Die meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz: Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten 9783897442573, 3897442574

Horaz rezipiert und produziert in der Nachfolge der frühgriechischen Dichter jegliche Gelegenheitsdichtung somit auch sy

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Die meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz: Vertumnus. Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten
 9783897442573, 3897442574

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VERTUMNUS.Berliner Beiträge zur Klassischen Philologie und zu ihren Nachbargebieten Band 3 herausgegeben von Ulrich Schmitzer

Nina Mindt Die meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.

Die Umschlagabbildung zeigt eine Vertumnus-Statue aus dem archäologischen Institut der Universität zu Erlangen-Nürnberg

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © Duehrkohp & Radicke Wissenschaftliche Publikationen Göttingen - 2006 und Edition Ruprecht, Inh. Dr. R. Ruprecht e.K., Postfach 1716, 37007 Göttingen - 2006 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Satz: Prof. Dr. Ulrich Schmitzer/Nina Mindt Druck: Digital Print Group, Erlangen ISBN-13: 978-3-89744-257-3 ISBN-10: 3-89744-257-4

Vorbemerkung

Die vorliegende Untersuchung zu den meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz entstand als wissenschaftliche Hausarbeit im Rahmen des Ersten Staatsexamens. Allen Personen, die diese Arbeit mit Interesse verfolgten und unterstützend begleiteten, sei hier gedankt, namentlich insbesondere Prof. Dr. Alessandro Barchiesi, Dan Drescher, Astrid Heuer und Dr. Thomas Poiss. Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Ulrich Schmitzer, der die Arbeit betreute und als Herausgeber des Vertumus deren Publikation ermöglichte. Die Prämierung der Examensarbeit durch den HumboldtPreis der Humboldt-Universität zu Berlin 2005 trug ebenso zur Realisierung der Veröffentlichung bei.

Berlin, Januar 2006 

Nina Mindt

Inhaltsverzeichnis 1.

Einleitung

11

1.1

Themenstellung der Arbeit und Forschungsüberblick

11

1.2

Zum Begriff „meta-sympotisch“ 

13

Symposion und Literatur

15

2.1

Das griechische Symposion und die frühgriechische Lyrik

15

2.2

Das hellenistische Epigramm 

17

2.3

Exkurs: Mimetische Gedichte 

19

2.4

Symposion versus convivium

20

2.5

Sympotische und meta-sympotische Dichtung in Rom

2.

3.

 



22

2.5.1

Carmina convivalia

22

2.5.2

Erotisch-metasympotische Thematik in Rom vor Horaz 

23

2.5.3

Neue Kommunikationsformen in „sympotischer Maske“ 

24

Formen literarischer Kommunikation zur Zeit des Horaz 

26

3.1

Zwischen Performance und Buchkultur 

26

3.2

Spuren von Performance im Text 

29

4.

Die meta-sympotischen Oden und Epoden



31



„Der Horaz“ der meta-sympotischen Oden



31



carm. 1,6: Meta-sympotische Programmatik



32



carm. 1,7: Nunc vino pellite curas



carm. 1,9: Evokationsstrategien 

38



Exkurs: Epode 13



40



carm. 1,11: Carpe diem 

42



34



carm. 1,20: Maecenas I - Inszenierung von Hierarchie und Gleichheit

44



carm. 1,27: Eine sympotische Komödie 

45



carm. 1,36: Cena adventicia

47



carm. 1,37: Nunc est bibendum Teil 1



Exkurs: Epode 9



carm. 1, 37: Nunc est bibendum Teil 2



52



carm. 1,38: Meta-sympotischer Epilog



53



carm. 2,7: Sodalitas



carm. 2,11: Symposion der Sinne 

58



carm. 3,8: Maecenas II - sympotische amicitia 

59



carm. 3,14: Öffentlich und privat 

61



carm. 3,17: Traditionelle cena

63



carm. 3,19 : Erotisch-sympotische Szenerie



carm. 3,21: An den Weinkrug



carm. 3,29: Maecenas III 



carm. 4,1: Fortführung erotisch-metasympotischer Dichtung



carm. 4,5: Ein Kontrastbeispiel 



carm. 4,11: Maecenas IV – ein Geburtstagssymposion



carm. 4,12: Ein Freundschaftssymposion 

74



carm. 4,15: Eine neue alte Tradition sympotischer und meta-sympotischer Dichtung?

76

Schlussfolgerungen



80

5.1

Poetik des Augenblicks 

80

5.2

Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft 

81

5.3

Verschiedene personae des Horaz

84

5.

 

50



51



55

 

64



67 68 

70 71





73

5.3.1

Symposiast und amator 

84

5.3.2

Philosoph

84



5.3.3

amicus 

84

5.3.4

vates

86

5.3.5

Dichter 

86

5.4

Die Revitalisierung (meta-)sympotischer Dichtung durch Horaz 

87

5.5

Der Genuss des Rezipienten

89

Literatur 



90

11

1.

���������� Einleitung

1.1

��������������� Themenstellung der Arbeit ���� ����������� und Forschungsüberblick �������������������

Das Fest ist eines der Grundthemen des Horaz, immer wieder treten Elemente auf, die Bestandteile von Festen sind (Einladung / Aufforderung, Vorbereitung, Ablauf). Ausgehend von dieser Beobachtungen möchte die Arbeit die Oden und Epoden des Horaz nach solchen Elementen untersuchen und sich dabei vor allem auf diejenigen unter ihnen konzentrieren, in die diese Thematik nicht nur marginal eingeflochten ist, sondern die zu einem großen Teil ein festliches Beisammensein beschreiben. In der Lyrik des Horaz lassen sich inhaltlich staatliche, religiöse und private Feste unterscheiden. In dieser Arbeit werden Feste betrachtet, die in privatem Rahmen stattfinden, wobei es durchaus möglich ist, dass sie politisch motiviert sind oder sakrale Bestandteile haben. Dabei spielt die gesellschaftliche Realität in Rom eine Rolle: Wie wurde gefeiert? Wurden griechische sympotische Elemente übernommen („erste Stufe der Rezeption“)? Welcher Anteil in der Lyrik des Horaz spiegelt also römische Realität, welcher geht hingegen auf literarische Rezeption griechischer (meta-)sympotischer Gedichte und Epigramme zurück? Auf dieser „zweiten Stufe der Rezeption“ sollen die Rolle der Gattung, die Literarisierung der Realität und die Gattungstransformationen auf aktuelle Bedürfnisse aufgezeigt werden. Die Dreierkonstellation Autor – Publikum / Adressat – situativer und institutioneller Kontext soll im Vergleich mit der Tradition sympotischer Dichtung betrachtet werden. Es werden Fragestellungen berührt, die in den letzten zwanzig Jahren intensiv beforscht worden sind, und zwar von ganz verschiedenen Seiten. Zum einen wurde aus archäologischer und althistorisch-kulturgeschichtlicher Perspektive Interessantes vor allem zum Symposion auf griechischer, aber auch zum convivium auf römischer Seite vorgelegt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere O. Murray, W.J. Zur Klärung der Begriffe „Symposion“ und „convivium“ vgl. Kapitel 2. Zum Begriff „meta-sympotisch“ s. 1.2.  W. Rösler gibt als Eckpunkte seines interpretatorischen Rahmens Autor, Publikum und situativen Kontext an (vgl. Rösler, W.: Dichter und Gruppe, München 1980, 91) und bietet damit eine geeignete (gräzistische) Folie für die Untersuchung eines ähnlichen (latinistischen) Themas an. 



12

Slater und K.M.D. Dunbabin zu nennen. Dass das Forschungsinteresse in letzter Zeit auch in Deutschland diesbezüglich zugenommen hat, lässt sich an den aktuellen Monographien von Konrad Vössing und von Elke Stein-Hölkeskamp ablesen. Zum anderen scheint die Literatur zur Frage des Publikums und des soziokulturellen Kontextes der Lyrik des Horaz kein Ende zu nehmen. Besonders einflussreich sind dabei die einleuchtenden Ausführungen von Mario Citroni zu den verschiedenen Ebenen der Adressaten bei Horaz. Außerdem tritt noch eine dritte zu beachtende Größe ins Spiel, nämlich die griechischen literarischen Modelle des Horaz. Zu den einzelnen Oden, die hier betrachtet werden sollen, liegen zum Teil auch zahlreiche Einzeluntersuchungen vor. Bis auf Murrays inspirierenden Aufsatz „Symposium and Genre in the Poetry of Horace“ liegt jedoch keine Untersuchung vor, die diese verschiedenen Ebenen zusammenführen würde, so dass die Berechtigung besteht, sich in die Fülle der Forschungsliteratur zu Horaz einzureihen10. Murray, O. (Hrsg.): Sympotica, Oxford 1990; Murray, O. / Tecuşan, M. (Hrsg.): In vino veritas, Oxford 1995; Slater, W.J. (Hrsg.): Dining in a Classical Context, Michigan 1991; Dunbabin, K.M. D.: „Convivial Spaces: Dining and Entertainment in the Roman Villa“, in: JRA 6 (1993), 66-80; dies.: The Roman Banquet: Images of Conviviality, Cambridge 2003; vgl. aber auch Gerlach, G.: Zu Tische bei den alten Römern. Eine Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, Stuttgart 2001.  Vössing, K.: Mensa regia. Das Bankett beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser, München / Leipzig 2004; Stein-Hölkeskamp, E.; Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005; vgl. dies.: „Ciceronische convivia: der rastlose Republikaner und die zügellosen Zecher“, in: Hermes 129 (2001), 362-376.  Citroni, M.: Poesia e Lettori in Roma Antica. Forme della Comunicazione Letteraria, Bari 1995.  Vgl. Feeney, D.: „Horace and the Greek Lyrik Poets“, in: Rudd, N. (Hrsg.): Horace 2000. A Celebration. Essays for the Bimillennium, London 1993, 41-63; Miller, P.A.: Lyric texts and lyric con-sciousness. The birth of a genre from archaic Greece to Augustan Rome, London 1994; Paschalis, M. (Hrsg.): Horace and Greek Lyrik Poetry, Rethymnon Classical Studies 1, 2002; Williams, G.: Tradition and Originality in Roman Poetry, Oxford 1968; Woodman, T. / Feeney, D.: Traditions & Contexts in the Poetry of Horace, Cambridge 2002.  Murray, O.: „Symposium and Genre in the Poetry of Horace“, in: Rudd, N. (Hrsg.): Horace 2000. A celebration. Essays for the Bimillennium , London 1993.  Als bibliographische Hilfsmittel seien genannt Kissel, W.: Gesamtbibliographie zu Horaz 1976-1991, in: Koster, S.: Horaz-Studien, Erlangen 1994, 115-192; Doblhofer, E.: Horaz in der Forschung nach 1957, Darmstadt 1992. 10 Einen Teilbeitrag zum Schließen dieser Lücke von Philologenseite hat jüngst Timothy Johnson geliefert, der sich jedoch, gleichwohl er im Vorwort und ersten Kapitel Grundaussagen 

13

1.2

���� Zum Begriff „meta-sympotisch“ �������� �����������������

Über den Ablauf von Symposia informieren uns verschiedene Quellen, unter anderem auch die Dichtung. Luigi ������������� Enrico Rossi schreibt in Bezug auf die frühgriechische Lyrik: „... i carmi cantano lo svolgimento del simposio stesso e la presenza in esso della musica: è a questo proposito che parliamo di poesia m e t a s i m p o s i a l e .“11 Die meta-sympotischen Elemente, so soll hier gezeigt werden, reflektieren bei Horaz nicht real stattfindende Symposia, sondern fingierte bzw. fiktive Feste, die in dieser Form nur literarisch stattgefunden haben. In der frühgriechischen Dichtung wie bei Horaz finden wir also eine Meta-Ebene, wobei Horaz auf einer anderen Meta-Ebene als die griechischen Dichter arbeitet: Bei diesen möchte ich „meta“ verwenden als auf wirklich stattfindendes Symposium bezogen, das ein „realer Anlass“ und Aufführungsort für Dichtung war. Es handelt sich also um ein selbst-reflexives „meta“, da auf einem Symposion über Sympotisches gesprochen wurde, es sich demnach um sympotische und meta-sympotische Dichtung zugleich handelt (vgl. 2.1). Im Folgenden wird dieser Umstand durch die Bezeichnung „(meta-)sympotisch“ ausgedrückt. Die horazischen meta-sympotischen Gedichte jedoch beziehen sich auf eine Fiktion durch den Dichter beziehungsweise Imagination auf Seiten der Zuhörer und Leser12 . Dabei soll die allzu einfache Gegenüberstellung vermieden werden, dass es sich etwa in der griechischen Lyrik um eine Eins-zu-Eins-Übertragung von Leben in Dichtrifft, denen ich nur zustimmen kann, vornehmlich auf ein close reading des vierten Odenbuchs beschränkt.� Vgl. Johnson, T.: Symposion of Praise. Horace Returns to Lyric in Odes IV, Wisconsin 2004. 11 Rossi, L.E.: „Orazio, un lirico greco senza musica“, in: Seminari Romani di cultura Greca I, 1 (1998), 167. Rossi ist bisher der Einzige, der den Begriff „meta-sympotisch“ benutzt. Autoreflexivität und Meta-Ebene müssen nicht automatisch Buchkultur bedeuten. Das heißt nicht, dass ich dabei den „Sitz im Leben“ der griechischen Dichtung in Frage stelle, doch dieser Aspekt ist bisweilen überbewertet worden, so dass ein Meta-Begriff verpönt schien, der aber durchaus angebracht ist. Für die Gedichte, die bisher in der Literatur häufig – mit oder ohne Anführungszeichen – „Trinklieder“ genannt wurden, passt die Bezeichnung meta-sympotisch sehr gut. 12 Man könnte also bei Horaz von einer „Meta-Meta-Ebene“ sprechen, v.a. wenn er sich auf die meta-sympotische Literaturtradition bezieht. Nachdem ich allerdings hier auf die Unterschiede zwischen dem Meta-Sympotischen griechischer Lyrik und dem Meta-Sympotischen der Lyrik des Horaz hingewiesen habe, verzichte ich auf diese Terminologie.

14

tung handele und dass die Gedichte Merkmale einer mündlichen Kultur (mit einer Konnotation von „Einfachheit“) trügen, dass bei Horaz hingegen komplexe Literatur vorliege, in der diese Elemente nur als Rudimente vorkämen. Dies ist zu kurz gedacht, denn Horaz greift qua Gattungstradition bis auf die frühe griechische Lyrik zurück und schafft sich in seinen meta-sympotischen Gedichten eine Gattung mit verschiedenen Ausprägungen: Während das Symposion ursprünglich, ebenso wie sakrale Kulte und Siegerkürungen, als gesellschaftliches Ritual originärer Anlass für Dichtung war und damit die Themenkreise bestimmte, kann sich Horaz in seinen Gedichtbüchern das Setting aussuchen, aus dem heraus er seine Themen entwickelt. Das Fest bietet hierfür eine Vielzahl von verschiedenen Möglichkeiten, und Horaz nutzt die Transformationsfähigkeit von Gattungen, um Teilbereiche für verschiedene Zwecke nutzbar zu machen. Er öffnet die Gattungstradition geschickt für die neuen Bedürfnisse seiner literarischen Kommunikationssituation auf den verschiedenen Ebenen. Weil meta-sympotische Gedichte Teil der ursprünglichen Gattung der sympotischen Dichtung sind und gerade Änderungen in Gattungen interessant und aufschlussreich sind, sei es hier erlaubt, auf die Gattungstradition und einige allgemeine Bedingungen horazischen Dichtens einzugehen, um die Transformationen dann beim Blick auf einzelne Dichtungen des Horaz besser verstehen und bewerten zu können.

15

2.

Symposion �������������� und Literatur ���������

2.1

Das ���������������� griechische Symposion �������������� und die frühgriechische Lyrik ���� ���������������� �����

Das griechische Symposion als ein Ort von Musik und Dichtung nahm seine Form zwischen 750 und 500 v. Chr. an13. Davor waren Essen und Trinken vom anschließenden Vortrag eines Sängers getrennt. Die alte soziale Einrichtung „Gesellschaftsmahl“, wie wir es aus Homers Darstellung kennen (Il. 9, 65-180), veränderte sich in Form und Inhalt und wurde zu einem „Vorführ-Ort, Experimentier-Raum, Umschlagplatz und Transportmittel für die entstehende Literatur“14. So hat die frühgriechische Lyrik genuin ihren Sitz im Symposion und ist daher insgesamt als sympotische Dichtung anzusehen15. Neben den auf dem Symposion vorgetragenen Elegien hatten dort die Skolia, im lyrischen Versmaß verfasste und zur Lyra gesungene Lieder, ihren Sitz. Es gibt sowohl „Autorenskolia“16, beispielsweise die des Alkaios und Anakreon, als auch in Sammlungen überkommene anonyme Skolia, wie in der Sammlung des Athenaios17. Für diese Untersuchung interessieren speziell die Gedichte, die autoreflexiv vom Symposion und dem dort stattfindenden Geschehen sprechen und die ich in diesem Sinne als (meta-)sympotische Gedichte bezeichne (s.o.). Das sind einerseits die Fragmente sympotischen Inhalts vor allem des Alkaios und Anakreon18. Auch andere Dichter des antiken Neuner-Kanons spielen eine Rolle, da die Motive Wein Vgl. Latacz, J.: „Die Funktion des Symposions für die entstehende griechische Literatur“, in: Kullmann, W. / Reichel, M. (Hrsg.): Der Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit bei den Griechen, SriptOralia A 9, Tübingen 1990, 227-264. 14 Ebd. 228. 15 Vgl. Rösler (1980), 240. 16 Nach Vetta Typ 1 des Skolion: „ampi componimenti lirici [...] che potremmo chiamare skolia d’autore“. (Vetta M.: Poesia e simposio nella Grecia antica. Guida storica e critica, Rom / Bari 1983, 119). 17 Nach Vetta (1983), 119, Typ 2 des Skolion: „brevi interventi poetici, spesso con varianti d’improvisione, patrimonio fluido di recitazioni comunitarie nel simposio [...] che potremmo chiamare skolia adespoti, o tradizionali, in quanto affidati ad un arricchimento anonimo e collegiale“. 18 Vgl. Tsomis, G.: Zusammenschau der frühgriechischen monodischen Melik (Alkaios, Sappho, Ana-kreon), Stuttgart 2001, besonders das Kapitel „Fragmente sympotischen Inhalts von Alkaios und Anakreon“, 142-167; ebenso: Stein, E: „Autorenbewusstsein in der frühen griechischen Literatur“, ScriptOralia A 3, Tübingen 1990, 148-152, 167f. 13

16

und Liebe häufig sind. Verschiedenes von Pindar (Dithyramben19, Siegesoden, auch Paiane20, bei denen die Gäste des Symposions selbst Darbietende waren 21) ist ebenso auf Symposien vorgetragen worden, wenn auch das Symposion nicht der Ort der Erstaufführung war. Freilich steht die literarische Komponente des Symposion neben anderen Funktionen: Es war außer kultureller Stätte auch – obgleich ein Zusammenkommen von Privatleuten – eine politische, religiöse und soziale Institution, bei der sich die Männer einer Polis als Gleichgestellte trafen und soziale Unterschiede ausgeblendet wurden22 . Doch die (meta-)sympotische Dichtung ist nicht die ausschließliche Quelle, aus der Horaz schöpft. Die Rezeption griechischer Lyrik, auch über den Neuner-Kanon hinaus, wird nicht darauf beschränkt, da das Werk des Horaz schließlich verschiedene Gattungstraditionen fortsetzt (beispielsweise in den Epoden Anknüpfungen an Archilochos, bei dem man auch (Meta-)Sympotisches findet). Bestimmte sympotische Motive finden sich auch außerhalb der Lyrik. Fragen, die sympotisches Ethos und bestimmte philosophische Einstellungen betreffen, können in diesem Rahmen allerdings nicht eigens behandelt werden 23.

Vgl. fr. 75. Vgl. Rutherford, I.: Pindar’s Paeans, Oxford 2001, 50-52: Die Eingliederung von Paianen in das Symposion lässt sich wohl darauf zurückführen, dass der kultische Paian Opfer und Trankspende begleitete und daher ein Paian auch in das Symposion gut eingebunden werden konnte, das man mit drei Trankspenden begann. Außerdem gibt es motivliche Nähe, s. heilende Wirkung des Weins und der Paian als apotropäisches Gebet (ebd., 170). Vgl. besonders fr. 52a. 21 Vgl. Rutherford (2001), 58 und 85. 22 Vgl. Murray (1993), 90f. 23 Dazu vgl. Biehlohlawek, K.: „Gastmahls- und Symposionslehren bei griechischen Dichtern (Von Homer bis zur Theognissammlung und Kritias)“, in: Wiener Studien 58 (1940), 1130. 19

20

17

2.2

Das ������������������� hellenistische Epigramm ��������

Während die frühe (meta-)sympotische Lyrik für die Performance innerhalb eines Symposions bestimmt war, gestaltet sich die Bestimmung der originären literarischen Kommunikationssituation hellenistischer Epigramme etwas schwieriger. R eitzenstein24 sah die Epigramme des Asklepiades und seiner Nachfolger als für den mündlichen Vortrag auf einem Symposion bestimmt und damit als hellenistisches Äquivalent zu archaischer Elegie und attischen Skolien an. Doch während manche Epigramme des dritten Jahrhunderts auf einem Bankett rezitiert worden sein mögen, weisen andere klare Signale auf, die auf eine Buchedition hindeuten 25. Schon im Laufe des späten fünften und vierten Jahrhunderts war das einst mündliche Repertoire in Sammlungen bewahrt worden (Theognis, Athenaios-Sammlung) und die Gattungsdistinktion zwischen Elegie und Epigramm, die zuvor durch die verschiedenen Settings gegeben war (Elegie in sympotischem Setting, Epigramm in inschriftlichem Setting), verschwamm – das Versmaß war ohnehin dasselbe – und beide gingen im hellenistischen erotisch-metasympotischen Epigramm auf 26. Es stellt nicht einfach die nächste Stufe des griechischen sympotischen Liedes dar, wie R eitzenstein behauptet. Vielmehr handelt es sich nun auch um Teile einer Anthologie, deren Konzeption ein sorgfältiges Lesen fordert 27. Mit der Epigramm-Sammlung des Asklepiades aus dem frühen dritten Jahrhundert begann der erotisch-metasympotische Typus des Epigramms. Der Dichter legt nahe, sich die Szenen in sympotischer Umgebung vorzustellen. Seine Epigramme „are all framed by a collective dramatic setting (independent of whatever indivi-dualized dramatic settings the poems themselves have), which takes the form of a symposium attended by Asclepiades and his friends. The epigrams within the collection do, then, represent performances of symposion song, Reitzenstein, R.: Epigramm und Skolion: Ein Beitrag zur Geschichte der alexandrinischen Dichtung, Giessen 1893, 86. 25 Vgl. Gutzwiller, K. J.: Poetic Garlands. Hellenistic Epigramms in Context, Berkeley / Los Angeles 1998, 115f. 26 In den (meta-)sympotischen Gedichten des archaischen Griechenlands war auch schon Liebesthematik anzutreffen, da ja Dichtungen erotischen wie meta-sympotischen Inhalts im Symposion denselben Aufführungsort hatten. 27 Vgl. Gutzwiller (1998), 117. 24

18

like the elegiac extracts in the Theognidea, though they are not simply songs that have been collected into a book (as Reitzenstein thought), but rather p s e u d o - p e r f o r m a n c e s composed as book-poetry and only f i c t i o n a l i z e d a s s o n g .“28 ���������� (m. Herv.)

Inwieweit die Epigramme ursprünglich auf Symposia vorgetragen und erst dann füreine Veröffentlichung zusammengetragen wurden, ist eine schwierige Frage29. Das, was uns vorliegt – und das, was auch Horaz vorgelegen hat – sind jedoch die autoedierten alexandrinischen Bücher. Bei Posidipp dann wird das sympotische Setting nicht nur fiktionalisiert, sondern vielmehr metaphorisiert, indem das Trinken von Wein für das Verfassen von Dichtung oder Rezitation bzw. Lesen seiner Dichtung steht30. Zu Kallimachos ließe sich ebenfalls noch Einiges sagen31, doch die einzelnen Funktionen der Evokation sympotischer Umgebung sollen an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden; das bleibt den Interpretationen der horazischen Lyrik vorbehalten. Bemerkenswert allerdings ist, dass schon in dieser Zeit der anzunehmende Verlust der face-to-face-Situation mit dem Rezipienten durch Imagination eben dieser Situation fortgeführt wird, was uns auch in Horaz begegnet. Wir haben es zum Teil quasi mit einer „Nachahmung“ der ursprünglichen Aufführungssituation zu tun.

Ebd. 150. Cameron, A.: Callimachus and his Critics, Princeton 1995, 71-103, macht den Umstand stark, dass die Symposionkultur in hellenistischer Zeit weiterhin bestanden habe. Er fügt hinzu: „The new sympotic poetry of the age was undoubtedly epigram.“ (ebd., 76). Die Erstaufführung soll bei den alexandrinischen Symposia stattgefunden und erst nach einer Überarbeitungsphase – und dann freilich mit einer Betonungsverschiebung – die endgültige Buchform erreicht haben. 30 Vgl. Gutzwiller (1998), 158f. 31 Dazu siehe Cameron (1995) und Asper, M.: Onomata allotria. Zur Genese, Struktur und Funktion poetologisher Metaphern bei Kallimachos, Hermes Einzelzeitschriften 75, Stuttgart 1997, 130-134. 28 29

19

2.3 Exkurs: Mimetische Gedichte �������� ����������� �������� Winfried A lbert zählt folgende Charakteristika des mimetischen Gedichts auf: „fortlaufende Handlung, zusammenhängende Rede eines in seinen Worten auf die Handlung Bezug nehmenden Sprechers, Anregung der Phantasie des Lesers zum Mitverfolgen der im Gedicht fortlaufenden Handlung“32 , woraus sich weitere Aspekte ergäben, wie der Realitäts- bzw. Fiktionsgehalt der Handlung, die Behandlung der Zeit (Zeitraffung) und die Rolle des Lesers. In der frühen und klassischen griechischen Lyrik lassen sich recht wenige Fragmente ausfindig machen, die mimetische Elemente aufweisen33. Man könnte sich Gedichte vorstellen, die minutiös den Gesamtablauf eines Symposion schildern. Dass allerdings ein gesamtes Gedicht das genaue Fortschreiten vorhersehen kann, ist unmöglich. Damit Gedichtvortrag und äußeres Geschehen übereinstimmen, müsste es vorher Ablaufsproben des betreffenden Symposion geben, die aber aufgrund des privaten Charakters von Symposien absurd wären34. Dass in einer sympotischen Umgebung ein ähnliches Bild imaginiert wird, das dann mit dem real ablaufenden Symposion kontrastiert, findet sich nicht häufig35. Doch so sehr der Realität verhaftet darf man sich die (meta-)sympotische Dichtung nicht vorstellen: Ein gewisser Raum für Imagination und Fiktion bestand sehr wohl (Anakreon 356 P., Alkaios 326 L.P.). In hellenistischer Zeit treffen wir auf zahlreiche so genannte Rollengedichte. Vor allem sakrale Rituale (vgl. Apollo-Hymnos des Kallimachos) eignen sich aufgrund ihrer festen Struktur sehr gut. Aber es gibt auch Beispiele, in denen die Dichter Szenen aus dem Leben darstellen, und sie bedienen sich dabei kleinerer literarischer Gattungen, vor allem des Epigramms (s.o.). Bereits R eitzenstein hat auf die Übernahme dieser Technik aus dem hellenistischen Epigramm in der Dichtung des Ho Albert, W.: Das mimetische Gedicht in der Antike: Geschichte und Typologie von den Anfängen bis in die augusteische Zeit, Frankfurt / M. 1988, 14. 33 Allerdings gibt es bei Pindar einige fast regieartig wirkende Passagen, beispielsweise die neunte nemeische Ode. 34 Vgl. Albert (1988), 51. 35 Ziemlich genau schildert Xenophanes Fr. B 1 Diels die festen Vorbereitungen zum Symposion. Der Schwerpunkt liegt allerdings nicht auf der mimetischen Nachzeichnung eines Symposion, sondern Xenophanes beschreibt ein idealtypisches Symposion, so wie es zu sein hat. 32

20

raz hingewiesen36. Bestimmte Eigenschaften seiner Dichtung lassen sich also als Rezeption hellenistischer Literatur erklären.

2.4 Symposion �������������������������� versus convivium Godo Lieberg hat das römische Fest als „ein im Ablauf der Tage und Jahre regelmäßig wiederkehrendes Grundphänomen des Lebens“37 bezeichnet. Feste strukturieren den Tag sowie das Jahr durch kalendarisch festgelegte Festtage (dies festi) und – was auch unmittelbar Horaz betrifft – Jahrhunderte durch Säkularfeiern. Die cena, die allabendlich den Tag beschließt, endet mit der comissatio beziehungsweise dem convivium38. Das convivium bedeutet zunächst einmal gesellschaftliches Beisammensein, allgemein eine Gesellschaft von Gästen, und erst im engeren Sinne eine Tischgemeinschaft beim Mahl. Es sah sich im Laufe der Zeit vielen Veränderungen aufgrund kultureller Wandlungen ausgesetzt: Nachdem sympotische Szenen nach griechischem Muster zunächst nur auf den Theaterbühnen Roms zu sehen waren, kam es im zweiten Jahrhundert v. Chr. im Zuge der Hellenisierung zu einer Überformung durch das griechische Gastmahl, was beispielsweise rein äußerlich dadurch sichtbar ist, dass die Teilnehmer nicht mehr sitzen, sondern liegen. Eine weitere Neuerung dieser Zeit liegt in der Zweiteilung von cena und eigentlichem Symposion (comissatio)39 vor den secundae mensae, das je nach Gesellschaft sehr unterschiedlichen Charakter haben konnte, von den Vorlieben des Einladenden abhing und dessen Ausgestaltung von Gesprächen zu stadtpolitischen Themen über musikalische Darbietungen bis hin zu Auftritten von Unterhaltungskünstlern reichen konnte. Die Bezeichnung convivium bestand aber weiter. Reitzenstein, R.: „Horaz und die hellenistische Lyrik“, in: NJA 21 (1908), 81-102. Für die meta-sympotischen Gedichte siehe vor allem 94-98. 37 Lieberg, G.: „Die Bedeutung des Festes bei Horaz“, in: Flashar, H. / Gaiser, K (Hrsg.): Synusia (FS W. Schadewaldt) Pfullingen 1965, 404. 38 Ob wirklich jeden Abend die Tischgenossen „blumenbekränzt und reichlich gesalbt bei angeregter Unterhaltung bis tief in die Nacht dem Wein zusprechen“ (ebd., 404), ist sehr zu bezweifeln. Lieberg hat wohl die Literatur zu sehr ins Leben versetzen wollen. 39 Die comissatio allein spielte aber eine weniger wichtigere Rolle als das Symposion in Griechenland; stattdessen nahm das Mahl diese Stellung ein (vgl. Dunbabin (2003), 21). 36

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Cicero40 sieht einen klaren Unterschied zwischen römischer und griechischer Art des Festes: Die maiores hätten die Treffen aus gutem Grunde convivia genannt, während die griechische ����������� Bezeichnung συμπόσιον oder σύνδειπνον den Schwerpunkt auf die eigentlich unwichtigen Dinge, das Essen und Trinken, legten. Diesen Hinweis auf den unterschiedlichen semantischen Gehalt der jeweiligen Begriffe sollte man ernst nehmen: In Rom bedeutete die Teilnahme an einem convivium symbolisch die Teilnahme an einer communitas vitae und betonte die Gemeinsamkeit der Teilnehmer. Während beim griechischen Symposion Frauen eher zum unterhaltenden Interieur gehörten, waren sie, ebenso wie die Kinder, beim altrömischen Gastmahl wirkliche Teilnehmer. Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass vor allem beim abschließenden Gelage die Männer unter sich blieben, konnten doch grundsätzlich auch in späterer Zeit Frauen zu den Gästen gehören41. Eine weitere Differenz zu griechischen Symposia besteht in der Beibehaltung sozialer Hierarchien, die sich in der Liegeordung oder Qualitätsunterscheidungen der Speisen und Getränke manifestieren konnte – obwohl (s.o.) das convivium gleichzeitig innerhalb der Aristokratie als homogenisierendes Element fungierte42 . Elke Stein-Hölkeskamp43 zeichnet die vielfältige Bankettkultur in der spätrepublikanischen Zeit nach und kommt zu dem Ergebnis, dass diese „anfällig gegenüber Strömungen“ gewesen sei, „die aus Modifikationen des äußeren Rahmens resultierten; in diesem Bereich spiegelten sich sensibel Veränderungen des gesellschaftlichen und politischen Umfelds.“44 In dieser Umbruchsituation habe es viele unterschiedliche Formen von convivia gegeben: Cicero vermittelt uns Bilder von der cena im Kreise der Familie, von convivia mit Senatoren bei gemäßigtem Essen und Trinken im Vgl. Cic. Cato 13,45. Vgl. Cic. Verr. 2,1,66: negavit moris esse Graecorum, ut in convivio vivorum accumberent mulieres. Siehe außerdem das gemischte Symposion bei Properz (3,10) und Catull (carm. 27) und die convivia des Augustus mit Livia (Dio 55,2,4; 55,8,2) 42 Vgl. D’Arms, J.: „The Roman Convivium and the Idea of Equality“, in: Murray (1990), 308320, der sowohl soziale Ungleichheit wie auch symbolische Gleichheit bei römischen convivia ausmacht. 43 Stein-Hölkeskamp, E.: „Ciceronische convivia: der rastlose Republikaner und die zügellosen Zecher“, in: Hermes 129 (2001), 362-376. 44 Ebd. 367. 40 41

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Gespräch über Politik, aber ebenso konnte es mit ihnen auch luxuriöse Feste Graeco more geben. Die unterschiedlichen Formen existieren nebeneinander und sind weder zeitlich noch örtlich noch personell zu kategorisieren45. Die Briefe Ciceros geben sicherlich ein authentischeres Bild convivialen beziehungsweise sympotischen Lebens als es die Oden des Horaz tun, da in Horaz’ Lyrik eben auch literarische Traditionen eingeflossen sind. Eine feste Art des convivium aber gab es nicht46. Inwieweit es institutioneller Aufführungsort für Dichtung war, soll nun im Speziellen untersucht werden.

2.5

Sympotische ��������������������������������� und meta-sympotische Dichtung ������������ in Rom ���

2.5.1 ������������������ Carmina convivalia Zur Frage von Dichtung auf dem convivium äußert sich Murray folgendermaßen: „Historically, of course, poetry had a place in the Roman cena, at least in the fantasies of Roman antiquarians. According to Cato and Varro, the old Romans had listened to carmina cantitata in epulis de clarorum virorum laudibus.“47 Es handelt sich um die so genannten carmina convivalia 48, die im archaischen Rom bei convivia gesungen und mit der tibia begleitet wurden, uns aber nicht überliefert sind. In archaischen convivia bespiegelte die aristokratische sodalitas sich selbst und ihre Vgl. ebd. 376. Über die Vielfalt römischer Gastmahlkultur informiert ausführlich Stein-Hölkeskamp (2005). 47 Murray (1993), 91. Vgl. Cic. Brut. 19, 75: utinam extarent illa carmina, quae multis saeclis ante suam aetatem in epulis esse cantitata a singulis convivis de clarorum virorum laudibus in Originibus scriptum reliquit Cato; Cic. Tusc. 1,3: est in originibus solitos esse in epulis canere convivas ad tibicinem de clarorum hominum virtutibus und 4,3: gravissimus auctor in Originibus dixit Cato morem apud maiores hunc epularum fuisse ut deinceps, qui accumberent, canerent ad tibiam clarorum virorum laudes atque virtutes; Varro De vita populi Romani (fr. 84 Rip.): in conviviis pueri modesti, ut cantarent carmina antiqua, in quibus laudes erant maiorum et assa voceet cum tibicine; Val. Max. 2,1,10. 48 Zu den carmina convivalia vgl. Riposati, B.: „L’ultima ode di Orazio (4.15) e i carmi convivali“, in: Riv. di Cultura Classica e Medievale 25 (1983), 3-9; Zorzetti, N.: „The Carmina Convivalia“, in: Murray (1990), 289-307; Zaicev, A.: „Die römischen Tafellieder“, in: Hyperboreus 6 (2000), 213-218. 45 46

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Vorfahren. Es ist in gewissem Sinne wegen dieser gemeinschaftstiftenden und -stärkenden Funktion mit der archaischen griechischen Lyrik vergleichbar. Diese carmina convivalia spielen insofern eine Rolle, als dass Horaz in Ode 4,15 auf diese Tradition anspielt. Die Dichtung, die bei römischen convivia akzeptiert wurde, war wohl traditionellerweise vor allem Lob vergangener Generationen. Cato wertet Dichtung nach griechischem Muster als unschicklich: poeticae artis honos non erat. si quis in ea re studebat aut sese ad convivia adplicabat, grassator vocabatur (Gell. 11,2,5).

2.5.2 �������������������������������������������������� Erotisch-metasympotische Thematik in Rom vor Horaz Dass die lateinische sympotische49 Dichtung anscheinend als eher schwach galt50, zeigt eine Anekdote des Aulus Gellius (Gell. 19,9, 3-10): Auf einer cena bei jungen, reichen und gebildeten Rittern aus Asia werden Lieder von Sappho und Anakreon und jüngere erotische Elegien gesungen, und man fragt, ob solche Dichtung von Römern hervorgebracht wurde, abgesehen von dem Wenigen von Catull und vielleicht Calvus. Als „Gegenbeweis“ werden dann Epigramme von Valerius Aedituus, Porcius Licinus und Q. Lutatius Catulus vorgetragen, die an der Wende vom zweiten zum ersten Jahrhundert dichteten. Dass Catull genannt wird, ist nicht verwunderlich, da er als erster wirklicher Meister des Epigramms in Rom viele erotische Epigramme verfasste. Was meta-sympotische Thematik betrifft, schreibt er mit dem carmen 13 eine Parodie auf das Einladungsgedicht, eine kleine Untergattung hellenistischer Epigrammatik. Im carmen 27 mimt er den arbiter bibendi und fordert zum Nachfüllen auf gemäß der lex Postumiae magistrae, der „Chefin“ des Gastmahls, die schon selbst voll sei wie eine Traube. Der Schwerpunkt der Rezeption sympotischer Dichtung – auf rein literarischer Ebene – liegt aber deutlich bei den ἐλεγεῖα ἐροτικά.

Vgl. S. 11: Alle Dichtung, die auf einem Symposion vorgetragen wurde, bezeichne ich als sympotische Dichtung, egal, ob sie vom Symposion spricht (und damit auch meta-sympotisch ist) oder andere Themen hat, wie in diesem Fall „Liebe“. 50 Das wird u.a. wohl daran liegen, dass eben der ursprüngliche Setting des Symposions in Rom nicht gegeben war, sondern durch andere Kommunikationsmöglichkeiten ersetzt wurde, s. 2.4.3. 49

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2.5.3 �������������������������������������������������� Neue Kommunikationsformen in „sympotischer Maske“ Mit den soziokulturellen Veränderungen einhergehend wurde ein neues Publikumsbild geschaffen, auf das man die Funktion des zuhörenden Symposiasten übertragen konnte, nämlich den kleinen erlesenen Kreis. Morelli spricht von „una riattualizzazione del circolo comunicativo proprio della poesia simposiale arcaica nei termini nuovi e „alessandrini“ di una ristretta, raffinata cerchia di produttori-consumatori di poesia, in vivo rapporto con la più ampia società degli ἀναφρόδιτοι ...” 51 Er sieht „una precisa linea di continuità tra convenzioni della lirica greca arcaica ed usi della nuova epigrammatica erotica latina: questa, come è noto, diviene prestissimo lusus di moda nell’alta società romana, e per descriverne il successo parlerei di una sorta di „ m a s c h e r a t a s i m p o s i a l e “, un travestimento letterario con il quale, così come avviene nel contemporaneo epigramma erotico ellenistico, s i g i o c a v a a r i c r e a r e u n m i l i e u s o c i o - c u l t ura le nobi le e raff i nato come quel lo del le aristocrazie e l l e n i c h e d i u n r e m o t o p a s s a t o .“52 ���������� (m.Herv.) Man kann neben der reinen literarischen Ebene also auch eine Transformation der literarischen Kommunikationssituation beobachten. Das Symposion wurde im Hellenismus durch Feste am Herrscherhof und in gebildeten Kreisen ersetzt. In Rom kommt neben dem reinen Dichterkreis eine neue Größe ins Spiel, nämlich die Institution des Literaturpatronats. Während der Dichter als Klient traditionellerweise panegyrisch res gestae zu gestalten hatte (s.o.), kamen mit dem Einzug neuer hellenistischer Lebensart und hellenistischer Poesie neue Themen hinzu (s. 2.4.2). Beispiel dafür ist Philodem (A.P. 11,44), der wohl auch für die privaten Symposia seines Patron Piso schrieb53 und von dem uns ein Einladungsgedicht erhalten ist. In Rom zog Morelli, A.M.: L’epigramma latino prima di Catullo, Cassino 2000, 302f. Ebd. 179f. 53 Vgl. Cic. Pis. 65-71, wo Cicero aus prozesstaktischen Gründen die Symposia des Piso sicherlich nicht ganz wahrheitsgetreu schildert; auch Philodems Gedichte werden diese nicht genau porträtieren; was allerdings wahr ist, ist die Tatsache, dass die Dichtungen für Symposia geschrieben wurden, vgl. Sider, D.: The Epigrams of Philodemos, New York / Oxford 1997. 51 52

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so etwas wie „Gebrauchspoesie“54 oder „Gelegenheitsdichtung“55 ein, als eine Art literarischer Spiele zwischen Patron und Klient oder unter Dichterfreunden wie bei den Neoterikern. Auch Horaz hatte mit dem Maecenaskreis eine Möglichkeit, in eine Gemeinschaft hinein ein Milieu zu be- oder erschreiben, das wie eine „moderne“ Hetairie ist und in dem das sympotische Bild wirken kann. Dieses Bild kann man als eine der Strategien auffassen, mit denen sich so etwas wie „Avantgarde“ formiert56. Wie hoch der Fiktionsgehalt dabei ist, wird in den Kapiteln 3 und 4 erläutert werden.

Citroni (1995), 49f.: „Si ������������������������������ sviluppa, tra la fine del II ������������������������������������ e il corso del I secolo a.C., un ‚uso‘, ������������� nuovo per Roma, della poesia nella vita pratica: si scrivono e si inviano ad amici o protettori, o si scrivono per conto di amici e protettori, carmi di invito, di accompagnamento di doni, di omaggio, di ringraziamento, di consolazione. […] e la poesia estemporanea è per lo più occasionale, destinata a commentare, celebrare, ‚consecrare‘ fatti ed episodi dell’esperienza quotidiana.“ 55 Dieser Ausdruck wird auch in Zusammenhang mit Horaz von A. Pennacini („La poesia d’occasione“, in: Atti del convegno nazionale di studi su Orazio, Turin 1992, 73-80) und P. White (Promised Verse. Poets in the Society of Augustan Rome, Harvard 1993, 82ff.) gebraucht. Ebd.: „When Horace introduced the motifs of occasional verse into his Odes, he set them in a field of discourse which was essentially restricted to love and song and wine- inspired wisdom.“ Warum gerade die „fiktionale Okkasionalität“, von der E.A. Schmidt (Zeit und Form. Dichtungen des Horaz, Heidelberg 2002, 297-315) spricht, für Horaz anhand der metasympotischen Gedichte so gewinnbringend ist, wird im Verlauf der Arbeit deutlich werden. 56 Vgl. die interessanten Gedanken bei Schwindt, J.P.: „Römische ‚Avantgarden‘. Von den hellenistischen Anfängen bis zum ‚archaistischen’ Ausklang. Eine Forschungsskizze“, in: ders: Zwischen Tradition und Innovation. Poetische Verfahren im Spannungsfeld Klassischer und Neuerer Literatur und Literaturwissenschaft, München / Leipzig 2000, 25-42, dessen Charakterisierung von „Avantgarde“ in allen Punkten auf Horaz passt und der dabei von der „Ausbildung komplizierter Gruppenrituale“ spricht, u.a. „das hochdifferenzierte intertextuelle Verweisungssystem (Erwähnung der Dichterfreunde und ihrer Werke, Widmungen, Rezensionen, Mäzenatentum, Symposien, gemeinsame Reise u. dgl.)“ (29) anführt. 54

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3.

Formen literarischer Kommunikation zur Zeit des Horaz

Murray charakterisiert die römische Literaturszene im Zusammenhang mit Horaz und dessen meta-sympotischer Dichtung wie folgt: „For the Roman literary scene envisages also at least two occasions of performance other than the real or imagined primary one: there is the publication or circulation of the poem to a wider group, and finally there is its preservation in the collected works of the poet. Thus the presentation of the sympotic image may often be a more important occasion than the symposium itself.“57 Die drei zentralen Punkte werden hier genannt: Erstaufführung als (echte oder fiktive) Live-Performance, Zirkulation in einer Gruppe und am Ende die Gedichtsammlung. Der erste und zweite Punkt hängen zusammen, da, falls die meta-sympotischen Gedichte des Horaz je in sympotischem Setting aufgeführt wurden, es nur im Kreis seiner Adressaten stattgefunden hat, und das ist vor allem der Maecenaskreis. Nach dem ersten Verlust der originären Aufführungssituation von griechisch-archaischer Lyrik und deren Wiedergewinn mit Hilfe einer Neudefinition und Funktionalisierung des Literaturpatronats und des Dichterkreises im zweiten und ersten Jahrhundert kommt es zu einer erneuten Änderung der Verhältnisse: Zur Zeit des Horaz kommt eine weitere Ebene der „Aufführungssituation“ hinzu.

3.1 Zwischen Performance ��������� ���������������� und Buchkultur ���������� Horaz steht unter zwei verschiedenen Einflüssen, die sich beide in seiner Dichtung niederschlagen, nämlich zwischen Performance- und Buchkultur. Deswegen arbeitet er zwischen Kreation eines „sympotischen Kreises“ und dem unbekannten Leser. Auf der einen Seite lässt sich eine ständige Faszination des Horaz für die Gesangsund Performance-Kultur des frühen und klassischen Griechenlands feststellen, zu der eben auch Musik gehörte. Rossi hat meiner Meinung nach überzeugend nachgewiesen, dass die metrische Innovation des Horaz (Normierung der Zäsur nach der Murray (1993), 95.

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fünften Silbe in all seinen Hendekasyllaben in alkäischer und sapphischer Strophe) der Lektüre- oder Rezitationspraxis geschuldet ist, weil die Verse ebenso wie der Hexameter oder andere Rezitierverse, die ja nicht durch Musik strukturiert wurden, diesen regelmäßigen Einschnitt benötigten („avevano bisogno della métrique verbale per strutturare il discorso ritmico attraverso la parola“58). Dennoch sind musikalische Terminologie und Musikinstrumente bei Horaz nicht weniger präsent als bei den griechischen Dichtern. Das wird sofort in der programmatischen Ode 1,1 deutlich, die Horaz mit folgenden Versen „musikalisch“ ausklingen lässt (32-36): ... si neque tibias Euter pe cohibet nec Polyhymnia lesboum refugit tendere barbiton. quodsi me lyricis vatibus inseres, sublimi feriam sidera vertice. Rossi mahnt zur Vorsicht, diese textuelle Musik als Ausdruck der Realität zu sehen59: „La sua è musica, per così dire, letteraria. Quanto più g reci sono il suo lessico e la sua cultura musicale, tanto più sospetto dovrebbe apparire il loro eventuale valore referenziale nei confronti di una realtà romana.“60 Er kommt zu dem Schluss, dass das Carmen Saeculare das einzige Gedicht des Horaz gewesen sei, das musikalisch dargeboten wurde, und dass carm. ���������������������� 4,6 als literarisches Pendant dazu gerade musikalische Bemerkungen benötige, „proprio perché l’assenza della musica creava le condizioni perché la musica stessa venisse semplicemente mimata.“61 Rossi (1998), 173. Für Musik hingegen spricht sich aus v. Albrecht, M.: „Musik und Dichtung bei Horaz“, in: Bimillenario della morte di Q. Orazio Flacco, Atti dei convegni I, Venosa 1993, 75-100. 60 Rossi (1998), 170. 61 Ebd. 176. 58 59

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Es soll nicht darum gehen, die Bedeutung von Musik im Leben der Römer zu verneinen62 . Ebenso falsch wäre es zu behaupten, dass es keine Live-Performances in Rom gegeben hätte. Dass jedoch nicht jede Erwähnung von denkbarer Realität einen wirklichen Realitätsbezug hat63, sollte – in Parallele zu Horaz’ Umgang mit Musik – nun klar sein: Zwar ist gerade das augusteische Kulturleben reich an Aufführungen verschiedenster Art, Rezitationen beispielsweise standen auf der Tagesordnung, doch zur gleichen Zeit kann man eine neue Stufe des Gedichtbuches ausmachen: Während die Edition von Einzelgedichten in Buchform in Rom infolge der fortgeschrittenen Verschriftlichung schon früh praktiziert worden zu sein scheint, geschah dies zunächst vor allem für eine Fixierung zur späteren Rezitation. Bei den Augusteern jedoch „handelt es sich wohl um die erste Generation in Rom, bei der man angemessenerweise und mit einiger Sicherheit vom gedachten Leser sprechen kann.“64 Die sorgfältige Arrangierung von ganzen Gedichtbüchern ist nämlich nur unter Berücksichtigung der Mitwirkung von Lesern erklärbar. Das, was Horaz vorliegt, sind Anthologien, geschaffen oder wiedererschaffen in alexandrinischer Zeit. Er sieht auf die Geschichte der Transformation von Performance in pure Textualität zurück. Hellenistische Kritiker hatten Gedichte nach bestimmten Kriterien in Gruppen und Bücher arrangiert und somit eine neue künstlerische Dimension geschaffen, die von da an auf die weitere Tradition wirkte. ��������� So liest Horaz diese Gedichtbücher „both as a final artifact („Works of the Canonical Lyric Authors“) and as a memory of lost voices, songs, and occasions.“65 Horaz rezipiert also sympotische und meta-sympotische Lyrik in Buchform, und das Gedichtbuch ist wiederum auch das ästhetische Endziel seiner Dichtung. Zur Bedeutung der Musik in Rom vgl. Wille, G.: Musica Romana. Die Bedeutung der Musik im Leben der Römer, Amsterdam 1967, und ders: Einführung in das römische Musikleben, Darmstadt 1977. 63 Das ist im Übrigen sicherlich auch bei der frühen griechischen Dichtung so, vgl. Citroni (1995), 275f. 64 Fantham, E.: Literarisches Leben im antiken Rom. Sozialgeschichte der römischen Literatur von Cicero bis Apuleius, Stuttgart / Weimar 1998, 58. 65 Barchiesi, A.: „Rituals in Ink: Horace on the Greek Lyric Tradition“, in: Depew, M. / Obbink, D.: Matrices of genre: authors, canons, and society. Center for Hellenic Studies colloquia 4, Harvard 2000, 173. 62

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Was in diesem Zusammenhang zu beachten ist: Selbst wenn die Lyrik des Horaz im Maecenaskreis vorgetragen wurde, so war es doch längst nicht mehr Lyrik mit originärer Funktion in einer bestimmten Situation – z.B. ein Symposion zum Geburtstag des Maecenas – sondern der eigentliche Anlass spielt eben auf der literarischen Ebene und zeichnet Bilder von Anlässen. Trägt Horaz von einem Venusopfer vor (carm. 1,30), dann opfert Glycera der Venus nicht66, wenn er von der tibia spricht (s.o.), dann wird sie nicht zur Begleitung gespielt, wenn er von convivia schreibt, dann muss die Hetairie nicht bei ihm sitzen – und auch nicht der Maecenaskreis67.

3.2 Spuren ����������� von Performance ��������������� im Text ���� Diese „verlorenen Stimmen, Lieder und Anlässe“ (s.o.) hinterlassen Spuren im horazischen Text. Hier nun kommt die Gattung ins Spiel. Sie hat, obwohl sich der Zweck oder die Beziehung zu einer Performancegelegenheit geändert haben, Auswirkungen auf die Form: Es sind vor allem die verschiedenen Anlässe, die uns in seiner Odensammlung wieder begegnen, ebenso wie der Dialogcharakter68, den Horaz übernimmt, und zwar sehr produktiv. Er integriert traditionelle griechische Anlässe mit Anreicherungen der Gattung aus hellenistischer Zeit ebenso wie mit den spezifisch römischen Bedingungen. Er nutzt die für die römische Dichtung neuen Anlässe, die thematisch teilweise schon von den Neoterikern verwendet wurden, und adaptiert sie für die gegenwärtige Lebenswirklichkeit – und passt diese umgekehrt gleichzeitig der Gattung an. Er nutzt den „Freundeskreis“69 ebenso wie Catull für Carm. 1,30 ist situativ nicht vorstellbar: Es gibt eine zweite Person (Glycera), und die Ode kann nicht gesungen worden sein, ohne die Situation zu zerstören. Damit steht sie exemplarisch für die Fiktionalität, die Nicht-Realität der Anlässe. 67 ����� Vgl. Johnson, T.:�������������������������������������������������������������������������� Symposion of Praise. Horace Returns to Lyric in Odes IV, Wisconsin 2004, 25f.: ����������������������������������������������������������������������������������������������� „���������������������������������������������������������������������������������������������� Horatian poetry constructs a critical audience: the patrons, poets in the circle, poetasters, and the audience at large. This may reflect cultural reality, but it is just as likely the creation of a satirist and lyricist who senses that dialogue between himself and imagined audience(s) is indispensable to his art.” [m.Herv.] 68 Vgl. die nützlichen, wenn auch zu formalen Beobachtungen, die schon Heinze zur Anredestruktur gemacht hat: Heinze, R.: „Die horazische Ode“, in: ders.: Vom Geist des Römertums, Stuttgart 19603, 172-189. 69 Er selbst definiert Vorstellungen seines Publikums: sat. I,4 71-74, 10, 37-39.73-90, epist. I 19,41, 20,1-5. 66

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die Rezeption sympotischer und meta-sympotischer Dichtung, wobei erst Horaz Meta-Sympotisches konsequent in die lateinische Dichtung einführt. Horaz hat aus der meta-sympotischen Dichtung den Zug rezipiert, mit den Symposiasten in den Dialog zu treten. Er nimmt aus den ihm vorliegenden Texten diese Spuren von Performance und Performanceanlass und schreibt sie in seine Dichtung ein, indem er mit seinen Adressaten über den Anlass Symposion „ins Gespräch“ kommt. Bei der Interpretation der einzelnen Oden und Epoden soll stets beachtet werden, dass man sich, auch wenn Adressaten angesprochen werden, die real existierten und mit denen Horaz auch tatsächlich in amicitia verbunden haben mag, keine allzu reale Situationen ausmalen darf 70. Doch die �������������������������������������������� „piani di destinatori“���������������������� werden bei den Einzeluntersuchungen eine wichtige Rolle spielen, da sie Auswirkungen auf die narratologischen Mittel des Horaz ausüben.

Vgl. Citroni (1995), 244: ������������������������������������������������������������� „Che un singolo componimento (lirico o esametrico) di Orazio sia pensato e scritto per un determinato personaggio, che gli sia inviato individualmente come lettera o anche sia pronunciato davanti a lui come discorso o come canto, è generalmente una finzione. In questa età della letteratura latina, lo abbiamo visto, il testo ha come forma normale di comunicazione quella libraria ed eventuali invii autonomi del testo scritto di un carme al suo dedicatario o eventuali recitazioni private davanti al dedicatario e una cerchia ristretta sono essenzialmente delle anticipazioni rispetto a quella sede libraria cui il componimento è fin dall’inizio destinato e nella quale esso attuerà in forma definitiva la sua comunicazione letteraria, anche con lo stesso dedicatario.�“ 70

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4. Die ���������������������� meta-sympotischen Oden ��������� und Epoden ������

„... das Symposion ist zu einem Symposion aller Lesekundigen geworden.“71

„Der Horaz“ der meta-sympotischen Oden McNeill eröffnete sein Buch nicht umsonst mit einem Kapitel, das den Titel „The Horaces of Horace“72 trägt und in dem er feststellt, dass dieser sich in seinem Werk mehrere Identitäten schafft. Daher ist es wichtig zu fragen, auf welchen Horaz man sich jeweils bezieht. Die „Horaze des Horaz“ sind verschiedene personae 73, die sich je nach den Erfordernissen und Grenzen literarischer Gattungen sowie abhängig von sozialen Settings und Beziehungen ergeben. Daher soll klar sein, dass nicht immer, wenn von „Horaz“ gesprochen wird, die reale Person Horaz gemeint ist, sondern innerhalb der Gedichte Horaz die persona loquens, der Sprecher74, ist. Der Einfachheit halber wird dennoch auch dieser Sprecher gelegentlich mit „Horaz“ bezeichnet werden. Es wird in dieser Arbeit nur eine Auswahl von Gedichten des Horaz vorgeführt, deren Beziehung untereinander darin besteht, dass sie alle als meta-sympotischer Dichtung auftreten. Dass die Gedichte untereinander, aber auch in einem Gedicht selbst, verschiedene personae aufweisen, wird im Folgenden auch untersucht und begründet. Die meta-sympotischen Oden und Epoden folgen teilweise recht unterschiedlichen Liebermann, W.-L.: „Methoden der Dichterinterpretation – das Beispiel der ‚sympotischen Dichtung’ des Horaz (unter besonderer Berücksichtigung von carm.1,11)“, in: Antike und Abendland 46 (1998), 123. 72 McNeill, R.L.B.: Horace. Image, Identity, and Audience, Baltimore / London 2001, 1. 73 Darüber, ob es in der Antike eine Theorie der literarischen persona gab und ob man mit einer modernen Sichtweise (z.B. gattungsspezifische persona) an antike Texte gehen dürfe, äußert sich Mayer (Mayer, R.G.: „Persona Problems. The Literary Persona in Antiquity Revisited“, in: Materiali e discussioni per l’analisi dei testi classici 50 (2003), 55-80) skeptisch. Dass antike Dichter und Leser, wenn sie auch meist nicht zwischen Leben und Werk unterschieden, die Maskierung des Autors erkannten, herrscht aber Sicherheit. Daher möchte ich nicht auf diese Terminologie verzichten und benutze sie auch in Kapitel 5. Je nach Schwerpunkt der Untersuchung tritt nämlich eine bestimmte Facette oder Komponente des lyrischen Ich hervor, die dann als persona (z.B. amicus-persona) gesondert betrachtet werden kann. 74 Zur persona loquens als „Ersatz“ für den Performenden beim Übergang von Mündlichkeit zu Schriftlichkeit vgl. Edmunds, L.: Intertextuality and the Reading of Roman Poetry, Baltimore / London 2000, 30. 71

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Traditionszweigen und weichen auch in Inhalt und Intention zum Teil stark voneinander ab. Ein einheitliches Bild kann sich deshalb in diesem Kapitel noch nicht ergeben. Außerdem werden in den Einzeluntersuchungen teilweise unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, um möglichst eine Vielzahl von Aspekten zur Sprache zu bringen. Zur systematischen Aufarbeitung der Ergebnisse dient dann das darauf folgende Kapitel.

carm. 1,6: Meta-sympotische Programmatik Sympotische Thematik anhand eines „wörtlichen“ Verweises treffen wir in carm. ���� 1,6 an (17-19): nos conv iv ia , nos proelia virginum sectis in iuvenes unguibus acrium cantamus, ... Vor uns liegt eine Ode, in der Gattung eine explizite Rolle spielt75. Carm. 1,6 gehört zu der so genannten recusatio76. Horaz möchte Agrippas Taten nicht schildern77, er überlässt es Varius, der dies doch viel besser könne (1-4; vgl. auch sat. 1,10,43f.); Horaz selber traue sich das nicht zu (tenues grandia78, dum Pudor / inbellisque lyrae Musa Vgl. Wimmel, W.: Kallimachos in Rom. Die Nachfolge seines apologetischen Dichtens in der Augusteerzeit, Hermes Einzelschriften 16, Wiesbaden 1960, 188: „Horaz hat das ‚Genos‘ entdeckt. [...] Das verteidigte ‚kleine‘ Genos stellt sich selbst in einer Probe gleichsam (hier sympotisch-erotisch) vor.“ Vgl. schon Vergil für eine andere Art der Lyrik in Ekloge 6, 1-12, vor allem 4f. 76 Die recusatio ist eigentlich eine Art des Bescheidenheitstopos, dessen sich Dichter bedienen, die erotische, sympotische oder bukolische Dichtung schreiben und nicht den „hohen Stil“ verwenden. Es ist aber keine generelle Ablehnung, sondern in der Ablehnung steckt häufig zugleich ein Kompliment, wie in dieser Ode (s.u.). Daher schlägt Davis (1991), 28-30, den Begriff „generic disavowal“ vor und rückt die recusatio in die Nähe der rhetorischen praeteritio. 77 Damit ist ebenfalls Augustus (vgl. 11f.) gemeint, der zwar nicht im Vokativ, dafür aber in der dritten Person genannt wird. 78 Dabei überlappen sich Gattungs- und Stildefinition, man vgl. Kallimachos und Vergil, wo ebenfalls Schreiben und Singen sowie tenue und grande gegenübergestellt werden; dazu Lowrie, M.: Horace’s Narrative Odes, Oxford 1997, 55-70. Zur Kallimachos-Rezeption vgl. Mette, H.J.: „genus tenue und mensa tenuis bei Horaz“, in: Museum Helveticum 18 (1961), 136-139. Ders. zu dieser Ode: „In 9 fallen die Stichworte: ... tenues grandia ..., die einander ausschließen; 75

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potens vetat, 9f.). Dies macht er in der Selbstdefinition deutlich: nos steht betont am Anfang der zweiten Strophe, in der Horaz sich selbst als Dichter zunächst ex negativo definiert (neque ... nec ... nec)79. In dem Kunstgriff, einen anderen Dichter vorzuschieben, weil man selbst dazu nicht in der Lage sei, liegt gewitzte Eleganz. Ist daher auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, so handelt es sich dennoch um eine ernstzunehmende dichterische Selbstbestimmung. In der oben zitierten Passage nennt er die Themen, die zu seiner Veranlagung passen: convivia und „Kämpfe der Mädchen“, eine gelungene Wiederaufnahme der Kampfthematik, die Horaz lediglich auf erotisch-elegischer Ebene behandeln wird. Und wieder steht nos betont am Anfang: Das deiktische Personalpronomen weist auf die dichterische Definition hin80: Die Ode beginnt mit scriberis („Varius wird von dir schreiben“) und in Vers 14 wird dasselbe Verb mit scripserit („Wer könnte angemessen schreiben?“) wiederholt. Auf diese Frage muss man sich als Antwort denken: „Ich jedenfalls nicht! Das soll Varius machen, der alter Homerus“81. Stattdessen sei das für ihn passende Attribut inbellis lyra, denn: Horaz singt (cantamus, 19) und schreibt nicht. Es wird hier das Bild eines performenden Poeten gezeichnet, das gut in die Zielsetzung der Ode passt: Die beiden Rollen, die des singenden Dichters und die des schreibenden Panegyrikers, seien nicht vereinbar, deshalb müsse er ablehnen, folgt man der Argumentation, die die Ode an ihrer Oberfläche nahe legt. Horaz kann aber beide Rollen zugleich ausüben, denn indem er anführt, was er nicht machen kann, nennt und macht er es eben doch. So macht er die Form der recusatio fruchtbar für beide Seiten: Er behauptet sich als in 17-20 erscheinen die wesentlichen Inhaerentia des γένοϛ λεπτόν: das συμπόσιον und der ἔρωϛ.“ 79 Er lehnt es ab, die res gestae des Agrippa zu schreiben und epische Topik zu verwenden, wie die homerische der Ilias (Pelidae stomachum, 6) und Odyssee (cursus ... Ulixei, 7), oder die der Tragödie (saevam Pelopis domum, 8). Die Selbstdefinition durch Negierung vgl. bereits die Priamel in carm.1,1, ebenso in carm.1,7. Auch carm. 1,38 gibt keine positive Selbstbestimmung. 80 Vgl. die Ausführungen von Bonifazi, A.: Mescolare un cratere di canti. Pragmatica della poesia epinicia in Pindaro, Turin 2001, 36, wo sie die deiktische Erwähnung des „Ich“ bei Pindar u.a. auch als „mezzo di identificazione professionale“ interpretiert. 81 Vgl. Lowrie (1997), 65: „Singing, here in conjuction with the tenue (9), has been transferred from its expected context, Homeric verse and praise poetry, i.e. grandia, to the less formal subject matter of wine and women (17) .... Horace pushes this package of subject-cum-style onto Varius, who plays the role of a contemporary alter Homerus.“

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Dichter und würdigt dennoch den Adressaten, in diesem Fall Agrippa. Horaz nutzt die gegebene „Situation“, sich Agrippa zu erklären, um aus der Ablehnung, dessen res gestae zu schreiben, eine umfassende Selbstdefinition seiner Lyrik und seiner selbst als Dichter zu geben. Er stellt sich damit ganz in die Tradition des griechischen archaischen Dichterkanons, und zwar hier vor allem in die der ältesten und monodischen Dichter, Alkaios und Sappho. Deshalb betont er die Mündlichkeit und präsentiert eine „performer-persona“82 . Welche anderen Strategien Horaz nutzt, um die Leistungen anderer zu rühmen – direkt oder indirekt – , wird bei der Analyse der folgenden Oden deutlich werden83. Ode 1,6 stellt zwar kein Meta-Symposion im engeren Sinne dar, aber für die weitere Interpretation werden die Feststellungen zu dieser Ode noch von Wichtigkeit sein.

carm. 1,7: Nunc vino pellite curas Eine ähnliche Richtung schlägt auch carm. 1,7 ein: Es beginnt mit laudabunt alii, und schon befindet man sich scheinbar wieder in recusatio-naher Sphäre – nämlich der der Priamel (vgl. carm.1,1) – , wieder spielt Sympotisches mit hinein. Zunächst (1-8) lehnt Horaz es ab, Lobpreisungen von griechischen Städten zu verfassen, dann aber schreibt er doch ein Städtelob, jedoch auf Tibur (11-17), die Heimatstadt des Adressaten Lucius Munatius Plancus. Diesen spricht er dann in einer Paränese an (17-21)84: Er solle die Sorgen beiseite lassen, ob er nun fern der Heimat im Feldlager sei oder zuhause (19ff.). Interessanterweise wird diese Aufforderung gerade durch ein mythologisches exemplum gestärkt85, denn Horaz entwirft nun eine sympotische Szene in Vgl. Markus, D.: „Performing the Book: The Recital of Epic in First-Century C.E. Rome“, in: Classical Antiquity 19, 1 (2000), 138-179, hier 153. 83 Damit verändert Horaz in gewissem Sinne die Unsterblichkeitstopik. Während Pindar neben dem Lobpreis anderer nicht nur deren Unsterblichkeit verkündet (vgl. O. 6), sondern auch die seiner Dichtung, preist Horaz – an der Oberfläche der ersten Odensammlung – gar keinen anderen. Er schreibt, nach der Selbstdefinition seiner Lyrik, meist rein „momentane“ Dichtung erotisch-sympotischen Inhalts. Wenn er auf Unsterblichkeitstopik offen eingeht, dann bezieht er sie nur auf sich selbst und seine Dichtung (vgl. carm, 2,20; 3,30). Dies ändert sich mit dem vierten Odenbuch (vgl. besonders carm. 4,8). 84 Vgl. Alk. Fr. 346 V. 85 Dieser Umstand rückt die Ode in die Nähe von Epode 13, vgl. Exkurs Epode 13. Wie dieses 82

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mythischem Rahmen (22-32). In einem sympotischem Aufzug (tempora populea fertur vinxisse corona, 23) ermuntert Teucer seine leidgeprüften Mannen, für den Moment die Sorgen mit Wein zu vergessen: nunc vino pellite curas (31). Horaz spricht in dieser Ode von zwei Symposia, zunächst vom Symposion des Plancus. Die Paränese stellt eine Aufforderung zu zukünftigen Symposia dar, die sowohl in politisch anstrengenden Zeiten (daher die Erwähnung der castra und das exemplum) wie auch in Friedenzeiten im heimischen Tibur angemessen seien86. Somit haben wir es im ersten Teil gar nicht recht mit einem Meta-Symposion zu tun – es wird ja kein Symposion des Plancus beschrieben – , sondern mit einer Anrede an Plancus, in der er aufgefordert wird, ein Symposion abzuhalten. Wirklich „Dramatisches“ gibt es im Endteil, in der Darstellung des Symposions von Teucer und den Seinen. Die Begriffe „Dramatisches“ und „Darstellung“ verdeutlichen, dass es sich um ein Meta-Symposion handelt, das mit der Rede des Teucer seinen Anfang nimmt. Ihre Funktion ist zunächst gedichtintern auf Plancus ausgerichtet, in einem zweiten Schritt sicherlich auch auf die Leser, auf doppeltem Wege: Horaz spricht in der Ode zunächst Plancus an. In diesem Gespräch wiederum lässt er Teucer zu seinen Gefährten sprechen, gleichzeitig ist dies aber auch eine Aufforderung an Plancus, der sich in einer ähnlichen Lage und Stimmung befinde (sic tu sapiens finire memento / tristitiam vitaeque labores / molli, Plance, mero ..., 17-19), gleichsam eine Aufforderung in der Aufforderung – an Teucers Gefährten, an Plancus und an alle Rezipienten der Ode. Die Botschaft des Hier und Jetzt wird dem Leser auf verschiedenen Ebenen vermittelt: Auf der ersten Ebene wird ihm das hic et nunc durch die Situationsgebundenheit der Ode präsentiert; Horaz ermuntert in dem Gedicht den Plancus, so die Imagination, zum Gegenwartsgenuss. Dieses nunc ist zwar nicht als deiktisches Wort, aber implizit durch die Momentlichkeit im Text präsent, ein anderes deiktisches Adverb (sic, 17) allerdings stellt für den Leser explizit eine Deixis am Phantasma dar87. So exemplum gewählt ist, wie es wirkt und woher diese Technik kommt, vgl. Lowrie (1997), 101116. 86 U.a. aus diesem Grund die lange umschreibende Hinführung zu Plancus über die enkomiastischer Verse über Tibur. 87 Zu den Begriffen demonstratio ad oculos und Deixis am Phantasma vgl. Bühler, K.: Sprachtheorie, Stuttgart 1965, und Rösler, W.: „Über Deixis und einige Aspekte mündlichen und schriftlichen Stils in antiker Lyrik“, in: Würzburger Jahrbücher N.F. 9 (1983), 7-28.

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schreibt Rösler zur Funktion von Deixis am Phantasma in schriftlicher Lyrik: „[Sie wird] kalkuliert eingesetzt zur Vorstellungsbildung, als Geste fungierend gegenüber dem Leser, an ihn appellierend: ‚Stell dir vor!’“88 Man muss also zwischen Deixis am Phantasma bei mündlicher Lyrik während der Vortragssituation selbst und bei schriftlich vorliegender Lyrik während des imaginierten Nachvollzugs des Lesers unterscheiden. Natürlich kann auch bei einer Live-Performance Deixis am Phantasma vorkommen, eben wenn mythische Exempel oder andere, von der Situation wegführende Szenen dargestellt werden89. In dieser Ode kommt auch diese Art der Deixis am Phantasma vor: In der Teucer-Rede wird mit nunc als Deixis am Phantasma in Bezug auf Plancus eine sofortige Umsetzung der Paränese gefordert. Für den Leser wiederum ist dies gleichsam eine „Deixis am Phantasma in der Deixis am Phantasma“, denn er befindet sich bereits in einer Imaginationssituation. Soviel zu den Ebenen, auf denen Horaz dem Leser seine Botschaft „zeigt“. In beiden Reden, der des Horaz an Plancus und der des Teucer an seine Gefährten, und mit den verschieden Ebenen des Zeigens werden auch die im Gedicht nicht namentlich genannten Rezipienten angesprochen, die von den Bekannten des Plancus in damaligen Rom bis zu den heutigen Lesern reichen. Und die Ode funktioniert auch für diese: Die eigentlich ständig wechselnde persona loquens des Gedichtes, die sich zunächst als Dichter-persona äußert, sich dann an Plancus wendet (eine Freundpersona in einem imaginierten Gespräch) und die dann an Teucer abgegeben wird (Teucer als persona loquens), führt nicht zur Verwirrung, sondern die Botschaft, gleich in zwei Aufforderungen verpackt, kommt an. Das, was Liebermann anhand seiner exemplarischen Interpretation der Ode 1,11 gezeigt hat, lässt sich auch hier bestätigen: Für den Leser transportiert meta-sympotische Lyrik auch „philosophische Reflexion im Sinne spezifisch horazischer Lebensphilosophie.“90 Liebermann führt dazu aus: „Damit sind aber die Prinzipien philosophischer, speziell moralphilosophischer Argumentation in Anschlag zu bringen. Appell (Anrede!) und Applikation Rösler (1983), 25. Zur Deixis am Phantasma bei Pindar vgl. Bonifazi (2001), 43-48. 90 Vgl. Liebermann (1998), 123. 88 89

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(Konkretisierung!) werden auf diese Weise zu einem notwenigen Bestandteil der Argumentation, sie werden ihrer pragmatischen Dimension entkleidet und der semantischen integriert.“91 Diese Feststellung stellt aber erst die halbe Wahrheit dar. Sie sagt etwas aus über die Interpretation auf Seiten des „zeitlosen“ Rezipienten, die Botschaft kann sich durchaus mit der des zeitgenössischen Römers, des Bekannten des Plancus und des Plancus selbst decken, dennoch steckt für diese drei Adressaten-Ebenen noch etwas anderes in dem Gedicht: Plancus war eine bedeutende politische Figur92 , er konnte anscheinend eine panegyrische Erwähnung erwarten. Diese bekommt er mit der Ode 1,7 auch, obgleich sie zunächst mit einer Priamel beginnt. Horaz schreibt dann auch nicht wirklich ein Stadt- und damit Plancus-Enkomion, sondern er geht schnell zu „seinem“ Thema über, zum Symposion, das viel besser zu einem Lyriker passe (s. carm. 1,6)93. Doch Plancus ist nicht vergessen, ganz im Gegenteil: Er wird erst jetzt namentlich erwähnt und bietet den für die horazische Lyrik so typischen, weil für die Lyrik konventionellen, Gesprächspartner, den er in sympotische Umgebung setzt. Damit wird er beiden Seiten gerecht: sich und seiner Dichterauffassung auf der einen, und der Darstellung des Plancus auf der anderen Seite. Denn Horaz streicht die Wichtigkeit des Plancus für die Öffentlichkeit heraus (castra) und macht auch klar, dass Plancus es verdient hat, es sich in Friedenszeiten gut gehen zu lassen (seu densa tenebit / Tiburis umbra tui, 20f.). Dem Symposion kommt hier sowohl eine „stresskompensatorische“ öffentliche (siehe Teucer-exemplum) wie auch eine „entspannende“ private Funktion Ebd. Genaues über seine Karriere und zur möglichen zeitlichen Einordnung der Ode vgl. Nisbet / Hubbard I 90ff. Zu einer anderen Datierung gelangt hingegen Lyne, R.O.A.M.: Horace. Behind the public poetry, New Haven / London, 1995. 93 Das tut er ohne Bruch, indem er Tibur geschickt als Inspirations-„Quell“ für seine Poesie zeichnet (11-14): quam domus Albuneae resonantis / et praeceps Anio ac Tiburni lucus et uda / mobilius pomaria rivis. Vgl. carm. 4,2, 30ff.: circa nemus uvidique / Tiburis ripas operosa parvos / carmina fingo. Die Schilderung der Umgebung Tiburs als locus amoenus ermöglicht außerdem das Bild von einem ungestörten Symposion (vgl. Mette (1961), 137: „typisches Thema des γένοϛ λεπτόν“), so dass neben sympotischer Sphäre auch schon Erotisches ganz leicht mitschwingt. Mit carm. 1,7 löst Horaz vor allem das meta-sympotische Versprechen ein, mit carm. 1,8 das erotischelegische. Zum Poetologischen in beiden Oden vgl. Lowrie (1997), 117. 91 92

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zu (siehe umbra und deren Konnotation mit dem – verdienten – otium). Oder andersherum ausgedrückt: Horaz verbindet die positive Wirkung des Weins und damit den eigentlich privaten Bereich des Symposion mit Aussagen über Plancus’ öffentliche Stellung. Die Trennung dieser beiden Bereiche in Rom (otium versus negotium), die in dieser Weise für die frühgriechischen Lyriker nicht bestand (s. 2.1), wird damit überbrückt.

carm. 1,9: Evokationsstrategien Ode 1,9 beginnt als erstes der hier besprochenen Gedichte vollkommen meta-sympotisch. Das erste Wort vides bezieht sich auf zwei verschiedene „Du“: einmal auf die im Gedicht angesprochene Person namens Thaliarch, wie sich in Vers 8 herausstellt, und gleichzeitig auf den Rezipienten der Ode. Im ersten Fall läge mit der indirekten Frage und der damit implizierten Richtungsangabe eine Demonstratio ad oculos vor – wenn die komponierte Situation real wäre –, im zweiten Fall handelt es sich um eine Deixis am Phantasma, die die „Blicke“ des Lesers in dessen Vorstellungswelt lenkt94. Das Bild, das man imaginieren soll, ist das eines verschneiten Berges (Sorakte95), schneebehangener Wälder und gefrorener Flüsse (1-4). Gegen diese Kälte soll nun geheizt und getrunken werden (5-8). Dieser Anfang ist von Alkaios 338 V. übernommen96 und weist den kundigen Rezipienten gleich mit den ersten Versen darauf hin, dass nun ein Symposion geschildert wird97. Mit Epode 13 (vgl. den folgenden Exkurs zu Epode 13) liegt bereits ein horazischer Vorläufer dieser Ode vor. Es scheint also Einiges auf literarische Konventionen zu Vgl. die vorausgegangenen Erläuterungen zur Deixis am Phantasma in schriftlicher Lyrik in Bezug auf carm. 1,7. 95 Eine allzu buchstäbliche Lesart der Erwähnung des Soracte ist abzulehnen. Sicherlich kann man daraus nicht schließen, wo Horaz Wintersymposia abgehalten hat. Die ländliche Umgebung kann das Sabinum – als Ort innerhalb des Gedichtes! – nahelegen. Doch auch dies muss dann symbolisch interpretiert werden, vgl. Miller (1994), 152-157 zur Symbolik des Gedichts (grün – weiß, jung – alt) und zu den Implikationen des Sabinum. 96 Die Flüsse gehen sicherlich auf ρόαι des Alkaios (338 V.) zurück. 97 Zum „Motto“, der Anzitierung von Vorbildern in der Dichtung des Horaz vgl. Cavarzere, A.: Sul limitare. Il „motto“ e la poesia di Orazio, Bologna 1996. 94

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rückzugehen. Doch zunächst soll die Ode im Speziellen angeschaut werden: Die ersten beiden Strophen schildern die Ausgangssituation (erste Strophe) und die daraus abgeleiteten Aufforderungen zum Symposion (zweite Strophe). Jede Strophe beginnt mit einer direkten Ansprache an Thaliarch (vides, dissolve), dessen Name nicht zur römischen Welt der horazischen Adressaten gehört. ���� Denn θαλία bedeutet „Fest“, Thali-archos kann also den Symposi-archen, den Festleiter, meinen, oder jemanden, der sich mit Symposia auskennt. Auf jeden Fall evoziert schon sein Name eine sympotische Szene, falls sie durch die alkäischen Eingangsverse nicht ohnehin schon heraufbeschworen wurde. In Vers 16 wird nun ein puer angesprochen, was in einem meta-sympotischen Gedicht leicht sofort mit „Sklave“ gleichzusetzen ist, im vorliegenden Kontext jedoch eher auf das Alter geht und „Du, der du jung bist“ meint (siehe das nachfolgende donec v irent i canities abest / morosa). Damit ist wohl noch immer Thaliarch angesprochen98. Die dritte Strophe ist schon doppelt ausgelegt: Gerade erst wurde Thaliarch angesprochen, mit ganz konkreten Aufforderungen in der speziellen Situation (Heizen, Wein-Holen), dann folgt – als Scharnierstrophe fungierend – eine allgemeingültige Aussage, die der speziellen Situation durchaus noch verhaftet bleibt, da sie die Wetterlage vom Gedichtbeginn wieder aufnimmt99: So wie die Götter das schlechte Wetter beenden könnten, liege auch alles Übrige (cetera) in ihrer Hand. Danach folgen weitere Mahnungen, sich nicht um Zukünftiges zu sorgen, sondern die Gegenwart zu nutzen (nunc ... nunc), solange man kann. Horaz wird nun quasi selbst zum Für die Figur des Thaliarch ergeben sich mehrere Deutungsmöglichkeiten: Auf der einen Seite schwankt seine Stellung zwischen Festleiter (s. Name) und Sklaven (s. Tätigkeit und Assoziation durch puer). Außerdem lenkt sein griechischer Name auf der einen Seite weg von Rom, allerdings wird die Szenerie in Italien verortet (s. Sorakte). Vgl. Miller (1994), 162, der die Ode liest als „exercise in the literary imagination, in which case the Greek elements in the poem stand as the marks of literature itself, as definitive dividing line which separates the poem from social life. Or, on the other, 1.9 can be read as a poem taking place in a Roman setting, in which case Thaliarchus, a slave, would stand as an instant of the class nature of the society. Neither of these readings excludes the possibility of the other; rather they coexist in an expanding dialectic“. 99 Dass sich die Wetterlage ändert, hat einige Kommentatoren beschäftigt: Zunächst erstarrt draußen alles vor Kälte, dann wird von einem Sturm gesprochen, und am Ende gar spielen Szenen im Freien. Wichtig ist aber zunächst vor allem der Gegensatz von schlechtem Wetter draußen und Wärme und Wein drinnen. 98

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Festleiter, jedenfalls zum autoritären Wortführer, der zu Liebe (dulcis amores) und Musik, Dichtung und Tanz (choreas) aufruft. Letzteres ist wohl eher auf griechische Rezeption zurückzuführen als auf eine typisch römische Art des Feierns. Im Folgenden jedoch erhält die Ode speziell römisch-urbanes Flair. Aus der vorangegangenen Paränese heraus entwickelt Horaz ein neues Bild: Er „verlässt“ das Symposion und geht hinaus in die Stadt, zum Jugendleben in Rom: zum Sport auf den Plätzen und zu nächtlichem Liebesgeflüster. Damit verlässt er auch den durch Alkaios bestimmten ersten Teil der Ode und flicht Zeitgenössisches als carpe-diem-Konkretisierung in die Vorstellungswelt mit ein100. Die Ode gehört zu den wenigen Ausnahmen innerhalb der vier Bücher, in denen die Anrede an keine reale Persönlichkeit gerichtet ist. Wie wir später sehen werden, sind es vor allem die stark mimetischen meta-sympotischen Gedichte, die an Symposia griechischer Art erinnern, die wenig direkten Realitätsbezug herstellen101 (dieser entsteht erst im letzten Teil, und dort auch nur summarisch). In diesem Fall wird viel mehr ein allgemein menschliches Thema besprochen102 , innerhalb der Ode mit Thaliarch, jedoch eigentlich an den Rezipienten gerichtet. Dieser entwickelt ein „mental image“, das durch die beiden Orte (geheizter Raum und Plätze) konkretisiert wird103 und damit Grundelemente des Lebens abbildet.

Exkurs: Epode 13 Bereits bei der Behandlung des mythischen exemplum in carm. 1,7 wurde auf Epode 13 verwiesen. Spätestens nach carm. 1,9 muss diese nun zur Sprache gebracht werden: Wie in carm. 1,9 beginnt auch die Epode mit der Beschreibung unwirtlichen Vollkommen zurecht betont schon Pasquali (1920), 83-86, das Moderne der horazischen Ode, das man bei Alkaios nicht finden könne („un tono così cittadinescamente elegante, così aristocraticamente frivolo“, 83). Zu eng allerdings hat Pasquali et campus et arae / lenesque sub noctem susurri (carm. 1,9,18f.) verknüpfen wollen. 101 Zu den Deutungsambiguitäten, die die Übertragung griechischer Lyrik nach Rom – hier zumal mit griechischem Namen – mit sich bringt, vgl. Anm. 89. 102 Im Zusammenhang mit der Maxime der Ode verweist Edmunds auf Intertextualität im weiteren Sinne mit Lukrez und dem Epikurismus: Edmunds, L.: From a Sabine Jar: Reading Horace, Odes 1,9, Chapel Hill / London 1992, 61. 103 Vgl. Schmidt (2002), 299f. und 308. 100

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Wetters. Schon hier liegt die Verbindung folgender Elemente vor: Wetter, Gemütszustand und Aufforderung zum Ergreifen des Hier und Jetzt (siehe dreimaliges nunc), solange man jung sei (3ff.): ... rapiamus, amici, occasionem de die, dumque virent104 genua et decet, obducta solvatur fronte senectus. Hier hat Horaz die Gedankenkette nur in etwas anderer Weise geschmiedet, denn ausgehend vom Wetter fordert er die Bereitung eines Symposion (vina ... Achaemenio nardo ... fide Cyllenea105), während er in carm. 1, 9 zunächst auch zum Trinken auffordert, dann aber aus der sympotischen Szenerie heraus eine allgemeine Maxime entwickelt und zu einem anderen Bild übergeht, also vom Konkreten ins Allgemeine und dann zu einer weiteren Schlussfolgerung (einer nicht-metasympotischen carpediem-Konkretisierung, s.o.). In Epode 13 jedoch wird Spezielles und Allgemeines ständig gemischt, und die einzige Konkretisierung bleibt das Symposion. Diese wird allerdings, wie später auch in carm. 1,7, mit einem mythischen exemplum abgeschlossen106: Nun spricht Chiron zu Achill (zur Technik der Aufforderung in der Aufforderung vgl. carm. 1,7). In seiner Rede wird zunächst Achill umschrieben, dann dessen Situation, und die letzten beiden Verse (17f.) stellen die Schlussfolgerung und –forderung dar, eine Gnome, die nicht nur bei Horaz in vielen verschiedenen Variationen auftritt, sondern bereits in der frühgriechischen Lyrik107: illic omne malum vino cantuque levato, deformis aegrimoniae dulcibus adloquiis. Vgl. virenti in carm. 1,9. Das Parfüm steht für orientalischen Luxus, die kyllenische Leier ist dichterisches Attribut. 106 Zu Simonides als möglichen Ausgangspunkt dieses exemplum vgl. Watson, L.C.: A commentary on Horace’s Epodes, Oxford 2003, 420f.: Der „neue Simonides“ ist eine lange Elegie, die auf den Kampf von Plataea gedichtet und vermutlich auf einem Symposion aufgeführt wurde. Sie beinhaltet mit motivlicher Nähe Achill; zu Horaz und Simonides vgl. auch Barchiesi, A.: „Poetry, Praise, and Patronage: Simonides in the Fourth Book of Horace’s Odes, in: Classical Antiquity 15, 1 (1996), und ders.: „Simonides and Horace on the Death of Achilles“, in: Boedekker, D. / Sider, D.: The New Simonides. Contexts of Praise and Desire, Oxford 2001, 255-260. 107 Beispielsweise bei Alkaios 346 V. (= 335 L.P.) 104 105

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Eine konkrete Situation wird zwar imaginiert, doch sie bleibt im Allgemeinen108, einen zeitgebundenen Kontext wie im mythischen exemplum gibt der Text nicht explizit an, auch wenn man durchaus plausible zeitliche Einordnungsversuche unternehmen kann; die Nähe zur griechischen meta-sympotischen Lyrik und das Achill-Beispiel, das – wie in carm. 1,7 – einer militärisch-politischen Situation entwächst, regen zu Spekulationen an, die sich an politisch unruhigen Situationen (tempestas) orientieren109. Im Gegensatz zu carm. 1,7 müssen diese jedoch im Unsicheren bleiben, ein Hinweis etwa aus einer Adressierung unterbleibt, weil hier die amici als Gesamtheit angesprochen werden. Thematisch würde diese Epode auch in den Odenbüchern nicht aus dem Rahmen fallen; daher wurde sogar ihr jambischer, „angriffslustiger“ Charakter bestritten. Allerdings kann man eben die paraenesis an die amici dagegen anführen, die hier dann gattungsgemäß als Vorwurf zum richtigen Verhalten dient, die aber in den Oden ebenso fruchtbar in typischer Dialog-Struktur wirkt.

carm. 1,11: Carpe diem Das Konzept des carpe-diem ist schon erwähnt worden, in carm. 1,11 hat der Begriff seinen Ursprung. Zu dieser Ode ist bereits viel geschrieben worden110, und da ich mit der Interpretation von Liebermann (1998) übereinstimme, müssen hier nicht allzu viele Worte gemacht werden. Für den Zweck der Arbeit sei nur festgehalten, dass man sich auch diese Ode in sympotischer Szenerie vorzustellen hat (vina liques, 6), die aber von Horaz ganz unspezifiziert bleibt. Die Ode besteht aus einer paraenesis an Leukonoë111, ohne konkreten Bezug zur römi ‚Generic symposion’ bei Commager (1962), 173, und Davis (1991), 146-150. Vgl. Mankin, D.: Horace. Epodes, Cambridge 1995, 214: „the time of uncertainly after Actium and before the Alexandrian war.“ 110 Vgl. die nützlichen Beobachtungen von Davis (1991), 145-188, zur rhetorischen Ausgestaltung des gesamten carpe-diem-Motivs in den Oden des Horaz. 111 Das carpe-diem wird nicht allgemein vermittelt, sondern durch die Anrede an Leukonoe spezifiziert. Die Adressatin hat insofern großen Einfluss auf die Ode, als dass das carpe-diem dadurch, dass es an eine Frau gerichtet ist, eine offensichtlich erotische Komponente erhält. Die Aufforderungen an Leukonoë machen ja nicht beim Weintrinken Halt. Auch hier tritt die Nähe von sympotischer und erotischer Thematik hervor, eine allgemeine Einstellung wird in 108 109

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schen Lebenswelt. Für diese Ode gab es wohl keinen konkreten Anlass, zumindest lässt sie keinen erkennen – sie selbst ist Anlass und ein Beispiel originärer Buchlyrik112 . Für die Betrachtung sympotischer Elemente ist das sapias, vina liques (6) besonders interessant. Sapere oszilliert von der Grundbedeutung „schmecken“, die im Zusammenhang mit dem folgenden vina durchaus anklingt, bis zu dem eher umgangssprachlichen „vernünftig sein“, aber auch dem wirklichen „weise sein“ (< sapientia). Eine gewisse intellektuelle Ebene ist durch die vorausgegangenen Aufforderungen ohnehin gegeben. In dem konkreten sympotischen Bild vebindet sich das sapias dann mit dem Klären des Weins, einem Vorgang, der vor dem Trinken üblich war und somit statt dessen für die carpe-diem-Maxime steht, gleichsam als sympotische sapientia. Das Motiv des finis113 in Verknüpfung mit dem convivium taucht in dem ausgewiesenen Horaz-Kenner Petron wieder auf, muss aber ein bekannter Topos gewesen sein114 (Petr. sat. 34,10ff.): ‚eheu nos miseros, quam totus homuncio nil est! sic erimus cuncti, postquam nos aufert Orcus. ergo vivamus, dum licet esse bene.’

einen allzu menschlichen Kontext herunter geholt, die persona loquens erscheint nicht wirklich als ernster Philosoph, sondern als Liebhaber, der diese Lebensphilosophie anwendet: „The speaker has no very convivial goal; he rather works the tried and true macho philosophy of: ‚Candy is dandy, but liquor is quicker.‘ And his libido says now!“ (Anderson, W.S: „Horace’s Different Recommenders of Carpe Diem in C. 1.4,7,9,11“, in: ders.: Why Horace? A Collection of Interpretations, Wauconda 1999, 42) 112 Vgl. die Tatsache, dass weniger situationsgebundene meta-sympotische Gedichte archaischer Zeit schon damals relativ große Verbreitung fanden. So wurde Alkaios 347 V. „in der Folgezeit ein wirklicher Schlager im sympotischen Liederrepertoire“ (Rösler (1983) 15). Trotz der scheinbaren Zeitlosigkeit wird zwar der Eindruck von Zeit vermittelt: Das „Du“ und „Ich“ (gleich in dem ersten Vers) und die Apostrophe bewirken ein „timeless present“ (vgl. Culler, J.: The Pursuits of Signs. Semiotics, Literature, Deconstruction, New York 1981, 149). Doch eben die „Zeitlosigkeit der Gegenwart“ hat wohl dieser Ode zu ihrer Sprichwörtlichkeit verholfen. 113 In dieser Ode ist finis semantisch ambivalent, einmal auf das Ende des Lebens bezogen, einmal auf die Entwicklung der Verbindung zwischen beiden. Zum finis amorum vgl. carm. 4,11, 31f. 114 Vgl. schon carm. 1,9.

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carm. 1,20: Maecenas I - Inszenierung von Hierarchie und Gleichheit Die Ode 1,20 ist das erste „Einladungs-Gedicht“ der zu untersuchenden metasympotischen Gedichte. Es richtet sich an Maecenas, der, den Gattungsanforderungen115 entsprechend, als nicht anwesend dargestellt wird. Die Beschreibung des Symposions bezieht demnach sich auf die Zukunft ( potabis, 1). Ob Maecenas je zu einem Symposion des Horaz auf das Sabinum gekommen ist, muss hier nicht geklärt werden. Wichtig ist, dass diese Ode sicherlich keine reale Einladung ist, dass aber das Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas, so wie es die Ode nahe legt, derart gewesen sein muss, dass eine Einladung theoretisch möglich gewesen sein konnte. Horaz bildet sich hier – und nicht nur hier – in einem Sozialverhältnis ab: Damit ein Klient seinen Patron einladen konnte, musste schon eine besonderes Beziehung vorliegen. Cicero bezeugt, dass gewöhnliche Klienten ihren Patron non vocare domum suam possunt (Mur. 71). Die Nähe zu Maecenas ist also eine solche, dass Horaz ein Gedicht publizieren kann, in dem er seinen großen Gönner als seinen Gast präsentiert116. Er charakterisiert dabei beide Seiten. Mit den Edelweinsorten in der dritten Strophe symbolisiert Horaz, dass Maecenas großen Luxus gewohnt ist, also höher steht als er selbst. Das geht auch aus der Anrede eines hierachisch Niedrigeren an einen Höheren hervor: clare Maecenas eques, 5. Er selbst betont seine Einfachheit (vile Sabinum, 1) und zeigt seine Verbundenheit mit Maecenas dadurch, dass er den Wein selbst (ego ipse, 2) gekeltert habe, zu einem Zeitpunkt, der für Maecenas sentimentalen Wert besitzt und der auch seine öffentliche Bedeutung betont (datus in Theatro / cum tibi plausus, 3f.). Dieses Einladungsgedicht wirkt, wie das convivium selbst (s. 2.4), zugleich hierarchiebildend und hierachieaufhebend: Horaz betont die Unterschiede zwischen Gast und Gastgeber und streicht damit die Stellung seines Patron heraus; auf der anderen Seite kann er mit dieser Untergattung meta-sympotischer Dichtung auch seine eigene Das Einladungs-Gedicht ist eine kleine Gattung, die sich im Hellenismus herausgebildet hat, dort allerdings als Einladung an Gleichgestellte. Mit dem römischen Patronatssystem kommt der soziale Unterschied hinein. Ein gutes Beispiel ist Philodem A.P. 11.44, und Catull carmen 13 parodiert diese Gattung. Vgl. Ausführungen in 2.4.3. 116 Lyne (1995), 107: „To publish such ‚invitation’ is to advertise that relationship.“ und 108f.: „Horace can bring into our imagination the picture of Maecenas downing wine chez Horace.“ 115

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Stellung deutlich machen: Er kann Maecenas einladen, beide können gemeinsam den gleichen Wein trinken – auf einer anderen Stufe also herrscht Gleichrangigkeit. Aus diesem Grund ist dies nicht das einzige Einladungsgedicht, das auch außerhalb der Oden und Epoden eine Parallele bei Horaz hat, nämlich die Epistel 1,5 an Torquatus, die ganz ähnlich funktioniert. Horaz erschreibt sich darin den Adressaten und den anderen Rezipienten gegenüber seine eigene Wertstellung – als Freund und Dichter117.

carm. 1,27: Eine sympotische Komödie Diese Ode steigt mitten in ein Symposion ein, es geht hoch her: Der Fiktion nach fordert der Sprecher seine Trinkgenossen auf, sich in ihrem Weingenuss und den daraus resultierenden Unruhen etwas zu zügeln (2-4, 6-8): ... tollite barbarum morem verecundumque Bacchum sanguineis prohibete rixis. ... inpium lenite clamorem, sodales, et cubito remanete presso. Der Leser muss sich eine Antwort der sodales denken, die in der dichterischen Leerstelle sinngemäß gesagt haben müssen: „Trink du doch mit!“, woraufhin der Sprecher einen Handel (mercede, 14) vorschlägt. Der Bruder der Megylla, an den er sich wendet, muss ihm dafür verraten, wer ihm durch Liebe den Kopf verdreht hat. Zwischen Strophe 3 und 4 herrscht dann wirklich eine Pause, nämlich wegen des Schweigens des Angesprochenen. Der Sprecher versucht es nochmals und versichert, bei ihm sei das Geheimnis wohl bewahrt (tutis auribus, 18). Vor der Exklamation a miser (18) flüstert Megyllas Bruder den Namen ins Ohr des „Horaz“, der ihn daraufhin über Zu möglichen poetologischen Symbolen (Wein-Teilen als Teilen des literarischen und philosophischen Geschmacks) vgl. Cairns, F.: „The Power of Implication“, in: Woodman, T. / Powell, J.: Author and audience in Latin literature, Cambridge 1992, 84-109. 117

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treibend bedauert (18-24). Horaz ist es in diesem Gedicht hervorragend gelungen, ein lebhaftes sympotisches Bild zu zeichnen, ja Bild ist noch zu wenig gesagt: Er lässt eine komplette sympotische Episode vor dem geistigen Auge ablaufen. Obwohl die Lyrik keine Dialoge vorsieht, versteht es Horaz, durch die Rede einer Person die Antworten seiner Dialogpartner miteinzuschließen. Das ist es, was viele als „dramatisch“ bezeichnet haben und A lbert zurecht veranlasst, die Ode als „das einzige eindeutig mimetische Festgedicht des Horaz“118 mit vielen Interaktionen der Gedichtfiguren zu bezeichnen. Jedenfalls ist es das einzige meta-sympotische Gedicht, das ganz einer „gegenwärtigen“ Situation verhaftet bleibt, die es als Anlass genommen hatte. Porphyrio bemerkt zu dieser Ode: protreptice ode est haec ad hilaritatem, cuius sensus sumptus est ab Anacreonte ex libro tertio. Damit ist höchstwahrscheinlich das uns erhaltene Fragment 356 P. gemeint, in dem der Sprecher sich in einer ähnlich lärmenden Symposien-Atmosphäre befindet und die Trinkgenossen auffordert, kein skythisches Trinkgelage abzuhalten. Hier hat wohl Horaz die Anregungen für sein „Schauspiel“ her. Hinter der amüsanten Szenerie steht aber auch ein wenig die Frage nach dem richtigen sympotischen Ethos119. Wie im Exkurs zu mimetischen Gedichten dargelegt (s. 2.3), ist es eine Vorliebe hellenistischer Dichter, einen fortlaufenden Kommentar zu bestimmten Szenen auch des Privatlebens darzustellen. In der lateinischen Dichtung sind es vor allem öffentliche Zeremonien (beispielsweise Catulls Hochzeitsschilderung in carm. 61), doch nirgends so lebendig wie hier, was daran liegt, dass der Sprecher selbst in das Geschehen involviert ist und nicht nur von außen beschreibt. Dabei mischt Horaz Charakteristika und Themen verschiedener Albert (1988), 127. Zum Topos s. beispielsweise Kallimachos fr. 178 Pf., wo thrakisches Trinken verworfen und stattdessen ein gutes Gespräch gefordert wird (vgl. Fantuzzi, M. / Hunter, R.: Muse e modelli. La poesia ellenistica da Alessandro Magno ad Augusto, Rom / Bari 2002, 97-101). Vgl. auch die Forderung nach einem friedlichen Symposion in Theogn. 493 f.; Xenophanes Fr. B1 Diels geht so weit, auch das Besingen von Kämpfen (Titanen, Giganten, Kentauren, Bürgerzwist) aus dem Symposion zu verbannen. Der medus acinaces hat zu zahlreichen Diskussionen angeregt. Sicherlich muss man die Erwähnung des Dolches nicht ganz wörtlich nehmen; Horaz fasst die geheizte und gewaltbereite Stimmung in diesem Bild zusammen, das Adjektiv Medus nimmt Thracum und barbarum wieder auf. Das Ein-Wort-Fragment τὠκινάκη des Anakreon (465) bestätigt, dass man nicht versuchen sollte, eine Erklärung aus Realien zu suchen. 118 119

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Gattungen: Das Liebesleben und der unglücklich Verliebte entspringen der Elegie, die Art und Weise des Nachforschens, wer denn die Angebetete sei, ist der Komödie entnommen120. Horaz schreibt eine überaus amüsante Szene, der, obwohl sie sehr lebendig ist, auf der anderen Seite ein expliziter Bezug auf eine reale Persönlichkeit Roms fehlt. Kein realer Adressat wird genannt, sondern zunächst wird die gesamte Trinkgemeinschaft (sodales, 7) angesprochen, dann, noch nicht einmal namentlich, der Bruder Megyllas, eine rein literarische Figur. Die Ode steht ganz in der Tradition, über Wein und Liebe zu singen; sie ist rein erotisch-metasympotisch, so scheint es. Aber M artin spricht, ausgehend von mercede, die Möglichkeit einer meta-poetischen Interpretation der Ode an, die in diesem Sinne auch den literarischen Markt und den Handel zwischen Dichter und Rezipient behandeln könnte121, und bringt damit, über das evozierte Bild hinaus, eine weitere gedankliche Ebene hinein. Eine solche Möglichkeit ist aufgrund der Tendenz zu poetologischen Symbolen in augusteischer Zeit nicht unwahrscheinlich, und neben einer Interpretation, die auf der Handlungsebene der Ode bleibt (s.o.), ergeben sich weitere Möglichkeiten.

carm. 1,36: Cena adventicia Mit drei meta-sympotischen Oden endet das erste Buch, wobei jede Ode grundverschieden ist. Carm. 1,36 beschreibt eine cena adventicia mit Opfer und Symposion zu Ehren einer glücklichen Rückkehr. Ein solches Fest scheint eine sehr etablierte römische Sitte gewesen zu sein. In epist. 1,3 schreibt Horaz an seinen Freund Florus Das Mimetisch-Dialogische kommt also nicht von ungefähr. Man darf nicht vergessen, dass Horaz vorher bereits die Satiren geschrieben hat, und die cena Nasidieni verdankt sicher viel den Komödien. Denn die erste Gattung, die Sympotisches „auf die Bühne brachte“, war schließlich die Komödie (vgl. 2.4). Dazu Martin, R.: „Horace in Real Time: Odes 1.27 and its Congeners“, 118: „We might imagine two streams of archaic sympotic performance trickling down to Horace and shaping his approach to Odes 1.27: one lyric, via Alexandria; one dramatic, via Plautus and his predecessors; both ultimately stemming – whether or not he knew – from the poet of Teos.“ Dennoch bleibt die Technik des Horaz trotz gewisser Nähe ohne Vergleich. 121 Martin (2002), 104. 120

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und erkundigt sich nach anderen gemeinsamen Bekannten. Die Epistel endet mit dem Versprechen eines Rückkehropfers und damit Rückkehrfestes: pascitur in vestrum reditum votiva iuvenca (36). Mit einem solchen Opfer ex voto beginnt die Ode (1-3): Et ture et fidibus iuvat placare et vituli sanguine debito custodes Numidae deos. Weihrauch, römische Leier und Opfertier werden als Bestandteile der Opferszene an die Götter aufgezählt. Durch das anaphorische Trikolon erschreibt Horaz die gegenwärtige Situation, das festlich-rituelle Treiben, und nennt dann den konkreten Anlass, die Rückkehr Numidas (qui nunc..., 4). Schnell geht Horaz wieder von Numida weg bzw. zieht andere Personen mit heran: caris sodalibus (5), es sind also Freunde gekommen, um die Rückkehr zu feiern und von Numida geherzt zu werden. Unter diesen wird Lamia hervorgehoben, den wiederzusehen sich Numida besonders freut (nulli plura tamen dividet oscula, 6). Horaz verleiht der allgemeinen fröhlichen Stimmung durch ein Sprichwort (9) und den litotischen Wunsch Ausdruck, dass die Feier keine Grenzen kenne (neu ... neu ... neu ... neu, 10-16). Darin, dass Horaz hier unmäßiges Trinken und Lärmen fordert, was ja im Gegensatz zu Paränesen anderer meta-sympotischer Gedichte steht122 , erkennt man, wie er – je nach den Erfordernissen der Situation, je nach Thema des entsprechenden Gedichtes – die Art des Symposion für seine dichterischen Zwecke nutzt. Aus solchen Äußerungen etwas über den „wirklichen“ Horaz und seine Einstellungen herausfinden zu wollen, kann zu falschen Ergebnissen führen, wie ja die Alkaios-Rezeption ja seltsame Wege gegangen ist123. Hier jedenfalls wird mit dem Opfer, den Küssen, dem vielen Wein und den vielen Blumen (zwei Verse!) die überschwängliche Freude versinnbildlicht124. So kommt auch das Bild zustande, dass ein weiterer namentlich genannter Freund, Bassus, Threicia amystide (15) die Damalis besiegen solle125. Mit der Erwähnung eines weiblichen Beispielsweise der des bereits behandelten carm. 1,27. Vgl. die klärenden Bemerkungen bei Rösler (1980), 240f. 124 Vgl. Catull carm. 9: Dort wird vor allem die große Herzlichkeit beschrieben, aber es kommt zu keiner Konkretisierung der Situation. 125 Syndikus I, 2001, 321 bietet, mit Heinze, eine gute Erklärung dieser Stelle: Bassus „soll 122 123

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Namens hat er geschickt die rein meta-sympotische Thematik auf die erotische ausgeweitet, die dann die letzte Strophe bestimmt. Die Aufmerksamkeit hat sich von Numida über Lamia zu Damalis fokussiert (17f.): omnes in Damalin putris deponent oculos... Der Leser folgt den Blicken des Dichters. Denn ebenso wie derjenige, der nicht am Fest teilnimmt, schildert Horaz die gesamte Szene von außen (ganz anders als etwa in carm. 1,27 und 3,19). Wie die persönlichen Beziehungen des Horaz zu Lamia und vor allem zu Numida waren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Dass er mit Lamia und seiner Familie bekannt gewesen sein muss, ergibt sich aus der Adressatenschaft weiterer Oden (carm. 1,26126und 3,17127 ) und der Erwähnung in Epistel I 14. Wer der Hauptadressat dieser Ode ist, lässt sich nicht entscheiden. Dies muss auch gar nicht entschieden werden: Anlass dürfte die Rückkehr des Numida gewesen sein, den sein Freund Lamia vielleicht dichterisch verarbeitet sehen wollte. Somit konnte Horaz beide einbauen, indem er – wie beschrieben – seinen dichterischen Blick schweifen lässt, der an der in enger Umarmung befindlichen Damalis hängen bleibt, und mit einer sympotischen Metapher im letzten Vers endet: lascivis hederis ambitiosor.

eine bekannt trinkfeste Hetäre im starken Zechen [...] übertreffen.“ und führt an, dass trinkfreudige Frauen in der A.P. eine stehende Figur seien (ebd.) 126 Carm. 1,26 (Musis amicus) ist ein sehr poetologisches Gedicht. Der Blumenkranz für Lamia wird, alexandrinischer Motivik entsprechend, als Metapher für ein Gedicht verstanden (vgl. Davis (1991), 114-118). Es sind gerade sympotische Bilder, die Horaz in poetischen Stellungnahmen verwendet. Vgl. carm. 1,38. Es kommt in carm. 1,26 zu einer Vermischung der Motive: Auch beim convivium trug man Kränze; auch hier kann man also sympotische Umgebung annehmen. Dass Dichtung und Musen bei Horaz des öfteren zur Vertreibung von Sorge verwendet werden, ist richtig beobachtet worden. Ebenso wird bei Horaz die Paränese zum Trinken häufig mit der gleichen Zielsetzung begründet. Demnach sagt Horaz in carm. 1,26 nicht nur allgemein etwas über seine Übertragung griechischer Lyrik ins Lateinische aus, sondern speziell zur Übernahme sympotischer und meta-sympotischer Dichtung. In die richtige Richtung geht schon West I (1995), 123 („a subtle evocation of the plaesures of o Roman convivium“), denkt aber nicht in diese Richtung weiter. 127 Carm. 3,17 ist ebenfalls ein meta-sympotisches Gedicht, s. Einzelinterpretation

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carm. 1,37: Nunc est bibendum Teil 1 Während carm. 1,36 durchgängig meta-sympotisch war, ist es bei dieser Ode nur der Anfang, oder anders gesagt: Der Anfang (1-6) bestimmt das imaginierte sympotische Setting128 und geht dann zum Inhalt, zur Message des „sympotischen“ Liedes über, die durch und durch politisch ist. Nunc est bibendum, nunc pede libero pulsanda tellus, nunc Saliaribus ornare pulvinar deorum tempus erat dapibus, sodales. antehac nefas depromere Caecubum cellis avitis, dum... Geschickt wird die Trink-Thematik weitergeführt, obwohl der meta-sympotische Teil eigentlich schon verlassen worden ist: Cleopatra wird als fortuna dulci ebria (11f.) bezeichnet, sie habe eine mentem lymphatam Mareotico (14) gehabt129 und am Ende trank sie keinen Wein, sondern Gift: ut atrum corpore conbiberet venenum (27f.). Nun, nach ihrem Tod, ist nicht mehr sie es, die trinkt, sondern das römische Volk. Horaz wendet sich an seine sodales, er spricht als Privatmann zu seinen Trinkgenossen und fordert sie auf, jetzt (nunc ... nunc, 1) zu feiern; zuvor (antehac) war die politische Lage noch zu unsicher, jetzt aber ist Cleopatra besiegt – und Antonius, obgleich nicht erwähnt. Diese Ode steht in Verbindung zu zwei anderen Dichtungen: Einmal wird an Alkaios 332 V. (= 332 L.P.) angeknüpft, der ebenfalls ein meta-sympotisches Gedicht aufgrund der politischen Lage verfasst, nämlich anlässlich des Todes des Tyrannen Myrsilos. Schon durch die mottohaften Eingangsverse kann man den weiteren In Das, was er in carm. 1,6 abgelehnt zu haben scheint, weiß Horaz geschickt durch eine Ausdehnung und Uminterpretation seiner Lyrik von convivia doch mit einzuschließen. 129 Auch dementis (7) und furorem (12) kann in diese Reihe aufgenommen werden, zumindest besteht die Möglichkeit, diese Wahnzustände auch mit einer Wein-Konnotation zu verstehen. Die Trunkenheit von Cleopatra und Antonius scheint aber auch ein stehender Vorwurf in der Propaganda gewesen zu sein, vgl. die trunkene Cleopatra in Properz 3,11,15. 128

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halt dieser Ode erahnen. Auf der anderen Seite antwortet Horaz auch auf sich selbst, nämlich auf seine quando-Frage in der neunten Epode.

Exkurs: Epode 9 Epode 9 ist das erste Beispiel im Werk des Horaz, in dem ein politisches Thema in einen sympotischen Kontext gesetzt ist (1-10). Quando repostum Caecubum ad festas dapes victore laetus Caesare tecum sub alta (si Iovi gratum) domo beate Maecenas, bibam sonante mixtum tibiis carmen lyra, hac Dorium, illis barbarum, ut nuper, actus cum freto Neptunius dux fugit ustis navibus, minatus urbi vincla quae detraxerat servis amicus perfidis? Horaz fragt Maecenas130, wann er zusammen mit ihm, wie damals, nach dem Sieg über Sextus Pompeius, nun auch den über Cleopatra feiern könne, mit Wein, mit einem Festmahl und Musik. Nach dieser Frage an Maecenas wendet sich Horaz an das gesamte römische Volk ( posteri negabitis, 11), das zukünftig nicht an die schmähliche Vergangenheit glauben mag, in der Cleopatra eine große Gefahr darstellte (11-16). Jetzt aber könne man Triumphe feiern, wie die zweimalige Apostrophe io Triumphe (21, 23) deutlich macht. Antonius, nur mit „der Feind“ (hostis, 27) bezeichnet, sei jedoch noch auf der Flucht (27-31). Im Schlussteil kehrt Horaz dann wieder explizit zum Ausgangsgedanken, nämlich dem Symposion, zurück und wendet sich an seinen Sklaven, der nun Wein auftragen solle. Zwar ist es noch nicht an der Zeit, mit Maecenas den endgültigen Sieg zu feiern, da noch Restsorge um den glücklichen Ausgang im Kampf gegen Antonius bestehe. Doch um diese Angst zu mildern, sei Wie in den anderen, an Maecenas adressierten Gedichten schwingt auch hier Hierarchie ein wenig mit, besonders in der sozialen Konnotationen von beate und alta domo.

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der Wein gerade das rechte Mittel (36f.): curam metumque Caesaris rerum iuvat dulci Lyaeo solvere. Horaz verwendet hier das Symposion als Anlass zur Feier politischer Ereignisse (s. Gedichtanfang); bis es so weit sei, müsse man gegen die Sorge antrinken (s. Gedichtende131). Mehrere Themen und damit verbunden verschiedene Anreden bzw. Apostrophen (erst Maecenas, dann die Nachwelt, der Triumphgott und Sklave) werden durch diesen kreisförmigen Gedankengang zusammengehalten, der gleichsam in carm. 1, 37 seine Fortsetzung findet.

carm. 1, 37: Nunc est bibendum Teil 2 Jetzt sei es kein nefas (5) mehr, den Caecuber hervorzuholen. Cleopatra, die „gefährliche Frau“132 ist besiegt. Das in der ersten Strophe zeitlich unspezifizierte nunc wird durch das antehac und der damit zusammenhängenden politischen Situation nachträglich begründet133. Horaz lässt einen politischen Anlass zu einem privaten werden, oder umgekehrt: Er nutzt seine „private Stimme“, um Politisches zu verkünden. Eben dafür ist das Symposion, das im archaischen Griechenland ebenso ein privater wie ein politischer Ort war, ein geeignetes Setting, und deshalb sind die Konventionen sympotischer und meta-sympotischer Dichtung so brauchbar für Horaz. Im Gegensatz zu Epode 9 ist carm. 1,37 unspezifischer adressiert: sodales (1) ist der einzige Vokativ in der gesamten Ode, scheinbar private Trinkgenossen, in Wirklichkeit aber sind alle Römer angesprochen134. Das Motiv des Bacchus als Sorgenlöser in politischen Kontext, vgl. Wirkung des Weins bei Alkaios 346 V. 132 Die Bedrohung durch Cleopatra wird deutlich, indem Horaz ihre Stärke betont (fatale monstrum ... nec muliebriter, 21, non humilis mulier, 31), so dass am Ende fast ehrfürchtige Bewunderung herausklingt. Eine detaillierte Untersuchung der Verse 7-32 trägt nichts zur meta-sympotischen Analyse bei. 133 Fitzgerald, W.: Agonistic Poetry. The Pindaric Mode in Pindar, Horace, Hölderlin, and the English Ode, Berkeley / Los Angeles 1987, 152-159, zieht Parallelen in dieser Technik („poetic and political order“, 152) zu Alkaios und Pindar (P. 1). 134 Zum Verhältnis von Individuellem und Öffentlichem bei der „Gelegenheitsdichtung“ des 131

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carm. 1,38: Meta-sympotischer Epilog Die letzte Ode des ersten Buches knüpft durch ihre sympotische Sphäre an die zwei vorherigen an; besonders enger Anschluss besteht zu Ode 1, 37 aufgrund des Beginns Persicos odi. Dies mag ein weiterer Seitenhieb auf Antonius und Cleopatra gegen ihre orientalische Lebensweise135 sein. Das soll uns jetzt jedoch nicht weiter beschäftigen, da diese mögliche Assoziation, die besonders bei der Lektüre der Oden als fortlaufende Gedichtssammlung entstehen kann, sicherlich nicht wesentlich die Interpretation der vorliegenden Ode bestimmt; im Ganzen lautet sie: Persicos odi, puer, apparatus. displicent nexae philyra coronae; mitte sectari, rosa quo locorum sera moretur. simplici myrto nihil allabores sedulus curo. neque te ministrum dedecet myrtus neque me sub arta vite bibentem. Alle Aussagen werden in negierter Form gegeben: Nach Verben des Missfallens des lyrischen Ich (odi, displicent) folgt eine Reihe von Aufforderungen an den puer 136: Er Horaz vgl. auch Pennacini, A.: „La poesia d’occasione“, in: Atti del convegno nazionale di studi su Orazio, Torino 1992, 76f.: „l’occasione diventa o prende la forma di uno ‚stimolo‘ o comunque di un nesso vivo e organico con la realtà sociale circonstante. [...] la morte di Cleopatra (e di Antonio, 30 a.C.): grande fatto, attinente non alla cronaca della vita privata del poeta, ma appunto ai destini del mondo che, nell’interpretazione di Orazio, di Ottaviano, di Mecenate e dei Romani che dalla quella parte militavano, segnava un momento decisivo...“ 135 Man könnte die beiden Oden auch durch die Wein-Metaphorik bzw. durch das Maß des Weins in diesem Punk verbinden: Cleopatra wurde in der vorangegangenen Ode als ebria gezeichnet, in carm. 1,38 wird im Gegensatz dazu wieder Mäßigung gefordert. Vgl. dazu auch Pöschl, V.: Horazische Lyrik, Interpretationen, 2.erw. Auflage, Heidelberg 1991, 73f. 136 Es gibt eine lange Tradition meta-sympotischer Dichtung mit Anweisungen an Sklaven zur Gestaltung des Festes; in besonderer Parallele steht Philodem A.P. 11.34, wo ebenfalls übertriebener Luxus abgelehnt wird; schon bei Philodem kommt noch eine poetologische Ebene mit hinein, die in carm. 1,38 aufgrund der exponierten Stellung als Epilog des ersten Buches ebenso anzutreffen ist, s.u.

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solle aufhören (mitte) und nichts mehr verfeinern (nihil allabores), und auch die Einladung am Schluss wird in Verneinungen ausgesprochen (neque ... neque ...). Positiv ausgedrückt heißt das: Horaz fordert ein bescheidenes Symposion, das er für sich und seinen Sklaven ausmalt. Nisbet / Hubbard weigern sich, in der Ode mehr zu sehen als ein Gedicht, das in der Tradition von Lob auf die Einfachheit des Symposion stehe137. Doch reicht diese Interpretation aus? Geht diese Ode nicht weiter? Die große Diskussion über den poetologischen Gehalt dieser Ode kann hier nicht in vollem Umfang nachgezeichnet werden138. Nur so viel: Die gesamte Blumen- und Kranz-Metaphorik ermöglicht eine Vielzahl von Interpretationen auf verschiedenen Ebenen. Dies sei anhand der Myrte exemplarisch verdeutlicht. Sie steht als Gegensatz zur Rose, die im Unterschied zur Myrte nicht immergrün ist. Damit kommt das Thema der Vergänglichkeit meta-sympotischer Dichtung in gewisser Weise auch in diese Ode mit hinein. Zum zweiten ist die Myrte der Venus heilig und eröffnet damit auch eine erotische Dimension139. Außerdem strotzt die Ode vor Begriffen der Stilkritik und Hinweisen auf Kallimachos – der Kranz des Meleager identifiziert jeden Lyriker mit einer Pflanze, und die Myrte wird Kallimachos zugeordnet (A.P. IV,1,21f.). Die propagierte Einfachheit steht für kallimacheische Dichtung140 im Sinne von: Ich bedichte das Naheliegende, ich schreibe keine Enkomia, sondern kleinere Dichtung wie die erotische. Die thematische Einfachheit steht in Widerspruch zur Komplexität kallimacheischer und horazischer Dichtung. Die Junktur simplici myrto mag daher als Widerspruch in sich verstanden werden, die mit nihil allabores weitergeführt wird: Horaz lehnt labor ab, der nach der Auffassung der Kunst als Anstrengung mit dem griechischen πόνοϛ, vgl. Nisbet / Hubbard I, 421-423. Für eine Interpretation als poetologische Aussage vgl. Kulinarisches als Stilmetapher bei Gowers, E.: The Loaded Table. Representation of Food in Roman Literature, Oxford 1993; einen Vergleich mit den Aitia des Kallimachos bietet Lowrie (1997), 167f.; außerdem Mette, J.: „Genus tenue und mensa tenuis bei Horaz“, in: Museum Helveticum 18 (1961), 136-139. Sehr ausführlich Davis (1991), 118-126. 139 Zu einem möglichen Einfluss von Simonides 22 W2 (Symposion im Freien, Dichtung, attraktiver junger Mann) und die letzten Gedichte der Bücher vgl. Harrison 2001, 269f. 140 Vgl. Harrison 2001: „The preference for simple living becomes a Callimachean preference for small-scale poetry, and the poet’s drinking stands metapoetically for the writing of sympotic poetry.“ (vgl. epistl. 1,19, 8-11) 137 138

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dem kallimacheischen Feilen, gleichgesetzt werden kann. Aber mit der scheinbaren Einfachheit gehen verschlungene Wege – um in der poetologischen Terminologie zu bleiben – einher, will man die Vielschichtigkeit der Ode erfassen. Bei aller Selbsterklärung des Horaz bezüglich seines literarischen Stils darf man jedoch die thematische Dimension nicht vergessen: Nach dem lauten Fest aus öffentlichem Anlass der vorigen Ode schließt das erste Odenbuch ganz beschaulich und privat. Horaz beschließt es mit „individueller Poesie“ als rein sympotischer und meta-sympotischer Dichter141 (bibentem), nicht als politischer Dichter, obwohl er bereits das Symposion als Anlass für öffentliche Themen und damit meta-sympotische Lyrik, in deren Tradition er sich ja deutlich stellt (siehe carm. 1,6 und eben diese an prominenter Stelle am Buch stehende Ode), durchaus auch als Möglichkeit von Dichtung mit politischer Dimension entdeckt hat. Er kann, aber er muss meta-sympotische Dichtung nicht immer dafür verwenden142 . Er beendet sein erstes Odenbuch in betont sympotischer Pose. Schon innerhalb des ersten Odenbuches hat Horaz sich also der Möglichkeiten bedient, Bilder aus dem sympotischen Bereich auf vielerlei Art zu nutzen.

carm. 2,7: Sodalitas Diese Ode beginnt nicht direkt mit der Beschreibung ihres sympotischen Settings, doch auch hier lässt es sich schnell erschließen: Horaz spricht in der ersten Strophe jemanden an, der nun wieder in Rom ist143 und zu Beginn der zweiten Strophe namentlich genannt wird: Pompeius. Er wird als meorum prime sodalium (5) bezeichnet, einer für Freundschaftsgedichte typisch emphatischen Anrede144, wobei die Bezeichnung sodales durch die vorherige Erwähnung des Kriegsdienstes zunächst durchaus als „Kampfkamerad“ aufgefasst werden kann, dann wegen der Erinnerung an ge Auch in diese Ode kann eine erotische Note einfließen: Horaz liegt mit seinem Sklaven allein unter schattenspendendem Weinlaub, vgl. West I (1995), 191ff. Siehe auch Davis (1991), 126. 142 Vgl. Lyne (1995), 88. 143 Nun ist er wieder römischer Bürger, s. Quiritem, 3. 144 Dahinter liegt aber wohl auch viel Wahres, denn neben viel Traditionellem scheint immer wieder Emotion durch. 141

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meinsame Symposia145 durch die folgenden Verse seine Eindeutigkeit als „Trinkkamerad“ erhält (6-8): cum quo morantem saepe diem mero fregi coronatus nitentis ������������������������ malobathro Syrio capillos Doch nicht nur Symposia haben Horaz und Pompeius vereint, sondern auch gemeinsame militärische Erlebnisse (9-16), die letztlich ein glückliches Ende fanden. Bei der Beschreibung seiner Taten stellt Horaz sich selbst als wenig glorreich dar; den schmählichen Verlust des Schildes nutzt er als literarisches Motiv: Schon Anakreon und Alkaios, bekanntlich Vorbilder für Horaz (s. carm. 1,1), ließen ihren Schild im Kampf146. Damit stellt sich Horaz auch hierin in ihre Tradition. Diese Selbsterklärung passt, trotz dieser literarischen Dimension, gut in die Argumentation der Ode: Während Horaz sich freuen kann, dass ihm nicht passiert ist (er wird durch göttlichen Beistand, Merkur, gerettet), kämpfte Pompeius im Gegensatz zu ihm weiter147. Horaz und Pompeius kämpften auf der republikanischen Seite, so dass Pompeius wohl nach Actium in Richtung Osten floh148. Horaz verschweigt davon nichts, auch wenn er ihre politische Vergangenheit und Niederlage literarisiert. Pompeius wurde aber 29 v. Chr. von Augustus amnestiert. Der Akt der Amnestie und sein Urheber, Augustus, füllen eine semantische Leerstelle, nämlich die auf die Frage quis te redonavit Quiritem?149. Augustus ist somit auch in diesem Gedicht präsent. Vgl. sodales in anderen Gedichten, z.B. 1,7, Epode 13. Zu diesem Motiv, das schon bei Homer belegt ist und dann von Archilochos aufgegriffen wird, vgl. Miller, P.A.: Lyric Texts and Lyric Consciousness. The birth of a genre from archaic Greece to Augustan Rome, London / New York 1994, 19-36. 147 Horaz gibt hier zwei unterschiedliche Lebensläufe wieder, wobei er sich selbst deutlich als Dichter zeichnet. Neben dem Schildverlust stellt die Rettung durch Merkur einen weiteren Hinweis in diese Richtung dar: Merkur ist der Erfinder der lyra (carm. 1,10,6). Vgl. Santirocco (1986), 90: „in 2.7 the escape is from politics with a hint of the power of poetry“. Zur Rolle Merkurs vgl. Miller (1994), 141-169 („Horace, Mercury, and Augustus“). 148 Die Trennung der beiden wird auch sprachlich deutlich: Nach Ausdrücken der früheren Gemeinsamkeit mecum (1), cum quo (5) und tecum (8) gehen die beiden ihre getrennten Wege: me (13) – te (15). 149 Vgl. Murray (1985), 100: „Doubtless the poem offers graceful and silent thanks to Augustus who has pardoned Pompeius. ... On such an occasion the past need not to be forgotten, 145 146

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Aus diesem Anlass heraus (s. das folgernde ergo, 17, das gleichzeitig die Rückkehr aus der Vergangenheit in die Gegenwart markiert) soll es ein Rückkehrfest mit einem Opfer (obligatam redde Iovi dapem, 17) und Gelage geben – genauso wie in carm. 1,36. Es soll schnell alles vorbereitet werden, das machen die Imperative und Fragen deutlich (21-26). Es wird ein fröhliches privates Wiedersehensfest werden, dass Horaz für seinen Freund ausrichtet (sub lauru150 mea, 19), der sich entspannen solle, mit Wein, unguenta (23) und Kränzen – also den gleichen Beigaben, wie in der Vergangenheit. Nach der Frage, wer die Stellung des arbiter bibendi (26) erwürfle und damit das Maß des Trinkens festlege, bringt Horaz seine Freude dadurch zum Ausdruck, dass er in jedem Fall viel trinken werde151 (26-28): ... non ego sanius baccabor Edonis: recepto dulce mihi furere est amico. Die Ode endet mit amico, sie ist Freundschaftsdichtung. Meta-sympotische Dichtung ist ein dafür geeignetes Feld: Jetzt152 soll gefeiert werden, die Rückkehr eines Freundes bietet dafür den bildlichen Anlass – Horaz „schenkt“ Pompeius ein Fest, innerhalb seines Gedichts. Das, was er ihm in jedem Fall „geschenkt“ hat, ist das Gedicht selbst153. but may be transformed through the poetic vocabulary of the symposium; the poet celebrates a genuine friendship and the lost idealism of his youth, without offending the present.“ 150 Man beachte die mehrfache Konnotation des Lorbeers als Sieger- und Dichterzeichen ebenso wie die der corona in einem Gedicht, das zwischen Bürgerkriegs-, Freundschafts- und Dichtungsthematik oszilliert. 151 O’Gorman, E.: „Archaism and Historicism in Horace’s Odes“, in: Levene, D.S. / Nelis, D.P.: Clio and the Poets. Augustan Poetry & the Traditions of Ancient Historiagraphy, Leiden 2002, 98 liest die Verse 25-28 politisch: Augustus bestimme die Zeit und das Maß für das Trinken, und die Trunkenheit stehe für die Verrücktheit der Bürgerkriege. Damit schießt sie aber über das Ziel hinaus. 152 Erstaunlicherweise steht in dieser Ode kein deiktisches nunc wie in vielen anderen metasympotischen Oden; doch die Gegenwart wird dadurch ausgedrückt, dass Pompeius als an wesend dargestellt wird und das Symposion sofor t vorbereitet werden und stattfinden soll. Damit ist carm. 2,7, abgesehen von den Versen 2-16, ganz im hic et nunc verhaftet. Vgl. Culler (1981, 149): „to apostrophize ... is to locate them in the time of the apostrophe – a spezial temporality which is the set of all moments at which writing can say ‚now‘.“ 153 Trotz der literarischen Motive und Konventionen hat die Adressatenschaft des Pompeius

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Damit werden Einladungsgedichte zum Ersatz der Einladung selbst und das im Gedicht geschilderte Symposion Ersatz des Symposion selbst.

carm. 2,11: Symposion der Sinne Angesprochen wird Quinctus, der die aktuelle Tagespolitik und andere unangenehme Gedanken, wie den der Vergänglichkeit, vergessen und den Augenblick ohne Sorge genießen soll. Diese Grundaussage ist uns schon häufig begegnet, dem remittas quaerere (3f.) beispielsweise ist das tu ne quaesieris aus carm. 1,11 sprachlich fast, inhaltlich vollkommen identisch. Anders als in carm. 1,11 folgt dieser allgemeinen Aufforderung der ersten beiden Strophen von carm. 2,11 eine detailliertere meta-sympotische Konkretisierung, wenn auch in Frage- bzw. Aufforderungsform (13-17): cur non sub alta platane vel hac pinu iacentes sic temere et rosa canos odorati capillos, dum licet, Assyriaque nardo potamus uncti? ... Der Ort und das Wie des Geschehens sind genannt (unter einem Baum liegend), der olfaktorische Sinn ist angesprochen (odorati) und die Tätigkeit selbst bestimmt ( potamus). Nach einer kurz eingeschobenen allgemeinen Maxime (dissipat Euhius / curas edacis, 16f.) kehrt Horaz zur Ausgestaltung des Symposions zurück: In der für meta-sympotische Gedichten so typischen Frageform (quis ... quis ... , 18 / 21) wird das Auftragen von Wein (Geschmack) und das Herbeiholen einer Hetäre zu Musik (Auge und Ohr) gefordert: Meta-Sympotisches und Erotisches treten hier zur Konkretisierung und Ansprache an alle Sinne an, um die Aussage des carpe-diem-Motivs, dum licet (16), in eine anschauliche und lebensnahe Form zu bringen154. überaus großen Einfluss auf die Ode genommen, z.B. der „Vergangenheitsexkurs“ über zwei Strophen. 154 Den Ort zum Beispiel kann man sich sehr gut ausmalen: Man sitzt im Freien (Bäume) und es fließt ein Fluss vorbei (praetereunte lympha, 20), vielleicht die horti des Quinctus außerhalb der Stadt. Auch hier kommen wieder deiktische Wörter vor: hac (13) und sic (14), die gedichtintern

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Wieder wird das hic et nunc – das in der frühen griechischen Lyrik durch die Okkasionalität ohnehin gegeben war, die Horaz beibehält – für den allgemeinen Rezipienten durch die Einmaligkeit der geschilderten Situation („Gespräch und Symposion mit Quinctus“) deutlich und damit nicht nur formal und nicht nur für Quinctus, sondern auch inhaltlich und für alle nutzbar.

carm. 3,8: Maecenas II - sympotische amicitia Diese Ode ist an Maecenas gerichtet155, der namentlich erst in Vers 13 genannt wird. Zuvor wird dessen Verwunderung – ebenso wie die der anderen Rezipienten – nur langsam aufgelöst: Man trifft Horaz an den Kalenden des März, während er ein Opfer begeht (1. Strophe). Doch das wird nicht einfach geschildert, sondern in fast dialogischer Frageform, genauer in indirekten Fragen, die von miraris abhängen, formuliert. Um klarzustellen, dass diese Fragen berechtigt sind und nicht aus der intellektuellen Unfähigkeit des Du resultieren, folgt die Anrede docte sermones utriusque linguae (5)156 und dann die Antwort; er begeht nicht etwa die Matronalia157, sondern auf Quinctus gehen, außerhalb wieder als Deixis am Phantasma fungieren. Wichtiger als eine reale Lokalisierung ist der locus-amoenus-Charakter eines Ortes, an dem man entspannt Wein genießen kann (vgl. carm. 1,7). 155 Hier wie in carm. 1,20 wird Maecenas zum Weintrinken bei Horaz „eingeladen“. Außerdem ist noch carm. 3,29 zu nennen – und carm. 1,17 an Tyndaris. All diese Oden werden häufig als „Einladungs-Gedichte“ bezeichnet. Dabei ist die Bezeichnung „Einladung“ nicht wörtlich zu nehmen, als gesendeter Brief etwa. Auch dass Citroni (1995) schreibt, die Adressaten von Einladungsgedichten seien qua Typologie als in der Regel als abwesend zu denken („nella tipologia dei carmi di inviti, nei quali di norma il destinatario dell’invito deve essere pensato assente“, 271), kann in die Irre leiten. In dieser Ode auf jeden Fall ist Maecenas schon bei Horaz und wird dann „eingeladen“, an dessen privatem Fest teilzunehmen. Die Unterscheidung zwischen anwesend und nicht anwesend ist also nicht unbedingt hilfreich, da es sich ohnehin um literarische Treffen handelt (das wird v. a. in carm. 1,17 deutlich, da Tyndaris gänzlich der dichterischen Phantasie entspringt). Sicherlich ein verbindendes Element ist, dass Horaz an seinen eigenen „Tisch“ bittet. In diesem Sinne kann man dann insgesamt ohne Weiteres von „Einladungs-Gedichten“ sprechen. 156 Diese Qualifizierung geht wohl außerdem auf die Dialogi des Maecenas, die Horaz hiermit lobt. Dieser Querverweis auf andere Werke der gleichen Gruppe ist wieder als Zeichen eines avantgardeähnlichen Kreises zu werten. 157 Vgl. Syndikus II (2001), 98: „Der Dichter beginnt mit einem Scherz. Die Kalenden des März waren dadurch ausgezeichnet, dass an diesem Tag die Frauen von Rom ein Fest zu Ehren der Juno Lucina feierten, bei dem sie die Geburtsgöttin mit den frischen Frühlingsblumen

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ein ganz privates Fest (6-8): voveram dulcis epulas et album Libero caprum prope funeratus arboris ictu. Horaz hat den Sturz eines Baumes überlebt, daher das persönliche Ritual, zu dem neben dem Opfer auch ein Symposion gehört. In dieser Situation wird Maecenas, hier nun namentlich genannt und als Freund bezeichnet, aufgefordert, bei seinem Fest dabei zu sein: sume, Maecenas, cyathos amici... (13). Maecenas, der aufgrund seiner Stellung normalerweise in Staatsdingen zu tun hätte, soll diesen öffentlichen Raum einmal verlassen und ganz Privatmann sein: mitte civilis super urbe curas (17). Denn schließlich seien schon große Gefahren abgewendet (18-24), ein politischer und zugleich enkomiastischer Einschub des Horaz, der damit die Bedeutung des Maecenas für das römische imperium herausstreicht. Löst man sich vom direkten Adressaten Maecenas, so wirkt die Botschaft auch für alle anderen Rezipienten (24-28): neglegens, ne qua populus laboret, parce privatus nimium cavere et dona praesentis cape laetus horae: linque severa. �������������� Die Aussage, die Gunst der Stunde zu nutzen, kann für jedes Mitglied der – wie Maecenas – in die Politik involvierten Oberschicht gelten158 und schließlich für alle Leser; v.a. dona praesentis cape laetus horae ist wieder die allgemeine carpe-diem-Formel. ehrten und sie um ihre Hilfe baten... Maecenas findet in Horazens Haus einen mit Blumen geschmückten Altar und ein Weihrauchkästchen vor, Vorbereitungen, die am Frauenfest bei einem Mann und gar bei einem Junggesellen befremden mussten.“ 158 Theoretisch, wenn auch unwahrscheinlich, stimmt die Aussage auch für den gesamten populus, der zwar hier in der dritten Person steht, aber ebenso Grund hatte, erleichtert zu sein. Wie McNeill (2001), 36-46 richtig feststellt, gehörte der soziale Rang nicht unbedingt zu den bestimmenden Faktor der Horazlektüre in Rom, aber es gab „a series of concentric rings, based not so much on relative social standing as on levels of intimacy and direct contact with the poet himself.“ (ebd. 37f.)

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Der Welt des negotium wird die des Feierns als Emblem des Augenblicks gegenübergestellt, und die der Dichtung! sume, Maecenas, cyanthos amici kann man nämlich auch in diese Richtung lesen, immerhin war das Thema Bildung und Literatur durch docte sermones utriusque linguae bereits angeklungen. Der amicus Maecenas tritt in dieser Ode aus der politischen Welt Roms in die Welt des otium, vielleicht konkret zu Horaz’ Sabinum, und in dieser Welt sind Horaz und Maecenas nicht nur beim Feiern, sondern auch aufgrund ihrer literarischen Verbindung „Freunde“.

carm. 3,14: Öffentlich und privat Ein Gedicht, in dem der Dichter das Volk wie ein Herold anspricht (o plebs, 1), so mag der erste Eindruck sein, kann nicht zu meta-sympotischen Gedichten gehören. Öffentlichkeit und Privatleben werden bewusst gegeneinander gestellt. Doch wie sich private und öffentliche Sphäre immer wieder kreuzen, wurde aus den Oden in dieser Untersuchung schon zu Genüge ersichtig, so auch hier. Zunächst wird die glückliche Rückkehr des Augustus aus dem Krieg gegen die Kantabrer verkündet (als konventionelle Art der Panegyrik aufgrund eines adventus159) und ein religiöses Zeremoniell beschrieben (supplicatio), als dessen Leiter sich Horaz hier darstellt und bei dem die kaiserliche Familie teilnimmt. Zuschauer werden auch angesprochen (3. Strophe). Der Einzug des Augustus wird zum Festtag erklärt, und in der Übergangsstrophe (13-16) macht ihn Horaz auch allmählich zu seinem „persönlichen“ dies festus. Mit der Apostrophe an einen Sklaven (i pete unguentem, puer, et coronas, 17) geht Horaz vollends von dem öffentlichen Zeremoniell zum privaten Symposion über, beide Male benimmt er sich wie der „master of ceremonies“160. Doch ebenso, wie in den ersten drei Strophen Privates ganz ausgeklammert war (z.B. die Erwähnung der Penaten und der Familie), so bleibt auch zunächst noch „Kriegerisches“ erhalten: Der Wein wird mit dem „Überstehen des Bundesgenossenkrieges“ und „Spartakusaufstandes“ qualifiziert. Gänzlich persönlich wird es dann aber in der vorletzten Strophe, in der der Sklave aufgefordert wird, neben Salbe, Kränzen und Wein auch für weibliche Zu den Parallelen vgl. Nisbet, R.G.M. / Rudd, N.: A Commentary on Horace, Odes, Book III, Oxford 2004, 180. 160 Vgl. oliensis, E.: Horace and the Rhetoric of Authority, Cambridge 1998, 145f. 159

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Unterhaltung (argutae Neaerae, 21) zu sorgen, wenn es nicht zu lang dauere. Wenn doch: abito! Das wird mit dem gesetzteren Alter des Dichters erklärt – die Ode endet mit ganz persönlichen Belangen des Horaz, obgleich auch dies ein literarisches Motiv ist. Zusammenfassend noch einmal die wesentlichen Züge: Öffentlichkeit und Privates überlappen sich, da die Politik erst die Möglichkeit zum otium schafft. Deshalb wird der staatliche zum privaten Anlass. Der Rollenwechsel des Dichters vom Herold zum sympotischen Dichter ist dabei nicht einzigartig (s. 2.3)161 und durchaus nicht unmotiviert. Außer der reinen Anlässlichkeit bietet das öffentliche Ereignis weitere parallele und gleichzeitig unparallele Momente, die sich aus den Polaritäten des carpe-diem-Komplexes speisen: morte venalem laurum (2) wird den coronas (16) des Symposion gegenübergestellt; Augustus habe Todesgefahr auf sich genommen, um den Kranz zu erlangen, nun habe er den Bürgern die Möglichkeit gegeben, sich den Symposion-Kranz aufzusetzen162 und die Gedanken an Gefahr und Vergänglichkeit zu vergessen (16-20): hic dies vere mihi festus atras exiget curas; ego nec tumultum nec mori per vim metuam tenente Caesare terras. ��������������� Eben weil es das realsympotische Setting für Horaz als Dichter nicht mehr gab, war es nötig, die persona zu wechseln, um das gedichtinterne sympotische Setting herzustellen, wollte er an Alkaios anknüpfen. Horaz verbindet die beiden Bestandteile sympotischer Dichtung, die einst durch das Symposion selbst gegeben waren, nämlich das Politische und das Meta-Sympotische. Vgl. schon Reitzenstein (1908), 94, der bei Tibull 2,1 eine ganz ähnliche Übernahme der „ale-xandrinischen Ballade“ sieht: „Die eigentümliche Kunst, mit der Tibull in der ersten Elegie des zweiten Buches eine Anzahl verschiedener Szenen verbindet, zunächst als Herold auftritt, das Fest anzukünden, dessen Verlauf dann in lebhafter Ansprache an die Genossen malt, und endlich selbst das Lied beim Festgelage singt“. Nisbet / Rudd (2004), 181, verweisen außerdem auf Properz 3,4 und 4,6. 162 Der Lorbeerkranz kann außerdem noch den Dichter-Kranz meinen, weil ja der Lorbeer dem Apollo heilig war. 161

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Damit re-definiert er Lyrik und die Rolle des lyrischen Dichters: ��������������������������������������������������������������������������������� „the poet plays the leading role in both spheres. [...] By blending two dramatic situations controlled by the same poet, ode III 14 becomes a statement of poetics. The slenderness of the lyric genre is not to be mistaken as a prohibition from public concerns or national heroic themes. Lyric poetry is a powerful voice that bridges the often forced thematic distinctions between itself (tenue) and epic (grande). Further, the poet reasserts his own value because he directs the community and establishes a collective memory through his poetry.“163

carm. 3,17: Traditionelle cena In dieser Ode fällt der eigentliche meta-sympotische Teil recht gering aus: Nur die letzte Strophe bietet etwas für diese Thematik, und obwohl die Schilderungen im Allgemeinen bleiben, sind sie in einem Punkte dennoch sehr interessant. Doch erst soll kurz das Gedicht als Ganzes skizziert werden: Es ist eine einzig lange Paränese, und zwar an Lamia, der bereits in carm. 1,36 adressiert wurde. In den ersten Strophen wird – erstaunlich ausführlich – die Lamia-Familie gepriesen. Die lange Parenthese mit einer doch etwas befremdlich anmutenden genealogischen Zurückführung legt es nahe, dass Horaz hier mit dem Auge zwinkert (vgl. carm. 3,19). Nach diesem Auftakt, der sowohl die für die Paränese notwendigen Anrede liefert wie auch eine Charakterisierung des Verhältnisses zu Lamia (dessen angesehene Familie trotz des ironischen Untertons ja durch ihre Erwähnung dennoch geehrt wird), nimmt das Gedicht einen traditionelleren Verlauf, und bleibt doch eng mit der Familie verbunden. Nach dem Vergangenheitsbezug durch die Genealogie wechselt Horaz in die Zukunft: cras (8; 14). Durch die Landschaft und das Wetter wird – ganz in der Tradition meta-sympotischer Dichtung – der Background zum Weiteren gegeben: Es soll geheizt und getrunken werden (vgl. carm.1,9). Hier wird das Symposion aber sehr traditionell, fast altrömisch164, gefeiert: Dem Genius wird geopfert und die ganze Johnson, T.S.: „Sympotica Horatiana: Problems of Artistic Intergrity“, in: Philologus 141 (1997), 326. 164 Vgl. La Penna, A.: „Il vino di Orazio: nel modus e contro il modus“, in: Murray, O. / Tecuşan, M. (Hrsg.): In vino veritas, Oxford 1995, 266-282, hier 266: „Il Genius è per Orazio una manifestazione tipica della sana Roma arcaica nelle giornate di riposo.“ 163

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familia, einschließlich der Sklaven, bilden die sodalitas (14-16): ... cras genium mero curabis et porco bimenstri cum famulis operum solutis. Wieder wird die carpe-diem-Aussage (typisches dum potes, 13) konkretisiert bzw. kontextualisiert. Sie erhält ihre Spezifikation durch den Adressaten ebenso wie durch die Lage (am Meer) und mit zeitlichen Adverbien (cras). Lieberg streicht die römische Kontextualisierung heraus: „Es lässt sich in der Tat feststellen, dass Horaz in der Betonung des Festes von der römischen Verehrung des Genius ausgeht.“165 Zum Larenkult wurde nach dem Sieg im Osten auf Senatsbeschluss auch der Genius des Imperators hinzugefügt166. Die Beobachtung, wie sehr Horaz es verstand, Römisches in seine Lyrik einzubauen, macht es unmöglich, ihn nur rein literarisch und in griechischer Rezeption verhaftet zu sehen, sondern zeigt im Gegenteil zwar die Übernahme der Gattung in formalen Fragen, aber die Öffnung in inhaltlichen Belangen: Typische carpe-diem-Elemente, die sonst in sympotischem Setting ausgeführt werden, sind hier auf die römische cena übertragen.

carm. 3,19 : Erotisch-sympotische Szenerie Ähnlich „dialogisch“ und lebendig wie carm. 1,27 schildert die Ode 3,19 eine Symposienszene, doch lassen sich gewisse Unterschiede feststellen. Aus der ersten Strophe wird nicht gleich klar, wo die Szene spielt, es wird aus dem narras nur deutlich, dass es sich um eine „Gesprächs“-Situation handelt. Der „Gesprächs“-Partner erzählt Dinge, die Horaz jedoch nicht interessieren, nämlich über die Genealogie und Taten der Könige von Argos und Athen (1f.) und Troja (3f.). Horaz möchte jedoch vielmehr wissen, wie der Weinpreis sei, wer das Wasser für den Wein anwärme, wer sein Haus zur Verfügung stelle und wann er der Kälte entfliehen könne (2. Strophe). Lieberg (1965), 421. Vgl. auch carm. 4,5.

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Dem langen und wohl langweiligen Vortrag167 folgen eine Vielzahl lebendiger Fragen (quo..., quis..., quo..., quota), doch die werden vom Gegenüber eben nicht gestellt, sondern er schweigt davon; das taces steht effektvoll am Ende der Strophe. Mit diesen Fragen befinden wir uns eindeutig in der sympotischen Sphäre, so dass das Folgende sich gut einfügt. Vielen Interpreten168 fiel eine Ungereimtheit zwischen Strophe zwei und drei auf: Die Gesellschaft befinde sich auf einmal beim Trinken, wo spielten dann die ersten beiden Strophen? Meiner Meinung nach ist diese Frage jedoch unerheblich169; ich sehe die ersten beiden Strophen als Aufhänger für den Anlass, aus einer Situation entwickelt sich eine andere: Die ersten acht Verse geben Gelegenheit, nebenbei einen Seitenhieb gegen das zwar schwierige, aber auch langweilige Aufstellen von Genealogiereihen vorzubringen, wie er es schon in carm. 3,17 getan hat, um dann ein viel wichtigeres, und vor allem „aktuelleres“ Thema anzuführen: das Symposion. Nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart interessiert. Damit stimmt Horaz den Leser auf das Folgende ein, denn hinter dem taces kann man sich durchaus ein „nec ego!“ denken. Horaz verpackt die Leserlenkung geschickt kontextualisiert in einem Gespräch und spricht dabei auch den Rezipienten an170, im Sinne von: Das, was jetzt inhaltlich folgt, wird sympotisch sein und nicht etwa genealogischer Art – ganz entsprechend seiner programmatischen Aussage in 1,6,17 (nos convivia, nos proelia virginum). Es werden dem Rezipienten außerdem noch folgende Informationen mitgegeben, die später eine Bedeutung erhalten werden: das Wetter (Paelignis ... frigoribus, 8) und damit die Jahreszeit171, und wer der Hausherr sein werde. Diese Frage wird beantwortet: Horaz fordert den Sklaven auf, ihm Wein einzuschenken, damit er auf den Neumond (9), die Mitternacht (10) und den Horaz stellt nicht etwa Sprechen (dicere, loqui) gegen das Schweigen (taces), sondern mit voller Bedeutung das Erzählen (narras). 168 Eine Übersicht der verschiedenen Lösungsvorschläge siehe West III (2002), 168-171. 169 Auch wenn die Situation uneinheitlich ist, stellt dies kein Problem dar, weil diese Imaginations-leistung dem Leser abverlangt werden kann. Auch in carm. 3,4 brachte das wechselnde Setting keine Schwierigkeiten mit sich. 170 Daher sind die Fragen mit ihren eventuellen Diskrepanzen zum weiteren Gedichtverlauf auch nicht allzu sehr auf pragmatischer Ebene „ernst“ zu nehmen. 171 Die in der frühgriechischen Lyrik häufige Angabe des Jahreszeit erhält hier eine zusätzliche Funktion, wie die späteren Ausführungen zeigen. 167

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Augur Murena (10f.) trinken könne172 . Nach der Aufforderung zum Weineinschenken folgt das ebenso traditionelle Element der Weinmischung und des Verhältnisses, wiederum überaus individuell verpackt: Man kann mit neun oder drei Weinanteilen mischen, und während für die anderen die Zahl der Grazien173 entsprechend sei, fordert Horaz für sich das Neuner-Verhältnis, denn als attonitus vates stehe er den neun Musen nahe. An diese augenzwinkernde Selbstinszenierung anknüpfend, mit der er die Funktion des arbiter bibendi ausfüllt, fordert er als Symposiarch Musik (tibiae, fistula, lyra, 19f.) und Rosen, es soll hoch hergehen (strepitum, 23). Die Verbindung erotischsympotisch kommt nun zum Tragen, der Übergang wird geschickt gestaltet, denn der Lärm dringt bis zum ungleichen Nachbarpaar. Daraufhin wird Telephus angesprochen, zu dem die schöne und junge Nachbarin Rhode sich viel eher hingezogen fühlt als zu ihrem viel älteren Ehemann. Und auch Horaz glüht in Liebe. Die Namen (bis auf Paelignis) sind griechisch, die Art des Symposions hat den Anschein von luxuriae griechischer Prägung (Rosen im Winter). Die Ode ist stark literarisiert, aber extrem gut gemacht, da die literarische Ebene durch eine römische Realität durchwoben wird, die aber überhaupt nicht als Fremdkörper wirkt: Dem scheinbar zeitlos gezeichneten Symposion liegt eine realhistorische Tatsache zugrunde, nämlich die Wahl des Murena zum Konsul, dem zu Ehren hier fiktiv zum Amtsantritt um Mitternacht am 31. Dezember 23 zugeprostet wird. Horaz entwirft eine Feierszenerie und gibt uns im Text Hinweise auf den Anlass, vor allem in der zweiten Strophe und natürlich durch die Namensnennung. Die Fragen geben mit ihrer impliziten Antwort deiktisch das hic et nunc der imaginierten Szene an, die das literarische Symposion zeitlich verankern. Sie sagen zu Murena: „Stell dir vor, wir feiern bei dir auf deinen Erfolg!“, zu seinen Bekannten: „Stellt euch vor, wir feiern zusammen bei Murena auf dessen Erfolg!“ und bleiben für die anderen Rezipienten okkasitioneller Hintergrund für das metasympotisch-erotische Gedicht. Und die Mit den Genitiven ahmt Horaz die griechische Art des Toastes nach. Die Grazien stehen entweder für witzige Unterhaltung (Williams (1968), 111), oder weil sie ernster sind und Angst haben vor der Art von Tumult, der in 1,27 ausbricht (West III (2002), 172). Kann auch die genaue Zuschreibung der Grazien nicht erfolgen, so ist jedoch die Symbolik der Zahlen von Bedeutung. Nicht nur das Mischverhältnis beinhaltet 3 und 9, sondern normalerweise gab es drei lecti für neun Personen. 172 173

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Dichter-persona sagt: „Ich erzähle nicht lang und breit (narras), ich verfasse meta-sympotische und erotische Dichtung und nehme darin die Rolle des arbiter bibendi und des amator ein.“ Das wirkt sich stark auf die Gestaltung der Ode aus: Kurze Sätze oder Fragen, schnelles chorjambisches Metrum und lebendig-mimetische Darstellung prägen das carmen. Nisbet / Rudd bewerten: „Once again he has shown how to celebrate an official occasion without abandoning his lyric persona.“174

carm. 3,21: An den Weinkrug Eine andere Form meta-sympotischen Dichtens stellt Ode 3,21 dar. Sie wendet sich nämlich nicht an eine Person, sondern, in hymnenartiger Form, an den Weinkrug und bezeugt damit die Fiktion der Gesprächssituation horazischer Oden175. Für die Art horazischer Kommunikation, die vielfach von Sympotischem ausgeht, stellt die Ansprache an den Weinkrug die Extremform dar. Gegen eine Interpretation, die vieles aus den Oden zu wörtlich und real nimmt, polemisiert Schmidt, ausgehend von dieser Stelle, mit folgendem Argument: „Weder Horazens Leier noch sein Weinkrug haben von ihm lyrische Briefchen erhalten, und die Post verweigerte mit dem Vermerk ‚unbekannt verzogen‘ die Zustellung an Götter und an wohlklingende Hetärennamen.“ 176 Doch dass diese Ode nicht im luftleeren Raum schwebt, zeigt sich, wenn man weiterliest: Corvinus Messalla wird genannt (Corvino iubente, 8), der eigentliche Adressat, von dem auch im weiteren Verlauf in der dritten Person (ille, 9) gesprochen wird. Dieser alter Maecenas gehörte auch zu denen, die mit Horaz guten Umgang pflegten177. Der lockere Ton, der mit der Ansprache des Weinkrugs begonnen hat, klingt Nisbet / Rudd (2004), 229. Doch schon in griechischer Lyrik wurden Gegenstände apostrophiert, s. Pindar P. 1 oder Bakchylides 20 B, der sich an seine Leier wendet, bevor er dem Adressaten Alexandros ein Trinklied widmet. 176 Schmidt (2002), 213. 177 Er war auch Figur des „Symposion“ des Maecenas, vgl. Serv. ad Aen. 8,310. Überaus pas174 175

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weiter: quamquam Socraticis madet sermonibus (9f.). Dann folgt das Lob auf den Wein, den Horaz jetzt wieder in dem Mittelpunkt rückt: Mit tu ... tu ... te beginnen die letzten drei Strophen178. Die positive Wirkung des Weins ist seit der frühgriechischen (meta-)sympotischen Lyrik ein fester Bestandteil, und auch bei der Untersuchung der meta-sympotischen Oden und Epoden des Horaz fiel auf, dass seine Eigenschaften oft gelobt werden. Deshalb greife ich hier nur Besonderheiten heraus: Der Adressat Messalla übt insofern weiteren Einfluss auf die Gestaltung aus, als dass sich seine Charakterisierung als gebildet (s.o.) niederschlägt: Wein bewegt den Verstand (ingenio, 13) und löst die Sorgen der Weisen (sapientium, 14) – damit sagt Horaz auch etwas darüber aus, in welchen Kreisen er sich befand. Nach diesen Aussagen, die auf die Wirkung des Weins in dieser Runde um Messalla gehen, erweitert er den Blickwinkel (5. Strophe) und endet mit den zum Wein und Symposion gehörigen Gottheiten: Liber (Wein), Venus (Liebe), die Grazien (s.o.) und Apollo (Morgendämmerung).

carm. 3,29: Maecenas III Die Ode 3,29 ist das dritte Einladungsgedicht an Maecenas und – vor dem die erste Odensammlung beendenden, von dichterischer Selbsterklärung strotzenden carm. 3,30, der sphragis, – eine abschließende Erwähnung seines Literaturpatrons. Daher auch die Parallele in der förmlichen Ansprache Tyrrhena regum progenies (1) mit carm. 1,1,1: Maecenas atavis edite regibus. Wie in carm. 1,20 wird damit gleich wieder der Rangunterschied „inszeniert“ – und ebenso wie dort wird gleichzeitig eine „Szene“ von innerer Gleichheit erschaffen, die auf Anerkennung basiert. Dass Maecenas Luxus gewohnt ist und im lebhaften Rom zu Hause ist (mit folgender Idyllisierung des einfachen Landlebens), wird nicht verschwiegen (11-28), ebenso wenig wie die klare Zuordnung des dives zu Maecenas und des pauper zu Horaz (14ff.). Wie in Ode 3,17 wird es, nach einer cena in kleinem Kreise, ein einfaches Symposion geben179. Doch Horaz send, dass Maecenas ihm auch dort die Rolle des Lobredners auf den Wein zukommen ließ. Dies zeigt, dass ein römischer Dichter mehrere Patrone haben konnte. 178 Im Gegensatz dazu war der Einschub auf die Menschen Messalla und Cato kurz. 179 Doch die nötigen Utensilien fehlen nicht und sind so gut, wie es Horaz nur möglich ist (15).

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verweilt nicht weiter bei der Vorstellung dieses gemeinsamen Abends. Es folgen die schon bekannten carpe-diem-Züge: Man soll die Sorgen beiseite lassen (25-32). Die Botschaft, die zunächst durch das tu (25) noch speziell auf Maecenas bezogen war, erweitert sich durch ihre Allgemeingültigkeit: ... quod adest memento componere aequos: cetera fluminis ritu feruntur, nunc medio alveo ���������������������������� cum pace delabentis Etruscum180 in mare, nunc ... Das verkündet Horaz dem Maecenas und den anderen Rezipienten. Einmal mit der Erklärung seiner Einstellung begonnen, löst sich er sich dann von dem ursprünglichen Anlass der Ode und fährt fort (41ff.)181: ... ille potens sui laetusque deget, cui licet in diem dixisse ‚vixi‘. cras ... Nach dem Bild der unbeständigen Fortuna gibt Horaz ein persönliches Credo ab, die erste Person bestimmt die letzten drei Strophen: laudo (53), non est meum (56)182 und me (62). Horaz führt die Ode also folgendermaßen aus: Er lädt Maecenas zu sich ein, macht deren Unterschiede deutlich und charakterisiert sowohl Maecenas als auch zunehmend sich selbst. Er nutzt den Anlass eines Symposion, um seinem Patron, der hier aber auch – obgleich nicht so stark wie in carm. 3,8 – als sympotischer Freund erscheint, die zum Symposion passende Maxime des carpe-diem mitzugeben. Als zeitlich fixierter Hintergrund trägt das Maecenas-Symposion aufgrund des illustrieren180 Der Verweis auf Etrurien als Heimat des Maecenas bleibt freilich ein Zeichen der speziellen Adressatenschaft. 181 Ich folge nicht der Interpunktion von Shackleton Bailey (20014), weil ich der Meinung bin, dass das kurze ‚vixi‘ prägnanter und damit passender ist und Horaz danach wieder persona loquens der Gnome ist. 182 Beide Male steht es betont am Strophenbeginn.

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den Charakters zur Wirksamkeit der Aussage auf den Leser bei und transportiert Lebens- und Freundschaftsphilosophie epikureischer Färbung. Dabei beginnt Horaz zunächst wie in einem Dialog, löst sich dann aber davon und spricht gegen Ende – fast in einem kleinen Widerspruch und von Maecenas loslassend – von persönlicher virtus und betont das Individuum (ille potens sui, 41). Während zunächst die zweite Person (tibi, 1, bis memento, 32) vorherrscht, dann in die allgemeine dritte Person wechselt, deutet sich bereits im vixi (43) eine Wendung zum Ich an, das die Ode beschließt.

carm. 4,1: Fortführung erotisch-metasympotischer Dichtung Die zweite Odensammlung, also das vierte Buch, steht nicht mehr unter der Schirmherrschaft des Maecenas, oder nur noch unter anderem. Denn Augustus selbst habe Horaz aufgefordert, noch einmal an diese Dichtung anzuknüpfen. Nach dem Carmen Saeculare hat sich seine Stellung ohnehin geändert. Wie Horaz seine Dichtung des vierten Buches charakterisiert, sucht und findet man in der ersten Ode: Eigentlich habe er sich schon von erotischer Dichtung losgesagt, die hier als Venus personifiziert angesprochen wird. Aber es ist nicht nur eine – natürlich gespielte – Absage an erotische Dichtung, sondern auch an meta-sympotische Dichtung (31f.): nec certare iuvat mero nec vincire novis tempora floribus. Letzten Endes kann er es aber doch nicht lassen, er schreibt wieder Oden, er schreibt wieder erotische und meta-sympotische Dichtung (vgl. carm. 1,6), obgleich eigentlich nur drei Oden im vierten Buch wirklich erotisch sind. Die ersten drei Odenbücher haben gezeigt, was alles für Horaz Anlass zum Fest sein kein, und mit der Beschreibung der Symposia des Paulus Maximus in den Versen 21-28 kehren uns bekannte Elemente wieder: illic plurima naribus duces tura lyraque et Berecyntia delectabere tibia mixtis carminibus non sine fistula;

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illic bis pueri die numen cum teneris virginibus tuum laudantes pede candido in more Salium ter quatient humum. Sie entwerfen das Bild eines lebendigen Symposions, in dem das ausgelassene und erotische Element vorherrscht (Berecyntia, in more Salium), denn die Feier findet zu Ehren der Venus statt (im Hause des Paulus Maximus an den Albanerseen183). Das wird zunächst nur Paulus Maximus zugeschrieben, doch in den letzten beiden Strophen gibt sich auch Horaz wieder geschlagen und auch für ihn gilt nun diese Schilderung. In Erweiterung der konkreten Szenerie trifft die Programmatik auf alle Oden des vierten Buches zu: „Words and music, as the essence of lyric verse, will be a frequent subject in book 4, culminating in the lyre, flute, and carmina that accompany the ceremonies of communal pride, in the collection’s final poem. Last, there is the attendant idea of ritual festivity, to the meaning of which song most notably contributes. We have celebrations of triumph and of restoration, of occasions as grand as a secular renewal and as limited as a birthday, of a private feast to distract its participants from life’s trials or of a public rejoicing for Augustus and for the multivalent splendor of his accomplishment.“184

carm. 4,5: Ein Kontrastbeispiel Nicht in jeder Ode, in der Weintrinken erwähnt wird, muss ein Symposion gezeichnet werden185. Hier wird eine cena mit dem Trankopfer an Augustus als Symptom ausgestaltet, das von der glücklichen Friedenszeit kündet. Augustus wird nicht, wie Damit holt Horaz frühgriechische Dichtung noch einmal nach Rom (vgl. Sappho fr. 2 L.P. an Aphrodite). Das hatte er bereits in carm. 1,30 getan, indem er Venus bat, ihren „Wohnsitz“ zu verlegen. In carm. 4,1 nun ist sie, durch Horazens eigene Dichtung, so präsent, dass ihn die Vergangenheit quasi einholt. 184 Putnam, M.C.J.: Artifices of Eternity. Horace’s Fourth Book of Odes, Ithaca / London 1986, 43. Die neueste Monographie zum vierten Odenbuch fasst ihr Credo ganz kurz: „That is to say, Horace’s panegyric is sympotic.“ (Johnson, T.: Symposion of Praise. Horace Returns to Lyric in Odes IV, Wisconsin 2004, XX) 185 Vgl. carm. 3,17. 183

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Maecenas in den ersten drei Odenbücher, zu Horaz eingeladen, um dort zu feiern, aber Augustus wird zurück in die Heimat gewünscht. Hier wird Horaz nicht wie in 3,14 persönlich, indem er seine eigene Feier beschreibt, nimmt aber das Privatleben des römischen Landmannes mit hinein (29-40). Der augusteischen simplicitas-Ideologie entsprechend wird deshalb ein redliches Leben mit maßvollem und zeitgemäßem Weingenuss geschildert (38ff.): dicimus integro sicci mane die, dicimus uvidi, cum sol Oceano subest. ���������������������� Die Welt des griechischen Luxus, Musik und Unterhaltung bleibt fern, und die ganze cena findet Erwähnung, nicht nur die comissatio. Bei der Nachspeise, alterae mensae, wird dem Augustus ein Trankopfer186 dargebracht (31-36), was der Hymnenform der gesamten Ode entspricht. Ein kurzes Gebet wird „zitiert“ (37f.), auf dass Augustus das römische Volk noch lange sorgenfrei mache und damit die Möglichkeit zu dieser Lebensführung gebe (longas ... ferias)187. Wie in carm. 3,14 wird die politische Leistung des Augustus gewürdigt, die Auswirkungen auf das Privatleben hat (siehe die Nebeneinanderstellung: Laribus tuum / miscet numen, 34). In dieser Ode, zu dieser Zeit, wird Bacchus nicht mehr als Sorgenlöser gebraucht wie noch in Epode 9. Wurde in carm. 3,14 ein Fest beschrieben, das in dem die meta-sympotischen Elemente dazu beitragen, sich die Ode in sympotischer Umgebung vorgetragen vorstellen zu können, ist diese eher eine Opfertrank-Hymne. Die dichterische Taktik ist aber dieselbe: Horaz verbindet seine Aussagen, hier der Preis der Friedenszeit mit hesiodischen und vergilischen Anklängen, mit okkasionellen Bildern, in diesem Fall dem Trankopfer. Im Vergleich zu den meta-sympotischen Gedichten im engeren Das war nach Actium wohl Brauch (vgl. Ovid, fast. 2, 635-639). Trotz der altrömischen Einfachheit kommt damit auf den ersten Blick etwas Unrömisches hinein. Der Vergleich mit Herkules siehe schon carm. 3,14. La Penna hingegen betont, dass der Bezug auf die Dioskuren und Herkules den speziellen Kult des Augustus legitimieren sollte und keinen griechischen Ursprung des Ritus zeige, sondern starke Wurzeln in der älteren heimischen Tradition habe; vgl. La Penna (1995), 267. 187 Damit hat Augustus quasi die alte Glücklichkeit wieder hergestellt, wie sie ähnlich in Bezug auf die Vergangenheit in epist. 2,1,139-144; vgl. damit auch carm. 4,15. 186

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Sinn bleibt Horaz hier eher deskriptiv, was daran liegt, dass er allgemein von den italischen Landmännern spricht und nicht, was er durchaus hätte machen können, sich selbst als einen solchen inszeniert. Er bleibt auf Gedichtebene bei nur einem Adressaten: Augustus. Nur am Ende, wo er sich mit einbezieht (dicimus), kommt durch die direkte Rede wieder mehr Lebendigkeit hinein. Es mag an der Lektüre der meta-sympotischen Gedichte liegen, dass man den Wechsel des Adressaten fast vermisst.

carm. 4,11: Maecenas IV – ein Geburtstagssymposion In dieser Ode spielt Maecenas noch einmal eine Rolle: Sein Geburtstag ist Grund zu diesem literarischen Fest. Doch diese Information wird erst in der fünften Strophe gegeben. Zuvor werden die Vorbereitungen geschildert: Wein und Kränze sind da, Phyllis wird aufgefordert, sich damit die Haare zu flechten. Es herrscht feierliche Atmosphäre; die Wichtigkeit des Festes wird durch den Glanz deutlich (4-8): multa, qua crinis religata fulges ridet ar gento domus, ara castis vincta verbenis avet immolato spargier agno.

Die Geschäftigkeit wird durch die Eile (cursitant, 10) der Jungen und Mädchen beim Opferritual (s.o.) und die Unruhe der Flammen (trepidant, 11) ausgestaltet. Phyllis wird belehrt, was der Grund der gaudia sei (17-20): iure sollemnis mihi sanctiorque paene natali proprio, quod es hac luce Maecenas meus adfluentis ordinat annos. Nachdem der Anlass genannt ist, mit dessen Erwähnung Horaz die Ode zum Geburtstagsgeschenk für „seinen“ Maecenas (Maecenas meus) macht, wendet sich Ho-

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raz wieder ganz der imaginierten Gesprächspartnerin, seiner letzten Liebe (meorum finis amorum, 31f.), zu. Diese solle nicht das Ungemäße, hier den Telephus, erhoffen (29ff.)188: semper ut te digna sequare et ultra quam licet sperare nefas putando disparem vites. sondern Horaz bittet sie, seine Verse zu lernen189; denn diese seien gut gegen die Sorgen. Dichtung nimmt somit die gleiche Wirkung wie Wein ein. Der Geburtstag des Maecenas liefert den Festanlass und das Gedicht umgekehrt liefert Horazens Geschenk für ihn – er wird für beide „nutzbar“. In diese Gelegenheit hinein schreibt Horaz ein Fest, in das er sich selbst und seine Dichtung stilisiert. Von der Topik des Einladungsgedichts geht er zu den Themen Liebe sowie Musik und Dichtung über.

carm. 4,12: Ein Freundschaftssymposion Ähnlich wie carm. 4,5 wird diese Ode anfangs durch eine gleichsam arkadische Atmosphäre bestimmt. Die Naturverbundenheit liefert den Übergang zu den Jahreszeiten und mit dem Frühlingsbeginn einen Grund zum Symposion190: adduxere sitim tempora, Vergili (12). Vergilius wird geneckt, er solle ja etwas mitbringen (merebere, merce, Diese Maxime wurde durch ein vorgeschaltetes mythisches exemplum bestärkt. Eventuell um dann – mit Horaz zusammen ? – zu musizieren. Sich Musik und gesungene Gedichte auf einem Symposion vorstellen zu können, scheint also nicht vollkommen unmöglich zu sein, wie diese autoreferenzielle Äußerung zeigt. Hier bringt Horaz in seiner Dichtung selbst seine eigene Dichtung zur Sprache, aber auf eine derart poetische Weise, nämlich in einem Dialog der Dichter-persona an eine fiktive Gesprächspartnerin, dass die Beurteilung solcher Stellen schwierig bleibt. 190 In die sehr idyllisch klingenden ersten drei Strophen bricht damit Lebenswirklichkeit ein. Das Jahreszeitenmotiv als Hintergrund zum Trinken ist sicher von Alkaios übernommen (376 L-P.), das Naturgefühl jedoch wohl aus hellenistischer Dichtung (den Anfang vgl. A.P. X,5). Allerdings handelt es sich nicht um ein reines „Frühlingsgedicht“: In der ersten Strophe wird der Frühling dadurch charakterisiert, dass es nicht mehr (iam nec ... nec) Winter ist. Zum Wechsel von Jahreszeiten als typisches Schema von carpe-diem-Oden vgl. Davis (1991), 181f. 188 189

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meditor). Das erinnert an Catulls carmen 13, eine Persiflage auf Einladungsgedichte, wo er die Sitte, beim Freundschaftsmahl etwas beizusteuern, so ausweitet, dass Fabullus eigentlich alles selbst mitbringen soll. Auch bei Horaz handelt es sich um ein Freundschaftsmahl unter Gleichgestellten. Bei Patronen könne man erwarten, ohne Gegengabe zu feiern (22ff.), bei Horaz nicht: non ego te meis immunem meditor tinguere poculis, plena dives ut in domo. Neben den vertraut-scherzenden Tönen endet die Ode mit einer Aufforderung an Vergilius, passend aber auf die römische Einstellung insgesamt: verum pone moras et studium lucri nigrorumque memor, dum licet, ignium misce stultitiam consiliis brevem: dulce est desipere in loco. Horaz mahnt damit zu einer Lebensführung, die schon oft in den Oden angeklungen ist: carpe diem dum licet. Dabei stellt er aber keinesfalls Vergilius und sich in einen vollkommenen Gegensatz, Horaz fordert ja nicht zum generellen desipere auf, sondern nur, wenn es in loco sei191. Aber es ist dennoch ein gewisser Ausdruck der Lebenswahl, wiederum – weniger scherzhaft – in einer Maxime endend192 . Der Gedanke ist verlockend, dass mit Vergilius der Dichterfreund Publius Vergilius Maro gemeint ist193. Die Tatsache, dass der „arkadische“ Stil nachgeahmt wird, kann 191 Daher stimme ich gleichzeitig mit Putnam überein und widerspreche ebenso; vgl. Putnam (1986), 209: „With Vergilius, the potential lover is replaced by a symposiast whose interests are distinct from the speaker’s own. Vergilius seems the quintessential Roman, given to the immediacies of politics and sycophancy, a competitor for the world’s good who is adressed appropriately in the language of finance and exchange. To him the speaker suggests, by means of his magic wine that leads from one sphere to the other, a substitution of the quotidian for the spirital, of practicality for the figurations of poetry. The speaker both exemplifies his message and flatters its receiver by offering him verses of wide-ranging referentiality.“ 192 Vgl. auch die ähnlichen Wendungen in carm. 2,7, 27f.: recepto / dulce mihi furere est amico; carm. 3,19,18: insanire iuvat aufgrund des Konsulats des Murena; vgl. griechisches kata kairon. 193 Diese Frage ist weiterhin umstritten. Dagegen spricht zum einen das Veröffentlichungs-

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als Anspielung auf die Dichtung Vergils aufgefasst werden194. Auch die möglichen poetologischen Implikationen der dritten Strophe (tenero ... pinguium ... carmina fistula) teilt Horaz mit Vergil (ecl. 6, 4f.). Außerdem würde der freundschaftliche Ton dieser Ode gut passen, weil Horaz auch Maecenas so häufig als sympotischen Gast malt. Die typische Elemente, die aus „Einladungs-Gedichten“ an Freunde der ersten Odensammlung bekannt sind, tauchen ebenso hier auf: Eine gute Weinsorte wird genannt (Calibus; vgl. carm. 1,20,8 an Maecenas) und die paupertas bzw. simplicitas des Gastgebers, der eben nicht wie ein dives ohne Gegengabe guten Wein ausschenken kann (22ff.; vgl. carm. 1,20,1). Diese Nähe machen es wahrscheinlicher, in Vergilius den Dichter zu sehen als einen sonst unbekannten Römer195.

carm. 4,15: Eine neue alte Tradition sympotischer und meta-sympotischer Dichtung? Mit dieser Ode endet das vierte Buch und stellt damit die abschließende Horaz-Ode dar. Sie richtet sich an Augustus, den „Mäzen“ der zweiten Sammlung. Wie aufgrund dieser gewichtigen Stellung am Buchende zu erwarten, wird dieser gewürdigt, und zugleich erklärt Horaz sich und seine Dichtung: In einer recusatio argumentiert er, er habe ja proelia bedichten wollen, doch Apollo habe ihn gewarnt, das sei eine Nummer zu groß für ihn (3f.). Auf jeden Fall ist zwar Augustus Mittelpunkt der Ode, aber neben das Verhältnis vom Pinceps zur Dichtung rückt ebenso Poetisches ins datum der zweiten Oden-Sammlung nach dem Tod Vergils (dann wäre der ironisch Ton vielleicht etwas unpassend), zum anderen stieß die Bezeichnung iuvenum nobilium cliens für Augustus und Maecenas auf und die Tatsache, dass Vergilius als auf Gewinn bedacht dargestellt wird (studium lucri) (vgl. Syndikus II (2001), 379, und Putnam (1986), 205f.). Dagegen nimmt Thomas an, es handele sich um den Dichter und stellt interessante Verbindungen mit epist. 2,1, 245-259 her (Thomas, R.F.: Virgil and the Augustan Reception, Cambridge 2001, 63-74). Das Datierungsproblem löst er, indem er herausstellt, dass in epist. 2,1 und carm. 4,12 – beide nach dem Tod Vergils veröffentlicht – Vergil (und Varius, vgl. carm. 1,6) als Hintergrund zur Selbstdefinition des Horaz im Themenkreis Enkomion – Augustus – munera – recusatio auftrete und dass Horaz der erste gewesen sei, der das Vergilbild im augusteischen Rom nach dessen Tod geprägt habe. 194 Zur Intertextualität mit Vergils Ekloge 6 vgl. Davis (1991), 183-186. 195 Vgl. Davis (1991), 187: „Such badinage was the hallmark of the social intercourse of close literary friends.“; s. außerdem Citroni (1995), 280, der feststellt, dass ein Großteil der realen Adressaten der Oden prominente Persönlichkeiten Roms sind.

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Zentrum: Es ist Dichtung, die Größe besingen kann. Die Entwicklung der Argumentation ist folgende: In der ersten Strophe werden drei Personen genannt: Apoll (Phoebus) mit seinem Attribut (lyra), der Dichter im lyrischen Ich (me) und Augustus (Caesar) – die Beziehung der Drei wird im weiteren Verlauf der Ode klargestellt196. Man würde erwarten, dass Horaz sich allmählich von der „abgelehnten“ hin zu seiner Thematik wendet (vgl. carm. 1,6). Aber so eindeutig tut er es nicht: Das nos convivia, nos proelia virginum ... cantamus ist in seiner Charakteristik deutlich variiert, wenn auch der sprachliche Rahmen fast gleich bleibt: nosque et profestis lucibus et sacris inter iocosi munera Liberi cum prole matronisque nostris rite deos prius adprecati, virtute functos more patrum duces Lydis remixto carmine tibiis Troiamque et Anchisen et almae progeniem Veneris canemus. Hier gibt Horaz nicht erotisch-metasympotische Dichtung an, sondern enkomiastische (Troiamque et Anchisen et almae / progeniem Veneris canemus)197. Das imaginierte Setting der beiden carmina ist das Symposion, das jeweils sehr unterschiedlich gemalt wird: In Ode 1,6 sind die Teilnehmer als virgines und iuvenes spezifiziert, in Ode 4,15 als proles und matronae. Hier spielt die Veränderung in den literarischen Themen und damit den literarischen Vorbildern eine Rolle: Waren es in der ersten Odensammlung deutlich die monodischen Dichter (vgl. carm. 1,1), ist es, spätestens nach dem Carmen Saeculare, für das vierte Buch vielmehr auch die Chorlyrik. Horaz hatte einmal Putnam (1986), 267-270, zeigt den Einfluss auf, den – neben Kallimachos und Vergil – Properz auf den Wortlaut dieser recusatio ausübte. 197 Die proelia virgininum des carm. 1,6 sind durch wirkliche proelia (4,15,1) ersetzt worden. Auf gewisse Weise kommt Erotisches mit hinein, wenn man das vorletzte Wort des vierten Buches betrachtet: Veneris. Damit schließt sich gleichsam das vierte Buch, das mit einer Apostrophe an Venus begonnen hat. 196

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die Rolle eines Pindar einnehmen können, und das prägt für die weitere Dichtung (vgl. carm. 4,2; 4,6). Doch mit more patrum bezieht er sich nicht auf die archaische griechische Lyrik, sondern auf die carmina convivalia (vgl. 2.5.1). Diese Tradition war über Ciceros Vermittlung wohlbekannt. more patrum – ist das ein Ausdruck, den Horaz in den Dienst der augusteischen Restaurationspolitik stellt? Hat ihn sein neuer Auftraggeber soweit beeinflusst, dass meta-sympotische Lyrik Graeco more nicht mehr möglich ist? Jedenfalls ist in diesem Buch die Ode an Maecenas (carm. 4,11) die einzige, die an viele Gedichte der ersten Sammlung erinnert. Hier hingegen wird das traditionell römische convivium evoziert (cum prole matronisque nostris, ... tibiis). Murray äußert interessante Vermutungen zur Stellung dieser Ode: Sie sei eigentlich als Proöm für das vierte Buch geplant gewesen, was zeige, dass Horaz zumindest für einen Moment vorgehabt haben könnte, eine römischere Art des convivium und meta-sympotischer Dichtung wiederzuerschaffen und dass sich Lyrik durch den mos maiorum und den Kontext des convivium rechtfertigen konnte198. Ich sehe noch eine andere Möglichkeit, das Futur canemus zu erklären, das am Ende eines Buches zwar Fragen aufwirft, aber überhaupt nicht fehl am Platze ist. Nach dem Abschluss der Odensammlung kann Horaz eigentlich nicht mehr für sich sprechen. Der Plural kann damit begründet werden, dass Horaz hier von „wir Römer“ spricht199, wobei seine eigene Person jedoch nicht ganz untergeht: er selbst als Dichter zusammen mit seinem Publikum. Schließlich ist er es gewesen, der sympotische Dichtung, wenn auch unter ganz anderen Voraussetzungen – nämlich ohne das eigentliche Symposion als Dichtungsinstitution – mit römischen Inhalten gefüllt hat. Somit hat er wieder an die alte Tradition römischer Tafelgesänge mit ihren Themen angeknüpft (Troiam et Anchisen et almae / progeniem Veneris canemus). Er ist, so die Argumentation dieser Ode, Verkünder einer neuen alten Tradition. Horaz endet nicht Vgl. Murray (1985), 92. Vgl. Putnam (1986), 273f. Außerdem besteht die Möglichkeit, canemus als Analogie zum chorlyrischen Futur wie in der Dichtung Pindars zu erklären: Der Fiktion nach kann man sich also auch einen Vortrag vorstellen, in dessen Verlauf das Futur realisiert wird. Vgl. Ausführungen zu solchen Phänomenen in Pindar in: pfeijffer, I.L.: Three Aeginetan Odes of Pindar. A Commentary on Nemean V, Nemean III, & Pythian VIII, Leiden 1999, besonders 248. 198 199

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mit einem griechischen Symposion, sondern mit einer römischen cena und der dazu passenden Dichtung, womit allerdings überhaupt nichts über eine reale Revitalisierung der carmina convivalia in Rom ausgesagt ist. Grundlage dafür ist der Frieden, den Augustus gebracht hat. Der springende Punkt der Ode liegt in der ins Leere laufenden recusatio: Diese Pose, so typisch vor allem für Elegiker, ist nicht mehr nötig: Man muss nicht mehr von Krieg singen, die alte recusatio-Topik ist überholt. Jetzt kann auch ein Dichter, der Elemente der Liebeselegie in seine Poesie aufnimmt, von Frieden singen. So kann die Odensammlung gut ausklingen – mit einem Lob auf die Friedenszeit des Augustus, ohne dabei seine eigene poetische Einstellung völlig zu ändern, sondern den neuen Bedingungen anzupassen: Horaz’ Lyrik endet mit einer Verkündung sympotischer Dichtung römischer Tradition.

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5.

Schlussfolgerungen

Horaz rezipiert, erklärtermaßen in der Nachfolge der frühgriechischen Dichter (carm. 1,1, 35 quodsi me lyricis vatibus�������� inseres; carm. 4,9)���������������������������� jegliche „Gelegenheitsdichtung”, also Dichtung mit einem konkreten Anlass. Damit revitalisiert er sympotische Dichtung – Dichtung, die auf dem Symposion ihren genuinen Ort hatte – als Ganzes: Es gibt „Elegien“, „Trinklieder“ – und „Kampflieder“, wenn man sie mit der traditionellen Terminologie benennen möchte. Er ������������������������������� kann in seiner spezifischen Kommunikationssituation gerade ����������������������������������������������� diese Dichtung gewinnbringend für sich nutzen. Die meta-sympotischen Elemente fließen deshalb umso mehr in die Dichtung hinein, weil sie außerhalb der Dichtung nicht existierten, also weil Horaz als Dichter nicht die Möglichkeit hatte, eben „Elegien“, „Trinklieder“ und „Kampflieder“ institutionell auf Symposia vorzutragen. Die Oden sind, der Buchchronologie folgend und um die passenden meta-sympotischen Epoden erweitert, nach verschiedenen Gesichtpunkten hin untersucht worden. Es ist gezeigt worden, dass Horaz es narratologisch versteht, für die verschiedenen Adressatenkreise meta-sympotische Lyrik attraktiv zu nutzen, und auch, warum diese Dichtung mit den Adaptationen für ihn als Dichter so nutzbar werden konnte200. Hier sollen nun einige auffällige Aspekte, die sich aus den Einzeluntersuchungen ergeben haben, abschließend noch einmal genauer und systematisch betrachtet werden:

5.1 ������� Poetik des Augenblicks ���� ����������� Es kehren bestimmte Elemente wieder, nämlich das, was sich mit den Worten carpe diem aus carm. 1,11 bis heute als Maxime gehalten hat. Die okkasitionellen Elemente des Ich und Du, des Hier und Jetzt wirken stets deiktisch als Imaginationshinweise für Situationen, die diese Aussage konkretisieren und illustrieren201. Horaz nutzt Wie Horaz selbst seine Definition ständig ein wenig erweitert und revidiert, neue Wege findet und auf neue Situationen reagiert, ist durch die Unterschiedlichkeit der Gedichten mit meta-sympotischen Elementen klar geworden. Dies ist umso verständlicher, als dass man sich klarmachen muss, in welch großer zeitlichen Spanne die Epoden und Oden entstanden sind. 201 Dabei können die Situationen elegisch-erotisch (carm. 1,9; 1,11; 4,11) bis komisch-erotisch (carm. 1,27; 3,19) sein oder den Gegensatz zwischen otium und negotium herausstreichen und 200

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dabei die Anredestruktur seiner griechischen Vorbilder, um Thematiken darin zu verpacken, die ihm wichtig waren, oder andersherum: Diese Anredestruktur bietet eine gewinnbringende Form, um die Inhalte wirksam zu machen. Schon das sympotische Bild allein also bringt Gegenwart zum Ausdruck, die gesamte sympotische Situation und die Worte ergänzen sich202 . Eine reine carpe-diem-Lyrik ohne einen konkreten Kontext wäre nur halb so wirksam. Kurzum: Traditionelle Form und Aussage passen gut zusammen. Man muss nicht auf einem Symposion zu sein, damit die Augenblicklichkeit wirkt, aber sie muss gut suggeriert werden. Hätte Horaz die Oden und Epoden so gestaltet, dass sie nur aus ihrem Entstehungsanlass heraus und für die namentlich erwähnten Adressaten verständlich wären, hätte seine Lyrik nicht ihre Wirkungskraft in der Rezeption erhalten. Die verschiedenen sprachlichen und stilistischen Mittel, mit denen Horaz arbeitet, um die Poetik des Augenblicks für alle, auch für den anonymen Leser, zu transportieren, wurden bei der Einzeluntersuchung jeweils erwähnt (s. die Begriffe: carpe-diem-Konkretisierung, Deixis am Phantasma, Anrede / Apostrophe, Wetterund Landschaftsmotivik, literarische Motti).

5.2 ����������������������������� Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft ������� Was zunächst als unvereinbar mit der eben ausgeführten Poetik des Augenblicks erscheint, ergibt aber ein gewinnbringendes Spannungsfeld für die Dichtung des Horaz. Denn meta-sympotische Dichtung spielt nicht nur in privatem Rahmen zum Genuss der Gegenwart eine Rolle. Gerade die Abgrenzung des privaten und öffentlichen Lebens wird oftmals verwischt. Denn erscheint die persona loquens durch ihre Ich-Äußerung als gegenwärtig („timeless present“203 der Dichterstimme), muss nicht alles, was sie sagt, sich auf die Gegenwart beziehen: Erinnerungen an die Vergangenheit können in der dichterischen Äußerung zur Aufforderung für die Zukunft damit enkomiastisch für die Adressaten wirksam werden (carm. 1,7; 2,11; 3,8; 3,29). Weiteres s.u. 202 Oft wurde die Augenblicklichkeit auch verbalisiert: nunc, dum licet, dum potes, dumque virent genua / et decet. Der bange Blick in die Zukunft wird verboten: quid sit futurum cras, fuge quaerere (carm. 1,9, 13). 203 Culler (1981), 149.

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werden, was sich beispielsweise mit der großen Zahl der Paränesen belegen lässt. So können private wie öffentlich-politische Anlässe Gründe für Symposia sein. Spricht Culler 204 von den apostrophischen und den narrativen Anteilen von Lyrik, bedeutet das angewendet auf Horaz Folgendes: In einigen Oden flicht er Erinnerungen, mythische exempla und vergangene Geschehnisse mit ein (z.B. epod.13; carm. 1,9; carm. 1,37; 2,7), die ein mehr oder weniger ausgeprägtes narratives Moment besitzen. So findet Vergangenheit Einzug, die Konsequenzen für die „Zukunft“ hat. Mit der Vergangenheit verbunden öffnet Horaz die römische Lyrik für enkomiastische Einschübe, da es unter anderem erfreuliche politische Ereignisse205 sind, die Anlässe für Symposia darstellen. Aus der entsprechenden Wichtigkeit der Ereignisse ergibt sich auch der Rahmen des Festes: carm. 3,14 beispielsweise bringt noch das öffentliche Zeremoniell mit hinein, das dann erst im zweiten Teil zum privaten Fest wird. Der gewichtige Rahmen fordert ein anderes Setting als das Symposion, das nur in früher griechischer Zeit zugleich Ort der Feier und Ort der Politik war, und eben Ort der Dichtung, die beides spiegelte. Jetzt, wo das Symposion in den privaten Rahmen, große politische Ereignisse aber in die Öffentlichkeit gehören, muss es dann gegebenenfalls sogar zu einer Trennung der Schauplätze des Gedichtes kommen. In einem anderen Teil der Oden verbleibt Horaz gänzlich in einer gegenwärtigen Gedichtsituation (carm. 1,11; 1,27; 1,38; 3,19). Nach den vorausgegangenen Überlegungen erscheint es nicht erstaunlich, dass die Oden, denen ein direkte Adressierung an eine reale Persönlichkeit fehlt, für die es also keinen aus dem Gedicht heraus sichtbaren Anlass des Symposions gibt (oder geschickt eingewoben ist wie in carm. 3, 19), gleichsam rein apostrophisch sind. Auffällig ist, dass in diesen Oden eine erotische Komponente206 offensichtlich ist oder zumindest vermutet werden kann und Ebd. 149-152. Daneben gibt es auch einige Feste, deren Anlass ganz im Privaten bleibt, wie das jährliche Rettungsfest vor dem gestürzten Baum, oder Feste, die zwischen privat und öffentlich stehen, wie das Rückkehrfest des Numida, da erst Augustus eine Rückkehr ermöglicht hat. 206 In den Oden 1,4 und 3,28 dominiert das erotische Moment vor dem sympotischen und sind deshalb hier nicht einzeln untersucht worden. Sie besitzen aber bestimmte Elemente, die sich mit den herausgearbeiteten Charakteristiken meta-sympotischer Dichtung bei Horaz decken (v.a. carm. 1,11 und 4,11). So finden sich in carm. 1,4 ein Jahreszeitenwechsel, die Betonung des nunc und die daraus resultierenden Maxime zum Genuss des Augenblicks. Eine ausführliche Einzelinterpretation bietet die Monographie von Mondin, L.: L’ode I,4 di Orazio 204 205

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dass nicht klar ist (außer in carm. 3,19), wie viele Teilnehmer anwesend sind oder ob es sich vielleicht nur um ein Weintrinken zu zweit handelt. Zum Teil (v.a. carm. 1,27 und 3,19) kommt bei diesen Gedichten eine andere Charakteristik hinzu, die in den Oden mit narrativem Anteil nicht vorkommt: Sie tragen stark dialogische bis hin zu mimetischen Zügen. Die fehlende reale Bindung ermöglicht einen größeren Raum ausschweifender Imagination, die bis ins Komische geht. Festzuhalten bleibt, dass in den vollkommen gegenwartsbezogenen Oden der Genuss des Augenblicks ganz im Vordergrund steht und damit mit der Programmatik von carm. 1,6 im strengen Sinne übereinstimmt. Theoretisch wäre es möglich gewesen, reale Anlässe aus einer solchen dialogischen Situation heraus zu berichten, und Horaz erzählt auch in carm. 1,37 aus einer klar sympotischen „Gegenwart“ heraus. Dieses Element nimmt aber (vgl. Einzelinterpretation) einen geringen Anteil ein, wohl weil ein Abdriften in komödienhafte Sphären dem Anlass nicht gerecht geworden wäre. Häufiger als die Schilderung sympotischer Gegenwart und dann Erzählung von Vergangenheit findet sich aber die Erinnerung an Vergangenheit und daraus abgeleitet die sympotische Paränese für die Zukunft. Zur Untersuchung der Zeitstruktur bei Horaz hat Reinhart Herzog einen Anstoß gegeben, der zu dem Ergebnis kam: „Das Zeit gef ü ge der hora zischen Ode ist n icht das sei ner f i ng ier ten Rea l it ät ; die Verschränkung von Futur und Präteritum verweist auf das verborgene ‚Präsens‘ des lyrischen Sprechens selbst; die Verwerfung zwischen situativer Geschlossenheit und temporaler Lyrik verweisen auf den ‚zweiten’ Adressaten: den Leser als Partner des sprechenden Dichters.“207 Wie sehr die verschieden ‚ersten’ Adressaten dabei auf die Struktur der Oden gewirkt haben, wurde in den Einzeluntersuchungen bereits aufgezeigt.

tra modelli e struttura, Neapel 1997. Zu carm. 3,28 s. die guten Ausführungen in Pöschl, V.: Horazische Lyrik, Interpretationen, 2. erw. Aufage, Heidelberg 1991. 207 Herzog, R.: „Augusteische Erfüllung zwischen Vergangenheit und Zukunft. Eine Retraktation der politischen Lyrik des Horaz“, in: Binder, G.: Saeculum Augustum II. Religion und Literatur, Darmstadt 1988, 314-342, hier 337.

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Die Funktionalität der meta-sympotischen Dichtung des Horaz in Bezug auf die Integration verschiedener Zeiten macht neugierig, nach der Festrealität in der Zeit nach dem Bürgerkrieg zu fragen. Dass das Symposion auch in der Wirklichkeit als verbindendes Moment angesehen wurde – man trank in Kriegszeiten zusammen, jetzt trinkt man in Friedenszeiten zusammen und blickt auf eine gemeinsame, noch nicht allzu ferne Vergangenheit zurück – erscheint auf der Folie der Dichtung jedenfalls nicht abwegig.

5.3 ������������� Verschiedene personae des ��������� ��������� Horaz Je nach Eigenart und Intention des dargestellten Symposion nimmt Horaz eine oder mehrere verschiedene personae loquentes an, die sich teilweise überlagern.

5.3.1 ��������������� Symposiast und amator Wie in 5.2 bei der Behandlung der in der zeitlosen Gegenwart verhafteten Gedichten bereits erläutert, findet sich auch eine Horaz-persona, die ganz aus dem Anlass heraus spricht, als Symposiarch oder einfacher teilnehmender Sympot, als amator oder jemand, der von den amores anderer erfahren möchte (carm. 1,27). Doch nur selten bleibt es auf dieser rein literarischen Ebene.

5.3.2 ��������� Philosoph Häufig dient das sympotische Bild als lebensweltliche Konkretisierung des carpediem-Komplexes. Damit spielt eine gewisse lebensphilosophische Grundhaltung mit hinein, ohne dass man aber jeden gedichtinternen Rat, z.B. über das Maß des Trinkens, zu wörtlich nehmen darf. Dennoch lässt sich eine epikureische Grundhaltung erkennen208.

5.3.3 amicus Horaz streicht in einigen Oden sein persönliches Verhältnis zum Anlass und zum Adressaten heraus. Aus carm. 2,7 spricht Freude über die Rückkehr des Pompeius, in Vgl. Edmunds (1992), 61-65.

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carm. 3,8 stellt er die amicitia deutlich heraus, carm. 3,21 suggeriert freundschaftliche Nähe zu Messalla über den ungezwungenen, ironischen Ton. In manche Oden kommt die Beziehung von Patron und Klient mit hinein: Das Verhältnis wird durch die Anredeform stilisiert (3,29) oder anders sprachlich zum Ausdruck gebracht (3,21,7: Corvino iubente). Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Oden an Maecenas. Dort fällt auf, wie sehr sich Horaz im Vergleich mit Maecenas defininiert und umgekehrt. Anlässe sind Genesung, Geburtstag und Rettungsfest. Diese privaten Anlässe nimmt Horaz, um an ihnen sein persönliches Verhältnis mit Maecenas abzubilden. Wie in 2.5.3 und im dritten Kapitel bereits angedeutet, bietet sich eine „sympotische Maske“ an, um die Realität der literarischen Kommunikationssituation des Horaz abzubilden209. Eine Antwort auf die Frage, warum Horaz eine Vorliebe für meta-sympotische Gedichte hat, liegt sicherlich darin begründet. Horaz treibt ein literarisches Spiel mit seiner sodalitas, dem Maecenaskreis, in dem ironische und persönliche Töne nicht fehlen. Horaz ergreift eine Tradition, die öffentlich sehr eingebunden ist (vgl. 2.1) und personalisiert sie auf gewisse Weise, indem er ein privates Verhältnis zum Thema macht. Horaz rezipierte gerade dieses Potenzial meta-sympotischer Lyrik – wobei rezipieren vielleicht das falsche Wort ist, denn in der komplexen Form war diese Art von Dichtung ja noch nicht gebraucht worden – und erweitert damit die Funktion metasympotischer Dichtung210. Das intellektuelle Spiel wird ermöglicht aus der gemeinsamen Erfahrungswelt (Leben) und Leseerfahrung (Literaturtradition) des Maecenaskreises.

Der Begriff „Maske“ muss nicht bedeuten, dass durch die Literarisierung Dinge überdeckt und versteckt werden. Im Gegenteil wird durch die Literarisierung das hierarchische Verhältnis Patron und Klient zwischen Maecenas und Horaz auf der Gedichtoberfläche sogar überbetont. 210 Die Neoteriker hatten mit kallimacheischen Idealen ihren elitären Anspruch ausgedrückt; Horaz geht noch einen Schritt weiter und formt eine neue avantgardistische Form, in der er noch weiter als in die hellenistische Zeit zurückgreift und archaische Lyrik zum Spiegel des neuen literarischen Kreises macht. Während manchmal typisch hellenistische Stil- und Literaturkritik (beispielsweise in den recusationes) durchklingt, verlässt Horaz, in Anknüpfung an die archäische griechische Lyrik, den rein privaten Raum, s. 5.3.2 und 5.3.4. 209

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5.3.4 vates Zum anderen folgt Horaz auch einem anderen Strang der sympotischen griechischen Dichtung, der politische und öffentliche Ereignisse einschloss (vgl. Alkaios). Diese Dimension war im Hellenismus abhanden gekommen, wird durch den Rückgriff auf die frühe griechische Lyrik aber wieder gewonnen. Was manchen als Gegensatz erschien und einige sogar veranlasste, Oden aufgrund ihres verschiedenen Settings teilen zu wollen (vgl. Diskussionen um carm. 3,14), ist aber der Tradition gemäß Teil sympotischer Dichtung und daher auch in Horazens meta-sympotischen Gedichten anzutreffen211. Natürlich haben Selbstdarstellungen des Horaz in den recusatio-Gedichten dazu beigetragen, Horaz in einem diffizilen Verhältnis zur Öffentlichkeit und damit zur politischen Dichtung zu sehen. Die carmina 1,6 und 1,7 sowie carmen 1,38 haben gezeigt, dass sich Horaz zwar als erotisch-sympotischen Dichter definiert, der vor allem Privates bedichtet 212; wie sich diese Definition, die ohnehin stets nicht allzu streng zu verstehen ist, durch die Oden hindurch ständig erweitert, haben die Einzelanalysen gezeigt. Das Traditionsgeflecht, in das sich Horaz einreiht, ergibt, dass er sich in Gedichten, die unterschiedliche thematische Schwerpunkte haben, der Anklänge an verschiedene Vorläufer bedient. Nicht alle Gedichte, ja sogar die wenigsten, sind rein metasympotisch und beziehen sich nur auf die Tradition meta-sympotischer Dichtung.

5.3.5 ������� Dichter Verschiedene personae treten in verschiedenen Situationen auf und sprechen daher von unterschiedlichen Themen, privaten wie öffentlichen (s.o.). Symposia sind aber neben dem Inhalt der Dichtung auch Aussagen über die Dichtung. Viele meta-sympotische Oden stehen an prominenter Stelle im Buch und verkünden (z.B. carm. 1,6 und, wenn auch sehr speziell, carm. 4,15) oder konstatieren den sympotischen Man nimmt heute außerdem an, dass auch in der archaischen griechischen Lyrik die Ansprache an die Bürger in vielen Fällen nicht Anzeichen von Performance vor der Gemeinschaft ist, sondern in sympotischen Kreis vorgetragen wurde, vgl. Citroni (1995), 268. 212 Horaz folgt verschiedenen Einflüssen. Wie im dritten Kapitel dargelegt, ist es auch die alexandrinische Buchkultur und damit die alexandrinische Literaturkritik, denen Horaz ausgeliefert ist. 211

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Charakter der Dichtung. Sie stehen auch in Zusammenhang mit poetologisch ausgerichteten Oden oder sind selbst poetologisch aufzufassen (s. carm. 1,38). Häufig äußert sich daher Horaz nicht nur über sympotische Dichtung als thematischer Ausrichtung, sondern nutzt sympotische Bilder, um von der konkreten Bedeutung weg – beispielsweise der der corona – hin zu einer umfassenden Selbstdefinition als Dichter zu gelangen.

5.4 ���� Die Revitalisierung (meta-)sympotischer Dichtung durch ���������������� �������������������� ��������� ����������� Horaz Es wurden nur die Gedichte untersucht, in denen meta-sympotische Elemente enthalten waren. Dass die Zahl dieser Gedichte so groß ist, zeigt die Funktionalität solcher Elemente. Es gibt noch viele weitere Gedichte, die man sich, einmal auf den sympotischen Charakter aufmerksam geworden, gut vor sympotischem Hintergrund vorstellen könnte, was sicherlich an der Literaturtradition liegt, der Horaz folgt. Doch gerade in den meta-sympotischen Oden und in deren Vorläufern in den Epoden schafft Horaz etwas Neues und geht damit über das hinaus, was Williams bei Dichtern nach der klassischen griechischen Zeit beobachtet: „Since poets now had no function in society, nothing specific, as it were, to do, they had to create their own tasks for themselves; and here they took a step which was decisive für the later development of Greek and Roman poetry. ... They took the forms of poetry, which for the earliest poets had represented the shapes imposed on their poems by actual performance, and used them as moulds which could shape and even suggest their own poetic ideas. I n doi n g t h is, t hey t reated t he rel at ionsh ip to rea l occasions as a pa r t of convent ion: so ... t hey w rote sy mposi ast ic poet r y, w it hout h av i n g a ny rea l d r i n k i n g -pa r t y i n m i nd“213 (m. Herv.) Denn Horaz stellt sich die Symposia, die er erdichtet, auf eine Art sehr wohl vor: Das sympotische Bild muss wirken, es ist nicht nur Teil einer literarischen Konvention (s. Zitat), sondern konstituiert dichterische Wirklichkeit. Wie funktionell diese ist, ist an ihren vielschichtigen Funktionen deutlich geworden. Natürlich geht Einiges auf Williams, G.: Tradition and Originality in Roman Poetry, Oxford 1968, 35

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Konvention zurück, doch diese Tradition wird „vital“, und damit füllt er, um in der Terminologie von Cairns zu sprechen, eine „tote Gattung“214 mit neuem Leben. Dass es gerade das Symposion ist, das das Setting für eine Großzahl der Oden liefert, ist dabei nicht verwunderlich. Zwar konnte es nur unter anderem ein literarischer Vorführort für Dichter in Rom sein – andere Aufführungsarten und -orte waren häufiger und außerdem gab es nicht viel geeignete Dichtung dafür (vgl. 2.5) – aber das convivium gehörte im römischen Leben zum festen Bestandteil verschiedener Anlässe. Dass die Dichtung des Horaz auch Auswirkungen auf die zeitgenössischen Symposia hat, bezeugt seine Klage über Nachahmer, die sich bei Festen Kränze aufsetzten und Verse von sich gaben (epist. 1,19,10f., epist. 2,1,108ff.). Sie haben die Bildlichkeit seiner meta-sympotischen Dichtung und meta-sympotischer Dichtung nicht verstanden (epist. 1,19, 1-8). Gerade die mimetischen meta-sympotischen Elemente nun machen es unwahrscheinlich, dass die Dichtung des Horaz für ein jeweils spezielles Symposion geschrieben und dort dann aufgeführt wurde. Dass sie gelegentlich „öffentlich“ vorgetragen wurde, im Kreise des Maecenas zumal 215, muss nicht par tout verneint werden, da das so genannte Auditorium des Maecenas Treffen zu Vortragszwecken auch erotisch-sympotischer Themen nahe legt (s. das Graffiti Kallimachos Pf. 42 an der Außenwand). Aber das beweist nicht, dass es „an elaborated setting for literary symposia“216 war – jedenfalls wenn man Symposion im griechischen Sinne versteht. Das Auditorium ist nicht wie ein triclinium aufgebaut, nichts weist auf lecti hin, ganz im Gegenteil gibt es sieben Sitzreihen. Es war daher wohl reiner Rezitationsort – die räumliche Trennung von Essen / Trinken und Literatur ist deutlich. Wenn Horaz über Symposia schreibt, also Meta-Symposia dichtet, dann sind sie in der Tat Fiktion und wurden für kein Symposion gedichtet – es sei denn, man wollte den Begriff des Symposion als Bezeichnung für den Ort der Diskussion erweitern. Cairns (1985), 90: „So alongside the living genre we must expect to find the dead genre, surviving as artistic form without context, as memory pattern.“ 215 Vgl. Lefèvre, E.: „Waren horazische Gedichte zum ‚öffentlichen’ Vortrag bestimmt?“, in: Vogt-Spira, G. (Hrsg.): Beiträge zur mündlichen Kultur der Römer (ScriptOralia A 47), Tübingen 1993, 143-158, der aber zu weit geht. 216 Murray (1985), 95. 214

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5.5 ���� Der Genuss des Rezipienten ������� ���� ����������� Das Potential, das meta-sympotische Dichtung für Horaz im Umgang mit seinen Zeitgenossen hatte, dürfte nun hinreichend klar sein. Liebermann hat betont, dass „das Symposion zu einem Symposion aller Lesekundigen geworden“217 sei. Die Interpretation der Meta-Symposia des Horaz nach Barthes218 auf ein reines „plaisir du text“ zu reduzieren, griffe erwiesenermaßen zu kurz. Doch sie bietet eine Erklärung für die breite Rezeption der horazischen Lyrik bis in die heutige Zeit. Fitzgerald219 kommt auf der Grundlage von Barthes zu einer interessanten Einzelanalyse der Ode 3,30, geht dabei aber nicht ins Allgemeine. Tut man dies, kommt man zu folgender Schlussfolgerung: Gerade das Symposion bietet für den Rezipienten eine Vielzahl von angenehmen Effekten auf Textebene. Horaz beschreibt luxuriöse Beigaben und spricht dabei mitunter alle Sinne an (carm. 2,11), er preist den Weingenuss und teilt ihn dadurch mit allen Adressaten. Liest man dann gewisse Oden poetologisch, fordert uns Horaz nicht nur zum Genießen des Augenblicks (carpe-diem), sondern auch zum Genuss seiner Dichtung („carpe-carmina“) auf. Gerade wiederholtes Lesen eröffnet die Vielschichtigkeit der Lyrik. Wie in anderen Gattungen – bei Horaz in den Satiren – ganz andere Momente des convivium verwendet werden, erhellt im Kontrast die gattungsspezifische und –funktionelle Auswahl der meta-sympotischen Elemente, die Horaz für die Epoden, aber vor allem für die Oden verwendet 220. Abschließend bleibt festzuhalten, dass Horaz durch die Transformation der griechischen sympotischen Dichtung mit der meta-sympotischen Lyrik eine für die römische Literatur neue Gattung der Lyrik erschafft, die sowohl ästhetischen Maßstäben wie realen Bedingungen durch ihre Vielschichtigkeit Rechnung trägt. Liebermann (1998), 123. Barthes, R.: Die Lust am Text, Frankfurt / M. 1974; vgl. besonders 86. 219 Fitzgerald, W.: „Horace, Pleasure and the Text“, in: Anderson (1999), 105-116. 220 Vgl. Gowers (1993), v.a. Kapitel 3: „Black Pudding: Roman Satire (Horace, Persius, Juvenal)“, 109-219. Dies., 46: „Once again, the hierarchy of genres seems to be decisive: the lower down the literary scale we go, the less inappropriate the comparison [with alimentary, m.Anm.] seems to be, or the less it seems to matter. In the Odes, for example, Horace’s slender style can only be represented by ethereal wine and light rustic vegetables; in the Satires, he portrays himself as a much more sophisticated and dubious cook.“ 217 218

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