finanzierungsgeschäfts längst entdeckt haben und die Bereitschaft zur Insolvenzgeld-Vorfinanzierung bereits als Marketinginstrument einsetzen. Das jetzt geregelte Erfordernis der Zustimmung des Arbeitsamtes gibt den finanzierenden Kreditinstituten die Gewißheit - die Einhaltung der übrigen Voraussetzungen, wie die NichtÜberschreitung des 3-Monats-Zeitraums etc. vorausgesetzt - , daß nach vorheriger Erteilung der Zustimmung des Arbeitsamtes die Finanzierung mit einer Art staatlicher Garantie abgesichert ist. Das Problem dürfte in der Praxis allein der Verwalter haben, dem erfahrungsgemäß die Aufgabe zukommt, für das Finanzierungsinstitut die Zustimmung des Arbeitsamtes zu besorgen. Dies gilt vor allem in den Fällen, in denen - wie meistens - ein Sanierungskonzept bei Einleitung des Verfahrens noch nicht vorliegt oder wenn eine Sanierung und ein Arbeitsplatzerhalt auf Dauer ausgeschlossen erscheinen. So müßte nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Insolvenzgeld-Vorfinanzierung zugunsten der Mitarbeiter des Rechnungswesens eines bereits stillgelegten Betriebes ebenso ausgeschlossen sein wie die Finanzierung der reinen „Ausproduktion", wenn die Sanierungsprognose negativ ausgefallen ist. Vielfach wird der Verwalter aber bei seiner Bestellung noch nicht absehen können, ob das Unternehmen eine Sanierungschance hat oder lediglich eine Ausproduktion in Frage kommt. Dazu folgendes praxisnahe und - der zeitlichen Konstellation nach - häufig anzutreffende Beispiel, das mir soeben erst wieder bei einem mittelständischen Produktionsbetrieb begegnet ist. 25 Das Unternehmen stellte am 15. Juni Insolvenzantrag, da die gewerblichen Löhne für den Monat Mai 1999, die am 10. Juni fällig geworden waren - die Gehälter waren bereits per Ende Mai fallig gewesen - nicht mehr bezahlt werden konnten. Aufgrund der Fälligkeit der Lohnansprüche, für die 24 25

Der erwähnte FAZ-Artikel (Fn. 23) hat diese möglicherweise wieder verstärkt. Siehe hierzu das Schaubild in der Anlage.

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keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung standen, war die Zahlungsunfähigkeit offenkundig und der Gang zum Insolvenzrichter unausweichlich geworden. Halbfertige und noch unbearbeitete Aufträge waren reichlich vorhanden; eine dauerhafte Perspektive des Unternehmens war jedoch fraglich. Irgendwelche betriebswirtschaftlichen Plandaten waren nicht erarbeitet worden. In einer solchen Situation besteht die Gefahr, daß die Mitarbeiter die Arbeit sofort einstellen, wenn nicht umgehend eine Finanzierung der rückständigen Löhne und Gehälter erfolgen kann. Guter Zuspruch bei leeren Taschen hilft - jedenfalls bei größeren Betrieben - nicht weiter. Folglich ist der vorläufige Verwalter dringend auf die Insolvenzgeld-Vorfinanzierung angewiesen, wobei sich im vorliegenden Falle die Finanzierung für den Zeitraum Mai, Juni und Juli anbot. Müßte der vorläufige - wohlgemerkt: „schwache" Verwalter - nunmehr erst ein Sanierungskonzept erarbeiten grundsätzlich wird ein solches in den Durchführungsanweisungen gefordert - würden mindestens j e nach Betriebsgröße weitere 2 - 3 Wochen vergehen, bis ein Grobkonzept erstellt ist. In dieser Situation kommt dem vorläufigen Verwalter eine versteckte Regelung in den Durchfuhrungsanweisungen der Bundesanstalt zu § 188 SGB III, zu Hilfe. So ist in DA 4.2 Abs. 14 zu § 188 SGB III ausgeführt: „Benötigt der vorläufige Insolvenzverwalter zunächst noch Zeit, um den dauerhaften Arbeitsplatzerhalt beurteilen zu können, bestehen in der Regel keine Bedenken, wenn die Zustimmung zur Vorfinanzierung für diejenigen Arbeitsentgeltansprüche erteilt wird, die bereits vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters entstanden sind; dies ist solange gerechtfertigt, wie keine erhebliche Verminderung des Schuldnervermögens während der vorläufigen Insolvenzverwaltung droht (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO) und davon auszugehen ist, daß ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze zumindest während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erhalten bleibt. Von einem solchen (eingeschränkten) Arbeitsplatzerhalt kann generell ausgegangen werden, wenn die Arbeitsverhältnisse der entsprechenden Arbeitnehmer noch nicht gekündigt sind ...*'.26 Damit ist für den vorläufigen Verwalter die Grundlage gegeben, unmittelbar nach seiner Bestellung beim Arbeitsamt im Auftrag des vorfinanzierungswilligen Kreditinstituts vorstellig zu werden und die Zustimmung zur Finanzierung der im insolvenzgeldrechtlichen Sinne bereits entstandenen Arbeits-

26

Abgedruckt bei Kübler/Prütting, a.a.O. (Fn. 19), S. 82 f.

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entgeltansprüche sozusagen taggleich einzuholen. 27 Die Erfahrung mit mehreren Arbeitsämtern in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hat gezeigt, daß die zitierte Passage der Durchfuhrungsanweisung nicht lediglich ein Strohhalm ist, sondern eine sichere Grundlage für den umgehenden Erhalt der Zustimmungserklärung darstellt. So konnte im Beispielsfalle den Mitarbeitern der Scheck für die rückständigen MaiBezüge - rechtlich: für den Erwerb des Netto-Arbeitsentgeltanspruchs bereits wenige Tage nach meiner Einsetzung als vorläufiger Insolvenzverwalter ausgehändigt werden. Als vorläufiger Verwalter bin ich nunmehr in der Lage, jedenfalls bis Ende Juli, also noch etwa einen vollen Monat, die Sanierungsaussichten ausreichend zu prüfen und die Lohnkosten für diesen Zeitraum - liquiditätsmäßig - vernachlässigen zu können. Spätestens nach dem 10. Juli 1999 ist dann aber wiederum ein Zeitpunkt gekommen, an dem die Arbeitnehmer dringend auf ihre weiteren rückständigen Löhne - hier für den Monat Juni - angewiesen sind. Es bieten sich dann für die 2. Phase der Finanzierung zwei Möglichkeiten des Ausgleichs dieser offenen Ansprüche: Zum einen 28 kann - ohne daß ein Sanierungskonzept vorgelegt werden muß - unter Berufung auf die Durchführungsanweisungen die Zustimmung zur Finanzierung der Bezüge fiir die 1. Junihälfte eingeholt und können diese sodann im bewährten Sinne vorfinanziert werden. Ist das Sanierungskonzept dann bereits erstellt, kann zum anderen die Zustimmung zur Finanzierung des gesamten Monats Juni eingeholt werden. 29 In einer 3. Phase kann sodann unmittelbar nach der in Aussicht genommenen Eröffnung des Verfahrens, also Anfang August 1999 die bankenseitige Vorfinanierung des weiteren Insolvenzgeldes, also zunächst für die zweite Hälfte Juni erfolgen. 30 In diesem Falle ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 188 Abs. 4 SGB III eine Zustimmung des Arbeitsamtes nicht (mehr) erforderlich, da das Gesetz die Zustimmung nur fiir Arbeitsentgeltübertragungen vor dem Insolvenzereignis fordert. Auch ein Sanierungskonzept braucht nicht mehr vorgelegt zu werden.

27 28 29 30

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

zum Vorstehenden auch Kranemann, EwiR 1999, 809 f. 2.1 des Schaubildes Anlage 1. 2.2 des Schaubildes Anlage 1. 3.1 des Schaubildes Anlage 1.

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Will der Verwalter den Mitarbeitern besonders entgegenkommen, kann er zu diesem Zeitpunkt den Monatslohn Juli 1999, obwohl hierauf noch gar kein Anspruch besteht, bereits mitfinanzieren lassen. 31 Im Normalfalle würde der Monat Juli jedoch erst etwa zum 10.08.99 („4. Phase") vorfinanziert. Weiterhin besteht nach Eintritt des Insolvenzereignisses, also ab August 1999, die Möglichkeit, nunmehr eine vorläufige Entscheidung des Arbeitsamtes nach § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III herbeizufuhren, also eine Zahlung, bei der die Zwischenschaltung eines Kreditinstitutes entbehrlich ist. 32 Da nach meiner Erfahrung die Vorfinanzierung mit Kreditinstituten, die auf diese Finanzierungsart eingerichtet sind, äußerst zügig und problemlos erfolgt, die Bürokratie der Arbeitsverwaltung jedoch regelmäßig mehr Zeit benötigt, empfiehlt es sich in den meisten Fällen, die Hausbank oder ein anderes Kreditinstitut, mit dem der Verwalter Finanzierungen dieser Art praktiziert, einzuschalten. Im Ergebnis zeigt sich also, daß die Insolvenzgeldvorfinanzierung trotz der vermeintlich großen Hürden in den meisten Fällen problemlos durchführbar ist. 33 Schwierigkeiten tauchen nur auf, wenn der Schuldner alle rückständigen Arbeitsentgeltansprüche bezahlt hat und unmittelbar nach der letzten Lohn- und Gehaltszahlung Insolvenzantrag stellt. Hier ist der Verwalter darauf angewiesen, innerhalb der Fälligkeit bis zur nächsten Lohnzahlung ein Sanierungskonzept zu präsentieren und die Zustimmung des Arbeitsamtes herbeizufuhren. Wenn in solchen Konstellationen die Zustimmung des Arbeitsamts auf Schwierigkeiten stößt, weil z.B. die rechtzeitige Vorlage eines Sanierungskonzepts nicht möglich ist, bleibt als Notlösung, die sich in der Praxis aber auch häufig als hilfreich erwiesen hat, die individuelle Insolvenzgeldfinanzierung, indem die Mitarbeiter zu ihrer eigenen Bank, bei der sie ein Konto unterhalten, gehen, und sich bei dieser Bank das Insolvenzgeld vorfinanzieren lassen. Hierzu besagen die Durchfiihrungsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit ausdrücklich, daß der Arbeitnehmerschutz im Falle einer individuellen Vorfinanzierung grundsätzlich unberührt bleibt, insoweit also eine Zustimmung des Arbeitsamtes nicht erforderlich ist. 34

31 32 33 34

Vgl. 3.2 und 3.3 des Schaubildes Anlage 1. Ebenso Kranemann, EWiR 1999, 809, 810. In diesem Sinne auch Kranemann, EWiR 1999, 809 f. DA 4.1 Abs. 2 zu § 188 SGB III, abgedruckt bei Kübler/Prütting, (Fn. 19), S. 78.

a.a.O.

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Bruno M. Kübler

Dies waren nach meiner Einschätzung die Hauptthemen, die den Praktiker in der Anfangsphase eines Verfahrens beschäftigen - und über dieses Stadium des Eröffnungsverfahrens gehen die meisten Erfahrungen bislang nicht hinaus.

IV. I n s o l v e n z p l a n Ich darf Ihnen nunmehr noch den letzten Gang des Menüs servieren, der, wie erwähnt, angesichts der zur Verfügung bleibenden Zeit „nouvelle cuisine"artig schmal ausfällt. So möchte ich mich kurz mit dem Institut des Insolvenzplans und einem ersten bereits durchgeführten, aber gescheiterten Planverfahren befassen. Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, daß das Insolvenzplanverfahren die Erwartungen des Gesetzgebers bislang nicht erfüllt. Deutschlands „Planprotagonist" Nr. 1, der sehr geschätzte Kollege Dr. Eberhard Braun, hat eine eigene Erhebung durchgeführt, die er kürzlich in einer Vortragsveranstaltung unter dem Motto „Erste Erfahrungen mit der InsO" präsentiert hat. Hiernach hat eine Umfrage bei sämtlichen InsOGerichten - Rücklaufquote zunächst knapp über 50%, mit anschließendem telefonischen Nachfassen Beantwortungsquote 88,89% - folgendes ergeben: Bei den 160 Gerichten, die diese 88,89% ausmachen, sind im ersten Quartal 1999 nur 31 Insolvenzverfahren mit einem Plan anhängig geworden. Aufs Jahr gerechnet würden sich 124 Verfahren ergeben, bei Hochrechnung der 88,9% auf 100% ergäbe dies 140 Verfahren jährlich. Wäre im laufenden Jahr 1999 mit einer gleichen Anzahl eröffneter Unternehmensinsolvenzen wie 1998 zu rechnen, nämlich 7.840, ergäbe sich eine „Planquote" von 1,79%. Braun macht nun eine euphemistische Rechnung auf und prognostiziert, daß angesichts der Skepsis, die viele Verwalter dem Plan entgegenbringen, erst ein Lernprozeß einsetzen müsse. In den restlichen Quartalen des Jahres werde die Zahl weiter ansteigen. Letztlich würde in etwa 3% aller Unternehmensinsolvenzen ein Planverfahren durchgeführt. Soviel zur Statistik oder vielmehr zu den Prognosen. Ich möchte noch kurz berichten von dem erwähnten ersten Planverfahren, das in einem meiner Verfahren von Schuldnerseite betrieben wurde. Der Fall wurde, wie einige vielleicht registriert haben, im Handelsblatt unter der Überschrift: „Erstes Insolvenzplanverfahren nach neuem Recht ist geschei-

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tert" dargestellt. 3 5 Der Plan wurde im Ergebnis abgelehnt, und zwar von der Mehrheit der gebildeten Gruppen. Ich habe das seinerzeitige Pressegespräch zum Anlaß genommen, um aus meiner Sicht vor einer falschen Plan-Euphorie zu warnen. Der Kollege Dr. Braun hat dazu in einem Papier für die kürzliche NZI-Tagung ausgeführt: „Nimmt man den durch die Presse gegangenen ersten sächsischen Fall eines Insolvenzplanverfahrens, daß ein bemühter Schuldner und ein objektiv konstruktiv aufgeschlossenes Gericht auf eine zögernde Gläubigerschaft und einen entschlossenen Verwalter gestoßen sind die „Erfolgsmeldung", daß das Planverfahren gescheitert ist, weil es entsprechend eigener Vorbefindlichkeit ungeeignet ist, zeigt dies überdeutlich - fragt man sich, warum nicht die Bemühungen um die Realisierung im Vordergrund standen. Tatsächlich wird im Sinne einer „self-fulfilling-prophecy" das Scheitern als Bestätigung (Erfolg) eigener Skepsis gefeiert." Ich habe den Kollegen Dr. Braun - wir pflegen miteinander ein freundschaftliches Verhältnis - inzwischen davon überzeugt, daß er sich eine andere Leitfigur für Attacken gegen „Anti-Insolvenzplan-Fundamentalisten" suchen muß, denn ich unterliege mitnichten einer Plan-Phobie. Mein Anliegen ist es, darauf hinzuweisen, daß es nicht hilfreich ist, in der Öffentlichkeit so zu tun, als ob durch den Insolvenzplan mehr Unternehmen gerettet werden könnten als ohne ihn. Die im Anschluß an das Handelsblatt in einer sächsischen Zeitung von interessierter Seite lancierte Artikel mit der Überschrift „Hoffnung statt Zerschlagung: Jede dritte Firma könnte gerettet werden" ist ein Beispiel für eine, wie ich meine, unheilvolle Plan-Propaganda. 3 6 Abschließend möchte ich noch kurz einige Erkenntnisse übermitteln, warum dieses bundesweit erste Planverfahren gescheitert ist und als solches auch ungeeignet war: Prima vista machten der eingereichte Plan und die Vorgehensweise der Schuldnerfirma einen professionellen Eindruck. So wurden nämlich bereits mit Antragstellung mehrere hundert Seiten „Papier" vorgelegt. Es war ein sog. prepackaged plan, der von Wirtschaftsprüfer- und Unternehmensberaterseite akkurat und detailliert vorbereitet worden war. Der Antrag wurde wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt. Zugleich wurde Eigenver-

35 36

Handelsblatt vom 27.5.1999, S. 27. Sächsische Zeitung vom 17.6.1999, S. 22.

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Bruno M. Kübler

waltung beantragt - insoweit die Vorlage eines Schuldnerplans wie aus dem Bilderbuch. Das Gericht war beeindruckt und setzte mich zunächst nur als Gutachter ein. Der Schuldner gab bereitwillig Auskunft. Ich konnte alle Geschäftsunterlagen einsehen. Es zeigte sich sehr schnell, daß die Plandaten unrealistisch waren. Es handelte sich um ein Sägewerk, das mit einem Markt zu tun hat, auf dem sich viele Wettbewerber „tummeln". Die zugrunde gelegte mehrjährige Erfolgsplanung sah kontinuierlich steigende Umsätze vor - also ein reines Wunschdenken und eine klare Fehlprognose. Die Finanzplanung basierte darauf, daß dem Unternehmen „fresh money" in Höhe von rd. DM 1 Mio zugeführt werden mußte. Eine Bankfinanzierung für diese neuen Kreditmittel lag jedoch nicht vor und wurde auch nicht konkret als aussichtsreich belegt. Schließlich ergab sich, daß der Geschäftsfuhrende Gesellschafter dieses Familienbetriebes, der selbst weiter tätig sein sollte, keinen Rückhalt in der Belegschaft hatte und sowohl auf der Lieferanten- als auch auf der Kundenseite als unqualifiziert angesehen wurde. Letzteres traf, wie sich dann bald herausstellte, in vollem Umfange zu. Angesichts einer solchen Konstellation konnte kein auch noch so planbegeistert eingestellter Verwalter das Vorhaben weiter fördern. Wie früher bei einem Vergleich macht auch ein unternehmenserhaltender Plan nur Sinn, wenn das Unternehmen geeignete Führungspersönlichkeiten hat, denen man ein erfolgreiches Management zutrauen kann. Im Rahmen des Eröffnungsverfahrens konnte der Schuldner weiter der Geschäftsführung nachgehen. Er war jedoch so klug, mich umfassend unterrichtet zu halten und wichtige Maßnahmen mit mir abzustimmen. Problematisch ist in einer solchen Phase auch die Finanzierung des Verfahrens, da erfahrungsgemäß regelmäßig keine Mittel mehr zur Verfügung stehen und auch nicht ad hoc erschlossen werden können. Hier habe ich vermittelnd die Insolvenzgeldvorfinanzierung sichergestellt, so daß lediglich noch die Sachkosten aufzubringen waren, wofür noch knapp ausreichende Mittel zur Verfugung standen. Ich habe dann für eine rasche Entscheidung des Gerichts durch zügige Ablieferung meines Gutachtens Sorge getragen. Dem Gericht habe ich angesichts der Erkenntnisse über den Unternehmer von der Anordnung der Eigenverwaltung abgeraten. Das Gericht ist meinem Rat gefolgt und hat mich zum Insolvenzverwalter bestellt. Man mag darüber streiten, ob es sinnvoll ist, den Gutachter oder ggf. vorläufigen Verwalter zu befragen, ob

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er im eröffneten Verfahren Insolvenzverwalter werden oder ob er nach Anordnung der Eigenverwaltung sich mit der Rolle des Sachwalters begnügen möchte. Eine gewisse Befangenheit kann hier nicht geleugnet werden. Dem Verwalter wäre daher geholfen, wenn die Gerichte diese Frage nicht in den Gutachtenauftrag einbeziehen würden. Ich denke, daß ein Gericht sich durch die Lektüre des Gutachtens oder sonstige Ermittlungen und Befragungen ein ausreichendes Bild über die Qualifikation des Unternehmers und über seine Eignung für die Eigenverwaltung machen kann. Ein großes Problem bei der Durchführung eines Planverfahrens sind die Fristen. Ich habe mich im geschilderten Falle, um mir nicht den Vorwurf der Verzögerung und damit der Torpedierung des Plans zuzuziehen, bemüht, das Gericht zu extrem kurzen Fristen zu bewegen. Dies stößt aber auf erhebliche Schwierigkeiten. Zwar lassen sich Berichts- und Prüfungstermin gem. § 29 Abs. 2 InsO zusammenlegen. Darüber hinaus regelt § 236 Satz 2 InsO, daß der Erörterungs- und Abstimmungstermin mit dem Prüfungstermin verbunden werden kann. Zunächst muß jedoch der Prüfungstermin stattfinden. Zur Durchfuhrung des Prüfungstermins muß die geprüfte Insolvenztabelle innerhalb einer bestimmten Frist niedergelegt werden (§ 175 Satz 2 InsO). Was dies bei mehreren hundert Gläubigem, deren Forderungen bereits vorgeprüft sein müssen, bedeutet, ist leicht vorstellbar. Im vorliegenden Falle erfolgte die Gutachterbestellung am 02.02.1999, die Eröffnung am 05.03.1999; die zusammengelegten Termine fanden am 26.04.1999 statt. Insgesamt lagen also knapp 7 Wochen zwischen der Eröffnung des Verfahrens und der Abstimmung über den Plan. Ich denke, daß dies angesichts des nicht ganz „kleinen" Verfahrens schon ein fast guinessbuchreifer zeitlicher Ablauf war - zumal wenn man bedenkt, daß zwischen den Terminen auch noch der wesentliche Planinhalt den Gläubigern zugestellt werden mußte. Bei richtigen Großverfahren prophezeie ich eine Planverfahrensdauer von einem halben bis zu 1 Jahr. Von der mangelnden Eignung des Unternehmers abgesehen, krankte der hier vorlegte Plan auch daran, daß er eine zu differenzierte Gruppenbildung zuließ. Es wurden insgesamt zehn Gruppen gebildet. Entgegen § 245 Abs. 2 Nr. 2 InsO wurden die nachrangigen Gläubiger in den Plan mit einer Quote von 40% einbezogen, obwohl die übrigen Insolvenzgläubiger eine Quote von beträchtlich unter 100% erhalten sollten. Der Plan sah im übrigen eine volle Befriedigung der Kleingläubiger vor, was nach der Rechtslage ebenfalls problematisch erscheint. Ein Widerspruch der nach der Gesetzeslage gleich-

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rangigen Gläubiger wäre m. E. nicht durch das Okstruktionsverbot auszuhebein gewesen. 37 Schließlich sprach gegen den Plan, daß der Schuldner von einer Überwachung der Planerfüllung (§ 260 Abs. 1 InsO) abgesehen hatte. Eine wichtige Lehre habe ich - das darf ich abschließend feststellen - aus dem Ablauf des Verfahrens noch mitgenommen: Ein geschickter Schuldner, der sich glaubwürdig darstellt, hat große Chancen, seinen Plan „durchzubekommen", wenn den Gläubigern in diesem Plan Quoten geboten werden, die bei normaler Durchfuhrung des Verfahrens nicht realistisch erscheinen. Hier kann das Verfahren zur reinen Glaubenssache werden, der bessere Rethoriker - Schuldner oder Verwalter - setzt sich durch. Ist dies der Schuldner, können die Gläubiger geneigt sein, nach dem Motto: ...„laßt uns doch erst mal sehen, ob wir unsere Quote bekommen" dem Plan zuzustimmen. Die Gefahr besteht jedoch darin, daß in der Folgezeit das vorhandene Vermögen vom Schuldner weiter dezimiert wird - eine Gefahr, die sich beim Gläubigerverzicht auf die Überwachung der Planerfüllung unvermeidbar einstellt, sich aber selbst bei vereinbarter Kontrolle nur verringert, jedoch keineswegs völlig ausgeschlossen werden kann.

37

Vgl. auch FK-InsO/Jotfe, 1999, § 245 Rz. 65 f.

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67 Anlage

Insg-Vorfinanzierung (Beispiel) Insolvenzgeldzeitraum: |

05/99

j

06/99

|

07/99

15.06.99 Antrag Vorfinanzierung: 1. P h a s e ( 2 1 . 0 6 . 9 9 ) - B a n k mit Zustimmung Arbeitsamt (ohne Sanierungskonzept) I

05/99

I

2. Phase ( 1 2 . 0 7 . 9 9 ) - Bank mit Zustimmung Arbeitsamt 2.1 ohne Sanierungskonzept: 01.-14.06.99 2 . 2 mit Sanierungskonzept: |

01.-30.06.99

3. P h a s e ( 0 2 . 0 8 . 9 9 ) - Bank ohne Zustimmung Arbeitsamt oder - Arbeitsamt direkt 3.1 im Falle 2.1: |

15.-30.06.99

|

15.-30.06.99

| 01.08.99 Eröffnung

3.2 alternativ im Falle 2 . 1 : |

01.-31.07.99

3.3 im Falle 2 . 2 : 01.-31.07.99 4. P h a s e ( 1 0 . 0 8 . 9 9 ) - B a n k ohne Zustimmung Arbeitsamt oder - Arbeitsamt direkt 4.1 im Falle 2.1 (falls 3.1): 01.-31.07.99 4 . 2 im Falle 2.2 (falls nicht 3.3): 01.-- 3 1 . 0 7 . 9 9

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung Dr. Martin Obermüller, Syndikus Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main

Inhaltsübersicht I.

Verfahrensschritte

II.

Außergerichtliche Schuldenbereinigung für Verbraucher 1. Form des Plans 2. Inhalt des Plans 3. Wirkungen des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs 4. Verfahrensgang

III. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren 1. Antrag des Schuldners 2. Antrag eines Gläubigers 3. Prozeßkostenhilfe 4. Inhalt des Antrags eines Schuldners a) Allgemeine Angaben b) Bescheinigung über außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch c) Antrag auf Restschuldbefreiung d) Vermögens- und Schuldenverzeichnis e) Schuldenbereinigungsplan 5. Vorbereitung der Entscheidung über die Schuldenbereinigung 6. Abstimmung 7. Fortgang des Verfahrens IV. Vereinfachtes Verfahren 1. Vereinfachungen

2. Wirkungen 3. Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuß 4. Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse V.

Restschuldbefreiung 1. Vorrang des Insolvenzverfahrens 2. Zulassungsverfahren a) Abtretung des Arbeitsentgelts b) Lohnpfändungen 3. Vorschlag für einen Treuhänder 4. Versagungsgründe 5. Zulassungsbeschluß 6. Wohlverhaltensperiode a) Zwangsvollstreckungen b) Aufrechnungsbefugnis des Arbeitgebers c) Kreditsicherheiten d) Obliegenheiten 7. Treuhänder a) Rechtsstellung b) Aufgaben c) Vergütung d) Verteilung der vereinnahmten Beträge 8. Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung 9. Widerruf der Restschuldbefreiung

70

Martin Obermüller

Die Insolvenzordnung will natürlichen Personen für den Fall ihrer Insolvenz mit der Restschuldbefreiung und dem Verbraucherinsolvenzverfahren einen Weg eröffnen, sich dem unbegrenzten Nachforderungsrecht der Gläubiger für die im Insolvenzverfahren nicht befriedigten Ansprüche zu entziehen. Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung setzen sich aus mehreren hintereinandergeschalteten Verfahrensschritten zusammen, deren nächster nur bzw. nach Scheitern des vorangegangenen durchgeführt wird. Sie unterscheiden zwischen persönlich haftenden Unternehmern und Verbrauchern.

I. V e r f a h r e n s schritte Für Verbraucher gilt folgender Stufenplan: — — — —

Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan vereinfachtes Insolvenzverfahren gesetzliches Restschuldbefreiungsverfahren.

Für persönlich haftende Unternehmer gilt folgender Stufenplan: 1 — —

allgemeines Insolvenzverfahren gesetzliches Restschuldbefreiungsverfahren.

Insolvenzschuldner, die von sich aus das Verfahren einleiten wollen, müssen anders als die Gläubiger, die nur den Insolvenzantrag stellen können, diese Reihenfolge einhalten. Ein Verbraucher kann nicht etwa das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren überspringen und direkt die Restschuldbefreiung beantragen, selbst wenn er keinerlei Hoffnung auf eine Zustimmung seiner Gläubiger zu einem Schuldenbereinigungsplan hat.

II. A u ß e r g e r i c h t l i c h e S c h u l d e n b e r e i n i g u n g f ü r V e r b r a u c h e r Das Schuldenbereinigungsverfahren beginnt mit dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch, den der Schuldner zu unternehmen hat. Zu diesem Zweck muß er seinen Gläubigern einen Plan unterbreiten, aus dem sich ergibt, ob und wie er sich die Erledigung seiner Schulden vorstellt.

1

Scholz DB 1996, 765.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

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An Form und Inhalt eines Plans zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung, dessen Scheitern dem Schuldner die Möglichkeit zum Beschreiten der nächsten Stufe, nämlich des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens eröffnet, stellt das Gesetz gewisse Anforderungen. Nicht jedes Gespräch und jeder Vergleichsversuch erfüllen die Voraussetzungen eines Schuldenbereinigungsplans. Um zu gewährleisten, daß die außergerichtlichen Einigungsversuche ernstlich betrieben und „nicht nur 2 kurze Telefongespräche geführt" 2 werden, wird vorgeschrieben, daß die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans versucht werden und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stehen muß (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

1. Form des Plans Der Schuldner muß den Plan schriftlich niederlegen, den Gläubigern übermitteln und um deren Antwort nachsuchen. Der Plan sollte bestimmte Mindestangaben enthalten, ohne die einem Gläubiger eine Entscheidung gar nicht möglich ist. Dazu gehören — — —



ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens und des Einkommens, ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen; Regelungen, die unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sowie der Vermögens-, Einkommens-, und Familienverhältnisse des Schuldners geeignet sind, zu einer angemessenen Schuldenbereinigung zu führen; Angaben, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden.

Die Bank sollte unabhängig von ihrer Einstellung gegenüber den Vorschlägen des Schuldners zumindest überprüfen, ob ihre Forderungen zutreffend wiedergeben sind und gegebenenfalls für eine Berichtigung sorgen, damit der Fehler nicht fortgeführt wird und später zu Unstimmigkeiten Anlaß gibt. Die Bank sollte auch überprüfen, ob die sonstigen Angaben mit ihren eigenen Informationen übereinstimmen. Dazu ist sie berechtigt, die bei ihr

2

Rechtsausschußbericht zu § 357 b (BT-Dr. 12/7302 S. 190).

72

Martin Obermüller

vorhandenen Kontounterlagen, insbesondere den Zahlungsverkehr auszuwerten.

2. Inhalt des Plans Auch für den Inhalt des Plans enthält das Gesetz keine Vorschriften und überläßt seine Gestaltung weitgehend der Parteiautonomie. Der Plan soll lediglich zu einer angemessenen Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen fuhren. 3 Der Inhalt des Plans kann von einer vorübergehenden Stundung über Ratenzahlungen, Zinsstundungen, Zinsverzichte, Zinssenkungen bis zu einem weitgehenden Verzicht auf die Forderungen und einem Eingriff in Sicherheiten reichen. Er kann sich auf den Schuldner beschränken, aber auch Verpflichtungen Dritter aufnehmen, insbesondere einen gutverdienenden Ehegatten des Schuldners einbeziehen. Für streitige Forderungen kann er einen geringeren Satz anbieten als für unstreitige oder, um zu verhindern, daß der Plan an der Auseinandersetzung über die streitige Forderung scheitert, vorschlagen, daß sie quotal, aber nur dann bedient wird, wenn sein Gegner im Rechtsstreit obsiegt. 4 Der Vorschlag kann auch in einem sogenannten Null-Plan 5 bestehen. Wenn ein Schuldner nicht erwarten kann, innerhalb der Sieben-Jahres-Frist der Restschuldbefreiung ein über die Pfändungsfreigrenzen hinausgehendes Einkommen zu erzielen, muß er einen Plan vorlegen, in dem er seine Gläubiger im Ergebnis ersucht, auf ihre Forderungen zu verzichten. Das Gesetz verlangt nämlich anders als beispielsweise in Österreich 6 keine Mindestquote für die Befriedigung der Gläubiger. Daß ein solcher Plan keine Aussicht auf Annahme besitzt, liegt auf der Hand. Der Schuldner muß dennoch einen 3 4 5

6

Hess/Weis InVo 1996, 113. Rechtsausschußbericht zu § 357 b (BT-Dr. 12/7302 S. 191). AG München vom 7.12.1998 - 152 AR 220/98 - ZIP 1998, 2172; AG Wolfratshausen vom 1.4.1999 - 2 IK 27/99 - ZIP 1999, 721; Braun/ Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, 1997, S. 714; Haarmeyer/Wutzke/ Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 1997, Kap. 10 Rn 34; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997, S. 83; Henning InVo 1996, 288; Heyer, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, 1997, 19; ders. JR 1996, 314; Maier/Kraft BB 1997, 2173; Thomas, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1997, 1205; Vollender ZIP 1996, 2058. Heyer JR 1996, 314.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

73

solchen Versuch unternehmen, um die Voraussetzungen für den Fortgang des Verfahrens (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) zu schaffen. Der Schuldner muß sich überlegen, ob er sieben Jahre lang mit dem pfändungsfreien Einkommen leben will oder ob es für ihn erträglicher ist, den Gläubigern zusätzlich einen Teil seines pfandungsfreien Arbeitsentgelts zu überlassen, wenn sich diese im Gegenzug mit einer Verkürzung der SiebenJahres-Frist einverstanden erklären. Allerdings ist ein Verzicht auf den Pfandungsschutz jedenfalls vor der Pfändung nicht möglich. 7 Wenn sich die Bank auf einen solchen Vorschlag des Schuldners einläßt, muß sie wissen, daß sie den Schuldner zur Einhaltung seines Versprechens nicht durch Vollstreckungsmaßnahmen zwingen kann. Die Bank wird daher ihr Einverständnis mit dem Erlaß der verbleibenden Schulden davon abhängig machen, daß der Schuldner seine Zusage voll erfüllt, und eine sogenannte Verfallklausel in die Vereinbarung aufnehmen wollen. 8 Aussichtsreich dürften Pläne sein, die den Gläubigem die berechtigte Erwartung auf eine schnelle Befriedigung eines Teils ihrer Forderungen bietet; dann werden sie eher zu einem höheren Verzicht bereit sein. Anlaß dazu kann z.B. die Verpflichtungserklärung von Verwandten sein, einen bestimmten Geldbetrag zur Befreiung aus der „Schuldknechtschaft" aufzubringen. Wenig attraktiv fiir den Schuldner ist dagegen der Vorschlag einer reinen Stundung, denn dadurch werden lediglich die Fälligkeiten hinausgeschoben und gegebenenfalls die Zinslast vermindert. Er bleibt jedoch letztlich verpflichtet, den Kredit insgesamt zurückzuzahlen und damit je nach Höhe seiner Schulden und den vereinbarten Raten für einen mehr oder weniger langen Zeitraum auf sein pfändungsfreies Einkommen beschränkt. Damit bringt er sich um die Vorteile, die ihm das Restschuldbefreiungsverfahren bietet. Mit unterschiedlichen Gläubigern kann der Schuldner unterschiedliche Regelungen treffen; das Gleichbehandlungsgebot des § 294 Abs. 2 InsO gilt in diesem Vorstadium nicht. Er darf den Gläubigern aber nicht vorspiegeln, daß er alle gleich behandeln würde. Anderenfalls setzt er sich der Gefahr aus, daß ein Gläubiger seine Zustimmung nachträglich wegen arglistiger

7 8

BayObLG vom 19.6.1950 - II a 2/1950 - NJW 1950, 697; OLG Frankfurt vom 2.12.1953-6 W 581/52-NJW 1953, 1835. Künne, Außergerichtliche Vergleichsordnung, 6. Aufl.1955, §§ 53, 77.

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Täuschung (§ 123 BGB) anficht. Eine Bank sollte sich vorsorglich erkundigen, wie die Vorschläge gegenüber anderen Gläubigern und Gläubigergruppen aussehen.

3. Wirkungen des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch hat keine verfahrensrechtlichen Auswirkungen und berührt bestehende Rechtsverhältnisse nicht. Eine bereits erklärte Kündigung behält ihre Wirkung. Wenn die Bank noch nicht gekündigt hat und die Voraussetzungen des § 12 VKG, nämlich Verzug mit mindestens 2 aufeinanderfolgenden Raten in Höhe von mindestens 10% bzw. bei Laufzeiten über drei Jahren von 5% des Nennbetrages des Kredits trotz Fristsetzung, erfüllt sind, wird die Bank durch den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch nicht an der Ausübung ihres Kündigungsrechts gehindert. Wenn der Kunde seine Zahlungspflichten aus dem Kredit erfüllt und die Bank erst durch den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch von seinen Problemen mit anderen Gläubigern und der Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse erfährt, kann sie den Kredit kündigen. Zwar sind die Voraussetzungen des § 12 VKG nicht erfüllt. Ihr steht aber ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wegen einer wesentlichen Verschlechterung des Vermögens des Kreditnehmers, durch die die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber der Bank gefährdet ist, zu. 9 Die Einleitung von Gesprächen und der Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung hindern den Gläubiger nicht, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu beginnen oder fortzusetzen. Die Vollstreckungsverbote der §§ 89, 294 InsO setzen erst mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein, die Untersagung oder einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist erst nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens möglich; ein solcher Antrag kann jedoch

9

Bruchner/Ott/Wagner- Wieduwilt, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. 1994, § 12 Rdn 25, 26; Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis, 1994, Rdn331; Lwowski/Peters/Gössmann, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. 1994, S. 239; Münstermann/Hannes, Verbraucherkreditgesetz, 1991, § 12 Rdn 670; a.A. Bülow, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. 1993, § 1 2 Rdn 10; Ulmer/ Habersack, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. 1995, § 12 Rdn 22.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

75

noch gar nicht gestellt werden, solange der Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung nicht gescheitert ist. Auch können die Zinsen, die während der Verhandlungsperiode anfallen, unbeschränkt geltend gemacht werden; die Verweisung der Zinsen in den Nachrang (§ 39 InsO) bezieht sich nur auf die Zinsen für die Zeit nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Das Recht des Gläubigers, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner zu beantragen, ist nicht an die Voraussetzung gekoppelt, daß zunächst ein gerichtlicher und ein außergerichtlicher Einigungsversuch stattgefunden haben muß. Stellt der Gläubiger einen Insolvenzantrag, so ist für einen außergerichtlichen Einigungsversuch kein Raum. 1 0

4. Verfahrensgang Der Schuldner m u ß den Plan seinen Gläubigern übermitteln und um deren Antwort innerhalb einer angemessenen Frist nachsuchen. Gelangen die Parteien auf der Basis des Vorschlags des Schuldners zu einer Einigung, so erübrigt sich damit die Inanspruchnahme der Gerichte. Voraussetzung ist die Zustimmung sämtlicher Gläubiger in dem Maß, in dem der Plan ihr Einverständnis gefordert hat. Die Zustimmung eines widersprechenden oder schweigenden Gläubigers kann nicht durch Mehrheitsentscheid der Gläubiger ersetzt werden, selbst wenn der Widerspruch auf sachwidrigen Erwägungen beruht oder die Gläubigergesamtheit schädigt. Schweigen gilt nicht etwa als Zustimmung, sondern wirkt als Ablehnung des Vorschlags, den der Schuldner unterbreitet hat. Der Plan hat die Wirkung eines außergerichtlichen Vergleichs (§ 779 Abs. 2 BGB). Er bildet keinen Vollstreckungstitel. Wenn ein außergerichtlicher Schuldenberemigungsversuch von den Gläubigern nicht angenommen wurde, muß der Verbraucher überlegen, ob er einen erneuten Versuch unternehmen oder statt dessen unmittelbar in das gerichtliche Verfahren übergehen will. Zu einer Nachbesserung seines Angebots an die Gläubiger ist er jederzeit berechtigt, aber nicht verpflichtet. Der Schuldner kann den Plan auch wiederholt nachbessern.

10

Pape ZinsO 1998, 353.

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Martin Obermüller III. G e r i c h t l i c h e s S c h u l d e n b e r e i n i g u n g s v e r f a h r e n

Im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren kann ein Verbraucher, dessen außergerichtlicher Schuldenbereinigungsvorschlag am Widerspruch einzelner oder sämtlicher Gläubiger gescheitert ist, mit Hilfe des Gerichts erneut den Versuch unternehmen, zu einer Schuldenregulierung zu kommen. Das Verfahren gliedert sich in das Antragsverfahren und das Abstimmungsverfahren.

1. Antrag des Schuldners Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren wird durch einen Antrag des Schuldners eingeleitet. Dieser Antrag richtet sich nicht nur auf die Durchfuhrung eines Schuldenbereinigungsverfahrens. Vielmehr muß der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, an den sich kraft Gesetzes zunächst ein Schuldenbereinigungsverfahren anschließt (§ 305 Abs. 1 S. 1 InsO).

2. Antrag eines Gläubigers Ein Gläubiger kann einen Antrag auf die Durchfuhrung eines Schuldenbereinigungsverfahrens nicht stellen. Vielmehr muß er einen Insolvenzantrag einreichen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß dem Schuldner das Schuldenbereinigungsverfahren verwehrt wäre. Stellt das Gericht bei der Prüfung des Antrags fest, daß es sich bei dem Schuldner um einen Verbraucher handelt, so hat es vor der Entscheidung über die Eröffnung dem Schuldner Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 306 Abs. 3 InsO). Dieser Antrag unterliegt den gleichen Anforderungen wie ein Insolvenzantrag, den ein Schuldner ohne vorherigen Gläubigerantrag einreicht, d.h. er m u ß u.a. einen Schuldenbereinigungsplan enthalten." Der Schuldner muß dann überlegen, ob es für ihn sinnvoll ist, diesen Antrag zu stellen und damit zunächst das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren zu versuchen, oder ob er das Verfahren abkürzen und nach einem Insolvenzverfahren unmittelbar die Restschuldbefreiung in Anspruch

11

Rechtsausschußbericht zu § 357 c (BT-Dr. 12/7302 S. 191).

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung nehmen will. Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren nicht mehr vorgeschaltet werden.

77 muß

3. Prozeßkostenhilfe Die korrekte Abfassung des Eröffnungsantrags und die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen, die später im einzelnen dargelegt werden, stellt viele Verbraucher vor unüberwindliche Hindernisse. Daher werden sie auf die Beratung durch Anwälte oder Schuldnerberatungsstellen angewiesen sein. Dies ist mit Kosten verbunden, die ein insolventer Verbraucher nicht ohne weiteres aufbringen kann. Er kann deshalb Prozeßkostenhilfe beanspruchen. 1 2 Da dies sehr umstritten ist und schon in den ersten Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes zahlreiche widersprüchliche Urteile ergangen sind, erwägt der Bundesjustizminister eine gesetzliche Klarstellung.

4. Inhalt des Antrags eines Schuldners An den Inhalt des Antrags eines Verbrauchers stellt § 305 Abs. 1 InsO eine Reihe von Anforderungen. Diese sind zusätzlich zu den allgemeinen Angaben, die jeder Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens enthalten muß, zu erfüllen (§ 304 Abs. 1 InsO).

a) Allgemeine

Angaben

Jeder Eigenantrag des Schuldners erfordert unverzichtbare Angaben, damit der Antrag vom Gericht zugelassen werden kann. Der Schuldner muß die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen und einen Insolvenzgrund, also seine drohende oder schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§§ 17-19 InsO) zwar nicht glaubhaft machen, aber zumindest behaupten.

12

AG München vom 7.12.1998 - 152 AR 220/98 - ZIP 1998, 2172; Henning InVo 1996, 288; Braun/Uhlenbruck, Unternehraensinsolvenz, 1997, S. 714; Funke ZIP 1998, 1708; Einzelheiten und Begründung siehe Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz nach der InsO, 1997, Rn 733.

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Martin Oberraüller b) Bescheinigung über außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch

Ein Verbraucher kann einen Antrag auf gerichtliche Schuldenbereinigung erst stellen, wenn er innerhalb der letzten 6 Monate vorher erfolglos versucht hat, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans zu einigen. Daß er derartige Versuche unternommen hat und damit gescheitert ist, muß er durch die „Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle" nachweisen (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Wer als „geeignete Person oder Stelle" in Betracht kommt, bestimmt das Landesrecht. 1 3 Dadurch soll unter anderem gewährleistet werden, daß keine Gefälligkeitsbescheinigungen ausgestellt werden. 1 4

c) Antrag auf

Restschuldbefreiung

Der Schuldner muß sich schon jetzt entscheiden, ob er Restschuldbefreiung beantragen will, falls auch das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren nicht zum Erfolg fuhrt. Seinem Insolvenzantrag muß er nämlich entweder einen Antrag auf Restschuldbefreiung beifügen oder erklären, daß Restschuldbefreiung nicht beantragt werden soll (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Falls der Schuldner den Antrag auf Restschuldbefreiung ankündigt, muß er sämtliche Anforderungen, die das Gesetz an diesen Antrag stellt, schon jetzt erfüllen.

d) Vermögens-

und Schulden

verzeichnis

Dem Antrag sind beizufügen — —

ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens und des Einkommens, ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen, wobei auch auf beizufugende Forderungsaufstellungen der Gläubiger bezug genommen werden kann,

13

Siehe z.B. Gesetz zur Ausführung der Insolvenzordnung und zur Anpassung des Landesrechts an die Insolvenzordnung vom 18.5.1998 - GVB1. I, 191; Nordrhein-Westfälisches Gesetz zur Ausführung der Insolvenzordnung vom 17.6.1998 (ZinsO 1998, 133). Rechtsausschußbericht zu § 357 b (BT-Dr. 12/7302 S. 190).

14

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung —

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die Erklärung, daß die in diesen Verzeichnissen enthaltenen Angaben vollständig und richtig sind

(§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Der Schuldner muß versichern, daß die in diesen Verzeichnissen enthaltenen Angaben vollständig und richtig sind, und diese Erklärung persönlich abgeben und unterschreiben; insoweit wird man eine Stellvertretung durch Berater nicht zulassen können, da es darum geht, den Schuldner auf die Bedeutung seiner Wahrheitspflicht hinzuweisen. Wenn der Schuldner zur Anfertigung des Forderungsverzeichnisses nicht in der Lage ist, sind die Gläubiger auf seine Aufforderung hin verpflichtet, ihm auf ihre Kosten eine schriftliche Aufstellung ihrer Forderungen zu erteilen und diese in Hauptforderung, Zinsen und Kosten aufzugliedern (§ 305 Abs. 2 InsO). Die Aufforderung muß einen Hinweis auf einen bereits bei Gericht eingereichten oder in naher Zukunft beabsichtigten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens enthalten. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die hier verankerte Bindung an einen bereits eingereichten oder in naher Zukunft beabsichtigten Antrag den Gläubiger vor wiederholten Aufforderungen schützen. 1 5 Die Gläubiger können zwar nicht gezwungen werden, dieser Aufforderung nachzukommen. Eine Verletzung dieser Pflicht zieht keine Schadenersatzansprüche nach sich. Gläubiger, die die gewünschte Aufstellung nicht liefern, werden nicht etwa vom Verfahren ausgeschlossen und laufen auch nicht Gefahr, schon dadurch ihre Forderungen zu verlieren. Sie müssen aber die Angaben, die der Schuldner dann ohne ihre Hilfe macht, überprüfen, sobald ihnen das Gericht den Schuldenbereinigungsplan und die Verzeichnisse zusendet, und erforderlichenfalls ergänzen (§ 307 Abs. 1 InsO). Wenn ein Gläubiger auch dies versäumt, kann er mit einer Forderung, die der Schuldner in dem Verzeichnis nicht aufgeführt hat, an der Abstimmung über den Plan nicht teilnehmen; im Fall der Annahme des Plans erlischt sie (§ 308 Abs. 3 InsO). Streitige Forderungen, die zwar in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen, aber im Plan mit Null angesetzt sind, erlöschen die widerspruchslose Hinnahme dieser Qualifizierung 1 6 mit Annahme des Plans. Wenn der Plan dagegen abgelehnt wird, bleibt die Forderung des Gläubigers zunächst unberührt. Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß die Passagen über das

15 16

Rechtsausschußbericht zu § 357 b (BT-Dr. 12/7302 S. 190). Bork, Einfuhrung in das neue Insolvenzrecht, 1995, Rn 418 Fn 19.

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Erlöschen der Forderung in der Vorschrift des § 308 InsO angesiedelt sind, die sich nur mit den Rechtsfolgen eines angenommenen Plans beschäftigt. 1 7 Der Gläubiger muß aber im weiteren Verlauf des Verfahrens darauf achten, daß seine Forderung berücksichtigt wird.

e)

Schuldenbereinigungsplan

Das Kernstück des Antrags ist der Schuldenbereinigungsplan, den der Schuldner zusammen mit den übrigen, oben erwähnten Antragsunterlagen einzureichen hat (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Der Plan —



kann alle Regelungen enthalten, die unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sowie der Vermögens-, Einkommens-, und Familienverhältnisse des Schuldners geeignet sind, zu einer angemessenen Schuldenbereinigung zu führen, und muß angeben, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden.

Der Inhalt des Plans unterliegt der Privatautonomie; die Beteiligten sind in der Gestaltung frei. Wie ein derartiger Plan aussehen kann, wurde bereits oben für das außergerichtliche Verfahren dargestellt. Auf die dortigen Ausfuhrungen kann daher bezug genommen werden. Alle dort erwähnten Variationen einschließlich des sogenannten Null-Plans kommen auch für das gerichtliche Verfahren in Betracht. Der Schuldner kann diejenigen Vorschläge, die er im außergerichtlichen Verfahren unterbreitet hat, erneut einbringen, selbst wenn sie dort von allen Gläubigern abgelehnt wurden. Allerdings ist zwingend vorgeschrieben, daß sich der Schuldner zu der Frage äußert, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden. Nach dem für den Plan maßgeblichen allgemeinen Zivilrecht können nach der Kürzung einer Forderung im Plan anders als im Restschuldbefreiungsverfahren (§ 301 Abs. 2 InsO) auch die Sicherheiten nicht mehr in voller Höhe in Anspruch genommen werden. 1 8 Akzessorische Sicherheiten wie Bürgschaften und Pfandrechte erlöschen kraft Gesetzes; Hypotheken werden zu Eigentümergrundschulden (§§ 1163 Abs. 1 S. 2, 1177 Abs. 1 BGB). Bei abstrakten Sicher-

17 18

Rechtsausschußbericht zu § 357 e (BT-Dr. 12/7302 S. 192). Rechtsausschußbericht zu § 357 b (BT-Dr. 12/7302 S. 190).

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heiten erwirbt der Sicherungsgeber einen Freigabeanspruch, wenn die Sicherheiten von ihrem Wert her die gesicherte Restforderung nunmehr erheblich übersteigen. 19 Besonderheiten gibt es für die Lohnabtretung.

5. Vorbereitung der Entscheidung über die Schuldenbereinigung Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Schuldenbereinigung hat das Gericht den Antrag auf seine Vollständigkeit zu überprüfen, gegebenenfalls Ergänzungen zu fordern und die Gläubiger zu benachrichtigen. Um die notwendige Zeit zu gewinnen, muß das Verfahren über den Insolvenzeröffnungsantrag zum Ruhen gebracht werden. Hat der Schuldner die notwendigen Erklärungen und Unterlagen nicht vollständig abgegeben, so fordert ihn das Gericht auf, das Fehlende unverzüglich zu ergänzen. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht binnen eines Monats nach, so gilt sein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ohne Rücksicht darauf, ob den Antragsteller ein Verschulden trifft, als zurückgenommen (§ 305 Abs. 3 InsO). Bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan ruht das Verfahren über den Eröffnungsantrag, den der Schuldner stellen mußte, um in das Schuldenbereinigungsverfahren überhaupt einsteigen zu können. Falls ein Gläubiger die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, muß das Gericht dem Schuldner Gelegenheit geben, ebenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 306 Abs. 1 InsO). Der Zeitraum, innerhalb dessen das Verfahren ruhen darf, soll drei Monate nicht überschreiten (§ 306 Abs. 1 InsO). Da sich die Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens nach Eingang des Antrags eines Verbrauchers über eine geraume Zeit, oft über mehrere Monate erstrecken kann, sind vorläufige Maßnahmen zweckmäßig oder notwendig. Deshalb kann das Gericht alle zur Sicherung der Masse dienenden einstweiligen Anordnungen treffen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§§ 306 Abs. 2, 21 InsO). Zu diesem Zweck kann das Gericht insbesondere ein allgemeines Verfugungsverbot an den Schuldner erlassen oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen. Lediglich die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen kann

19

Einzelheiten zur Problematik der Sicherheitenfreigabe siehe Rn 6.43 m.w.N.

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Martin Obermüller

vom Insolvenzgericht nicht schon in der Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO eingestellt werden. Hierfür gelten die Sonderregelungen der §§ 30 d ff., 153 b ff. InsO. Zinsen, die während der Verhandlungsperiode und des ruhenden Verfahrens über den Eröffnungsantrag anfallen, können unbeschränkt geltend gemacht werden. Wenn das Insolvenzgericht bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der Antrag des Schuldners den oben dargestellten Anforderungen des § 305 InsO genügt, sind die Voraussetzungen für den Eintritt in das sogenannte Vermittlungsverfahren 20 erfüllt. Das Verfahren kann schriftlich durchgeführt werden. Es wickelt sich wie folgt ab: Das Gericht leitet den Schuldenbereinigungsplan zusammen mit dem Vermögensverzeichnis, dem Gläubigerverzeichnis und dem Forderungsverzeichnis den Gläubigern, die der Schuldner in dem Gläubigerverzeichnis aufgeführt hat, zu. Die Unterlagen sind von Amts wegen förmlich zuzustellen (§§ 307 Abs. 1 S. 3, 8 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Gläubiger werden vom Gericht aufgefordert, innerhalb von einem Monat zu den Verzeichnissen und zu dem Schuldenbereinigungsplan Stellung zu nehmen (§ 307 Abs. 1 InsO): —



Sie müssen die Verzeichnisse überprüfen und erforderlichenfalls eine Ergänzung verlangen (§ 307 Abs. 1 InsO). Wenn ein Gläubiger dies versäumt, kann er mit einer Forderung, die der Schuldner in dem Verzeichnis nicht aufgeführt hat, an der Abstimmung über den Plan nicht teilnehmen; im Fall der Annahme des Plans erlischt sie (§ 308 Abs. 3 InsO). Sie müssen sich zu dem Schuldenbereinigungsplan äußern. Das Einverständnis des Gläubigers mit dem Plan gilt mit Ablauf der Frist als erteilt (§ 307 Abs. 2 InsO), wenn er schweigt oder seine ablehnende oder modifizierende Stellungnahme nach Ablauf der Frist eingeht. 6. Abstimmung

Über den Schuldenbereinigungsplan stimmen die Gläubiger im schriftlichen Verfahren ab.

20

Haarmeyer/Wutzke/Förster, Rn 35.

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Wenn sämtliche Gläubiger einverstanden sind, ist der Plan angenommen. Das Schweigen gilt als Einverständnis (§ 307 Abs. 2 InsO). Eine Ablehnung, die nach Fristablauf eingeht, ist ebenfalls unbeachtlich. Wenn nicht sämtliche Gläubiger zustimmen, muß das Gericht entscheiden, ob damit der gerichtliche Schuldenbereinigungsversuch bereits endgültig gescheitert und nunmehr über den Insolvenzantrag zu befinden, ob die fehlenden Zustimmungen von Gläubigern durch gerichtliche Entscheidung ersetzt d.h. für unbeachtlich erklärt werden können oder ob die Entscheidung zurückzustellen und dem Schuldner zunächst die Möglichkeit eines erneuten Versuch einzuräumen ist. Wenn es aufgrund der Stellungnahme eines Gläubigers erforderlich oder zur Förderung einer einverständlichen Schuldenbereinigung sinnvoll erscheint, hat das Gericht dem Schuldner nach Ablauf der Äußerungsfrist Gelegenheit zu geben, den Schuldenbereinigungsplan zu ändern oder zu ergänzen (§ 307 Abs. 3 S. 1 InsO). Danach wird das Abstimmungsverfahren nochmals in Gang gesetzt. Wenn nunmehr sämtliche Gläubiger einverstanden sind, ist der Plan angenommen. Das Schweigen gilt auch in der zweiten Abstimmungsrunde als Einverständnis (§ 307 Abs. 2 InsO). Eine Ablehnung, die nach Fristablauf eingeht, ist ebenfalls unbeachtlich. Wenn kein einhelliges Ergebnis erzielt wird, ist wie folgt zu unterscheiden: —



Hat mehr als die Hälfte der Gläubiger den Schuldenbereinigungsplan abgelehnt oder repräsentieren die ablehnenden mehr als die Hälfte der Forderungen, so ist der Plan endgültig gescheitert. Hat dem Schuldenbereinigungsplan mehr als die Hälfte der Gläubiger zugestimmt und repräsentieren diese mehr als die Hälfte der Forderungen, so kann das Insolvenzgericht die Zustimmung des widersprechenden Gläubigers (§ 309 InsO) ersetzen.

Wenn die oben dargestellte Mindestquote an Zustimmungen erreicht ist, kann das Insolvenzgericht auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners die Zustimmung des widersprechenden Gläubigers ersetzen (§ 309 InsO), — —

sofem dieser Gläubiger im Verhältnis zu den anderen Gläubigern angemessen beteiligt ist und durch den Schuldenbereinigungsplan wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wird, als er bei Erteilung einer Restschuldbefreiung stünde.

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Das Erfordernis der angemessenen Beteiligung ist eine Ausprägung des Gleichbehandlungsgebots des § 294 Abs. 2 InsO. Einzelne Gläubiger dürfen gegen ihren Willen nicht schlechter gestellt werden als andere, rechtlich gleichgestellte Gläubiger. Daher muß der Plan beispielsweise zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern unterscheiden und auf den wirtschaftlichen Wert der Sicherheit Rücksicht nehmen. Der Gläubiger darf durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als bei Durchfuhrung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Das Gericht muß also ermitteln, was der widersprechende Gläubiger erhalten würde, wenn das Vermögen des Schuldners im Insolvenzverfahren verwertet und der Schuldner in das Restschuldbefreiungsverfahren übergehen würde, 2 1 d.h. welche Zahlungen der Gläubiger erhalten würde, wenn das verbliebene Vermögen des Schuldners in einem Insolvenzverfahren verwertet und der Schuldner danach sieben Jahre lang die pfändbaren Teile seines Arbeitsentgelts an die Gläubigergemeinschaft abführen würde. Bei dieser wirtschaftlichen Bewertung ist im Zweifel davon auszugehen, daß die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners während der gesamten Dauer des Verfahrens unverändert bleiben (§ 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Eine spätere Anpassung des Plans an veränderte Umstände ist grundsätzlich nicht möglich. Wenn der Schuldner nach der Annahme des Plans wieder Vermögen oder pfandbare Einkünfte erwirbt, sei es durch Erbschaft, sei es durch die Aufnahme einer Arbeit, so bleibt es dennoch bei den Festlegungen des Plans. Ein Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt wird, und der Schuldner, dessen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung abgelehnt wird, kann sofortige Beschwerde einlegen (§ 309 Abs. 2 S. 2 InsO).

7. Fortgang des Verfahrens Das Gericht stellt das Ergebnis der Abstimmung durch Beschluß fest. Lehnt die Mehrheit der Gläubiger den Schuldenbereinigungsplan ab oder wird die Zustimmung von widersprechenden Gläubigern vom Gericht nicht ersetzt, so 21

Haarmeyer/Wutzke/Förster, Rn 40.

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nimmt das Insolvenzverfahren als vereinfachtes Verfahren nach § 311 InsO seinen Gang. Nimmt die Mehrheit der Gläubiger den Schuldenbereinigungsplan an, haben sich die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung der Restschuldbefreiung, die zur Einleitung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens notwendig waren (§ 305 Abs. 1 InsO), erledigt; sie gelten als zurückgenommen (§ 308 Abs. 2 InsO). Etwa angeordnete Sicherungsmaßnahmen wie z.B. ein allgemeines Verfügungsverbot oder die einstweilige Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sind aufzuheben. Der angenommene Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines Vergleichs im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (§ 308 Abs. 1 S. 2 InsO). Den Vollstreckungstitel bildet der Feststellungsbeschluß des Gerichts in Verbindung mit einem Auszug aus dem Schuldenbereinigungsplan. Die Forderungen der Gläubiger können nur noch in der Höhe und zu den Zeitpunkten geltend gemacht werden, wie es der Schuldenbereinigungsplan vorsieht. Sicherheiten, für die im Plan keine eigene Regelung vorgesehen ist, werden insoweit frei, wie sie nicht für den bestehenbleibenden Teil der Forderung bestimmt sind. Die Vorschriften der §§ 301 Abs. 2, 254 Abs. 2 InsO, denen zufolge die Ansprüche der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen durch die Restschuldbefreiung bzw. den Insolvenzplan nicht berührt werden, finden im gerichtlichen Schuldenbereimgungsplanverfahren keine Parallele, für eine Analogie ist kein Raum. Wenn der Schuldner auch die durch den Plan ermäßigten oder modifizierten Forderungen nicht planmäßig begleicht, kann es wiederum zu einem Insolvenzverfahren kommen d.h. der Schuldner muß die oben dargestellten Stufen erneut durchlaufen. Eine Mindestfrist, während der ein Schuldner gehindert ist, nach einem im gerichtlichen Verfahren angenommenen, aber nicht erfüllten Schuldenbereinigungsplan für die Restschulden oder auch für zwischenzeitlich neu angefallene Schulden nochmals das Verbraucherinsolvenzverfahren in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht.

IV. V e r e i n f a c h t e s V e r f a h r e n Das Insolvenzverfahren wird nach Scheitern der Schuldenbereinigung zunächst fortgesetzt. Das Verfahren über den Eröffnungsantrag, den der

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Schuldner zusammen mit dem Schuldenbereinigungsplan einreichen mußte, wird von Amts wegen wieder aufgenommen ( § 3 1 1 InsO), ohne daß der Schuldner seinen Antrag erneuem müßte. Über den Antrag ist nach den allgemeinen Regeln zu entscheiden (§§ 11 ff. InsO). In diesem Stadium des Verfahrens wird also erstmals geprüft, ob der vom Schuldner behauptete Insolvenzgrund 2 2 tatsächlich vorliegt. Femer muß das Gericht überlegen, ob Sicherungsmaßnahmen anzuordnen sind, und feststellen, ob genügend Masse zur Deckung der Verfahrenskosten vorhanden ist. 23

1. Vereinfachungen Das Verfahren wird weitgehend vereinfacht. Es soll die Gerichte so wenig wie möglich belasten. Zu diesem Zweck ist der Ablauf gestrafft, die Termine sind auf ein Minimum reduziert worden. Das Verfahren weist gegenüber dem Regel verfahren der InsO folgende Besonderheiten aus: — —

— —



22 23 24

der Berichtstermin entfällt, da der Erörterungsbedarf spätestens nach Scheitern des Planes erschöpft ist; 24 das gesamte Verfahren kann ganz oder teilweise schriftlich durchgeführt werden, wenn die Vermögensverhätnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist (§ 312 Abs. 2 InsO); die Regelungen über den Insolvenzplan und die Eigenverwaltung finden keine Anwendung ( § 3 1 2 Abs. 3 InsO); es wird kein Insolvenzverwalter eingesetzt, dessen Kompetenzen fallen entweder den Gläubigem direkt oder einem Treuhänder ( § 3 1 3 Abs. 1 InsO) zu; die Insolvenzanfechtung wird von den Gläubigem ausgeübt ( § 3 1 2 Abs. 2 InsO);

Zum Versuch einer Neudefinition für Verbraucher siehe Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz nach der InsO, 1997, Rn 838. Zu den Rechtsfolgen der Masselosigkeit siehe Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 1997, Kap. 10 Rn 48, Kap. 3 Rn 271. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 1997, Kap. 10 Rn 4.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung —



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die Verwertung von Gegenständen, die mit Pfandrechten oder anderen Absonderungsrechten behaftet sind, obliegt ebenfalls den Gläubigern ( § 3 1 3 Abs. 3 InsO); auf die Verwertung des Schuldnervermögens kann ganz verzichtet werden, wenn der Schuldner den voraussichtlichen Erlös der Verwertung binnen einer zu bestimmenden Frist, mit einmaliger Nachfristsetzung, an den Treuhänder auszahlt.

Das Verfahren nimmt daher grundsätzlich folgenden abgekürzten Verlauf: —

— —

Stellt das Gericht nach Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit fest, daß ein Eröffhungsgrund vorliegt und genügend Masse zur Deckung der Verfahrenskosten vorliegt, so eröffnet es das Verfahren, bestimmt einen Treuhänder nach den Kriterien der Auswahl eines Insolvenzverwalters und einen Termin zur Prüfung der beim Verwalter anzumeldenden Forderungen. Die erste Gläubigerversammlung ist regelmäßig zugleich der Prüfungstermin. Das Gericht hat auf Antrag des Treuhänders und nach vorheriger Anhörung der Gläubiger über eine vereinfachte Verteilung der Insolvenzmasse zu entscheiden (§ 314 Abs. 1 InsO).

2. Wirkungen Die Wirkungen der Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens sind weitgehend identisch mit denen des normalen Verfahrens. Auf folgende Besonderheiten ist hinzuweisen: Im vereinfachten Insolvenzverfahren wird kein Insolvenzverwalter ernannt. Die Kompetenzen des Insolvenzverwalters fallen entweder den Gläubigern direkt wie z.B. bei der Insolvenzanfechtung oder einem Treuhänder zu. Für den Treuhänder gelten die Regeln der §§ 5 6 - 6 6 InsO bezüglich Wahl eines anderen Treuhänders, Haftung, Rechnungslegung, Aufsicht etc. entsprechend ( § 3 1 3 Abs. 1 InsO). 25

25

Einzelheiten siehe Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der InsO, 1996, Rn 671 ff.

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Zur Verwertung der Absonderungsrechte ist nur der Gläubiger berechtigt, nicht der Treuhänder ( § 3 1 3 Abs. 3 InsO), so daß die Kostenbeiträge (§ 170, 171 InsO) für die Masse entfallen. Das Anfechtungsrecht wird nicht vom Treuhänder, sondern von den Gläubigern einzeln oder gemeinsam ausgeübt ( § 3 1 3 Abs. 2 InsO), der Treuhänder ist jedoch zur Unterstützung des Gläubigers u.a. durch Beschaffung von Informationen verpflichtet. 2 6 Die Voraussetzungen für eine Anfechtung richten sich nicht nach den Regeln des Anfechtungsgesetzes, 2 7 sondern nach den Vorschriften der § § 1 2 9 ff. InsO. 2 8 Zweckmäßig ist es, daß sich die Gläubiger untereinander abstimmen, wer gegebenenfalls die Klage erheben soll, und eine Vereinbarung über die Kosten für den Fall des Unterliegens treffen. In der Gläubigerversammlung kann (mit der entsprechenden Mehrheit) ein Beschluß gefaßt werden, einen Gläubiger mit der Anfechtung zu beauftragen. Ihm sind zwar die entstandenen Kosten, soweit sie nicht aus dem Erlangten gedeckt werden können, aus der Insolvenzmasse zu erstatten ( § 3 1 3 Abs.2 S. 3 InsO). Bei Massearmut steht ihm jedoch ohne vertragliche Vereinbarung kein Regreß gegen die übrigen Gläubiger zu. Das Ergebnis einer erfolgreichen Anfechtung kommt der Gläubigergesamtheit zugute.

3. Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuß Die Gläubigerversammlung kann auch im schriftlichen Verfahren abgehalten werden. Ob eine Gläubigerversammlung einberufen wird oder ob das schriftliche Verfahren beschritten werden soll, entscheidet zunächst das Gericht. Dazu ist es aber gezwungen, wenn die Einberufung beantragt wird — — —

vom Treuhänder (anstelle des Insolvenzverwalters), dem Gläubigerausschuß, von mindestens fünf absonderungsberechtigten oder nicht nachrangigen Gläubigern, deren Absonderungsrechte oder Forderungen nach der Schätzung des Insolvenzgerichts den fünften Teil der Absonderungs-

26 27

Henckel FS Gaul 1997, 199. Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens in der Fassung des Art. 1 EGInsO. Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, § 313 Fn 1.

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Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung



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rechte und der Forderungen aller nicht nachrangigen Gläubiger erreichen (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO), von einem oder mehreren absonderungsberechtigten oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte oder Forderungen nach der Schätzung des Insolvenzgerichts 2 Fünftel der Absonderungsrechte und der Forderungen aller nicht nachrangigen Gläubiger erreichen

(§ 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Diese Vorschrift gilt nämlich auch im vereinfachten Insolvenzverfahren. Die Bestellung eines Gläubigerausschusses ist im vereinfachten Verfahren angesichts des meist nur sehr geringen Umfangs der zu verteilenden Masse nicht vorgesehen, aber auch nicht völlig ausgeschlossen.

4. Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse Die Verwertung der Insolvenzmasse obliegt grundsätzlich dem Treuhänder, er kann sie aber auch dem Schuldner überlassen und darf auf Absonderungsrechte nicht zugreifen. Die Insolvenzmasse kann in vereinfachter Form verteilt werden, indem von einer Verwertung durch den Treuhänder ganz oder teilweise abgesehen und dem Schuldner aufgegeben wird, an den Treuhänder innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden Frist einen Betrag zu zahlen, der dem Wert der Masse entspricht (§ 314 Abs. 1 InsO). Vor der Entscheidung sind die Gläubiger zu hören. Auch dies kann im schriftlichen Verfahren geschehen. Zur Verwertung der Absonderungsrechte ist unabhängig davon, ob es sich um besitzlose Mobiliarsicherungsrechte wie Sicherungsabtretung und Sicherungsübereignung oder um Mobiliar- oder Immobiliarpfandrechte handelt, stets nur der Gläubiger berechtigt, nicht der Treuhänder ( § 3 1 3 Abs. 3 InsO). Kostenbeiträge nach § 170, 171 InsO für die Masse, von denen ohnehin nur die Feststellungskosten in Betracht kämen, entfallen. Nach dem allgemeinen Prüfungstermin kann der Erlös nach einer im Gesetz geregelten Rangordnung unter die Gläubiger verteilt werden (§ 187 InsO).

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Martin Obermüller V. Restschuldbefreiung

Das Restschuldbefreiungsverfahren ist natürlichen Personen vorbehalten. Es vollzieht sich in mehreren Verfahrensschritten: — — — — —

Durchfuhrung eines Insolvenzverfahrens, Zulassungsverfahren Wohlverhaltensperiode Entscheidung über Erteilung der Restschuldbefreiung Entscheidung über Widerruf der Restschuldbefreiung. 1. Vorrang des Insolvenzverfahrens

Für Verbraucher ist der Einstieg in das Restschuldbefreiungsverfahren erst nach dem gescheiterten Versuch einer Schuldenbereinigung im außergerichtlichen und im gerichtlichen Verfahren und nach dem vereinfachten Insolvenzverfahren möglich. Ein Verbraucher kann aber auch ohne vorheriges Schuldenbereinigungsverfahren direkt in das Restschuldverfahren übergehen, wenn der Insolvenzantrag von einem Gläubiger gestellt wird und der Verbraucher auf die Möglichkeit verzichtet, seinerseits die vorherige Durchfuhrung einer Schuldenbereinigung im außergerichtlichen und im gerichtlichen Verfahren zu beantragen. Persönlich haftende Unternehmer müssen vorher das allgemeine Insolvenzverfahren durchlaufen haben.

2. Zulassungsverfahren Die Zulassung zur Restschuldbefreiung setzt voraus, daß der Schuldner rechtzeitig einen formgerechten Antrag stellt und daß kein Versagungsgrund erfolgreich geltend gemacht wird.

a) Abtretung des

Arbeitsentgelts

Der Antrag auf Restschuldbefreiung kann nur zugelassen werden, wenn ihm der Schuldner die Erklärung beifügt, daß er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sieben Jahren nach der Aufhebung des Insol-

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

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venzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt (§ 287 Abs. 2 InsO). Daß er im Zeitpunkt des Antrags tatsächlich über Einkünfte verfugt, ist für die Zulässigkeit des Antrags nicht notwendig. 2 9 Auch ist es unschädlich, wenn die Abtretung die Ansprüche gegen den jeweiligen Arbeitgeber umfaßt, obwohl der Arbeitgeber zur Zeit der Abtretungserklärung noch nicht feststeht. 3 0 Die Abtretung muß sich erstrecken auf die pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder die an deren Stelle tretenden laufenden Bezüge. Bezüge aus einem Dienstverhältnis sind das Einkommen aus abhängiger Tätigkeit gleich welcher Art. An deren Stelle tretende laufende Bezüge sind insbesondere Renten und die sonstigen laufenden Geldleistungen der Träger der Sozialversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit im Fall des Ruhestands, der Erwerbsunfähigkeit oder der Arbeitslosigkeit. 31 Der Wert dieser Abtretung hängt nicht nur davon ab, ob und mit welchen Einkünften der Schuldner weiter arbeitet. Vielmehr ist auch von Bedeutung, ob der Arbeitgeber als Schuldner der Lohnforderung deren Abtretung unterbinden oder ob einzelne Gläubiger Vorrechte an den Forderungen auf Arbeitsentgelt erwerben können. Die InsO versucht dies weitgehend zu verhindern. So sind Vereinbarungen in Dienst- oder Arbeitsverträgen, die diese Abtretung ausschließen, von einer Bedingung abhängig machen oder sonst einschränken, insoweit unwirksam, als sie eine Abtretung zum Zwecke der Restschuldbefreiung vereiteln oder sonst beeinträchtigen würden (§ 287 Abs. 3 InsO). Auch Lohnzessionen oder -Verpfändungen, die der Schuldner vor dem Antrag auf Restschuldbefreiung vorgenommen hat, begrenzt die InsO in ihrer Wirkung auf einen Zeitraum von drei Jahren (§ 114 Abs. 1 InsO) und zwar unabhängig davon, ob es letztlich zu einem Restschuldbefreiungsverfahren kommt oder ob dieses gar nicht beantragt oder versagt wird. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es dem Schuldner verwehrt, neue Lohnabtretungen vorzunehmen, selbst wenn sie Bezüge für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betreffen.

29 30 31

A.A. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, Kap. 10 Rn 63. BAG vom 17.2.1993 - 4 AZR 161/92-DB 1993, 1245. Begründung RegE zu § 92.

1997,

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Martin Obermüller b)

Lohnpfändungen

U m den Wert der Abtretung an den Treuhänder zu erhalten, beschränkt die InsO die Wirksamkeit von Lohnpfändungen, so daß sich die Bank von einem bestimmten Zeitpunkt an überlegen muß, ob sich der Kostenaufwand für Pfandungsmaßnahmen überhaupt noch lohnt: —





Pfändungen in Bezüge aus einem Dienstverhältnis, die vor Verfahrenseröffhung ausgebracht wurden, werden mit Ende des Kalendermonats, in dem das Verfahren eröffnet wird ( - bei Eröffnung nach dem 15. eines Monats mit dem Ende des Folgemonats - ) unwirksam (§ 114 Abs. 3 InsO). Ein Pfändungspfandrecht, das der Gläubiger im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder später erlangt hat, wird durch die Verfahrenseröffnung rückwirkend unwirksam ( § 8 8 InsO). Gläubigern, die keine Insolvenzgläubiger sind, werden Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners untersagt (§ 89 Abs. 2 InsO).

3. Vorschlag für einen Treuhänder Der Schuldner und die Gläubiger können dem Insolvenzgericht als Treuhänder eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete natürliche Person vorschlagen (§ 288 InsO). Dies kann der bisherige Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder sein, 32 jedoch wegen unvermeidbarer Interessenkollisionen grundsätzlich keine Person, die den Schuldner im außergerichtlichen oder im gerichtlichen Schuldenbereigungsverfahren vertreten hat. Schuldner und Gläubiger können sonst jede andere natürliche Person vorschlagen.

4. Versagungsgründe Ähnlich wie die Vergleichsordnung, die einem nicht „vergleichswürdigen" Schuldner den Zugang zum gerichtlichen Vergleich verwehrte (§§ 17, 18 VglO), will auch die InsO das Restschuldbefreiungsverfahren nur einem redlichen Schuldner zugestehen. Das Gesetz nennt deshalb eine Reihe von

32

Bork, Einführung in das neue Insolvenzrecht, 1995, Rn 394.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

93

Versagungsgründen. Diese hat das Gericht jedoch nicht wie im Vergleichsverfahren von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zu berücksichtigen. Dem Antrag eines Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung kann das Gericht nur dann stattgeben, wenn einer der im Gesetz (§ 290) abschließend aufgezählten Versagungsgründe vorliegt, nämlich — — —

— — —

die rechtskräftige Verurteilung wegen Insolvenzdelikten (§§ 283 - 283 c StGB), vorangegangener Kreditbetrug, Erteilung einer Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag oder deren Versagung nach § 296 oder § 297 InsO, Insolvenzverschleppung oder Vermögensverschleuderung im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben in den Vermögens- und Einkommensverzeichnissen.

Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 290 Abs. 2 InsO).

5. Zulassungsbeschluß Wenn ein ordnungsgemäßer Antrag vorliegt und kein Versagungsgrund gegeben ist oder nicht in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht wird, stellt das Gericht fest, daß der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er bestimmten Obliegenheiten nachkommt und nicht noch nachträglich wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt wird oder die Mindestvergütung für den Treuhänder nicht aufbringt (§ 291 Abs. 1 InsO). Außerdem benennt das Gericht den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung übergehen ( § 2 9 1 Abs 2 InsO). Diesen Beschluß bezeichnet das Gesetz als „Ankündigung der Restschuldbefreiung". Gegen die Zulassung der Restschuldbefreiung kann nur ein Gläubiger, der im Schlußtermin die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, als Rechtsbehelf die sofortige Beschwerde einlegen (§ 289 Abs. 2 InsO). Mit Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 289 Abs. 2 S. 2 InsO)

94

Martin Obermüller

und zugleich der Treuhänder in seine Stellung eingesetzt. Damit wird auch die Erklärung, in der der Schuldner seine pfändbaren Bezüge abtritt, wirksam. Gleichzeitig beginnt die sogenannte Wohlverhaltensperiode, eine Periode von sieben Jahren, innerhalb der sich der Schuldner durch Erfüllung bestimmter Obliegenheiten die Restschuldbefreiung verdienen kann. Wenn das Gericht den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung ablehnt, wird das Verfahren aufgehoben (§ 289 Abs. 2 S. 2 InsO). Die Gläubiger können ihre nach der Verteilung offen gebliebenen Forderungen wieder unbeschränkt gegen den Schuldner geltend machen (§ 201 InsO).

6. Wohlverhaltensperiode Mit dem Übergang in die Wohlverhaltensperiode enden die meisten Auswirkungen des Insolvenzverfahrens bzw. des vereinfachten Insolvenzverfahrens. In der Wohlverhaltensperiode muß der Schuldner, um die in Aussicht gestellte Restschuldbefreiung endgültig zu erlangen, bestimmte Obliegenheiten erfüllen. Außerdem darf kein Versagungsgrund neu hinzutreten.

a)

Zwangsvollstreckungen

Zwangsvollstreckungen in die Ansprüche auf Arbeitsentgelt sind auch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens weder Altgläubigern noch Neugläubigern gestattet, solange die Wohlverhaltensperiode andauert. 3 3 Dagegen bleiben Zwangsvollstreckungen in das sonstige Vermögen durch Massegläubiger und Neugläubiger zulässig. Insolvenzgläubiger sind von der Eröffnung des Verfahrens bis zum Ablauf von sieben Jahren an der Zwangsvollstreckung in das sonstige Vermögen gehindert (§ 294 Abs. 1 InsO). 3 4

b) Aufrechnungsbefugnis

des

Arbeitgebers

Die Aufrechnungsbefugnis des Arbeitgebers ist eingeschränkt: 33 34

A.A. Vollender ZIP 1997, 1993, der die Zwangsvollstreckung durch Neugläubiger im Hinblick darauf für zulässig hält, daß diese den Rang für den Fall des Scheiterns der Restschuldbefreiung wahrt. Uhlenbruch. KTS 1994, 499.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung —



95

Mit Forderungen, die der Arbeitgeber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hatte, kann er nur gegen die Forderungen auf die Bezüge für drei Jahre nach dem Ende des zur Zeit der Verfahrenseröffnung laufenden Kalendermonats aufrechnen (§§ 294 Abs. 3,114 Abs. 2 InsO). Mit Forderungen, die der Arbeitgeber nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner erwirbt, ist die Aufrechnung bis zum Ende der oben beschriebenen Drei-Jahresperiode ganz ausgeschlossen (§§ 114 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 96 Nr. 4 InsO).

c)

Kreditsicherheiten

Andere Sicherheiten als die Abtretungen von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt werden durch das Restschuldbefreiungsverfahren nicht berührt. Die Banken können ihre Rechte zum Beispiel aus Sicherungsübereignungen oder Grundschulden, die noch nicht verwertet sind, in vollem Umfang wahrnehmen. Aus dem Sicherheitenerlös müssen die gesicherten Gläubiger nur dann einen Kostenbeitrag abfuhren, wenn die Sicherheiten noch innerhalb des Insolvenzverfahrens verwertet oder freigegeben werden.

d)

Obliegenheiten

Den Schuldner treffen während der Wohlverhaltensperiode mehrere Obliegenheiten, deren Erfüllung ihm unterschiedliche Schwierigkeiten bereiten kann: —



Der Schuldner muß eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Wenn er ohne Beschäftigung ist, muß er sich um eine solche bemühen und darf keine zumutbare Tätigkeit ablehnen (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Wählt der Schuldner eine selbständige Tätigkeit, muß er die Insolvenzgläubiger so stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre (§ 295 Abs. 2 InsO). Eine Vorausabtretung ist insoweit nicht möglich. Die Höhe der Zahlungspflicht bemißt sich nach der wirtschaftlichen Leistungskraft des Schuldners, die je nach den Ergebnissen des Gewerbebetriebes schwanken und dazu führen wird, daß der Schuldner wegen mangelnder Umsätze oder wegen notwendiger Investitionen zeitweise überhaupt keine Zahlungen leisten kann.

96

Martin Obermüller



Vermögen, das der Schuldner von Todes wegen, insbesondere durch eine Erbschaft oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, muß er zur Hälfte den Gläubigern überlassen (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Der Schuldner hat während der Wohlverhaltensperiode jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen.



Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger darf der Schuldner nur an den Treuhänder leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil verschaffen (§ 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Jedes Abkommen des Schuldners mit einzelnen Gläubigem, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nämlich nichtig (§ 294 Abs. 2 InsO). Der Schuldner darf also nicht zulassen, daß sein Arbeitgeber einen Gläubiger vorzeitig befriedigt oder oder daß der Gläubiger durch Leistungen von dritter Seite einen größeren Anteil an den Zahlungen erhält. Dazu könnte es beispielsweise kommen, wenn dem Arbeitgeber die Abtretung an den Treuhänder nicht rechtzeitig bekanntgemacht wird.

7. Treuhänder Gleichzeitig mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung bestimmt das Gericht einen Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners übergehen und den die Gläubigerversammlung ermächtigen kann, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen (§ 292 InsO). Eine Abwahl des Treuhänders ist nicht möglich; das Gericht kann den Treuhänder aber aus wichtigem Grund entlassen (§§ 292 Abs. 3 S. 2, 59 Abs. 1 InsO).

a)

Rechtsstellung

Die Rechtsstellung des Treuhänders ist der eines Insolvenzverwalters angenähert. 3 5 Zwar erhält er formell nicht die umfassende Befugnis, das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO), durch die Abtretung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt fließt ihm jedoch materiell in der Regel das gesamte Vermögen des Schuld-

35

Haarmeyer/Wutzke/Förster, Rn 69.

Handbuch zur Insolvenzordnung, 1997, Kap. 10

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

97

ners mit der Maßgabe zu, es für die Gläubiger zu verwenden. Darüber hinaus steht er unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts.

b)

Aufgaben

Die Hauptaufgabe des Treuhänders besteht darin, die Rechte aus der Abtretungserklärung des Schuldners über seine Ansprüche auf Arbeitsentgelt durchzusetzen. Er muß zu diesem Zweck die Zession dem jeweiligen Arbeitgeber gegenüber offenlegen und ihn auffordern, nur an den Treuhänder zu zahlen; falls eine wirksame Lohnabtretung zugunsten eines Gläubigers vorliegt, gilt dies erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. 3 6 Er muß sich über alle Veränderungen in der Entlohnung des Schuldners informieren und darauf achten, daß der Arbeitgeber tatsächlich die jeweils pfändbaren Beträge abfuhrt. Die vereinnahmten Beträge m u ß er an die Gläubiger verteilen. Die Gläubiger können dem Treuhänder in der Gläubigerversammlung über den Einzug der Lohnforderungen hinaus noch Überwachungsmaßnahmen übertragen.

c)

Vergütung

Der Treuhänder hat Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen (§ 293 Abs. 1 S. 1 InsO). Die Kosten muß grundsätzlich der Schuldner tragen. Wirtschaftlich gehen die Kosten naturgemäß zu Lasten der Gläubiger, denn diese Beträge fehlen an der zur Verteilung kommenden Summe. Auch bei Arbeitslosigkeit muß der Schuldner in der Lage sein, wenigstens diese Mindestvergütung des Treuhänders aufzubringen. Anderenfalls versagt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung, sofern der Treuhänder dies beantragt (§ 298 InsO). Hier hat es also der Treuhänder in der Hand, ob er dem Schuldner trotz fehlender Einkünfte die Restschuldbefreiung ermöglicht; die Gläubiger haben dagegen keinen Einfluß.

36

Siehe Rn 1.857.

98

Martin Obermüller d) Verteilung der vereinnahmten

Beträge

Die Zahlungen, die dem Treuhänder aus der Abtretung der Ansprüche des Schuldners auf Arbeitsentgelt oder aus einer Erbschaft des Schuldners zugeflossen sind, dienen zunächst zur Abdeckung seiner Vergütung; der Rest ist jährlich an die Gläubiger zu verteilen. Während des laufenden Jahres kann der Treuhänder die aufgrund der Abtretung eingezogenen Gelder einbehalten. Eine Ausschüttung an die Gläubiger hat er nur im Jahresrhythmus vorzunehmen. Aus den angesammelten Geldern hat der Treuhänder zunächst seine eigene Vergütung zu entnehmen. Die verbleibenden Beträge hat er aufgrund des Schlußverzeichnisses (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 InsO) quotal an die Gläubiger zu verteilen. Die Last des Schuldners durch Beschränkung auf den pfandungsfreien Betrag seines Arbeitseinkommens wird sukzessive erleichtert. Von den Beträgen, die der Treuhänder aufgrund der Zession einzieht, hat er nach Ablauf von 4 Jahren 10%, nach 5 Jahren 15% und nach 6 Jahren 20% dem Schuldner zu überlassen. Soweit sich ein Gläubiger die Ansprüche des Schuldners auf Arbeitsentgelt vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam zur Sicherung hat abtreten lassen, kann dieser Gläubiger die Forderungen nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens während der drei Jahre, die sie nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gültig bleibt, wieder selbst einziehen; die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters (§ 166 Abs. 2 InsO) ist mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erloschen und nicht auf den Treuhänder übergegangen. Von den auf diese Weise vereinnahmten Beträgen muß der Gläubiger deshalb anders als während des Insolvenzverfahrens keinen Kostenbeitrag (§§ 170, 171 InsO) abführen. 3 7

8. Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung Die siebenjährige Wohlverhaltensperiode kann schon vorzeitig abgebrochen werden, wenn ein Versagungsgrund eintritt. Versagungsgründe während der siebenjährigen Wohlverhaltensperiode sind Obliegenheitsverletzungen, Ver-

37

Hess/Obermüller, Die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nach der InsO, 1996, Rn 374.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

99

urteilung wegen einer Insolvenzstraftat und fehlende Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders. —





Wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine seiner Obliegenheiten verletzt, versagt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung (§ 296 Abs. 1 InsO). Für die Versagung reicht jedoch nicht jede noch so unbedeutende Obliegenheitsverletzung. Vielmehr ist notwendig, daß dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde und den Schuldner ein Verschulden trifft. Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlußtermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder während der Laufzeit der Abtretungserklärung wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt wird (§ 297 InsO). Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag des Treuhänders, wenn die an diesen abgeführten Beträge für das vorangegangene Jahr seiner Tätigkeit die Mindestvergütung nicht decken und der Schuldner den fehlenden Betrag nicht einzahlt.

Wird die Restschuldbefreiung versagt, so enden die Laufzeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger mit der Rechtskraft der Entscheidung (§ 299 InsO). Dies bedeutet, daß die Gläubiger ihre in der Tabelle eingetragenen Ansprüche wieder unbeschränkt verfolgen können. Das Recht zur Zwangsvollstreckung lebt wieder auf. 38 Hat der Schuldner die Wohlverhaltensperiode überstanden, ohne daß es zu einer vorzeitigen Beendigung wegen Obliegenheitsverletzungen, Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat oder fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (§§ 296, 297, 298 InsO) gekommen ist, so entscheidet das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Treuhänders und des Schuldners durch Beschluß über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wird der Schuldner von den im Insolvenzverfahren und bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode nicht erfüllten Forderungen der Insolvenzgläubiger befreit (§ 286 InsO). Die Restschuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger (§ 301 InsO). Anders 38

Uhlenbruck KTS 1994,499.

100

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als im Schuldenbereinigungsverfahren gilt dies auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Bestimmte Forderungen bleiben jedoch bestehen. Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden vor allem nicht berührt: — — —

Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners; Rechte der Insolvenzgläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung; Rechte der Insolvenzgläubiger aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.

9. Widerruf der Restschuldbefreiung Das Insolvenzgericht kann die Erteilung der Restschuldbefreiung widerrufen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Schuldner eine seiner in § 295 InsO aufgelisteten Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat (§ 303 InsO). Das Gericht wird nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers tätig. Der Antrag des Gläubigers ist nur zulässig, wenn er innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung gestellt wird und wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Schuldner die Befriedigung der Gläubiger erheblich und vorsätzlich beeinträchtigt hat und daß der Gläubiger davon bis zur Rechtskraft der Entscheidung keine Kenntnis hatte.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz* Dr. Harald Hess, Rechtsanwalt in Mainz

Inhaltsübersicht I.

Allgemeines

II.

Die Behandlung der Kreditsicherheiten in der Insolvenz

III. Immobiliarsicherheiten 1. Begriff 2. Verwertung von Immobiliarsicherheiten a) Bei Verfahrenseröffnung laufende Zwangsversteigerungsverfahren b) Zwangsversteigerungsanträge nach Verfahrenseröffnung c) Einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung auf Antrag des Insolvenzverwalters d) Einstweilige Einstellung der Zwangsverwaltung e) Kostenbeteiligung f) Steuern IV. Mobiliarsicherheiten 1. Sicherungsübereignung a) Wirksamkeitsvoraussetzungen

b) Die Rechte des Sicherungsgebers in der Insolvenz des Sicherungsnehmers c) Die Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Sicherungsgebers 2. Sicherungsabtretung a) Mantelzessionen b) Globalzessionen c) Behandlung in der Insolvenz 3. Pfandrechte a) Pfandrecht an Sachen b) Pfandrecht an Forderungen 4. Eigentums vorbehält a) Der einfache Eigentumsvorbehalt b) Der erweiterte Eigentumsvorbehalt c) Der verlängerte Eigentumsvorbehalt d) Kritische Auseinandersetzung mit der h. M. beim einfachen Eigentumsvorbehalt

Der Beitrag gibt einen erweiterten und um die Nachweise ergänzten Vortrag wieder, den der Verfasser auf der Jahrestagung der Bankrechtlichen Vereinigung im Juni 1999 in Stuttgart gehalten hat.

102

Harald Hess e) Behandlung in der Insolvenz 5. Leasing in der Insolvenz a) Insolvenz des Leasing-Nehmers b) Insolvenz des Leasing-Gebers 6. Factoring a) Insolvenz des Anschlußkunden b) Insolvenz des Factors

V.

Sicherheiten im vorläufigen Insolvenzverfahren

VI. Sicherheiten im Insolvenzplanverfahren

1. Überblick über den Insolvenzplan a) Ziele des Insolvenzplanes b) Das Recht zur Planinitiative c) Aufbau des Planes 2. Die Regelungen im Einzelnen a) Der darstellende Teil b) Der gestaltende Teil des Insolvenzplans c) Die Plananlagen 3. Die Abstimmung über den Insolvenzplan 4. Einbeziehung der Sicherungsgläubiger in den Insolvenzplan

I. A l l g e m e i n e s Durch die Insolvenzordnung werden die Kreditsicherungsgläubiger in erheblich stärkerem Maß als es im früheren Konkursrecht der Fall war, in das Verfahren einbezogen. Hintergrund dieser Einbeziehung der Absonderungsberechtigten ist es, das Vermögen des Schuldners zusammenzuhalten, um dem Insolvenzverwalter eine Basis zur Fortführung und eventuellen Sanierung des schuldnerischen Unternehmens zu verschaffen. Ein weiteres vorrangiges Ziel der Insolvenzordnung ist es, die Masselosigkeit der Insolvenzverfahren zu vermeiden 1 und die Verteilungsgerechtigkeit innerhalb des Insolvenzverfahrens zu erhöhen. 2 Aus diesem Grund werden die Absonderungsberechtigten mit einem Kostenbeitrag zugunsten der Masse belastet. Die Nichteröffhung von Verfahren hat eine ökonomisch nachteilige Wirkung, da sie —

suboptimale Verwertungsentscheidungen nach sich ziehen kann und

1 2

Vgl. zu dieser Problematik Schwemer WM 1999, 400. Vgl. dazu Smid WM 1999, 703.

103

Kreditsicherheiten in der Insolvenz



Anfechtungsrechte nicht zugunsten der Gläubigergesamtheit gemacht werden können. 3

geltend

Ursache der wachsenden Massearmut der Verfahren ist die zunehmende wertausschöpfende Belastung der Massegegenstände zugunsten einiger weniger Gläubiger. Der heutige Insolvenzverwalter sieht sich mit einer Reihe von Sicherheitsrechten konfrontiert, die er im Rahmen der Verfahrensabwicklung mit zu bearbeiten hat, ohne daß den einfachen Insolvenzgläubigern hieraus eine nennenswerte Quote erwächst. Mit anderen Worten: Gesicherte Gläubiger erzielen häufig Befriedigungsquoten von 100%, während ungesicherte Gläubiger fast vollständig leer ausgehen. 4 Übersicht über die üblichen Sicherheiten: Grundstücke

Grundpfandrechte

Maschinen

Sicherungsübereignung/Eigentumsvorbehalt

Forderungen

Global- oder Einzelabtretung

Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe

Eigentumsvorbehalt

Fertigungsanlagen

Sicherungsübereignung

Materialien

Eigentumsvorbehalt

Dieses Ungleichgewicht zwischen gesicherten und ungesicherten Gläubigern beruht auf dem Umstand, daß der Mehrzahl der auf dem Markt befindlichen Unternehmen nur in geringem Umfang Eigenkapital zur Verfügung steht, so daß die Beschaffung von Fremdkapital - das regelmäßig nur gegen Stellung entsprechender Sicherheiten gewährt wird - erforderlich ist. Der Gesetzgeber sah sich bei der Schaffung des Insolvenzrechts in dem Dilemma, daß einerseits eine Stärkung der ungesicherten (Klein)gläubiger verwirklicht werden, andererseits die (lebensnotwendige) Kreditbeschaffung nicht durch eine vollständige Einvernahme der Kreditsicherheiten zur Masse unmöglich gemacht werden sollte. 5 Die Schicksalsfrage der Insolvenzrechtsreform, 6 wie das neue Insolvenzrecht mit dem Kernproblem der Kreditsicherheiten umgeht, stellt den Ausgangspunkt des Vortrages dar. 3 4 5 6

Drukarzcyk, WM 1992, 1136. Drukarzcyk, WM 1992, 1136. Vgl. dazu auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 1998, R. 18.04 f. Vgl. Drukarzcyk, ZIP 1989, 341 m.w.N.

104

Harald Hess

II. Die Behandlung der Kreditsicherheiten in der Insolvenz Der Begriff der Kreditsicherheit steht für vertragliche Vereinbarungen zwischen Schuldner und Gläubiger, die dem Gläubiger ein bedingtes Zugriffsrecht auf ein genau definiertes Sicherungsgut zugestehen. Bei Eintritt der Bedingung soll dem Gläubiger das Recht zustehen, das Sicherungsgut herauszuverlangen und es selbst zu verwerten oder es zu seinen Gunsten verwerten zu lassen, um Kosten, Zinsen und ausstehendes Kapital zu decken. 7 In der Insolvenz werden diese Grundsätze dadurch modifiziert, daß die Rechtsstellung des einzelnen Gläubigers zugunsten der Gläubigergemeinschaft bestimmten Einschränkungen unterworfen wird. Die Behandlung im Einzelfall richtet sich danach, um welche Art von Sicherheiten es sich handelt. Hierbei läßt sich eine Grobdifferenzierung vornehmen zwischen —



Realsicherheiten, 8 nämlich — Immobiliarsicherheiten einerseits und — Mobiliarsicherheiten andererseits sowie Personalsicherheiten (auf die im folgenden nicht eingegangen werden soll).

Bei den Mobiliarsicherheiten ist für die Behandlung in der Insolvenz wiederum ausschlaggebend, ob es sich um besitzlose Sicherheiten oder Besitzpfandrechte handelt.

III. Immobiliarsicherheiten 1. Begriff Unter den Begriff der Grundpfandrechte als beschränkt dingliche Verwertungsrechte an Immobilien (d.h. vor allem an Grundstücken, Luftfahrzeugen und Schiffen) fallen, 9

7 8

Drukarzcyk, WM 1992, 1136; vgl. auch die Begriffsbestimmung von Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 1997, Band II, § 90 Rz. 6. Vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankiechtshandbuch, Band II, § 90 Rz. 20.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz — — —

105

Grundschulden (§§ 1191 - 1198 BGB) bzw. Hypotheken ( § § 1 1 1 3 - 1 1 9 0 BGB) an Grundstücken und Wohnungseigentum 1 0 sowie Rentenschulden (§§ 1199 - 1203 BGB; diese werden bei der nachfolgenden Betrachtung außer acht gelassen, da sie als Rreditsicherheiten keine besondere Praxisrelevanz aufweisen).

In der Praxis hat die Hypothek wegen ihrer Akzessorietät in bezug auf Bestand und Höhe der zugrundeliegenden Forderung stark an Bedeutung verloren." Stattdessen werden in der Mehrzahl der Sicherungsfälle heute Grundschulden bestellt. Die Grundschuld bietet infolge ihres flexibleren Gestaltungsspielraums erhebliche Vorteile u.a. in Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit als auch die Ausgestaltung der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. 1 2

2. Verwertung von Immobiliarsicherheiten In der Insolvenz steht den Immobiliarsicherungsgläubigern ein Absonderungsrecht nach Maßgabe des §§ 49, 165 InsO zu. Hinsichtlich der Geltendmachung dieses Absonderungsrechtes im Rahmen des Insolvenzverfahrens verweist § 49 InsO auf die Vorschriften des ZVG ( § § 1 0 ff. ZVG). Ausgangspunkt der Verwertungsregelungen für Immobilien ist § 165 InsO, der dem bisherigen § 126 K O entspricht. Danach ist der Insolvenzverwalter auch im Falle eines bestehenden Absonderungsrechtes berechtigt, die Verwertung der Immobilie im Wege der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung zu betreiben. Daneben behält er bis zum Beginn der Zwangsversteigerung das Recht, das Grundstück freihändig zu veräußern. 1 3 Da der Insolvenzverwalter mit der Beantragung der Zwangsversteigerung seiner Pflicht zur Verwertung der Masse nachkommt und mit der Zwangs9 10 11 12 13

Vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band II, § 94 Rz. 1. Vgl. dazu § 1 WEG. Vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band II, § 94 Rz. 3 ff. Vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band II, § 94 Rz. 17 ff. Schmidt, InVo 1999, 73.

106

Harald Hess

Versteigerung keine Forderung befriedigt werden soll, handelt es sich nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Der Insolvenzverwalter vereinigt insofern die Stellung des Gläubigers und des Schuldners in einer Person. Besonderheiten bestehen bei der Veräußerung von Grundstückszubehör, falls das belastete Grundstück noch nicht beschlagnahmt worden ist. Bis zur Beschlagnahme kann der Insolvenzverwalter nämlich innerhalb der Grenze einer ordnungsgemäßen Wirtschaft, etwa beim Austausch von Inventarstücken eines von ihm fortgeführten Betriebes, Zubehör veräußern. Der Veräußerungserlös steht dann der Masse zu, ebenso wie bei einer Veräußerung durch den Grundstückseigentümer im gleichen Falle diesem der Erlös zur freien Verfugung zusteht.' 4 Hat der Verwalter dagegen den Betrieb stillgelegt, so bewirtschaftet er diesen Betrieb nicht mehr, sondern verwertet ihn. Der bei dieser Verwertung erzielte Erlös gebührt deshalb dem Grundpfandgläubiger. 1 5 Das Verwertungsrecht des Gläubigers wird durch eine Erleichterung der Verfahrenseinstellung gemäß § 30 ff. ZVG und durch Kostenbeteiligungspflichten beschränkt (s.u.): Zudem eröffnet § 174a ZVG dem Verwalter die Möglichkeit im Versteigerungsverfahren ein Doppelausgebot dergestalt zu verlangen, daß bei der Feststellung des geringsten Gebotes nur die den Ansprüchen aus § 10a ZVG vorgehenden Rechte berücksichtigt werden, m.a.W. der Insolvenzverwalter wird damit der bestrangigste betreibende Grundpfandgläubiger. 1 6

a) Bei Verfahrenseröffnung

laufende

Zwangsversteigerungsverfahren

Fortgesetzt werden kann ein Zwangsversteigerungsverfahren, wenn es von einem absonderungsberechtigten Gläubiger betrieben wird.

14 15

16

BGH vom 21.3.1973-VIII ZR 52/72-WM 1973,554. BGH vom 21.3.1973 - VIII ZR 52/72 - WM 1973, 544; BGH vom 25.6.1971 V ZR 54/69 - WM 1971, 941; RG vom 26.1.1912 - VII 309/11 LZ 1912 Sp. 696; RG vom 15.1.1915 - VII 411/14 - LZ 1915 Sp. 707; RG vom 22.6.1908 627/07 V - JW 1908, 561; Nachweise für die Gegenmeinung bei Kuhn/ Uhlenbruch KO, 10. Aufl. 1986, Rz. zu § 4; ebenso für den Sequester OLG Köln vom 19.9.1983 - 12 U 0/83 - ZIP 1984, 89. Kritisch hierzu Schmidt InVo 1999, 73.

Rreditsicherheiten in der Insolvenz

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Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird ein laufendes Zwangsversteigerungsverfahren nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen (§§ 22, 15, 19 ZVG; § 80 Abs. 2 InsO). Das Verfahren kann ohne Umschreibung des Titels fortgeführt werden. 1 7 Voraussetzung für die Fortsetzung des von Insolvenzgläubigem eingeleiteten Verfahrens ist jedoch, daß die Beschlagnahme wirksam geworden ist, d. h. der Beschluß über die Anordnung der Zwangsversteigerung muß dem Schuldner schon vor Verfahrenseröffnung zugestellt oder aber der Versteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen worden sein. Wird das Insolvenzverfahren vor Zustellung des Beschlusses über die Anordnung der Zwangsversteigerung oder nach Eingang des Ersuchens um Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks eröffnet, so kann der Zwangsversteigerungsvermerk nicht mehr eingetragen werden, wenn die Zwangsversteigerung aufgrund eines persönlichen Schuldtitels betrieben wird, da die Verfahrenseröffnung einem an den Schuldner erlassenen allgemeinen Verfiigungsverbot gleichsteht. 1 8

b) Zwangsversteigerungsanträge

nach

Verfahrenseröffnung

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können die Absonderungsberechtigten das Zwangsversteigerungsverfahren bzgl. eines zur Insolvenzmasse gehörigen Grundstücks betreiben (§§ 80 Abs. 2, 49 InsO). Die Zwangsversteigerung kann auch von einem Massegläubiger (§§ 53 ff. InsO) betrieben werden, der gegen den Insolvenzverwalter einen Titel erwirkt hat. 1 9 In diesem Zusammenhang ist jedoch das Vollstreckungsverbot des § 90 InsO während der ersten sechs Monate des Verfahrens gegenüber Massegläubigem zu beachten. Der nur persönliche Insolvenzgläubiger kann wegen des Verbots des § 89 InsO die Zwangsversteigerung eines massezugehörigen Grundstücks nicht betreiben.

17 Mohrbutter KTS 1958, 81. 18 Eickmann KTS 1974, 202; Kuhn/Uhlenbruck KO, §13 Rz. 6; Dassler/ Schiffhauer/Gerhard ZVG, § 20 Rz. 2. 19 RG vom 26.6.1905 - Rep VI 526/04 - RGZ 61,259, 261.

108

Harald Hess

Der Insolvenzverwalter kann, außer daß er selbst einen Zwangsversteigerungsantrag stellt, einem schon laufenden Zwangsversteigerungsverfahren beitreten. In diesem Fall kann der Verwalter nach § 174a ZVG ein Doppelausgebot verlangen (s.o.). Voraussetzung für den Antrag des Insolvenzverwalters auf Anordnung der Zwangsversteigerung ist die Vorlage der Bestallungsurkunde (§ 56 Abs. 2 InsO) und die Massezugehörigkeit des Grundstücks. Hat der Insolvenzverwalter durch eine einseitige an den Schuldner gerichtete und empfangsbedürftige Willenserklärung 20 ein Grundstück aus der Insolvenzmasse freigegeben, kann er das Zwangsversteigerungsverfahren nicht mehr betreiben, so daß der Schuldner gegen einen Zwangsversteigerungsantrag des Insolvenzverwalters gem. §§ 766, 771 ZPO vorgehen kann. Der Schuldner ist wegen § 80 InsO nicht Beteiligter i. S. d. § 9 ZVG, 21 so daß der Beschluß über die Anordnung der Zwangsversteigerung dem Schuldner nicht zugestellt werden muß, sondern nur dem Insolvenzverwalter (§ 8 ZVG). Für die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung eines Grundstücks ist als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück gelegen ist (§§ 1 ff. ZVG). Der auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zwangsversteigerung anordnende Beschluß gilt grds. nicht als Beschlagnahme (§ 173 Satz 1 ZVG), weil der Insolvenzverwalter als Antragsteller auch die Stellung des betreibenden Gläubigers hat, zu dessen Gunsten die Beschlagnahme wirken würde. Der Anordnungsbeschluß hat nicht die Wirkung eines Veräußerungsverbots (§§ 23, 24 ZVG; §§ 1121, 1122 BGB) mit der Folge, daß der Insolvenzverwalter, nachdem auf seinen Antrag hin die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung angeordnet worden ist, weiter über die Grundstücke verfügen kann. 22 Die Zustellung des Anordnungsbeschlusses über die Zwangsversteigerung gilt nur in Beziehung auf die Berechnung der Rückstände und laufenden

20 21 22

OLG Nürnberg vom 11.7.1957 - 3 U 221/56 - MDR 1957, 683. Mohrbutter KTS 1958, 81, 82; Dassler/Schißhauer/Gerhard ZVG, 12. Aufl., § 172 Rz. 3. Mohrbutter KTS 1958, 81, 82.

109

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

Beträge (§ 13 ZVG) sowie für den Umfang der Versteigerung (§ 55 ZVG) als Beschlagnahme (§ 173 Satz 2 ZVG).

c) Einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung des Insolvenzverwalters

auf Antrag

Die Einstellung der Zwangsversteigerung auf Antrag des Insolvenzverwalters, für die früher die §§ 30c ZVG und 775 Nr. 2 ZPO galten, wird zwar erleichtert, den dadurch belasteten Gläubigern wird aber eine gewisse Entschädigung zugestanden. Von Bedeutung sind die Einstellungsmöglichkeiten des § 30d ZVG. Danach ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Verwalters die einstweilige Einstellung an, wenn 1. 2. 3. 4.

der Berichtstermin noch bevorsteht, 23 oder das Grundstück für die Fortfuhrung des Unternehmens oder die Vorbereitung einer Betriebsveräußerung benötigt wird, die Versteigerung die Durchfuhrung eines Insolvenzplans gefährden würde, oder in sonstiger Weise eine angemessene Verwertung der Insolvenzmasse durch die Versteigerung wesentlich erschwert würde.

Der Antrag ist abzulehnen, wenn die Einstellung dem Gläubiger unter „Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse" nicht zuzumuten ist. Im Kreditgeschäft kann dieser Ausnahme nur dann Bedeutung zukommen, wenn eine Bank oder ein sonstiger Kreditgeber sich selbst in einer ernsten wirtschaftlichen Krise befindet. Den gesicherten Gläubigern wird im Fall der einstweiligen Einstellung ein Nachteilsausgleich zugebilligt. So kann die einstweilige Einstellung nur mit der Auflage angeordnet werden, daß dem betreibenden Gläubiger laufend die geschuldeten Zinsen gezahlt werden (§ 30e Abs. 1 ZVG). Der Zinssatz richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Auf die Höhe der dinglichen Zinsen kommt es nicht an. Wenn der Schuldner sich in Verzug befindet, können Verzugszinsen verlangt werden. Die Zinszahlung erfaßt den Zeitraum nach dem

23

Kritisch hierzu Schmidt, InVo 1999, 73, der bewußte Verzögerungstaktiken des Insolvenzverwalters befürchtet.

110

Harald Hess

Berichtstermin.

Bei

Einstellung

im

Antragsverfahren

hat

die

Zahlung

spätestens n a c h drei M o n a t e n einzusetzen (§ 30e Abs. 1 S. 2 Z V G ) . W i r d das G r u n d s t ü c k weiter v o n d e m V e r w a l t e r benutzt, so m u ß er f ü r einen e t w a i g e n W e r t v e r l u s t einen A u s g l e i c h leisten (§ 30e A b s . 2 Z V G ) . 2 4 B e i d e s gilt n a t u r g e m ä ß nicht, s o f e m es sich u m eine s o g e n a n n t e „ S c h o r n s t e i n h y p o t h e k " handelt, der gesicherte Gläubiger also aus der Sicherheit w e g e n seines N a c h r a n g s o h n e h i n nicht b e f r i e d i g t w o r d e n w ä r e . Ist das G r u n d p f a n d r e c h t v o m W e r t des G r u n d s t ü c k s nur teilweise gedeckt, so sind Z i n s e n n u r auf diesen Teilbetrag zu entrichten. M i t der Z i n s z a h l u n g m u ß sofort b e g o n n e n w e r d e n . Der V e r w a l t e r kann und soll nicht abwarten, bis durch die V e r s t e i g e r u n g der g e n a u e B e t r a g der U n t e r d e c k u n g feststeht. Dies ist s o w o h l für den G l ä u biger, der sonst auf die Z i n s e n M o n a t e , w e n n nicht gar Jahre warten m ü ß t e , als a u c h für den V e r w a l t e r u n z u m u t b a r , der f ü r eine nicht eindeutig b e z i f f e r b a r e Zinslast vorsorglich R ü c k s t e l l u n g e n bilden m ü ß t e . W i e der als B a s i s f ü r die V e r z i n s u n g w e s e n t l i c h e G r u n d s t ü c k s w e r t sofort ermittelt wird, w e n n eine E i n i g u n g z w i s c h e n d e m V e r w a l t e r u n d d e m G r u n d p f a n d r e c h t s g l ä u b i g e r nicht z u s t a n d e k o m m t ,

regelt

die

Insolvenzordnung

nicht. E i n e L ö s u n g k a n n nur auf d e m W e g ü b e r die E i n s t e l l u n g s v e r f ü g u n g des G e r i c h t s g e f u n d e n w e r d e n . W e n n § 30e Z V G v o n d e m Gericht verlangt, die E i n s t e l l u n g nur mit der A u f l a g e zu v e r f u g e n , d a ß den G l ä u b i g e m Z i n s e n zu zahlen

sind, so m u ß es dabei a u c h entscheiden, w e l c h e r Teil

der

G r u n d p f a n d r e c h t e durch den V e r k e h r s w e r t der G r u n d s t ü c k e gedeckt ist. D i e Verkehrswertermittlung,

die

im

Zwangsversteigerungsverfahren

ohnehin

e r f o r d e r l i c h ist (§ 74a A b s . 5 Z V G ) , wird damit lediglich v o r g e z o g e n . D i e gerichtliche A n o r d n u n g , für w e l c h e n Teil der G r u n d p f a n d r e c h t e Z i n s e n zu zahlen sind, hat a b s c h l i e ß e n d e n Charakter. Dies b e d e u t e t , daß kein A u s g l e i c h verlangt w e r d e n k a n n , w e n n

sich

n a c h t r ä g l i c h herausstellt, daß der Gläubiger g e m e s s e n a m V e r s t e i g e r u n g s erlös zu viel o d e r zu w e n i g Z i n s e n erhalten hat.

24

Vgl. hierzu Schmidt, InVo 1999, 73 der die Frage aufwirft, um welche Arten eines Werteverlustes es sich hier handeln mag.

111

Kreditsicherheiten in der Insolvenz d) Einstweilige

Einstellung

der

Zwangsverwaltung

Auf Antrag des Verwalters kann das Insolvenzgericht die vollständige oder teilweise Einstellung der Zwangsverwaltung anordnen, wenn der Insolvenzverwalter glaubhaft macht, daß durch die Fortsetzung der Zwangsverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert werden würde (§ 153b ZVG). Damit kann der Verwalter verhindern, daß die Grundpfandrechtsgläubiger ihn im Wege der Zwangsverwaltung durch Vermietung des Grundstücks an einen Dritten zwingen, den Betrieb vorzeitig stillzulegen. Die Nachteile, die dem betreibenden Gläubiger aus der Einstellung erwachsen, sind durch laufende Zahlungen aus der Masse auszugleichen. Die Höhe der Ausgleichszahlungen richtet sich nach den durch Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks an Dritte nachweislich erzielbaren Entgelte. Sie sind vom Gericht zu ermitteln und in seiner Auflage, die mit der Einstellung zu verbinden ist, festzulegen. Anders als in der Zwangsversteigerung setzt die Zinszahlungspflicht zeitgleich mit der Einstellung des Verfahrens und nicht erst nach dem Berichtstermin bzw. drei Monate nach der Anordnung vorläufiger Maßnahmen im Antragsverfahren ein. Gläubiger, die mit Emsteilungsanträgen rechnen müssen, sind also gut beraten, zusammen mit der Zwangsversteigerung auch die Zwangsverwaltung einzuleiten.

e)

Kostenbeteiligung

Die Kosten des Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahrens sind aus dem Versteigerungserlös vorweg zu entnehmen (§ 109 ZVG). Sie richten sich nach §§ 28 - 30 ZVG nebst Anlage 1 Nr. 1500 ff. Zusätzlich sieht das Einfuhrungsgesetz zur InsO in Artikel 20 vor, daß im Falle der Zwangsversteigerung eines Grundstücks der Insolvenzmasse die Kosten zu erstatten sind, die durch die Feststellung des mithaftenden Grundstückszubehörs entstehen. 2 5 Diese Kosten werden pauschal mit 4% des Verkehrswertes der beweglichen Sachen berechnet (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a ZVG). Diese Kostenforde-

25

Kritisch zu dieser Regelung wegen des Problems der Wertermittlung des Zubehörs Schmidt InVo 1999, 73, 76.

112

Harald Hess

rungen erhalten den Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG und gehen damit den Grundpfandrechten vor. Die Kostenbeteiligung wird auf die Grundpfandrechtsgläubiger nicht anteilmäßig umgelegt, sondern trifft wirtschaftlich ausschließlich die nachrangig gesicherten. Wenn die Wertermittlungsrichtlinien der Kreditinstitute eine Berücksichtigung des Zubehörs gestatten, muß wegen des Kostenfaktors, der sich aus der Existenz von Zubehörstück ergibt, der Beleihungswert der Grundstücke entsprechend angepaßt werden. Der Kostenbeitrag ist nur zu entrichten, wenn ein Verwalter eingesetzt ist, also nicht in den Fällen der Eigenverwaltung. Wegen der oft nicht einfachen Abgrenzung zwischen Zubehör und selbständigen Sachen können sich die Kreditinstitute solche Gegenstände vorsorglich noch zur Sicherung übereignen lassen. Diese Vorsorgemaßnahme fuhrt jedoch wegen der unterschiedlichen Kostenbeiträge, nämlich 4% bei Grundstückszubehör und 9% zzgl. 15% Umsatzsteuer bei selbständigen Sachen, nachträglich zu Schwierigkeiten.

f ) Steuern Wird das Grundstück versteigert, so bewirkt der Schuldner in dem Zwangsversteigerungsverfahren eine Leistung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) an den Ersteh e n 2 6 Dessen Gegenleistung, das Meistgebot, nimmt das Vollstreckungsgericht in amtlicher Eigenschaft mit dem Ziel seiner Verteilung an die betreibenden Gläubiger entgegen. Der Grundstücksumsatz unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrErWStG) und ist damit umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 9a UStG). Grunderwerbsteuerpflichtig ist der Meistbietende ( § 1 3 Nr. 4 GrErwStG). Optiert der Insolvenzverwalter für die Umsatzsteuer (§ 9 UStG), so verursacht er damit seit dem Inkrafttreten von § 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStDV am 1.1.1993 einen Anspruch des Fiskus gegen den Erwerber auf Einbehaltung und Abfuhrung der Umsatzsteuer. Optiert er nicht, so ist umstritten, ob etwaige Vorsteuerrückforderungsansprüche (§ 15a Abs. 1 i.V. mit Abs. 4 UStG) zu den Massekosten gehören 2 7 oder sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners richten. 2 8

26 27 28

BFH vom 19.12.1985 - V R 139/76-UR 1986,201. Weiß UR 1990, 201. FG Köln vom 31.5.1990-9 V 769/89 - Z I P 1990, 1287; UR 1989,218.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

113

Wird das Grundstück vom Insolvenzverwalter freihändig veräußert, so fällt in gleicher Weise Grunderwerbssteuer an, die in den vertraglichen Vereinbarungen regelmäßig dem Erwerber auferlegt wird. Bei der Verwertung von Grundstückszubehör ist zu unterscheiden, ob das Zubehör zusammen mit dem Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung veräußert wird (§§ 90, 55, 20 Abs. 2 ZVG, 1120 BGB), ob der Insolvenzverwalter das Zubehör unabhängig von der Grundstückszwangsversteigerung verkauft oder ob das Zubehör der Bank zur Sicherung übereignet ist. Die bei der Verwertung des Grundstücks samt Zubehör auf das Zubehör entfallende Umsatzsteuer geht zu Lasten der Masse. Sie ist nicht etwa vorab dem Erlös zu entnehmen und an das Finanzamt abzuführen. Der Versteigerungserlös ist vielmehr ungeschmälert an die Gläubiger in der Rangfolge herauszugeben, die § 10 ZVG vorsieht. Daran ändert auch die mit Wirkung vom 1.1.1993 neu gefaßte Vorschrift des § 5 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Umsatzsteuer-Durchfuhrungsverordnung nichts. Sie verpflichtet den Leistungsempfanger zur Einbehaltung und Abführung der Steuer nämlich nur hinsichtlich der „Lieferung von Grundstücken", von der das Zubehör jedoch rechtlich getrennt ist. Nach der Konkursordnung stellte die Umsatzsteuer eine Masseforderung nach § 58 Nr. 2 K O dar. Nach der InsO fallt sie demgemäß unter die Masseverbindlichkeiten des § 55 Abs. 1 Nr. 1, denn es handelt sich um eine Verbindlichkeit, die durch die Verwertung der Insolvenzmasse begründet wird. Einen Erstattungsanspruch gegen die Grundpfandrechtsgläubiger enthält die InsO nicht. Die hierfür einschlägigen Bestimmungen (§§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 2) beziehen sich ausdrücklich auf bewegliche Sachen und Rechte, zu deren Verwertung der Verwalter nach § 166 InsO berechtigt ist. Den Vorschlag, eine Umsatzsteuerabfuhrungspflicht für alle gesicherten Gläubiger unabhängig von der Art der Sicherheit zu begründen, hat der Rechtsausschuß des Bundestages abgelehnt. 2 9 Veräußert der Insolvenzverwalter das Zubehör unabhängig von dem Grundstück, so findet nur ein Umsatz statt. Im Gegensatz zur Sicherungsübereignung ist das Zubehör nämlich im Eigentum des Schuldners verblieben und geht unmittelbar von ihm auf den Erwerber über. Aus dem Umstand, daß anstelle des Schuldners der Insolvenzverwalter handelt, ergeben sich keine

29

BT-Dr. 12/7302 S. 178.

114

Harald Hess

umsatzsteuerlichen Folgen. 3 0 Dies bedeutet, daß der Insolvenzverwalter die vereinnahmte Umsatzsteuer abfuhren und den danach verbleibenden Erlös dem Grundschuldgläubiger überlassen muß. Eine gesonderte Problematik besteht bei der Verwertung von Betriebsvorrichtungen, die steuerlich als Mobilien und zivilrechtlich als Grundstücksbestandteile eingeordnet werden; hier wird die Verwertung der Umsatzsteuer unterworfen. 3 1

IV. M o b i l i a r s i c h e r h e i t e n Die Mobiliarsicherheiten lassen sich grob differenzieren nach —

(rechtsgeschäftlichen) Pfandrechten an beweglichen Gegenständen (vgl. §§ 1204 ff. BGB) bzw. Forderungen (vgl. §§ 1273 ff. BGB), denen im Hinblick auf die Publizitätserfordernisse (Besitz bei Pfandrechten an beweglichen Sachen bzw. Verpfändungsanzeige an den Drittschuldner bei der Forderungsverpfändung) in der Praxis nur relativ geringe Bedeutung zukommt; sie werden vorliegend daher nicht vertieft dargestellt.



besitzlosen (heimlichen) Sicherungsrechten, nämlich der — Sicherungsübereignung bzw. — Sicherungszession — Eigentumsvorbehalt.

1. Sicherungsübereignung a)

Wirksamkeilsvoraussetzungen

Die Begründung der bereits seit der frühen Rechtsprechung des Reichsgerichts gewohnheitsrechtlich anerkannte Sicherungsübereignung 3 2 richtet sich nach den Vorschriften des BGB über den Erwerb von Sachen (§ 929 ff. BGB).

30 31 32

Bundesminister der Finanzen v. 5.7.1976 - BStBl 1976 I, 379. Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Vgl. die Nachweise bei Häsemeyer, Insolvenzrecht, a.a.O. Rz. 18.27.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

115

Daher ist es erforderlich, daß sich der Eigentümer und der Erwerber darüber einig sind, daß das Eigentum auf den Erwerber übergeht und der Eigentümer dem Erwerber die Sachen entweder übergibt oder die Übergabe durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) oder durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) ersetzt wird. 33 Die Sicherungsübereignung ist zwar grundsätzlich nicht formbedürftig, 3 4 in der Praxis ist aber die schriftliche Formulierung schon aus Beweisgründen üblich. Zur Eigentumsübertragung durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs genügt es, wenn der Veräußerer mittelbarer Besitzer ist. Eine Übergabe nach § 933 BGB liegt nicht vor, wenn der Veräußerer ohne Wissen des Erwerbers die Sache an einen Dritten übergibt, der zu dieser Zeit weder Besitzdiener noch Besitzmittler des Erwerbes ist. Das gilt auch, wenn der Dritte später mit dem Erwerber ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. 35 Bei der in der Praxis häufigen Sicherungsübereignung eines Warenlagers muß der Spezialitäts- und Bestimmtheitsgrundsatz beachtet werden. 36 Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz besagt, daß über ein Recht an einer beweglichen Sache nur rechtswirksam verfugt werden kann, wenn die Sache bestimmt bezeichnet worden ist. Im Gegensatz zu einer Verfugung über Forderungen reicht die bloße Bestimmbarkeit nicht aus. 37 Die Einigung bei der Übereignung erfordert daher, daß die Parteien eine Vorstellung darüber haben, an welchen konkret bestimmten Sachen das Eigentum übergehen soll. 38 Es reicht nicht aus, daß sich die Übereignung auf nur mengen- oder wertmäßig bezeichnete Teile einer Sachgesamtheit bezieht. 39

33

34 35 36 37 38 39

Kuhn/Uhlenbruck KO, § 4 3 Rz. 17; BGH vom 12.2.1959 - VIII ZR 18/58 WM 1959, 561; vom 10.7.1961 - II ZR 222/59 - WM 1961, 1046, 1048; vom 22.6.1977 - VIII ZR 297/75 - WM 1977, 1090. OLG Düsseldorf vom 31.7.1957 - 9 U 76/57 - KTS 1959, 25. Vgl. BGH vom 28.9.1977 - VIII ZR 82/76 - WM 1977, 1353. BGH vom 24.11.1965 - VIII ZR 222/63 - BB 1966, 12; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 48 Rz. 13a; Kilger/Karsten Schmidt, KO/VglO/GesO, § 48 KO, 5a. BGH vom 1.4.1963 - VIII ZR 211/61 - WM 1 9 6 3 , 5 0 4 , 5 0 5 . BGH vom 13.6.1956 - IV ZR 24/56 - BGHZ 21, 52. RG vom 28.2.1902 - Rep II 193/02 - RGZ 52, 385, 394; vom 7.11.1921 - II 199/21 - RGZ 1 0 3 , 1 5 1 , 1 5 3 ; vom 4.3.1930 - VII 328/29 - RGZ 127, 337, 340; vgl. dazu auch Lwowski ZIP 1980, 953 ff.

116

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Der B G H verlangt für die Wirksamkeit der Sicherungsübereignung vielmehr, daß die übereigneten Waren für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eindeutig im Vertrag bestimmt sind. 40 Das Sicherungsgut ist nicht bestimmt genug - nur bestimmbar - bezeichnet, wenn außerhalb des Vertrages liegende Umstände herangezogen werden müssen, um klarzustellen, welche Waren zur Sicherung übereignet werden sollen. 41 Waren in einem Lager sind bestimmt bezeichnet, wenn alle im Lager vorhandenen Waren zur Sicherung übereignet werden. Sie können dann unter einer üblichen Sammelbezeichnung 4 2 oder durch Einzelaufzählung aller Waren als Sicherungsgut erfaßt werden. Hinsichtlich des Warenlagers mit wechselndem Bestand verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, daß hinsichtlich der später hinzutretenden Waren durch ein einfaches, nach außen erkennbares Geschehen im Zeitpunkt des Eigentumsüberganges für jeden, der die Parteiabreden kennt, ohne weiteres ersichtlich sein muß, welche individuell bestimmten Sachen übereignet sind. 43 Ein Warenlager mit wechselndem Bestand, das in vertraglich festgelegten Räumen untergebracht ist und neben Eigengut des Sicherungsgebers auch Vorbehaltsware enthält, ist im Hinblick auf die Bestimmtheit wirksam zur Sicherung übertragen, wenn der Sicherungsgeber in erster Linie das Anwartschaftsrecht auf das Eigentum an allen Waren im Lager überträgt und zusätzlich die Waren übereignet, die schon bei Vertragsabschluß sein Eigentum sind oder die ihm später gehören. 4 4 Der sachenrechtliche Spezialitätsgrundsatz besagt, daß dingliche Rechte nicht am Warenlager selbst, sondern nur an jedem einzelnen Gegenstand am Lager begründet werden können. Infolgedessen sind bei einer Sicherungsübereignung so viele Einzelverfügungen erforderlich, wie sich Gegenstände im Lager befinden. Jede Verfügung muß in der Form vorgenommen werden, die zur Übertragung des Rechts (des Eigentums, der Anwartschaft, des

40 41 42 43 44

BGH vom 27.9.1960-VIII ZR 230/59-WM 1960, 1223, 1226. BGH vom 1.4.1963 - VIII ZR 211/61 - WM 1963, 504, 505. „Der gesamte Bestand an Rohmaterial, Halbzeug und Fertigfabrikaten" usw.; BGH vom 24.6.1958 - VIII ZR 205/57 - NJW 1958, 1133. BGH vom 29.4.1958-VIII ZR 211/57-WM 1958, 673, 674; vom 27.9.1960 VIII ZR 230/59 - WM 1960, 1223, 1226. BGH vom 24.6.1958 - VIII ZR 205/57 - NJW 1958, 1133; vgl. auch insbesondere Serick Bd. II § 21 \ Berges KTS 1962, 129 m.w.N.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

117

Miteigentums oder der Anwartschaft auf das Miteigentum) an dem jeweiligen Gegenstand gilt. Die einzelnen gleichartigen Verfügungen lassen sich zu einer Einheit zusammenziehen. Die Sicherungsübereignung kann unter bestimmten Umständen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein (§ 138 BGB) nämlich dann wenn der Vertrag gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wobei vor allem die Anschauungen der in Betracht kommenden Kreise, hier der ehrbaren Kaufmannschaft, zu berücksichtigen sind. 45 Nichtigkeit gem. § 138 BGB kann ebenfalls vorliegen, wenn ein Sicherungsübereignungsvertrag den Tatbestand der Insolvenzverschleppung und Gläubigergefährdung erfüllt. 46 Erfüllt der Abschluß eines Sicherungsübereignungsvertrages den Tatbestand der Gläubigergefährdung, so ist der Vertrag nichtig, wenn beide Vertragsteile beim Vertragsabschluß die von ihnen mindestens als möglich erkannte Schädigung künftiger Kreditgeber in Kauf genommen haben. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Gläubigergefährdung müssen jedoch noch zu dem Zeitpunkt vorgelegen haben, als der Vertrag wirksam wurde. 47 Eine Bank, die einem insolvenzreifen Unternehmen zum Zwecke der Sanierung einen Kredit gegen Sicherheitsleistungen gewährt und dadurch bewirkt, daß möglicherweise Dritte zu ihrem Schaden über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens getäuscht werden, ist in der Regel verpflichtet, vor der Krediteinräumung durch einen branchenkundigen Wirtschaftsfachmann eingehend und objektiv prüfen zu lassen, ob das Sanierungsvorhaben Erfolg verspricht. Unterläßt sie diese Prüfung, ohne stichhaltige Gründe dafür zu besitzen, oder konnte sie aufgrund der Prüfung nicht von den Erfolgsaussichten des Vorhabens überzeugt sein, dann sind die im Zusammenhang

45 46

47

BGH vom 11.10.1961 - VIII ZR 113/60 - WM 1961, 1297. Vgl. BGH vom 9.7.1953 - IV ZR 242/52 - BGHZ 10, 228; OLG Schleswig vom 2.10.1981 - 11 U 160/80 - WM 1982, 25; Rümker KTS 1981, 493 ff.; Uhlenbruch Gläubigerberatung in der Insolvenz, S. 112 ff.; Serick Bd. III § 30 und § 31; Lwowski, Insolvenzpraxis für Banken, S. 40 ff.; RG vom 20.10.1930 - VIII 229/30 - RGZ 130, 143; BGH vom 16.12.1964 - VIII ZR 47/63 - WM 1965, 245, 248; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 19i. BGH vom 28.5.1951 - IV ZR 5/51 - MDR 1951, 604.

118

Harald Hess

mit der Kreditgewährung geschlossenen nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. 48

Sicherungsübereignungsverträge

b) Die Rechte des Sicherungsgebers in der Insolvenz des Sicherungsnehmers Da aufgrund der Treuabrede im Rahmen der Sicherungsübereignung das Sicherungsgut nicht endgültig dem Vermögen des Sicherungsnehmers zugeführt werden soll, sondern der Sicherungsnehmer lediglich gegenüber dem Sicherungsgeber dinglich gesichert sein soll, bis eine Forderung des Sicherungsnehmers gegen den Sicherungsgeber ausgeglichen ist, steht dem Sicherungsgeber in der Insolvenz des Sicherungsnehmers ein Aussonderungsrecht zu, 49 wenn der Sicherungsnehmer ausnahmsweise unmittelbarer Besitzer ist, mit der Maßgabe, daß das Aussonderungsrecht erst dann durchgesetzt werden kann, wenn das Recht des Insolvenzverwalters zum Besitz erloschen ist. c) Die Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Sicherungsgebers Während im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung der Sicherungseigentümer gegen die Pfändung des Sicherungsgutes mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) vorgehen kann, steht dem Sicherungsnehmer in der Insolvenz des Sicherungsgebers kein Aussonderungsrecht, sondern nur ein Absonderungsrecht zu. 50

48 49

50

BGH vom 9.7.1953 - IV ZR 242/52 - BGHZ 10, 228. RG vom 30.11.1917 - Rep II 243/17 - RGZ 91, 280; vom 2.3.1918 - Rep V 329/17 - RGZ 92, 281; vom 9.4.1929 - VII 536/28 - RGZ 124, 73; BGH vom 1 2 . 2 . 1 9 5 9 - V I I ZR 2 1 5 / 5 8 - W M 1959,372; vom 21.12.1961 - III ZR 162/60 - WM 1962, 180, 181; vom 5.11.1964 - VII ZR 2/63 - WM 1965, 84, 85; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 15c. RG vom 14.10.1927 - VII 122/27 - RGZ 118, 209; vom 9.4.1929 - VIII 536/28 - RGZ 124, 73, 75; vom 2.10.1934 - VII 57/34 - RGZ 157, 40, 45; BGH vom 24.6.1952 - 1 StR 153/52 - BGHSt 3, 32, 35; vom 12.2.1959 VII ZR 215/58 - WM 1959, 372; vom 24.10.1962 - VIII ZR 126/61 - WM 1962, 1316; vom 5.11.1964 - VII ZR 2/63 - WM 1965, 84, 85; vom 23.11.1977 - VIII ZR 7/76 - WM 1977, 1422; OLG Düsseldorf vom 2 1 . 1 1 . 1 9 6 6 - 12 U 1 2 0 / 6 6 - D B 1966, 2018, 2019; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 15c, 16.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

119

Die unterschiedliche Behandlung des Sicherungseigentums in der Einzelzwangsvollstreckung und in der Insolvenz beruht darauf, daß das Sicherungsgut dem Sicherungseigentümer nicht endgültig gehören soll, sondern aufgrund der bestehenden Treuabrede nur dazu dient, die dem Sicherungsnehmer gegen den Sicherungsgeber zustehende persönliche Forderung zu sichern. 51 Da der Sicherungsnehmer nur vorzugsweise Befriedigung aus dem Gegenstand suchen darf, gehört das Sicherungsgut zur Insolvenzmasse i. S. d. § 35 InsO. aa)

Verwertungsrecht

Zur Verwertung des Sicherungsgutes ist - abweichend von der bisherigen Rechtslage nach der KO, wonach dem Sicherungsnehmer entgegen des Wortlauts des § 127 Abs. 1 K O in entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 K O das Verwertungsrecht zugestanden wurde 5 2 und er, wenn sich das Sicherungsgut im Besitz des Konkursverwalters befand, zum Zwecke der Befriedigung einen Herausgabeanspruch geltend machen konnte 5 3 - nach § 166 Abs. 1 InsO nunmehr der Insolvenzverwalter berechtigt, wenn er die Sache in Besitz hat. 5 4 Nach der Konkursordnung oblag die Verwertung beweglicher Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, demgegenüber regelmäßig dem Gläubiger. Der Gläubiger konnte den Gegenstand ohne Rücksicht auf die Interessen der übrigen Gläubiger an einer wenigstens zeitweisen Betriebsfortfuhrung an sich ziehen und den Erlös bis zur Höhe seiner Forderung vereinnahmen. Der Gesetzgeber sah darin die „Hauptursache für die Zer-

51 52 53 54

RG vom 9.4.1929 - VII 536/28 - RGZ 124, 73, 75; BGHSt a.a.O.; OLG Karlsruhe vom 19.10.1961 - 4 U 5/61 - KTS 1962, 116, 118; Kuhn/ Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 15. KG vom 2.9.1955- 12 U 1774/55 - JZ 1956, 123, 124. RG vom 1.2.1938 - VII 174/37 - RGZ 157, 40, 45; KG vom 2.9.1955 - 12 U 1774/55 - JZ 1956, 123, 124; BGH vom 23.11.1977 - VIIIZR 7/76 - WM 1977, 1422; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 16b. Ausreichend ist insofern auch mittelbarer Besitz des Insolvenzverwalters, wenn er in einer Kette von Besitzmittlungsverhältnissen dem unmittelbaren Besitz näher steht als der Gläubiger, vgl. Smid, WM 1999, 1141; Marotzke, ZZP 109 (1996), 429, 443; Heidelberger-Komm./La«i//eraan«, InsO, § 166, Rz. 11.

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schlagungsautomatik" der Konkursordnung. 5 5 Die Insolvenzrechtsreform wollte diesem Übel entgegentreten. Sie enthält zwei Schwerpunkte: 5 6 — —

Übergang des Verwertungsrechts auf den Verwalter, Kostenbeteiligung der gesicherten Gläubiger.

Für die Verwertungsbefugnis des Verwalters ist ausschlaggebend, daß er die Sache in Besitz hat (§ 166 Abs. 1 InsO). 5 7 Wenn der Gläubiger vorher seinen Herausgabeanspruch geltend gemacht und das Sicherungsgut zum Zweck der Verwertung an sich gezogen hat, kann er die Verwertung fortsetzen. Eine Rückgabepflicht an den Verwalter besteht nicht. Dadurch entfallen für dieses Sicherungsgut auch die später noch zu erörternden Kostenbeiträge. Für das Verwertungsrecht des Verwalters ist es ausreichend, daß er den Besitz im Antragsverfahren in seiner Eigenschaft als vorläufiger Verwalter erworben hat und daß ein Veräußerungsverbot erlassen war. Von diesem Zeitpunkt an konnte er eine Herausgabe an den Gläubiger abwehren. Er muß den Besitz aber tatsächlich übernommen haben. bb) Auskunftsrecht der Gläubiger Den Gläubigern, deren Sicherungsgut der Verwalter verwerten darf, stehen Auskunftsrechte zu (§ 167 InsO). Hintergrund dieser Vorschriften sind die Regelungen, die den gesicherten Gläubigem Gelegenheit zum Hinweis auf günstigere Verwertungsmöglichkeiten und ein Eintrittsrecht in geplante Verwertungsgeschäfte des Verwalters sowie Schutz vor einer Verzögerung der Verwertung gewähren (§§ 168, 169 InsO). Die Wahrnehmung dieser Rechte wird den Gläubigem erleichtert, wenn sie über den Zustand der Sachen und über die Höhe und Fälligkeit der Forderungen und etwa vom Drittschuldner erhobenen Einwendungen oder über Ausfälle unterrichtet sind. Der Verwalter kann die Gläubiger darauf verweisen, sich selbst vom Zustand der Sachen zu überzeugen oder die Geschäftsunterlagen über die Forderungen einzusehen (§ 167 InsO).

55 56 57

BT-Dr. 12/2443 S. 86. Vgl. zur Neuregelung auch Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band II, § 90 Rz. 380 ff. Vgl. zu den possessorischen Ansprüchen des Verwalters auf Wiedereinräumung des Besitzes gegenüber renitenten Sicherungsgläubigem Smid WM 1999, 1141, 1153.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

121

cc) Eintrittsrecht der Gläubiger Ob ein Verwalter stets bessere oder wenigstens die gleichen Möglichkeiten zur Verwertung von Sicherungsgut besitzt wie der Gläubiger, ist im Laufe der Reformdiskussion heftig umstritten gewesen. Die InsO sucht den Kompromiß in § 168 InsO, wonach der Verwalter dem absonderungsberechtigten Gläubiger mitteilen muß, auf welche Weise der Gegenstand verwertet werden soll. Dies gilt nicht nur für die Verwertung von Sachen, sondern auch von Forderungen, wenn diese anders als durch Einziehung, also z.B. durch Verkauf an einen Faktor, Forfaiteur oder ein Inkassounternehmen realisiert werden sollen. Der Gläubiger hat dann innerhalb einer Woche Gelegenheit, den Verwalter auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen. Ein verspäteter Hinweis ist nur dann beachtlich, wenn er rechtzeitig vor der Veräußerung erteilt wird. Der Verwalter muß entweder diese Verwertungsmöglichkeit wahrnehmen oder den Gläubiger so stellen, wie wenn er sie wahrgenommen hätte. Die günstigere Verwertungsmöglichkeit kann auch darin bestehen, daß der Gläubiger den belasteten Gegenstand zu den vorgesehenen Bedingungen selbst übernimmt. Auf seine Forderung wird lediglich der mit dem Verwalter vereinbarte Preis verrechnet. Das Risiko eines Mindererlöses und die Chance eines Mehrerlöses liegen bei dem Gläubiger. Ein späterer Mehrerlös bei einem Weiterverkauf muß also nicht angerechnet werden. Der Gläubiger muß eine konkrete Verwertungsmöglichkeit nachweisen, d.h. einen zum Abschluß bereiten Dritten benennen und die Konditionen angeben. dd) Ausgleichsansprüche bei Nutzung Befürchtungen der absonderungsberechtigten Gläubiger, der Verwalter könne sein Verwertungsrecht dazu mißbrauchen, daß er untätig bleibt und den Verkauf nicht zügig betreibt, beugt die InsO durch die allgemeine Verwertungspflicht nach dem Berichtstermin (§159 InsO) und vor allem dadurch vor, daß der Gläubiger vom Berichtstermin an laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse fordern kann (§ 169 InsO). Der Zinssatz richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Wenn der Schuldner sich in Verzug befindet, können auch Verzugszinsen verlangt werden.

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Zusätzlich wird dem Gläubiger ein Ausgleichsanspruch zugebilligt, falls der Verwalter den Gegenstand für die Insolvenzmasse benutzt und dadurch ein Wertverlust eintritt. Auch hier hat der Verwalter von der Eröffnung des Verfahrens an laufende Zahlungen an den Gläubiger zu leisten, jedoch nur unter den Voraussetzungen, daß der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des Gläubigers beeinträchtigt (§ 172 Abs. 1 InsO). § 172 InsO geht weiter als die Regelung für Grundstücke, was sich aus der Natur der Sache erklärt: Der Verwalter darf Mobiliarsicherungsrechte für die Masse verbrauchen, sei es durch Verkauf, sei es durch Verarbeitung; allerdings darf er den Wert der Sicherheit nicht beeinträchtigen. ee)

Freigabe

Der Verwalter ist nicht gezwungen, von seinem Verwertungsrecht Gebrauch zu machen. Statt dessen kann er dem Gläubiger die Verwertung überlassen (§ 170 Abs. 2 InsO). 5 8 Dies ist zweckmäßig, wenn der Gläubiger günstigere Verwertungsmöglichkeiten besitzt, etwa weil er sich in der betreffenden Branche oder im Land des Drittschuldners besser auskennt. Die Freigabe hat wie im früheren Konkursverfahren zur Folge, daß der Gegenstand von insolvenzbefangenen in das freie Vermögen des Schuldners überführt wird. 5 9 ff) Kostenbeteiligung der Kreditsicherungsgläubiger Die Verwertung von Sicherungsgut ist mit Kosten verbunden, die den Erlös schmälern. Sie entfallen auf die Feststellung, welche Gegenstände dem jeweiligen Sicherungsvertrag unterliegen und auf die Verwertung selbst. Für die Kosten der Feststellung und der Verwertung hat die InsO eine ausdrückliche Regelung getroffen, nicht aber für die Kosten der Erhaltung des Sicherungsguts von der Verfahrenseröffnung bis zur Verwertung und den Verwaltungsaufwand. 6 0 Aus dem Erlös 6 1 von Mobiliarsicherheiten, zu deren Verwertung der Verwalter berechtigt war, d.h. von Sicherungseigentum, Sicherungsab58 59 60 61

Vgl. dazu auch Lwowski/Heym WM 1999, 600. Böhle-Stamschräder NJW 1957, 1535; Probst BB 1991, 1390, BGH vom 12.5.1980 - VIII ZR 167/79 - ZIP 1980, 524; Smid WM 1999, 730; a.A. FG Baden-Württemberg vom 26.11.1981 - III 54/87 - EFG 1982, 381. Heidelberger-K.omm./£ani#ermarcn, InsO, § 170, Rz. 4; Neriich/RömermannBecker, InsO, § 170 Rz. 13. D.h. der Bruttoerlös einschl. Umsatzsteuer vgl. Lwowski/Heym, WM 1999, 600.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

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tretung, Pfändungspfandrechten und gesetzlichen Pfandrechten hat der gesicherte Gläubiger einen Kostenbeitrag 62 an die Masse zu entrichten. Dieser Kostenbeitrag unterscheidet sich zunächst danach, wer die Verwertung tatsächlich betrieben hat. Hat der Verwalter den Gegenstand (Sache oder zur Sicherung abgetretene Forderung) verwertet, so sind aus dem Verwertungserlös — 4% des Erlöses für die Kosten der Feststellung als Pauschale, — 5% des Erlöses für die Kosten der Verwertung 63 als Pauschale mit der Möglichkeit, die Pauschale durch die tatsächlich entstandenen Kosten abzulösen, falls diese erheblich niedriger oder erheblich höher 64 — 16% des Erlöses für die Umsatzsteuer, sofern diese durch die Verwertung zu Lasten der Masse ausgelöst wird, zu entnehmen. Hat der Verwalter dem Gläubiger die Verwertung des Gegenstandes bzw. der Forderung überlassen, so sind — 4% des Erlöses für die Kosten der Feststellung, — 15% des Erlöses für die Umsatzsteuer, sofem durch die Verwertung solche zu Lasten der Masse ausgelöst wird, an die Masse abzuführen. Die obigen Kostenbeiträge sind nur zu entrichten, wenn ein Verwalter eingesetzt ist. Bei Eigen Verwaltung unter der Aufsicht eines Sachwalters entfallen die Feststellungskosten (§ 282 Abs. 1 InsO). Verwertungskosten können von dem Erlös nur abgezogen werden, sofern sie tatsächlich entstanden sind; eine P a u s c h a l i e r u n g ist nicht möglich. Der Umsatzsteuerbetrag darf angesetzt werden. Der Ausfall des Gläubigers berechnet sich aus seiner Forderung abzüglich des nach Entnahme der Kostenbeiträge verbleibenden Sicherheitenerlöses. gg) Zeitpunkt der Verwertung Der Verwalter hat die Verwertung unverzüglich zu betreiben. Soweit der Gläubiger zur Verwertung berechtigt ist, kann das Insolvenzgericht auf

62 63 64

Dies wird bei einer Abweichung von 50% angenommen vgl. Lwowski/Heym, W M 1999, 600; kritisch zur Höhe der Kostenbeiträge Smid W M 1999, 703. Z u m Begriff vgl. Lwowski/Heym, W M 1999, 600. Vgl. dazu Smid W M 1999, 730, der insofern vor allem auf die Fälle abstellt, in denen ein professioneller Verwerter eingeschaltet wird.

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Antrag des Verwalters und nach Anhörung des Gläubigers letzterem eine Frist setzen, nach deren fruchtlosem Ablauf das Verwertungsrecht auf den Verwalter übergeht (§ 173 InsO). Dies gilt nicht für Sicherheiten, die dem Verwertungsrecht des Verwalters unterlagen, deren Verwertung er aber dem Gläubiger überlassen hat. Denn § 173 InsO bezieht sich nur auf solche Sicherheiten, zu deren Verwertung der Verwalter überhaupt nicht berechtigt war. Mit der Verwertung muß nicht bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Rreditlaufzeit gewartet werden. Denn Kontokorrentkredite werden mit Beendigung des Bankvertrages infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallig.

2. Sicherungsabtretung Die Sicherungsabtretung ist wie die Sicherungsübereignung durch einen Widerspruch zwischen ihrer rechtlichen Tragweite und ihrem wirtschaftlichen Zweck gekennzeichnet: Der Sicherungsnehmer erwirbt bei der Sicherungsabtretung rechtlich die volle Gläubigerstellung, nach der zwischen den Parteien vereinbarten Sicherungsabrede sollen ihm aber nur Befugnisse, ähnlich denen eines Pfandgläubigers zustehen. 65 Modalitäten der Sicherungsabtretung stellen dar — die Mantelzession (s.u.) — die Globalzession (s.u.) — das unechte Factoring Die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Sicherungsabtretung beurteilen sich nach §§ 398 ff. BGB. Sie ist formlos möglich. Beachtet werden muß bei der Sicherungsabtretung vor allem, daß die abzutretenden Forderungen bestimmbar sind. Die Sicherungsabtretung einer schon bestehenden Einzelforderung wirft keine besonderen insolvenzrechtlichen Probleme auf. 66 Anders verhält es sich bei Mantelzessionen und Globalzessionen, da sie neben den gegenwärtigen auch die künftigen Forderungen erfassen sollen.

65 66

Vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 398 Rz. 10 ff. Vgl. zu den zivilrechtlichen Voraussetzungen Palandt/Heinrichs, Rz.10 ff.

BGB, § 398

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

125

Bei einer Sicherungsabtretung einer Forderung genügt es nicht, daß sich nur im Verhältnis zwischen Zedenten und Abtretungsempfänger ermitteln läßt, wer von ihnen wieviel vom Schuldner fordern kann. Vielmehr muß auch der Schuldner, mindestens in gewissen Grenzen, aus dem Abtretungsvertrag entnehmen können, wie eine nur teilweise abgetretene Forderung sich auf den Zedenten und Abtretungsempfänger aufteilt und wieviel er deshalb an jeden von beiden zu leisten hat.

a)

Mantelzessionen

Maßgebend für den Forderungserwerb aufgrund einer Mantelzession ist die Lage im Zeitpunkt des Zugangs der Zessionsliste. Erhält die Bank die Zessionsliste nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzantragstellung, kann sie zwar die Forderung zunächst erwerben, muß aber mit einer Insolvenzanfechtung rechnen (§§ 129ff. InsO). Die Anfechtung greift durch, wenn der Bank die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt war. Erhält die Bank die Zessionsliste nach Anordnung eines allgemeinen Verfugungsverbots im Insolvenzantragsverfahren oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann die Bank die Forderungen nicht mehr erwerben. Auch ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich.

b)

Globalzessionen

Bei einer Globalzession ist die Abtretungsvereinbarung im Zessionsvertrag enthalten. Demgemäß bedarf es nur der Entstehung der Forderung, um sie auf die Bank als Gläubigerin übergehen zu lassen. Entsteht eine Forderung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag, so geht sie auf die Bank über. Der Rechtserwerb ist anfechtbar, wenn der Bank die Zahlungsunfähigkeit oder der Insolvenzantrag bekannt war.

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Entsteht die Forderung nach Anordnung eines allgemeinen Verfiigungsverbots im Insolvenzantrags verfahren oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist der Erwerb der Forderungen nicht mehr möglich. 6 7 Entstanden ist eine Forderung nicht erst mit Fälligkeit, sondern gewöhnlich schon mit Abschluß des Vertrages. Die Wirksamkeit des Forderungsübergangs wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß etwa die Lieferung oder Leistung erst nach Anordnung des allgemeinen Verfiigungsverbots bzw. der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter bewirkt wird. 6 8

c) Behandlung in der

Insolvenz

Ähnlich geregelt wie die Verwertung von sicherungsübereigneten Gegenständen in der Insolvenz ist die Verwertung von Sicherungsrechten an Forderungen. aa)

Verwertungsrecht

Eine Forderung, die der Schuldner der Bank zur Sicherung abgetreten hat, darf der Verwalter einziehen (§ 166 Abs. 2 InsO). Das Verwertungsrecht geht auf den Verwalter mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über. Eine „Inbesitznahme" wie bei Sachen ist bei Forderungen nicht möglich und daher auch nicht nötig. Wenn die Bank mit der Verwertung der Sicherungsabtretung schon vor der Verfahrenseröffnung begonnen, d.h. die Abtretung offengelegt und Forderungen eingezogen hatte, darf sie den Erlös behalten. Der Ubergang des Verwertungsrechts wirkt nämlich nur ex nunc. Anders als bei sicherungsübereigneten Sachen darf die Bank bei Forderungen die Verwertung nicht fortsetzen.

67 68

BGH vom 5.1.1955 - IV ZR 154/54 - WM 1955, 338; vom 30.6.1959 VIII ZR 11/59-WM 1959, 944; vom 14.5.1975 - VIII ZR 254/73 - WM 1975, 534. OLG Stuttgart vom 8.7.1983 - 2 U 217/82 - WM 1985, 325; LG Bielefeld vom 23.9.1983 - 6 O 1052/81 - Z I P 1983, 1319; OLG Hamm vom 20.9.1984 - 27 U 3 9 3 / 8 3 - W M 1985,841.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

127

bb) Auskunftsrecht Ähnlich wie bei beweglichen Sachen besteht nach § 67 Abs. 2 InsO auch ein Auskunftsrecht des Sicherungszessionars gegenüber dem Insolvenzverwalter. Die zu erteilende Auskunft des Insolvenzverwalters muß dabei so umfassend sein, wie es für eine umfassende Beurteilung der Verwertungschancen erforderlich ist. Daher ist in der Regel eine gründlich aufbereitete Aufstellung zu erstellen. 69 Anstelle der Auskunft kann der Insolvenzverwalter dem Absonderungsberechtigten auch die Einsichtnahme in die Bücher und Geschäftspapiere gestatten. Die Einsichtnahme muß unter zumutbaren Bedingungen gewährt werden. Einen Anspruch auf Überlassung der Unterlagen hat der Gläubiger nicht. Dem Gläubiger muß bei der Einsichtnahme die Möglichkeit eröffnet werden, sich Kopien oder Abschriften zu fertigen. Läßt der Gläubiger die Gelegenheit der Einsichtnahme ungenutzt verstreichen, so büßt er seinen Auskunftsanspruch ein. 70 cc) Einflußnahme auf die Verwertung Der Sicherungszessionar kann über § 168 InsO Einfluß nehmen auf die Art und Weise der Verwertung, d.h. er hat gegenüber dem Insolvenzverwalter einen Anspruch darauf, über geplante Verwertungsmaßnahmen informiert zu werden und kann Hinweise zu günstigeren Verwertungsaltemativen geben. 71 dd) Ausgleichsansprüche bei verzögerter Verwertung Dem Sicherungszessionar steht im Fall der verzögerten Verwertung durch den Insolvenzverwalter der in § 169 InsO geregelte Anspruch auf Ausgleich der laufenden Zinsen ab dem Berichtstermin zu. 72

69

70 71 72

Vgl. Becker in Nerlich/Römermann InsO § 167 Rz. 18; Wittig in Karsten Schmidt/W. Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 2. Aufl. 1999, Rz. 951. Becker in Nerlich/Römermann InsO § 167 Rz. 19. Vgl. Wittig in Karsten Schmidt!W. Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, a.a.O., Rz. 952. Siehe oben; vgl. zur Anwendbarkeit des § 169 InsO auf Forderungen auch Kemper in Kübler/Prütting, InsO, § 169 Rz. 3.

128 ee)

Harald Hess Kostenbeitrag

Die in §§ 170, 171 InsO normierten Feststellungs- und Verwertungskostenbeiträge sind auch von den Gläubigern sicherungshalber abgetretener Forderungen zu leisten (s.o.). Hierbei ist zu beachten, daß bei der Einziehung der Forderung durch den Insolvenzverwalter oder deren sonstige Verwertung anders als bei beweglichen Sachen keine Umsatzsteuer anfällt. 7 3 Verzichtet der Insolvenzverwalter auf sein Verwertungsrecht, so fallen nur Feststellungskosten an.

3. Pfandrechte a) Pfandrecht

an Sachen

Sachen, an denen der Gläubiger ein Vertragspfandrecht erworben hat, sind vom Verwertungsrecht des Verwalters grundsätzlich ausgenommen. Dies erklärt sich aus dem Hintergrund der Regelung: Mit der Übertragung des Verwertungsrechts für besitzlose Mobiliarsicherungsrechte auf den Verwalter sollte nämlich in erster Linie verhindert werden, daß nach Eröffnung eines Verfahrens die Sicherungsrechte aus dem Unternehmensverbund herausgelöst werden und damit das insolvente Unternehmen Betriebsmittel verliert, die für seine Fortführung, auch wenn es nur eine einstweilige Fortfuhrung sein mag, unentbehrlich sein können; die Chancen für eine Sanierung des Unternehmens oder für eine Gesamtveräußerung oder auch nur den Verkauf von Betriebsteilen können durch die Herausnahme wesentlicher Gegenstände erheblich beeinträchtigt oder ganz vereitelt werden. Dies gilt naturgemäß nicht für Vertragspfandrechte, von denen dem AGBPfandrecht der Bank wohl die größte Bedeutung zukommt. Diese Pfandrechte können nur unter einem Besitzverlust auf Seiten des Schuldners begründet werden. Wenn der Schuldner sich damit einverstanden erklärt, so zeigt dies, daß der Gegenstand für den Betrieb nicht notwendig ist. Sollte der Verwalter wider Erwarten dennoch auf diesen Gegenstand angewiesen sein, sollte er nach dem Regierungsentwurf die Möglichkeit haben, beim Insolvenzgericht die Herausgabe zu beantragen (§ 199 ElnsO). Die Gesetzesfassung hat zur Entlastung der Gerichte auf diesen Weg verzichtet und den

73

Vgl. Kemper in Kübler/Prütting, InsO, § 1671 Rz. 15.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

129

Verwalter darauf verwiesen, zwingend notwendige Gegenstände durch Berichtigung der gesicherten Forderung auszulösen. 74 Demgegenüber darf der Verwalter gesetzliche Pfandrechte, zu deren Begründung der Gläubiger nicht den Besitz erwerben mußte, verwerten, sofern er sie seinerseits in Besitz nehmen kann. Das gleiche gilt für Pfändungspfandrechte. Hier kommt es wie bei der Sicherungsübereignung darauf an, ob der Gläubiger sein Pfandrecht schon vor der Insolvenz geltend gemacht und den Pfandgegenstand zum Zweck der Verwertung an sich gezogen hat. Soweit der Verwalter zur Verwertung des Pfandrechts nicht befugt ist, steht ihm auch kein Kostenbeitrag für die Masse zu. Denn weder Feststellungs- noch Verwertungskosten können bei ihm anfallen. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, die beim Verkauf der Sache vereinnahmte Umsatzsteuer abzuführen. Eine Verwertung von Sicherungsgut, für das der Verwalter keine Vewertungsbefugnis hatte, weil er nie im Besitz der Sache war, und die durch den Gläubiger nach Verfahrenseröffnung erfolgte, fällt weder unter die Neufassung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 USTDV noch unter die Regelungen der §§ 170, 171 InsO. 75

b) Pfandrecht an Forderungen Verpfändete Forderungen werden auch im eröffneten Insolvenzverfahren stets vom Pfandgläubiger verwertet. Dies ergibt sich aus der Formulierung von § 166 InsO und dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags, der diese Auslegung ausdrücklich bestätigt. 76 Für Kreditinstitute, die das Einziehungsrecht des Verwalters, das diesem bei Sicherungsabtretungen zusteht, vermeiden wollen, liegt es nahe, auf die Verpfändung von Forderungen zurückzugreifen. Auf die Verpfändung werden allerdings die Kunden nicht ohne weiteres ausweichen wollen. Denn sie ist nur wirksam, wenn sie dem Drittschuldner angezeigt wird (§ 1280 BGB). Dieses Anzeigeerfordernis aber ist der wesentliche Grund, der zur Bildung des Instituts der Sicherungszession geführt hat.

74 75 76

BT-Dr. 12/7302 S. 178. Onuwe/fKTS 1994, 3. BT-Dr. 12/7302 S. 176.

130

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Gepfändete Forderungen darf in der Insolvenz des Pfändungsschuldners auch nach der Reform der Pfandgläubiger einziehen. Der Übergang des Verwertungsrechts auf den Verwalter beschränkt sich auf die Sicherungsabtretung (§ 166 Abs. 2 InsO).

4. Eigentumsvorbehalt a) Der einfache

Eigentumsvorbehalt

Bei dem einfachen Eigentumsvorbehalt wird die Übereignung einer Sache an die aufschiebende Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises gebunden, während der Besitz an den Sachen dem Käufer schon vorher übertragen wird. Der B G H läßt die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts auch noch nachträglich bei der Übergabe zu. 7 7 Bei sich widersprechenden Einkaufs- und Verkaufsbedingungen ist der tatsächliche Wille der Parteien zu ermitteln. 7 8 Liegt jedoch ein Dissens vor, ist der Eigentumsvorbehalt nicht wirksam vereinbart. 79 Ein in dem AGB des Verkäufers enthaltener Eigentumsvorbehalt wird aber auch dann wirksam, wenn die AGB des Verkäufers eine Abwehrklausel beinhalten. Die Kollision von Verkaufs- und Einkaufsbedingungen auf der schuldrechtlichen Ebene läßt die Wirksamkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäfts unberührt. Auf den Eigentumsvorbehalt in den allgemeinen Verkaufsbedingungen wird nur zur Auslegung der dinglichen Willenserklärung des Verkäufers zurückgegriffen. 8 0 Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß ein in den Verkaufsbedingungen enthaltener Eigentumsvorbehalt trotz einer Abwehrklausel

77 78 79 80

BGH vom 25.10.1978 - VIII ZR 206/77 - WM 1978, 1322; vom 29.10.1974 VI ZR 168/73 - NJW 1975, 169; OLG Hamburg vom 21.6.1977 - 7 U 7/77 NJW 1978, 222; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 28d. Kilger/K. Schmidt, KO/VglO/GesO, § 43 KO, 3a m.w.N. geht davon aus, daß die sich widersprechenden Bedingungen grundsätzlich nicht vereinbart sind. OLG Hamm vom 6.7.1978 - 5 U 351/77 - BB 1979, 701; OLG Köln vom 19.3.1980 - 2 U 95/79 - WM 1980, 905. Vgl. BGH vom 3.2.1982-VIII ZR 316/80-WM 1982,486.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

131

in den Einkaufsbedingungen wirksam werden kann. 8 1 Falls der Käufer die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware weiterverarbeitet, kann er trotz eines Verarbeitungsverbots des Lieferanten originäres Eigentum an der neuen Sache erwerben mit der Folge, daß im Falle der Weiterveräußerung des Produkts ein Ersatzaussonderungsanspruch des Lieferanten ausscheidet. 8 2 Aufgrund der vorstehenden Entscheidung steht fest, daß der BGH von der sog. „Theorie des letzten Wortes" 8 3 endgültig abgerückt ist. Nach dem heute anerkannten „Prinzip der Kongruenzgeltung" 8 4 gilt für die Fälle beidseitiger Abwehrklauseln, daß die jeweiligen AGB regelmäßig nicht schon gelten, soweit die A G B des anderen Teils nicht ausdrücklich entgegenstehen, sondern nur, soweit sie übereinstimmen. 8 5 Auch ein in den Verkaufsbedingungen enthaltener und aufgrund jahrelanger Geschäftsbeziehungen dem Käufer bekannter Eigentumsvorbehalt wird trotz einer Abwehrklausel in den Einkaufsbedingungen als sog. nachträglicher Eigentumsvorbehalt sachenrechtlich wirksam. 8 6 Hat der Käufer die Ausfuhrungen in den A G B über den Eigentumsvorbehalt nicht gelesen, so ist ihm die Erklärung nur zugegangen, wenn die Kenntnisnahme für ihn zumutbar war. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Eigentumsvorbehaltsklausel an versteckter Stelle oder in kleiner Schrift angebracht war oder wenn der Käufer aufgrund der bisherigen Geschäftsbeziehungen mit einem Eigentumsvorbehalt nicht zu rechnen brauchte. 8 7

81 82 83 84 85 86 87

BGH vom 3.2.1982 - VIII ZR 316/80 - WM 1982, 486; vom 5.5.1982 VIII ZR 162/81 - WM 1982, 763; vom 18.6.1986 - VIII ZR 165/85 - WM 1986, 1081; vom 30.3.1988 - VIII ZR 340/86-WM 1988, 740. BGH vom 15.6.1989 - IX ZR 167/88 - WM 1989, 1342. BGH vom 29.9.1955 - II ZR 210/54 - BGHZ 18, 212, 215; vom 14.3.1963 VII ZR 257/61 - NJW 1963, 1248. W. Gerhardt JZ 1986, 674. Uhlenbruck VI B. § 46 KO 2.89. Vgl. BGH vom 5.5.1982 - VIII ZR 162/81 - WM 1982, 763; vgl. auch diff. Kilger/K. Schmidt, KO/VglO/GesO, § 43 KO, 3a. Vgl. BGH vom 25.10.1978 - VIII ZR 206/77 - WM 1978, 1322; Honseil JuS 1981, 707.

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Der einfache Eigentumsvorbehalt berechtigt den Vorbehaltskäufer in der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers zur Aussonderung. 88 Erfüllt der Insolvenzverwalter durch Zahlung des Restkaufpreises den Vertrag (§ 103 InsO), so erlischt der Eigentumsvorbehalt. 89 Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß nach der Neuregelung in § 107 Abs. 2 InsO, es dem Insolvenzverwalter ermöglicht wird, sein Wahlrecht erst nach dem Berichtstermin auszuüben, sofern es sich nicht um verderbliche Waren oder Saisonartikel handelt (siehe dazu unten 4. e). Der Eigentumsvorbehalt erlischt auch im Falle — des Verzichts, 90 — der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, 91 — des gutgläubigen Dritterwerbs, 92 — der erlaubten Weiterveräußerung. 93

b) Der erweiterte

Eigentumsvorbehalt

Im Falle des erweiterten Eigentumsvorbehalts wird die Übereignung einer Sache nicht nur an die aufschiebende Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises, sondern an weitere Bedingungen geknüpft. 94 Den erweiterten Eigentumsvorbehalt gibt es in den verschiedensten Ausgestaltungen. Eine Form des erweiterten Eigentumsvorbehalts ist der Saldovorbehalt oder Kontokorrentvorbehalt. Dieser Vorbehalt, der im Regelfall bei einer laufenden Geschäftsverbindung vereinbart wird, bedeutet daß das Eigentum an den gelieferten Sachen so lange vorbehalten wird, bis nicht nur der Kaufpreis, sondern sämtliche aus der Geschäftsverbindung mit dem Käufer beste-

88

89 90 91 92

93 94

BGH vom 21.5.1953 - IV ZR 192/52 - BGHZ 10, 69, 72; vom 1.7.1970 VIII ZR 24/69 - BGHZ 54, 214, 218, 219; Kilger/K. Schmidt, KO/VglO/GesO, § 43 KO,3; Smid, WM 1999, 730. Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 28. Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 29a. §§ 946 ff. BGB; BGH vom 26.10.1977 - VIII ZR 1 7 2 / 7 6 - W M 1977, 1454. Vgl. BGH vom 4.11.1958 - VIII ZR 206/57 - WM 1959, 117, 118; vom 2 1 . 1 2 . 1 9 6 0 - V I I I ZR 1 4 5 / 5 9 - W M 1961, 150, 151; vom 9.10.1963 - VIII ZR 2 1 0 / 6 2 - W M 1963, 1186; vom 15.6.1964 - VIII ZR 305/62 - WM 1964, 814, 817. BGH vom 23.5.1958 - VIII ZR 434/56 - BGHZ 27, 306, 308. Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 42.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

133

henden bzw. erst künftig entstehenden 9 5 Forderungen des Verkäufers vollständig bezahlt sind. 9 6 Diese Form des erweiterten Eigentumsvorbehalts setzt das Bestehen eines echten Kontokorrentverhältnisses i. S. d. § 335 H G B nicht voraus. Unabhängig davon, ob ein Kontokorrentverhältnis besteht oder nicht, entfällt der Grundsatz der niedrigsten Saldohaftung mit der Folge, daß die Vorbehaltssache für die gesamte Forderung aus der Geschäftsverbindung in ihrer jeweiligen Höhe haftet. 9 7 Gegen die Vereinbarung der Formen des einfachen, des erweiterten und des verlängerten Eigentumsvorbehalts sowohl in Individualverträgen als auch in A G B bestehen keine Bedenken. 9 8 Im Regelfall wird es sich hinsichtlich der Klauseln zum erweiterten und verlängerten Eigentumsvorbehalt auch um keine ungewöhnlichen Klauseln i. S. d. § 3 A G B G handeln, soweit die Klauseln in AGB niedergelegt sind. 9 9 Können bei einer Kollision weder die Verkaufs- noch die Einkaufsbedingungen Geltung beanspruchen, 1 0 0 so können der erweiterte und der verlängerte Eigentumsvorbehalt nur dann als stillschweigend vereinbart angesehen werden, wenn und soweit sich in den jeweiligen Wirtschaftszweigen ein entsprechender Handelsbrauch gebildet hat. 101

95 BGH vom 23.11.1977-VIII ZR 7 / 7 6 - W M 1977, 1422. 96 Siehe hierzu auch Kuhn/Uhlenbruck KO, § 42 Rz. 43. 97 BGH vom 10.2.1971 - VIII ZR 188/69 - WM 1971, 347; vgl. u. Rz. 35 ff.; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 43 m.w.N. 98 RG vom 15.3.1935 - II 283/34 - RGZ 147, 321 325 f.; BGH vom 16.12.1957 VIII ZR 49/57 - WM 1958, 252; vom 20.5.1958 - VIII ZR 329/56 - WM 1958, 818, 819; vom 15.6.1964 - VIII ZR 305/62 - WM 1964, 814, 817; vom 14.2.1968 - VIII ZR 220/65 - WM 1968, 447, 448; vom 24.4.1968 - VIII ZR 94/66 - WM 1968, 644, 645; vom 10.2.1971 - VIII ZR 188/69 - WM 1971, 347, 348; vom 27.4.1978 - VII ZR 219/77 - WM 1978, 632; OLG Frankfurt vom 11.9.1980-6 W 184/79-ZIP 1981,393. 99 BGH vom 20.3.1985 - VIII ZR 342/83 - BGHZ 94, 105; vom 8.10.1986 VIII ZR 342/85 - BGHZ 98, 303; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 43a, 43b; a. A. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner AGBG, § 3 Rz. 18 ff. 100 BGH vom 26.9.1973 - VIII ZR 106/72 - DB 1973, 2135; vom 9.2.1977 VIII ZR 249/75 - WM 1977,451. 101 BGH vom 15.6.1964 - VIII ZR 305/62 - WM 1964, 814; LG Mannheim vom 16.11.1961 - 9 0 19/60 - BB 1962, 1135; OLG Stuttgart vom 9.10.1975 - 7 U 77/75 - NJW 1976, 150; OLG Hamm vom 8.7.1993 - 27 U 155/91 - ZIP 1994, 889. Zur Frage der Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts trotz kollidierender AGB mit wechselseitigen Abwehrklauseln vgl. BGH vom 3. 2.1982 - VIII ZR

134

Harald Hess

Im Falle des erweiterten Eigentumsvorbehalts in der Form des Saldo- oder Kontokorrentvorbehalts hat der so gesicherte Lieferant vor Eintritt des Erweiterungsfalles - der Eigentumsvorbehalt dient noch zur Sicherung der Forderung, die den Leistungsgegenstand betrifft - ein Aussonderungsrecht. Nach Eintritt des Erweiterungsfalles, wenn der Eigentumsvorbehalt nicht mehr der Sicherung der Forderung dient, die den Leistungsgegenstand betrifft, sondern andere noch offenstehende Forderungen aus der Geschäftsverbindung sichert, hat der Lieferant nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung, 1 0 2 da das Vorbehaltsgut in dem Erweiterungsfall Forderungen aus anderen Verträgen und Sicherungsvereinbarungen grundsätzlich nur Absonderungsrechte begründen. 1 0 3 Konzernverrechnungsklauseln sind dadurch gekennzeichnet, daß sie die Aufrechnung mit Forderungen anderer zum Konzern gehöriger Gesellschaften ermöglichen, d.h. die Gegenseitigkeit der Forderungen abbedingen und eine Drittaufrechnung ermöglichen. 1 0 4 Nach der Neufassung des § 455 Abs. 2 B G B durch Art. 33 EG InsO ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes unwirksam, wenn der Eigentumsübergang davon abhängig gemacht wird, daß der Käufer Forderungen eines Dritten, insbesondere eines mit dem Verkäufer verbundenen Unternehmens erfüllt.

c) Der verlängerte

Eigentumsvorbehalt

Für die Fälle, daß dem Käufer gestattet ist, die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Sache weiterzuveräußem bzw. weiterzuverarbeiten, werden häufig die Formen des verlängerten Eigentumsvorbehalts gewählt. So kann der Vorbehaltsverkäufer die Gestattung zur Weiterveräußerung davon abhängig machen, daß die künftigen Forderungen des Vorbehaltskäufers, die diesem aus der Weiterveräußerung zustehen, im voraus an ihn abgetreten werden. 1 0 5

102 103 104 105

316/80 - WM 1982, 486: siehe auch BGH vom 20.3.1985 - VIII ZR 327/83 WM 1985, 694. BGH vom 10.2.1971 - VIII ZR 188/69 - WM 1971, 347, 348; vom 23.11.1977 - VIII ZR 7/76 - WM 1977, 1422, 1423; Flume NJW 1950, 841, 849. Vgl. abw. Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz, 43c, 42a. Palandt/Heinrichs, BGB, § 387, Rz. 22; kritisch dazu Häsemeyer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1997, S. 489, 502 f. Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 36.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

135

Die Vorausabtretung künftiger Forderungen ist, wie sich aus § 185 Abs. 2 B G B ableiten läßt, grds. zulässig, 1 0 6 und zwar selbst dann, wenn der Abtretende nach außen Forderungsinhaber bleibt und zur Einziehung berechtigt bleiben soll. 107 Die mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbarte Vorausabtretung künftiger Forderungen, die nicht zur Vollabtretung, sondern nur zu einer Sicherungsabtretung fuhrt, berechtigt in der Insolvenz des Sicherungsgebers nicht zur Aussonderung, sondern nur zur Absonderung. 1 0 8 Die Vorausabtretung von Kundenforderungen im Rahmen eines erweiterten und verlängerten Eigentumsvorbehalts begründet die Gefahr einer unangemessenen Übersicherung des Lieferanten. Die Vorausabtretung künftiger Forderungen ist rechtswirksam, wenn die abgetretenen Forderungen hinreichend individualisierbar sind und die Abtretung dem Vorbehaltsverkäufer keine gänzlich unverhältnismäßig ungerechtfertigte Übersicherung verschafft und andererseits die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Abnehmers nicht übermäßig beschränkt wird.' 0 9 Die Vorausabtretung kann durch ein Abtretungsverbot verhindert werden. 1 1 0 Ob und inwieweit die geforderte Bestimmbarkeit der abzutretenden Forderung im konkreten Fall genügt, 1 1 1 wird im einzelnen mit einer nach objektiven Auslegungsregeln vorzunehmenden Prüfung der Bedeutung einer in einer typischen Urkunde enthaltenen Vorausabtretungsklausel ermittelt. 1 1 2 Hinreichend bestimmbar ist eine aus einer Vorausabtretung resultierende Forderung dann, wenn beispielsweise in allgemeinen Lieferungsbedingungen festgelegt wurde, daß alle aus der Weiterveräußerung von unter Eigentums-

106 Flume NJW 1959, 913, 916. 107 Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 37 m.w.N. 108 BGH vom 9.12.1970 - VIIIZR 52/69 - WM 1971, 71; vom 17.5.1978 VIII ZR 11/77 - BB 1978, 1030; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 36 m.w.N.; Gottwald InsolvenzRHdb, § 45 Rz. 20; Barkhausen NJW 1970, 670. 109 BGH vom 16.12.1957 - VII ZR 402/56 - NJW 1958, 417; vom 11.6.1959 VIII ZR 53/58 - WM 1959, 968; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 37. 110 BGH vom 28.11.1968 - VII ZR 157/66 - NJW 1969, 415; vom 18.6.1980 VIII ZR 119/79-WM 1980, 933; vom 22.3.1982 - VIII ZR 92/81 - WM 1982, 690; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 37a. 111 BGH v o m 2 5 . 1 0 . 1 9 5 2 - I Z R 4 8 / 5 2 - N J W 1953,21. 112 Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 38c.

136

Harald Hess

vorbehält stehenden Gegenständen entstehenden Forderung in Höhe des Rechnungsbetrages der Lieferung abgetreten wurden. 1 1 3 Eine Teilvorausabtretung ist nicht hinreichend bestimmbar, wenn es an genügenden Anhaltspunkten in den AGB für die Begrenzung der Forderung fehlt und die Möglichkeiten einer solchen Begrenzung vielfältig sind. 1 1 4 So ist es beispielsweise nicht hinreichend bestimmt, wenn es heißt, es gingen „die an Stelle" der gelieferten Waren „tretenden Forderungen des Käufers gegen seine Abnehmer" auf den Vorbehaltslieferanten über 1 1 5 oder es gelte die aus der Verwendung der gelieferten Ware „sich ergebende Forderung" als abgetreten. 1 1 6 Dagegen ist genügend abgegrenzt eine Teilabtretung „in Höhe des Wertes der Vorbehaltsware" 1 1 7 oder entsprechend dem Wert unserer Lieferung. 1 1 8 Unter diesem Wert ist der zwischen Vorbehaltsverkäufer und Vorbehaltskäufer vereinbarte Preis der jeweils verwendeten oder veräußerten Vorbehaltsware zu verstehen, BGH a.a.O. Deshalb erfüllt auch die Klausel, die Forderungen gegen Dritte gingen „bis zur Höhe unserer Kaufpreisansprüche" für das verwendete Material auf den Vorbehaltslieferanten über, die gestellten Anforderungen an die Bestimmbarkeit des Umfangs der abgetretenen Forderung. 1 1 9 Bei der Abtretung künftiger Forderungen wird die Abtretung erst mit dem Entstehen der Forderung voll wirksam. Schon vorher endet jedoch die Möglichkeit einer rechtsgeschäftlichen Verfügung, so daß das Entstehen der Forderung ohne weiteres zu einem Rechtsübergang fuhrt. 1 2 0 Werden Rohstoffe unter Eigentumsvorbehalt mit der Vereinbarung geliefert, daß die Verarbeitung für die Lieferfirma zu erfolgen hat, und erfolgt die Verarbeitung in der Weise, wie dies bei der Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts erwartet und vorausgesetzt wurde, dann ist die Liefer-

113 LG Düsseldorf vom 8.7.1958 - 6/19 0.233/57 - KTS 1959, 29, 30; Kuhn/ Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 38 und 38a m. eingehenden Nachw. und Beispielen. 114 Vgl. BGH vom 16.12.1957 - VII ZR 402/56 - NJW 1958, 417; vom 9.6.1960VII ZR 228/58 - BGHZ 32, 361, 364. 115 Vgl. BGH vom 12.2.1959 - VIII ZR 108/58 - WM 1959, 432. 116 BGH vom 9.6.1960-VII ZR 157/59-WM 1960, 1063. 117 Vgl. BGH vom 23.10.1963-VIII ZR 150/62-NJW 1964, 149. 118 Vgl. BGH vom 24.4.1968 - VIII ZR 94/66 - WM 1968, 644. 119 Vgl. BGH vom 9.12.1970-VIII ZR 5 2 / 6 9 - W M 1971,71. 120 BGH vom 4.6.1959 - VII ZR 42/58 - MDR 1959, 749; vom 30.5.1960 VII ZR 257/59 - NJW 1960, 1712, 1713.

Kieditsicherheiten in der Insolvenz

137

firma ohne Rücksicht auf einen entgegenstehenden Willen des verarbeitenden Unternehmens Hersteller i. S. d. § 950 BGB. 1 2 1 Der Rohstofflieferant kann für den Fall der Weiterverarbeitung die Erlaubnis zur Weiterverarbeitung auch an die Bedingung knüpfen, daß der Vorbehaltskäufer Eigentümer des Endproduktes wird und im Rahmen des vorweggenommenen Besitzkonstituts das Sicherungseigentum an dem Endprodukt erhält. Äußerst umstritten ist in der Literatur, ob das gem. § 950 B G B neu entstandene Eigentum bzw. Miteigentum der Stofflieferanten (§§ 947, 948 BGB) ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO oder nur Sicherungseigentum ist, das zu einem Absonderungsrecht des Lieferanten im Insolvenz des Produzenten führt. Nach letzterer Ansicht verliert der Lieferant durch die Verarbeitung sein Vorbehaltseigentum und erlangt somit lediglich Sicherungseigentum. Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers (Verarbeiter) sei analog § 950 Abs. 2 B G B erloschen. 1 2 2 Nach anderer Ansicht kann ein Absonderungsrecht des Veräußerers nur bejaht werden, wenn man davon ausgeht, der Verarbeiter sei trotz der Verarbeitungsklausel „Hersteller" i. S. v. § 950 BGB. 1 2 3 Serick und Henckel (a.a.O.) weisen darauf hin, daß die Verarbeitungsklausel lediglich bewirken solle, daß der Verkäufer nicht mehr bekommt als den Wert des von ihm gelieferten Materials, höchstens aber den vollen Kaufpreis. Bei einem Aussonderungsrecht würde dem Lieferanten aber der höhere Wert der verarbeitenden Sache zukommen, ohne eine entsprechende Ausgleichspflicht. Richtigerweise ist somit von einem Absonderungsrecht der Lieferanten auszugehen, denn die Verarbeitungsklausel verfolgt letzthin nur einen Sicherungszweck. Sie will die Kaufpreisforderung, die in der Insolvenz des Käufers einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO ist, sichern. Es ist somit § 50 InsO und nicht § 47 InsO anwendbar. 1 2 4

121 BGH vom 3.3.1956 - IV ZR 334/55 - NJW 1956, 788. 122 Vgl. Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd. IV § 43, 4a; Bd. V § 60 III; § 63 I; W. Henckel, Aktuelle Probleme der Warenlieferanten beim Kundenkonkurs. 123 Vgl. Jauernig Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht §45 I la; Baur/ Stürner § 60 Rz. 1073; Baur Sachenrecht § 59 IV; Vhlenbruck Insolvenzrecht Rz. 693. 124 Vgl. Kilger/K. Schmidt KO/VglO/GesO, §43, 3b aa; Kuhn/Uhlenbruck KO, § 43 Rz. 30c.

138

Harald Hess d) Kritische Auseinandersetzung mit der h. M. beim einfachen Eigentumsvorbehalt

Auch die Einordnung des Eigentumsvorbehalts als Aussonderungsrecht ist nicht unumstritten. Zutreffend weist Häsemeyer 1 2 5 d a r a u f h i n , daß bei einer Qualifikation als Aussonderungsrecht der mit dem Eigentumsvorbehalt verfolgte Sicherungszweck vernachlässigt wird. Der Vorbehaltsverkäufer, der mit dem Schuldner ein auf Umsetzung des Substanzwertes gerichtetes Rechtsgeschäft begründet habe, sei, da er dem Schuldner die Sache sofort - und häufig mit der Berechtigung zur Weiterveräußerung - überlassen und dafür Leistungen aus dem Vermögen des Schuldners erhalten habe, von der Interessenlage her vielmehr mit dem Sicherungseigentümer vergleichbar. Häsemeyer 1 2 6 plädiert daher dafür, dem Eigentumsvorbehaltsverkäufer nur ein Absonderungsrecht zuzugestehen oder alternativ solle das Anwartschaftsrecht bei der Masse verbleiben und Aussonderung nur bzgl. des „Resteigentums" gestattet werden. Hinzu kommt, daß der Insolvenzverwalter häufig zur Betriebsfortführung auf die Weiternutzung oder Verarbeitung von Eigentumsvorbehaltsware angewiesen ist. § 107 Abs. 2 InsO, wonach die Erfüllungswahl gemäß § 103 InsO erst unverzüglich nach dem Berichtstermin zu treffen ist, hilft ihm hier nicht weiter, da die InsO dem Insolvenzverwalter für Aussonderungsrechte kein insolvenzspezifisches Recht zur Weiternutzung nach Verfahrenseröffnung gewährt. 1 2 7 Er wird daher, sofern er Eigentumsvorbehaltsware vor Ausübung des Wahlrechts weiterverarbeitet mit einem Masseanspruch des Vorbehaltsverkäufers aus §§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.V.m. § 812 B G B konfrontiert. 1 2 8 Wegen dieser gesetzlichen Unzulänglichkeiten wird zum Teil die analoge Anwendung der für Absonderungsrechte geltenden Vorschrift des § 172 InsO erwogen, wonach der Insolvenzverwalter zur Weiternutzung eines Sicherungsgegenstandes gegen laufende Ausgleichszahlungen berechtigt ist. 1 2 9

125 126 127 128 129

Insolvenzrecht, 2. Aufl. 1998, Rz. 20.30. A.a.O. Kritisch hierzu Nieserl, InVo 1998, 85, 90. Vgl. Niesert, InVo 1998, 85, 89 f. Vgl. Wellensiek in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1997, S. 297, 307; Niesert, InVo 1998, 85, 90.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

139

Die Einordnung als Aussonderungsrecht ist auch im Insolvenzplanverfahren problematisch, da Aussonderungsgläubiger keine Beteiligten im Sinne des Insolvenzplanverfahrens sind (vgl. § 222 InsO) und daher nicht in die Abstimmung über den Plan einbezogen werden, obwohl gerade Eigentumsvorbehaltsware häufig bei einer Sanierung zur Betriebsfortführung benötigt wird. Eine Berücksichtigung der Aussonderungsberechtigten im Insolvenzplan ist daher nur unter den für sonstige Dritte geltenden Vorschriften möglich, d.h. dem Insolvenzplan sind die zustimmenden Erklärungen aller betroffenen Vorbehaltsverkäufer beizufügen. 130 Gegen eine Qualifikation als Absonderungsrecht spricht auch der Wortlaut des § 51 InsO nicht, da die dort enthaltene Aufzählung nicht abschließend ist. Allerdings geht der Gesetzgeber in der Begründung zu § 51 InsO 131 ausdrücklich davon aus, daß der Eigentumsvorbehalt auch weiterhin zur Aussonderung berechtigt. Die obigen Argumente zeigen, daß starke Argumente auf eine Einordnung des Eigentumsvorbehaltes als Absonderungsrecht hindeuten, 132 während für ein Aussonderungsrecht letztlich nur die Schutzwürdigkeit der unter Eigentumsvorbehalt liefernden Verkäufer spricht.

e) Behandlung in der Insolvenz Sachen im Besitz des Verwalters, an denen ein einfacher Eigentumsvorbehalt besteht, unterliegen nicht dem Verwertungsrecht des Verwalters. Der Vorbehaltslieferant soll wie nach der bisherigen Rechtsprechung zur Aussonderung berechtigt sein. 133 Durch das Wahlrecht des Verwalters zwischen der Erfüllung des Kaufvertrages und der Ablehnung dieser Erfüllung (§ 103 InsO) und durch das Recht des Verwalters, die Ausübung des Wahlrechts bis zum Berichtstermin aufzuschieben (§ 107 Abs. 2 InsO), wird jedoch auch für Sachen, an denen ein einfacher Eigentumsvorbehalt besteht, sichergestellt, daß sie nach der

130 Vgl. § 231 Abs. 3 InsO; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung, Verbraucherinsolvenz, Rz. 180. 131 Vgl. die Gesetzesmaterialien dort. 132 Vgl. auch Smid WM 1999, 730. 133 Zur Kritik an dieser Regelung siehe oben.

140

Harald Hess

Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst nicht herausgegeben werden müssen. Für leicht verderbliche Sachen hat der Rechtsausschuß des Bundestags eine Zusatzregelung geschaffen (§ 107 Abs. 2 S. 2 InsO): Hier bleibt es der allgemeinen Vorschrift des § 103 InsO, daß der Verwalter sich auf Anfrage des Gläubigers unverzüglich entscheiden muß, ob er die Sache behalten und den Kaufpreis erfüllen oder ob er sie herausgeben will. Demgegenüber wird der verlängerte Eigentumsvorbehalt von der Neuregelung erfaßt. Bei dem verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbaren Verkäufer und Käufer über den einfachen Eigentumsvorbehalt hinaus, daß im Fall der Weiterveräußerung des Kaufgegenstandes durch den Käufer anstelle des vorbehaltenen Eigentums, sobald dieses infolge Übergabe an den Käufer erlischt, die Forderung aus dem Weiterverkauf tritt. 134 Diese Abtretung einer erst künftig entstehenden Forderung ist eine Sicherungsabtretung. 135 Sie unterliegt den oben für Sicherungsabtretungen dargestellten Regeln. Ebenso ist der erweiterte Eigentumsvorbehalt betroffen. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt erstreckt die Rechte der Lieferanten im Fall der Verbindung, Vermischung (§§ 947, 948 BGB) und Verarbeitung (§ 950 BGB) auf die neu entstehenden Sachen. 136 Sie werden in der Insolvenz wie sicherungsübereignete Sachen behandelt (s.o.).

5. Leasing in der Insolvenz Während die ursprüngliche Fassung des § 108 InsO generell die Anwendbarkeit in bezug auf Miet- oder Pachtverträge über bewegliche Gegenstände und Rechte ausgeschlossen hat, wurde die gesetzliche Regelung aufgrund der Rechtsfolgen die sich hieraus fiir die Leasinggesellschaften ergeben hätten, novelliert, indem an § 108 Abs.l Satz 1 InsO ein zweiter Satz angefügt wurde. Mit Leasing werden Verträge bezeichnet, die die entgeltliche Gebrauchsüberlassung von Sachen zum Gegenstand haben, wobei das Eigentum an der

134 Eberding BuB Stand 1990 Rz. 4/346. 135 BGH vom 25.10. 1952 - 1 ZR 48/52 - BB 1952, 932; vom 23.5.1958 - VIII ZR 434/56 - B B 1958, 649. 136 Jährig/Rösler/Woite, Handbuch des Kreditgeschäfts, 5. Aufl. 1990, S. 678.

Kieditsicherheiten in der Insolvenz

141

Sache nicht - oder jedenfalls nicht sofort - auf den Gebrauchsberechtigten, den Leasing-Nehmer übergeht. Der Leasing-Nehmer übernimmt im allgemeinen die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung, Versicherung sowie das Risiko der Verschlechterung oder des Unterganges des LeasingGuts. 137 Leasing-Verträge bilden eine Nahtstelle zwischen Miete und Kauf und sind nur schwer in die vorgegebenen schuldrechtlichen Vertragstypen einzuordnen. Eine erste Unterscheidung kann getroffen werden zwischen dem sog. Hersteller-Leasing, bei dem der Hersteller selbst zugleich Leasing-Geber ist, 138 und dem Finanzierungs-Leasing. Beim Finanzierungs-Leasing unterstützt der Leasing-Geber eine Investition in der Weise, daß er ein Investitionsgut von einem Dritten erwirbt und es dem Leasing-Nehmer für eine fest bestimmte Zeit zum Gebrauch und zur Nutzung überläßt. 139 Im folgenden soll vor allem die Insolvenz des Leasing-Nehmers 140 beim Finanzierungs-Leasing besprochen und die Insolvenz des Leasing-Gebers nur insoweit behandelt werden, als es um die Stellung der ihn refinanzierenden Bank geht.

a) Insolvenz des

Leasing-Nehmers

Für die Folgen der Insolvenz des Leasing-Nehmers kommt es bei manchen Fallkonstellationen auf die Rechtsnatur des Leasing-Vertrages an. Grundsätzlich sind Leasing-Verträge als Mietverträge zu behandeln, und zwar auch dann, wenn dem Leasing-Nehmer ein Erwerbsrecht bei Vertragsende eingeräumt wird. 141

137 Baumgarte, Leasing-Verträge über bewegliche Sachen im Konkurs, 1980, S. 1 m.w.N.; Vallenthin, Rechtsgrundlagen des Bankgeschäfts, 1974, S. 234. 138 Hiddemann WM 1978, 834. 139 Gelhaar RGRK-BGB, 12. Aufl. 1978, vor § 535 Rz. 277; zur dogmatischen Einordnung des Finanzierungsleasings vgl. Canaris NJW 1982, 305. 140 Zur Lage bei Insolvenz des Leasing-Gebers vgl. Henckel Festschrift für Baur, 1981, S. 443. 141 Vgl. BGH vom 12.12. 1973 - VIII ZR 183/72 - WM 1974, 96; vom 9.3.1977 VIII ZR 192/75 - WM 1977, 473; vom 28.10. 1981 - VIII ZR 302/80 WM 1981,1378; vorn 2.12.1981 - VIII ZR 302/80 - WM 1981,1378; vom 28.10.1981 - VIII ZR 302/80 - WM 1981, 1378; vom 2.12.1981 - VIII ZR 273/80 WM 1982, 151; vom 10.10.1990 -VIII ZR 269/89 - WM 1990, 2043;

142

Harald Hess

Es kann allerdings Fälle geben, in denen aufgrund besonderer Gestaltung trotz des von den Vertragsschließenden gewollten Mietvertrags ein Kaufvertrag anzunehmen ist. 1 4 2 Es würde zu weit fuhren, wollte man hier die verschiedensten Arten der Leasing-Verträge auf ihre Einordnung als Mietoder Kaufvertrag untersuchen. 1 4 3 Deshalb soll von einem Mietvertrag, der den Regelfall bildet, ausgegangen werden. Ob bei einer Insolvenz des Leasing-Nehmers für das weitere rechtliche Schicksal des noch nicht abgewickelten Leasing-Vertrages ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO oder eine Kündigungsbefugnis nach § 109 InsO maßgebend ist, hängt zunächst von der Unterscheidung zwischen Mobilien und Immobilienleasing und für das Immobilienleasing von der rechtssystematischen Einordnung des Leasing-Vertrages als Mietvertrag oder als Kaufvertrag ab. 1 4 4 aa)

Mobilienleasing

Anders als die Konkursordnung trennt die Insolvenzordnung im eröffneten Verfahren bei beweglichen Sachen nicht mehr zwischen Kauf und Miete, soweit es u m das Fortbestehen des Vertrages und dabei um die Frage geht, ob dem Verwalter ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Nichterfüllung oder ein Kündigungsrecht innerhalb der gesetzlichen Fristen zusteht. Auch wird nicht mehr danach unterschieden, ob der Leasing-Gegenstand dem LeasingNehmer im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon überlassen war oder ob der Leasing-Geber das Leasing-Gut ausnahmsweise noch in Besitz hatte. Vielmehr unterliegen Mietverträge über bewegliche Sachen allgemein dem Wahlrecht des Verwalters (§ 103 InsO), sobald das Verfahren eröffnet ist. Eine Besonderheit besteht nur insoweit, als für Mietverträge das Künvom 28.10.1981 - VIII ZR 302/80 - ZIP 1982,64; vom 10.11.1993 - VIII ZR 119/92 - ZIP 1993, 1874; zu dem gleichen Ergebnis kommen Langheid Leasingpraxis 1981, Heft 3, S. 11, und Seeger KTS 1974,12; vgl. auch Emmerich JuS 1978,706; Merz WM 1983, 106; v. Westphalen BB 1988, 218; kritisch dazu Stoppok Die Bank, 1982, 132. 142 BGH vom 5.4. 1978 - VIII ZR 42/77 - WM 1978, 510. 143 Vgl. statt dessen Baumgarte, Leasing-Verträge über bewegliche Sachen im Konkurs, 1980. 144 Hiddemann WM 1978, 835; Baumgarte, Leasing-Verträge über bewegliche Sachen im Konkurs, 1980, S. 9ff.; Walz WM 1985 Sonderbeilage Nr. 10, S. 14, 15.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

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digungsrecht des Vermieters - wie oben erwähnt - beschränkt ist ( § 1 1 2 InsO). Der Insolvenzverwalter hat nach der Verfahrenseröffnung die Wahl, ob er den Vertrag erfüllen oder die weitere Erfüllung ablehnen will. Fordert der Leasing-Geber den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO). Unterläßt er dies, so kann er auf die Erfüllung nicht bestehen (§ 103 Abs. 2 Satz 3 InsO). Ein eigenes Kündigungsrecht steht dem Leasing-Geber dagegen nicht zu, solange der Verwalter die Pflichten aus dem Leasing-Vertrag erfüllt. Eine Kündigung wegen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Leasing-Nehmers ist ausgeschlossen ( § 1 1 2 InsO). Entscheidet sich der Verwalter für die Erfüllung, so hat er dieselben Rechte und Pflichten wie der Mieter. 1 4 5 Die Leasingforderungen bilden für die Zeit nach Verfahrenseröffnung Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Lehnt er die Erfüllung ab, so ist der Leasing-Geber wegen des Schadensersatzanspruchs auf eine Insolvenzforderung verwiesen (§ 103 InsO). Für den Schadensersatzanspruch sind in den Verträgen meist Regelungen getroffen; diese sind auch in der Insolvenz zu beachten. Falls eine vertragliche Vereinbarung über die Schadensberechnung fehlt oder z.B. wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des AGB-Gesetzes nicht wirksam sein sollte, steht dem Leasing-Geber sowohl beim Finanzierungsleasing als auch beim Hersteller-Leasing ein Ausgleichsanspruch zu: Der Leasing-Nehmer ist zur Rückgabe des Leasing-Guts und zum Ausgleich des noch nicht getilgten Teils der Gesamtkosten des Leasing-Gebers verpflichtet, der Leasing-Geber muß aber das Leasinggut bestmöglich verwerten und den Erlös auf die Ausgleichsforderung anrechnen. 1 4 6

145 Kuhn/Uhlenbruck KO, § 19 Rz. 18; Beyer BB 1951, 546; Eckert ZIP 1983, 770; BGH vom 15.2. 1984 - VIII ZR 213/82 - WM 1984, 568. 146 BGH vom 12.6.1985 - VIII ZR 148/84 - WM 1985, 860; vom 6.11.1985 VIII ZR 170/84 - WM 1986, 228; vom 26.11.1986 - VIII ZR 354/85 - WM 1987, 288; vom 10.10.1990 - VIII ZR 296/89 - WM 1990, 2043; Braxmeier WM 1988, Sonderbeilage 1, S. 12; Übersicht über die Schadensersatzregelungen siehe Treier WM 1992 Sonderbeilage 4, S. 18.

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Die Verpflichtung zur Rückgabe ist vom Verwalter zu erfüllen. 147 Der Verwalter kann kein Verwertungsrecht und auch keine Kostenbeiträge nach §§ 170 ff. InsO beanspruchen, da der Leasing-Geber ein Aussonderungsrecht und kein Absonderungsrecht besitzt. 148 Gibt der Verwalter das Leasing-Gut nicht rechtzeitig zurück, so ist der Anspruch des Leasing-Gebers auf Nutzungsentschädigung Masseverbindlichkeit. 149 Demgegenüber zählen die Kosten, die dem Leasing-Geber durch das Abholen des Leasing-Guts entstehen, zu den Insolvenzforderungen. 150 Der Verwalter muß seine Wahl zwischen der Erfüllung und deren Ablehnung unverzüglich treffen. Er kann damit nicht etwa bis zum Berichtstermin warten. Eine derart lange Überlegungsfrist wird ihm nur für Eigentumsvorbehaltskäufe zugebilligt (§ 107 Abs. 2 InsO). Eine gewisse Zeit wird bis zu der Entscheidung des Verwalters zwischen Erfüllung und Nichterfüllung jedoch stets vergehen, insbesondere wenn auch der Leasing-Geber mit der entsprechenden Aufforderung zögert. Wenn der Verwalter inzwischen das Leasing-Gut weiter nutzt, stellt sich die Frage, ob er jedenfalls für diese Zeit noch die Leasingraten bezahlen muß. Dies ist selbstverständlich dann der Fall, wenn er anschließend die Erfüllung wählt. Denn dann wird der Vertrag so behandelt, als habe er unverändert fortbestanden. Wenn er die Erfüllung dagegen ablehnt, bedeutet dies, daß der Vertrag mit der Verfahrenseröffnung erloschen ist. 151 Folglich kann der LeasingGeber die vertraglich vereinbarten Raten nicht verlangen, sondern ist auf einen Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung verwiesen. Dieser umfaßt jedoch nur die Schäden aus dem Abbruch des Vertrags, nicht aber den Ersatz für die weitere Benutzung des Leasing-Guts durch den Verwalter. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Ersatzansprüche des Leasing-Gebers enthält die InsO nicht, sie findet sich nur für

147 BGH vom 5.10.1994 - XII ZR 53/93 - ZIP 1994, 1700. 148 BGH vom 5 . 1 0 . 1 9 9 4 - X I I ZR 53/93 ZIP 1994, 1700; vom 27.2.1985 - VIII ZR 328/83 - BGHZ 94, 44; Lieb DB 1988, 946. 149 Eckert ZIP 1983, 770. 150 BGH vom 6.11.1978 - VIII ZR 179/77 - BGHZ 72, 263. 151 BGH vom 6.11. 1978 - VII ZR 179/77 WM 1987,380; vom 20.12.1988 - IX ZR 50/88 - WM 1989, 229; vom 7.6.1991 V ZR 17/90 - WM 1991, 1575; kritisch aus rechtsdogmatischen Gründen Gerhardt Festschrift für Merz, 1992, S. 117.

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den Zeitraum zwischen dem Insolvenzantrag und der Verfahrenseröffnung (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO). Eine analoge Anwendung der Vorschriften über das Antragsverfahren auf das eröffnete Verfahren ist wegen des abschließenden Charakters der Verweisungen nicht möglich. 1 5 2 Der Leasing-Geber kann daher nur eine Nutzungsentschädigung nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung der Masse verlangen, der allerdings der Rang einer Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO zukommt. Der Nachteil gegenüber der gesetzlichen Regelung für das Vorverfahren liegt darin, daß die Nutzungsentschädigung der Höhe nach mit den vereinbarten Raten nicht identisch sein muß. Der Leasing-Geber wird daher den Verwalter sofort nach Verfahrenseröffnung zur Entscheidung auffordern, um den Zeitraum, für den ggf. nur eine Nutzungsentschädigung zu zahlen ist, möglichst kurz zu halten. bb) Immobilien-Leasing Für das Immobilien-Leasing ist im eröffneten Verfahren zunächst danach zu unterscheiden, ob das Leasing-Gut dem Leasing-Nehmer schon übergeben war oder ob es sich noch im Besitz des Leasing-Gebers befindet. War dem Schuldner das Leasing-Gut vor Verfahrenseröffnung schon überlassen, so kann der Insolvenzverwalter das Mietverhältnis ohne Rücksicht auf die vertraglichen Fristen mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündigen (§ 109 InsO). Die gesetzliche Kündigungsfrist richtet sich nach § 565 BGB. Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung spätestens am dritten Tag vor dem Tag zulässig, mit dessen Ablauf das Mietverhältnis endigen soll (§ 565 Abs. 4 Satz 2 BGB). Die genannten Vorschriften sind zwingend. Demgemäß ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter von dem Leasingvertrag Kenntnis erlangt. Der Leasing-Geber ist nicht verpflichtet, den Insolvenzverwalter auf den Vertrag hinzuweisen und auf das Kündigungsrecht aufmerksam zu machen. 1 5 3 Ein eigenes Kündigungsrecht steht dem Leasing-Geber dagegen nicht zu, solange der Verwalter die Pflichten aus dem Leasing-Vertrag erfüllt. Eine Kündigung wegen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Leasing-Nehmers ist ausgeschlossen ( § 1 1 2 InsO).

152 Onusseit KTS 1994,3. 153 v. Westphalen BB 1988, 218/224.

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Wenn der Verwalter mit der Zahlung der Leasing-Raten in Verzug gerät, kann auch der Leasing-Geber kündigen. Die vor der Verfahrenseröffnung entstandenen Mietforderungen des Leasing-Gebers sind einfache Insolvenzforderungen. Die während der Insolvenz bis zur Beendigung des Mietverhältnisses entstehenden Mietzinsforderungen sind dagegen Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. 1 5 4 Kündigt der Insolvenzverwalter, so ist der Leasing-Geber wegen der Nachteile, die er durch die vorzeitige Vertragsauflösung erleidet, nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO auf eine einfache Insolvenzforderung verwiesen. 1 5 5 Die Kosten für die Räumung des Grundstücks von dort etwa lagernden Gegenständen fallen der Masse zur Last. 1 5 5 Denn hier handelt es sich um Kosten, die erforderlich sind, damit der Verwalter den Aussonderungsanspruch des Leasing-Gebers überhaupt erfüllen kann. 1 5 7 War dem Schuldner das Leasing-Gut zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht überlassen, so können sowohl der Verwalter als auch der Leasing-Geber von dem Vertrag zurücktreten (§ 109 Abs. 2 InsO). Jeder Teil hat dem anderen auf dessen Verlangen innerhalb von 2 Wochen zu erklären, ob er von dem Vertrag zurücktreten will (§ 109 Abs. 2 Satz 2 InsO). Unterläßt er dies, so verliert er das Rücktrittsrecht. cc) Leasing als Kauf Handelt es sich ausnahmsweise um einen Leasing-Vertrag, auf den das Kaufrecht anzuwenden ist, so gilt § 103 InsO: Der Insolvenzverwalter hat danach die Wahl, ob er den Vertrag erfüllen oder die weitere Erfüllung ablehnen will. Fordert der Leasing-Geber den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter zu erklären, ob der die Erfüllung verlangen

154 Eckert ZIP 1983, 770; OLG Hamm vom 26.10.1992 - 31 U 130/92 - ZIP 1992, 1563. 155 Seifert DB 1983, Beilage 1, S. 11; Eckert ZIP 1983,770; zur Schadenberechnung siehe v. Westphalen BB 1988,218 und BGH vom 17.4.1991 - VIII ZR 1 2 / 9 0 - W M 1991, 1038. 156 BGH vom 5.10.1994 - XII ZR 53/93 - ZIP 1994, 1700; vom 26.5.1988 - IX ZR 276/87-ZIP 1988, 853. 157 BGH vom 5.10. 1994 XII ZR 53/93 - ZIP 1994, 1700; vom 26.5.1988 - IX ZR 276/87-ZIP 1988, 853.

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Kreditsicherheiten in der Insolvenz

will (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO). Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen (§ 103 Abs. 2 Satz 3 InsO). Ein eigenes Kündigungsrecht steht dem LeasingGeber dagegen grundsätzlich nicht zu, solange der Verwalter die Pflichten aus dem Leasing-Vertrag erfüllt. Eine Kündigung wegen der Verschlechterung der Vermögens Verhältnisse des Leasing-Nehmers ist allerdings möglich, wenn dieses Recht vertraglich vereinbart ist. Die Lösungsklausel ist in diesem Fall dahingehend zu untersuchen, ob sie einen Verstoß gegen § 119 InsO beinhaltet (vgl. § 119 Rz. 23 ff.) Die Kündigungssperre des §112 InsO betrifft nur LeasingVerträge, die den Charakter von Mietverträgen haben.

b) Insolvenz des

Leasing-Gebers

aa) Mobilienleasing In der Insolvenz des Leasing-Gebers stellte sich bei der urspünglichen Fassung des § 108 InsO das Problem, daß der Leasingvertrag über einen beweglichen Gegenstand nach § 103 InsO durch die Verfahrenseröffnung erloschen wäre und gleichzeitig die Abtretung des Leasing-Gebers an die refinanzierende Bank ins Leere gegangen wäre. Hätte er sich für die Ablehnung der Vertragserfüllung entschieden, so wäre die Pflicht des Leasing-Nehmers zur Zahlung der Leasing-Raten auch im Verhältnis zu der refinanzierenden Bank entfallen. Hätte sich der Insolvenzverwalter demgegenüber entschlossen, am Vertrag festzuhalten, so hätte er nach der ursprüngliche Fassung des § 108 InsO die künftig falligen Leasing-Raten selbst vereinnahmen können; der Leasing-Nehmer hätte trotz der Sicherungsabtretung an den Verwalter und nicht an die refinanzierende Bank leisten müssen. Durch die Verfahrenseröffnung wird nämlich das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und seinem Vertragspartner derart umgestaltet, daß die gegenseitigen Erfullungsansprüche erlöschen und nur durch die Erklärung des Insolvenzverwalters, er wähle gem. § 103 InsO die Erfüllung, wieder entstehen können. 158

158 BGH vom 29.1.1987 - XI ZR 205/85 - WM 1987, 380; BGH vom 20.12.1988 - IX ZR 50/88 - WM 1989, 229; BGH ZIP 1991, 945; BGH ZIP 1993, 600; kritisch aus rechtsdogmatischen Gründen Gerhardt Festschrift für Merz, 1992, S. 117.

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Wenn aber die Erfiillungsansprüche erloschen und erst nach Verfahrenseröffnung durch die Erklärung des Verwalters wieder entstanden wären, wäre der Anspruch auf die Leasing-Raten der Masse und nicht dem Zessionar zugefallen 1 5 9 da die Vorausabtretung diese Ansprüche wegen des mit Insolvenzeröffnung eingetretenen Verbots, Rechte an den zur Insolvenzmasse gehörigen Gegenständen zu erwerben ( § 9 1 InsO), nicht mehr auf die Bank überleiten könnte. Diese Auswirkungen der Rechtsprechung zum Wahlrecht des Verwalters im Zusammenspiel mit den Regelungen der InsO über Mietverhältnisse auf die Leasing-Refinanzierung hat der Gesetzgeber erkannt und § 108 Abs. 1 InsO, der den Fortbestand von Mietverhältnissen über unbewegliche Gegenstände fingiert, um den zweiten Satz ergänzt, wonach dies auch gilt für: „Mietverträge über Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war und die sonstige Gegenstände betreffen, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden." Damit überdauern solche Leasing-Verträge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, für die der Leasing-Geber eine Refinanzierung unter Sicherungsübertragung des Leasing-Guts erhalten hat; die Sicherungsübertragung muß vor Verfahrenseröffnung vorgenommen sein. 1 6 0 Dies bedeutet, daß eine vor Verfahrenseröffnung anfechtungsfrei vorgenommene Abtretung der Leasing-Forderungen insolvenzfest ist. bb) Immobilien-Leasing Hatte der Leasing-Geber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen einen Leasing-Vertrag über ein Grundstück geschlossen und dem Leasing-Nehmer das Grundstück überlassen, so bleibt der LeasingVertrag nach Verfahrenseröffhung bestehen (§108 Abs. 1 InsO). Vorausverfugungen, wie z.B. die Abtretung der künftigen Leasing-Raten, sind jedoch gegenüber der Insolvenzmasse nur insoweit wirksam, als sich die Abtretung auf die Leasing-Raten für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat beziehen; wird das Insolvenzverfahren nach dem 15. Tage des Monats eröffnet, so ist die Verfügung auch noch für

159 BGH WM 1989, 229. 160 Einzelheiten siehe Obermüller Insolvenzrecht Rz. 7.51 ff.

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den folgenden Monat wirksam (§ 110 Abs. 1 InsO). Die Leasing-Raten für spätere Zeiträume kann der Insolvenzverwalter einziehen. Soweit die künftigen Leasing-Raten einer refinanzierenden Bank als Sicherheit für Kredite an den Leasing-Geber dienten, fällt diese Sicherung mit Ablauf des Monats der Verfahrenseröffnung bzw. des Folgemonats weg. Leasingraten, die der Leasing-Nehmer etwa in Unkenntnis von der Verfahrenseröffhung an die refinanzierende Bank mit befreiender Wirkung gezahlt hat (§ 82 InsO), muß die Bank dem Insolvenzverwalter herausgeben ( § 8 1 6 Abs.2 BGB), ohne gegen diese Forderung des Insolvenzverwalters mit ihrer Kreditforderung aufrechnen zu können (§ 96 Nr. 1 InsO). Auch wenn die Bank die Forderungen aus dem Leasing-Vertrag im Rahmen eines Factoring-Geschäftes mit dem Leasing-Geber erworben hat, verliert sie diese Forderung, soweit sie das Entgelt für spätere Zeiträume als den laufenden Kalendermonat bzw. den Folgemonat darstellen. Bei entsprechender Ausgestaltung des Forderungskaufvertrages haftet der LeasingGeber nicht nur für den Bestand der Leasing-Forderungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Factoring- bzw. Forfaitierungsvertrages, sondern über die gesetzlichen Gewährleistungen (§ 437 BGB) hinaus auch dafür, daß die später fälligen Raten dem Zessionar verbleiben. 1 6 1 Seinen Schadensersatzanspruch kann der Factor bzw. Forfaiteur als Insolvenzforderung geltend machen. Fehlt es an einer vertraglichen Erweiterung der Veritätshaftung des § 437 BGB, so ist der Factor bzw. Forfaiteur auf einen Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs.l Satz 2 BGB) verwiesen, 1 6 2 der als Insolvenzforderung einzustufen ist. Eine Bank, die Forderungen aus einem Immobilien-Leasing-Vertrag im Wege des Factoring oder ä forfait ankauft, wird versuchen, das Risiko des Verlustes der angekauften Leasing-Forderungen wegen einer Insolvenz des Leasing-Gebers abzusichern. Der Sicherungszweck erfaßt in erster Linie die Veritätshaftung des Leasing-Gebers, kann aber - ohne den steuerlichen Voraussetzungen des Leasing zu widersprechen - auch auf sonstige Ansprüche der Bank ausgeweitet werden. 1 6 3

161 Zum maßgeblichen Zeitpunkt für den Bestand eines verkauften Rechts vgl. Soergel/Huber BGB, 11. Aufl. 1986, § 437 Rz. 21 ff. 162 Kuhn/Uhlenbruck KO, Rz. § 21 Rz. 10; Jaeger/Henckel KO, 9. Aufl. 1982, § 21 Rz. 17. 163 Lauer, Kieditsicherheiten im Insolvenzverfahren, 1989, Rz. 5.34.

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Als Sicherheit kommt auch die Eintragung des Grundpfandrechts auf dem verleasten Grundstück in Betracht. Eine solche Besicherung ist nicht etwa als Umgehung des § 110 Abs. 1 InsO anzusehen. Diese Vorschrift beruht wie § 211 Abs. 2 KO auf dem Gedanken, daß der künftige Erwerber eines Grundstücks vor einer Aushöhlung des Grundstückswerts durch Vorausverfugungen geschützt sein soll, die aus dem Grundbuch und oft auch aus dem Mietvertrag nicht zu ersehen sind. 1 6 4 Wenn die Bank und der Leasing-Nehmer an einer Fortsetzung des Leasing-Vertrages interessiert sind, kann die Bank mit Hilfe des Grundpfandrechts die Zwangsverwaltung des Grundstücks betreiben, so daß dem Leasing-Nehmer die Nutzungsmöglichkeit des Leasing-Gegenstandes vom Verwalter nicht entzogen werden kann, und einen neuen Leasing-Vertrag abschließen.

6. Factoring Hinsichtlich der Factoring-Verträge ergeben sich aus der Insolvenzordnung kaum wesentliche Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage. Beim Factoring handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, bei dem ein Gläubiger - der Anschlußkunde - seine Forderungen, die ihm aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen gegenüber einem Schuldner - dem Debitor - zustehen, an ein Finanzierungsinstitut - den Factor - meist auf kaufrechtlicher Basis abtritt, der den Gegenwert (abzüglich Gebühren, Zinsen und Sicherungseinbehalt) dem Anschlußkunden sofort gutschreibt und die Forderungen nach Eintritt der Fälligkeit beim Debitor einzieht. Der Factor kann dabei drei wirtschaftliche Funktionen: die Finanzierungsfunktion, die Delkrederefunktion und die Dienstleistungsfunktion übernehmen.

a) Insolvenz des

Anschlußkunden

Da es sich bei dem Factoring um einen Mischvertragstypus mit Elementen des Geschäftsbesorgungsvertrages und des Kaufvertrages handelt, finden §§ 116, 115 InsO in der Insolvenz des Anschlußkunden Anwendung, mit der

164 Jaeger/Lent KO, 8. Aufl. 1958, § 21 Rz. 7.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

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Folge, daß der Factoring-Rahmenvertrag erlischt und damit die Andienungspflicht auf der Seite des Anschlußkunden und die Ankaufsverpflichtung auf Seiten des Factors wegfallen. 1 6 5 Etwas anderes gilt, wenn der Factor in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung weiter tätig wird. In diesem Fall werden seine Aufwendungsersatzansprüche - anders als in der K O nur als einfache Insolvenzforderungen gemäß § 116 i.V.m § 115 Abs. 3 Satz 2 InsO behandelt. Hinsichtlich der einzelnen Factoring-Geschäfte innerhalb des Rahmenvertrages ist zu differenzieren, ob die Leistungspflichten beiderseits bereits erfüllt wurden, oder ob es sich um ein schwebendes Vertragsverhältnis handelt und nach der jeweiligen Vertragsgestaltung zu fragen ist. 1 6 6 Beiderseits vollständig erfüllte Geschäfte sind insolvenzfest. § 103 InsO findet keine Anwendung mehr, unabhängig, ob es sich um echtes oder unechtes Factoring handelt. Auf die noch nichtständig voll erfüllten Factoring-Verträge ist demgegenüber § 103 InsO anwendbar. 1 6 7

b) Insolvenz des Factors Die Zession solcher Forderungen, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffriung bereits an den Factor abgetreten und von diesem bezahlt worden sind, ist insolvenzfest; § 103 InsO findet auf das zugrundeliegende Kausalgeschäft keine Anwendung. 1 6 8 Beim unechten Factoring kann der Anschlußkunde unabhängig von der Eröffnung des Verfahrens noch aus der Rückgriffshaftung in Anspruch genommen werden, da die Forderungsabtretung nur erfullungshalber erfolgte, und die Delkredere-Haftung noch aussteht, 1 6 9 der die Anwendbarkeit des § 103 InsO auch beim unechten Factoring befürwortet. Hinsichtlich der angedienten, noch nicht gutgeschriebenen Forderungen hat hingegen der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht nach § 103 InsO. Lehnt

165 Sinz in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1997, S. 472. 166 Vgl. hierzu eingehend Sinz in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1997, S. 455, 473 ff. 167 Vgl. zu den Einzelheiten bei den unterschiedlichen Vertragsgestaltungen Sinz, a.a.O. 168 Vgl. hierzu auch Marotzke, a.a.O., Rz. 4. 45 ff. 169 Siehe eingehend Sinz, Factoring in der Insolvenz, Köln 1997 Rz. 184 ff.

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er die Erfüllung ab, so kann der Anschlußkunde, sofern eine aufschiebend bedingte Vorauszession vereinbart wurde, die Forderungen aussondern. W a r vertraglich dagegen die auflösend bedingte Vorausabtretung vereinbart, so k o m m t § 105 Satz 2 InsO zur Anwendung, so daß der Anschlußkunde auf eine Insolvenzforderung verwiesen wird.

V. Sicherheiten im vorläufigen Insolvenzverfahren Im Insolvenzantragsverfahren wird häufig ein allgemeines Verftigungsverbot erlassen und die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Zur Fortfuhrung des Unternehmens in dieser Phase, insbesondere zur Bezahlung von Löhnen und Gehältern, kann die A u f n a h m e neuer Kredite notwendig werden. Die Bank wird in dieser Phase grundsätzlich neue Kredite nur einräumen, wenn sie hinreichend gesichert ist. Der Begriff des Sanierungskredites erfaßt Kredite, die nach Eintritt der Insolvenzreife an ein Unternehmen vergeben werden, und zwar sowohl Neukredite, als auch die Aufstockung bestehender Darlehen. Nicht hierunter fallen Kredite, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt vereinbart wurden, deren Auszahlung aber erst nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgt ist. Die Interessen des Unternehmens, der Bank und dritter Gläubiger stehen sich bei Sanierungskrediten häufig diametral entgegen,' 7 0 da —

der Schuldner bzw. der vorläufige Insolvenzverwalter das Unternehmen



die B a n k zum einen befürchten muß, daß der Kredit nicht zurückgezahlt

zu retten versuchen wird, zum anderen kann sie sich Schadensersatzansprüchen Dritter bei Scheitern der Sanierung aussetzen und möglicherweise Rückgewähransprüchen des Insolvenzverwalters bzgl. gewährter Sicherheiten wegen Nichtigkeit nach § 138 B G B —

dritte Gläubiger an einer baldigen Verfahrenseröffnung interessiert sind und im Fall einer weiteren Verzögerung zusätzliche Ausfalle befurchten

Kredite, die vom vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis begründet wurden, stellen im eröffneten Verfahren Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 2 InsO dar.

170 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 1997, Rz. 5.99.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

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Demgegenüber sind Kreditverbindlichkeiten, die im Rahmen einer vorläufigen Insolvenzverwaltung mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis abgeschlossen wurden, lediglich einfache Insolvenzforderungen. Für ihre Erfüllung haftet der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Rahmen des § 61 InsO persönlich, wenn er zum Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit hätte erkennen können, daß die Masse zu ihrer Befriedigung nicht ausreicht. Bei der Eingehung eines neuen Kreditvertrages mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis hat die Bank die Wahl zu entscheiden, ob ihr die Eigenschaft als Masseverbindlichkeit ausreicht, oder ob sie zusätzliche Sicherheiten in Anspruch nehmen will. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis ist zur Bestellung von Kreditsicherheiten befugt. Verfugt das Unternehmen noch über freie Vermögenswerte, so kann die Bank sich daran wirksam Sicherungsrechte bestellen lassen. Bei der vorläufigen Insolvenzverwaltung ohne Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis ist hierzu die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erforderlich. Demgegenüber kann der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis der Bank die Sicherheiten selbst gewähren. Die Gewährung von Kreditsicherheiten durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis ist auch dann der Anfechtung entzogen, wenn hierdurch gleichzeitig Altkredite abgedeckt werden, da Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis dem endgültigen Insolvenzverwalter stark angenähert ist. Anders stellt sich die Situation dar, wenn die Bank die Kreditvergabe an den Schuldner von der nachträglichen oder gleichzeitigen Besicherung eines Altkredits abhängig macht und der vorläufige Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis zustimmt. Eine derartige Sicherheitengewährung ist wie nach bisherigem Recht in der Sequestration auch dann anfechtbar, wenn sie auf Veranlassung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis erfolgte. 1 7 1

171 Obermüller, a.a.O., Rz. 5.224a.

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Sofern gleichzeitig mit dem Abschluß eines Kreditvertrages die sofortige Besicherung eines Neuvertrages mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vereinbart wird, ist die Anfechtung nach Maßgabe der § 129 ff. InsO nur dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner bei derartigen Bargeschäften im Gegenzug eine gleichwertige Gegenleistung erhält und damit eine Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben ist (§ 142 InsO). Bargeschäfte sind der insolvenzrechtlichen Anfechtung (§§ 129 ff. InsO) entzogen. 1 7 2 Voraussetzung hierfür ist allerdings ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluß des Kreditvertrages und der Bestellung der Sicherheit, wobei im Geltungsbereich der InsO bei der Bestellung von Grundpfandrechten auf den Eintragungsantrag abgestellt wird, 1 7 3 so daß auch bei wesentlich späterer Eintragung des Grundpfandrechts noch ein enger zeitlicher Zusammenhang vorliegen kann. Voraussetzung ist aber auch beim Bargeschäft, daß der Wert der Sicherheiten den Kreditbetrag nicht wesentlich übersteigt. Bei der Bestellung von Sicherheiten durch die Bank kommen neben Grundpfandrechten vor allem Globalzessionen und Sicherheitsübereignungen in Betracht. Hierbei m u ß im Bereich des Firmenkundengeschäfts beachtet werden, daß häufig seitens der Lieferanten Eigentumsvorbehaltsrechte vereinbart wurden, die mit den Sicherheiten der Bank kollidieren. Insofern ist nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich, daß in den Verträgen der Kreditinstitute ausreichende Freigabeklauseln enthalten sind, um eine Benachteiligung der Lieferanten zu vermeiden. 1 7 4

172 BGH vom 9.2.1955 - IV ZR 173/54 - WM 1955, 404; BGH vom 26.1.1977 VIII ZR 122/75 - WM 1977, 254; BGH vom 21.12.1977 - VIII ZR 255/76 WM 1978, 133; BGH vom 21. 5. 1980 - VIII ZR 40/79 - WM 1980, 779; OLG Düsseldorf vom 4.6.1982 - 24 U 23/82 - WM 1982, 1142; OLG Hamburg vom 26.10.1984- 11 U 168/83 - ZIP 1984, 1373. 173 Obermüller/Hess InsO, Rz 747. 174 Vgl. Hess KO, § 43 Rz 50 ff.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

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VI. Sicherheiten im Insolvenzplanverfahren 1. Überblick über den Insolvenzplan a) Ziele des

Insolvenzplanes

§§217 bis 253 InsO regeln Inhalt, Gestaltung und Ablauf des Insolvenzplanverfahrens. Im Sinne einer Deregulierung der Insolvenzabwicklung soll den Beteiligten nach Maßgabe der Begründung des Regierungsentwurfs zur InsO ein Höchstmaß an Flexibilität für die einvernehmliche Bewältigung des Insolvenzverfahrens gewährt werden. In privatautonomen Verhandlungen und Austauschvorgängen soll das wirtschaftliche Optimum durch eine Lösung erzielt werden, die mindestens einen Beteiligten besser und die anderen nicht schlechter stellt. 175 Ziel des Insolvenzplanes ist es, eine Sanierung zu ermöglichen, bei der die Gläubiger mehr in das Verfahren eingebunden werden und zum anderen die Rechtsstellung des Schuldners gestärkt wird. Er soll z.B. in Gestalt der Restschuldbefreiung die Möglichkeit bekommen, sich nach der Insolvenz eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

b) Das Recht zur Planinitiative Das Recht zur Planinitiative steht nach der endgültigen Fassung der InsO nur dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner zu (§ 218 InsO). Die ursprüngliche Konzeption des § 255 RegE, wonach auch Gläubiger- und Eigentümergruppen vorlageberechtigt sein sollten, wurde von dem Rechtsausschuß aufgegeben, nachdem von mehreren Seiten die Befürchtung geäußert worden war, die Vorlage mehrerer konkurrierender Insolvenzpläne könne zu „fruchtlosen Insolvenzplanspielen" und damit einer Blockierung des Verfahrensfortgangs fuhren. 176 Die Gläubiger haben allerdings die Möglichkeit, im Berichtstermin (§ 157 InsO) den Insolvenzverwalter mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes zu beauftragen.

175 Vgl. die Begr. RegE in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 12. 176 Vgl. Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, Einl. S. XLIV.

156

Harald Hess

Der Insolvenzplan kann bereits bei der Insolvenzantragstellung von dem Schuldner vorgelegt werden. Er muß spätestens zum Schlußtermin beim Gericht vorliegen, um berücksichtigt zu werden.

c) Aufbau des Planes Gegliedert ist der Insolvenzplan gemäß § 2 1 9 InsO in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil. Der darstellende Teil soll die Grundlagen und die Auswirkungen des Planes, die erforderlich sind, um den Gläubigern die Abstimmung zu ermöglichen, enthalten, während der gestaltende Teil im einzelnen darauf eingeht, wie sich die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan verändert. Dem Insolvenzplan sind außerdem die in §§ 229, 230 InsO beschriebenen Plananlagen beizufügen ( § 2 1 9 InsO).

2. Die Regelungen im Einzelnen a) Der darstellende

Teil

Im darstellenden Teil des Insolvenzplans ist das Sanierungskonzept festgehalten. Er enthält unter anderem die wirtschaftlichen Grunddaten des insolventen Unternehmens, der Branche und der Gesamtwirtschaft. Weitergehend werden die Krisenursachen und Krisensymptome geschildert. Die Sanierung kann nur dann zum gewünschten Erfolg führen, wenn die Ursachen für die desolate Lage des Unternehmens festgestellt und analysiert werden. Im Vorfeld der Planaufstellung muß daher eine gezielte Suche nach den Krisenfaktoren stattfinden. Im einzelnen kommt hier eine Vielzahl von unterschiedlichen Krisenfaktoren in Betracht, die sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern auch kumulativ auftreten können, beispielsweise Produkt-, Absatz-, Leistungs-, Struktur-, Käufer-, Personal-, Management-, Führungs- oder Liquiditätskrisen. 1 7 7 Wichtig für die Gläubiger ist außerdem ein Überblick über die Finanzund Ertragslage des insolventen Unternehmens, durch den eine Beurteilung der Erfolgsaussichten des Planes ermöglicht wird. Daneben enthält der

177 Vgl. zu den Fragen der Krisenerkennung Hess KO, § 117 KO Rz. 114 ff. mit umfangreichem Literaturnachweis.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

157

darstellende Teil des Planes eine Analyse der Schwachstellen und der Sanierungschancen sowie einen Überblick und eine Beurteilung der ins Auge gefaßten Sanierungsmaßnahmen.

b) Der gestaltende

Teil des

Insolvenzplans

Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans (§ 221 InsO) ist geregelt, inwiefern die Rechtsstellung der einzelnen Gruppen von Beteiligten (Absonderungsgläubiger, Insolvenzgläubiger, Schuldner, Gesellschafter am schuldnerischen Unternehmen) durch den Plan geändert werden soll. Beispiele für Regelungen im gestaltenden Teil des Planes: — —

— — — —

Verzicht des absonderungsberechtigten Gläubigers auf die Zinsen (§ 169 InsO) Zahlung höherer als der gesetzlich vorgesehenen Verwertungskosten (§171 InsO) durch den Absonderungsberechtigten gegen Besserungsschein Forderungserlaß in Höhe von 50 - 90% durch die Insolvenzgläubiger Stundung des nichterlassenen Teils auf 3 Jahre Beteiligung von Insolvenzgläubigem an dem schuldnerischen Unternehmen Durchfuhrung des Insolvenzplanes soll durch den Insolvenzverwalter überwacht werden.

Bei der Erstellung des Planes ist darauf zu achten, daß alle Beteiligten innerhalb einer Gruppe gleich behandelt werden (§ 226 InsO), es sei denn, die betroffenen Beteiligten stimmen einer Ausnahme zu. Eine der wahrscheinlich schon vor Inkrafttreten der InsO umstrittensten Regelung ist die Frage, nach welchen Kriterien die in § 222 InsO geforderte Bildung von Abstimmungsgruppen im gestaltenden Teil zu erfolgen hat. 178 Sinn und Zweck der Gruppenbildung ist die Berücksichtigung der unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen verschiedener Gläubigergruppen. 179 Die Bedeutung der Gruppenbildung liegt im planstrategischen Bereich - je 178 Vgl. hierzu Smid in InVo 1997, 169 und die Replik von Hess/Weis, InVo 1998, 64; siehe auch Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung, Verbraucherinsolvenz, a.a.O. S. 41 ff.; Smirf/Rattunde, a.a.O. Rz. 432 ff.; zum Braun/ Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, a.a.O. S. 516f., 589. 179 Vgl. die Begr. RegE zu § 222 InsO.

158

Harald Hess

nach Einteilung der Gläubiger können Abstimmungsergebnisse und Mehrheiten von dem Planersteller beeinflußt werden m. a. W. „die Gruppenbildung ist der strategische Schlüssel zur Mehrheitsfrage" 1 8 0 . Nach § 222 Abs. 1 InsO muß der Insolvenzplan zumindest zwischen den dort genannten Gläubigergruppen differenzieren, nämlich — — —

den Absonderungsberechtigten, wenn durch den Insolvenzplan in ihre Rechte eingegriffen wird den nicht nachrangigen Gläubigern den einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger (vgl. §§ 39, 327 InsO) soweit die Forderungen nicht gemäß § 225 Abs. 1 InsO als erlassen gelten

Innerhalb der Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung können gemäß § 222 Abs. 2 InsO Gruppen gebildet werden, in denen Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefaßt werden (z.B. Kreditgeber, Lieferanten, Vermieter, Energielieferanten, Unterhaltsberechtigte, etc.). Diese Gruppen müssen sachgerecht voneinander abgegrenzt werden, wobei die Abgrenzungskriterien im Insolvenzplan anzugeben sind. Gemäß § 222 Abs. 3 InsO soll für die — —

Arbeitnehmer und die Kleingläubiger

eine eigene Gruppe gebildet werden, wobei man sich die Frage stellen kann, ob die Arbeitnehmer ihrerseits Untergruppen bilden können (z.B. Angestellte, Arbeiter oder nach der Art der Forderung, z.B. Löhne und Gehälter, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Abfindungen, Gewinnbeteiligungen, etc.). Ein Abgrenzungskriterium zur Gruppenbildung stellt neben der rechtlichen Stellung der Gläubiger (§ 222 Abs. 1 InsO) und den gleichartigen wirtschaftlichen Interessen die Werthaltigkeit der Forderungen dar, 1 8 1 der diese Möglichkeit entgegen des Gesetzeswortlautes unter Hinweis auf angebliche Bewertungsunsicherheiten ausschließt. Auch die Behauptung, im amerikanischen Recht sei das Kriterium der Werthaltigkeit unmaßgeblich, erweist sich bei näherer Betrachtung als haltlos. 182

180 So Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, a.a.O. S. 516. 181 Str. vgl. Hess/Weis, InVo 1998, 64; a.A. Smid, InVo 1997, 169. 182 Vgl. Hess/Weis, InvO 1998, 64, 66.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

159

Je nach den Umständen des Einzelfalles lassen sich anhand der oben erwähnten Kriterien eine ganze Reihe möglicher Abstimmungsgruppen bilden. 1 8 3 Die sachliche Abgrenzung der Gruppenbildung soll der Inhaltskontrolle des Insolvenzgerichts nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegen. 1 8 4 In diesem Zusammenhang wird von einzelnen Autoren die Auffassung vertreten, daß die Maßstäbe zur Prüfung eines vom Schuldner vorgelegten Insolvenzplans in analoger Anwendung der §§ 12, 18 VglO gefunden werden könnten. Dies widerspricht jedoch dem Wortlaut des § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wonach das Insolvenzgericht nur zu prüfen hat, ob der Plan vom Schuldner oder dem Insolvenzverwalter vorgelegt worden ist und ob er inhaltlich in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil gegliedert ist. Das Prüfungsrecht ist daher auf die Fragen beschränkt, ob das Recht zur Vorlage und der Inhalt des Plans beachtet sind. Entgegen der oben genannten Mindermeinung rechtfertigt nämlich die Angst vor manipulativer Aufteilung der Gläubigergemeinschaft 1 8 5 es nicht, dem Insolvenzgericht über den Wortlaut des Gesetzes hinaus eine dort nicht vorgesehene Inhaltskontrolle über die Gruppenbildung zu übertragen, selbst dann nicht, wenn der Insolvenzplan und die Gruppenbildung vom Schuldner vorgeschlagen wurde.

c) Die

Plananlagen

Gemäß § 217 InsO sind dem Insolvenzplan die in §§ 229, 230 InsO genannten Plananlagen beizufügen. Hierbei handelt es sich um die Planbilanzen, die Gewinn- und Verlustrechnungen für den Zeitraum der Plandurchfuhrung und Liquiditätsrechnungen. Daneben sind im Fall der Unternehmensfortführung die Erklärungen des Schuldners, der Gläubiger und eventuell auch Dritter nach Maßgabe des § 230 InsO beizufügen.

183 Vgl. die Beispiele bei Hess/Weis, InVo 1998, 64, 67 und Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, a.a.O. S. 595. 184 Ausführlich hierzu Hess/Weis, InVo 1998; so auch Smid InVo 1997, 169; vgl. auch die Begr. RegE zu § 231 InsO. 185 Vgl. Sm/d/Rattunde, a.a.O., S. 452.

160

Harald Hess 3. Die Abstimmung über den Insolvenzplan

Die Abstimmung erfolgt gemäß § 235 InsO in einem vom Gericht zu bestimmenden Erörterungs- und Abstimmungstermin oder in einem speziellen Abstimmungstermin. Jede Gläubigergruppe (§ 222 InsO) stimmt gesondert über den Insolvenzplan ab, wobei innerhalb jeder Gruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger zustimmen muß und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Ansprüche der Gläubiger dieser Gruppe auszumachen hat (§ 244 InsO). Auch wenn nicht alle Gläubigergruppen der Annahme des Planes zustimmen, gilt der Insolvenzplan wegen des in § 245 InsO enthaltenden Obstruktionsverbotes als angenommen, wenn die ablehnende Gruppe durch die Regelungen des Plans nicht benachteiligt wird. Neben den Gläubigern muß auch der Schuldner (§ 247 InsO) dem Plan zustimmen, wobei seine Zustimmung allerdings nicht unbedingt ausdrücklich sein muß, sondern im Fall eines fehlenden Widerspruches auch fingiert werden kann. Der Widerspruch des Schuldners gegen den Plan ist daneben in bestimmten Fällen nach § 247 Abs. 2 InsO unbeachtlich. Sofern dem Gericht alle erforderlichen Zustimmungen vorliegen, hat es den Insolvenzverwalter, den Schuldner und — soweit vorhanden - den Gläubigerausschuß anzuhören, bevor es den Plan bestätigt (§ 248 InsO). Mit der Bestätigung des Planes treten die im gestaltenden Teil bestimmten Rechtswirkungen ein (§ 254 InsO).

4. Einbeziehung der Sicherungsgläubiger in den Insolvenzplan Eine Einbeziehung der Absonderungsberechtigten in den Insolvenzplan ist, wie oben aufgezeigt ohne Probleme möglich, da die Sicherungsgläubiger als Beteiligte im Sinne des § 222 InsO anzusehen sind, wenn in ihre Rechte eingegriffen wird. Ein Eingriff in die Rechtsstellung der Absonderungsberechtigten kann z.B. liegen in — — — —

einem (Teil) Erlaß der gesicherten Forderung einer abweichenden Verwertungsvereinbarung einem (teilweisen) Zinsverzicht dem Absehen von der Verwertung gegen eine in bestimmter Höhe vereinbarte Ausgleichszahlung, etc.

Kreditsicherheiten in der Insolvenz

161

Im Fall der Einbeziehung nehmen die Absonderungsberechtigten gemäß § 235 InsO an der Abstimmung über den Insolvenzplan teil, wobei sich ihr Stimmrecht nach § 238 InsO richtet. Die Rechte dieser Gläubiger werden einzeln erörtert. Ein Stimmrecht gewähren hierbei die Absonderungsrechte, die weder vom Verwalter noch von einem anderen absonderungsberechtigten Gläubiger bestritten werden. Sind die Absonderungsrechte bestritten, gelten §§ 41, 77 Abs. 2, 3 Nr. 1 InsO entsprechend, d.h. Verwalter und absonderungsberechtigter Gläubiger müssen sich einigen oder das Gericht legt das Stimmrecht fest. Steht der Ausfall des Absonderungsberechtigten noch nicht fest, ist von dem mutmaßlichen Ausfall auszugehen. Anders stellt sich die Situation der aussonderungsberechtigten Gläubiger, z.B. des (einfachen) Eigentumsvorbehaltsgläubigers dar: Er ist kein am Insolvenzplanverfahren Beteiligter gemäß § 222 InsO, sondern als Dritter im Sinne des § 230 Abs. 3 InsO anzusehen, nimmt also nicht an der Abstimmung teil. Dies hat zur Folge, daß eine Einbeziehung in die Regelungen des Insolvenzplans nur durch Verpflichtungserklärung im Sinne des § 230 Abs. 3 InsO möglich ist. Weder eine Überstimmung des einzelnen Gläubigers im Rahmen der Abstimmung innerhalb seiner Gruppe (§ 244 InsO), noch eine Anwendung des Obstruktionsverbots gemäß § 245 InsO, das eine Ersetzung der Zustimmung widersprechender Gläubigergruppen ermöglicht, kommt damit bei den Aussonderungsberechtigten zum Tragen. Gegen seinen Willen kann der einfache Eigentumsvorbehaltsgläubiger daher nicht in den Plan einbezogen werden. Dies stellt angesichts der Tatsache, daß der Insolvenzverwalter häufig für eine Sanierung auf die gelieferten Gegenstände angewiesen sein wird, eine unbefriedigende Lösung dar und spricht ebenfalls dafür, die Einordnung des Eigentumsvorbehalts zu den Aussonderungsrechten zu überdenken.

Anhang Tagungsbericht1 Am 1. Januar 1999 ist die neue Insolvenzordnung (InsO) in Kraft getreten und hat damit für Verfahren, die ab diesem Zeitpunkt beantragt werden, die Konkursordnung aus dem Jahr 1877, die Vergleichsordnung aus dem Jahr 1935 und die Gesamtvollstreckungsordnung aus dem Jahr 1990 abgelöst. Zu ihrem 10-jährigen Bestehen konnte die Bankrechtliche Vereinigung Wissenschaftliche Gesellschaft für Bankrecht e. V. daher kein aktuelleres Thema finden als die neue Insolvenzordnung, deren Tragweite fiir die Kreditwirtschaft sowie erste Erfahrungen mit diesem neuen Recht. Mit ihrer aktuellen Themenwahl zog die mittlerweile ca. 800 Mitglieder zählende Bankrechtliche Vereinigung dann auch das Interesse von nahezu 300 Teilnehmern auf sich. Unter den Teilnehmern befanden sich zahlreiche Mitarbeiter der Rechtsabteilungen deutscher Kreditinstitute, darunter fast alle Chefsyndizi der großen Häuser, namhafte Professoren, zahlreiche BGHRichter, Rechtsanwälte am BGH, Vertreter der Verlage mit juristischen Publikationen, Rechtsanwälte aus national wie international tätigen Anwaltskanzleien, leitende Vertreter der Bankenverbände sowie Mitarbeiter von Rechtsabteilungen von Industrieunternehmen. Rang und Zahl der Teilnehmer waren dabei sicherlich nicht nur auf die geglückte Themenwahl, sondern auch auf das hochkarätig besetzte Podium zurückzuführen. Professor Dr. Walther Hadding, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz, und Vorstand der Bankrechtlichen Vereinigung, begrüßte die Teilnehmer und wies einführend auf die Bedeutung des Insolvenzrechts für die Bankpraxis hin. So sei 1998 alle 20 Minuten ein Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverfahren über ein Unternehmen in Deutschland eröffnet worden, 500 000 Arbeitsplätze seien hierbei verlorengegangen und Forderungsverluste in Höhe von rd. 50 Mrd. D M entstanden. 1

Auszüge aus R. Wunderer, Die neue Insolvenzordnung - erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft - Bericht zum Bankrechtstag am 25. Juni 1999 in Stuttgart, WM 1999, 1489; R. Pamp, Bankrechtstag 1999 der Bankrechtlichen Vereinigung e.V. am 25. Juni 1999 in Stuttgart - Die neue Insolvenzordnung - erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft, ZBB 1999, 246.

164

Anhang

Dies allein erkläre bereits die Bedeutung des diesjährigen Bankrechtstages. Nach einem Dank an die Referenten sowie die beiden Diskussionsleiter des Tages, Professor Dr. Theodor Heinsius und Dr. Thorwald Hellner, übergab er das Wort an den Gastgeber des Bankrechtstages, Herrn Hubert Sühr, Generalbevollmächtigter der Landesbank Baden-Württemberg, der die Teilnehmer herzlich begrüßte und dem Bankrechtstag einen guten Verlauf wünschte. Professor Dr. Theodor Heinsius, Rechtsanwalt, Frankfurt a.M., ehemaliger Chefsyndikus der Dresdner Bank AG und Vorstand der Bankrechtlichen Vereinigung, übernahm sodann die Leitung des Vormittages und führte mit einigen persönlichen Erfahrungen in das Thema ein. Er selbst habe von 1978 - 1985 in der Kommission für Insolvenzrecht mitgearbeitet, die der Bundeaninister der Justiz seinerzeit mit der Aufgabe betraut habe, Voischläge für ein „effektives, modernes, wirtschaftsnahes und zugleich soziales Insolvenzrecht" zu erarbeiten. Ein Insolvenzrecht, das diesen Ansprüchen genügen sollte, habe die Möglichkeit einschließen müssen, ein insolventes Unternehmen vor Zerschlagung oder Liquidation zu bewahren, wenn ein finanzieller Zusammenbruch sich auf für seine Gläubiger zumutbare und für die Volkswirtschaft unschädliche Weise vermeiden ließe. Damit seien für die Kommission drei fundamentale Eckdaten gesetzt gewesen: Wirtschaftsnähe, Zumutbarkeit für die Gläubiger und volkswirtschaftliche Unschädlichkeit. Die Ausgangslage habe sich für die Kommission dadurch ausgezeichnet, daß bei über 70% der Unternehmen das Konkursverfahren mangels Masse nicht eröffnet werden konnte. Als Gründe für diese Massearmut habe man damals die Sicherungsrechte der Kreditgläubiger, das Fiskusprivileg und die Sozialpläne erachtet. Ober die eigentliche Wurzel der Massearmut, die geringe Ausstattung der Unternehmen mit Eigenkapital, habe man sich seinerzeit zu wenig Gedanken gemacht. Viele Gedanken der Kommission würden sich allerdings in der heutigen InsO wiederfinden, dies gelte insbesondere für das Insolvenzplanverfahren, das Kernstück des Reformwerkes. Die Restschuldbefreiung habe die Kommission dagegen nahezu einstimmig abgelehnt. Bedauerlich sei, daß die Streichung des §613a BGB nicht gelungen sei. Nach diesem kurzen Blick auf die Kommissionstätigkeit innerhalb der langen Entstehungsgeschichte des Reformwerkes übergab Heinsius das Wort an den ersten Referenten des Bankrechtstages, Professor Dr. Karsten Schmidt.2 [Referat K. Schmidt oben S. 1.] 2

R. Wunderer, WM 1999, 1489.

Tagungsbericht

165

In der anschließenden Diskussion wurde neben Einzelfragen zur Behandlung der Fortfuhrungsprognose auf der Grundlage des neuen Überschuldungsbegriffs insbesondere die Rangrücktrittsproblernatik aufgegriffen. Karsten Schmidt wies daraufhin, erforderlich sei eine Erklärung, aus der sich die Unterwerfung unter § 31 GmbHG ergebe; am sinnvollsten erscheine es, wenn der Begriff „Rangrücktritt" darin ausdrücklich enthalten sei. Des weiteren warf Karsten Schmidt selbst die Frage nach der Bedeutung der „drohenden Zahlungsunfähigkeit" im Zusammenhang mit einem Eigenantrag nach § 18 InsO auf. Vermutlich werde sich hinter einem solchen Antrag in der weit überwiegenden Zahl der Fälle tatsächlich eine „heimliche" Oberschuldung verbergen, weil der mit einem Selbstantrag wegen Überschuldung verbundene Selbstanzeigeeffekt im Falle des § 18 InsO nicht gegeben sei. 3 [Referate Ganter und Kubier, oben S. 27 und 49.] In der Diskussion stand zunächst die von Ganter referierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Februar 1999 im Mittelpunkt. Karsten Schmidt bezeichnete es als wichtigen und praxisnahen Gedanken für die Fortfuhrung des Girokontos in der Krise, hier den Gedanken des Bargeschäfts anfechtungsverneinend anzuwenden. Ganter hob ergänzend hervor, die Privilegierung ende mit Kenntniserlangung vom allgemeinen Verfugungsverbot durch die Bank. Auf die Frage, welche Befugnisse der (starke oder schwache) vorläufige Verwalter gegenüber Gläubigern habe, die Sicherungsrechte (Vermieterpfandrecht, Sicherungseigentum) am Vermögen, z. B. an Warenvorräten des Gemeinschuldners geltend zu machen, vertrat Kubier die Auffassung, hier liege eine Lücke im Gesetz vor, weil nicht bedacht worden sei, daß das Eröffnungsverfahren sich - z. B. wegen der Insolvenzgeldvorfinanzierung - in die Länge ziehen könne; seines Erachtens seien die §§ 166 ff InsO analog anzuwenden. Prof. Dr. Dr. Klaus J. Hopt, Hamburg, ging sodann, anknüpfend an einen Hinweis von Heinsius auf die positive Resonanz des US-amerikanischen Verfahrens nach Chapter 11 Bankruptcy Code, den von Kübler berichteten schlechten praktischen Erfahrungen mit dem Insolvenzplan nach. Unter Hinweis auf auch in anderen Ländern, etwa Griechenland, mißlungene Übertragungsversuche warf er die Frage nach den Ursachen auf. Nach Einschätzung von Kübler sind diese in psychologischen Momenten zu sehen. Voraussetzungen und Erfolg des Verfahrens nach Chapter 11 Bankruptcy Code hätten in den USA eine andere Basis, als sie 3

R. Pamp, ZBB 1999, 248.

166

Anhang

hierzulande bestehe; insbesondere sei die Vorstellung, daß der insolvent gewordene Schuldner „selbst weitermacht", in Deutschland schwer zu vermitteln und ein Umdenken nicht ad hoc erreichbar. 4 Am Anfang des von Dr. Thorwald Hellner, ehemaliger stellvertretender Hauptgeschäftsfiihrer des Bundesverbandes deutscher Banken e. V., geleiteten zweiten Veranstaltungsteils stand der Vortrag von Dr. Manfred Obermüller, Syndikus der Deutschen Bank AG, Frankfurt am Main, zum Thema „Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung". Mit diesen Begriffen sind wesentliche Neuerungen gegenüber dem früheren Konkursrecht und zugleich ein Kernstück der Insolvenzordnung umschrieben. Im Zusammenhang hiermit wandte Hellner sich gegen die Auffassung, die Kreditwirtschaft habe die mit der Einführung dieser Institute verbundenen politischen Anliegen mißbilligt. Man sei dem Reformvorhaben gegenüber vielmehr durchaus aufgeschlossen gewesen, weil die Debatte über den „modernen Schuldturm" zu einer sozialpolitischen Diskussion (Abdrängen des Schuldners in Arbeitslosigkeit und Schattenwirtschaft) geführt und das Thema dringend einer Lösung bedurft habe. 5 [Referat Obermüller S. 69.] Die ausgiebige Diskussion machte deutlich, daß in bezug auf zahlreiche Detailregelungen noch Klärungsbedarf gegeben ist. Überdies besteht wohl grundsätzlich Skepsis, inwieweit es gelingen kann, die Ausnutzung der mit Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung verbundenen Anliegen durch unredliche Schuldner wirksam zu verhindern. Zur aktuellen Frage der Prozeßkostenhilfegewährung vertrat Obermüller die Auffassung, nach dem Gesetzeswortlaut müsse Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, zumal die Verfahren ansonsten nicht betrieben werden könnten; im übrigen spreche einiges dafür, daß über kurz oder lang eine gesetzliche Klarstellung erfolgen werde. Vom Gesetz her müsse des weiteren auch ein sogenannter Nullplan zulässig sein. Es sei inkonsequent, diesen einerseits abzulehnen, andererseits aber die Restschuldbefreiung zugunsten des redlichen Schuldners, der sich erfolglos um Arbeit bemüht oder zwar gearbeitet habe, jedoch stets unter der Pfändungsfreigrenze geblieben sei, für möglich zu erachten. In der Sache vorzugswürdig sei es freilich, eine Mindestquote zu verlangen, was auch zur Entlastung der Gerichte beitrage. Im Zusammenhang mit Abgrenzungsfragen 4 5

R.Pamp, ZBB 1999,251. R.Pamp, ZBB 1999, 251.

Tagungsbericht

167

zum Verbraucherbegriff im gewerblichen Bereich wies Hess darauf hin, die Unterscheidung werde insbesondere bei den Amtsgerichten unter steuerlichen Gesichtspunkten (Höhe von Umsatz oder Gewinn) vorgenommen. Seines Erachtens sei auf § 4 HGB (Minderkaufmann) und nach der gesetzlichen Neuregelung auf § 1 Abs. 2 HGB abzustellen. Danach sei Verbraucher, wer keiner zum kaufmännischen Betrieb erforderlichen Einrichtungen bedürfe. Die Frage nach der Vollständigkeit der Gläubigererfassung beantwortete Obermüller dahin, im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren müsse der Schuldner Gläubigerverzeichnisse vorlegen, wer darin nicht aufgeführt sei und vom Verfahren keine Kenntnis erlange, sei mit seinen Forderungen vom Verfahren nicht betroffen. Im Restschuldbefreiungsverfahren verhalte es sich anders, weil zuvor ein - veröffentlichtes - Insolvenzverfahren stattgefunden habe; die Wirkungen des § 301 InsO beträfen daher auch die dort nicht beteiligten Gläubiger. Erörtert wurde weiter die Gefahr der Mehrheitsveränderung durch künstliches Aufbauschen einzelner Forderungen im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren. Hier sah Obermüller für mißtrauische Gläubiger nur beschränkte Kontroll- oder Abhilfemöglichkeiten. In jedem Falle müsse ein solcher Gläubiger gegen den vorgelegten Plan stimmen. Soweit es um die Ersetzung seiner Zustimmung gehe, könne er einwenden, durch zu hohe Ansetzung einer anderen Forderung selbst nicht angemessen beteiligt worden zu sein. Allerdings müsse er glaubhaft machen (§ 294 ZPO), daß die Forderung zu hoch angesetzt worden sei, wofür in der Regel die notwendigen Informationen fehlten. So könne etwa bei Verwandtenkrediten einerseits Skepsis angebracht sein, ob die Forderung tatsächlich und in der geltend gemachten Höhe bestehe; andererseits seien häufig gerade Angehörige des Schuldners noch am ehesten zur Kreditgewährung bereit. Der Möglichkeit, zugunsten einzelner (Groß-)Gläubiger eine höhere Quote zu vereinbaren, steht das Verbot der Gewährung von Sondervorteilen (§ 294 Abs. 2 InsO) entgegen. Weiteren Raum nahm die Frage ein, ob nicht die Offenlegung der Vermögensverhältnisse durch den Schuldner für dessen Gläubiger überhaupt erst den Anreiz schaffe, in bestimmte Vermögenswerte zu vollstrecken. Hier wirkt § 88 InsO zumindest in gewissem Umfang einschränkend. 6 [Referat Hess oben S. 101.]

6

R. Pamp, ZBB 1999, 252, 253.

168

Anhang

Im Anschluß an die Erläuterungen von Hess entspann sich wiederum eine lebhafte Diskussion, die zunächst die Handhabung von § 21 Abs. 2 Nr. 3 und § 2 1 Abs. 1 InsO in der Phase zwischen Stellung des Insolvenzantrags und Verfahrenseröffnung zum Gegenstand hatte. Anknüpfend an Ausführungen in seinem Referat hob Hess sodann nochmals hervor, für den Insolvenzverwalter werde es künftig - gerade, aber nicht nur im Zusammenhang mit Aussonderungsgut - unabdingbar sein, Vereinbarungen mit den Gläubigern zu treffen (z. B. Sicherheitenpool mit den Kreditsicherungsgesellschaften). Breiten Raum nahm - im Anschluß an einen Diskussionsbeitrag von Karsten Schmidt - die Problematik der Freigabe nicht verwertbarer Massebestandteile, insbesondere sogenannter Altlastengrundstücke ein. Karsten Schmidt wies in diesem Zusammenhang darauf hin, das - von ihm kritisch betrachtete - Verhalten der Insolvenzverwalter werde hier wohl von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in den jeweiligen Gerichtsbezirken und deren künftiger Entwicklung abhängen. 7 Mit einem Dank an die Teilnehmer, Referenten und die Verantwortlichen der Organisation des Bankrechtstages schloß Hellner sodann den Bankrechtstag. Vorstand und Kuratorium der BrV war es mit dieser Veranstaltung zum 10. Mal gelungen, hervorragende Referenten zu einem hochaktuellen Thema zu finden. Zu begrüßen ist, daß die Vorträge wie bisher in einer Tagungsschrift veröffentlicht werden sollen. Bereits jetzt sollte man sich auch den Termin des ersten Bankrechtstages des nächsten Jahrtausends vormerken, der am 30.06.2000 in Wien stattfinden wird. 8

7 8

R. Pamp, ZBB 1999, 253, 254. R. Wunderer, WM 1999, 1495.

Stichwortverzeichnis Absonderung 87, 88, 89, 100, 134 f., 137 - sberechtigter 102, 107, 105 f., 118, 121, 137 ff., 157 f., 160 f. Abstimmung - über den Insolvenzplan 160 - über den Schuldenbereinigungsplan 82 f. - sverfahren 76, 82 f. Abtretung 31, 36 - des Arbeitsentgelts 90 f., 96 ff. - sausschluß 91 - sverbot 135 Abwicklung 23 AGB 130 ff., 136, 143 - Banken 34, 35 Aktiva, pfändbare 9 Aktivenbewertung 8 f. „Alles-oder-nichts"-Prinzip 39 Anfechtung 29 ff., 37, 88, 103, 125 - sgegner 31 f. - sgesetz 88 - sklage 44 - svoraussetzungen 30 Anmeldung der Forderung 16 Antrag auf Eröffnung - des Gesamtvollstreckungsverfahrens 31, 35 - des Insolvenzverfahrens 71, 74, 76 f., 81 Antragsverfahren 76 Arbeitsentgelt 3 4 , 9 1 - pfändbares 84, 90 f., 94 - pfändungsfreies 73, 98 - Zwangsvollstreckung in das 94 Auflage 109 f. Auflösungstatbestand 22, 31 Aufrechnung 36 f., 39 f. - sbefugnis des Arbeitgebers 94 f. - shindernis 36,

- sschranke, allgemeine 37 - sverbot 37 f. Ausfall des Gläubigers 20, 53, 120 Ausfallhaftung 18 Ausgleichssanspruch 121 f., 127, 143 Auskunftsrecht - der Gläubiger 120 - des Sicherungszessionars 127 Aussonderung 41 ff., 118, 132, 134 f., 137 ff., 161 - sgegenstand 42 f. Bardeckung, unanfechtbare 37 Berichtstermin 52, 65, 86, 109, 110, 121, 127, 132, 138, 139, 144, 155 Beschlagnahme 108 f. Beschwerde, sofortige 84, 93 Besitzmittlungsverhältnis 115,137 Bestimmtheitsgrundsatz 115 f. Beweislast 19,24 Bewertung des Vermögens 8 Bewertungsprämisse 7, 9 Doppelausgebot 106, 108 Drittwiderspruchsklage 118 Durchführungsanweisung zu § 188 SGB III 59 f. Durchgriffshaftung 25 Eigenkapitalersatz 10 ff., 20, 23 Eigentumsvorbehalt 103, 114, 130 ff„ 154, 161 - einfacher 130 ff., 138 ff. - erweiterter 132 ff. - verlängerter 134 ff., 140 Eigenverwaltung 64 f. Einpersonengesellschaft 18,25 Eintrittsrecht der Gläubiger 121 Einstweilige Einstellung - der Zwangsversteigerung 109 f.

170

Stichwortverzeichnis

- der Zwangsverwaltung 111 - von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen 7 4 , 8 1 , 8 5 Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters 98, 129 Einrede der Vorausklage 20 Erfiillungsansprüche 38 f. Erfiillungsverlangen des

- sverzeichnis 71, 78 ff, 82 Fortfilhrungsprämisse 6 - sprognose 7, 8 f., 10, 52 Freigabe 122 - ansprach des Sicherungsgebers 81 - klausel 154 Fremdkapitalisierung, planmäßige 14

Verwalters 39 Erlöschen - der Forderung 79 f. - von Sicherheiten 80 Eröffnung - des Gesamtvollstreckungsverfahrens 34, 42 - des Insolvenzverfahrens 1 7 , 4 2 , 74, 7 5 , 9 1 , 9 7 , 9 8 , 140 - des Konkursverfahrens 38 f. - santrag 31, 34, 77 - sgrund 52, 87 - sverfahren 32, 34, 36, 37, 51 ff., 64, 86 Ersatzabsonderung 41 ff. Ersatzaussonderung 41 ff., 131 Ersetzung der Gläubigerzustimmung 83 f., 161

Geringstes Gebot 106 Gesamtvollstreckung 3 , 2 9 , 3 0 , 3 1 , 36 f., 41 f., 42 Gesellschafter - persönlich haftender 20 f. - bürgschaften 19 ff. - darlehen, eigenkapitalersetzendes 15 ff. Gesellschaftsvermögen, massefreies 3 Gläubiger - gesicherter 84, 103, 109 - nachrangiger 65, 158 - ungesicherter 84, 103 - ausschuß 88 f., 160 - benachteiligung 31 - gefährdung 117 - gemeinschaft 84, 104, 159 - gleichbehandlung 23, 46 - gruppen 159, 160 - schütz, präventiver 6 - Versammlung 87, 88 f., 28, 29 - Verzeichnis 71, 78, 79, 82 Gleichbehandlungsgebot 73, 84 Globalzession 124, 125 f. Grunderwerbsteuer 112 f. Grundpfandrecht 103, 104 ff, 150, 154 - Verwertung 105 ff. Grundstückszubehör 106, 112, 113

Factoring 149, 150 ff. Feststellungsbeschluß 85 Feststellungskosten 89, 123, 128 f. Fiktion des Einverständnisses 82, 83 Finanzierung (von Unternehmen) 5, 6, 18 ff.

- sfolgenverantwortung 25 - sverantwortung 25 Finanzplan 9, 13 ff. - Kredite und Nutzungsüberlassung 13 ff. Firmenwert 9 f. Forderung - bestehenbleibende 32 - nachrangige 11, 16, 17, 20 - vorkonkursliche 40 - serlaß 17, 73, 157, 160

Haftung - des Bürgen 20 - der Gesellschafter 20, 22 - des Insolvenzverwalters 53 f. - der V o r - G m b H 21 - untemehmensrechtliche 24 f.

Stichwortverzeichnis - sbeschränkung des Erben 4 Hemmnisbeseitigungsgesetz 30 Insolvenz - des Anschlußkunden 150 f. - des Factors 151 f. - des Leasinggebers 147 ff. - des Leasingnehmers 141 ff. - des Unternehmens 3 , 4 , 17, 22, 62 - anfechtung 37 f., 86, 87 - antrag 24, 29, 36, 38, 70, 76, 77 f., 90, 125, 145 - spflicht 6, 15, 17 - beschlag 34, 35 - delikt 93, 98 f. - festigkeit 29, 35, 151 - geldvorfinanzierung 56 ff, 64, 67 - durch Banken 58 ff - individuelle 61 - plan 20, 62 ff, 86, 109, 139, 155 ff. - Abstimmung über 160 - Anlagen 159 - Fristen 65 - I n h a l t 156 ff. - Initiative 155 f. - Z i e l e 155 - Verfahren 62 ff, 155 ff. - tabelle 65 - verfahren, vereinfachtes 70, 85 ff, 90 - v o r l ä u f i g e s 152 ff - Verschleppung 4, 9 f., 23, 24, 93, 117 - Verwalter, vorläufiger 51 f., 152 Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit 31 f. „Knäbäck"-Entscheidung 4 4 Koilisionsnormen - einseitige 4 4 f. - allseitige 4 5 kongruente Deckung 31 Konkursbeschlag 33

171 Konkursordnung 4, 28, 33, 34, 42 Kontokorrentabrede 3 8 Kontokorrentkredit 124 Kontokorrentvorbehalt 132 ff. K o n T r a G 15 Kostenbeitrag 51, 88, 89, 95, 98, 102, 111 f., 120, 122 f., 128, 129, 144 Kostenbeteiligung 111 f. Kreditbetrug 93 Kreditgeber 2 0 , 2 1 , 2 2 Kreditsicherheit 95, 104 ff. - Bestellung durch vorläufigen Insolvenzverwalter 153 Krise der Gesellschaft 1 3 , 1 5 , 1 7 , 1 8 , 20 Leasing 140 ff. - als Kauf 146 f. - Immobiliar 145 f., 148 ff. - Mobiliar 142 ff, 147 f. Liquidationswert 7, 10 Liquidationsverfahren 4, 1 7 , 2 2 Lohnpfändung/-verp fandung 91, 92 Mantelzession 124 f. Masse 4, 12, 21, 34, 3 9 , 4 0 , 86, 87, 88 - liquide 24 - armut 53, 88, 103 - gläubiger 94, 107 - kostenvorschuß 23, 24 - losigkeit 22 ff, 102 M i e t - o d e r Pachtverträge 13, 140 f f , 148 Miet- oder Pachtzins 11, 12, 14 Mindestquote 72 Mitschuldner 20, 85, 100 Mobiliarsicherheiten 104, 114 ff, 128 Nachlaßinsolvenz 3, 4 Nachteilsausgleich 109 Nicht-Konkursforderung 16, 17 „Norsk Data"-Entscheidung 45 Nullplan 45 ff, 72, 80 - flexibler 47

172 Nutzungsüberlassung, eigenkapitalersetzende 11 ff., Obliegenheit 95 f. - sverletzung 98 Obstruktionsverbot 66, 160, 161 Öffentliche Ordnung 19 f. Parteiautonomie 72, 80 Passivierung des Eigenkapitalersatzes 16, 17 Patronatserklärung, harte 21 Pfandklausel 34 Pfandrecht 35, 71, 80, 87, 89 - an Forderungen 129 f. - an Sachen 128 f. Pfändung 33, 73 - spfandrecht 92, 123, 129 - sschutz 73 Prozeßkostenhilfe 45, 47, 77 Prüfungstermin 65, 89 Quote 45 f. Rangrücktritt 11, 16 ff. Rechtshandlung, anfechtbare 3 1 , 3 7 Referentenentwurf 21, 32, 42 Restschuldbefreiung 4, 46, 70, 72, 76, 83, 90 ff., 155 - Antrag auf 78 - Entscheidung Uber Erteilung 90, 98 ff. - Versagung 99 - Versagungsgründe 92 f., 94, 98 f. - Widerruf 90, 100 - sverfahren 70, 73, 80, 84, 91 Rückschlagsperre 3 5 , 3 6 Rückzahlungssperre 14 f. Sacheinlage, verdeckte 4, 18 f., 23 Saldovorbehalt 132 ff. Sanierung 5, 6, 11, 17, 102, 117, 128, 155 - skonzept 20, 58 ff., 156,

Stichwortverzeichnis - skredit 152 - sprivileg 11 Schlußverzeichnis 98 Schuldenbereinigung - Vorbereitung der Entscheidung Uber 81 f. Schuldenbereinigungsverfahren, außergerichtliches 70 ff., 77, 78 - Verfahrensgang 75 - Wirkungen 74 f. Schuldenbereinigungsverfahren, gerichtliches 76 ff. - Antrag des Schuldners 76 - Inhalt 77 ff. Schuldenbereinigungsplan 70, 76, 79 - außergerichtlicher 71 ff - Form 71 f. - Inhalt 72 f. - gerichtlicher 70, 80 f., 82, 83, 85 - Abstimmung über 82 ff - Äußerung(sfrist) der Gläubiger 82, 83 Schuldenbereinigungsversuch, außergerichtlicher 74 f., 78 Sequestration 33, 34, 35, 153 Sicherheiten - abstrakte 80 f. - akzessorische 80 - im vorläufigen Insolvenzverfahren 152 ff. Sicherung der Masse 81 Sicherungsabtretung 114, 122 f.. 124 ff., 135, 140, 147 Sicherungseigentum 119,122 Sicherungsübereignung 103, 114 ff. - an Sachgesamtheiten 115 f. -Sittenwidrigkeit 117 Sieben-Jahres-Frist 72, 73 Sonderkündigungsrecht des Zwangsverwalters 12 f. Spezialitätsgrundsatz 116 Statut der Konkursanfechtung 44 f. Stillegungsantrag 53

Stichwortverzeichnis Treuhänder 86, 87, 88, 89, 91, 92, 96 ff. - Aufgaben 97 - Rechtstellung 96 f. - Vergütung 97, 98, 99 Überschuldung 6, 7, 8 - rechnerische 7, 10 - sbegriff 6 ff. - sfeststellung 9 f. - smerkmal, negatives 9 - sprüfung 8 f. - sstatus 6, 15, 16, 17 - statbestand 6 ff. Überwachung der Planerfüllung 66 Umsatzsteuer 112 ff., 123, 129 Unternehmensfinanzierung 2, 5, 6 ff., 10 Unternehmer, persönlich haftender 70, 90 Verbraucherinsolvenz 3, 69 ff. - verfahren 4, 45 ff., 69 ff. Verfahren, vereinfachtes 85 ff., 94 Verfahrenskostendeckung 51 f., 86, 87 Verfügungsbeschränkung 33, 34 Verfügungsverbot, allgemeines 33, 34, 38, 81, 85, 126, 152 Vergleichsverfahren, norwegisches 45 f. Vermögensverschleuderung 93 Vermögens- und Schuldenverzeichnis 71, 78 ff., 93 Verpfändung künftiger Forderungen 32 ff. Verteilung der Insolvenzmasse 89 - vereinnahmter Beträge 98 Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters 52, 54, 152 ff. Verwertung 87 ff., 113, 122, - des Nutzungsrechts 12

173 - der Insolvenzmasse 21 - seriös 123 - skosten 123, 128 f. - s r e c h t 119 f., 126, 128, 139, 144 - szeitpunkt 123 f. Vollstreckungsgericht 108,112 Vollstreckungsverbot 35, 74, 107 Vorausabtretung 32 ff., 95, 135 f., 148 ff., 151 Wahlrecht des Konkursverwalters 38 Wahrheitspflicht des Schuldners 79 Wohlverhaltensperiode 47, 90, 94 ff., 98 Zahlungseinstellung 3 1 , 3 2 Zahlungsunfähigkeit 6, 7, 31, 32, 59, 77, 125 - drohende 63 - Kenntnis der 32 Ziele des Insolvenzverfahrens 2, 46 Zins 7 2 , 7 5 , 8 2 , 110, 121, 127 - verzieht 72, 157, 160 Zustimmungsvorbehalt, allgemeiner 54 Zwangsvergleich 4, 20, 46 - norwegischer 45 f. Zwangsversteigerung 105 ff., 113 - vor Verfahrenseröfihung 106 f. - nach Verfahrenseröfihung 107 f. Zwangsverwaltung 12 f., 105, 150 Zwangsvollstreckung 94, 99 - in künftige Forderungen 92 - smaßnahmen 34, 73, 74 Zulassungsbeschluß 93 f. Zulassungsverfahren 90 ff. Zustellung des Anordungsbeschlusses 108 - des Schuldenbereinigungsplans 82