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German Pages 192 [196] Year 2005
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Die Macht des Silbers Karolingische Schätze im Norden
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Das Fränkische Reich und der Norden im 9. Jahrhundert
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Sonderdruck aus
Egon Wamers
Die Macht des Silbers Karolingische Schätze im Norden
Katalog zur Ausstellung im Archäologischen Museum Frankfurt und im Dom-Museum Hildesheim
in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen
Herausgegeben von Egon Wamers und Michael Brandt
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Umschlagmotiv: König Karl der Kahle. Widmungsbild in der Vivian-Bibel, Bibl. Nat. Paris, lat. 1, fol. 423r, Ausschnitt (Tours, 845–846); Ranke von der Rückseite der Riemenzunge von Notmark, Dänemark (Katalog 30)
Ausstellung in Frankfurt am Main: 25. Februar bis 24. Juli 2005 Ausstellung in Hildesheim: 31. Juli bis 11. Dezember 2005
Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
1. Auflage 2005 © 2005 Verlag Schnell & Steiner GmbH und Autoren, Leibnizstraße 13, 93055 Regensburg Umschlaggestaltung: Eike Quednau Layout: Schnell & Steiner, Regensburg Satz, Litho, Druck: Erhardi Druck GmbH, Regensburg Broschur-Ausgabe: ISBN 3-7954-1750-3 Hardcover-Ausgabe: ISBN 3-7954-1725-2 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fototechnischem oder elektronischem Weg zu vervielfältigen. Weitere Informationen zum Verlagsprogramm erhalten Sie unter: www.schnell-und-steiner.de
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Ausstellung Konzeption: Egon Wamers, Michael Brandt Gestaltung: Eike Quednau
Verwaltung: Monika Illemann Konservatorische Betreuung: Uwe Schuchardt, Ingrid Töllner Aufbau: Martina Borowsky, Margret Lustig
Präsentation Frankfurt
Katalog
Leitung: Egon Wamers
Herausgeber: Egon Wamers, Michael Brandt
Architektur: Eike Quednau
Autoren: Michael Brandt, Torsten Capelle, Klaus Grewe, Egge Knol, Henrik Schilling, Egon Wamers
Technische Detailplanung: Franz Martin Ausstellungsbüro: Eveline Grönke, Sybille Lorenz Verwaltung: Nicole Fallert Konservatorische Betreuung: Monika Bürgermaier, Sigrid Diedrich, Thomas Flügen, Sigrun Martins Aufbau: Zoran Benkovic, Franz Martin, Wilhelm Wecker
Präsentation Hildesheim Leitung: Michael Brandt Architektur: Karl Bernhard Kruse, Uwe Schuchardt, in Zusammenarbeit mit der Bauabteilung des Bischöflichen Generalvikariates Hildesheim Ausstellungsbüro: Claudia Höhl, Gerhard Lutz
Gestalterisches Konzept und Grafiken: Eike Quednau Redaktion: Eveline Grönke, Egon Wamers Übersetzungen: Catharina Netty Steffann (aus dem Niederländischen) Egon Wamers (aus dem Dänischen) Graphische Gestaltung: Verlag Schnell und Steiner GmbH
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Leihgeber Deutschland Aachen, Domschatzkammer Berlin, Deutsches Historisches Museum Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett Darmstadt, Hessisches Landesmuseum Frankfurt am Main, Archäologisches Museum Frankfurt Hildesheim, Dom-Museum Hildesheim Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Ellwangen, Katholische Pfarrkirche St. Vitus Mainz, Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Abt. Archäologische Denkmalpflege Mainz, Rheinisches Landesmuseum Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Wiesbaden, Museum Wiesbaden Oldenburg, Stiftung Oldenburgischer Kulturbesitz Schleswig, Archäologisches Landesmuseum der Universität Kiel Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Dänemark Kopenhagen, Nationalmuseet Frankreich Paris, Musée National du Moyen Age Paris – thermes et hôtel de Cluny Kroatien Split, Muzej Hrvatskih Arheoloskih Spomenika Niederlande Groningen, Groninger Museum Maastricht, Stichting Schatkamer Sint Servaas Schweden Lund, Lunds Universitets Historiska Museum Tschechische Republik Prag, Národní muzeum Der Ausstellung gewährten Rat und Unterstützung: Dr. Frank Berger, Frankfurt am Main Prälat Karl Bernert, Hildesheim Bernhard Blecker, Harsum Prof. Dr. Martin Blindheim, Oslo Dr. Michael Brandt, Oldenburg Mirjam Brandt, Hamburg Stadtrat Hans-Dieter Bürger, Frankfurt am Main Prof. Dr. Torsten Capelle, Münster Hampus Cinthio, Lund Dr. Falko Daim, Mainz Christine Descatoire, Paris Dr. Konrad Deufel, Hildesheim Prof. Dr. Hans Drescher, Hamburg Prof. Dr. Klaus Düwel, Göttingen Prof. Dr. Victor H. Elbern, Berlin Prof. Oskar Emmenegger, Zizers Dr. Peter Fasold, Frankfurt am Main Günter Fröchtling, Hildesheim Prof. Dr. Thomas W. Gaethgens, Paris Dr. Klaus Grewe, Ingelheim Prof. Dr. G. Ulrich Großmann, Nürnberg Thomas Hagenhoff, Hildesheim Mgr. Martina Halata, Prag Dr. Hubertus Haller, Hildesheim Prof. Dr. Birgitta Hårdh, Lund Msgr. Patriz Hauser, Ellwangen Dr. Birgit Heide, Mainz Dr. Volker Hilberg, Schleswig Sylvia Hoffmann, Berlin Bernd Hoppe, Hildesheim Viviane Huchard, Paris Rune Ingels, Porsgrunn Jørgen Steen Jensen, Kopenhagen
Dr. Lars Jørgensen, Kopenhagen Roger Jørgensen, Tromsø Ignaz Jung-Lundberg, Hildesheim Dr. Theo Jülich, Darmstadt Norbert Kesseler, Hildesheim Gilden Keunecke, Hildesheim Thomas Kind M.A., Frankfurt am Main Dr. Margot Klee, Wiesbaden Dr. Ulrich Klein, Stuttgart Prof. Dr. Bernd Kluge, Berlin Dr. Egge Knol, Groningen Hans-Jochen König, Kronberg Weihbischof Hans-Georg Koitz, Hildesheim Dr. Hans-Jürgen Krane, Hildesheim Dr. Beatrice La Farge, Frankfurt am Main Carsten U. Larsen, Kopenhagen Marieke van Loenhout, Groningen Dr. Michael Lukas, Hildesheim Dr. Gerhard Lutz, Hildesheim Dr. Birgit Maixner M.A., Kiel Jürgen Maleu, Hildesheim Francesca Marchiloi, Frankfurt am Main Caspar Martens, Groningen Ingegerd Marxen, Lyngby F. M. J. Mennens, Maastricht Jeannine Mercier, Paris Dr. Petra Meschede, Hildesheim Mgr. Jirí Militky, Prag Ante Milosˇevic, Split DR. Georg Minkenberg, Aachen Gertraud Mockel, Aachen Anton Neugebauer, Mainz Dr. Hans-Bernhard Nordhoff, Frankfurt am Main Prof. Dr. Hans Ottomeyer, Berlin Nina Passon M.A., Mainz Prof. Dr. Volker Rattemeyer, Wiesbaden Heid Gjøstein Resi, Oslo Petra Roth, Frankfurt am Main Dr. Gerd Rupprecht, Mainz PhDr. Pavel Sankot, Prag Norbert Schäfers, Münster Henrik Schilling, Sabro Dr. Edith Schipper, München Dr. Konrad Schneider, Frankfurt am Main Dr. Mechthild Schulze-Dörrlamm, Mainz Prof. Dr. Peter-Klaus Schuster, Berlin Prof. Dr. Peter Springer, Oldenburg Dr. Tobias Springer, Nürnberg Prof. Dr. Heiko Steuer, Freiburg i.Br. Prof. Dr. Christoph Stiegemann, Paderborn Mgr. Marek Suchy, Prag Dr. Werner Taegert, Bamberg P. Sigismund Tagage, Maastricht Dr. Florian Téreygeol, Gif-sur-Yvette Prof. Dr. Frans C. W. J. Theuws, Amsterdam Jürgen Twardzik, Hildesheim Kees van Twist, Groningen Dr. Ingrid Ulbricht, Schleswig Diakon Wolfgang Urban, Rottenburg Dr. Guus van den Hout, Utrecht Prof. Dr. Claus von Carnap-Bornheim, Schleswig Dr. Albrecht Weiland, Regensburg Dr. Ralf Wiechmann, Hamburg Dr. Edith Welker †, Neu-Isenburg Dr. Rolf Wohlgemuth, Münster Generalkonsul Jan Zaadhof, Frankfurt am Main Die Ausstellung wird gefördert durch: Creativ GbR, Bad Honnef Dezernat Kultur und Freizeit, Frankfurt am Main Erdgas Münster GmbH Historisch-Archäologische Gesellschaft Frankfurt am Main e.V. Yara International ASA, Norwegen Bistum Hildesheim Friedrich Weinhagen Stiftung Landschaftsverband Hildesheim e.V. Sparkasse Hildesheim
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Inhalt
Vorwort 9
Silber in der Antike 11 Egon Wamers
Rohstoff der Macht – Silber in der Karolingerzeit 19 Egon Wamers Renovatio Imperii – Silber für das neue Reich 21 Die neue Währung 23 Der Awarenschatz – ein „Krieg für Silber“ 29 Schätze von König, Adel und Kirche 31
Insignien der Macht 35 Egon Wamers Die Krone 42 Der Thron 43 Das Szepter 48 Armreifen 51 Das Schwert 52 Sporen und Zaumzeug 57 Geistliche Insignien (Michael Brandt) 62
Gold – Epiphanie des Göttlichen und weltliche Macht 73 Egon Wamers
Silber für den Gottesdienst 83 Egon Wamers Liturgisches Gerät 86 Sakrale Gewänder (Michael Brandt) 92 Reliquiare (Michael Brandt) 96 7
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Lockruf des Silbers – Normannen im Fränkischen Reich 105 Ungebetene Gäste (Torsten Capelle) 107 Die Spur des Silbers – fränkisches Beutegut im Norden (Egon Wamers) 112 Gold und Silber aus Marsum – karolingische Schatzfunde in den Niederlanden (Egge Knol) 119
Der Silberschatz von Duesminde 125 Henrik Schilling Die Fundgeschichte 127 Die Zusammensetzung des Schatzes (Egon Wamers) 129 Der Charakter des Schatzes (Egon Wamers) 142 Lolland – das Tor nach Skandinavien 143 Lolland zur Wikingerzeit 144 Der Herr von Vejleby 145 Lolland – ein Kleinkönigtum? 147
Imitatio Imperii – Silber verändert den Norden 149 Egon Wamers Splendor imperii 151 Novus David 153 Stupor Danorum 159 Silber im Norden – die neue Währung 162 Ein dänischer Vasall im Bootkammergrab von Haithabu – fränkisches Hofzeremoniell im Norden 165 „Military Look“ – eine neue Damenmode im Norden 173 Der Gral im Norden – vom Hostienbehältnis zum Ritualgefäß 178
Literatur 183
Abbildungsnachweis 191
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Vorwort
I
mmer wieder überrascht uns die Archäologie mit Aufsehen erregenden Funden und Entdeckungen, die unser Bild von der Alten Welt mit einem Schlag erweitern und verändern. Die Auffindung des sensationellen Wikingerschatzes von Duesminde auf der dänischen Insel Lolland war ein solcher Fall. Im Januar 2002 wurden von Henrik Schilling, damals Kurator des Lolland-Falsters Stiftsmuseum, Nachuntersuchungen am Fundort eines vor vierzig Jahren sporadisch aufgelesenen Hortes von Gold- und Silberringen des späten 9. Jahrhunderts n.Chr. veranlasst. Gefunden wurde indes der bislang reichste Wikingerschatz mit hochkarätigem karolingischem Silberschmuck, insgesamt mehr als 1.300 Gramm. Ein Jahr später vereinbarten der Ausgräber, das Dänische Nationalmuseum in Kopenhagen und das Archäologische Museum in Frankfurt eine gemeinsame sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung und Publikation des Schatzfundes von Duesminde. Die vielfältigen archäologischen und historischen Aspekte dieses erstaunlichen Fundes ließen es zudem geboten erscheinen, diese Untersuchung in ein übergreifendes internationales Forschungsprojekt einfließen zu lassen: „Eliten und Herrschaft in Karolingerzeit und Wikingerzeit“. Neben Untersuchungen zu adeligem Waffen- und Reitzubehör, fränkischen und skandinavischen Herrensitzen sowie begleitenden Tagungen und Publikationen sollte der Schatzes von Duesminde auch in einer wissenschaftlich kuratierten Ausstellung einer interessierten Öffentlichkeit in Deutschland und Dänemark präsentiert werden. Dem Ausgräber des Schatzes, Henrik Schilling, und Dr. Lars Jørgensen vom Dänischen Nationalmuseum gilt der
aufrichtige Dank dafür, dass der prächtige Schatzfund erstmals für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt wurde. Lars Jørgensen war darüber hinaus bei der Erfüllung weiterer Ausleihwünsche überaus hilfreich. Ziel dieser Ausstellung ist, ausgehend vom Schatzfund von Duesminde der Bedeutung des Silbers für die politische, religiöse und künstlerische Entfaltung des Karolingischen Reiches – und im Gefolge auch für den wikingerzeitlichen Norden – nachzugehen. Kein anderer Stoff war so fundamental für die materielle und semiotisch-repräsentative Grundlegung des Karolingischen Reiches im 9. Jahrhundert wie das Silber. Von der Währung über die militärische Ausstattung, den Ornat und die Insignien des weltlichen und geistlichen Adels bis zum liturgischen Gerät für den Gottes-Dienst: Für all das bildete Silber den Grundstoff, und in all dem offenbart sich die damalige Macht des Silbers. Die Ausstellung will in konzentrierter Form das Spektrum des karolingischen Silbers in nahezu allen seinen Facetten ausbreiten und den Glanz des 9. Jahrhunderts, den Splendor Imperii, wieder zum Leben erwecken. Damit soll etwas vom Geist der Zeit, von der unerhörten Aufbruchsstimmung jenes jungen Imperiums und seiner gewaltsamen wie sakralen Dimension vermittelt werden. Doch von den gewaltigen Schätzen des 9. Jahrhunderts, von denen uns Testamente und Inventare berichten, ist auf dem Kontinent nur wenig erhalten: Was nicht als Beute und Lösegeld in die Hände der Normannen fiel, wurde Opfer des Zeitgeschmacks, insbesondere aber von bildfeindlichen und pietätlosen Exzessen im Gefolge der Reformation, des Dreißigjährigen Krieges, der Französischen Revolution 9
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und der anschließenden Säkularisationen. So kommt es, dass unverhältnismäßig viel vom einstigen Bestand heute aus Bodenfunden des skandinavischen Nordens und der slawischen Randvölker kommt. Zu dem wenigen, was sich vom karolingischen Silber seit 1200 Jahren am alten Bestimmungsort erhalten hat, gehört die Lipsanothek aus dem Domschatz von Hildesheim, das geheimnisvolle Marienreliquiar (Katalog 31). So fügt es sich wunderbar, dass das Gründungsreliquiar des Bistums sich mit dieser Ausstellung wieder in seinen alten Kontext karolingischer Silberwerke einreiht, um den Dialog der alten Künste fortzuführen. Auch die prächtigen, 200 Jahre jüngeren Bernwardinischen Silbergüsse verbinden Hildesheim mit dieser Ausstellung: Sie sind ohne den künstlerischen und technischen Aufbruch der karolingischen Hofwerkstätten nicht denkbar. Frankfurt hingegen, aus dem trotz seiner berühmten Pfalz keine karolingischen Goldschmiedearbeiten von Rang erhalten
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sind, steht am Anfang der mächtigen „Silberwelle“. Hier verkündete Karl der Große auf der Synode 794 die Reform der Silberwährung, die für Jahrhunderte in Europa Bestand hatte. Die Ausstellungsorganisatoren sind den Museen vieler Länder sowie den weltlichen und kirchlichen Leihgebern, die in großzügiger Weise ihre kostbaren Bestände für diese Ausstellung zur Verfügung stellten, zu größtem Dank verpflichtet. Ferner sei allen, die durch Rat, Unterstützung oder sonstige Hilfen zum Gelingen von Ausstellung und Katalog beigetragen haben, unser herzlicher Dank ausgesprochen, auch denen, die in die vorstehende Dankesliste vielleicht versehentlich nicht aufgenommen wurden. Nicht minder gebührt unser Dank den generösen Förderern, die mit substantiellen Zuwendungen der Ausstellung ein materielles Fundament bereitet haben. Egon Wamers, Michael Brandt
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Silber in der Antike
Nicht nur hinsichtlich der Menge des Silbers benimmt sich die Welt wie rasend, sondern fast noch ärger gegenüber dem Wert der Ausführung …
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Plinius, Naturkunde 33,147
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Katalog 1
aum ein Stoff ist derart zum Synonym für Reichtum und weltliche Macht geworden wie das Silber. Von den Astrologen des Alten Orients dem Mond zugeordnet, galt es ursprünglich als himmelgleich glänzendes Metall, mit vielerlei Wirk- und Heilkräften versehen. Stets auch wurde es zur Metapher kalten Kapitals, lasziver Prunksucht und rücksichtslosen Besitzstrebens. Nicht nur die Silberlinge des Judas, sondern auch Begriffe wie „versilbern“ oder „Silberzunge“ zeigen den negativen Beiklang, den dieses Edelmetall angenommen hat. Dennoch hatte Silber in der gesamten Antike einen hohen Stellenwert im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben inne. Als kaum vergängliches und durch Gießen, Treiben und Gravieren leicht zu bearbeitendes Metall von bestechend kühlem Glanz eignete es sich hervorragend zur Herstellung von Schmuck und Gefäßen. Mit silbernem Trachtenschmuck und Gürtelzierrat umgaben sich Könige und Adel des Morgen- und des Abendlands; ihre Tafeln bogen sich unter pfundschweren Schalen, Kannen und Bechern. Aus dem alten Persien kennen wir berückende Silberschalen und beschlagreiche Gürtel des sassanidischen Adels (Katalog 1–2). In Silber waren die das sagum und paludamentum (Mantel) verschließende Fibel und die Beschläge des cingulums (Waffengurt) römischer Offiziere gearbeitet (Katalog 3). Von unvorstellbarer Opulenz und Schmuckfreude präsentieren sich die Tafelgeschirre der römischen Kaiserzeit; sie werden der Hofhaltung von Statthaltern oder hohen Offizieren zugeschrieben, wie etwa der augusteische Silberschatz von Hildesheim, der vielleicht mit der Varusschlacht zusammenhängt, oder der Tischkultur rei-
cher Bürger, wie etwa Versteckfunde in und bei Pompeji nahelegen. Neben die oft mit antik-heidnischen oder biblischen Szenen (zum Beispiel Schale aus dem Schatz von Lambousa auf Zypern: Katalog 4) verzierten Geschirre meist privaten Bereichs treten in spätantiker und frühbyzantinischer Zeit „offizielle“ Gefäße. Mit kaiserlichen Portraitmedaillons oder herrscherikonographischen Darstellungen sowie Begleitinschriften versehen, wurden sie als so genannte Largitionsschalen bei bestimmten Anlässen hochstehenden Personen des Staates als Auszeichnung oder Belohnung geschenkt. Die wohl bekannteste Largitionsschale ist das Missorium Kaiser Theodosius von 388 mit einer Darstellung aus dem Hofzeremoniell. Andere mit christlichen Motiven versehene Silbergefäße, insbesondere Kelche und Patenen, aber auch Becken mit Kanne, Siebe und Löffel (Katalog 5), Reliquiare und Lampen gehörten durchweg zum liturgischen Gerät der Kirchen. Die spätantik-frühbyzantinischen Silbergefäße wurden meistens in kaiserlichen Werkstätten in Rom, Ravenna, Trier, Konstantinopel oder anderen Residenzstädten gefertigt; daneben arbeiteten eigenständige Handwerksbetriebe in der Provinz. Die Silberverarbeitung stand aber in toto unter staatlicher Aufsicht, die im 6. bis 7. Jahrhundert stark reglementiert und organisiert war, wobei Feingehalt und Gewicht von hochrangigen Beamten kontrolliert und durch Stempel auf dem Silber zertifiziert wurden. Im gesamten ehemaligen römischen Reichsgebiet finden sich die Silbergefäße als Einzelstücke oder in Schatzfunden, aber auch in die barbarischen Länder weit jenseits der Grenzen gelangten zahlreiche die13
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ser kostbaren Edelmetallarbeiten: nicht nur als offizielle Largitionsschalen an verbündete Fürsten und Heerführer, sondern auch in Form von gehortetem Raub, Tribut und Lösegeld bei den Völkern Zentralasiens oder des Westens. Die Germanen nördlich der Alpen waren somit seit Jahrhunderten mit dem Gebrauch von Silber als kostbarem Werkstoff für profane und christlich-sakrale Gefäße sowie für die militärisch-virile Ausrüstung vertraut. Adlige Franken und Alamannen prahlten mit silbernen oder versilberten Gürtel- und Zaumzeuggarnituren und schmückten ihre Frauen mit Fibeln, Haarnadeln und Halsreifen (Katalog 6a-b) aus diesem edlen Metall. Doch zeichnet sich seit dem 7. Jahrhundert eine Verknappung von Silber und Gold ab, was sich vor allem in der sparsamen Verwendung dieser Edelmetalle niederschlägt, etwa in Form von dünnen Blechen an Stelle von massiven Güssen oder durch die Anwendung materialschonender Verzierungstechniken wie der Tauschierung und Plattierung, die so eisernen Objekten silbrigen Glanz verliehen. Ursache waren ein allgemeiner wirtschaftlicher Niedergang in Gallien und Italien und das 14
Versiegen des Zustroms oströmischen Edelmetalls an germanische Verbündete – dies als Folge der Machtverschiebung im Donauraum durch das im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts neu entstandene Awarenreich. Wie ein Riegel lag es zwischen dem Byzantinischen Reich und den Völkern nördlich der Alpen und sog durch Raub, Tribute und Subventionszahlungen all das an Edelmetall auf, was vordem in den Norden gelangt war. Auch in Irland und auf den Britischen Inseln ist im frühen Mittelalter ein markanter Mangel an Edelmetallen festzustellen. Lediglich in herausragenden Bestattungen wie dem Schiffsgrab des anglischen Königs Redwald († ca. 625) finden sich noch sondergefertigtes goldenes Trachtund Waffenzubehör sowie prunkvolle Silberschalen als Geschenke aus Byzanz. Im 7. und 8. Jahrhundert sind jedoch alle kunstvoll verzierten sakralen Metallarbeiten Irlands und auch sein Trachtenschmuck aus vergoldeter Bronze mit spärlichen Glas-, Email- oder Bernsteineinlagen hergestellt. Erst ab etwa 800 beginnt man wieder in schierem Silber und vereinzelt in Gold zu arbeiten: Die großen Silber-
Katalog 2
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Katalog 3
kelche und Patenen von Ardagh und Derrynaflan, die Silberschalen aus dem piktisch-nothumbrischen Hort von St. Ninian auf den Shetlands sowie massiv gegossene Ringfibeln belegen die plötzliche Verfügbarkeit von Edelmetallen, was man sich kaum ohne kontinentalen Einfluss vorstellen kann, da Wikingersilber erst im 10. Jahrhundert auf die Inseln gelangt. Literatur: Lexikon des Mittelalters, s.v. „Silber“ (E. Westermann; V. H. Elbern); Sperber 1970–71; Effenberger u.a. 1978; Weitzmann 1979; Katalog Köln, Berlin 1983; Martin 1984; Mundell Mango 1986; Katalog Edinburgh, Dublin, London 1989, Bálint 1992; Leader-Newby 2004 1 Sassanidische Weinschale Die aus Silberblech getriebene kalottenförmige Schale mit Spuren von Feuervergoldung ist außen mit einem lockeren symmetrischen Weinrankenmuster verziert, womit ein Hinweis auf ihren Verwendungszweck gegeben ist. Sie wird zum Tafel- oder Trinkgeschirr eines persischen Adligen gehört haben. Dm. 13,7 cm Nordiran, 6.-7. Jh. Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 90,84.1 Unpubliziert 2 Sassanidische Gürtelgarnitur Die 20 erhaltenen Beschläge aus Silber gehörten zu der vielteiligen Gürtelgarnitur eines sassanidischen Kriegers.
L. 2–3,3 cm Nordiran, 6.-7. Jh. Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 89,112 Unpubliziert 3 Mantelfibel und Gürtelbeschlag Die Mantelfibel und der Gürtelbeschlag aus vergoldetem Silber gehörten zur Ausstattung eines germanischen Offiziers der römischen Armee, der im CivitasHauptort NIDA (Frankfurt-Heddernheim) stationiert war und dort auch bestattet wurde. L. 8,4 cm; 8,9 cm Frankfurt-Heddernheim, Mitte 3. Jh. Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar α 4252b-c. Wamers 1986, 17; Fasold 1990 4 Byzantinische Silberschale Diese prächtige vergoldete Silberschale stammt aus dem reichen Schatzfund von Lambousa auf Zypern, der neben goldenem Frauenschmuck auch 14 Silberteller enthielt, neun davon mit figürlichen Reliefs aus der Jugend des späteren Königs David. Auf der hier ausgestellten größten Schale ist der Kampf Davids (mit Schleuder) mit dem schwerbewaffneten Goliath darstellt. Sie gibt ein gutes Beispiel für die Qualität der Silberschmiedekunst der kaiserlichen Werkstätten von Konstantinopel. Auf der Rückseite finden sich Kontrollstempel des Kaisers Heraclius von 628 und 629. Der Schatz selbst ist vermutlich während der Arabereinfälle 653/54 vergraben worden. Dm. 49,5 cm. Lambousa, Zypern, frühes 7. Jh. Nachbildung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, Inventar 42233.
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Katalog 4
Katalog 5
Katalog 6a
Original im Metropolitan Museum New York. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 42, 1995, 649 f. 5 Byzantinischer Silberlöffel In den gegossenen und getriebenen Silberlöffel ist in griechischen Buchstaben der Name MAPKOC graviert und auf dem runden Griffschild ein – nicht aufgelöstes – Namensmonogramm. Solche edlen Silberlöffel finden sich oft in Kirchenschätzen, doch fanden sie nicht nur in der Liturgie Verwendung, sondern auch an der Tafel vermögender Haushalte. Oft gelangten sie als persönliche Stiftungen in den Besitz von Kirchen. L. 27,6 cm Umgebung von Belgrad, 6.-7. Jh. Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 89,82 Unpubliziert
6 Alamannischer Halsreif und fränkisches Bügelfibelpaar Der angeblich in Aalen gefundene Halsreif besteht aus vergoldetem Silber mit Almandineinlagen. Er stammt vermutlich aus einem Frauengrab des späten 5. Jhs. Das ebenfalls silbervergoldete und almandinverzierte Bügelfibelpaar aus Schwarzrheindorf bei Bonn gehörte zur Schmuckausstattung einer fränkischen Frau in der ersten Hälfte des 6. Jhs. Beide dokumentieren den Silberreichtum der führenden Schichten in der frühen Merowingerzeit. Dm. 21 cm; L. 8,6 cm Aalen, 5. Jh.; Schwarzrheindorf, 1. Hälfte 6. Jh. Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar 85,136 HS; x 22027–8 Wamers 1986; Wamers 2000
Egon Wamers 17
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Rohstoff der Macht Silber in der Karolingerzeit
Silber und Gold haben ihnen die Götter – ich weiß nicht, ob aus Huld oder Zorn – versagt. P. C. Tacitus, Germania, 5
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Renovatio Imperii – Silber für das neue Reich
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Abb. 2 Bildnismünze Karls des Großen, Vorderseite, Staatliche Museen Berlin, Münzkabinett (nach 800)
Abb. 1 Karolingische Kavallerie und Fußtruppen. Bibel von St. Paul vor den Mauern, Rom, fol. CCCXXXIV v, c.243 v (Ausschnitt), (um 870)
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ie Edelmetallarmut im Fränkischen Reich dauert bis in das Ende des 8. Jahrhunderts an: Noch ein so herausragendes Kunstwerk wie der Tassilokelch, den Baiernherzog Tassilo III. mit seiner Frau, der Langobardenprinzessin Liutpirc, im Jahre 777 Kloster Kremsmünster stiftete, wurde in Kupfer getrieben und lediglich innen vergoldet und außen versilbert, obwohl Kupfer als ein für die Eucharistie „unreines“ Material galt. Ein „Metall-Wandel“ von versilberter Bronze zu vergoldetem Silber lässt sich beispielhaft an mittelrheinischen Sporen aus der zweiten Hälfte des 8. und der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts (Katalog 16a–b) ablesen. Nicht gerade von großem Silberreichtum zeugt zudem die Währung im Karolingerreich des 8. Jahrhunderts: Die wenigen Funde leichtgewichtiger Silberdenare und die kleinformatigen Sceattas hinterlassen einen eher ärmlichen Eindruck und belegen den hohen Wert geringer Silbermengen. Für die fränkischen Hausmeier, insbesondere seit Karl dem Großen, wurde indes Edelmetall unabdingbar für ihre machtvol-
len Pläne. Im gewaltig expandierenden Reich verschlang der permanente Krieg Unsummen (Abb. 1). Das Rückgrat des Heeres – wie auch der königlichen Herrschaft insgesamt – bildete der Adel, der mit Ländereien, Ämtern, Zuwendungen und Teilnahme an der Beute motiviert werden musste. Nicht minder gebot die Hofhaltung ständig große Summen. Wie Hinkmar von Reims, intimer Kenner des Hoflebens unter Ludwig dem Frommen und Karl dem Kahlen, in seiner „Palastordnung“ von 882 aufführte, gab es – abgesehen von den hohen Hofämtern und neben den Künstlern und Gelehrten sowie den Dienern und Vasallen – in „jener großen Schar, die sich ständig am Hof aufzuhalten hatte“ eine Gruppe von „Bediensteten ohne bestimmtes Amt, die ... bald mit Nahrung, bald mit Kleidung, bald mit Gold, bald mit Silber, bald mit Pferden, bald mit anderen Ehrengaben (ornamentis) versorgt wurden, und zwar manchmal aus besonderem Grund, manchmal soweit Zeitpunkt, Zweck und Stellung eine geeignete Möglichkeit boten“ (Abb. 11). Allerdings erhielt der Staatsschatz auch regelmäßige Zuwendungen,
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etwa durch das jährlich zu entrichtende servitium regis, einer in Geld oder Naturalien zu entrichtenden Abgabe von Klöstern, Städten, Grundherrn und anderen, welchen wiederum die annua dona gegenüber standen, den Großen und Beamten des Reiches jährlich zu gewährende Geschenke. Karls des Großen ehrgeizige Anstrengungen beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für militärische und wirtschaftliche Nutzung (Straßen-, Kanal- und Brückenbau), beim Neubau und der Ausstattung von Pfalzen und Klöstern sowie beim Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Kirchen mitsamt liturgischem Gerät für die Seelsorge und Zivilisierung der Landbevölkerung einschließlich einer umfassenden Bildungsreform erforderten bis dahin nicht gekannte finanzielle Mittel. Hinzu kamen die Gründung beziehungsweise der Ausbau von Märkten und Häfen. Auch unter seinen Nachfolgern im 9. Jahrhundert setzte sich der schon unter seinem Vater Pippin einsetzende wirtschaftliche Aufschwung weiter fort. In gleicher Weise wie beim König basierte auch der Reichtum des hohen und niederen Adels sowie der Klöster und Kirchen auf umfangreichem, oft weit verstreutem Grundbesitz, den Domänen. Sie alle hatten wie die Verwalter der Königsgüter dem König Natural- oder Geldabgaben sowie Kriegsdienste zu leisten. Den weltlichen und den geistlichen Adligen, den Äbten und Bischöfen, waren wiederum deren Gutsverwalter und Lehnsleute abgabepflichtig. Durch dieses, beispielhaft im Capitulare de villis niedergefasste, wohl-
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geordnete hierarchische System wurde ein kontinuierlicher und umfangreicher Waren- und Wertetausch durch das gesamte Reichsgebiet generiert, der von einem ständig wachsenden regionalen und internationalen Handelsverkehr beträchtlichen Ausmaßes ergänzt wurde. Im 9. Jahrhundert war das Land von einem dichten Netz hunderter Märkte überzogen, mit Anschlüssen an die Fernhandelsrouten. Ein solcher Waren- und Wertetausch innerhalb des Abgabesystems konnte nur teilweise in den altertümlichen Formen mit immobilen und schwer transportablen Gütern wie verderblichen Erträgen aus Landwirtschaft oder industriellen Erzeugnissen erfolgen, die zudem der jeweiligen Nachfrage nicht unbedingt entsprechen mussten. Schneller und flexibler waren liquide, hochmobile Mittel von hohem Wert: Edelmetall. Edelmetall, insbesondere Silber in verbindlich normierter Münzform, wurde zum Maßstab für die Bewertung aller anderen Güter und Dienstleistungen, selbst sozialer Bindungen und Verpflichtungen sowie juristischer Sanktionen; seit Karlmann wurde auch die Abgabe für die Finanzierung der Feldzüge in Silber quantifiziert. So wie im 20. Jahrhundert Erdöl zum Nährstoff der westlichen Zivilisation wurde, so wurde in der Karolingerzeit Silber zum Flussmittel für Wirtschaft und Herrschaft, es wurde Rohstoff der Macht. Die karolingischen Herrscher unternahmen alle Anstrengungen, die Verfügbarkeit von Silber zu steigern, und schreckten dabei auch nicht vor Kriegszügen zurück.
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Die neue Währung
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er Königsschatz, seit der Völkerwanderungszeit zeichenhafter wie realer Kern der königlichen Macht, reichte für die immensen Aufgaben des neuen Reiches nicht mehr aus. Damit höhere Steuer- und Zolleinnahmen erzielt werden konnten, mussten Produktion und Handel ausgeweitet und ein solides Währungssystem installiert werden, das die heillose Zersplitterung des merowingischen Münzwesens mit unterschiedlichen Währungen und zahllosen Prägeherren überwand. Eine erste Münzrechtsreform hatte bereits Pippin der Jüngere nach seiner Königserhebung oder -salbung 751/754 mit einer zentralen und einheitlichen Silberwährung durchgeführt, die auf dem neuen (nie ausgemünzten) Silbersolidus à 12 Denaren fußte und ausschließlich als Königsrecht für das gesamte Reichsgebiet galt. Auf der Frankfurter Synode von 794 setzte sein Sohn Karl der Große eine erweiterte Währungsreform durch, bei der jetzt der neue Denar ein 25% höheres Silbergewicht (ca. 1,6 g) erhielt. Da 240 Denare aus einem Pfund geschlagen wurden, erhöhte sich jetzt auch das bis dahin gültige römische Pfund (ca. 327 g) in entsprechendem Umfang. Diese Gewichtserhöhung des Denars kann keinesfalls mit einem gefallenen Silberpreis zusammenhängen, sondern vielmehr mit einer Neuorientierung bei der überregionalen Währungsbindung (vgl. unten S. 27). Mit seinem Namen und Monogramm sowie dem Kreuz auf den Münzen garantierte der König Wert, Gewicht und Gültigkeit der neuen Währung; die drastisch reduzierten Münzstätten werden jetzt auf den Münzen genannt. Das Frankfurter Kapitular formuliert ihren Allgemeingültigkeitsanspruch präzis: „An jedem Ort, in jeder Stadt und
an jedem Marktort sollen die neuen Denare gleichermaßen kursieren und von allen akzeptiert werden. Tragen aber die Münzen unseren Namen und sind sie von reinem Silber und von gutem Gewicht und verweigert irgendjemand irgendwo bei irgendeinem Kauf oder Verkauf ihre Annahme, dann soll er, ist er freigeboren, an den König 15 Schilling Buße zahlen ...“. Erst nach der Kaiserkrönung Weihnachten 800 münzt Karl (und später seine Nachfolger, zum Beispiel Katalog 9) auch in römischer Tradition mit Bildnis und Kaisertitel (Abb. 2). Die Münzfunde dieser Epoche sind verhältnismäßig spärlich und geben kaum ein Spiegelbild des tatsächlichen Münzumlaufs wieder. Ein Schlüsselfund ist dabei der Schatzfund von Wiesbaden-Biebrich mit
7 Münzschatz aus Biebrich (Wiesbaden) 1922 wurde bei Bauarbeiten an einer Kaimauer in Wiesbaden-Biebrich ein Ledersack mit etwa 4–5.000 Münzen entdeckt, doch anschließend aus Unkenntnis – man hielt die Münzen für „elektrische Sicherungsplättchen“ – in die Betonmauer eingegossen. 48 Münzen konnten später gesichert werden, davon gelangten die 25 ausgestellten Exemplare in das Museum Wiesbaden, andere gingen in den Münzhandel. Bei den bekannten Münzen handelt sich fast ausschließlich um Silberdenare Karls des Großen aus der Zeit nach der Münzreform von 794 mit Prägungen von Dorestad an der Nordseeküste bis nach Oberitalien und Rom. Sie spiegeln den großen überregionalen Währungsaustausch und Handelsverkehr der Jahre nach der Reform, was von einem arabischen Dirhem Harun-al-Raschids aus der Münze Tunis noch unterstrichen wird. Vermutlich repräsentiert der Schatz Zoll- oder Fähreinnahmen am Rheinübergang bei Mainz. Silber Rheinische, französische, italische Münzstätten, 795–800 Museum Wiesbaden, Sammlung Nassauischer Altertümer, Inventar 2094-2188 Katalog Frankfurt, Marburg 1984, Kat.Nr. 153 (P. Berghaus)
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Katalog 7
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8 Münzschatz aus Pilligerheck, Kr. Mayen Koblenz Von ehemals ca. 2.200 Münzen, die zwischen 1956– 61 auf einem Acker gefunden wurden, werden heute knapp 1150 im Landesmuseum Trier aufbewahrt, eine kleinere Anzahl in Privatbesitz sowie über 736 Exemplare im Landesmuseum Stuttgart. Von letzteren werden hier 130 Münzen stellvertretend für den ganzen Schatz ausgestellt. Die Herkunft (Prägeorte) der Münzen konzentriert sich überwiegend im nordfranzösischen Raum und vor allem in Dorestad. Nach den Schlussmünzen muss der Schatz nach 855 vergraben worden sein, vielleicht in Zusammenhang mit dem Rheinzug der Normannen 862/63. Wegen der Zusammensetzung des Schatzes wird es für möglich gehalten, das er einem friesischen Fernhändler gehörte. Er kennzeichnet den gewaltigen Silbermetalltransfer durch den überregionalen oder Fernhandel der Karolingerzeit. Die Münzen waren vermutlich im beigefundenen Keramikgefäß aufbewahrt worden, das hier nur als Nachbildung gezeigt werden kann. Silber Überwiegend nordfranzösische Münzstätten sowie Dorestad, nach 855 Württembergisches Landesmuseum Stuttgart, Münzkabinett, Inventar MK 1967/1311–1321 Jahrb. d. Staatl. Kunstsammlungen in BadenWürttemberg 5, 1968, 246 f. (E. Nau); Petry 2003
Münzschätzen Frieslands auf, dass der Bearbeiter ihn mit einem friesischen Fernhändler in Zusammenhang bringen möchte. Einen ganz anderen Hintergrund hat dagegen das kleine Depot mit vier Denaren
Katalog 8
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schätzungsweise 4.000 bis 5.000 Denaren der Jahre 795–800 – von denen allerdings nur gut zwei Dutzend erhalten sind – die in einem Lederbeutel im Rhein oder am Rheinufer verborgen wurden. Dieser Hort offenbart die Bedeutung der neuen Währung für das Wirtschaftsleben, gleich ob er wie in der älteren Forschung als Depot eines friesischen Händlers gilt oder wie später als Ertrag einer Zollstation am Rheinübergang – was im Übrigen verständlich machen würde, warum Zollbestimmungen in der Karolingerzeit so sorgfältig geregelt und kontrolliert wurden (Katalog 7). In derselben Größenordnung bewegt sich der Schatzfund von Pilligerheck im Kreis Mayen-Koblenz mit ursprünglich etwa 2.200 Denaren, verborgen in einem Tongefäß in einem Acker, von denen in der Ausstellung 130 Stück aus dem Bestand des Stuttgarter Landesmuseums gezeigt werden können (Katalog 8). Drei Viertel dieser Münzen sind Christiana-Religio-Denare Ludwigs des Frommen, doch fünf Münzen Lothars II. geben an, dass der Gesamtschatz erst nach 855/869 vergraben worden sein kann. Die Zusammensetzung des Münzschatzes weist so große Übereinstimmungen mit zeitgleichen
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Katalog 9
Ludwigs des Frommen, das gegen 825 unter dem Fundament einer Mauer im heutigen Frankfurter Dom niedergelegt wurde und als Bauopfer gelten muss (Katalog 9). Immerhin zeigt es mit Prägungen aus Dorestad an der Nordseeküste, Venedig, dem Tor zum östlichen Mittelmeer, und Sens in Zentralfrankreich das weitgespannte Wirtschafts- und Währungsnetz der Zeit.
9 Münzschatz aus dem Frankfurter Dom Kleinschatz aus vier Denaren Ludwigs des Frommen, der 1956 unter dem Fundament eines karolingischen Mauerfragments im südlichen Querhausarm des heutigen Frankfurter Domes entdeckt wurde. Vertreten sind zweimal die Münzstätte Dorestad, davon einmal mit einem schönen Bildnis Kaiser Ludwigs auf der Vorderseite, und jeweils einmal Sens und Venedig – also eine nicht ungewöhnliche Mischung für den Geldumlauf. Als Niederlegungszeit gibt die Numismatik die Jahre „um 825“ an. Die Bedeutung dieses kleinen Schatzfundes liegt darin, dass es sich offenkundig um ein Bauopfer handelt, wie man es schon seit vorgeschichtlicher Zeit kennt, und dass man mit diesem Opfer die Urheberschaft der Bautätigkeit Ludwig dem Frommen zuschrieb und zusätzlich das Bauwerk mit seinen Münzen und seinem Bildnis „heiligen“ wollte. Silber Dorestad, Sens, Venedig; vergraben „um 825“ Archäologisches Museum Frankfurt, Inventar α 18042d-g Katalog Frankfurt, Marburg 1984, Nr. 156 (N. Klüßendorf)
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Die Förderung des Fernhandels war für den König offensichtlich ein lukratives Mittel, Silber ins Land zu holen. Im 9. und 10. Jahrhundert waren es vor allem die reichen islamischen Länder Zentralasiens unter der Herrschaft der Abbasiden, in denen durch intensiven Bergbau ungeheure Mengen an Silber gewonnen und zu Münzen geschlagen wurden. Diese Münzen gelangten in den Westen, aus dem sie allerdings – im Gegensatz zum Skandinavien des 10. Jahrhunderts – nur vereinzelt als Bodenfunde bekannt sind. Gleichwohl kann man den Eindruck gewinnen, dass Karls des Großen diplomatisch-politische Kontaktnahme und der rege Gesandtenaustausch mit Harun-al-Raschid nicht nur religionspolitische Ziele hatte, unter anderem die seinerzeit hochbedeutungsvolle Übernahme der Schirmherrschaft Karls über die heiligen Stätten in Jerusalem (vgl. S. 154 f.), sondern dass auch eine Intensivierung von Handelskontakten eingeleitet wurde. Im 10. Jahrhundert jedenfalls konstatierte der jüdisch-spanische Reisende Ibrahim ibn Ya’qub aus Tortosa bei einem Aufenthalt in Mainz: „Dort gibt es Dirhame aus der Samaqander Münze vom Jahre 301 und 302 (= 913/14 oder 914/15) mit dem Namen des Münzherrn und dem Datum der Prägung ... Seltsam ist auch,
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Abb. 3 Karolingische Grubenbaue zur Silbererzgewinnung in Melle, Poitou, Frankreich Foto: Florian Téreygeol, UMR 5060 IRAMAT-LMC et UMR 9956 LPS
dass es dort Gewürze gibt, die nur im fernsten Morgenlande vorkommen, während sie (die Stadt Mainz) im fernsten Abendlande liegt, zum Beispiel Pfeffer, Ingwer, Gewürznelken, Spikanarde, Costus (Weißer Zimt) und Galanga; sie werden aus Indien importiert, wo sie in Menge vorkommen ...“. Ob indes schon im 9. Jahrhundert größere Mengen arabischen Silbers in den Westen gelangten, ist ungewiss. Die Funde nordafrikanischer und mittelasiatischer Prägungen nördlich der Alpen sind mit zwei Dutzend Fundstellen spärlich; vermutlich wird östliches Silber eingeschmolzen und umgeprägt worden sein, vielleicht schon am Prägeort Venedig, dem Tor zum östlichen Mittelmeerraum. Bezeichnend ist indes, dass mit Karls des Großen Münzreform von 794 auch ein Wechsel in der Währungsrelation erfolgt: Bezogen auf den standardisierten Goldpreis für Silber (1:12) nahm jetzt das neue, um 25% schwerere Pfund Silber keine geradzahlige Relation mehr zum konstantinischen Gold-Solidus, sondern zum arabischen Gold-Dinâr ein (H. Witthöft). Tatsächlich ist ein grenzüberschreitender Han-
del mit den slawischen Ländern im Diedenhofener Kapitular von 805 und in der Raffelstädter Zollordnung von 904/06 deutlich fassbar, wobei diese Länder durchweg für einen Durchgangshandel von Gütern aus dem Orient gedient haben werden. Die fränkischen Haupthandelswaren Waffen, Tuche und Sklaven versprachen einen großen Gewinn, der zumindest teilweise in Form von Silber zurückfloss, wenngleich es die Gewürze sowie die Luxuswaren und Exotica aus dem Orient für die Schatzkammer des Herrschers waren, für die die jüdischen und syrischen Fernhändler kaiserliche Privilegien erhielten. Die Haupthandelsroute in den östlichen Mittelmeerraum verlief indes über Italien, die ins westliche Mediterraneum über Südfrankreich und Spanien. Ein weiterer Schritt, die Verfügbarkeit von Silber zu erhöhen, war der Silberbergbau. Über den Umfang dieser den Franken wenig vertrauten Technik berichten die Schriftquellen kaum etwas, doch haben archäologische Prospektionen umfangreiche Bergbau- und Verhüttungsaktivitäten im 9. und 10. Jahrhundert in Melle im französischen Poitou, bei Heidelberg sowie
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im Harz nachgewiesen (Abb. 4). Da im Capitulare de villis aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts Bleigruben erwähnt werden (Kap. 62), ist mit weiteren Bergbauplätzen zu rechnen. Welche Jahresmengen dabei gewonnen wurden und wieweit man dadurch den Bedarf deckte, kann kaum geschätzt werden. Interessanter Weise sind in den intensiv untersuchten Abbaugruben von Melle, das zudem eine bedeutende karolingische Prägestätte war (METALLVM; Katalog 10; 35), dieselben Produktionstechniken und -verfahren angewendet worden wie bei den Minen und Verhüttungsplätzen im zentralasiatischen Taschkent und Samarkand (F. Téreygeol). Hängt eventuell die um 800 einsetzende intensive Wiederaufnahme der schon im 7. Jahrhundert ausgebeuteten Gruben von Melle mit den engen Kontakten Karls des Großen zu Harun-al-Raschid zusammen? Ließ er aus dem fernen Iran Bergbau- und Verhüttungs-Spezialisten ins Frankenreich kommen, so wie er Fachleute für Steinbau und monumentalen Bronzeguss aus Italien holte, welche die Franken mit den neuen Technologien vertraut machten? Nebenbei konnte durch die bei der Silbergewinnung 28
anfallenden großen Mengen an Blei ein anderer wichtiger Bedarf des aufstrebenden und sich zivilisierenden Großreiches gedeckt werden, das ansonsten aus Britannien importiert werden musste: Für die Dachdeckung und Fensterfassung von Kirchen, Klöstern und Herrenhäusern standen jetzt große Mengen dieses leicht bearbeitbaren weichen Metalls zur Verfügung, das auch für die Fertigung einfachen und preiswerten Alltagsschmucks verwendet wurde. 10 Bildnisdenar Ludwigs des Frommen aus der Münze von Melle (Poitou) Zu den häufigsten Denaren der Karolingerzeit gehören die Gepräge aus Melle („metallum“ = Erzgrube, Metall), wo das bergmännisch gewonnene Silber vermutlich direkt gemünzt wurde. Denkbar sind auch Ateliers aus der Umgebung, die lediglich das in Melle gewonnene Silber verwendeten. Der hier gezeigte Denar weist auf der Rückseite die Umschrift + METALLVM (andere lauten METVLLO, METALLO) auf und im Zentrum zwei Münzprägestempel und Münzhämmer. Silber, Dm. 1,95 cm; Gew. 1,69 g Melle, Aquitanien Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, aus Sammlung Gariel-Ferrari 1911 Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, s.v. „Melle“ (B. Kluge); Katalog Paderborn 1999, Nr. II.30 (B. Kluge)
Katalog 10
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Der Awarenschatz – ein „Krieg für Silber“
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Abb. 4 Antiochus werden die aus Jerusalem geplünderten Schätze überreicht. Bibel von St. Paul vor den Mauern in Rom, fol. CCCXXXIV v., c.243r (Ausschnitt), (um 870)
ie entscheidende Maßnahme, in den Besitz großer Mengen von Silber zu gelangen, waren Karls des Großen Awarenkriege (791– 811). Schon die Feldzüge gegen Sachsen und Benevent und die Einnahme Pavias oder die Entmachtung Tassilos waren stets mit der Requirierung der Königs- oder Tempelschätze beziehungsweise mit Tributzahlungen verbunden. Weit übertroffen wurden die Kriegserträge aber von denen der gut vorbereiteten und erfolgreich durchgeführten Feldzüge gegen das Reich der Awaren östlich der bairischen Grenze im Donau-Theiß-Gebiet 795/796 (Karte S. 2). Sie sollten zunächst die südöstliche Grenze des Imperiums sichern und den Einfluss der ehemaligen Steppennomaden auf die nördlich wohnenden slawischen Mähren und Böhmen ausschalten. Doch die Forschung ist sich weitgehend darüber einig, dass ein wesentlicher, wenn nicht der Ausschlag gebende Zweck dieser Expeditionen war, sich des sagenhaften Staatsschatzes der Awaren zu bemächtigen. Vor
allem, wenn man sich den engen zeitlichen Zusammenhang zur Währungsreform auf der Frankfurter Synode 794 vor Augen hält, wird offenkundig, dass diese Feldzüge während oder kurz nach dem Reichstag ins Auge gefasst und vorbereitet worden sein müssen. Das Echo dieses „Krieges für Silber“ hallte noch 20 Jahre später in Einhards Lebensbeschreibung Karls des Großen nach als eines der herausragenden Momente seines tatkräftigen Wirkens: Der gesamte Adel der Hunnen [Awaren] kam in diesem Kriege um, ihr ganzer Ruhm ging unter. Alles Geld und die seit langer Zeit angehäuften Schätze fielen in die Hände der Franken; kein Krieg, soweit Menschengedenken reicht, brachte diesen soviel Reichtum und Macht. Denn während man sie bis dahin beinahe als arm ansehen konnte, fand sich nun in der Königsburg [der Awaren] eine solche Masse an Gold und Silber, und in den Schlachten fiel soviel kostbare Beute an,
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dass man mit Recht glauben durfte, die Franken hätten gerechterweise den Hunnen das geraubt, was diese früher anderen Völkern ungerechterweise geraubt hätten ... Dieser gigantische Schatz wurde in drei Etappen nach Aachen an den Hof transportiert, der erste Teil fasste nicht weniger als 15 von je vier Ochsen gezogene Wagenladungen. In Aachen wurde eine Schatzkammer eingerichtet, und Karl verteilte vieles an seinen Hofstaat, an den Papst, die weltlichen und geistlichen Großen sowie an die Kirchen. Große Silbermengen werden in die königlichen Münzen geflossen sein. Die Einnahme des Awarenschatzes bedeutete eine beispiellose „Blutzufuhr“ für das gleichermaßen komplexe wie labile karolingische Herrschaftssystem, in dem die Kräfte von König, Adel und Volk sowie von Regnum, Kirche und Zivilisation zum Ausgleich gebracht werden mussten, damit das große Ziel Karls: die Erneuerung des Römischen Reichs in der Form eines christ-
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lichen Staates mit den Franken als führender Nation, verwirklicht werden konnte. Mit den Zuwendungen an den Heiligen Stuhl festigte Karl die Position des Papstes, des wichtigsten politischen und legitimatorischen Verbündeten für die Reichsidee. Für das diffizile Verhältnis zwischen König und dem stets neu auszutarierenden Netzwerk des Hochadels wirkte der Edelmetallfluss gleichzeitig als Narkotikum und als Stimulans: Das ungeschriebene Gesetz der – materiellen oder ideellen – Gegengabe verpflichtete die Mächtigen, seien sie weltlicher oder geistlicher Adel. Andererseits setzte das Silber sie wiederum in Stand, nicht nur ihren Privatschatz aufzufüllen, in heutigen Kategorien: ihr Bankguthaben, sondern ihrerseits ihre eigenen Abhängigen und Lehnsleute in die Pflicht zu nehmen. Das konnte in so banalen Gesten geschehen, wie der Ausstattung von Gefolgsleuten mit standesgemäßen Schilden und Sporen aus Silber – wofür Bischof Hinkmar von Laon allerdings unrechtmäßig seinen Kirchenschatz verwendete.
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Schätze von König, Adel und Kirche
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ahrhaft königlich war der Hort Karls des Großen ausgestattet, wie im von Einhard überlieferten Testament beschrieben wird. In ihm ist auch die vom Kaiser angeordnete Verteilung detailliert aufgeführt. Der Staatsschatz wurde an vier Orten verwahrt: in der capella (Reliquien einschließlich ihrer Behältnisse, Sakralgerät, liturgische Bücher, Paramente, Insignien), in der camera (Münzgeld und Edelmetall, Schmuck, Hausgerät und Herrscherornat), im vestiarium (Kleiderkammer) sowie in der bibliotheca (diverse Codices und Rotuli). Den Gesamtschatz teilte Karl der Große testamentarisch in drei Teile, von dem die ersten beiden Drittel zu gleichen Teilen für die 21 Metropolitanstädte des Reiches vorgesehen waren, wobei die jeweiligen Erzbischöfe wiederum von ihrem Anteil ein Drittel für ihre Kirche behalten, zwei Drittel aber an ihre Suffragane weitergeben mussten. Diese Aufteilung scheint heute noch im Hildesheimer Domschatz einen Reflex zu werfen (vgl. Katalog 31). Das letzte Drittel aus Karls Schatz sollte in vier Teile geteilt werden, von denen eins nach seinem Tode zusätzlich den 21 Metropolitan-Deputaten zugeschlagen werden sollte, der zweite an seine Kinder und Enkel, der dritte an die Armen und der vierte an die Knechte und Mägde im Palast. Von den unzähligen kirchlichen und weltlichen Edelmetallarbeiten und den noch zahlreicheren anderen Wertsachen, wie Büchern, Waffen, Gefäßen, Geräten, Kleidungsstücken, Decken, Teppichen, Lederwerk und anderem aus Karls Schatzkammer werden im Testament lediglich einige herausragende Kunstwerke genannt, die damals allergrößtes Staunen hervorgerufen hatten: drei
silberne und ein großer goldener Tisch, dabei von den silbernen einer mit eingezeichnetem Stadtplan Konstantinopels, ein anderer runder mit dem Bild der Stadt Rom verziert und der dritte mit einer „genau und fein gezeichneten“ Weltkarte versehen. Bei diesen Tischen muss es sich um Staatsgeschenke von den obersten Herrscherhäusern (Konstantinopel) gehandelt haben, ähnlich wie bei der Wasseruhr mit Schlagwerk und beweglichen Figuren, die Karl neben exotischen Tieren, Gewürzen, Duftstoffen und anderen Pretiosen von Harun-al-Raschid erhalten hatte. Dass Karl der Große schon anlässlich seiner Kaiserkrönung 800 eine Vielzahl goldener und silberner steinverzierter liturgischer Geräte, darunter Patenen und Kelche unterschiedlicher Größe, Gefäße aus purem Gold, silberne Altartische (mensae), eine Altarkrone, ein Gemmenkreuz, ein Ziborium, verzierte Evangelien und anderes, an den Papst, Sankt Peter und andere Kirchen in Rom gestiftet hatte, unterstreicht noch den unermesslichen Reichtum seines Königsschatzes. Welchen Umfang und welche Pracht das Privatvermögen des obersten weltlichen Adels annehmen konnte, beleuchten wiederum zwei Testamente: die von Markgraf Eberhard von Friaul († 865) und Graf Ekkard von Mâcon († um 880), ersterer Schwiegersohn Ludwigs des Frommen, letzterer aus dem Geschlecht der Nibelungen, also beide dem höchsten Adel beziehungsweise dem Königshaus selbst angehörend (Abb. 5). Zu Eberhards Besitz, der sich indes in erheblichem Maße aus dem Erbe Ludwigs des Frommen und damit immer noch aus dem Hort Karls des Großen speiste, gehörten unter anderem: neun Schwerter mit goldverzierten Gefäßen 31
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(Handhaben) und Scheiden, sechs goldene Wehrgehänge mit Stein- und Beineinlagen, drei Brünnen, ein Helm mit Panzerhemd, mehrere Beinschienen und Panzerhandschuhe, goldene steinverzierte Sporen, vier reichverzierte Dolche, weltliche und liturgische Gewänder aus Seide und Gold, eine goldene Fibel (vgl. Katalog 25), vergoldete Armreifen, diverse gold- und silberkaschierte Stein- und Horngefäße, verschiedene liturgische Gefäße aus Silber, Gold und Glas, Reliquiare aus Elfenbein und Kristall, acht Phylakteria, Reisealtäre, Rauchfässer, Glocken, Altarlampen (Kronen), Speisetischchen aus Elfenbein, vergoldete und versilberte Tabletts, zahlreiche Bücher und anderes mehr. Ekkehards Testament zählt neben kostbaren Büchern auf: zwei Schilde und zwei Lanzen, ein Kurzschwert (Sax) mit Handschuh, Schwerter aus dem Orient, einen vergoldeten Gürtel, prächtige gefärbte Tuche, Siegelringe mit antiken Gemmen, sarazenische Tischchen und anderes, aber auch zwei Falken, einen Sperber, sechs Jagdhunde, sechs Pferde und zwei Sättel. In die Schätze der obersten Aristokratie gelangte also wie schon in die der Könige der Völkerwanderungszeit alles, was an Pretiosen aus der weltlichen und kriegerischen Lebenssphäre sowie aus dem Sakralbereich als Gabe, Tausch, Abgabe oder Raub gewonnen werden konnte; aus diesem Schatz allerdings wurden auch die Gegengaben und Bezahlungen an Höher-, Gleich- und Niedrigergestellte vorgenommen. Dass neben weltlichem Gut auch reiches Sakralgerät in den Schätzen des Adels liegt, mag zunächst verwundern, insbesondere woher diese Stücke kamen; doch konnten aus diesem Bestand abhängige Kirchen und Abteien ausgestattet werden. Nicht grundsätzlich unterschieden sich davon die Schatzkammern der kirchlichen Aristokratie, der Bischöfe und Äbte. Sie rekrutierten sich aus dem karolingischen Adel und führten durchweg ein weltliches Leben, das Teilnahme an Krieg und Jagd sowie aufwändige Hofhaltung einschloss. Die Kirchen- und Klosterschätze wurden durch Zinseinnahmen, Abgaben, Geldbuße, Opfergaben, aber insbesondere auch 32
Abb. 5 Der Stiftsherr von St. Benedikt in Mals, Engadin, als karolingischer Grundherr mit Schwert (Ende 8. Jh.)
durch königliche und hoheitliche Zuwendungen akkumuliert. Die Abteikirche von Saint-Riquier besaß laut einem Schatzverzeichnis von 831 unter anderem vier goldene sowie zwei große und vier kleine silberne Kelche, zwei goldene sowie vier große und dreizehn kleine silberne Patenen, vierzig braune Messgewänder sowie fünf aus schwarzer, drei aus persischer Seide und eins aus Silber, sechs Teppiche, drei Altarvorhänge, vier Seidenkissen. Schatzverzeichnisse wie das der Abtei von Prüm von 1003 mit der Aufzählung von kompletten Ausstattungen für ein Dutzend Altäre mit Silbertafeln, liturgischem Gerät, Reliquiaren, Amben, Evangeliaren, Kreuzen und anderem mehr, alles in edlen
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Metallen und Steinen ausgeführt, sprechen für den Reichtum der großen Klöster – auch noch nach den normannischen Plünderungen des 9. Jahrhunderts. Die materielle Potenz bedeutender Kirchen zeigt sich beispielhaft darin, dass 858 die Mönche von Saint-Denis ihrer Schatzkammer 688 Pfund (1 Pfund = 445/491 g) Gold und 3.250 Pfund Silber entnehmen konnten, um ihren von Normannen gefangenen Abt freizukaufen. Daraus erhellt, warum gerade Kirchen und Klöster die bevorzugten Ziele der Räuber aus dem Norden waren. Bei diesen Inventaren der großen Kirchen und Klöster denkt man natürlich an Einhards Bericht über Karls des Großen überaus üppige Versorgung der Kirchen mit goldenen und silbernen Sakralgefäßen und reichen Priestergewändern. Aber auch die kleinen Kirchen auf dem Lande, in abseits gelegenen Dörfern und in den Missionsgebieten, bedurften einer Mindestausstattung an liturgischem Gerät (Kelch, Patene, Pyxis, Kanne und Schale, Rauchfass, Leuchter), das möglichst den Anforderungen an kultische „Reinheit“ genügen musste, also aus edlem Metall sein sollte. Die vierzehn Pfarrkirchen, die Karl der Große kurz vor 800 beim Würzburger Bischof zur Unterstützung der Mission „im Slawenland zwischen Main und Regnitz“ zu errichten beauftragte, konnten ganz offensichtlich bereits mit dem aus dem Awarenschatz erbeuteten Silber ausgestattet werden, wenn man die Pyxis aus der Regnitz bei Pettstadt im Landkreis Bamberg (Katalog 27) richtig deutet. Die – naturgemäß geringere – Ausstattung einer solchen kleinen Pfarrkirche im Bereich des Bistums Würzburg wird exemplarisch in einer Schenkungsurkunde von um 810 an Kloster Fulda aufgeführt: neben verschiedenen Paramenten drei vergoldete capsae (Reliquiare und/oder Chrismalia), Kelch mit Patene, drei Behältnisse mit Deckeln (Pyxiden?), zwei Ministriergefäße, zwei Schellen, eine Glocke und zwei scrinia (Schreine). Wer fertigte all diese kostbaren und wundervollen Kleinodien? An den Königsund Fürstenhöfen, in den Städten Galliens
und Italiens und in den Klöstern arbeiteten hochspezialisierte Goldschmiede, zum Teil in größeren Ateliers. Die Techniken der Verarbeitung edler und unedler Metalle, das Gießen, Treiben, Punzieren, Gravieren, Vergolden und Versilbern, Filigran und Granulation, Niellieren und Tauschieren, Einlegen und Fassen von Steinen, Emaillieren und anderes mehr standen in langer antiker Tradition und wurden seit Generationen weitergegeben. Gold- und die im Frühmittelalter noch nicht von ihnen geschiedenen Silberschmiede waren hochgeachtete Künstler, denen in der Sage zauberische Fertigkeiten nachgesagt wurden. Eligius von Noyon (588–660), Hofgoldschmied Chlothars II. und Dagoberts I., wurde gar heilig gesprochen und ist noch heute Patron der Goldschmiede. Oft hatten sie auch das verantwortliche und einträgliche Amt eines Münzmeisters inne. Am Hofe Karls des Großen war es sein späterer Biograph Einhard, der – als „neuer Beseleel“ wie der alttestamentliche Leiter der Tempel-Stiftshütte – nicht nur für die Aachener Pfalzbauten die oberste künstlerische und architektonische Bauleitung innehatte, sondern als Leiter der Hofwerkstätten auch für die Ausfertigung „aller Regalien im königlichen Palast“ sowie der kirchlichen Einrichtungen zuständig war und „jegliches Werk ... in Gold, Silber und Kupfer .., im Schnitt von Marmor, Edelsteinen und verschiedenen Hölzern ...“ zu schaffen in der Lage war. Hochrangige Goldschmiedearbeiten waren durchweg Auftragsarbeiten: Der Künstler erhielt das Edelmetall, entweder in Münz- oder Barrenform oder als Altschmuck, sowie weiteres Zubehör wie Steine und fertigte daraus das Kunstwerk. Die Bezahlung erfolgte wie bei der Münzprägung durch einen Abschlag vom zur Verfügung gestellten Edelmetall – oft Anlass für betrügerische Manipulationen und Auseinandersetzungen. Eine wichtige Aufgabe kam den Hofgoldschmieden zu, die aus dem Bestand der königlichen oder fürstlichen Schatzkammer Neues zu schaffen und dadurch Rang und Prestige des Herrn zu mehren hatten. Der Goldschmied war also Teil des herrschaftlichen Systems, das hin33
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ter dem Besitz und der Verteilung der Edelmetall-Pretiosen stand. Schlichter Alltagsschmuck konnte hingegen auch von umherziehenden Wanderhandwerkern hergestellt werden, die vermutlich auch den einen oder anderen Fertigschmuck mit sich führten. Wenngleich das wirtschaftliche Leben der Karolingerzeit sowohl in der Gallia, dem heutigen Frankreich, wie auch in der Germania, dem heutigen Deutschland bis zur Elbe, ganz wesentlich auf der Landwirtschaft und zunehmend auch auf dem Handwerk basierte, spielte das Silber als führendes Edelmetall eine entscheidende Rolle als Katalysator bei der Beförderung und Beschleunigung der wirtschaftlichen Prozesse, insbesondere beim regionalen und überregionalen Güteraustausch sowie beim echten Fernhandel. Mit der Währungsreform Karls des Großen wurde der Silber-Denar zum alles beherrschenden Bezugssystem materieller Bewertung. Als Grundlage des Staats- und Privatvermögens in den Königs-, Adels- und Kirchen-
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schätzen sicherte das Silber neben Gold und Edelsteinen als Barvermögen die materielle Existenz dieser Institutionen. Einen hohen symbolischen Wert nahm das Silber bei der aristokratischen Tracht, Waffenund Reitausrüstung ein und wurde unabdingbar für die Ausstattung der Kultbauten der immer noch jungen Religion, dem transzendenten Bezugspunkt des Einzelnen wie des Staates. In all diesen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Funktionen des kalt-schimmernden Metalls offenbart sich überdeutlich: die Macht des Silbers. Literatur: Berghaus 1965a; Berghaus 1965b; Deer 1965; Elbern 1965; Fleckenstein 1965; Grierson 1965; Grierson & Blackburn 1986; Rau 1968–92; Elbern 1988; Riché 1970; Riché 1981; Roth 1986; Johanek 1987; Steuer 1987a; 1987b; Steuer 1998; Witthöft 1994; Haertle 1997; Katalog Paderborn 1999; McCormick 2002; Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, s.v. Karolingisches Münzwesen (B. Kluge); Steuer u.a. 2002; Téreygeol 2002; Hardt 2004
Egon Wamers
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Insignien der Macht
An den höchsten Festtagen trug er außer dem Hemd und den Hosen mit Gold gewirkte Stoffe, eine goldene Tunika, einen goldenen Gurt und ein von Gold glänzendes Schwert, goldene Beinschienen und einen golddurchwirkten Mantel; auf dem Haupt eine goldene Krone und in der Hand einen goldenen Stab.
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Thegan, Das Leben Kaiser Ludwigs, Kap. 19
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Abb. 6 Kaiser Lothar I. LotharPsalter, Brit. Libr. London, Add. Ms. 37768, fol. 4r (kurz nach 842)
u den eindruckvollsten Denkmälern des frühen Mittelalters gehören die Herrscherbilder der karolingischen (Abb. 6–10; vgl. auch Abb. 2, 32) und ottonischen Kaiser, sowie biblischer Herrscher in jeweils zeitgenössischer Darstellung (Abb. 11–13, 33). Sie folgen einem seit der Spätantike feststehenden Bildtopos, beispielhaft im Missorium Kaiser Theoderichs von 388 vorgegeben. Durch Haltung, Gestus und Ornat, versehen mit den jahrtausendealten Zeichen der Herrschaft und umgeben von Hofstaat, Geistlichkeit und himmlischen Mächten verkörpern die Herrscher die imperiale Macht des neuen IMPERIUM ROMANUM. Dass dieses von ihrem Ahn Karl dem Großen gegründete Imperium zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Bilder bereits im Verfall begriffen war, erklärt vielleicht den Wunsch nach solch eindrucksvoller symbolischer Machtdemonstration. Unter diesen Herrscherbildern ist das schlichteste jenes von Kaiser Lothar I. im nach ihm benannten Lothar-Psalter, der kurz nach 842 in seiner Hofschule wohl in Aachen gefertigt wurde (Abb. 6). Trotz einer gewissen malerischen Naivität und Lässigkeit erschließt sich ein hoher realienkundlichen Zeugniswert dieses Bildes. Lothar sitzt auf einem Thron mit Kissen, auf dem Haupt die Krone, gekleidet in Untergewand und Mantel, der auf der rechten Schulter von einer Fibel gehalten wird, beide golden und mit Steinen in vier Farben und Formen verziert, sowie mit purpurroten Kniebundhosen und hellroten gewickelten Beinbinden. Die Linke umfasst das Gefäß des (umgürteten?) Schwertes, die erhobene Rechte das Langszepter, und die Füße in goldenen, bespornten Schuhen ruhen auf einem ebenfalls gemmenverzier-
ten Schemel. Der zunächst karmesinrot gefasste Hintergrund ist violett gedeckt. Das Bild ist von einem schmalen goldenen Rahmen umgeben. Krone, Thron, Szepter, Schwert und Sporen sind die Insignien, die die Macht von Kaiser und König versinnbildlichen und an die sie im Leben auch real geknüpft waren. Sie gehören zum „Kernbestand der Königshorte“. Regelhaft sind sie auf den Herrscherbildern wiedergegeben: im Lothar-Evangeliar (849/851; Abb. 7), in der Vivian-Bibel (845/846; Abb. 8), in der Bibel von St. Paul vor den Mauern (um 870; Abb. 4, 10–12) und im Codex Aureus von St. Emmeran (um 870; Abb. 9), wenn auch bei ihnen das Schwert von einem kaiserlichen Waffenträger gehalten wird. Erst der Besitz der Insignien garantierte die Legitimität der Herrschaft. Der Baiernherzog Tassilo III. händigte 787 bei seiner Unterwerfung Karl dem Großen einen verzierten Stab aus, ganz offensichtlich das Wahrzeichen seiner herzoglichen Souveränität. Ludwig der Fromme übersandte vom Totenbett aus seine Insignien (Krone, Schwert, Szepter) an seinen ältesten Sohn und Mitkaiser Lothar I.; nach Karls des Kahlen Tod überbrachte 877 seine Witwe seinem Sohn und Erben Ludwig dem Stammler mit dem Testament auch das Schwert des Vaters (angeblich das „Schwert Petri“), sein Königsgewand, seine Krone und seinen gold- und edelsteinverzierten Stab, um ihn so „mit der Herrschaft einzukleiden“, also zu „investieren“ (Ann. Bert. 877). In unterschiedlicher Weise repräsentierten die Insignien semiotisch die verschiedenen Funktionen kaiserlicher Macht. Mit den herrscherlichen Enkolpien (Katalog 18-19) mag auf die geistliche Herrschaft verwiesen worden sein, vielleicht 37
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Abb. 7 Kaiser Lothar I. LotharEvangeliar, Bibl. Nat. Paris, lat. 266, fol. 1v (Tours, 849-851)
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dies bei den Feierlichkeiten anlässlich der Taufe des Dänenkönigs Harald Klak, seiner Familie und seines Hofstaat 826 in Ingelheim/Mainz deutlich, die nach höchstem Protokoll von Ludwig dem Frommen persönlich und seiner Familie durchgeführt wurde (S. 159 ff.). Die in Ermoldus Nigellus’ Preislied auf Ludwig den Frommen detailreich geschilderten Festlichkeiten mün-
Abb. 8 König Karl der Kahle. Widmungsbild in der Vivian-Bibel, Bibl. Nat. Paris, lat. 1, fol. 423r (Tours, 845-846)
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auch mit dem prachtvollen Zeremonialschlüssel aus dem Servatiusstift von Maastricht (Katalog 17; vgl. S. 62 ff.). Die kaiserlichen Herrschaftszeichen sind grundsätzlich die gleichen wie die für Könige und Teilherrscher, etwa von abhängigen Völkern. Denn die Herrschaft von Unterkönigen war gleichsam nur ein Spiegel der obersten Autorität. Beispielhaft wird
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Abb. 9 Kaiser Karl der Kahle. Codex Aureus von St. Emmeran in Regensburg, Bayer. Staatsbibl. München, Clm. 14000; fol. 5v, Ausschnitt (Hofschule Karls des Kahlen, um 870)
deten nämlich in der Investitur Haralds zum fränkischen König als Vasall Kaiser Ludwigs. Die Insignien, die Harald von Ludwig erhält, sind ein edelstein- und purpurverziertes Gewand mit Goldborte, Ludwigs eigenes Schwert mit goldenem cingulum (Gehenk), ein gemmenbesetzter Gürtel, goldene Armbänder (Reifen?), eine Krone, goldene Sporen, ein golddurchwirkter Mantel und weiße Handschuhe. Am 40
Folgetag kommendiert sich Harald in Ludwigs Hände, erkennt damit die Oberhoheit des Kaisers an und stellt sein dänisches Reich unter das fränkische. Außer dem Thron erhält der Vasall Harald all die Herrschaftszeichen, die wir auch beim Thronbild im Psalter Lothars I. erkennen, der im Übrigen bei der Taufzeremonie anwesend gewesen war und als ältester Sohn Ludwigs des Frommen und
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Abb. 10 Kaiser Karl der Kahle. Bibel von St. Paul vor den Mauern in Rom, fol. CCCXXXIV v, c.1r. (um 870)
Taufpate eigenhändig Haralds Sohn aus der Taufe gehoben hatte. Ähnliche Zeremonien werden auch mit den Fürsten anderer Randvölker, etwa Bretonen oder Slawen, die man gleichfalls an das Fränkische Reich anbinden wollt, abgehalten worden sein (vgl. S. 169 ff.).
Aus den wenigen erhaltenen Reichs- und Kirchenschätzen sowie aus archäologischen Funden lassen sich die kaiserlichen und königlichen Insignien einigermaßen zuverlässig rekonstruieren oder gar identifizieren.
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Die Krone
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ie mittelalterliche Königskrone geht auf das antike Diadem und die corona zurück, die ursprünglich göttliche Attribute und später Auszeichnungen für künstlerische und militärische Verdienste waren. Seit Konstantin gehörte das Diadem zum Ornat der Kaiser. Es bestand aus einem breiten, im Nacken verknoteten Purpurband mit großem Edelstein und Dreiblattpalmette über der Stirn, dessen Bänder im Nacken flatterten. Seit der Annahme des Imperatorenund Augustus-Titels ließ sich Karl der Große auf seinen neuen Bildnismünzen mit Imperatoren-Diadem abbilden (Abb. 2), worin ihm seine Söhne nachfolgten. Karolingische Kronen sind vornehmlich von den Darstellungen der Herrscherbilder einschließlich der Metzer Reiterstatuette (Katalog 15) bekannt, aber auch von anderen Königsdarstellungen, und haben sich nicht als Realien erhalten; bei der oben schon erwähnten „Eisernen Krone der Langobarden“ handelt es sich wahrscheinlich um eine Votivkrone, die über dem
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Altar aufgehängt wurde und die das hier präsente göttliche Königtum symbolisierte. Die Kronen der Herrscherbilder bestehen aus einem goldenen Reif mit Edelsteinbesatz, der vier palmettenförmige Aufsätze, bisweilen auch einen Bügel erhalten kann. Formal am nächsten kommen ihnen noch ottonische Kronen und die Grabkronen der salischen Kaiser aus dem Speyrer Dom. Manche Kronen erwecken eher den Eindruck, als wären sie aufwändige Varianten der eigentümlichen karolingischen Helme. Dass die Könige nicht nur eine Krone besaßen, geht aus einer Notiz hervor, wonach Karl der Kahle 865 bei einem Feldzug gegen Normannen dreier Kronen verlustig ging. Viele Kronen werden nur herausragender Kopfputz gewesen sein; sie wurden verschenkt wie andere wertvolle Gegenstände auch. Bei festlichen Anlässen, wie der Taufe Harald Klaks in Mainz, trugen auch hohe fränkische Adlige Kronen. Welche Krone zur Regalie und damit zur Herrschaft verleihenden Insignie wurde, entzieht sich heute unserer Kenntnis.
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Der Thron
Abb. 11 Der weise Salomon, umgeben von Leibwächtern und Hofstaat. Bibel von St. Paul vor den Mauern, Rom, fol. CCCXXXIV v, c.188, Ausschnitt, (um 870)
„Und der König [Salomon] machte einen großen Thron von Elfenbein und überzog ihn mit dem edelsten Gold. Und der Thron hatte sechs Stufen, und hinten am Thron waren Stierköpfe, und es waren Lehnen auf beiden Seiten am Sitz, und zwei Löwen standen an den Lehnen. Und zwölf Löwen standen auf den sechs Stufen zu beiden Seiten. Dergleichen ist nie gemacht worden in allen Königreichen.“ Buch der Könige I, 10.18–20
Der regierende und Recht sprechende Herrscher sitzt. Die Untertanen stehen vor ihm oder liegen ihm im altorientalischem Gestus der Proskynese zu Füßen. Das Sitzen ist die Haltung des Souveräns, wo er regiert, ist sein „Sitz“. Dies gilt auch heute noch für alle geistigen und weltlichen Institutionen: den Regierungs- oder Bischofssitz, den Sitz einer Bank oder für ein Unternehmen. Die Ein-Setzung ins Amt ist deshalb die „Inthronisation“. Seit dem 4. Jahrhundert wird auch Christus als himm-
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lischer Herrscher thronend dargestellt. Der Bischofsthron, die Kathedra, ist Symbol der bischöflichen Macht. Aus karolingischer Zeit ist hier die Cathedra S. Petri aus der Peterskirche in Rom zu nennen, ein um 870 für Karl den Kahlen gefertigter Holzthron, der wenige Jahre später dem Papst geschenkt und in Rom mit Spolien einer älteren Kathedra verbaut wurde. Der leere Thron (Hetoimasia) ist Sinnbild der unsichtbaren, geistigen Anwesenheit des Gottes, so auch Symbol des kommenden Christus (Abb. 13). Auf den karolingischen Herrscherbildern und anderen Miniaturen sind drei verschiedene Throne wiedergegeben. Einmal handelt es sich um kastenförmige Sitze, die eine gerade rechteckige, etwa schulterhohe Rückenlehne aufweisen, die Ecken jeweils mit runden Knäufen versehen. Sie scheinen aus Holz gefertigt, zumindest teilweise blattvergoldet sowie üppig mit Edelsteinen verziert zu sein; zum Sitz führen zwei flache Stufen, die auch als Fußstütze dienen (Abb. 9, 11–13). Sie entsprechen der Cathedra S. Petri. Auf diesem Typus aus Handschriften um 870 sitzen Karl der Kahle beziehungsweise biblische Könige. Bei gleichem Sitz hat dagegen eine hohe, oben gerundete und tuchverkleidete Rückenlehne der Thron Karls des Kahlen in der Vivian-Bibel von 845/46 (Abb. 8). Eine große, zylinderförmige und tuchverkleidete Umlehnung des Kastensitzes weisen die Throne im Lotharevangeliar von 849/51 und in der Bibel von St. Paul von um 870 auf, letztere mit hohem tholosartigem Aufsatz (Abb. 7, 10). Seitenlehnen sind nirgends zu erkennen. Eine bestimmte formenkundliche Entwicklung der karolingischen Throne wird man aus diesen Bildern nicht ablesen können; dies belegen auch Throndarstellungen der 820er Jahre im Stuttgarter (Abb. 13, 16) und Utrechter Psalter, wo stuhlartige Typen wie in der Bibel von St. Paul wiedergegeben sind. Auf dem Obergeschoss im Oktogon der Aachener Marienkapelle, der Pfalzkapelle Karls des Großen von um 800, steht auf einem erhöhten Podest ein Thron aus antiken Marmorplatten, ursprünglich mit Holzsitz, der seit alters Karl dem Großen 44
zugeschrieben wurde und auf dem seit ottonischer Zeit die deutschen Könige nach der Krönungsszeremonie Platz nahmen (Abb. 14). Der kastenförmige Sitz hat aus Marmorplatten geschnittene geschweifte Seitenlehnen und eine Rückenlehne mit oberem Bogenabschluss, der allerdings erst in der Neuzeit ausgeschnitten wurde. Jüngere Untersuchungen (Schütte 2000) haben sein karolingisches Alter aus den Jahrzehnten um 800 höchst wahrscheinlich gemacht. Zu diesem erhöhten Thronsitz führten, wie zum sagenhaften Thron Salomos, sechs Stufen hinauf. Und es war Alkuin, der Leiter von Karls Hofschule, der Karl selbst mit dem Erbauer des Tempels zu Jerusalem verglich, welcher mit den Worten der Königin von Saba von Gott „auf den Thron von Israel gesetzt“ war. Während zu den oben dargestellten Thronformen auf den Herrscherbildern
Abb. 12 David, den Tod Sauls und Jonathans beklagend. Bibel von St. Paul vor den Mauern in Rom, fol. CCCXXXIV v., c.93r, Ausschnitt. (um 870)
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keine genaueren zeitgenössischen Realien erhalten sind und man für Vergleiche auf ältere und jüngere Sitze angewiesen ist, gibt es zum Sitz mit Köpfen und Tatzen von Löwen oder anderen Großkatzen im Lothar-Psalter (Abb. 6) von 842 eine sehr gute Entsprechung: den so genannten Dagobert-Thron (Katalog 11). Bei ihm handelt es sich um einen Faltstuhl aus Bronze in antiker Tradition (sella curulis; faldistorium), der zwar durch seine Konstruktion für Reisen gedacht war, aber durch Qualität des Gusses, Größe von 1,04 m Höhe und Seiten- und Rückenlehnen überaus repräsentativ wirkt. Seinen Namen hat er von Abt Suger von SaintDenis im 12. Jahrhundert erhalten, der ihn mit dem Merowingerkönig Dagobert († 638/39) in Zusammenhang brachte. Sicher ist, dass er mindestens zweimal umfassender restauriert beziehungsweise überarbeitet wurde und zahlreiche Reparaturen verschiedener Zeiten aufweist. Zu den ältesten Teilen dieses Sitzes gehören die Großkatzen-Protome mit den Querstreben (von denen eine wohl zu
Abb. 13 Der für Christus von Ewigkeit her bereitete Thron. Stuttgarter Bilderpsalter, fol. 109r, Ausschnitt (820/830)
Sugers Zeiten ersetzt wurde), wahrscheinlich eine Arbeit unter lombardischem Einfluss aus dem späten 8. Jahrhundert. Gegen 800 könnte der Faltstuhl ins Kloster von Saint-Denis gekommen sein. Etwa in der Mitte des 9. Jahrhunderts wurden die durchbrochenen Seitenlehnen und die giebelförmige Rückenlehne angefügt. Wegen ihrer stilistischen Nähe zu Werken aus der Metzer Hofschule Karls des Kahlen wird die Ergänzung mit Lehnen, wodurch der Stuhl ein thronartiges Aussehen erhielt, von diesem Kaiser veranlasst worden sein. Der in Bronze gegossene und gravierte Faltstuhl war ursprünglich vergoldet, so dass er golden schimmerte. Der goldene Löwen-/Panther-Faltstuhl, auf dem Lothar in seinem Psalter von 842 sitzt (Abb. 6), weist keine Lehnen auf; er könnte also mit dem ursprünglichen „Dagobert-Thron“ identisch sein. Auch für den Löwen-Faltstuhl, auf dem der Evangelist Marcus im Ebo-Evangeliar sitzt, scheint er Vorbild gewesen zu sein. Vielleicht ist mit dem „auratus thorus“, auf dem sich Ludwig der Fromme während der Rast beim Jagdausflug mit dem Dänenkönig Harald 826 niederlässt (Ermoldus Nigellus, Carmen 544), ebenfalls dieser oder ein ähnlicher Faltstuhl gemeint, selbst wenn „torus“ eher „Kissen“ bedeutet. Im alten Rom war die sella curulis in Form des Faltstuhls (faldistorium) Sitz des Consuls. Throne mit Löwen- (oder Großkatzen-) Lehnen gehen auf die Throne der vorderasiatischen „Potnia theron“ (Ishtar) zurück, der göttlichen Tiermutter. In karolingischer und späterer Zeit bezieht man sie auf den Thron Salomos, womit die Weisheit des alttestamentlichen RichterKönigs evoziert werden sollte, auch bei den mittelalterlichen Bischofssitzen. 11 So genannter Dagobert-Thron (Nachbildung) Bronze, Spuren von Vergoldung H. 104 cm; B. 82 cm Norditalien?, Aachen?, Metz, ca. 800–850 Cabinet des Médailles, Bibliothèque National Paris, Inventar 1634 Nr. 362 Nachbildung Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, Inventar 42574 Weidemann u. Staude 1976; Schramm 1954, 316 ff. Abb. 36–37; Schramm 1971, 285–287 Abb. 5; Gaborit-Chopin 1991; Katalog Aachen 2000
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Katalog 11
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Abb. 14 Thron Karls des Großen im Obergeschoss des Oktogons der Aachener Pfalzkapelle (um 800). Domkapitel Aachen
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Das Szepter
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as erste Gerät des Menschen war der Stock: Werkzeug und Waffe. Seit alters ist der Stab Zeichen des handelnden Menschen. Als Gehstütze und als Züchtigungsmittel der Hirten wird er in den alten Kulturen zum Würdezeichen und Amtsemblem, insbesondere des Gesetzgebers und Richters, sowie zum Signum von Herrschaft. Attribut des Göttervaters Iupiter ist ein Stab mit Knauf. Im Alten Testament kommt ihm als Stab Moses’ und Aarons magische Kraft zu; in der Offenbahrung des Johannes (2,27; 19,15) wird Christus „die Völker regieren mit eisernem Stab“. Viele Kulturen kennen den Rednerstab für die feierliche, verbindliche Rede; so halten in der christlichen Kunst die Engel bei der Verkündigung den Kreuzstab. Seit dem frühen Mittelalter ist er als Hirtenstab (baculum pastorale) Amtsinsignie der Bischöfe und Äbte, wovon besonders eindringlich der so genannte „Pilgerstab des hl. Servatius“ aus Maastricht sowie der reich verzierte Petrusstab mit antiker Spolie aus Köln, Limburg und Prag Zeugnis ablegt (vgl. S. 62 ff.; Abb. 22–23). Mit dem Kreuzstab als vexillum (Heereszeichen) stellt Konstantin der Große seine Herrschaft unter die neue Staatsreligion. Auf fast allen karolingischen Herrscherbildern hält der thronende Kaiser einen Stab in der Hand: das Langszepter (baculum). Das obere Ende ist zumeist mit einem runden Knauf versehen oder zumindest verdickt, der Stab selbst kann Verzierungen, etwa in Form kleiner Nodi oder Beschläge, aufweisen, und einige scheinen mit den Enden in Manschetten oder Hülsen zustecken (Abb. 15). Notker beschrieb den Stab des ostfränkischen Königs Ludwigs des Deutschen aus eigener Anschau48
ung (857/59): „ein Stecken aus einem Apfelbaum, durch seine gleichmäßigen Knoten (nodi) bewundernswert, kräftig und schrecklich, mit einem Handgriff aus Gold oder Silber mit schönen erhabenen
Abb. 15 Hirtenstab des David mit Endbesatz. Stuttgarter Bilderpsalter, fol. 158r (820/830)
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Katalog 12 Katalog 13
Figuren“ (Gesta Karoli I, cap. 34). Erstmals wird im Psalter Karls des Kahlen neben dem Langszepter das Kurzszepter (sceptrum) dargestellt, dazu der Globus („Reichsapfel“) als sphaira, beide aus antiker Tradition und damit an spätantike Herrscherdarstellungen anschließend, letzterer auch bei der Reiterstatuette aus dem Metzer Dom, bei dem das Szepter verloren gegangen ist (Katalog 15). Der Schuh eines solchen Stabes hat sich im böhmischen Männergrab von Stará Kourˇim 55 aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts erhalten, wo er am linken Bein des Toten aufgefunden wurde (Kata-
log 12). Der mit einer einfachen karolingischen Schwertgarnitur der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts ausgestattete Reiterkrieger (Katalog 39) hatte seine Ausrüstung sicher von einem ostfränkischen Beamten oder Grafen erhalten, ebenso wie die auf einen bronzeblech-kaschierten Sandstein geschobene Silbermanschette, die unten abgerundet und im oberen Teil mit zwei Akanthusranken im Stil des Godescalc-Evangelistars aus dem Ende des 8. Jahrhunderts verziert ist – wozu es im übrigen enge Parallelen auch auf der ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Pyxis von Ribe (Katalog 28) und dem Marienreli49
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quiar aus dem Hildesheimer Domschatz (Katalog 31) gibt. Die Interpretation des singulären Hohlzylinders aus Stará Kourˇim als Fuß eines karolingischen Amtsstabes (oder einer Standarte?) wird durch eine Anzahl von eisernen Endbesätzen in vergleichsweise reichen sächsischen und kroatischen Kriegergräbern des 9. Jahrhunderts unterstützt, wo sie in ähnlicher Lage zu Füßen der Toten liegen und offensichtlich mit der Ausübung fränkischer Herrschaft oder des Richteramtes zusammenhängen. Vielleicht kann man dem Stabschuh aus Stará Kourˇ im eine merkwürdige vergoldete Bronzetülle mit karolingischem vegetabilem Schuppendekor aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg an die Seite stellen, deren Fundort unbekannt ist (Katalog 13). In dieser Tülle war ursprünglich ein Eisenstab mit Hilfe von Blei befestigt gewesen. Offensichtlich hatte man auch die slawischen Vasallen – 845 empfing Ludwig der Deutsche „vierzehn der Herzöge der Böhmen mit ihren Leuten und ließ sie am Sonntag nach Epiphanie (13. Januar) taufen“ (Ann. Fuld. 845) – mit Schwertgarnituren und weiteren insignia ausgestattet, um in ihrem lokalen Machtbereich Herrschaft in fränkischem Namen auszuüben.
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12 Endbesatz eines Langszepters (Amtsstab) Der Endbesatz besteht aus einem facettierten, mit Bronzeblech überzogenem Sandstein, auf dem oben eine vergoldete und niellierte Silberblechtülle aufgeschoben ist. In der Tülle befinden sich noch Reste des einstigen Holzstabes. Die muldenförmig ausgeführte, vergoldete Ranke entspricht der karolingischen Hofkunst des ausgehenden 8. Jahrhundert oder um 800 (Evangelistar des Godescalc; Ribe-Pyxis Katalog 28; Hildesheimer Reliquiar Katalog 31). Sandstein, Bronze, Silber, Vergoldung und Niellierung Gesamtl. 15 cm; Tüllenl. 8,6 cm. Stará Kouˇrim Grab 55, Bezirk Kolín (Böhmen), Ende 8. Jh. Národní muzeum, Oddˇelení prehistorie a protohistorie, Inventar H-196 671 ˇ Solle 1966, 260 Abb. 11a; Katalog Berlin, Mannheim 2002, Nr. 07.02.01 (N. Profantová) 13 Bronzetülle (eines Amtsstabs?) Der hohle kräftig gegossene und teilvergoldete Bronzezylinder ist nur noch fragmentarisch erhalten. Innen (Dm. 1,3 cm) ist der Rest eines mit Blei eingegossenen Eisenteils erkennbar, vermutlich die Halterung eines Aufsatzes. Am (unteren?) Ende besitzt der Zylinder eine vergoldete Randleiste, darunter gibt es eine ringförmige Aussparung, vielleicht für einen Blechbesatz oder eine weitere Montage. Die Oberfläche bedeckt ein schuppenförmiges Arkadenmuster mit leicht erhabenen Ovalen, die in flachem, gegossenem Relief Akanthuspalmetten tragen. In jeder Reihe gibt es vier Bögen, wobei sie jeweils nach oben bzw. unten versetzt sind. Die erhabenen Partien sind vergoldet. Bronze vergoldet; Blei und Eisen; L. 10 cm; Dm. 2,2 cm Fundort unbekannt, vermutlich Raum Nürnberg, 9. Jh. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inventar R 352 Unpubliziert.
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Armreifen
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ie immer wieder in den Schriftquellen (historische Notizen, Preislieder, Testamente und anderes) erwähnten goldenen armillae oder baugae (Armreifen oder -spangen) sind nicht als archäologische Funde überliefert, scheinen aber zum festen Bestand königlicher Insignien gehört zu haben. Der Dänenkönig Harald erhält 826 bei der Investitur von Ludwig dem Frommen goldene Bänder (vincla) für die Arme. Sie gehen vermutlich auf die seit spätrömischer Zeit als dona und Auszeichnungen an Barbarenfürsten verliehenen massivgoldenen Armringe zurück, die sich in völkerwanderungszeitlichen Fürsten- und Königsgräbern wiederfinden, etwa im Grab des Frankenkönigs Childerich von 481. Einen kräftigen goldenen, edelstein-
besetzten Reif am rechten Arm tragen in den Herrscherbildern sowohl Kaiser Karl der Kahle wie auch König Salomon (Abb 9–11). Die einzigen bislang bekannten karolingischen Edelmetall-Armreifen sind bandförmige geometrisch verzierte offene Silberringe aus dem Nordseeküstenbereich, zum Beispiel aus dem Wikingerschatz von Wieringen, die aber nicht als „königlich“ bezeichnet werden können. Vielleicht darf man sich kostbare karolingische armillae des 9. Jahrhunderts ähnlich gestaltet vorstellen wie den massiven bronzevergoldeten Scharnierarmreif aus Truchtlaching im Chiemgau mit Tassilokelchstil-Verzierung aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts (Katalog Frankfurt 1994, Kat.Nr. V/3 – E. Wamers), nur jetzt mit Akanthusornamentik.
Kaiser Karl der Kahle mit goldenem und edelsteinverziertem Armreif. Ausschnitt aus Abb. 9
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Das Schwert
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eine Insignie drückt so unmittelbar die Herrschergewalt aus wie das Schwert. Seit der Bronzezeit ist das zweischneidige Schwert die wichtigste und furchtbarste Nahkampfwaffe des Kriegers, die noch in ihren neuzeitlichen Ausprägungen von Degen und Florett Teil der Identität des waffenberechtigten Mannes ist. In der Vollbewaffnung des germanischen Freien der Völkerwanderungsund Merowingerzeit stand an erster Stelle die Spatha, das zweischneidige Langschwert; sie wurde aufwändig geschmiedet und samt Aufhängung kunstvoll verziert. Ungezählte Kriegergräber des frühen Mittelalters bezeugen die hohe Wertschätzung und Symbolkraft des Schwertes in dieser Zeit, doch war es den führenden Schichten vorbehalten (Abb. 5). Im Alten Testament symbolisiert das Schwert Kampf und Gericht; im Frühmittelalter wird es ausgesprochenes Machtund Herrschaftssymbol, das bei Rechtsakten wie der Krönung, Gewaltenübertragung und bei der königlichen Rechtsprechung präsent sein musste (Abb. 16). Anders als der Stab, der die Recht sprechende Gewalt versinnbildlicht, steht das Schwert für die vollstreckende Gewalt (ius gladii). Durch das Anlegen des Schwertes wird die entsprechende Macht übertragen, insbesondere das Herrschaftsrecht, wie es beispielhaft bei der Investitur des Dänenkönigs Harald Klak durch Ludwig den Frommen 826 geschah. In der Bildtypologie des frühen Mittelalters gehört somit das Schwert zum Herrscher und zum königlichen Richter wie die Krone und der Thron. Kaum ein Herrscherbild, das nicht den König mit dem Schwert an der Seite zeigt wie im LotharPsalter (Abb. 6) oder wo ihm nicht ein
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Waffenträger das Schwert reicht (Abb. 7–11). Wird der König als Richter dargestellt, wie etwa David im Stuttgarter Psalter, hält er das Schwert auf den Knien (Abb. 16). Auf den karolingischen Bildern lassen sich die Schwerttypen der Karolingerzeit mit ihren charakteristischen drei- und fünfgliedrigen oder dreiseitigen Knäufen, die aus archäologischen Funden gut bekannt sind, sehr gut identifizieren. Die eigentlichen eisernen Schwertblätter mit Griffangel von insgesamt etwa 1 Meter Länge wurden in spezialisierten Werkstätten aus hochwertigem Stahl geschmiedet und wa-
Abb. 16 König David als Richter. Stuttgarter Bilderpsalter, fol. 105r (820/830).
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Abb. 17 Kampf Davids mit Goliath mit charakteristischen karolingerzeitlichen Waffen. Stuttgarter Bilderpsalter, fol. 158v (820/830). David ... nahm einen Stein und schleuderte ihn und traf den Philister an die Stirn, dass ... er zur Erde fiel ... David aber hatte kein Schwert in seiner Hand. Da lief er hin ... und nahm dessen Schwert und zog es aus der Scheide und tötete ihn vollends und hieb ihm den Kopf damit ab. (1. Buch Samuel 17.49 ff.)
ren in der ganzen damaligen Welt sehr begehrt, so dass sie mehrfach mit einem Exportverbot belegt werden mussten. Besonderes Augenmerk wurde den Gefäßen (Griffpartie) gewidmet, von denen Parierund Knaufstange sowie Knauf kunstvoll mit Bunt- und Edelmetalleinlagen verziert wurden. In der Ausstellung wird das Schwert aus dem Altrhein bei MannheimFriesenheimer Insel (Katalog 14) gezeigt, dessen angenietetes Gefäß ein messingund silbertauschiertes Schachbrettmuster mit Silberfiligran-Trennern trägt. Seine fragmentarische Klinge ist mit Herstellernamen (VLFBEHT+) und -zeichen des Schwertfegers damasziert. Der eigentliche Griff war ursprünglich mit einem organi-
schen Material (Horn, Holz, Bast, Leder?) umwickelt gewesen. Das wohl schönste karolingische Schwert (frühes 9. Jahrhundert) kommt aus dem Bootkammergrab von Haithabu bei Schleswig, der königlichen Bestattung eines dänischen warlords (Katalog 38). In Parier- und Knaufstange und in den Knauf selbst sind in aufwändiger Silbertauschiertechnik fein gezeichnete Bilder aus dem Fundus karolingisch-christlicher Heilsmotivik eingelegt. Der organische, heute vergangene Griff wurde von zwei verzierten Messingblechhülsen gehalten. Zusammen mit den anderen karolingischen Stücken in diesem bemerkenswerten Grab dürfte es ein hochrangiges Geschenk des fränki53
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schen Hofs sein. Die Verzierung der Schwerter wurde wie schon seit Jahrhunderten auch in karolingischer Zeit nicht nur aus ästhetischen Gründen vorgenommen, sondern auch, um Schaden von der Waffe abzuwenden und ihrem Nutzer Glück zu bringen. Das Schwert Ludwigs des Deutschen war „mit .. erhabenen Kreuzchen in der Mitte zum Verderben für die Heiden“ versehen (Notker, Gesta, Kap. 34), also vermutlich mit damaszierten Kreuzmustern. Noch größere Sorgfalt verwandte man bei der Gestaltung der Schwertaufhängung, die als fester Bestandteil des Schwertes zugleich wirkungsvollster Schmuck des Kriegers waren. Aus dem Kerngebiet des ehemaligen Karolingischen Reiches hat sich keine vollständige Spatha-Aufhängung erhalten, sondern nur aus dem normannischen Norden, den slawischen Groß-Mähren und Alt-Kroatien sowie aus dem italienischen Benevent. Dabei weisen das böhmische Fürstengrab von Kolín (Katalog 40), der Schatzfund von Duesminde (Katalog 36b.1–2) wie auch der südschwedische Hortfund von Östra Påboda und die Garnitur aus Kloster San Vincenzo al Volturno ganz charakteristische Beschlagsätze solch prachtvoller silbervergoldeter Schwertaufhängungen mit einem kleeblattförmigen und zwei bis drei ovalen Beschlägen, großer Riemenzunge sowie einer großen Schnalle auf. Eine ganz schlichte bronzene Garnitur mit eingepunzter, akanthus-imitierender Strichverzierung lag hingegen im nur wenige Kilometer von Kolín entfernten Grab 55 von Stará Kourˇim (Katalog 39); sie kommt sicherlich ebenfalls aus einer fränkischen Werkstatt, ist aber ein rein funktionstüchtiges Exemplar für den kämpfenden Krieger. Besonders gute Wiedergaben von Schwertern und Schwertscheiden mit Trageriemen zeigen der Stuttgarter Bilderpsalter von ca. 820/830 (Abb. 17), die VivianBibel von 845/846 (Abb. 8, 18), das Lothar-Evangeliar von 849/851 (Abb. 7), die Handschrift in Prag aus dem 9. Jahrhundert (Abb. 19), die Bibel von Sankt Paul von um 870 (Abb. 10–11) und der 54
Abb. 18 Leibwächter Phelethi, der König Davids Spatha trägt. VivianBibel, Bibl. Nat. Paris, lat. 1, fol. 215v, Ausschnitt (Tours, 845–846)
Abb. 19 Spatha in Scheide mit Aufhängung zu Füßen des von Christus berufenen Matthäus. Bibliothek des Metropolitankapitels, Prag. Cim. 2, f. 23v, Ausschnitt (9. Jh.)
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Abb. 20 Goldener Kleeblattbeschlag aus dem Schatzfund von Hon, Norwegen, sekundär zur Fibel umgearbeitet. Universitetets Oldsaksamling, Inventar C 724 (Schatz vergraben nach 852)
Codex Aureus von St. Emmeran von um 870 (Abb. 9). Stets ist zu erkennen, dass der Waffengurt mit ovalen oder D-förmigen Beschlägen an die Scheide genietet und dass an einem Riemenende eine große Schnalle und am anderen ein großer Endbeschlag befestigt sind. Die Schwerter werden von den Waffenträgern dem Kaiser mit um die Scheiden herumgewickelten Gurten gereicht (Ausnahme: Stuttgarter Psalter), es handelt sich also um kaiserlich-königliche Schwertgarnituren, wobei die Spatha in leichter Schräglage an der linken Seite getragen wurde (Abb. 17), damit sie weder beim Gehen noch beim Reiten störte. Bei den Malereien wurde großer Wert auf die Darstellung der Beschlagsätze gelegt, mehrfach sind sie farbig oder weiß konturiert oder ergänzt. Die charakteristischen Kleeblattbeschläge sind jedoch nur bei den Darstellungen der vierziger Jahre bis um 870 (Bibel von St. Paul, c. 188v; Abb. 11) wiedergegeben. Bei diesen in den archäologischen Funden sich so gut repräsentierten Garnituren scheint es sich nur um eine Modeerscheinung von etwa zwei bis drei
Generationen zu handeln, wobei vorher und nachher die Beschlagsätze ohne dreiarmigen (kleeblattförmigen) Riemenverteiler auskamen. Bei dem (vollständigen?) Beschlagsatz des späten 9. Jahrhunderts aus dem Schatz von Marsum (Katalog 35b) gibt es einen rechteckigen Beschlag, der auf der Unterseite zwei v-förmig angebrachte breite Ösen für durchzuziehende Riemen hat und der offenkundig als Riemenverteiler fungiert hat, ähnlich wie die dreiarmigen Exemplare. Vielleicht sind die Kleeblattbeschläge bei einigen der Darstellungen aber nur verdeckt und nicht sichtbar. Dafür spricht, dass der Kleeblattbeschlag aus dem Schatzfund von Häljarp (Katalog 33) mit seinen löffelartigen Akanthusblättern und der Stengelblüte stilistisch in den Umkreis der Hofschule Karls des Großen (Südwest-/Nordost-Gitter – Braunfels 1965b; Lebuinuskelch) gehört (ca. 800–814). Aus der Hofwerkstatt Lothars oder Karls des Kahlen dürften der goldene Kleeblattbeschlag aus dem norwegischen Schatz von Hon (Abb. 20) und die goldene Riemenzunge aus Chateauroux (Katalog 24) stammen; die Beschläge und Garnituren aus vergoldetem Silber im Schatz von Duesminde (Katalog 36b.1–2) etwa oder im Grab von Kolín (Katalog 40) dürften dagegen als „adelig“ anzusprechen sein. Zur Ausstattung „normaler“ Krieger gehörten Beschlaggarnituren aus Bronze, wie etwa diejenigen aus dem Grab 55 von Stará Kourˇim (Katalog 39). So sehr die Spatha Zeichen und Insignie des Herrschers war – in der Hand des Kriegers blieb sie zentrales Kriegsgerät, von dessen Qualität der Ausgang des Kampfes mit abhing.
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14 Spatha aus dem Altrhein bei Mannheim-Friesenheimer Insel Zweischneidiges Langschwert (Spatha) aus dem Altrhein bei Mannheim, von dem die Klingenspitze (Ort) fehlt. In die Klinge ist der Hersteller-(Atelier)name (VLFBEHT+) und auf der Rückseite ein geometrisches Schwertfeger-Zeichen damasziert. Das geschmiedete Gefäß mit einem messing- und silbertauschierten Schachbrettmuster ist angenietet; die Knauffelder sind durch kräftige Silberfiligrandrähte voneinander getrennt. Der eigentliche Griff war ursprünglich mit einem organischen Material (Horn, Holz, Bast, Leder?) umwickelt gewesen. Die Fertigermarke „Ulfberht“ kommt in verschiedenen Varianten sehr häufig auf qualitätvollen Spathaklingen der Karolingerzeit vor. Dahinter stand eine Waffenfabrica, die – wohl im Rheinland – über etwa 200 Jahre hervorragende Blankwaffen fertigte, die bis in das arktische Norwegen und ins wikingische Dublin gelangten, sei es durch Handel oder auf anderem Wege. In Skandinavien sind die importierten karolingischen Spathen oft mit eigenen nordischen Gefäßen (Handhaben) versehen worden. In welchem Umfang auch die Gefäße von der Ulfberht-Firma oder von anderen Werkstätten montiert wurden, ist unbekannt. Die kalte, elegante Pracht der Mannheimer Handhabe vermittelt einen guten Eindruck von der Aufmachung eines hochwertigen und gebrauchstüchtigen Schwertes für den karolingischen Adel. Dass so viele karolingische Spathen als Flussfunde zu Tage gekommen sind, wird meist mit einer Opfersitte interpretiert. Eisen, Messing- und Silbertauschierung; L. 79,5 cm; Gefäßl. 17,2 cm Fränkisch, erste Hälfte 9. Jh. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inventar FG 2187 Menghin 1980, 227 ff.
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Sporen und Zaumzeug
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eben seinen Aufgaben (im Auftrag Gottes) als Regent und Richter ist der karolingische König vor allem Kriegsherr. Kriege führt der Herrscher zu Pferde. Nicht erst seit der römischen Kaiserzeit feiert sich der Imperator als triumphierender Reiter, den Feind unter den Hufen, ein Bild, das auf zahlreichen Soldatengrabsteinen des 1. bis 4. Jahrhunderts die Hoffnung auf Todesüberwindung ausdrückt und zum festen Bildprogramm des so genannten Thrakischen Reiterheros wurde. Im Zuge der Christologisierung der spätrömischen Kaiserikonographie wird auch Christus als siegreicher Reiter dargestellt. Von den in der Antike auf öffentlichen Plätzen aufgestellten lebens- oder überlebensgroßen Reiterstandbildern waren im Westen in karolingischer Zeit noch das des Marc Aurel vor dem Lateran in Rom, das damals als das Bild Konstantins galt, das Regisol in Pavia und das spätantike Reiterdenkmal Theoderichs des Großen in Ravenna zu sehen. Letzteres ließ Karl der Große, der an das Königtum Theoderichs anknüpfen wollte, 801 nach der Kaiserkrönung nach Aachen schaffen und dort vor der Pfalz aufstellen. Die 24 cm hohe bronzene Reiterstatuette aus dem Domschatz von Metz, heute im Louvre, wurde wohl eher von Karl dem Kahlen um 870 in Metz in Auftrag gegeben als noch von seinem Großvater (Katalog 15); sicherlich sollte sie aber Karl den Großen als „neuen Konstantin“ darstellen. Sie ist das Idealbild des karolingischen Herrschers. Vermutlich wird die Aachener Reiterstatue als imposantes Denkmal eines germanischen Herrschers in römischer Tradition Anregungen für sie gegeben haben; der geplante Aufstellungsort der
Metzter Statuette und ihre Funktion bleiben jedoch ungeklärt. Sie repräsentiert aber nicht den triumphierenden Reiter, sondern den mit Insignien ausgestatteten regierenden Herrscher: Das Ross dient hier gleichsam als erhöhter Thron für den Kaiser mit – heute verlorenem – Szepter, der „im Sattel“ regiert. Dass aber auch der thronende Lothar I. (Abb. 6) mit Sporen bekleidet ist und dass zur Investitur des Dänenkönigs Harald Klak neben anderen Insignien goldene Sporen angebunden werden, so wie sich fränkische filigranverzierte Silbersporen im böhmischen Kolín (Katalog 40) und vergoldete Silbersporen in kroatischen Fürstengräbern finden, das macht deutlich, dass der wahre Herrscher der Karolingerzeit immer auch Reiterkrieger ist. Sporen sind Sinnbild der Gewalt des Reiters über das Pferd; Metaphern wie „Sporen geben“ und „Ansporn“ verdeutlichen den Vorgang des gewaltsamen Erzwingens. Karolingische Kaiser wurden mit angeschnallten Sporen bestattet, wie etwa Ludwig der Deutsche, in dessen Sarkophag in Kloster Lorsch 1800 neben anderem goldene Sporen angetroffen wurden, die später allerdings bis auf einen Riemenläufer (Katalog 23) verloren gingen. Die Sporen des normalen Reiter(krieger)s, soweit sie aus Grabfunden der Karolingerzeit bekannt sind, bestehen aus Eisen; gelegentlich sind der Bügel, die Schnallen oder der Dorn (Stimulus) mit Bunt- oder Edelmetall verziert. Die u-förmigen Sporen wurden mit einem Riemen, der durch Schlaufen oder mit Nieten an den Enden befestigt war, an die Stiefel geschnallt, wozu einfache Schnallen mit Riemenläufern und Endbeschlägen verwendet wurden. Sporen aus Edelmetall sind im Kern57
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auch als Votivfunde denkbar sind, handelt es sich um Reiterzubehör hochrangiger fränkischer Krieger, zumindest des niederen Adels. Unter den Beschlägen und Schnallen des Schatzfundes von Duesminde gibt es einen annähernd kompletten Satz Sporengeschirr mit den charakteristischen Riemenläufern; lediglich eine Schnalle fehlt (Katalog 36c). Die Metzter Reiterstatuette (Katalog 15) zeigt auch die Aufschirrung des kaiserlichen Rosses mit Kopfgestell, Zügeln und Sattelriemen, doch sind Details von Trense und Beschlägen kaum auszumachen. Da die Pferde von König und Adel den Status der Reiter spiegeln sollten, wurde ihr Zaumzeug ähnlich aufwändig mit silbervergoldeten Beschlägen versehen. Details
Abb. 21 Ross und Reiter. Ross in voller Aufschirrung mit Sattel, Kopfgestell und Leibgurten mit zahlreichen Nebenriemen mit Riemenendbeschlägen. Stuttgarter Bilderpsalter, fol. 88v, Ausschnitt (820/830)
Katalog 15
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gebiet des Karolingischen Reiches äußerst selten. Aus dem Rhein bei Mainz kommt ein Paar Schlaufensporen aus versilberter Bronze, das im Tassilokelch-Stil verziert ist und somit in die letzten Jahrzehnte des 8. Jahrhunderts gehört, als Edelmetall noch knapp war (Katalog 16a). Aus vergoldeter Silber-Kupfer-Legierung mit Nielloeinlagen ist indes das Sporenfragment aus dem Rhein bei Bacharach gefertigt (Katalog 16b), dessen Akanthusornamentik auf die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts hinweist. Reines Silber wäre ein zu weiches Material für diese starken Belastungen ausgesetzte Reithilfe. Bei den drei Sporen aus dem Rhein, die vielleicht bei der Flussdurchquerung zu Pferde verloren gingen, andererseits aber
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Katalog 16
der Pferdeschirrung zeigen uns zeitgenössische Reiterdarstellungen, etwa im Stuttgarter Bilderpsalter (820/830; Abb. 21) oder in der Bibel von St. Paul (um 870; Abb. 1): Im Gegensatz zur Statuette werden hier echte Sättel gezeigt; oft sind die Riemen dicht mit Beschlägen besetzt, und es gibt kreuzförmige oder runde Riemenverteiler am Kopfgeschirr. Interessanter Weise haben bei den älteren Darstellungen im Stuttgarter Psalter von 820/830 die Kopfgestelle selten einen Querriemen oberhalb der Nüstern wie bei der Metzer Statuette; diese treten standardmäßig erst bei den jüngeren Bildern wie der Bibel von St. Paul (um 870) auf, was allerdings kaum ein 60
Datierungskriterium sein kann. Nicht selten erkennt man eine ganze Zahl von Riemenenden, Glöckchen oder Anhängern, die an kurzen Nebenriemen oder vom Sattel herabhängen. Vielleicht ist der eigentümliche gebogene Anhänger aus dem Duesminde-Schatz ein solches Stück (Katalog 36f); auf jeden Fall gehören die beiden Sätze mit je vier quadratischen Beschlägen zum Pferdegeschirr (Katalog 36d.1–2). Sie besaßen ursprünglich einen Steg mit großer Schlaufe („gestielte Ösenbeschläge“), mit der ein Riemen variabel festgezurrt werden konnte, und saßen vermutlich paarweise oberhalb der Trense. Die schönste karolingische Trense wurde im Bootkammergrab
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von Haithabu gefunden: das bislang einzige in Messing gegossene Exemplar der Karolingerzeit (Katalog 38). Bei allem Aufwand, der beim Zaumzeug karolingischer Ritter getrieben wurde, und obwohl zur vollständigen Ausstattung eines Königs sein Pferd gehörte – Insignien, zeichenhafte Herrschaftssymbole, sind Zaumzeuge und Geschirre nie geworden. 15 Reiterstatuette Karls des Kahlen (Nachbildung) Die Reiterstatuette aus der Kathedrale von Metz, lange und erneut wieder als Bildnis Karls des Großen angesehen, wurde vermutlich erst von seinem Enkel Karl dem Kahlen geschaffen. Vermutlich hat er sie anlässlich seiner Krönung zum König 869 in Metz in Auftrag gegeben und wollte sich damit als neuer Karl der Große stilisieren. Denkbar ist, dass sie auf das Reiterstandbild Theoderichs des Großen, das Karl der Große aus Ravenna holen und in Aachen aufstellen ließ, Bezug nimmt. Es handelt sich um einen komplexen, mehrteiligen Guss, der vor der Aachener Bronzegießerwerkstatt (ab Ende des 8. Jahrhunderts) nördlich der Alpen nicht denkbar ist. Der Kaiser/König ist hier mit seinen wichtigsten Insignien versehen: Krone, Szepter (fehlt heute), Sphaira und Schwert; doch sind sowohl er selbst wie auch sein Pferd schlicht und ohne Prunk ausgestattet – so wie Karl der Große es nach Einhards Schilderung vorzog. Bronze, H. 23,5 cm Lothringen (Metz?), um 870 (?) Original: Paris, Musée du Louvre Nachbildung: Deutsches Historisches Museum Berlin Schramm 1983, 58 ff. Nr. 43; Schramm, Mütherich 1962 Nr. 58; Gaborit-Chopin 1999 16a–b Sporen des Adels Aus dem Gebiet des Karolingischen Reiches gibt es nur ganz wenige Funde von Sporen aus Bunt- oder
Edelmetall. Dazu gehört ein komplettes Paar aus dem Rhein (?) bei Mainz (a). Seine u-förmigen Bügel, die am Hinterfuß über den Stiefel geschoben und festgebunden wurden, bestehen aus versilberter Bronze, während der Stimulus (Dorn), der eigentliche „Sporn“, aus Eisen gearbeitet ist. Die Bügel sind jeweils in 19 Felder gegliedert, welche Tierdarstellungen im Tassilokelch-Stil tragen. Dies ist der von der angelsächsischen Sakralkunst beeinflusste Kunststil aus der Regierungszeit Pippins des Jüngeren und seines Sohnes Karls des Großen bis zur imperialen antikischen Kunst nach der Kaiserkrönung, mit dem Sakralgerät (Katalog 27, 43) und die Ausstattung von Waffengurten und Reitzeug des Adels verziert wurden. Seine Ikonographie, die Tiere der Schöpfung am Lebensbaum und damit Jenseitserlösung verheißend, entsprach der geistigen Programmatik dieser fränkischen Elite. Aus vergoldetem Silber mit Niello-Einlagen besteht das Sporenfragment, das angeblich aus dem Rhein bei Bacharach stammt (b). Auch bei ihm ist der Stimulus aus Eisen. Der Bügel ist mit Akanthusblättern im Stil des mittleren 9. Jahrhunderts verziert. a. Bronze, vergoldet; L. 14,2 cm Mainz (aus dem Rhein?), 2. Hälfte 8. Jh. Landesmuseum Mainz, Inventar 0,349–350 Haseloff 1951, 36 Abb. 20 Taf. 12 b. Silber vergoldet; L. 8,4 cm Bacharach, Rheinland-Pfalz (aus dem Rhein), mittleres Drittel des 9. Jhs. Landesmuseum Mainz, Inventar 0,353 Werner 1969, 500 f. Abb. 2 Taf. 25b
Literatur: Schramm 1954; Schramm, Mütherich 1962; Schramm 1983; Lexikon der Christlichen Ikonographie; Der Kleine Pauly; Lexikon des Mittealters; Reallexikon der Germanischen Altertumskunde; Gaborit-Chopin 1999; Katalog Aachen 2000; Vierck 2002
Egon Wamers
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Geistliche Insignien
Stab und Schlüssel Ein bis heute gebräuchliches Abzeichen der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt und der Hirtenaufgabe ist der Stab. Schon im 7. Jahrhundert erwähnt Isidor von Sevilla ihn in seinem Buch über das geistliche Amt (De ecclesiasticis officiis) als Zeichen der bischöflichen Leitungsgewalt. Als Amtsinsignie bezeugt ihn ferner – neben dem Ring – das 633 abgehaltene Konzil von Toledo. Und im Bereich des insularen wie des gallischen Mönchtums scheint seit dem 7. Jahrhundert auch bei den Äbten der Gebrauch des Stabes üblich zu werden. Dass es bereits unter den frühen Stäben solche gab, die aus kostbarem Material gefertigt und aufwändig verziert waren, ist einer Nachricht zu entnehmen, die der Kanoniker Flodoard überliefert. In seiner im 10. Jahrhundert verfassten Geschichte der Kirche von Reims erwähnt er eine argentea cabuta figurata, einen figürlich gestalteten silbernen Stab, den Flodoard mit dem hl. Remigius († um 533) in Verbindung bringt. Vermutlich handelt es sich um jene bis ins 17. Jahrhundert in Reims bezeugte Insignie, von der gesagt wurde, der Heilige habe sie als Zeichen seines Primats über ganz Gallien vom Papst verliehen bekommen. Das älteste erhaltene Würdezeichen dieser Art ist der Kölner „Petrusstab“ (Abb. 22), dessen Elfenbeinknauf vielleicht vom Zepter eines römischen Konsuls stammt, während die silbervergoldete Metallmanschette unter dem Knauf als lothringische Arbeit des 8. Jahrhunderts gilt. Nur wenig jünger ist der so genannte „Pilgerstab des heiligen Servatius“ in der Schatzkammer der Servatiuskirche zu Maastricht (Abb. 23). In seiner Bezeichnung klingt die Erinnerung an einen älteren, unmittelbar mit 62
Abb. 22 „Petrusstab“, Köln, Hohe Domkirche, Schatzkammer (2./3. Jh., 8. Jh.)
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Abb. 23 „Pilgerstab des heiligen Servatius“. Stichting, Schatkamer, Sint Servaas, Maastricht (Lothringen, ca. 850–875)
dem legendären Gründerbischof von Maastricht in Verbindung stehenden Stab nach, der im 10. Jahrhundert als Servatiusreliquie über König Heinrich I. in das Quedlinburger Servatiusstift gelangte. Wie der Petrusstab trägt auch der Maastrichter „Pilgerstab“ eine Bekrönung aus Elfenbein, die einer Silbermanschette aufsitzt. Das reiche, spannungsvoll zu den Seiten ausgreifende Rankenwerk der Tau-förmigen Elfenbeinschnitzerei ist gut mit Rankenbildungen vergleichbar, wie man sie an Arbeiten aus dem dritten Viertel des 9. Jahrhunderts findet. In dieser Zeit dürfte auch der Stab in Maastricht entstanden sein, mit dem sich wahrscheinlich der älteste Abtstab der Servatiusabtei erhalten hat. Auch der silbervergoldete „Servatiusschlüssel“ (Katalog 17) stammt von dort, und in ihm sieht die Lokaltradition ebenfalls eine Servatiusreliquie. Bei einem Aufenthalt in Rom soll Petrus dem Heiligen in einer visionären Begegnung erschienen sein und ihm den Schlüssel anvertraut haben. So könnte man annehmen, die legendäre Überlieferung halte die Erinnerung daran wach, dass der Schlüssel in die Reihe jener zeremoniellen Zugangsschlüssel zum Petrusgrab gehört, die als von den Päpsten vergebene „Petrusschlüssel“ mehrfach in Kirchenschätzen bezeugt sind.
Doch der Servatiusschlüssel kommt offenbar aus einem anderen Zusammenhang. Seine charakteristische, körbchenartig erweiterte Handhabe und sein Dekor erweisen ihn als karolingische Arbeit. Mit seinem Gewicht von über einem Kilogramm und mit seiner Größe übertrifft der Schlüssel aus St. Servatius aber alle bisher bekannten Schlüsseltypen dieser Zeit, von denen er sich auch durch das für den praktischen Gebrauch denkbar ungünstige Material unterscheidet. Größe, Material und künstlerische Gestaltung sprechen für eine sinnbildhafte Bedeutung. So klingt in der Sechszahl der Rankenfiguration die Vorstellung der Vollkommenheit an, die schon der heilige Augustinus mit dem Sechstagewerk der göttlichen Schöpfung verband. Und in den vier um eine kreuzförmige Mitte geordneten Kreuzen des Schlüsselbartes ist das auf antike Bildvorstellungen zurückgehende Schema des über den Kosmos ausgebreiteten Kreuzes in Erinnerung gerufen. Damit erweist sich der Schlüssel als heilbringendes Zeichen, und gibt zugleich einen Hinweis auf seine ursprüngliche Bestimmung im kirchlichen Kontext. Eine auf den ersten Blick bestechende Hypothese hat den Schlüssel mit Karl dem Großen in Verbindung bringen, und darin die Idee des David-Schlüssels verbildlicht sehen wollen, ein beziehungsreiches Zeichen der Vollmacht des „neuen Davids“ Karl, des gesalbten Herrschers über die Christenheit. Eine solche Insignie wäre Einhard, der treibenden künstlerischen Kraft am Aachener Kaiserhof und dem späteren Laienabt von St. Servatius durchaus zuzutrauen; doch fällt es schwer, das charakteristische Rankenwerk des Maastrichter Schlüssels mit den Arbeiten in Verbindung zu bringen, die unter Einhard in Aachen entstanden sind. Besser vergleichbar sind Arbeiten aus den späteren Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts, wobei in Maastricht selbst der so genannte Pilgerstab des heiligen Servatius zu nennen ist. So stellt sich die Frage, ob nicht hinter diesen beiden Arbeiten von höchstem künstlerischen Anspruch der gleiche ambitionierte Auftraggeber steht, am ehesten eine einflussreiche Persönlichkeit, die in der Nachfolge Einhards Abt von 63
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Katalog 17
St. Servatius war, oder gar der Herrscher selbst, der diese mit den Insignien investiert hat? Sieht man den Schlüssel in Verbindung mit dem Stab, dann könnte er Sinnbild des mit dem hohen Amt verbundenen Majordomats über die Servatiusabtei sein. Es ginge also um die mit dem Schlüssel evozierte Bildvorstellung der Binde- und Lösegewalt, wie sie – im geistlichen Sinn – auch in den liturgischen Texten anklingt, die ein Jahrhundert später Eingang in das Rö64
misch-Germanische Ponifikale gefunden haben (Ordo LXIII,39). Einen „clavis, cum qua datur abbatia“ führt übrigens auch ein Schatzverzeichnis des Kanonissenstiftes Gandersheim an. Die Liste wurde im 12. Jahrhundert in eine karolingische Handschrift des Kirchenschatzes nachgetragen. Einige der genannten Gegenstände können aber durchaus älter sein und noch aus der Frühzeit des um die Mitte des 9. Jahrhunderts gegründeten Stiftes stammen.
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Katalog 17
17 Sankt Servatius-Schlüssel Silber, gegossen, mit Resten von Vergoldung; L. 29 cm Lothringen (?), 3. Viertel 9. Jh. Maastricht, Stichting Schatkamer Sint Servaas Katalog Köln 1972, Kat.Nr. F1 (D. Kötzsche, mit Datierung in das ausgehende 9. Jahrhundert unter Hinweis auf vergleichbare Ornamentformen einiger spätkarolingischer Elfenbeinarbeiten in der Art des Nicasiusdiptychons im Schatz der Kathedrale von Tournai); Koldeweij 1985, 61–132 (mit Zuschreibung an die Werkstatt der Bronzegitter der Aachener Pfalz-
kapelle); Katalog Hildesheim 1993, Kat.Nr. X.8 (A. M. Koldeweij); Elbern 2003, 269 f.
Literatur: zum Römisch-Germanischen Pontifikale: Vogel, Elze 1963 (Ordo LXIII, 39) 221 zu den Servatius-Reliquien in Maastricht: Koldeweij 1985 zum Petrusstab: Katalog Magdeburg 2001, Kat. Nr. IV.81 (R. Lauer) zu Gandersheim: Bischoff 1967, 35 f., Nr. 26 (frdl. Hinweis M. Hoernes, Gandersheim)
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Abb. 24 „Gertrudenkreuz“ (Ausschnitt), Federund Pinselzeichnung, Johann Graff, Bamberg, um 1743, Bamberg, Staatsbibliothek, HVG 1/30
Enkolpien Als „Brustkreuz Karls des Großen“ wird im Aachener Domschatz ein kleines Reliquienkreuz aus vergoldetem Silber in Ehren gehalten, von dem man annimmt, es stamme aus dem Besitz des Herrschers (Katalog 18). Diese Tradition stützt sich auf eine Nachricht, die Thietmar von Merseburg in seiner zwischen 1012 und 1014 verfassten Chronik überliefert. Kaiser Otto III. habe, so heißt es dort zum Jahre 1000, das Grab seines großen Vorgängers öffnen lassen und neben einigen unversehrt erhaltenen Teilen des Gewandes ein goldenes Kreuz entnommen, das der Tote um den Hals trug. Außer dem eingangs erwähnten Reli66
quienkreuz hat die Aachener Lokaltradition auch ein ehemals im Stiftsschatz verwahrtes karolingisches Phylakterion, den „Talisman Karls des Großen“ (Abb. 55) und die so genannte „Lukasmadonna“, ein medaillonartiges byzantinisches Marienbildchen, mit dieser Graböffnung in Verbindung gebracht, vermutlich weil man die drei Heiltümer zu besonderen Anlässen dem Kopfreliquiar Karls des Großen umlegte. Auftraggeber der eindrucksvollen Silberbüste war wohl Karl IV., der sie anlässlich seiner Aachener Krönung 1349 dem Marienstift übereignet hat. Wahrscheinlich hat neben der „Lukasmadonna“ auch die Kreuzpartikel im „Brustkreuz“ aus diesem Anlass ihre heutige gotische Fassung erhalten.
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Abb. 25 Kreuzigungsbild. Kristallschnitt. Paris, Bibliothèque Nationale, Cabinet des Medailles, Inv. Nr. 2167ter (Lothringen, 9. Jh.). Abbildung Rückseite seitenverkehrt
Es war nicht die erste Veränderung, die das mit dem Namen des großen Karl verbundene Reliquienkreuz erfahren hat. So, wie die äußere kreuzförmige Hülle der Reliquienfassung heute aussieht, ist sie ein Werk des 12. Jahrhunderts. Näherhin legt das Rankenwerk der Rückseite eine Entstehung in der Zeit Barbarossas nahe, jenes Kaisers, der die Heiligsprechung Karls des Großen betrieb und dessen Gebeine 1165, am Festtag des heiligen Königs David, aus dem Grab erhob. Die umlaufende Inschrift des Reliquienbehälters spielt auf dieses Ereignis an, indem sie die alte Herrscherideologie von Karl dem Großen als dem neuen David in Erinnerung ruft. Wenn es in der Barbarossazeit zu solch eingreifenden Veränderungen kam, ist dies
im Umkehrschluss ein gewichtiges Argument für die Stichhaltigkeit der mit dem Kreuz verbundenen Karlstradition. Das gilt zum einen für die Kreuzreliquie selbst, zum anderen ist für sie ein bergendes Gefäß vorauszusetzen, das man in einer Zeit der aufblühenden Karlsverehrung sicher nicht achtlos beiseite tat. Tatsächlich hat man im 12. Jahrhundert eine ältere Treibarbeit mit dem Bild des Gekreuzigten so umgearbeitet, dass sie seither als Deckel der kleinen kreuzförmigen Reliquienlade dienen kann. Damit ist das wesentliche Zierelement des ursprünglichen Reliquienkreuzes übernommen worden, von dem anzunehmen ist, dass seine Größe in etwa der des heutigen entsprach. Auslöser für die durchgreifende Überarbeitung des ehr67
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würdigen Erinnerungsstückes mag der Wunsch gewesen sein, ein leicht zu öffnendes Reliquiar zu haben, um die darin geborgene Kreuzpartikel jederzeit der betrachtenden Verehrung zugänglich zu machen. Sollte dies zutreffen, dann hat man sich das alte „Brustkreuz Karls des Großen“ wohl als eine fest verschlossene Theca zu denken, deren einziger Schmuck vermutlich das erhaltene Kreuzigungsrelief gewesen ist. Insofern ist dieser Kruzifix mit großer Wahrscheinlichkeit auf Karl den Großen zurückzuführen und wohl in den letzten Lebensjahren des 814 verstorbenen Kaisers entstanden. Mit den wenigen Kreuzigungsdarstellungen, die man den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts zuweisen kann, verbindet den Aachener Kruzifix vor allem die aufrechte, gleichsam schwebende Haltung, die den Leidenscharakter noch ganz zurücktreten lässt. Der gespannte Gestus der Christusfigur indessen verweist bereits auf vergleichbare Darstellungen der folgenden Zeit und macht damit deutlich, dass die Übergänge fließender zu denken sind, als der erhaltene Denkmälerbestand suggeriert. Neben Aachen gab es auch an anderen Orten kleine Reliquienkreuze, die mit Karl dem Großen in Verbindung gebracht wurden. So galt ein Silberkreuz der französischen Abtei Aniane als Geschenk des Kaisers. Ein anderes gehörte dem Kloster Saint Corneille in Compiègne, dessen goldene Staurothek Karl der Große sogar auf seinen Feldzügen getragen haben soll. Nach einem Inventar von 1666 hat Karl der Kahle es dem Kloster gestiftet. Der Zeit Karls des Kahlen selbst wird aus stilistischen Gründen ein kostbares goldenes Reliquienkreuzchen zugeschrieben, das Heinrich II. dem Bamberger Dom gestiftet hat. Möglicherweise stammt es aus Regensburg und gehört ursprünglich in den Kontext der dortigen Karolingerschätze. Heinrich hat es zusammen mit anderen Kostbarkeiten aus seiner Schatzkammer in ein Prunkkreuz, das so genannte „Gertrudenkreuz“, einarbeiten lassen, das der Säkularisation zum Opfer fiel. Die detailgetreue Inventarzeichnung des Bamberger 68
Domkustos Graff aus der Mitte des 18. Jahrhunderts vermittelt eine anschauliche Vorstellung von der verlorenen Arbeit (Abb. 24). Der Kruzifix bildete das Herzstück der kaiserlichen Stiftung und hob sich mit seiner kastenartigen Einfassung deutlich von den Treibarbeiten des Prunkkreuzes ab. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch der betreffende Rankenrahmen jünger ist als der karolingische Kruzifix und wir es hier mit einem ähnlichen Befund zu tun haben wie in Aachen, dass also wiederum nur der Deckel einer ursprünglich schlichten Theca samt der beglaubigten Kreuzreliquie bewahrt blieb. Ein glücklicher Zufallsfund aus der Gegend von Groningen gibt einen guten Anhaltspunkt dafür, wie die erschlossenen Reliquienkreuze der Karolingerzeit
Abb. 26 Elfenbeinrelief mit Darstellung der Kreuzigung. Florenz, Museo Nazionale del Bargello (Lothringen?, 3. Viertel 9. Jh.)
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Abb. 27 Kruzifix von Bru, Norwegen. Universitetets Oldsaksamling Oslo, Inventar 1968 (9. Jh. ?)
ursprünglich ausgesehen haben. Es handelt sich um ein vergoldetes Bronzekreuz, das laut Inventarvermerk des Groninger Museums 1874 in Oostwold gefunden wurde (Katalog 19). Der plastisch hervortretende organisch modellierte Körper des Gekreuzigten ist mitsamt den Kreuzbalken in einem Stück gegossen. Die kastenartig eingetiefte Rückseite war ursprünglich mit einer flachen Platte bedeckt, von deren Nieten sich am Kreuz Reste erhalten haben. Der fest verschlossene Hohlraum dürfte dazu gedient haben, eine (Kreuz-) Reliquie aufzunehmen. Die Öse am oberen Kreuzbalken weist darauf hin, dass es sich um ein Brustkreuz handelt. Dass es lange Zeit unter einem Gewand getragen wurde, zeigen die starken Abriebspuren an den vorstehenden Partien des Reliefs.
Schon ein flüchtiger Blick auf die beiden zuvor behandelten Kreuze in Aachen und Bamberg macht deutlich, dass es sich in Groningen nicht – wie bisher angenommen – um eine gotische Arbeit handelt, sondern tatsächlich um ein Werk aus karolingischer Zeit. Eine genauere zeitliche Eingrenzung ergibt sich über den Vergleich mit einem Elfenbeinrelief aus dem dritten Viertel des 9. Jahrhunderts (Florenz, Museo Nazionale del Bargello, Kat. Supino 1898, Nr. 32; Abb. 25). Mit dem Kruzifix aus Oostwold verbindet den Gekreuzigten die gleiche Formensprache, die weiche Rundung des Leibes, die Betonung der Augäpfel, die schwere wellig auf die Schulter herabreichende Haarsträhne – ganz abgesehen von so charakteristischen Motiven wie der symmetrischen Schürzung des Lendentuches oder dem übereck gestellten Suppedaneum am unteren Längsbalken. Auch mit anderen Werken dieser Zeit lässt sich der Groninger Fund gut in Verbindung bringen, darunter mit einem jener großartigen Kristallschnitte, die um die Mitte des 9. Jahrhunderts im unmittelbaren Umfeld des Herrscherhauses entstanden sind. Bis in Abkürzungen und Silbentrennung hinein zeigt das eingeritzte Kreuzigungsbild des geschliffenen Kristalls in der Pariser Nationalbibliothek (Cabinet des Médailles, Inv. Nr. 2167ter; Abb. 25) die gleiche Kreuzesinschrift. Und noch ein Werk der Hofkunst weist im Detail eine so enge Übereinstimmung auf, dass an einer entsprechenden Provenienz des Groninger Kreuzes kaum zu zweifeln ist: das verlorene Bamberger Goldkreuz nämlich, bei dem die Worte des Titulus wie in Groningen direkt auf den Kreuzbalken geschrieben sind. Sonst gibt es dafür im 9. Jahrhundert, soweit ich sehe, keine Parallele. Zu prüfen wäre, ob auch der kleine silbervergoldete Kruzifix in Oslo (Universitetets Oldsaksamling, Inventar 1968; Abb. 27) in diesen Zusammenhang gehört. Gefunden wurde er auf der Insel Bru in der Nähe von Stavanger, auf ein Kreuz montiert, bei dem es sich um eine typische nordische Arbeit der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts handelt. Die Art der Montage lässt eine Zweitverwendung denkbar 69
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erscheinen. Im Gegensatz zu den Kreuzen in Aachen und Groningen und wohl auch dem verlorenen Bamberger Stück scheint der etwa 4,6 cm hohe Kruzifix aus Bru allerdings nicht als Relief gearbeitet worden zu sein, sondern als separat zu montierender Einzelguss.
18 „Brustkreuz Karls des Großen“ 1871 in die Kopie eines spätgotischen Kreuzreliquiars eingelassen, das der Aachener Goldschmied Vasters auf Veranlassung der Königinwitwe Elisabeth von Preußen angefertigt hat. 1941 durch Feuer schwer beschädigt, in jüngerer Zeit restauriert. Silber, getrieben, vergoldet; H. (Kreuzkapsel) 8,5 cm Kruzifix: wohl Aachen, Anfang 9. Jh. Kreuzkapsel: um 1165 Fassung der Kreuzreliquie: um 1349 Aachen, Domschatzkammer, Inventar G 34 Grimme 1965, 51–53 Abb. 3–7; zur Öffnung des Karlsgrabes unter Otto III.: Beumann 1965
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Im Gegensatz zu den wenigen hier besprochenen Brustkreuzen des karolingischen Reiches hat es solche „Enkolpien“ bei den Byzantinern in großer Zahl gegeben. Vor dem Hintergrund der heftigen Auseinandersetzungen um die Zulässigkeit der Bilderverehrung kommt es in Byzanz gegen Ende des 8. Jahrhunderts zu einem Aufblühen dieser Gattung, deren Bildprogramm demonstrative Akzente setzt, indem es die Menschennatur Christi und damit seine Gottebenbildlichkeit betont. Es kann kein Zufall sein, dass sich wenig später bei den Karolingern eine eigenständige Variante dieser Art von „Privatreliquiar“ herausbildet, die hier aber offenbar auf den höfischen Bereich beschränkt bleibt. Einer der auslösenden Faktoren könnte ein kostbares Enkolpion gewesen sein, das Karl der Große aus Jerusalem geschenkt bekam. Vermutlich hat es mehrere derartige Geschenke gegeben, die in
Katalog 18 (Abbildungen: Vorkriegsaufnahmen)
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Katalog 19
politischer Absicht erfolgten. Gut bezeugt ist die Übersendung eines Enkolpions an Papst Leo III. im Jahre 811, mit der Patriarch Nicephoros von Byzanz den Papst seiner brüderlichen Verbundenheit versichert. Es wird den Karolingern nicht verborgen geblieben sein, dass auch der Kaiser des Ostreiches Enkolpien, als Zeichen seines Wohlwollens, verschenken ließ. So mag seinerseits ein karolingischer Herrscher das in Oostwold gefundene Kreuz einem vornehmen Herren im Norden seines Reiches überbracht haben lassen. Aber man wird der Aussageintention dieser Gegenstände nicht gerecht, wenn man sie auf ihre politische Bedeutung beschränkt. Zu allererst verbindet sich mit ihnen ein demonstratives Bekenntnis des eigenen Glaubens. Von daher erklärt sich wohl auch die gegenüber Byzanz unterschiedliche Akzentuierung der bildnerischen Gestaltung, die auf dem silbervergoldeten Brustkreuz Karls des
Großen wie auf dem verlorenen Goldkreuz in Bamberg und dem in Oostwold gefundenen bronzenen Exemplar den Erlösungstod Christi am Kreuz zum beherrschenden Thema macht.
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19 Brustkreuz aus Oostwold Bronze, gegossen nach Wachsmodell in verlorener Form, nachziseliert, vergoldet Inschrift ohne Hilfslinien gepunzt. Oberfläche stark berieben, Deckplatte der Rückseite verloren, Fehlstelle am Suppedaneum. Inschrift: IHCa) NA/ZAREN(us)/REX IV/DEORV(m) (a) griechisches Nomen sacrum, steht für lateinisch IESVS) Lothringen, um 870 H. 13,5 cm (inkl. Öse), B. 8,5 cm Bodenfund aus Oostwold, alter Besitz des Groninger Museums Groninger Museum, Inventar 0000–0524 Catalogus 1884, 69 (danach gefunden in Oostwold und als Teil eines Buchbeschlages gedeutet); Katalog Groningen 2001, 95, Nr. X.19
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(mit Datierung ins 14. Jahrhundert); (technische Angaben: Hans Drescher, Hamburg; Transkription: Clemens M. M. Bayer, Bonn /Lüttich) Literatur: Zu den Kristallschnitten des 9. Jhs.: Kornbluth 1995 zu den byzantinischen Enkolpien: Kartsonis 1994; Pitarakis 1998 zur Ikonographie der karolingischen Kruzifixe: Haussherr 1963; Chazelle 2001; zum Bamberger Gertrudenkreuz: Swarzenski 1955; Baumgärtel-Fleischmann 1999, 103 f., Kat.-Nr. 37 (Zeichnung des verloren gegangenen Gertrudenkreuzes); zum Kreuz aus Bru: Blindheim 1956–57
Michael Brandt
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Gold – Epiphanie des Göttlichen und weltliche Macht
... bald die göttliche Klarheit, bald das Strahlen der Himmelsstadt, bald auch den Glanz der irdischen Herrlichkeit Migne, PL 79, 913
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Abb. 28 Gold- und Silbermalerei auf fol. 107v einer Handschrift von Boethius, De institutione arithmetica. Staatsbibliothek Bamberg, Msc. Class. 5, fol. 107v (Tours, um 845). Dargestellt ist die bildliche Erklärung der Quadratzahlen zu 3 (VIIII), 5 (XXV) und 7 (XLVIIII)
eitaus intensiver noch und originärer als Silber ist das Gold mit der Sphäre des Lichts verbunden. Seine Leuchtkraft in Verbindung mit seiner Unvergänglichkeit machten das Gold früh zu einem Symbol des Göttlichen. Auch wenn es gelegentlich mit dem Ruch des Bösen versehen wurde, etwa beim Goldenen Kalb im Buch Mose oder bei der Schilderung der goldverbrämten Hure Babylon in der Apokalypse des Johannes, haftete dem Gold und seiner Verwendung immer etwas Heiliges und Ehrfurchtvolles an. Stets blieb es dem Besonderen vorbehalten, etwa durch die Verwendung von Goldschrift und Goldbemalung in Evangeliaren, wie dem Codex Aureus Karls des Kahlen aus St. Emmeran (Abb. 9) oder der Touroner Boetius-Handschrift in der Bamberger Staatsbibliothek (Abb. 28), dann aber auch der als heilig empfundenen Herrschaft, dem Sakralkönigtum des frühen Mittelalters. Seit dem Kaisertum Karls des Großen verstanden sich die Karolinger nach Ausweis ihrer Münzbilder als Schirmherren der christlichen Religion und gewissermaßen als weltliche Vertreter des Reiches Gottes. Das Gold, seit alters mit Macht und Herrschaft verbunden und sie symbolisierend, wurde zusätzlich zu einem Zeichen göttlicher Herrschaft. Wie Einhard berichtet, trug Karl der Große, der eigentlich die schlichte Volkstracht bevorzugte, bei repräsentativen Anlässen einen goldreichen Ornat: „Bei festlichen Gelegenheiten schritt er in einem mit Gold durchwirkten Kleide und mit Edelsteinen besetzten Schuhen, den Mantel durch eine goldene Spange zusammengehalten, auf dem Haupte ein aus Gold und Edelsteinen verfertigtes Diadem, einher“
(Vita Karoli, Kap. 23). Gleichartig goldbestimmt war der Festornat Ludwigs des Deutschen, den Notker als Augenzeuge beschrieb (Gesta, Kap. 34). Beispielhaft für die Verwendung von Gold für königlichkaiserliche Ausstattung sind etwa der so genannte „Talisman Karls des Großen“ (Abb. 55), der angeblich von Otto dem Großen bei der Öffnung des Grabes Karls des Großen im Jahre 1000 entnommen wurde, oder der kleeblattförmige Beschlag (Riemenverteiler) aus dem 850/875 vergrabenen Wikingerschatz von Hon unweit von Oslo (Abb. 20). Diese überaus prächtigen Goldschmiedearbeiten mit gegossenen oder getriebenen Akanthuspalmetten und feinster Filigran- und Granulationsverzierung können höfischen Werkstätten zugeschrieben werden, da sie eine gleiche Qualität aufweisen wie etwa der Jüngere Lindauer Buchdeckel aus der Hofschule Karls des Kahlen. Dieser Beschlag wird zu einer „königlichen“ goldenen Schwertaufhängung gehört haben, wie sie in den Miniaturen des 9. Jahrhunderts für Karl den Kahlen und andere Kaiser wiedergegeben werden. Wie wir aus den Testamenten des obersten karolingischen Adels wissen, etwa von Eberhard von Friaul, der als Schwiegersohn Ludwigs des Frommen zur kaiserlichen Familie gehörte (vgl. Kapitel 2), war Gold für Schmuck und Tafel nicht apodiktisch auf den obersten Herrscher beschränkt, vermutlich aber doch auf die Hocharistokratie. In der Ausstellung werden einige der seltenen profanen Goldfunde des 9. Jahrhunderts gezeigt, die eine direkte oder nahe liegende Verbindung zum Königtum und Hochadel aufweisen. Ihre Singularität unterstreicht den Charakter des Silbers als Mengen75
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Metall für den umfassenden Aufbau des Reiches. Zunächst handelt es sich um Goldmünzen Karls des Großen oder Ludwigs des Frommen aus der Kaiserpfalz Ingelheim (Katalog 20) und im Berliner Münzkabinett (Katalog 21), die zu den äußerst seltenen Goldgeprägen karolingischer Könige und Kaiser gehören. Ludwig der Fromme ließ anlässlich seiner Kaiserkrönung 814 einige wenige Goldmünzen prägen mit seinem Portrait im Stil antiker Kaiser auf der Vorderseite und einem Kreuz im Lorbeerkranz mit Umschrift MVNVS DIVINVM („Göttliches Geschenk“) auf der Rückseite. Es bleibt jedoch offen, ob sich diese Bezeichnung auf das „Geschenk der Kaiserschaft“ für Ludwig bezieht oder ob damit die Goldgepräge selbst gemeint sind. Zudem überrascht die geringe Qualität mancher dieser Goldgepräge. Seit jeher war die Goldprägung dem römischen Kaiser vorbehalten; schon die Goldmünzen des fränkischen Königs Theudebert I. von Austrasien (534–547) mit eigenem Namen mussten als Affront gegenüber dem Basileus in Byzanz gelten, was sich im 7. Jahrhundert gelegentlich bei Merowingern, Westgoten und Langobarden wiederholte. Auch Ludwig der Fromme wollte mit 76
Goldmünzen seine Gleichrangigkeit mit dem byzantinischen Kaiser (und dem Kalifen von Bagdad?) ausdrücken. Die raren Sonderprägungen waren jedoch kaum Umlaufgeld, sondern wurden wohl als kostbare Präsente und Auszeichnungen an verdienstvolle Gefolgsleute oder Verbündete verliehen, vergleichbar den Goldmedaillonen und anderen Largitionen der römischen Kaiserzeit. In der Forschung wird diskutiert, ob die Goldmünze mit auf Karl dem Großen bezogener Umschrift aus der Kaiserpfalz von Ingelheim vielleicht zu den Goldprägungen Ludwigs gehört. Ungleich häufiger sind Nachahmungen der Munus-Divinum-Münzen Ludwigs, die später in Dorestad geprägt wurden; der Schatzfund von Marsum enthielt alleine 9 Exemplare, von denen sechs ausgestellt sind (Katalog 35). Möglich ist, dass es im umsatzhohen friesischen Fernhandel mit dem Nord- und Ostseeraum Bedarf an Großnominalen gab. Vielleicht waren sie auch als hochrangige Präsente für verbündete Normannen vorgesehen, um diese stärker ans Kaiserhaus zu binden, da einige der Münzen mit goldenen Filigrandrähten gefasst und mit Nadelhalterungen oder prachtvollen Ösen versehen wurden (Katalog 22). Gleichsam wie Orden wurden sie
Katalog 20
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Katalog 21
ostentativ auf der Brust getragen, man gab sich damit als Anhänger des Kaisers zu erkennen. Gleichwohl fragt man sich, wer etwa in der internationalen Handelsstadt Haithabu, aus der ebenfalls solche Schmuckstücke vorliegen, solche Kaiserportraits trug: Frauen oder Männer, Einheimische oder Franken/Friesen, Repräsentanten des Kaisers oder verdiente Verbündete, Priester oder Händler mit kaiserlichem Schutzbrief? 20 Goldmünze Karls des Großen aus der Kaiserpfalz Ingelheim Die Goldmünze zeigt auf der Vorderseite ein stark stilisiertes Brustbild nach rechts mit Lorbeerkranz und Feldherrenmantel (Paludamentum). Die Umschrift gibt die Kaisertitulatur Karls des Großen in leicht gekürzter Fassung wieder: + D(ominus) N(oster) KARLUS IMP(erator) AUG(ustus) REX F(rancorum) ET L(angobardorum). Auf der Rückseite erscheint ein stilisiertes Stadttor mit der Umschrift + A R E L A T O für den Prägeort Arles (Dép. Bouches-du-Rhône). Obwohl die 4,18 g schwere Münze den Gewichtsstandard unterschreitet, ist die Bezeichnung Solidus in Anlehnung an ihre antiken Vorbilder gebräuchlich geworden. Das Geldstück ist in die kleine Gruppe der Kaisermünzen einzureihen, deren Anteil an der heute bekannten Münzemission Karls des Großen insgesamt nur etwa 3,7 Prozent beträgt. Der Vergleich der Avers-Legende und insbesondere der Rückseitenstempel offenbart enge Parallelen zu zwei ebenfalls in Arles geprägten silbernen Denaren, die heute in Berlin und Lyon aufbewahrt werden. Diese Stücke sichern
zugleich die Lesung der korrumpierten Legende auf der Vorderseite des Solidus aus Ingelheim. Goldmünzen der Kaiserzeit Karls des Großen waren vor 1996 nicht bekannt. Die Existenz einer Goldprägung durfte zudem als wenig wahrscheinlich gelten, da eine Münzreform des Jahres 794 eine monometallische (Silber-)Währung begründen sollte. Der neu eingeführte Novus denarius, eine schwere Silbermünze, wurde zur einzigen Verkehrsmünze, während die übrigen Werte Rechnungseinheiten darstellten. Die hier vorliegende Abweichung vom kodifizierten Münzsystem ist im Einzelnen bislang nicht geklärt. Die bisweilen geäußerte Vermutung, bei der Goldmünze handele es sich um eine posthume Prägung Ludwigs des Frommen für Karl den Großen, ist auf stilistische Argumente gestützt. Offenkundig ist, dass sowohl die korrumpierte Legende als auch die Darstellungsart der Kaiserbüste in der Münzemission Karls des Großen bislang ohne direkte Parallelen sind. Allerdings reihen diese Merkmale das Geldstück nicht zwangsläufig unter die Münzen Ludwigs ein. Der Vergleich mit entstellten Porträts, die auf Münzen südfranzösischer und norditalischer Herkunft vorkommen, offenbart eine ganz allgemeine Vergleichbarkeit des Phänomens, ohne dass von demselben Darstellungstypus gesprochen werden könnte. Diese Feststellung gilt ebenso für Vergleiche mit friesischen Nachahmungen der Munus-divinum-Münzen, deren Festlegung auf die Zeit Ludwigs des Frommen im übrigen nicht konsistent ist. Aus numismatischer Sicht lässt die Interpretation des Solidus mit dem Kaiserbild Karls des Großen offenbar mehrere Deutungen zu. Erst archäologische Neufunde vermögen die durch die Ingelheimer Goldmünze aufgeworfenen Fragen einschließlich der Absicherung ihrer Datierung zu beantworten. Solange wird man die Prägung als einen Reflex auf das im Jahr 800 für das fränkische Reich neu erlangte Kaisertum bezeichnen können. Die Prägung von
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Goldmünzen war ein aus der Antike überliefertes kaiserliches Vorrecht und zugleich ein Herrschaftszeichen. Die neuen Goldsolidi stellten Karl den Großen als Erneuerer des weströmischen Reiches (Imperium occidentale) dar und sie selbst waren das geeignetste Mittel, diese politische Botschaft zu verbreiten. Die Goldmünze wurde 200 m westlich der Aula regia, der Königshalle der Pfalzanlage von Ingelheim, bei Ausgrabungen im Bereich einer Vorsiedlung gefunden. Das laufende archäologische Forschungsprojekt zielt darauf, die Baugeschichte der Pfalz von deren Gründung kurz vor 800 bis ins 14. Jahrhundert zu untersuchen und zu rekonstruieren. Gold, Dm. 19,5 mm; 4,18 g Arles, geprägt um 800–814 Ingelheim (Kr. Mainz-Bingen), „Im St. Kiliangarten“ Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Fundnummer: IH-O2–G176 Martin 1997; Katalog Paderborn 1999, Bd. 3, 88 ff. (B. Kluge); Grewe 2001. Holger Grewe 21 Goldmünze mit Bildnis Ludwigs des Frommen So genannter Munus-Divinum-Solidus, auf der Vorderseite mit Bildnis Ludwigs des Frommen und Umschrift DN LVDOVVICVS IMP AVG (= [Unser] Herr Ludwig, erhabener Kaiser); auf der Rückseite Kreuz im stilisierten Lorbeerkranz und Umschrift MVNVS DIVINVM (= göttliches Geschenk). Diese Münzen wurden von Ludwig dem Frommen wahrscheinlich nach seiner Kaiserkrönung 814 in Aachen geprägt und als kostbare Ehrengeschenke verliehen. Gold, geprägt, Gew. 4,37 g Aachen?, nach 814 Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, aus Sammlung Gariel-Ferrari 1911
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22 Goldene Münzfibel Seit römischer Zeit werden Münzen mit dem Bild des Kaisers gelegentlich mit Nadelhalterung oder mit kunstvoller Fassung und/oder Öse versehen, um sie dann als Mantelfibeln (Broschen) oder Anhänger auf Schulter oder Brust zu tragen und so das Bildnis des Kaisers ostentativ vorzuzeigen. Diese Sitte erfährt mit dem Kaisertum Karls des Großen und Ludwigs des Frommen eine Renaissance. Besondere Aufmerksamkeit haben dabei die friesischen (Dorestad?) Nachahmungen von Ludwigs goldenen Munus-Divinum-Prägungen gefunden. Daneben gibt es eine Vielzahl von einfachen, gegossenen runden Fibeln, die eine Münze nur imitieren. Die in der Ausstellung gezeigte Goldmünze ist von einem dreifachen goldenen Perlrand gefasst, an den auf der Rückseite eine Nadelhalterung aus Goldblech angelötet wurde, die heute weitgehend abgebrochen ist; die Nadel fehlt. Gold, geprägt (gegossen?); Perldrahtfassung mit Broschierung; Dm. 2,73 cm, Gew. 6,29 g Zeit Ludwigs des Frommen Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, aus Sammlung Rühle von Lilienstern Katalog Paderborn 1999, Nr. II.34 (B. Kluge)
Ein weiteres goldenes Schmuckstück kann mit dem Kaiserhaus in Verbindung gebracht werden: das heute im Darmstädter Landesmuseum aufbewahrte so genannte „Seeheimer Schmuckstück“ (Katalog 23). Dieser massiv-goldene 3 cm lange Ösenbeschlag ist in fein-plastischer Durchbruchstechnik gegossen und mit
Katalog 22
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Goldfiligran belegt; der Bügel aus kräftigem gerilltem Goldblech ist auf die Unterseite aufgelötet. Es handelt sich um eine Riemenschlaufe von einer Sporengarnitur, wie sie vielfach, allerdings weniger kostbar, aus karolingerzeitlichen Grabausstattungen bekannt ist. Der Reliefdekor der Zierplatte zeigt eine durch zwei aufgelötete goldene Perldrähte zu drei Palmetten gebündelte Akanthusranke. In ihr stehen spiegelsymmetrisch zwei Löwen mit zurückgewandtem Kopf, weit herausgestreckter Zunge und um die Flanke herumgeschlagenem Schweif mit vegetabiler Quaste. Stilistisch entspricht die Akanthusdarstellung denen der Handschriften der Metzer Schule nach 850. Der Löwe mit umgeschlagenem Schweif und vorgestreckter Zunge inmitten paradiesischer Vegetation verkörpert den souveränen, dem christlichen Heil verpflichteten Herrscher.
Es wird in der Forschung seit langen vermutet, dass das apokryphe „Seeheimer Schmuckstück“ Teil der im Jahre 1800 in der Grabkapelle Ludwigs des Deutschen (840–876) in Kloster Lorsch im klassisch dekorierten antiken Sandsteinsarkophag angetroffenen, später verlorenen Bestattung des Kaisers war, der unter anderem auch goldene Sporen getragen haben soll. Nach Material und Motivik steht dem Darmstädter Kleinod eine Riemenzunge aus Chateauroux in Frankreich nahe (Katalog 24), die jedoch nicht massiv gegossen, sondern in Goldblech getrieben und reich mit Filigran und Granulation verziert ist. Die Schauseite zeigt vier halbplastisch getriebene Löwen mit zurückgewandtem Kopf, die in einer zentral postierten Akanthusranke mit von ihr ausgehenden Filigranranken eingebunden sind. Schwänze, Zungen und markante Körper-
Katalog 23
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gliederungen der Löwen werden von glatten oder gezwirnten Filigrandrähten gebildet. Auf der Rückseite sind zwei parallele und symmetrische Wellenranken aus feinen, medial gekerbten glatten Filigrandrähten aufgelötet, die kleine granulierte Traubenfrüchte tragen. Der in das mittlere Drittel des 9. Jahrhunderts zu datierende Beschlag war durch seine filigrane und fragile Konstruktion nicht für den täglichen, gar militärischen Einsatz geeignet, sondern Teil eines repräsentativen, herrscherlichen Ornats. Dem hochadligen Umfeld ist zudem eine runde, rosettenförmige Goldblech-Scheibenfibel aus Oldenburg-Wechloy in Niedersachsen zuzuordnen, die mit Stein-, Zellenschmelz- und ursprünglich wahrscheinlich Perleinlagen sowie Filigranverzierung versehen ist (Katalog 25). Mit dem „Talisman Karls des Großen“ (Abb. 55), der Goldfibel von Dorestad, den Waffenverzierungen aus Grab 23/48 von Staré Mˇesto bei Brünn (Abb. 29), der Riemenzunge von Chateauroux und einigen anderen Goldzimelien des 9. Jahrhunderts verbinden sie 80
getriebene Blechpalmetten, ZellenschmelzEinsätze, Wannenfassungen mit mugeligen Steineinlagen sowie aus Goldblech gearbeitete Kegel, Wellenbänder und Hochkantstege mit einer ganzen Anzahl hochrangiger Goldarbeiten aus dem mittleren Drittel des 9. Jahrhunderts, die zum Teil genauer münzdatiert sind wie die Scheibenfibel aus dem Schatzfund von Féchain (tpq. 887). Unter den Parallelen ist die „Eiserne Krone“ aus dem Domschatz von Monza besonders hervorzuheben, ursprünglich sicher eine der in Schriftquellen aufgeführten und in Miniaturen abgebildeten Hängekronen für den Altar. Die qualitätvollen Emails legen nahe, dass die Oldenburger Fibel aus einer oberitalischen (Mailand?) oder nordalpinen (Salzburg?) Werkstatt stammt. Obwohl diese Brosche mit einer zutiefst theologischen Bildsymbolik verziert ist (das Kreuz inmitten der drei Gattungstiere der Schöpfung [Genesis 1.20–25] als Ausdruck der Neuschöpfung der Welt durch das Kreuz), gehörte sie nicht dem sakralen Bereich an, also etwa für einen Geistlichen, sondern war für eine
Katalog 24
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Abb. 29 Goldblecharbeiten und Emaileinlagen an Waffengurt und Messerscheide aus Grab 23/48 von Staré Mˇesto bei Brünn (Moravské zemské muzeum Brno) (fränkisch, ca. 830-870)
hochgestellte Dame oder einen Adligen vorgesehen, so wie der goldene Waffenschmuck für den großmährischen Fürsten von Staré Mˇesto als königliches Geschenk aus karolingischer Hand anzusehen ist. Bezeichnender Weise trägt im LotharEvangeliar Kaiser Lothar I., als Herrscher auf der Löwen/Panther-Sella mit Krone, Szepter, Schwert und Sporen residierend, eine solche runde Rosettenfibel mit Zierbändern (849–851; Abb. 7); doch viele zeitgenössische Abbildungen zeigen vergleichbare Rosettenfibeln auf den Schultern hochrangiger Männer und auf der Brust edler Frauen (Abb. 11–12). Da neben der Oldenburger Fibel weiterer GoldEmail-Schmuck des 9. Jahrhunderts aus dem nordsee-küstennahen Raum kommt (Fibel von Dorestad; Beschläge von Amsterdam), liegt der Schluss nahe, dass diese Stücke in Zusammenhang mit den normannischen Plünderungszügen in den Boden gelangten, so wie der Beschlag von Hon (Abb. 20) oder die Goldblech-Filigranfibel von Vester Vedsted (Jütland) in Wikingerdepots gehortet wurden.
Es fällt auf, dass unter den erhaltenen karolingischen Goldschmiedearbeiten die sakralen Werke deutlich häufiger sind als die weltlichen Stücke. Auch im Vergleich mit den sakralen Silberarbeiten sind jene aus Gold verhältnismäßig zahlreich. Die Verwendung von Gold scheint jedoch, wenn man nach dem erhaltenen Denkmälerbestand urteilen will, erst seit dem zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts Auftrieb gewonnen zu haben – über die Gründe, darunter ein besserer Zugang zu Gold, lässt sich bislang nicht viel Sicheres aussagen. 23 Goldener Riemendurchzug, vermutlich von König Ludwig dem Deutschen (840–876) Diese als „Seeheimer Schmuckstück“ bezeichnete massiv-goldene Riemenöse einer königlichen Sporengarnitur gehört vermutlich zu der goldenen Sporengarnitur Ludwigs des Deutschen, die bei der Öffnung seines Sarkophags im Jahre 1800 in Kloster Lorsch angetroffen wurde, später aber verloren ging. Gold, gegossen; Goldfiligran; Bügel angelötet; L. 3,03 cm Lothringen, Mitte 9. Jh. Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Inventar Kg 54:259 Werner 1969; Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. X.35 (E. Wamers)
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24 Goldenes Riemenende von Chateauroux Goldblech-Riemenende mit prunkvoller Filigran- und Granulationsverzierung auf Vorder- und Rückseite. Abgesehen von der technisch andersartigen Ausführung entspricht das Löwenmotiv im Akanthusblattwerk völlig dem des „Seeheimer“ Schmuckstücks (Katalog 21). Nach Material, hochartistischer Verarbeitung und Ikonographie wird man es als Riemenbeschlag für ein „königliches“ Wehrgehänge oder Gürtel bezeichnen können. Die knapp 59 g Gold entsprachen etwa 440 Silberdenaren, was wiederum einem Wert von sieben Schwertern oder zwei Sklaven entsprach. Gold, Filigran, Granulation; L. 7,6 cm; B. 4,5 cm; Gew. 58,6 g Lothringen, Mitte 9. Jh. Musée National du Moyen Age Paris – thermes et hôtel de Cluny, Inventar Cl. 3410 Fraenkel-Schoorl 1978, 358 f. Abb. 9a-b; Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. X.36 (E. Wamers) 25 Goldfibel von Oldenburg-Wechloy Diese rosettenförmige Scheibenfibel mit den seltenen Cloisonnée-Emaileinlagen und großem zentralem
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Cabochon ist vermutlich das Produkt einer Werkstatt aus dem Alpenraum (Salzburg?). Die kleinen 22 Goldblechkegel trugen ursprünglich ein Perle als Bekrönung. Gold, Filigran, Zellenschmelz, Granat (?); Dm. 5,4 cm Mitte 9. Jh. Stiftung Oldenburgischer Kulturbesitz, Oldenburg, ohne Inventar Heinemeyer, Zoller 1985; Wamers 1994b, 88 f. Abb. 56
Literatur: Quellen: Rau 1968–1992 Lexikon der christlichen Ikonographie, s.v. „Gold“, „Silber“, „Licht“; Lexikon des Mittelalters, s.v. „Gold“, „Silber“ (V.H. Elbern); Grierson 1951; Berghaus 1965b; Elbern 1965; Hatz 1970; Berghaus 1994; Elbern 1988; Elbern 1999b; Schulze-Dörrlamm 1999; Kluge 1999
Egon Wamers
Katalog 25
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Silber für den Gottesdienst
Heilige Gefäße aus Gold und Silber sowie priesterliche Gewänder ließ er in solcher Menge anschaffen, dass nicht einmal die Türsteher, die doch den untersten kirchlichen Grad bilden, beim Gottesdienst in ihrer gewöhnlichen Kleidung zu erscheinen brauchten Einhard, Vita Karoli, Kap. 26
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Abb. 30 Liturgische Gerätschaften am Altar. Stuttgarter Bilderpsalter, fol. 31v, 130v (820/830)
ohl keine Religion kennt einen solch vielfältigen und reichen Aufwand beim Gottes-Dienst und im Kult wie das katholische und das orthodoxe Christentum. Das Mysterium des Glaubens, nämlich die Erlösung der Menschheit durch den Opfertod des Gottes-Sohnes, sowie die regelmäßige rituelle Wiederholung dieses Erlösungswerkes in Eucharistie und Liturgie erfuhren durch die Begegnung mit der antiken Philosophie sowie durch die Beibehaltung alt-jüdischer und die Adaption antiker Ritual- und Bildformeln, wie etwa von Elementen des Hofzeremoniells und Kaiserkultes, eine außergewöhnliche geistige Vertiefung und Komplexität. Im Verlaufe der Spätantike und des frühen Mittelalters erwuchsen daraus nicht nur eine Dogmatik, ein kanonisches Gesetzeswerk sowie eine spekulative Theologie von beeindruckender Vielschichtigkeit, sondern auch eine unübertroffene Fülle und Vielfalt in der Liturgie, bei den Kultbauten und insbesondere bei den liturgischen Geräten und Ornaten, die zum Vollzug des heiligen Messopfers und der Sakramente notwendig waren (Abb. 30). Herausgehoben und im Zentrum des christlichen liturgischen Gerätes stehen dabei die Gefäße, die unmittelbar mit der Eucharistie, also dem Herrenleib und -blut, in Berührung kommen: Kelch, Patene und Pyxis. Sie werden während der Liturgie bei der mystischen Wandlung, bei der Konsekration und für Aufbewahrung der Eucharistie, also des Gottes selbst, verwendet. Dem schließen sich unmittelbar die Behältnisse und Schaugefäße für die Herren-Reliquien an. Seit alters wird deshalb auch eine kultische „Reinheit“ für das Material dieser
Gefäße gefordert, wenn auch nicht immer eingehalten und von manchen spätantiken und mittelalterlichen Theologen als zweitrangig beurteilt. So bemerkte Bonifatius, dass Kelche aus Holz in der Hand „goldener Priester“ segensreicher seien als Kelche aus Gold in der Hand hölzerner Priester. Weil Gold nicht und Silber kaum oxydieren, also „unvergänglich“ sind, galten sie in der Alten Welt als edle Metalle. Wegen ihres himmlischen Glanzes wurden sie von den Astrologen und später von den Alchimisten zur Sonne und zum Mond in Beziehung gesetzt. Damit verbunden ist eine ihnen zugesprochene Lichtsymbolik, da Licht Erscheinungsform des Göttlichen schlechthin sowie Anschauungs-Allegorie der Wahrheit ist. Christus selbst ist dabei die Verkörperung des göttlichen Lichts (lux mundi). Die hohe allegorische Bedeutung von Gold und Silber kommt auch beim Elektron zur Geltung, einer schon bei den ältesten griechischen Münzen verwendeten Legierung aus Gold und Silber. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts sinnierte Hrabanus Maurus: „Electrum est Christus“, denn: „Jesus Christus, der Gott ist und Mensch, so wie Electrum gemischt ist aus Gold und Silber“. In das Umfeld der Lichtsymbolik gehört im alten Denken die Allegorie edler Steine, denen je nach Leuchtkraft, Transparenz und Farbe verschiedene göttliche oder ideale Eigenschaften innewohnen; der Bergkristall etwa (Abb. 26) galt als Verkörperung von Unvergänglichkeit, Reinheit und Wahrheit und als metaphorische Materialisation der Reinheit des Glaubens, von Taufe und Erlösung. 85
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s liegt somit nahe, dass auch in der Karolingerzeit sakrale und liturgische Geräte, insbesondere aber eucharistische Gefäße, soweit verfügbar in den edlen Metallen Gold und Silber gefertigt und mit edlen Steinen versehen wurden. Verwendete man Kupferlegierungen oder gar organische Materialen, überzog man sie mit Vergoldung oder Versilberung wie beim Tassilokelch oder setzte Edelmetalleinsätze ein wie beim elfenbeinernen Lebuinus-Kelch aus Deventer, der aus der Aachener Hofschule stammt. In der alltäglichen Praxis der ländlichen Seelsorge und Mission war man aber oft genug gezwungen, auf Holz, Leder oder andere Stoffe zurückzugreifen. Von den ganz seltenen eucharistischen Gefäßen der Karolingerzeit kann in der Ausstellung der vergoldete Silberkelch aus dem böhmischen Fürstengrab von Kolín gezeigt werden (Katalog 26, 40), welches in der Mitte des 9. Jahrhunderts angelegt wurde. Im Grab lag – wahrscheinlich zusammen mit einer Frau – ein böhmischer Adliger bestattet, der mit einer reichen silbervergoldeten karolingischen Kriegerausstattung aus Schwertgarnitur, Sporen samt Befestigung, kostbaren fränkischen Trinkgläsern sowie weiteren Beigaben ausgestattet war (Katalog 40). Der Kelch dürfte ursprünglich als königliche Stiftung für eine Kirche im Slawenland vorgesehen gewesen sein; ins Grab des Fürsten gelangte er wohl als – missbrauchtes – exklusives Trinkgefäß, möglicher Weise aber auch als Kultgefäß der neuen Religion, dessen magischer Kraft sich der Mann (und die Frau?) versichern oder mit dem sie vielleicht sogar ihre Zugehörigkeit zur neuen Kultgemeinschaft bekennen wollten. Der bei der Entdeckung des Grabes 1864 stark 86
beschädigte Kelch wurde bald darauf verfremdend restauriert und erst 1986 in einer Kopie zum vermutlich ursprünglichen Aussehen rekonstruiert (Katalog 26). Seine Morphologie und sein reliefierter floraler Dekor auf Fuß, Ständer und Kuppa lassen ihn als ein Werk der Aachener Hofwerkstatt Karls des Großen erscheinen. Mit dem muschelartigen Blattwerk und dem Rankenschmuck imaginiert er ebenso wie der Elfenbeinkelch von Deventer ornament-bildlich die Vorstellung vom Kelch als fons vitae. Einen erst seit wenigen Jahren als eucharistisch erkannten Gefäßtyp der Karolingerzeit bilden die Silberbecher von Pettstadt, Ribe und Fejø, zu denen sich weitere Exemplare aus Halton Moor und „aus Spanien“ im Britischen Museum gesellen. Es handelt sich um kleine bauchige, 8–10 cm hohe Becher aus getriebenem Silber mit Vergoldung und Nielloverzierung, die ursprünglich mit einem Deckel versehen, also verschließbare Büchsen waren, wie das Exemplar mit erhaltenem Deckel im Britischen Museum zeigt. Damit ähneln sie den zahlreichen meist elfenbeinernen, selten silbernen Pyxiden des 5.-7. Jahrhunderts aus dem Mittelmeerraum, die mit reichem biblischem Bildschmuck auf der Außenwandung versehen waren und wohl überwiegend der Aufbewahrung der Eucharistie, also des geweihten Brotes dienten, vielleicht auch von Weihrauch oder anderem. Alle drei in dieser Ausstellung gezeigten Pyxiden sind durch ihre Verzierung in die Jahre von ca. 780 bis 810 zu datieren, selbst wenn sie unterschiedlichen stilistischen Traditionen angehören. Das silbervergoldete und niellierte Gefäß aus dem dänischen Wikingerschatz von Fejø auf der Insel Lolland (Katalog 43)
Katalog 26
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Liturgisches Gerät
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zeigt auf der Wandung eine doppelgeschossige Arkaden-Architektur mit dichtem vegetabilem Tiergeflecht und in diesen Arkaden Darstellungen von baumartigen Pflanzen, Vierpassmustern und eines Vierfüßlers (Abb. 31). Dabei handelt es sich um die architektursymbolische Wiedergabe des Neuen Jerusalems aus der Apokalypse des Johannes (21.9–22.5). Diese „Himmelsstadt“ sei aus „reinem Gold“ erbaut und von einer Stadtmauer „aus strahlendem Jaspis“ umgeben, deren zwölf Tore stets offen stünden und die auf zwölf Grundsteinen ruhe, welche die Namen der Apostel trügen. Im Innern stehe der Thron Gottes und des Lamms, es fließe „der Strom des lebendigen Wassers“, und es wachse der allzeit Früchte tragende „Baum des ewigen Lebens“, von dem die Völker der Welt genährt und geheilt würden. Der Betrachter des kleinen, sorgfältig verzierten Gefäßes kann, geradezu illusionistisch, in das Bauwerk durch die „nicht verschlossenen Tore“ hineinschauen und im Innern das Lamm, den Baum ewigen Lebens und den Vierstromquell erblicken – und es wird damit auch der Blick in das Gefäß selbst imaginiert. Mit dieser bildnerischen Simulation des Neuen Jerusalems als Metapher des Paradieses wird das gold-gleißende 88
Gefäß selbst als Paradies charakterisiert, das das geweihte Brot, also Christus den Erlöser, enthält. Eine solche, nur ansatzweise verschlüsselte, allegorische und heilsgeschichtliche Bildsymbolik ist charakteristisch für die christliche Kunst des frühen Mittelalters, die sich auf zahlreichen liturgischen Denkmälern wiederfindet, wie zum Beispiel auf dem Elfenbeinkelch von Deventer, die aber auch in realer Architektur nachgestaltet wurde wie bei der Michaelskapelle in Fulda aus dem frühen 9. Jahrhundert. Von gleichartiger Aussage wie die FejøPyxis, wenn auch schlichter bebildert, ist jene von Pettstadt bei Bamberg, die zur Ausstattung einer der Slawenkirchen Karls des Großen aus den Jahren vor 800 gehörte (Katalog 27; vgl. S. 33). Auf ihr ist diesmal nur ein viersäuliger Rundbau dargestellt, eine so genannte Tholos (Rundtempel), deren Bauteile (Säulen und Kuppel) wie beim „Neuen Jerusalem“ auf der Fejø-Pyxis mit einer Tier-Pflanzen-Ornamentik bedeckt ist, die als antike „belebte Weinranke“ selbst eine Paradiesessymbolik aufweist. Zahlreiche Darstellungen solcher Rundtempelchen des Frühmittelalters (zum Beispiel auf den Pilgerampullen von Monza oder auf karolingischen Silber-
Abb. 31 Pyxis von Fejø (Katalog 43) mit Rekonstruktion der „Architektur“ auf der Außenwandung. Nationalmuseum Kopenhagen.
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Katalog 27
denaren) stellen verkürzte Piktogramme von antik-christlichen Lebensbrunnen oder des heiligen Grabes in Jerusalem dar, der wohl bedeutsamsten (Wallfahrts-) Stätte der Christenheit, über das Karl der Große um 800 eine formelle „Schutzherrschaft“ übernommen hatte (vgl. S. 153 ff.). Und als symbolisch-allegorisches „Grab Christi“ wurde von den Kirchenvätern und Theologen des Frühmittelalters in der Tat der Kelch betrachtet, in dem der Herrenleib aufbewahrt wurde, und damit natürlich auch die Pyxis für die Brotspezies: „Sodann werden die heiligen Gefäße, das heißt Kelch und Patene, auf den Altar gestellt. Sie vertreten sozusagen den Typus des Herrengrabes. Denn wie damals der Leib Christi, mit Wohlgerüchen gesalbt, in einem neuen Grabe von den Frommen beigesetzt wurde, so wird sein mystischer Leib jetzt in der Kirche, mit der Salbe heiliger Gebete versehen, in heiligen Gefäßen beigesetzt, um den Gläubigen durch den Dienst der Priester mitgeteilt zu werden.“ Hrabanus Maurus, De institutione clericorum, Lib. I, cap. 33 (Übersetzung nach Elbern 1963)
Die dritte hier ausgestellte Pyxis, unweit der dänischen Handelsstadt Ribe gefunden (Katalog 28), ist stilistisch eng mit dem Godescalc-Evangelistar verbunden, das 781 von Karl dem Großen selbst in Rom in Auftrag gegeben und vom Mönch Godescalc 783 vollendet wurde. Auch ihre Wandung ist durch vier Arkaden gegliedert, die allerdings von symmetrisch gezeichneten Akanthusranken mit Blütenständen gebildet werden, die sich zum Beispiel im Evangelistar auf Lebensbrunnen-Darstellungen wiederfinden; der Hintergrund ist mit einem Fiedermuster bedeckt. Dieses Ornament kann als charakteristische Paradiesesvegetation in himmlischen Gefielden gelesen werden, unterstrichen durch eine den Mundsaum umziehende Efeuranke, wobei die Arkadengliederung wiederum auf eine entsprechende sakrale „Architektur“ Bezug nimmt. Karolingische Rauchfässer sind außerordentlich selten erhalten, vermutlich weil sie nicht zum heiligen Kernbestand der eucharistischen Gefäße gehörten. Neben einem mit dichtem Akanthusblattwerk verzierten doppelschaligen Rauchfass „aus MönchenGladbach“, das aus dem Umkreis der Aachener Bronzewerkstatt Karls des Großen stammen dürfte, ist insbesondere ein klei89
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nes einschaliges silbernes Rauchfass zu nennen, das aus der Quelle der Cetina bei Stara Vrlika in Dalmatien stammt, worin es vielleicht als Quellopfer von heidnischen Karantanen versenkt worden war (Katalog 29). Es gehört zu den einzigen beiden sicher in die Karolingerzeit datierten Räuchergefäßen. Das nur 6,2 cm hohe Gefäß aus getriebenem Silber mit Feuervergoldung und Nielloeinlagen besitzt noch die originale Halterung aus drei silbernen Fuchsschwanzketten und gegossenem silbervergoldetem Kettenverteiler. Stilistisch gehört es in die Spätphase des Tassilokelchstils, selbst wenn keine hierfür so typischen Tierornamente angebracht sind. Morphologie, Kerbschnitttechnik, Winkelbänder, das die Wandung umziehende Arkadenmuster mit niellierten Palmetten in den Zwickeln und auch der Kettenverteiler weisen es als karolingisches Produkt einer vermutlich alpenländischen (Salzburg?) Werkstatt mit byzantinischen Traditionen aus. Auch bei diesem Gefäß wird mit dem Arkadenmuster eine heilsgeschichtliche Architektur (Tholos, Lebensbrunnen, Grab Christi) imaginiert. Vermutlich kam das Thuribulum im Zuge der fränkischen, von Salzburg betriebenen Mission der heidnischen Karantanen nach Dalmatien, wo seine Fundstelle (Quelle der Cetina) im Umkreis einer frühmittelalterlichen Kirche und eines großen spätmittelalterlichen Gräberfeldes liegt. Als heidnischer Brauch war die Inzensation (Räucherung) des Altars in der frühen Kirche zwar verpönt, doch setzte sie sich seit dem späten 6. Jahrhundert im Byzantinischen Reich durch, offensichtlich unter Berufung auf das Rauchopfer des Zacharias.
26 Kelch von Kolín (Rekonstruktion) Rekonstruktion von 1986 des ursprünglichen Aussehens des Kelches aus dem böhmischen Fürstengrab von Kolín. Anders als die ältere barockisierende Rekonstruktion mit Originalteilen (Katalog 40) fußt diese Nachbildung auf einer Zeichnung des 19. Jhs. Während die Kuppaform ältere merowingische und oströmische Traditionen aufweist, zeigt der Blattdekor von Fuß, Nodus und Kuppaunterseite enge Beziehungen zu Werken der Aachener Hofschule. Silber, vergoldet; H. 15,5 cm Aachen (?), Anfang 9. Jh. Národní muzeum v Praze, Prag, Inventar 55086
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Lutovsky 1994; Elbern 1997, 164 ff. Abb. 8; Elbern 1998, 128 ff. Abb. 9; Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. XI.10 (E. Wamers) 27 Pyxis aus der Regnitz bei Pettstadt, Ldkr. Bamberg Der bauchige Becher, dessen Deckel (schon seit dem Mittelalter?) verloren ist, ist außen teil- und innen komplett vergoldet. Das verschließbare Behältnis (Pyxis) diente ursprünglich zur Aufbewahrung des geweihten Brotes nach Austeilung der Kommunion. Er gehörte vermutlich zu der Erstausstattung mit liturgischem Gerät einer der „Slawenkirchen“, die Karl der Große kurz vor 800 in der Würzburger Diözese zur Unterstützung der Slawenmission errichten ließ. Silber, vergoldet, Nielloeinlagen; H. 10,2 cm Ostfränkisch, letztes Viertel des 8. Jhs. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inventar FG 1966 Katalog Würzburg 1992, 154 ff. (L. Wamser, E. Wamers) 28 Pyxis von Ribe, Jütland Dieses frühkarolingische Hostienbehältnis wurde wie das vom seeländischen Fejø als Schatzfund zusammen mit sechs weiteren kleinen Silberbechern nördlich des wikingerzeitlichen Handelsortes Ribe gefunden. Seine Verzierung datiert ihn wie die beiden Pyxiden von Fejø und Pettstadt in das Ende des 8. Jhs., allerdings trägt sie schon den neuen Dekor, der auf klassisches antikes Erbe zurückgreift. Silber, vergoldet, Nielloeinlagen; H. 8 cm Alpenraum?, Aachen (?); ca. 780–800 Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar 15/08. Wamers 1991b, 128 ff. Abb. 23–24.
Katalog 28
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Katalog 29
29 Rauchfass Einschaliges Rauchfass mit Aufhängung aus getriebenem Silber mit partieller Feuervergoldung. In die Schale und den Fuß sind Kupfereinsätze genietet zum Schutz des Edelmetalls vor der Glut. H. (Gefäß inkl. Fuß) 6,2 cm; Dm. 6,2 cm Ostfränkisch (Salzburg?), ca. 790–810 Muzej Hrvatskih Arheoloskih Spomenika, Split, Inventar 1760 Katalog Paderborn 1999, Kat.Nr. VII.21 (E. Wamers); zu
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Sakrale Gewänder
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on alters her ist mit dem Gottesdienst eine eigene, aus dem Alltäglichen herausgehobene Kleidung verbunden. Im alttestamentlichen Buch Leviticus wird eindrucksvoll geschildert, wie Moses, dem Gebot Gottes folgend, den zum Opferdienst im Bundeszelt berufenen Aaron und seine Söhne mit einem Ritualgewand bekleidet. Der gelehrte Fuldaer Mönch Hrabanus Maurus nimmt darauf Bezug in seinem 819 verfassten Werk über das Amt des Klerikers, in dem er die liturgischen Gewänder der Geistlichen deutend beschreibt (De Institutione Clericorum, Lib. I, 14–23). Oft waren diese Paramente aus kostbaren Stoffen gearbeitet und mit goldenen Borten besetzt, wie es das Widmungsbild der so genannten Vivian-Bibel zeigt, die Karl der Kahle der Kathedrale von Metz gestiftet hat (Abb. 8). Schon im 8. Jahrhundert hatte Papst Zacharias gefordert, dass Bischöfe und Kardinalpriester durch aufwändigere gottesdienstliche Kleidung die Würde ihres geistlichen Amtes zum Ausdruck bringen sollten. Ein anschauliches Beispiel bietet auch das Herrscherbild in einem wohl ebenfalls von Karl dem Kahlen für Metz bestimmten Sakramentar (Abb. 32). Es zeigt den jugendlichen Kaiser im Krönungsornat in Begleitung zweier Erzbischöfe. Gut zu erkennen sind die goldenen Applikationen am Ornat der beiden Geistlichen. Von gleicher Kostbarkeit scheinen auch die sakralen Gewänder gewesen zu sein, mit denen man im 9. Jahrhundert Abt Ratger von Fulda bestattet hat. Leider wissen wir davon nur noch durch eine in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts verfasste Chronik, die davon berichtet, wie aufständische Bauern das Grab gewaltsam öffneten und die gut erhaltenen vestimenta 92
pontificalia als Beutegut unter sich aufteilten. Ein Gewandstück, das auf der Miniatur mit den beiden Erzbischöfen nicht zu sehen ist, wird von Hrabanus als cingulum beziehungsweise balteus besonders gewürdigt. Damit ist jener Gürtel gemeint, der dazu dient, das leinene Untergewand – die Albe – zu schürzen. Diese wird in der Metzer Miniatur weitgehend von der Dalmatik verdeckt, die die beiden geistlichen Würdenträger als Zeichen ihres doppelten Weihegrades noch zusätzlich unter dem Messgewand (Kasel) tragen. Wie die Albe gegürtet wurde, lässt sich aus einem anderen Zusammenhang erschließen: Ausdrücklich setzt Hrabanus Maurus die priesterlichen Gewänder in Parallele zu den Kultkleidern des Alten Bundes. Er übernimmt dafür Begriffe aus dem Buch Leviticus (Lv 8,13). So steht die Bezeichnung tunica albea gleichlautend für die priesterliche Albe und für das Gewand der Leviten. Der Gürtel, mit dem es gerafft wird, heißt auch im Alten Testament balteus. In diesen Kontext fügt sich eine Darstellung aus der römischen Bibel Karls des Kahlen, die Aaron und seine Söhne zeigt (Abb. 33). Mangels anderer Vorlagen greift der Buchmaler hier auf die ihm vertraute liturgische Kleidung zurück und nimmt sich für die Gewänder der Leviten gegürtete Alben zum Vorbild. Da Aaron und seine Söhne darüber nur einen offenen Mantel tragen, ist auch der Gürtel zu sehen, der dem entspricht, den der jugendliche Herrscher des Metzer Krönungsbildes trägt. Charakteristisch ist das einzeln herabhängende Ende, das in einer Riemenzunge ausläuft. Bei dem Cingulum der Leviten handelt es sich damit um
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Abb. 32 „Festkrönung“ Karls des Kahlen? Sakramentarfragment. Paris, Bibl. Nat. lat.1141, fol. 2v (Hofschule Karls des Kahlen, um 869)
den mit einer Schließe geschlossenen gallischen Typus, während man in Rom – wie später allgemein üblich – die Albe mit einem geknoteten Band zu schürzen pflegte, das in zwei Enden auslief. Zumindest einige der bisher einzelnen aufgefundenen Riemenzungen der Karolingerzeit könnten also von einem kirchlichen Ornat stammen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist dies bei dem versilberten Riemenende aus Gornji Vrbljani in Bosnien (Abb. 34) der Fall, das sich durch vier Kreuze auszeichnet und als Inschrift die Anfangsworte des Sanctus-Hymnus der Messfeier trägt:
S(an)C(tv)S S(an)C(tv)S S(an)C(tv)S D(omi)N(u)S S(a)B(aoth). Das 16 cm lange, bronzevergoldete und silberplattierte Beschlagstück trägt auf der Rückseite die Inschrift: TETGIS FABER ME FECIT Der Name Tetgis ist als westfränkischer männlicher Personenname des 8. oder 9. Jahrhunderts identifiziert. Die kunstvolle Form der Inschrift mit ihren kenntnisreich eingesetzten Kontraktionen setzt bereits einen hohen Stand der Schriftentwicklung 93
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voraus (Düwel). Eine genauere Datierung ins letzte Drittel des 8. Jahrhunderts ergibt sich aus der Ornamentik im so genannten Tassilokelch-Stil, benannt nach den charakteristischen Tier- und Pflanzendarstellungen angelsächsischer Prägung am gleichnamigen Kelch im Benediktinerstift Kremsmünster. Auch die Herstellungstechnik mit sparsamster Verwendung von Edelmetall ist hier die gleiche (Vinski 1977/78, 190–194 Taf. I-II; Vinski 1983, 465 ff.; Düwel 1994, 261–263; Bierbrauer 2001, 99 ff.).
Abb. 33 Aaron und seine Söhne. Bibel von St. Paul vor den Mauern in Rom, fol. CCCXXXIV v., c.32v (Ausschnitt) (um 870). Die jüdischen tragen wie die christlichen Priester des 9. Jhs. Albe und Cingulum.
Abb. 34 Riemenende aus Gornji Vrbljani, Bosnien. Kolorierte Zeichnung von Vorder- und Rückseite nach Vinski 1977-78 (ostfränkisch, letztes Drittel 8. Jh.)
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Katalog 30
Auch das schwere, aus vergoldetem Silber gearbeitete Riemenende aus Notmark (Katalog 30), dessen Inschrift es als gottgeweiht ausweist, war offenbar für einen priesterlichen balteus bestimmt. 30 Riemenende eines Cingulums (?) In der Wikingerzeit sekundär zur Fibel umgearbeitet (Bohrlöcher, Lötspuren). Die Ausbrüche im Randbereich werden als Hacksilber-Entnahme gedeutet. Inschrift der Rückseite: EGO IN D[.] NOMINE + ERMADV[.] ME FECIT Nach einer älteren Auskunft von Bernhard Bischoff könnte der Name Ermadus womöglich auf romanischem Gebiet entstanden sein. Die Inschrift bezieht sich offenbar auf den Gegenstand selbst, der sich als
im Namen Gottes stehend bezeichnet und damit für den kirchlichen Gebrauch bestimmt sein dürfte. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 12,8 cm Westfränkisch (Lothringen), Mitte 9. Jh. Gefunden in Notmark (Alsen), Sønderjyllands amt, Dänemark Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 14201 Arbman 1937, 151 f., 158 ff. Taf. 50.2; Fraenkel-Schoorl 1978, 352 ff. Abb. 5a-b; Katalog Hildesheim 1993, Nr. IV-49 (E. Wamers); Düwel 1994, 263 f. Literatur: Hrabanus Maurus. Braun 1907; Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, s.v. „Priesterkleidung“ (M. Müller); zum Grabornat des Abtes Ratger: Oexle 1978.
Michael Brandt
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Reliquiare
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chon in der frühen Kirche verband sich der Brauch, Heilige an ihren Gräbern zu verehren mit der Vorstellung, die Seele im Himmel erfülle den im Grab verbliebenen Leib mit besonderer Segenskraft. Aus dem Wunsch, sich dieser heiligenden Virtus zu versichern, entwickelt sich seit der Spätantike ein ausgreifender Reliquienkult, der sich bald nicht nur auf die Heiligen selbst beschränkte, sondern auch Gegenstände aller Art betraf, die mit ihnen in Berührung gekommen waren. Die Christus- und Marienreliquien, mit denen Karl der Große den Reliquienschatz seiner Aachener Pfalzkapelle ausgezeichnet hat und die noch heute im Mittelpunkt der Aachener Heiltumsfahrt stehen, gehören in diesen Zusammenhang. Schon Karls fränkische Ahnen hatten im 7. Jahrhundert mit der cappa – dem mit dem Bettler geteilten Mantel des heiligen Martin – eine bedeutende Berührungsreliquie in ihren Besitz gebracht, die sie der Obhut eigens dafür an den Hof berufenen Geistlicher, den capellani, anvertrauten. Aus diesem schriftkundigen Kollegium, das den Herrscher von Pfalz zu Pfalz zu begleiten hatte, erwuchs das zentrale Verwaltungsorgan des Reiches, die Hofkapelle.
Das Hildesheimer Gründungsreliquiar Dass das Mitführen von Reliquien aus dem herrscherlichen Schatz auch später noch üblich war, wenn der Kaiser durch das Reich zog, illustriert sehr anschaulich eine Episode im Gründungsbericht der Kirche von Hildesheim. Unter Verwendung älterer Quellen muss diese „Fundatio Ecclesie Hildensemensis“ im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts niedergeschrieben worden 96
sein, möglicherweise veranlasst durch interne Streitigkeiten um die Neubauplanung des abgebrannten Domes. Jedenfalls ist dem Verfasser auffällig daran gelegen, die Heiligkeit des überkommenen Ortes zu betonen, um so den Aufbau an alter Stelle zu rechtfertigen. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang das in der Ausstellung gezeigte Marienreliquiar (Katalog 31). Nach alter Überlieferung handelt es sich um jenes Reliquiengefäß, das Kaiser Ludwig der Fromme mit sich führte, als er sich im sächsischen Elze aufhielt, um die von seinem Vater Karl dort gegründete Kirche zum Bischofssitz zu erheben. Bei einem Ausritt zur Jagd habe er unterwegs an der Stelle des heutigen Hildesheim gerastet und eine Messe feiern lassen. Dafür seien auf sein Geheiß Reliquien aus der königlichen Kapelle herbeigebracht worden. Nach Elze zurückgekehrt, sollte auch dort eine Messe gelesen werden. Als der capellarius die Reliquien auf den Altar stellen wollte, sei ihm bewusst geworden, dass er sie am Rastplatz vergessen hatte. Dort fand er sie immer noch so, wie tags zuvor, am Ast eines Baumes aufgehängt, doch nun konnte er sie nicht mehr herabnehmen. Ludwig, dem er erzählte, was geschehen war, sah darin ein Zeichen göttlichen Willens und änderte seine Pläne. Dort, wo die Reliquien nun einmal hingen, ließ er eine Kapelle zu Ehren der Gottesmutter errichten, über der sich später der Chor des Hildesheimer Domes erheben sollte. Und an diesem Ort setzte der Kaiser den neuen Bischof ein. Bemerkenswert ist der Hinweis, dass der Reliquienbehälter zum Aufhängen bestimmt war. Eine ganze Reihe von Reliquiaren der Karolingerzeit haben entsprechende Halterungen. Die Hildesheimer
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Quelle macht deutlich, dass dies keineswegs so gedeutet werden kann, als gehe es um den persönlichen Schutz des Trägers im Sinne eines Privatreliquiars. Dazu sind die meisten der betreffenden Reliquienbehälter auch viel zu groß und viel zu kostbar – wie das Hildesheimer Reliquiar. Und in diesem Fall ist eben ausdrücklich davon die Rede, dass es sich um Reliquien handelt, die aus der Kapelle des Herrschers stammen. Wenn in seiner Anwesenheit die Messe gefeiert wird, hat der capellarius das Reliquiar auf den Altar zu stellen, wie es die Fundatio vom Aufenthalt in Elze berichtet. Auch auf der Rast am Ort des Wunders dienen die Reliquien dazu, den Altar zu heiligen. Für solche Gelegenheiten mag das Gefäß zum Aufhängen gedacht gewesen sein, wie man es auch in Miniaturen der Karolingerzeit mehrfach dargestellt findet (Abb. 28). Vor allem wird der entsprechende Gurt aber dazu gedient haben, es – vor der Brust getragen – würdig und sicher zu transportieren. Noch ein 1438 erstelltes Schatzverzeichnis des Hildesheimer Domes weiß von einem „silbernen Band“, das man am Marienreliquiar befestigte, „wenn 98
man damit reiten soll“. Es ist heute ebenso verloren wie die Aufhängeösen, von denen nur noch schwache Spuren am Kamm der durch jahrhundertelangen verehrenden Gebrauch ganz abgescheuerten Silberkapsel zeugen. Unglücklicherweise gingen bei einer Beraubung 1680 die ursprünglichen Reliquien verloren, mitsamt der Bodenplatte, die man sich wohl als Schiebedeckel zu
Abb. 35 Silberkästchen (sog. capsella vaticana) aus dem Schatz der päpstlichen Hauskapelle Sancta Sanctorum Vatikan, Bibliotheca Apostolica, Museo Sacro, Inventar 61039 (6. Jh.)
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Abb. 37 Karolingisches Bogengrab (Arcosolgrab) im Baptisterium von Albenga (Ende 8. Jh.)
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Abb. 36 Prudentius kniet betend am Altar, Lyon, Bibliothèque municipale Saint-Pierre, Ms 22, fol. 5v° (Ende 11. Jh.)
denken hat. Doch ist der Inhalt wenigstens durch eine Notiz im mittelalterlichen Gedenkbuch des Domkapitels bezeugt. Mit den dort unter anderem erwähnten Partikeln vom Kleid und von den Haaren der Gottesmutter, sowie vom Schweißtuch Christi, deutet sich eine Herkunft aus dem Aachener Reliquienschatz an, den auch die Fundatio mit ihrem Hinweis auf die regia capella nahe legt. Dabei fällt auf, dass es sich ausnahmslos um Salvator- und Gottesmutterreliquien handelt. Die Programmatik dieser Reliquiensammlung liegt ganz auf der Linie der forcierten Salvatorverehrung, die mit dem Aufstieg der Karolinger verbunden ist und die auch den Aachener Reliquienschatz prägt. Eine ganz andere Sprache spricht die Inschrift auf dem Kamm des Hildesheimer Reliquiars. Ihr Wortlaut ist liturgischen Texten zum Fest eines Märtyrers entnommen. Zur allgemein gehaltenen Aussage, dass „die Leiber der Heiligen ... im Frieden begraben“ sind, passt das Lebensbaum-Motiv auf den beiden Schauseiten der silbernen Kapsel. Waren also ursprünglich Märtyrer-Reliquien vorgesehen, oder hat man diese gar
aus einem bestimmten Anlass entnommen und sie durch die ranghöheren Salvatorund Marienreliquien ersetzt? Eine befriedigende Erklärung für die Diskrepanz zwischen Inhalt und äußerer Gestalt ist bisher nicht gefunden. Offenbar ist das Reliquiar ursprünglich gar nicht für Hildesheim bestimmt gewesen; der Wunderbericht der Fundatio deutet darauf hin. Vor allem bestehen auffällige Gemeinsamkeiten mit zwei anderen, ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Silberschmiedearbeiten, die auf den Aachener Hof Karls des Großen verweisen. Das kostbare Endstück eines Langszepters aus dem reichen „Fürstengrab“ von Kourˇim (Katalog 12, 39) und die in Ribe gefundene Pyxis (Katalog 28) haben eine ganz ähnliche, ebenfalls muldenförmig eingetiefte, kontrastierend vergoldete und von feinen Konturlinien umzogene Rankenmusterung. Vorbildlich für diese vegetabile Ornamentik sind offensichtlich Handschriften in der Art des Godescalc-Evangelistars gewesen, einer Arbeit, die der kunstfertige Godescalc zwischen 781 und 783 für Karl den Großen verfertigt hat. Sie bil99
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det den Auftakt zu einer Gruppe von reich geschmückten liturgischen Büchern, die man unter dem Begriff „Hofschule Karls des Großen“ zusammenfasst, weil ihr Skriptorium nicht nur nahe Beziehungen zum Hof des Herrschers hatte, sondern auch auf seine persönliche Initiative hin tätig wurde. Dass Karl an seinem Hof nicht nur die Buchmalerei, sondern auch andere Künste nach Kräften gefördert hat, zeigt Einhards Bericht über die Erbauung der Aachener Pfalzkapelle. „Mit Gold und Silber, mit Leuchtern und mit Gittern und Türen aus Bronze“ habe der Kaiser sie ausschmücken lassen und ihr neben einer großen Anzahl liturgischer Gewänder „viele heilige Gefäße aus Gold und Silber“ geschenkt. Es sieht ganz so aus, als sei das Hildesheimer Reliquiar in diesem Umfeld entstanden, zumal sein pflanzlicher Dekor über die genannten Arbeiten hinaus mit gleichartigen Elementen am bronzenen Emporengitter der Pfalzkapelle in Verbindung gebracht werden kann. Von den Kostbarkeiten in seiner eigenen Schatzkammer bestimmte Karl testamentarisch einen Teil ausdrücklich für die Bischöfe des Reiches. Sollte dazu auch das Hildesheimer Gründungsreliquiar gehört haben? Oder hatte Karl es vielleicht noch zu Lebzeiten an seine Kirchengründung in Elze gegeben, die er zu einem Bistum ausbauen wollte? Wäre dann der Wunderbericht der Fundatio so etwas wie eine nachträgliche Rechtfertigung der Übertragung nach Hildesheim, und fand in diesem Zusammenhang ein Reliquientausch statt? Noch ist darauf keine Antwort gefunden. Erklärungsbedürftig bleibt auch die singuläre Form des Reliquiengefäßes, die in Hildesheim von einer ganzen Reihe mittelalterlicher Kopien des ehrwürdigen Gründungsreliquiars übernommen wurde. Die Proportionen erinnern an einen charakteristischen Typus längsovaler Pyxiden der Spätantike, wie ihn etwa die berühmte capsella vaticana aus dem Schatz der päpstlichen Hauskapelle im Lateran (Abb. 35) vertritt. So wie diese Art von Silbergefäß ist auch das Hildesheimer Reliquiar ohne hölzernen Kern aus purem Silber gearbeitet. Der bewusste Rückgriff auf solche spätan100
tike Handwerkstradition passt gut in die Vorstellungswelt Karls des Großen, der ja auch die Peterskirche in Rom wie ein zweiter Konstantin mit einem reichen Silberornat ausgestattet hat. Während aber der Gefäßkörper der spätantiken Vergleichsbeispiele stets einen separat gearbeiteten Deckelaufsatz hat, ist das Hildesheimer Gründungsreliquiar als geschlossene „Scheibe“ gearbeitet und dekoriert. Denkt man sie sich auf einen Altar gestellt, so gleicht der Anblick jenem bogenförmigen, mit Edelsteinen dekorierten Gebilde, das man in der Miniatur einer PrudentiusHandschrift vom Ende des 11. Jahrhunderts als Altaraufsatz abgebildet sieht (Abb. 36). Offenbar handelt es sich ebenfalls um ein Reliquiengefäß in der Art der Hildesheimer Silberkapsel. Könnte in beiden Fällen ein Bogengrab zitiert sein? Ein besonders schönes Arcosolgrab aus karolingischer Zeit befindet sich im Baptisterium der norditalienischen Stadt Albenga. Über der kastenartigen Grablege mit reichem Kerbschnittdekor ist die Wand mit einer ebenso dekorierten Marmorplatte geschmückt (Abb. 37). Ihre Musterung greift die Form des Rundbogens auf und zeigt als zentrales Motiv den Lebensbaum. Beide Motive, Rundbogen und Lebensbaum, kennzeichnen das Hildesheimer Reliquiar. Nimmt man dazu dessen Inschrift, die es als Reliquiengrab charakterisiert, dann ist die Assoziation mit einem Bogengrab naheliegend. Ein Arcosolium gab es übrigens auch in der Aachener Pfalzkapelle: das Grab Karls des Großen, von dem Einhard überliefert, es werde von einem goldenen Bogen überfangen.
31 Heiligtum Unserer Lieben Frau Reliquiengefäß: Aachen, Anfang 9. Jahrhundert; Bodenplatte 1680 erneuert, mit Nachahmung der ursprünglichen Inschrift Inschrift: a) Kamm: COR[..] RA S(an)C(t)OR[.....] SEPVLTA SV[.] b) Bodenplatte: ET VIVENT NOMINA/EORVM IN ETERNVM Im Laufe der Jahrhunderte ist das hochverehrte karolingische Gründungsreliquiar der Kirche von Hildesheim mehrfach umgearbeitet und verziert worden. Die Edelsteinbänder, die das Silbergefäß wie eine Krone umschließen, sind im 1. Viertel des 13. Jahr-
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hunderts hinzugekommen. Charakteristische Details verbinden sie mit einer Gruppe wohl in Venedig entstandener Juwelierarbeiten der Stauferzeit. Vielleicht gehören die Schmuckbänder zu einer quellenmäßig bezeugten Stiftung Kaiser Ottos IV. Der Fuß dürfte samt der 1680 zerstörten Bodenplatte ursprünglich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden sein. Der heutige Zustand geht auf eine durchgreifende Reparatur des 1680 entwendeten und beschädigt wieder aufgefundenen Reliquiars zurück. Silber, getrieben, teilvergoldet; H. 9,1 cm, B. 5,3 cm, L. 15,8 cm wohl Aachen, Anfang 9. Jahrhundert Hildesheim, Dom-Museum, Inventar DS 1 Kratz 1840, 3–12; Fleckenstein 1959, 14–16; Elbern 1969 (mit Datierung der Silberkapsel in das 10. Jahrhundert); Berges 1974; Berges, Rieckenberg 1983, 23–40 Nr. 1, mit Nachträgen 167–170 Taf. 1–3; Katalog Hildesheim 1989, 10–20 Nr. 1 (M. Brandt); Gussone 1995; Wulf, Rieckenberg 2003, Bd. 2, 173–178; zur Bedeutung der Salvator- und Marienreliquien: Angenendt 2001 und 2002
Das Ellwanger Kästchen Auch das zweite in der Ausstellung gezeigte Reliquiar ist wohl ein kaiserliches Geschenk (Katalog 32). Ob das goldene Kästchen von Anfang an Reliquien aufnehmen sollte oder ob es zunächst für weltliche Zwecke bestimmt war, ist seinem Bildprogramm nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Eine solche Umwidmung wäre jedenfalls nicht ungewöhnlich. So hat zum Beispiel Karl der Kahle ein antikes Trinkgefäß zu einem Kelch umarbeiten lassen, den er der Abteikirche St. Denis stiftete. Und die zwei kostbaren silbernen Tische mit den Abbildungen der beiden Städte Byzanz und Rom, die Einhard im Besitz Karls des Großen erwähnt, sollten nach dessen Tod der Peterskirche und der Kathedrale von Ravenna übereignet werden. Vielleicht wurden in dem Ellwanger Kästchen ursprünglich weltliche Preziosen aufbewahrt, bevor es die Stiftskirche zum Geschenk erhielt. Gefunden wurde es 1959 bei Grabungen in der Krypta der romanischen Stiftskirche. Hier dürfte es ehemals in einem Seitenaltar eingeschlossen gewesen sein, der in unmittelbarer Nähe des Fundortes lag. Über den Inhalt ist nichts bekannt, doch aufgrund der Fundumstän-
de müssen es Reliquien gewesen sein, wie sie seit dem frühen Mittelalter in jedem Altar vorausgesetzt werden können. Deckel und Seitenteile des Kästchens sind mit getriebenen Reliefs verziert, die enge Verwandtschaft mit den Treibarbeiten eines kleinen goldenen Altarziboriums zeigen. Dieses so genannte „Arnulf-Ziborium“ (München, Schatzkammer der Residenz) entstand im Auftrag des gleichnamigen Herrschers um 870 im westfränkischen Reich. Das Ellwanger Kästchen stammt offensichtlich aus dem gleichen Umfeld, vielleicht sogar aus derselben Werkstatt. Dann ist es aber schwerlich für Ellwangen bestimmt gewesen, jedenfalls sind für den fraglichen Zeitraum keine Zuwendungen der Karolinger an das 764 gegründete Kloster bezeugt. Näheren Aufschluss über den Auftraggeber vermag allein das ungewöhnliche Bildprogramm zu geben, das in seiner Zeit ohne Parallele dasteht. Das gliedernde Rahmengerüst des Deckels bilden zwei nebeneinander gesetzte Diagonalkreuze, in deren mittlerer Raute die von einem Kreis gefasste Gotteshand erscheint. Ihr wenden sich sechs männliche Köpfe im Strahlennimbus zu. Ein siebter hat seinen Platz vorn unter dem aufgesetzten Schloss. Links und rechts davon sieht man, in größeren Rundfeldern, zwei Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Das aufgeschlagene Buch und der Heiligenschein deuten an, dass die symbolische Darstellung des Evangelisten Johannes gemeint ist. Die beiden Schmalseiten sind mit einem vegetabilen Dekor versehen, der an einen Lebensbaum erinnert. Der Gedanke an ein dezidiert kirchliches Bildprogramm ist deshalb nicht abwegig, obwohl die Gleichförmigkeit der Bildnismedaillons verwundert, sofern es sich um Darstellungen der Heiligen handeln sollte, deren Reliquien das Kästchen barg. Noch weniger passt in dieses Bild die Gestaltung der Rückseite. Drei weitere Medaillons sind hier zu sehen, mit zwei gekrönten Herrschern links und rechts, die sich zu einer edlen Frau in ihrer Mitte wenden. Sie selbst blickt den von ihr aus rechten der Gekrönten an, der auch ein reicheres Gewand trägt. Die Individualisie101
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rung legt nahe, an konkrete Personen zu denken. So hat man in der Frau die ursprüngliche Besitzerin des Kästchens erkennen wollen und sie mit Richildis identifiziert, seit 870 zweite Gemahlin Karls des Kahlen. Mit ihrem nach byzantinischer Art gekrönten Gegenüber wäre dann der Herrscher selbst gemeint und in ihrem Rücken der 879 verstorbene Thronfolger Ludwig dargestellt, der die gleiche geschlossene Kronenhaube mit Pendilien trägt. So bekommt das Bildprogramm auch im Ganzen einen anderen Sinn: Als Personifikationen der sieben Planeten fügen sich die sieben Köpfe auf Vorderseite und Deckel mit der Hand Gottes im Zentrum zu einem Bild der Selbstoffenbarung des Schöpfers in seiner Schöpfung, wie es im Prolog des Johannesevangeliums anklingt, auf dessen visionären Bericht das Adlersymbol verweist. Damit sind zentrale Gedanken im Werk des Johannes Scotus Eriugena berührt, eines der großen Gelehrten in der Umgebung Karls des Kahlen. Und wenn der Kaiser hier mit seiner Familie, wie es der Strahlennimbus andeutet, gleichsam in die Reihe der Gestirne aufgenommen ist, so findet man solche Bildvor-
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stellungen in der Umgebung Karls des Kahlen auch in Worte gefasst, im großen Widmungsgedicht der Bibel etwa, die Karl der Kathedrale von Metz gestiftet hat. Nach Ellwangen könnte die kostbare Schatulle aus dem Besitz der Kaiserfamilie über Kaiser Arnulf gekommen sein, der dem Kloster 894 das Recht der freien Abtwahl bestätigte. 32 Reliquienkästchen aus Ellwangen Getriebenes Kupferblech mit Resten von Vergoldung; Silber (Schloss), Eisen (Scharniere); Holzkern mit Pergamentüberzug weitgehend vergangen und 1963 vollständig erneuert. 1959 zusammen mit Bruchstücken weiterer Reliquienbehälter bei Grabungen in der Krypta der Ellwanger Stiftskirche gefunden H. 12 cm, B. 30 cm, T. 14 cm Westfränkisch, um 870/80 Ellwangen, Katholische Pfarrkirche St. Vitus Adelmann 1958/59, 35 f.; Elbern 1961, 133 f.; Volbach 1964; Schramm 1965; Westermann-Angerhausen 1973, 113–119; Staubach 1993, 97–104 Literatur: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, s.v. „Reliquien“ (A. Angenendt), „Reliquiare“ (E. Wamers); Angenendt 2002
Michael Brandt
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Katalog 32
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Lockruf des Silbers Normannen im Fränkischen Reich
Wir fuhren zum Treffen mit Frieslands Kriegern, und teilten unter uns die Kriegsbeute
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Runeninschrift auf einem Silberhalsring von Botnhamn, Nordnorwegen
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Kaupang Kaupang
Birka
Birka
Grobin
Grobin Åhus
Ribe
Dublin
York
Dublin
Åhus
Ribe
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Ungebetene Gäste
Die Raubzüge
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Abb. 38 Von Normannen im 9. Jh. angegriffene Orte im Fränkischen Reich (nach Capelle, im Druck)
Die Wikinger in und aus dem Norden – im Westen überwiegend „Normannen“ genannt und im Osten als „Waräger“ geläufig – sind in ihren Heimatgebieten sowie in den meisten Expansionsgebieten in Russland, auf den Britischen Inseln und auf den nordatlantischen Inseln nicht nur durch zeitgenössische schriftliche Quellen, sondern ebenso oder zuweilen sogar vor allem durch archäologische Funde und Befunde sehr gut bezeugt. Lediglich auf dem westeuropäischen Kontinent, das heißt im Machtbereich der von ihnen so besonders hart drangsalierten Karolinger, sind sie mit Hilfe von Bodenfunden so gut wie kaum zu greifen. Dieser Mangel an direkten archäologischen Belegen ist zunächst umso erstaunlicher, als es eine Fülle gleichzeitiger kontinentaler schriftlicher Quellen gibt, die ihre über ein Jahrhundert ständig wiederkehrende Präsenz grausam-anschaulich belegt. Diese Diskrepanz wird wohl in erster Linie damit zu erklären sein, dass die Nordleute zwischen der Elbe im Nordosten und der Iberischen Halbinsel im Südwesten ein ganz anderes Anliegen hatten als in den übrigen von ihnen auf- oder heimgesuchten Ländern. Auf dem westeuropäischen Kontinent (abgesehen von anfänglicher kaufmännischer Tätigkeit im Rhein-/Schelderaum) standen Plünderungen im Vordergrund. Damit einher ging zahlloses Töten (wohl nach heutiger Rechtsprechung eher Totschlag als Mord), der „dürstend nach Menschenblut“ (Annales Vedastini 879) vorgehenden Heiden: „Aber die Normannen hörten nicht auf, das Volk der Christen als Gefangene
fortzuführen, zu töten, Kirchen und Mauern zu zerstören sowie Ansiedlungen zu verbrennen. Überall lagen die Leichen von Klerikern, Adeligen und anderen, von Frauen, Jugendlichen und Kleinkindern. Denn es gab keine Straße und keinen Platz, an denen nicht Tote lagen. Für alle war es Qual und Schmerz mit anzusehen, wie das Christenvolk bis zur Ausrottung verheert wurde“. Annales Vedastini 884
Ein fast vollständiges Ende fand die lange Not erst 891 durch Arnulfs Sieg über die Normannen bei Löwen an der Dyle – ein Erfolg, der noch viele Generationen später mit Dank und Bewunderung verzeichnet wurde: „Er sammelte das Heer und griff die Dänen an, die er in vielen schweren Kämpfen fast vernichtete. Dieser Krieg wurde vom Himmel geführt, da trotz 100 000 erschlagener Heiden dabei kaum ein Christ getötet wurde. So fand die Bedrängnis durch die Normannen ihr Ende“. Helmold von Bosau, Slawenchronik 7
Bereits in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts griffen die südwärts gerichteten Züge der Wikinger schon sehr weit aus. Nach zögerlichen Anfängen in den ersten Jahrzehnten setzten verstärkte Angriffe zunächst seit 834 bis 844 in durch Handelsfahrten bereits bekannte Gebiete ein. Schwerpunkte waren der Rhein-ScheldeRaum mit Dorestad als bevorzugtem Ziel sowie in geringerem Umfang die Loiremündung. An der Seine war in diesem knappen halben Jahrhundert nur Rouen 107
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betroffen. Besonders weit aufwärts wurde gleichsam wie ein Abstecher die Garonne befahren, an der im Jahr 844 sogar Toulouse erreicht wurde (Karte in Innenklappe; Karte Abb. 38). Ein erschütternder Höhepunkt war gewiss erreicht, als am Ostersonntag 845 Paris erobert und geplündert wurde. Bis 856 wurden dann weitere große Flüsse bereits sehr weit landeinwärts erkundet und das Binnenland war über die Seine und vor allem über die Loire mit ihren Nebenflüssen noch stärker betroffen als zuvor. Dann nahm die Zahl der Angriffe noch erheblich zu. Bevorzugt wurden nun die großen Fluss-Systeme von Rhein, Seine und Loire – bis über Köln, Paris und Orléans hinaus – mit den Einzugsgebieten ihrer Zuflüsse. Der Südosten wurde sowohl 864 über den Fluss Allier bis Clermont als auch 860 durch das Mittelmeer über die Rhône bis Valence erreicht. Damit war einmalig eine Art Zangenbewegung um den gesamten Raum gegeben. Danach ist ein kurzfristiger intensiver Höhepunkt in den Jahren 881 und 882 zu verzeichnen, in denen das „große Heer“, das wie „ein wanderndes und segelndes Reich“ erschien, von Britannien 879 kommend, die Führungslosigkeit auf dem Kontinent ausnutzte und ganze Regionen fast flächendeckend bedrohte. Das gesamte Gebiet nordöstlich von Seine und Marne bis zum Rhein hin war in dieser kurzen Phase reines normannisches Einflussgebiet, in dem sich die Angreifer offensichtlich auch weitgehend ungefährdet von ihren schützenden Schiffen auf den Flüssen entfernen und bewegen konnten, um weit im Land gelegene Ziele aufzusuchen; an Dreistigkeit kaum zu übertreffen war dabei die Verwendung der königlichen Kapelle in Aachen als Pferdestall. Die Seine selbst und alles südlich davon war in diesen beiden intensiven Jahren nicht von Interesse. Noch ein weiteres Jahrzehnt werden nennenswerte Angriffe in größerer Zahl überliefert und zwar bis zu Arnulfs Sieg über die Normannen 891 bei Löwen an der Dyle: 108
„Die Christen richteten ein Schlachtgeschrei bis zum Himmel und auch die Heiden schrieen ihrer Sitte gemäß sehr laut. Schreckliche Feldzeichen wurden durch das Lager getragen. Mit gezogenen Schwertern gingen sie wie Stein gegen Eisen auf einander los ..... Es wurde nicht lange, aber heftig gekämpft, bis die Christen durch die helfende Hand Gottes den Sieg errangen“. Annales Fuldenses 891
Angst und Schrecken verbreiteten die Wikingerflotten offensichtlich nicht nur auf naheliegende Weise entlang der leicht zugänglichen Küstenzonen, sondern allenthalben auch weit stromaufwärts, und das obgleich sie dort von den Ufern aus wesentlich gefährdeter waren. Das zeigt mit aller Deutlichkeit, wie wehrlos die Bewohner des Kontinents ihnen ausgesetzt oder gar ausgeliefert waren. Dass so viele Ziele so weit landeinwärts erreicht werden konnten, ist abgesehen von der unverfrorenen Dreistigkeit vor allem durch zwei Faktoren zu erklären. Zum einen waren im Mittelalter wesentlich mehr Flüsse befahrbar als heute, da viele Gewässer inzwischen nahezu ausgetrocknet sind. Zum anderen erlaubte der überaus geringe Tiefgang der Wikingerschiffe auch ein Befahren von seichten Flussläufen und fast überall ein Anlanden, ohne dass dafür Hafenanlagen oder ähnliches notwendig gewesen wären. Den Quellen nach zu urteilen, muss es einige besonders bevorzugte Orte gegeben haben, die mehrfach heimgesucht wurden, da sie als besonders vielversprechend und ertragreich galten. Das trifft etwa zu für große Städte wie Paris, das in dem hier betrachteten Zeitraum mindestens sechs mal betroffen war, für den Nordleuten gut bekannte Handelsplätze wie Dorestad, das acht mal geplündert wurde, für Bischofsitze wie Tours, der vier mal überfallen wurde, und für Klöster wie Prüm, das drei mal beraubt wurde. Stolze Erzählungen oder eigene Erfahrungen der Täter werden zu solchen Wiederholungsfällen geführt haben.
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Nach ersten gesammelten Erfahrungen zu Beginn des 9. Jahrhunderts mit der zeitraubenden An- und Abreise wurde die Effektivität der wikingischen Unternehmungen durch die Errichtung vorübergehender Standorte oder regelrechter Lager gesteigert, die mit Überwinterungen einhergingen. Eine erste Überwinterung wird für das Jahr 843 auf der Insel Noirmoutier nahe der Loiremündung überliefert. Laut den Annales Bertiniani sollen dafür die Normannen sogar Häuser vom Festland mit hinübergeschafft haben: „Normannische Piraten ..... zogen in Teile des unteren Aquitanien und verwüsteten diese. Dann gingen sie schließlich auf eine Insel, brachten vom Festland Häuser dorthin und ließen sich für den Winter dauerhaft nieder“. Das ist zugleich der einzige Hinweis darauf, wie solche Lager ausgesehen haben können. In der Regel wird aber wohl an leichtere Unterkünfte mit weniger permanentem Charakter zu denken sein. Nach dem Häuserbau auf Noirmoutier sind fast kontinuierlich bis zum Jahr 896 (Choisy) vielerorts wikingische Lager auf dem westeuropäischen Kontinent zwischen Rhein und Loire – sowie zusätzlich eines ganz im Süden in der Carmargue gelegen – bezeugt. Dadurch entsteht für ein halbes Jahrhundert der Eindruck einer regelrechten Besetzung des Landes. Die Lager ersparten nicht nur viel Zeit im Frühjahr und im Herbst, sondern sie waren auch während der Unternehmungen selbst von Bedeutung als Ausgangspunkte für Plünderungszüge, als Zufluchtsorte nach den Aktionen und als Stapelplätze für die eingebrachte Beute. Zugleich wurde mit ihnen eine beängstigende Präsenz demonstriert, die ihre einschüchternde Wirkung sicher nicht verfehlte. Mehrfach wird davon berichtet, welche Sicherheit die Lager den Normannen gaben, so zum Beispiel in den Annales Bertiniani zum Jahr 856: „Erneut fuhren dänische Seefahrer Mitte August die Seine aufwärts. Als sie
auch weiter entfernte Städte beiderseits der Ufer und Klöster und Dörfer ausgeraubt und verheert hatten, erwählten sie einen sicheren Platz an der Seine als Lager Jeufosse bei Bonnières, um hier in Ruhe den Winter abzuwarten“. Die wichtigsten Voraussetzungen für die Erfolge der Normannen waren die Schnelligkeit und Wendigkeit ihrer klinkergebauten Schiffe mit äußerst geringem Tiefgang, die je nach Bedarf sowohl mit Ruderkraft als auch mit Segel angetrieben werden konnten und somit überall gleichermaßen manövrierfähig waren. Die Karolinger hatten ihnen nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Zudem müssen sie auch über Fahrzeuge unterschiedlicher Größe verfügt haben, so dass im Bedarfsfall auch kleinere Boote eingesetzt werden konnten. Nur so ist das spektakuläre und von Regino von Prüm zwei mal (888 und 890) voller Erstaunen mitgeteilte Transportieren von Schiffen über Land zu verstehen – besonders eindrucksvoll bei der Umgehung von Paris festgehalten: „Weil aber die Einwohner voller Eifer die Weiterfahrt auf dem Fluss verhinderten, ziehen sie um alle Gefahren zu umgehen ihre Schiffe mehr als zwei Meilen über das trockene Land und lassen sie dann wieder in die Fluten der Seine. Etwas später fuhren sie von der Seine in die Yonne, auf der sie mit größter Schnelligkeit bis Sens weiterfuhren, um dort ihr Lager aufzuschlagen“. Regino 888
Zwar waren die Schiffe selbst das normannische Angriffsmittel schlechthin, doch war für weiter ausholende schnelle Züge über Land zusätzlich der Einsatz von Pferden zwingend notwendig. In der Tat wird oft in Ergänzung zu den Schiffen die Nutzung von mitgeführten oder vor Ort requirierten Pferden genannt. In den Annales Fuldenses wird sogar – gewiss übertrieben – von 9.000 gefallenen normannischen Rei109
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tern bei Saucourt berichtet. Nur durch Reiter war in den breiten Zonen im Hinterland beiderseits der Flüsse der stets angestrebte Überraschungseffekt gewährleistet. Und nur durch diese konnten auch entlegene Ziele erreicht werden. Manches innerhalb der normannischen Vorgehensweise war nicht spezifisch wikingisch, sondern eher allgemein mittelalterlicher Brauch. Das wirklich Besondere war der Einsatz der überaus mobilen Schiffe – oft in Kombination mit unmittelbar anschließenden Reiterattacken. Dieser offensiven Taktik waren die Bewohner des westeuropäischen Kontinents vor allem mangels eigener Erfahrung als Seefahrer nicht gewachsen, so dass sie ein ganzes Jahrhundert von den immer wieder so plötzlich auftauchenden Nordleuten in Atem gehalten wurden.
Die Silberbeute Um Normannen von Angriffen abzuhalten oder zum Abzug zu bewegen, wurden schon sehr früh auch Tribute ausbezahlt. Schon der große Überfall auf Friesland im Jahr 810 endete erst damit, dass hundert Pfund Silber gezahlt werden mussten (1 karolingisches Pfund = 445/491 g). Überwiegend bestanden diese Leistungen aus gemünztem Silber und nur selten aus Gold; in einem Fall waren es sogar 500 Rinder (Regino von Prüm 874). Eine der größten Zahlungen – 7.000 Pfund Silber – übergab Karl der Kahle vor Paris, obgleich er mit seinem Heer eine starke Position einnahm. Dieser Verzicht auf eine durchaus Erfolg versprechende militärische Auseinandersetzung muss von verheerender psychologischer Wirkung gewesen sein. Auch später noch sind mehrfach tausende von Pfund Silber belegt. Der größte Tribut wurde 884 bei Amiens mit 12.000 Pfund Silber gezahlt. Hinzu kommen Zahlungen von unbekannter Größenordnung und auch etliche kleinere Lösegelder. Bevorzugte Einnahmeregionen waren einerseits der friesische Raum und andererseits in noch erheblich größerem Maße das weitere Seinegebiet, aus dem der bei wei110
tem überwiegende Teil der Tribute abgeschöpft wurde. Insgesamt wurden laut den Quellen im 9. Jahrhundert mindestens (und unter Berücksichtigung der ungenauen Angaben natürlich weit mehr) knapp 50.000 Pfund Silber und Gold den Normannen übergeben. Diese gewaltigen Mengen können nicht spurlos verschwunden sein, doch sind sie in Form westeuropäischer Münzen nur ausnahmsweise in nordeuropäischen Schatzfunden bewahrt. Da die Münzen als mit Feingehalt und Gewicht garantierte Zahlungsmittel im Norden mit seinem noch weitgehend naturalwirtschaftlich geprägten Tauschsystem keine Verwendung finden konnten, werden sie in der Regel eingeschmolzen worden sein. Ein erheblicher Teil der meist aus Silber und seltener aus Gold gefertigten schweren und prunkvollen skandinavischen Schmuckstücke dieser Zeit wird aus solchermaßen gewonnenem und recyceltem Rohmaterial bestehen, das heißt, als Tribute erworbene Edelmetalle wurden in die eigene Formensprache umgesetzt. Eine eindrucksvolle Ausnahme bildet der Schatz von Hon in Südnorwegen, der außer etwas Silber und einigen Perlen vor allem etwa 2,5 kg Gold enthält; dazu gehört auch der qualitätvollste bekannte kleeblattförmige Riemenverteiler einer karolingischen Schwertriemengarnitur (Abb. 20). Dieser Schatz ist in die Jahre um 860/870 zu datieren und er stammt somit aus einer der Blütephasen normannischer Angriffe auf den westeuropäischen Kontinent.
Ende und Nachwirken Nach hundert Jahren intensiver Verheerung ebbte die normannische Präsenz auf dem westeuropäischen Kontinent so spürbar ab, dass dieses von den Opfern geradezu als eine Befreiung empfunden worden sein muss. Zwar kam es noch vor allem in den nördlichen Bereichen immer wieder zu kleineren Überfällen, doch waren diese in der Regel nur von kurzfristiger lokaler Bedeutung, zumal der Ertrag immer geringer wurde.
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Die Rolle der Wikinger bei den Geschehnissen in Kontinentaleuropa konzentrierte sich auf zwei Momente. Zum einen waren sie Lieferanten begehrter Waren aus dem Norden. Zum anderen – und das vor allem – waren sie durch ihre Angriffe, Plünderungen und maßlosen Tributerhebungen von einer so verheerenden Wirkung, dass eine enorme Schwächung der jeweiligen Reichsgewalt bewirkt wurde, die zuweilen fast als Ohnmacht verstanden werden muss. In Erinnerung blieben die Normannen den Kontinentaleuropäern nur als tötende und brandschatzende Räuber, die ebenso schnell verschwinden konnten wie sie
unverhofft auftauchten. Der von ihnen während mehrerer Generationen fast ununterbrochen verbreitete Schrecken muss derartig gewaltig gewesen sein, dass dadurch das Bild der Wikinger trotz der so spärlichen archäologischen Spuren über Jahrhunderte geprägt wurde (mit entsprechendem Nachhall bis heute). Literatur: Quellen: Buchner 1961; Trillmich 1962; Rau 1968–1992 Vogel 1906; Arbman, Stenberger 1935; Shetelig 1940; Harthausen 1966; „I Normanni“ 1969; Zettel 1977; Albrectsen 1981; Capelle (im Druck)
Torsten Capelle
Bemanntes Wikingerschiff. Darstellung vom Bildstein Hejnum 40 auf Gotland, 9. Jh. (nach Lindqvist 1941/42)
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Die Spur des Silbers – fränkisches Beutegut im Norden
„Aber als Thorolf zwanzig Jahre alt war, bereitete er eine Wikingfahrt vor; [sein Vater] Kveld-Ulf gab ihm ein Langschiff. Zu dieser Fahrt entschlossen sich auch die Söhne Berd-lu-Karis, Eyvind und Ölvir – sie hatten eine große Mannschaft und ein zweites Langschiff – , und sie wikingerten den Sommer über und gewannen große Schätze und hatten große Beuteanteile. Es war einige Sommer lang, in denen sie auf Wikingfahrt waren, aber in den Wintern waren sie zu Hause bei ihren Vätern. Thorolf brachte viele Kostbarkeiten heim und gab sie seinem Vater und seiner Mutter; es war da leicht, Reichtum und Ansehen zu gewinnen.“ So schildert die Egils saga das Wikingerleben von Norwegern im 9. Jahrhundert – aus der Sicht eines isländischen Romanciers vierhundert Jahre später. Was dennoch im kollektiven Gedächtnis des Nordens aus der Zeit des 200jährigen Krieges im Nordseeraum zutreffend haften blieb, ist das Plündern und das anschließende Verteilen der Beute zu Hause. Nicht nur von den Zügen zu den Britischen Inseln und nach Irland gibt es zahlreiches Raubgut in skandinavischen Grab- und Schatzfunden, sondern auch die gewaltigen Silbermengen, die die Normannen auf dem Kontinent erbeuteten und erpressten, haben im Norden ihre Spur hinterlassen. Als Sold, Tribut und Beute findet sich fränkisches Gold und vor allem Silber in größerer Menge in Südskandinavien. Neben Münzen, die nur in geringer Zahl erhalten blieben, weil sie wohl eingeschmolzen wurden, handelt es sich in den 112
meisten Fällen um Schmuckbeschläge von der Krieger- und Reiterausstattung, seltener um Trachtenschmuck und um kirchliches Gerät (vgl. S. 83 ff., 165 ff.). Nur sehr selten wurde im Norden der fränkische Silberschmuck in seiner ursprünglichen Funktion verwendet, also als Fibel oder als Schwertgurt getragen. Ein Beispiel hierfür ist das eigentümliche Depot von Lerchenborg aus Seeland (Dänemark), bei dem eine nordfränkische Silberfibel, eine Kette mit verschiedenen Perlen und Anhängern sowie vier fränkische, nordische und arabische Münzen, umschlossen von den Schalen eines dänischen Frauen-Fibelpaars, gegen Ende des 9. Jahrhunderts in den Boden gelegt wurde (Katalog 34). Das meiste wurde zu skandinavischem Trachtenschmuck umfunktioniert und später zusammen mit anderem Edelmetall (Silberbarren, Ringgeld, Münz- und Hacksilber), das man über Jahre und Jahrzehnte hinweg gehortet hatte, als Schatz im Boden vergraben, geradezu als Edelmetalldepot, das später wieder gehoben werden sollte. Mancher Hort wird aber auch aus kultischen Gründen niedergelegt worden sein wie wahrscheinlich das Depot von Lerchenborg, als Opfergabe an eine Gottheit, so wie es seit Jahrtausenden Brauch war. In neuerer Zeit gibt es auch viele Einzelfunde, die durch Grabungen oder Metalldetektoren von Siedlungsplätzen stammen. Aber obwohl die Mehrzahl der karolingischen Silberarbeiten im Norden weiter getragen wurde, wenn auch zumeist umgearbeitet für die Frauentracht, sind sie nur selten in Gräbern anzutreffen, weil in Südskandinavien Bestattungen der Wikingerzeit nur mit ganz wenigen Beigaben ausgestattet sind. Ausnahmen bilden „Fürsten- oder Königsgräber“ wie die Schiffsgräber von Haithabu
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Katalog 33
bei Schleswig (Katalog 38; vgl. S. 165 ff.) oder Ladby auf der dänischen Insel Fünen. Viele der Funde sind innerhalb der Wikingerzeit (ca. 800–1050) nur schwer zu datieren. Einer der frühesten Funde ist der Hort von Häljarp (Katalog 33) in Schonen, der wohl im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts vergraben wurde, da seine einzigen Münzen 30 Denare Ludwigs des Frommen (814–840) sind. Ferner enthält er zwei fränkische Schwertgurtbeschläge, eine Filigranperle und drei Silberbarren in Form glatter Armreifen, alles zusammen gut 340 g Silber, was im Karolingerreich einem Wert von etwa 15 Kühen oder 3–4 Schwertern entsprach. Die meisten fränkischen Silberarbeiten sind im Norden allerdings erst im 10. Jahrhundert in den Boden gelangt, nachdem sie, nach einer langen Nutzungsdauer, als Schmuck aussortiert und für die Wiedereinschmelzung vorgesehen waren. Dies trifft etwa auch für den neuen Schatzfund von Duesminde (Katalog 36, S. 125 ff.) zu, dem bislang reichsten Hort mit fränkischem Silber.
33 Schatzfund von Häljarp Kleeblattbeschlag und Fragment einer Riemenzunge (zusammengehörend?) aus vergoldetem Silber, karolingische Silberfiligranperle, drei massiv gegossene Silberbarren in Form von Armreifen sowie 16 von ursprünglich ca. 30 Münzen Ludwigs des Frommen. Silber, z.T. vergoldet; B. des Kleeblattbeschlags: 6,6 cm; L. des Fragments: 2,5 cm; Gesamtgew. c. 340 g. In Häljarp, Schonen, Schweden beim Pflügen gefunden Lunds Universitets Historiska Museum, Inventar 15035–15041 Hårdh 1976, Kat.Nr. 130 Taf. 48.I. 34 Depotfund von Lerchenborg Frauenschmuckdepot, bestehend aus bronzevergoldetem Ovalfibelpaar, fränkischer Gleicharmiger Fibel aus Silber, Perlenkette, Filigranperlen, Anhänger aus Schmuckscheibe, „RELIGIO-XPICTIANA-Denar“ Ludwigs des Frommen, zwei arabischen Münzen, einer nordischen Münze. Aus einem kleinen Hügel in 65 cm Tiefe geborgen; dabei sollen die Funde von den zusammengelegten Ovalfibeln umschlossen gewesen sein, was gegen ein Grab spräche. Fundort Lerchenborg, Holbæk Amt, Dänemark; zweite Hälfte 9. Jh. Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C. 6192–99 Aarbøber for Nordisk Oldkyndihed og Historie 1892, 323–4; Skovmand 1942
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Verbreitungsbildes kann man vermuten, dass eine der Routen zur französischen Kanal- oder Atlantikküste über die Irische See führte – wie vermutlich der Zug von 843, bei dem Nantes an der Loiremündung von „Westfaldingi“ (Leuten aus Vestfold im Oslofjordgebiet) mit 67 Schiffen eingenommen wurde, oder dass Züge von den westlichen Wikingerreichen ausgingen. Die arktischen Zonen Norwegens darf man gleichfalls einbeziehen, obwohl bislang noch kein fränkisches Silber von dort bekannt ist: Ein kunstvoll geflochtener Silberhalsring von Botnhamn, unweit von Tromsø, trägt eine Runeninschrift, die von der Teilnahme an Kriegszügen nach Friesland berichtet (Abb. 40). Einen archäologischen Niederschlag der normannischen Plünderungen und Tribut-
Katalog 34
Abb. 39 Karolingische Silberund Goldarbeiten im skandinavischen Siedlungsbereich (Entwurf E. Wamers)
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Die Hauptverbreitung des karolingischen Raubguts liegt im heutigen Dänemark einschließlich seiner damaligen Einfluss-Gebiete Südwestschweden und Oslofjordgebiet (Abb. 39). Nach diesen Funden zu urteilen, ist Alt-Dänemark der Bereich gewesen, der am intensivsten an den Raubund Kriegszügen ins Fränkische Reich beteiligt war. Das belegen auch die Schriftquellen. Darüber hinaus gibt es aber auch skandinavische Grab- und Schatzfunde entlang der norwegischen Küste bis hinauf zum Trondheimfjord, in Mittelwestengland und in Irland, ja sogar auf Island. Alle diese Regionen nahmen offenkundig an den Zügen teil, wenngleich fränkisches Silber sicher auch durch Handel oder Geschenk weiter im skandinavischen Bereich umlief. Auf Grund des westlichen
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Abb. 40 Silberhalsring von Botnhamn bei Tromsø mit folgender Runeninschrift: „Fórum drengja Frislands á vit, ok viks fotum vér skiptum“ „Wir fuhren zum Treffen mit Frieslands Kriegern, und teilten unter uns die Kriegsbeute“. (Tromsø-Museum, Inventar Ts 1649)
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Schmuck aus dem späten 9. Jahrhundert. Sie wurden auf dem Kontinent in normannisch besetztem Gebiet genauso wie in der nordischen Heimat der Erde für eine gewisse Zeit anvertraut. Andere Schatzfunde, die kein skandinavisches Fundmaterial enthalten (z.B. Féchain bei Douai; Roermond) dürften eher als Versteck-Depots der einheimischen Bevölkerung anzusehen sein, die ihr Barvermögen vor den normannischen Räubern schützen wollten. Das Barvermögen bestand sicherlich größtenteils aus Münzgeld. Wenn man sich die Verbreitung der karolingischen Münzschätze des 9. Jahrhunderts auf dem Kontinent anschaut (Karte Abb. 41), fällt auf,
Abb. 41 Karolingische Münzschätze des 9. Jahrhunderts. Rote Punkte: reine Münzschätze, blaue Punkte: Münzschätze, die zusätzlich oder ausschließlich fränkischen Schmuck enthalten (nach Liste Haertle 1997, mit Ergänzungen)
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zahlungen in Form von Schatzfunden mit fränkischem Silber gibt es aber nicht nur in Skandinavien, sondern auch in den von den Wikingern heimgesuchten Ländern. Eine ganze Anzahl solcher Horte, die karolingische Münzen und auch Schmucksachen wie Fibeln, Armringe und Beschläge führen, kennt man inzwischen aus einer breiten Zone an der Nordseeküste zwischen Ostfriesland und der Bretagne (Karte Abb. 41). Darunter sind einerseits echte Wikingerschätze wie die von Wieringen in Noordholland mit skandinavischen Barren aus eingeschmolzenem Silber und wikingischen Hals- und Armreifen neben arabischen und karolingischen Münzen und
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dass sie zwar nicht deckungsgleich mit der Verbreitung der von Wikingern angegriffenen Orte im 9. Jahrhundert (Karte Abb. 38) ist, doch liegt ein Zusammenhang zwischen beiden durchaus nahe, vor allem, da nicht attackierte Gebiete von solchen Versteckfunden weitestgehend frei sind. Im Gegensatz zu diesen reinen Münzschätzen sind diejenigen, die zusätzlich oder ausschließlich fränkischen Silberschmuck führen, nur auf das Küstengebiet zwischen Weser und Somme beschränkt. Da stellt sich die Frage, ob es sich bei ihnen nicht doch um Depots handelt, die von raubenden Normannen angelegt wurden. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass fränkische oder friesische Silberschätze in alter vorchristlicher Tradition aus religiösen Gründen angelegt wurden: als Gabe an die Götter. Dies soll am Hortfund von Marsum bei Groningen (Katalog 35, S. 119 ff.) diskutiert werden.
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Die zahlreichen Schatz-, Grab- und Einzelfunde in den skandinavischen Ländern belegen eine starke Präsenz karolingischen Silbers im 9. und 10. Jahrhundert. Diese Präsenz unterschied sich grundsätzlich von der des arabischen Silbers, das zwar im 10. Jahrhundert gewichtsmäßig deutlich stärker in den Schatzfunden vertreten ist, aber fast ausschließlich in der Form von Münzen. Das fränkische Silber hingegen, zunächst nur seines Metallwertes wegen begehrt, fand durch seine charakteristische Schmuckformen und seiner exotisch-ästhetischen Verzierung Eingang in die skandinavische Lebenswelt und veränderte sie erheblich. Doch das soll in einem anderen Kapitel behandelt werden. Literatur: Egils saga: Schier 1978; Wamers 1981; Wamers 1984; Wamers 1985; Haertle 1997; Knol 1993; Katalog Bonn 2004
Egon Wamers
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Gold und Silber aus Marsum – karolingische Schatzfunde in den Niederlanden
I Abb. 42 Die Wurt Marsum bei der Abtragung 1906
m Jahre 1906 wurde ein großer spätkarolingischer Silber- und Goldschatz in der Wurt Marsum gefunden. Leider verschwand der Schatz sofort im Kunsthandel. Ein wichtiger Teil kam in die Hände eines Sammlers, der den Fund weltweit bekannt machte. Der Schatz beinhaltete unter anderem mindestens 21 Goldmünzen und eine prachtvolle silberne Gürtelgarnitur. Diese Gegenstände fanden große Aufmerksamkeit in der internationalen Literatur. Leider wurden
Schmuckstücke und Münzen unabhängig voneinander untersucht, wobei eine kleine, eigentlich nicht so bemerkenswerte Anzahl Silbermünzen unberücksichtigt blieb. Diese Münzen sind jedoch für die Datierung des Schatzes von großer Bedeutung. Der Schatz wurde in einer Zeit vergraben, als die Normannen plündernd die Nordseeküste heimsuchten. Das Vergraben des Schatzes wird eine Reaktion auf diese Bedrohung gewesen sein.
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Der Fund Der Schatz wurde 1906 während der Abtragung der Wurt von Marsum nahe Delfzijl in der Provinz Groningen (nicht die gleichlautende Wurt Marssum in der Provinz Friesland) gefunden (Abb. 42). Wurten (auch Warften genannt) sind seit vor Christi Geburt im Nordsee-Küstengebiet zum Schutz vor Sturmfluten künstlich aufgeworfene Hügel, auf denen Höfe oder kleine Dörfer errichtet wurden. Im Laufe der Jahrhundert wuchsen sie durch den Siedlungsabfall und weitere Erdaufschüttungen ständig an. Von 1840 bis 1940 wurden im Norden der Niederlande die Wurten in großem Umfang abgetragen, um die fruchtbare Erde anderswo im Land zur Bodenverbesserung nutzen zu können. Dies waren großangelegte Maßnahmen, bei denen ständig Altertümer gefunden wurden, meist Keramik und Knochen, aber auch wertvolle Funde. Oft gelangten dabei Gold- und Silberobjekte und Münzen in den Handel, ohne dass die örtlichen Museen darüber informiert wurden. Mancher Schatz verschwand in den Schmelztiegeln der Silberschmiede, ohne dass jemand davon erfuhr. Dieses Schicksal schien auch für den Schatz von Marsum vorgesehen, doch gelangte ein Teil von ihm in den Besitz des Juweliers J. A. Rodbard aus Dordrecht. Dieser war an Numismatik interessiert und außerordentliches Mitglied der Niederländischen Gesellschaft für Münzkunde. Bei ihm kaufte der friesische Sammler und Numismatiker Servaas Wigersma einzelne Münzen und die silbernen Schmuckstücke. Der Schatz enthielt eine große Zahl von Nachahmungen der Goldsolidi Ludwigs des Frommen. Für manchen Sammler war es eine schöne Gelegenheit, eine besondere Münze zu erwerben. Das königliche Münzkabinett, das Fries Museum, das Groninger Museum und mehrere Sammler kauften jeweils einige der Münzen aus dem Schatz. Wigersma publizierte als erster über den Schatz (1907). Leider waren damals nähere Einzelheiten zum Fund nicht mehr zu gewinnen; die komplette Zusammenstellung des Schatzes 120
bleibt somit ungewiss. Eine Besonderheit waren neben den Schmuckstücken die friesischen Nachahmungen der Goldsolidi Ludwigs des Frommen. Kurze Zeit später gab Wigersma die Schmuckstücke und neun Münzen als Leihgabe an das Fries Museum, das die Gegenstände nach seinem Tod erwarb (Boeles 1907; 1951). Verschiedene Münzen kamen über Wigersma auch ins Fries Museum, das 1964 ihre Münzen und Schmuckstücke als unbefristete Leihgabe dem Groninger Museum übergab. Während seiner Recherche nach den Solidi fand Boersma (1976–1977) in den Sammlungen des Groninger Museums ein 21. Exemplar aus dem Schatz und vermutete, dass noch zwei weitere dazugehörten. Wahrscheinlich war der Schatz ursprünglich größer gewesen, doch hatte Wigersma diese Münzen nie zu Gesicht bekommen, und sie waren möglicherweise auch nicht im Besitz von Rodbard gewesen. Damals war die Bedeutung, einen Schatzfund vollständig zu erfassen, noch nicht allgemein anerkannt, und Museen sahen keinen Sinn darin, einen wertvollen Schatz mit vielen doppelten Münzen zu erweben.
Die Schmuckstücke Bei den fünf erhaltenen Schmuckstücken handelt es sich um eine Fibel (Gewandspange) und vier zusammengehörende Teile einer Schwertaufhängung. 35a Gleicharmige Fibel Die bandförmige Silberfibel mit hohem Bügel ist durch Leisten in fünf Felder gegliedert, die mit floralen Motiven gefüllt sind: Palmetten und kreuzförmige Ranken mit Endknollen. Fibeln dieses Typs sind in die Mitte bis zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts zu datieren. Silber; L. 5 cm; B. 1,6 cm Nordfränkisch, Mitte – zweite Hälfte 9. Jh. Groninger Museum, Inventar F.M.89A-7 Unpubliziert 35b Schwertgurtgarnitur Die zweite Gruppe Schmuckstücke besteht aus vier niellierten Silberbeschlägen einer Schwertgurtgarnitur mit reicher, gleichartiger Verzierung. Es handelt sich um rechteckige Beschläge mit wulstförmigen Enden, davon zwei für einen ca. 3,2 cm breiten und zwei für einen ca. 3,5 cm breiten Riemen. Die genaue
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Katalog 35 unten: Rückseite der Schwertgurtbeschläge
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Funktion ist nicht sicher zu rekonstruieren, doch werden der lange, leicht dachförmig geknickte (A-5) sowie der kurze Beschlag (A-6) ursprünglich auf der Scheide befestigt gewesen sein, während der zweitlängste mit v-förmigen Flachösen auf der Unterseite (A-4) als Riemenverteiler gedient haben wird. Der vierte Beschlag (A-3) hat eine glatte Unterseite und diente als Riemenende, das vom Gürtel herabhing. Die Schnalle ist nicht erhalten. Die spätkarolingische Verzierung besteht aus rautenförmig zusammengebundenen geometrischen Akanthusranken mit flächigem Blattwerk und umknickenden, gekerbten Blattenden und gekerbten Sprossen. In den Rauten sitzen Löwen mit üppiger Mähne und um den Leib gewundenen Schweif, zum Teil paarig in antithetischer Position. L. 4,5–7,4 cm; B. 3,2–3,6 cm Nordfränkisch, Letztes Drittel 9. Jh. Groninger Museum, Inventar F.M.89A-3–6 Fraenkel-Schoorl 1978, 369 Abb. 16; Lennartsson 1997/98, 570 35c Die Münzen Große Aufmerksamkeit haben die goldenen Solidi erhalten. Nach Boersma enthielt der Schatz ursprünglich 21, möglicherweise 23, vielleicht sogar noch mehr Goldsolidi. Er stellt die größte Anzahl von Goldsolidi-Nachahmungen Ludwigs des Frommen in einem Fundkomplex dar. Dies ist auch deshalb bedeutend, weil im 9. Jahrhundert Geld normalerweise aus Silber (Denar; vgl. S. ## ff.) bestand. Bei ihnen handelt es sich um Imitationen der goldenen „Munus Divinum“-Gepräge, die Ludwig der Fromme anlässlich seiner Krönung zum Kaiser 814 prägen ließ. Während die Vorderseite in antiker Manier sein Brustbild mit Kaiserdiadem und Paludamentum und Umschrift trägt, zeigt die Rückseite ein Kreuz innerhalb eines Lorbeerkranzes und die Umschrift MVNVS DIVINVM (Göttliches Geschenk). Vermutlich handelte es sich nicht um reguläres Zahlungsmittel, sondern um hochrangige Auszeichnungen, ähnlich wie die Goldmedaillone spätrömischer Kaiser, die – mit dem Bild des Kaisers versehen – gerne an Barbarenfürsten geschenkt wurden. Im Laufe des 9. Jahrhunderts wurden diese Munus-Divinum-Medaillone in Friesland, vermutlich in der Handelsstadt Dorestad, in mehreren Varianten nachgeprägt (Grierson 1951; Boersma 1976–1977; Grierson & Blackburn 1986). Der Schatz beinhaltete auch eine Anzahl gängiger Silbermünzen (Denare). Folgende Münzen sind aus dem Schatz bekannt: zwei Denare Lothars I, geprägt in Dorestad (845/50–55), zwei Denare und ein Obolus (Halbdenar) Karls des Kahle, geprägt in Melle, Orleans und Reims (840–877), ein Denar Karlmanns (877–879), und von Karl dem Dicken ein Denar und ein Obolus (Haertle 1997). In der Ausstellung werden nur die Münzen aus dem Groninger Museum (5 Silberdenare und 6 Goldprägungen) gezeigt. Gold; Silber Groninger Museum, Inventar 1964–XII-88a-b; A1052–57, A1097, A1099, A1100 Boersma 1976–1977; Haertle 1997, 169 ff., 717 ff.
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Zeitstellung des Schatzes Die jüngsten Silbermünzen datieren aus dem Zeitabschnitt 881–887 und bilden die Schlussmünzen des Schatzes. Danach wird er nach 881, vermutlich noch vor 900 der Erde anvertraut worden sein. Dem entspricht auch die kunsthistorische Datierung der Schmuckstücke, während die Solidus-Nachahmungen wohl bis ca. 840 oder nur wenig länger geprägt wurden. Von der Anfang des 20. Jahrhunderts abgetragenen Wurt Marsum besitzt das Groninger Museum siebzig Fundstücke, die belegen, dass diese Wurt seit etwa 100 vor Christus bewohnt wurde. Marsum lag inmitten zahlloser anderer ebenfalls besiedelter Wurten. Die älteste Besiedlung in der Umgebung ist für das dritte Jahrhundert vor Christus belegt. Im frühen Mittelalter waren die meisten Wurten in dieser Gegend bewohnt (Miedema 1990). Die Umgebung von Marsum war ein Teil der niederländischen Küstenlandschaft. Entlang der holländischen Küste lag hinter einer Dünenreihe ein ausgedehntes Moorgebiet, in dem Torf abgebaut wurde. Im Norden grenzte es an zwei Inseln, eigentlich die Spitzen einer hohen pleistozänen Moräne, die über alle späteren Ablagerungen herausragte. Östlich dieser festen Landpunkte lag ein maritimes Gebiet, bestehend aus Wattenmeer, Watteninseln und ausgedehnten Marschen, das in ein fast unendliches Moorgebiet überging. In der Marsch gab es sehr gute Bedingungen für Viehzucht, vor allem von Rindern und Schafen, und auch Ackerbau war möglich. Wegen der Bedrohung durch das Meer wohnte man auf erhöhten Wohnplätzen, den Wurten. In der Karolingerzeit war dieses Gebiet dicht besiedelt (Knol 1993) und durch einen intensiven Fernhandel auch wohlhabend. Durch die Flüsse, vor allem Rhein, Maas und Schelde, bildete Holland den Zugang von der Nordsee her zu weiten Teilen Europas. An einer günstigen Stelle, bei einem ehemaligen Römerkastell, war die große Handelsniederlassung Dorestad entstanden, die im 8. und in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts ihre Blütezeit hatte (van Es und Hessing 1994).
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Die Normannen Die fruchtbaren und reichen Küstengebiete zogen die Aufmerksamkeit der Normannen auf sich, die die europäischen Küstenregionen plünderten, (vgl. oben S. 107 ff.). Zu den bedeutendsten Zeugnissen dieser Wikingerzüge, die unter anderem mehrfach zur Brandschatzung von Dorestad führten, gehören zwei Silberschätze von ausgesprochen skandinavischem Charakter, die 1997 und 1999 in Westerklief auf der Insel Wieringen entdeckt wurden. Zahlreiche arabische Münzen, skandinavische Silberbarren, ein geflochtener Halsund ein gewundener Armring, fragmentiertes Silber (Hacksilber) und Prüfspuren an den Münzen kennzeichnen ihn als Wikingerschatz. Das arabische Geld gelangte über Russland nach Skandinavien. Sechs nordfränkisch-friesische Armreifen und ein fränkisches Riemenende sind wohl als Raubgut zu betrachten. Nach den Münzen muss der eine Schatz nach 850 und der andere nach 880 vergraben worden sein, vermutlich von Wikingern dänischer Herkunft, die sich auf Wieringen niedergelassen hatten. In diesen Jahrzehnten hatte der Normannenführer Rorik den westlichen Teil Frieslands zum Lehen (Besteman 1997; 1999; 2002). Die Funde von Westerklief lassen auch manche Einzelfunde skandinavischen Charakters aus der Region in einem neuen Licht erscheinen (Van Heeringen 1990; Peddemors & Carmiggelt 1993; Knol 1998–1999), die wohl mit normannischen Aktivitäten hier zusammenhängen. Die Hortfunde von Wieringen werfen darüber hinaus auch ein neues Licht auf die anderen karolingischen Schatzfunde aus den Niederlanden.
Einer von vielen Schätzen Die Schatzfunde von Marsum und Wieringen sind keine Einzelfälle. Entlang der gesamten nordniederländischen Küste sind karolingische Schätze des 9. Jahrhunderts entdeckt worden (Knol 1993). Ihre große Zahl legt einen Zusammenhang mit den Raubzügen der Normannen entlang der
Nordseeküste nahe. Die meisten dieser Schatzfunde kamen beim Abtrag der Wurten im Küstengebiet oder beim Torfstechen in Drenthe zu Tage. 1915 veröffentlichte Boeles eine Übersicht aller ihm bekannten karolingischen Hortfunde, von denen er allerdings nicht immer den tatsächlichen Umfang feststellen konnte. Oft drängt sich die Verdacht auf, dass sie ursprünglich viel umfangreicher gewesen sind. Der Inhalt der Schätze variiert von einigen Dutzend bis zu Hunderten von Silbermünzen, manchmal ergänzt um Nachahmungen der Goldsolidi oder von Schmuckstücken. Im Vordergrund steht jedoch das Silbergeld. Der größte Schatz, 1991 in Tzummarum entdeckt, enthielt etwa 2.800 Münzen! Damit entspricht er den großen Münzschätzen von WiesbadenBiebrich (Katalog 7) und Pilligerheck (Katalog 8) im Herzen Austrasiens (Karten S. 2 und Abb. 41), die mit friesischen Handelsaktivitäten oder Zolleinnahmen in Zusammenhang gebracht worden sind. Bis heute sind fünfzehn Schatzfunde aus Friesland und Groningen bekannt und noch mal sechs aus Drenthe, welche zwischen 816 und 915 vergraben wurden (Boeles 1915; Pol 1992). Letztere sind vornehmlich Moorfunde und werden als Votivopfer interpretiert (van Vilsteren 2000; Koerselman, van Vilsteren 2004). Acht der nordniederländischen Silberschätze wurden zwischen 850 und 875 versteckt, also in der Zeit des Normannenführers Rorik und seines Sohnes Godfried. Eine solche Zeit voller Unruhen und Krieg bringt Menschen dazu, Geld zu verbergen, um es später wieder zu heben. Die Moorfunde aus Drenthe und Votivbräuche aus Skandinavien lassen jedoch vermuten, dass auch in den Wurten Opferdepots angelegt wurden. Auch für Merowingerzeit rechnet man mit solchen Depots (Heidinga 1990; Knol 1993; Nicolay 2003), doch die Frage, wer die Votivopfer darbrachte, bleibt unbeantwortet. Im Verlaufe des 8. Jahrhunderts wurde der Norden der Niederlande von den fränkischen Königen erobert, und in ihrem Kielwasser folgten die Missionare. Die formale Christianisierung der Nordniederlande war im 9. Jahrhundert abge123
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schlossen, doch wird vorchristliches Gedankengut nicht verschwunden sein. Es ist gut vorstellbar, dass man unter der normannischen Bedrohung auch weiter an altvertraute Götter opferte. Ein vergleichbarer Hintergrund kann auch für andere Silberschätze in den Niederlanden vermutet werden, etwa beim großen Fund aus der Maas bei Roermond. Selbstverständlich bemerkt man Silberschätze eher als Einzelfunde. Diese finden sich regelmäßig, denn Münzen und Schmuckstücke können verloren, aber natürlich auch normal geopfert worden sein. In der Regel werden Votivopfer in feuchte Umgebung platziert,
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etwa in Flüsse, Seen oder Moore. Doch in der Küstenregion spielte sich das ganze Leben im Universum einer Wurt ab. Da kann eine Opferstelle nahe dem Haus nicht verwundern. Literatur: Besteman 1997; Besteman 1999; Besteman 2002; Boeles 1915; Boeles 1907; Boeles 1951; Boersma 1967–1977; Fraenkel-Schoorl 1978; Grierson 1951; Grierson, Blackburn 1986; Haertle 1997; Knol 1993; Knol 1998–1999; Lennartsson 1997/98; Miedema 1990; Nicolay 2003; Peddemors, Carmiggelt 1993; Pol 1992; van Es, Hessing 1994; van Heeringen 1990; van Heeringen, Henderikx, Mars 1995; van Vilsteren 2000; Wigersma, 1907
Egge Knol
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Der Silberschatz von Duesminde
Wulfstan sagte, dass er von Haithabu reiste, dass er nach sieben Tagen und Nächten nach Truso kam und dass das Schiff die ganze Fahrt über unter Segel stand. Wendland war auf Steuerbord, Langeland auf Backbord, auch Lolland und Falster und Scania (Schonen), und alle diese Länder gehören zu Dänemark.
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aus Wulfstans Reisebeschreibung
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Die Fundgeschichte
A
uf Lolland, der südlichsten Insel Dänemarks in der Ostsee, liegt unweit des Dorfes Vejleby die Hofstätte Duesminde (Abb. 43). Dort wurde im Januar 2002 vom Amateurarchäologen Boje Hansen im Auftrag des Lolland-Falsters Stiftsmuseums einer der ungewöhnlichsten Silberschätze der Wikingerzeit (800–1050) entdeckt und vom Autor, damals Museumsinspektor, ausgegraben (Schilling 2003). Der Fund war kein Zufall. Schon vierzig Jahre zuvor war hier bei der Feldarbeit in drei Etappen ein Schatz mit Wikingersilber entdeckt worden („Duesminde 1–3“), der aus einem Gold- und dreiundzwanzig Silberringen, so genanntem Ringgeld, be-
Abb. 43 Die Inseln LollandFalster mit den im Text genannten Fundstellen. Der Schatz von Duesminde wurde am heute eingedämmten Rødby Fjord in Südlolland, innerhalb eines fundreichen Gebietes, gefunden (Entwurf H. Schilling)
stand (Abb. 44). Da es damals noch keine Metalldetektoren gab, einige Fundstücke also hätten übersehen werden können, sollte jetzt eine Nachuntersuchung mit diesem neuen Gerät vorgenommen werden. Doch die Überraschung war groß, als der Detektor mit lautem Piepsen Metall im Boden vermeldete, doch ein ganz anderer Schatz als gesucht zu Tage kam (Abb. 45) („Duesminde 4“; Katalog 36). Weil die Funde im bebauten Acker lagen, war der Hort im Laufe der Zeit durch Pflügen aufgerissen und über eine Fläche von 10 mal 15 m um den ursprüngliche Vergrabungsort herum verstreut worden. Nach zwei Tagen intensiver Arbeit mit dem Metalldetektor hatten die Archäologen
Fejø-Schatz
Lolland
Fa l s t e r Virket
Halsted Hollnæs
Bregninge-Stein
Vejleby
Hejredevold Rødby Fjord
▼
Abb. 44 Der erste Schatzfund (1-3) von Duesminde, Nationalmuseet Kopenhagen. Ringgeld aus einem goldenen und 23 silbernen (sog. „permischen“) Armringen
Tirsted-Stein
Siedlung Befestigungsanlage Schatzfunde Seesperre Runenstein
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995 g Silber in den Händen, und eine anschließende Ausgrabung erbrachte die letzten Fundstücke. Ergebnis der Grabung war, dass alle Reste des ursprünglichen Behältnisses für den Schatz (Kiste oder Beutel) vom Pflug völlig zerstört worden waren und dass es an der Stelle keinerlei Spuren eines Gebäudes gab. Den Schatz dürfte sein
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ehemaliger Besitzer also nicht unter dem Fußboden seines Heimes versteckt haben, sondern im freien Feld, abseits der nächsten Besiedlung und verborgen vor neugierigen Blicken.
Henrik Schilling
Abb 45 Boje Hansen bei der Arbeit mit dem Metalldetektor im winterlichen Duesminde
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Die Zusammensetzung des Schatzes
S Abb. 46 Der gesamte Schatzfund von Duesminde, Nationalmuseet Kopenhagen
chon das Gewicht des Schatzfundes von 1.300 g war eine Sensation. Mit rund fünfundvierzig – zum Teil fragmentierten – karolingischen Riemenund Gürtelbeschlägen einschließlich Schnallen aus vergoldetem Silber ist es der größte Fund fränkischen Silbers in Europa (Abb. 46), der die Zahl solcher bislang bekannten Fundstücke aus dem wikingerzeitlichen Dänemark mehr als verdoppelt hat. Einige dieser Gegenstände sind im Norden wie in Europa extrem selten oder gar singulär. Ferner gehörten zum Schatzinventar sechs skandinavische Silberbeschläge und -schnallen.
Die meisten der Beschläge stammen von der militärischen Schwert- und Reiterausstattung des karolingischen Adels, welche in fränkischen Kloster- und Hofwerkstätten etwa der Jahre 830–870 gefertigt wurden. Eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung der Funde ist in Vorbereitung. Die folgende Gruppierung und Würdigung des Schatzes ist noch vorläufig, doch wurde eine frühzeitige Präsentation in Form einer öffentlich zugänglichen Ausstellung für sinnvoll erachtet, um damit eine internationale Fachdiskussion über diesen einzigartigen Jahrhundertfund anzuregen.
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Spathagarnituren
Zwei karolingische Gegenstände aus dem Schatz können in die Jahrzehnte um 800 datiert werden.
Zur Aufhängung des zweischneidigen Langschwertes, der Spatha, an einem Leibgurt verwendete man etwa von 800–870 standardisierte Sätze von vier bis fünf Beschlägen sowie einer Schnalle, mit denen die Schwertscheide am Gurt in leichter Schräglage gehalten werden konnte (vgl. S. 54 ff). Beschlagsätze des Adels waren aus vergoldetem Silber und mit der Akanthusornamentik der Zeit verziert. Bislang war nur ein mehr oder weniger vollständiger Beschlagsatz aus Skandinavien bekannt (Östra Påboda); andere wurden im böhmischen Fürstengrab von Kolín (Katalog 40) oder im Klosterbereich von San Vincenco al Volturno im italienischen Benevent gefunden. Die beiden neuen, fast kompletten Beschlagsätze aus Duesminde bedeuten somit eine Überraschung und ergänzen unsere Kenntnis beträchtlich.
36a.1 Geschweiftes Beschlagfragment, das mit einer angenieteten Öse zu einem Anhänger umgearbeitet wurde. Nach seiner Verzierung gehört es in den Umkreis des vorwiegend ostfränkischen Tassilokelchstils der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Er war ursprünglich Bestandteil einer Schwertaufhängung, wurde im Norden zum Anhänger für die Frauentracht umgearbeitet und dann, nach den Abnutzungsspuren zu urteilen, lange getragen. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Länge 4,22 cm Ostfränkisch, Ende 8. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35353 36a.2 Ovaler Beschlag, ursprünglich auf einer Schwertscheide aufgenietet. Die Verzierung aus stilisierten einfachen Palmetten innerhalb von Arkaden sowie Dreipass- und Kreuznoppen datiert das Stück in das frühe 9. Jahrhundert. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Länge 3,85 cm Fränkisch, frühes 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35353
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36b.1 Spathagarnitur, bestehend aus einem Kleeblatt- und drei Ovalbeschlägen sowie einer langen Riemenzunge; die Schnalle
Katalog 36a.1, 36a.2
Katalog 36b.1
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Fundstücke der Jahre um 800
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Sporengarnitur Beschlagsätze und Teile von Sporengarnituren finden sich ebenfalls im Schatz. Ähnlich aufwändig gearbeitetes Fundgut aus vergoldetem Silber kennt man aus fürstlichen Bestattungen in Kroatien. Mit Lederriemen wurden die vergoldeten Silbersporen mittels Schnallen, Beschlägen und Schlaufen an den Stiefeln befestigt (vgl. S. 59 ff.). Die Träger muss man den adligen Anführern der schwerbewaffneten Kavallerie des karolingischen Heeres zuschreiben, die eine zunehmende Rolle bei den Eroberungen des Reiches spielten.
Katalog 36c
▼
Katalog 36b.2
fehlt. Die Akanthusornamentik weist gerade Stämme mit Seitenpalmetten, Dreier-Palmetten auf; an den Rändern sind Kreuze einnielliert. Insgesamt ist die Garnitur stark abgetragen, was auf eine lange Tragezeit hinweist. Der Kleeblattbeschlag wurde später zur Fibel umgearbeitet, bei den Ovalbeschlägen gibt es Hinweise darauf, dass sie als Anhänger getragen wurden. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Länge: 8,75; 5,30; 5,23; 6,22; 9,12 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35518, 35342–3, 35361, 35316 36b.2 Teile einer Spathagarnitur, bestehend aus drei Ovalbeschlägen sowie einer langen Riemenzunge; Kleeblattbeschlag und Schnalle fehlen. Zum Teil stark beschädigt; Spuren von Reparaturen. Die Akanthusornamentik aus einfachem Stamm mit seitlichen Volutenpaaren und abgesetzt-kammartigen Blütenblättern hat keine engen Entsprechungen im sonstigen Metallschmuck, am ehesten vielleicht noch im Beschlag von Kinnekulle, Västergötland. Auf der Rückseite der langen Riemenzunge befindet sich eine Ritzung in Form einer Doppelschlange. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Länge: 4,23; 4,2; 5,9; 10,9 cm Westfränkisch, erste Hälfte 9. Jh. Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35368, 35331, 35325, 35322
36c Teile einer Sporengarnitur. Erhalten sind zwei u-förmige Riemenenden, zwei Riemenschlaufen mit halbzylinderförmiger Zierplatte sowie eine fragmentarische Schnalle mit Stegansatz. Die fünf Stücke sind durch gleichartige Ornamentik (tiefliegendes Akanthusblattwerk mit erhabenen Blüten mit Niello-Dreierstrichgruppen) und zusätzliche Niello-Knotenornamente auf den Seiten der Riemenschlaufen und den Unterseiten der Riemenzungen als zusammengehöriger Satz ausgewiesen; die Riemenenden passen sowohl durch die Schlaufen wie durch die Schnalle. Vergleichbare karolingische silbervergoldete Sporengarnituren sind vor allem aus Kroatien bekannt, wo auch noch die Sporen erhalten sind. Stets gehört zu einem Sporn ein Satz aus Schnalle, dekorativer Riemenschlaufe und Riemenende. Die Schnalle wurde sekundär zu einem Anhänger umgearbeitet, auch die komplette Riemenzunge weist Spuren einer sekundären Nutzung auf. Vermutlich wurde also der komplette Satz zweier Sporengarnituren in Skandinavien als neues Schmuckset von einer Frau getragen, vielleicht alles als opulente Anhänger an einer Kette. Später gelangten sie dann, offensichtlich nicht mehr komplett, als Altmetall in den Schatz. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Länge: 3,17; 3,21; 3,82; 3,77; 4,17 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35321, 35386, 35329, 35360, 35323
Zaumzeugbeschläge Auch die Pferde der adligen Führer der fränkischen Kavallerie wurden kostbar mit silbervergoldeten und niellierten Beschlägen herausgeputzt. Von ehemals kompletten Beschlagsätzen einschließlich der Trensen und Steigbügel kann man unter den Fundstücken von Duesminde nur noch die etwa quadratischen Beschläge, zum Teil ehemals über Stege mit Schnallen verbun133
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Katalog 36d.1, 36d.2
den, als eindeutig zum Zaumzeug gehörend bestimmen. Insbesondere der reiche Fund von Blatnica in der Slowakei aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts kann hier als Vergleich dienen (Katalog Berlin, Mannheim 2002, Kat.Nr. 06.01g-i – É. Garam), wenn er auch stilistisch nicht einer Werkstatt aus dem Zentrum des Reiches zugeschrieben werden kann, sondern vielleicht gar lokal in Mähren imitiert wurde. Im Material des Duesminde-Schatzes lassen sich Reste dreier Garnituren erschließen:
zen untere Ösen zur Befestigung von Riemen und besaßen ursprünglich einen Steg mit großer Schlaufenöse, durch die ein Riemen gezogen und festgeschlungen werden konnte. Die Stege mit Schlaufenöse wurden abgehackt. Das vierte Stück ist eine Riemenzunge mit glatter Unterseite und wurde sekundär zu einem Anhänger umgearbeitet. Zwei der drei anderen Stücke zeigen Löt- und Feilspuren, die von Umrüstungen zu Anhänger oder Fibel zeugen. Solche „gestielten Ösenbeschläge“ saßen vermutlich oberhalb der Trensen am Kopfgestell und sind charakteristisch für das spätere 8. und das 9. Jh. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Länge: 2,77; 2,97; 2,53; 3,69 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35326, 35374, 35373, 35346
36d.1 Vier etwa quadratische Beschläge, alle fragmentarisch. Zierfelder mit hohem Rand, darin eingetieft diagonal-kreuzförmige Akanthuspalmette, mediale Noppen. Drei der Beschläge besit-
36d.2 Vier annähernd quadratische Riemenenden, zum Teil leicht beschädigt. Ein Schmalende wulstförmig, am anderen Ende Nietleiste mit (zum Teil verlorenem) Unterlegblech. Zierfelder mit leicht abge-
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Katalog 36d.3, 36d.4
schrägtem gewelltem vegetabilem Rand; leicht erhaben eine diagonal-kreuzförmige Akanthuspalmette mit zentraler runder Kehlung. Unterseite ausgekehlt mit ursprünglichen, sekundär abgeschnittenen Stegösen für Riemen. Alle Stücke wurden sekundär durch Abfeilen der unteren Stegösen und Annieten zweier Blechösen an den äußeren Nieten zu Anhängern umgearbeitet. Wie viele von diesen erhaltenen vier ehemaligen Riemenenden eines karolingischen Zaumzeugs zu einer Kette mit wahrhaft prachtvollen Anhängern für eine Frau verwendet wurden, kann nicht mehr erschlossen werden. In den Schatz kamen diese Teile als bereits abgetragener Wikingerschmuck. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 4,27; 3,96; 3,5; 3,6 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35333, 35328, 35339, 35356 36d.3 Fragmente eines annähernd quadratischen dünnen Riemenendes, Nietplatte für 5 Niete weitgehend abgebrochen. Hohe Randleiste, im Zierfeld ein diagonal-kreuzförmiger Akanthusdekor mit ovalem Mittelblatt. Spuren einer sekundären Umarbeitung nicht mehr erkennbar. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 3,68 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35335 36d.4 Fragment eines Riemendes mit abgesetzter Nietleiste, die abgeschnitten wurde. Kurz-rechteckig mit Wulstenden. Reliefierter Akanthusdekor. Sekundär angenietete Silberblechöse an einem Ende; die zweite Sekundäröse fehlt, wobei deutlich sichtbar ist, dass die Kerbe konisch geschnitten wurde. Gut geglättete Unterseite, von der eine originale, große rechteckige Stegöse am hinteren Ende abgeschnitten wurde: das Stück ist sekundär zum Anhänger umgearbeitet worden. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloe; L. 4,20 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35363
Fragmente diverser Schnallen und Beschläge Im Duesminde-Schatz gibt es größere Fragmente von zusätzlich zwölf Schnallen sowie vier Riemenbeschlägen; je nach Größe und Form gehörten sie ursprünglich zu Schwert-, Zaumzeug- oder Sporengarnituren. Alle sind durchweg stark abgenutzt und die meisten umgearbeitet.
36e.1 Neun Schnallenbügel, meistens in D-Form, einer leierförmig, zum Teil mit Resten einer Riemenzwinge, einmal als Paar; alle weisen einen mehr oder weniger ausgeprägten Pflanzendekor auf. Von ihnen tragen mindestens zwei Spuren einer sekundären Umarbeitung zum Anhänger oder zur Fibel. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 5,64; 4,20; 4,57 u. 4,53; 4,77; 3,53; 3,53; 3,9; 3,04 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35344; 35320; 35354 + 35358; 35330; 35365; 35327; 35366; 35350 36e.2 Drei große Beschläge mit reichem flächendeckendem Akanthusdekor, die ursprünglich als Schnallenbeschläge dienten, an denen über ein Scharnier Bügel und Dorn befestigt waren. Bislang gibt es keine engen Parallelen auf dem Kontinent zu diesen Schnallentypen. Sie sind alle durch Annieten von Silberblechösen sekundär zu Anhängern umgearbeitet worden. Da bei ihnen die Schnallenbügel fehlen, wurden sie wohl bewusst entfernt, um die Anhänger optisch aufzuwerten. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 6,7; 6,6; 5,45 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35317; 35345; 35341
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Katalog 36e.1
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Katalog 36e.2
Katalog 36e.3
36e.3 Drei Riemenzungen (Endbeschläge), davon zwei mit sekundären Ösen zu Anhängern umgearbeitet, eine weitere mit abgeschnittener Öse auf der Unterseite. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 5,45; 5,81; 4,64 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35592; 35355; 35340 36e.4 Eine vierte Riemenzunge mit gewelltem Umriss ist durch eine auf die Rückseite genietete sekundäre Nadelhalterung aus Silberblech zur Fibel umgearbeitet worden. Die Nadel fehlt heute. Bei der Restaurierung entdeckte die Konservatorin
des Nationalmuseums Eva Salomonsen auf der Rückseite eine Runeninschrift, die noch vor der Anbringung der Nadelhalterung eingeritzt worden war und die ein komplettes (16 Zeichen) wikingerzeitliches Runenalphabet (Fuþark) darstellt (Stoklund 2004). Allerdings gibt es in dieser kleinen Inschrift insgesamt drei Fehler, was zu der Vermutung Anlass gab, dass die Runen nicht von einem Kenner, sondern von einem Laien geritzt worden sind. Fuþark-Inschriften gelten als magische Inschriften mit „Schutz- und Abwehrfunktion gegen Schaden bringende Mächte“ (Düwel 2001, 209 f.), wobei sie dem antiken Alphabetzauber entsprechen, vielleicht gar auf ihn zurückgehen. Die „Fehler“ in der DuesmindeInschrift können auch bewusst gesetzt worden sein,
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Katalog 36e.4 um dadurch Geister und Dämonen zu verwirren, wie bisweilen vermutet wird. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 7,1 cm Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35338 36f Im Duesminde-Schatz gibt es ein ungewöhnliches karolingisches Fundstück, für das bislang keine Parallele im kontinentalen oder nordischen Material bekannt ist. Es ist ein gebogenes, im Querschnitt etwa dreiseitiges massives Objekt mit rundlicher Öse an einem Ende. Das andere Ende ist glatt und scheint nicht abgeschnitten zu sein. Sowohl das Ösenloch wie auch das gesamte Objekt sind stark abgetragen, es hat also eine längere Nutzungszeit hinter sich. Der Dekor besteht aus einer über dem Rücken liegenden x-förmigen niellierten Leiste, wodurch halbkreisförmige Felder auf den Seiten mit je einer symmetrischen Palmette entstehen; an den Enden befindet sich jeweils wieder eine sich über den Rücken des Objekts legende Palmette. Die Ornamentik ist unzweifelhaft karolingisch. Wofür das Objekt diente oder wozu es gehörte, ist unbekannt: vielleicht war es ein Anhänger vom Pferdegeschirr oder gehörte zur persönlichen Ausstattung eines Adligen, vielleicht zur Tracht. Ein 3,6 cm langer ähnlich geformter Goldfiligrananhänger kommt aus der Pfalz Paderborn und wird als slawisch bezeichnet, ohne dass seine Funktion genauer bestimmt werden konnte (Ausstellungskatalog Paderborn 1999, Kat.Nr. III.16 – H. Eilbracht). Als Schnallendorn kann der Duesminde-Anhänger kaum gedient haben, da er am Ende zu stumpf ist und die Dorne der Karolingerzeit alle spitz sind. Aber auch die Zugehörigkeit zu einem sakralen Gerät kann nicht ausgeschlossen werden. Im Norden wird es vermutlich von einer Frau als Anhänger getragen worden sein. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 5,29 cm Fränkisch, erste Hälfte 9. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35383
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Katalog 36f
Schlüsselbart 36g Zwei Fragmente eines Schlüsselbartes in Form eines „B“s, beidseitig mit Flechtband und Punktreihen verziert. Stark abgenutzt. Durch Annieten zweier Ösen zum Anhänger umgearbeitet. Liturgische Schlüssel aus vergoldetem Silber symbolisierten den Schlüssel des Apostels Petrus als Zugang für das Himmelreich und konnten zur Ausstattung herausragender Kirchen gehören, aber auch als eine Art Amtstracht für Bischöfe und Metropoliten. Das prächtigste Exemplar aus der Karolingerzeit ist der mehr als ein Kilo Silber schwere Servatiusschlüssel aus der Abtei in Maastricht, der aus einer königlichen
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Katalog 36g
Hofwerkstatt stammt, vielleicht mit Einhard in Verbindung gebracht werden kann und vermutlich als eine Art Herrschaftszeichen fungierte (Katalog 17). Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 3,71 cm Fränkisch, erste Hälfte 9. Jh. Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35387
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen 10 Fragmente Fränkisch, 9. Jh. Nationalmuseum Kopenhagen, Inventar C 35369, 35389, 35370, 35352, 35362, 35337, 35384, 35336, x136, x147
Bruchsilber
Nordische Arbeiten
36h Eine ganze Anzahl von Gegenständen im Schatzfund von Duesminde besteht aus kleinen Fragmenten von karolingischen Schnallen und Beschlägen, die so klein sind, dass sie als Bruchsilber bezeichnet werden müssen. Offensichtlich waren viele kontinentale Silberarbeiten durch jahrzehntelange Verwendung und Umnutzung zum Teil schon so fragmentarisch geworden, dass sie nur noch einen Metallwert besaßen und zum Wiedereinschmelzen vorgesehen waren. In Zeiten der Gewichtsgeld-Wirtschaft war dies ein übliches Verfahren. Im täglichen Handelsgeschäft des 10. Jahrhunderts hat man Barren und Münzen in zum Teil winzige Stücke zerhackt und als Hacksilber in großen Depots gelagert.
Im Schatzfund von Duesminde gibt es auch eine kleine Anzahl von mindestens sechs Silberschmuckstücken aus skandinavischen Werkstätten. Sie sind von besonderer Bedeutung für die Datierung des Schatzfundes und für die Frage des Einflusses des kontinentalen Silbers auf den Norden. 36i.1 Zwei Fragmente eines Beschlags aus gepresstem (?) Silberblech, vielleicht ursprünglich für ein Kästchen. Das Stück wurde sekundär zu einem Anhänger
Katalog 36h
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Katalog 36i.1
umgearbeitet. Es ist mit vogelartigen Tieren im so genannten Stil D verziert, vergleichbar den durchbrochen gearbeiteten Figuren auf dem Rückenbrett des „4. Schlittens“ aus dem königlichen Schiffsgrab von Oseberg. Es ist somit in die Zeit von ca. 800–830 zu datieren. Silber, gepresst (?), vergoldet; ursprüngliche Gesamtl. ca. 6 cm Skandinavisch, 800–830 Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35334 36i.2 Zwei Teile einer langen Riemenzunge. Abgesetzte Nietlasche für vier Silberniete mit Perlrandblech-Unterlage. Die Vorderseite trägt im Perlrand reliefartige Borrestil-Verzierung, in die Rückseite ist ein vegetabilisierendes Knoten-Flechtmotiv graviert und nielliert. Das Riemenende ist durchgeschnitten und jeweils durch Annietung einer – inzwischen vergangenen – Öse zu zwei Anhängern umgearbeitet worden. Die langen, schmalen u-förmigen Riemenenden der Wikingerzeit gehen auf karolingische Vorlagen zurück (vgl. S. 173 ff.).Besonders deutlich wird das an diesem aufwändig gestalteten Beispiel auch durch das Material vergoldetes Silber mit Nielloeinlagen und durch die beidseitige Verzierung, selbst wenn es nordischer Dekor ist. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; ursprüngliche Gesamtl. 8 cm Skandinavisch, Ende 9. – erste Hälfte 10. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35319 36i.3 Zwei D-förmige Riemenschnallen mit ausgeprägter Nadelrast und breitem Bügel, der reliefartig mit Profiltieren im Borrestil verziert ist. Wegen der Übereinstimmungen (geperlte Randleiste und gerippte Greifarme- und -beine; Niellopunktierung) mit dem Riemenende, auch in den Maßen für einen ca. 2 cm breiten Riemen, liegt nahe, sie als zu einem Satz Riemenbeschläge zu zählen. Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; Bügelb. ca. 3,95 u. 3,96 cm Skandinavisch, erste Hälfte 10. Jh.
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Katalog 36i.2
Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35382, 35332 36i.4 Manschette für silberne Fuchsschwanzkette mit Öse. Fast quadratische Öffnung mit kleinen Nietlöchern am Rand; Öse etwas ausgetragen. Gestaltet als Tierkopf mit Kugelschnauze mit runden, flach gewölbten Augen; die niello-punktierte Stirn- und Wangenpartie mit leicht erhabenen Ohren. Das Korpus ist mit Flechtband im Jellingstil bedeckt. In solchen, gewöhnlich paarweise benutzten Manschettenbeschlägen wurden die Enden von silbernen Fuchsschwanzketten mit Nieten befestigt (vgl. Katalog 34). In den Ösen wurden Silberdrahtösen als Verschluss oder für weitere Anhänger eingehängt.
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Katalog 36i.3
Katalog 36i.4
Silber, gegossen, vergoldet, Nielloeinlagen; L. 2,15 cm Skandinavisch, erste Hälfte 10. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35324 36i.5 Zwei Fragmente eines kleinen Beschlags mit geschweiften Seiten; das kleinere Fragment ist am Zapfen abgeschnitten. In den glatten eingetieften Flächen saßen ursprünglich Einlagen (aus Bein?).
Funktion (für eine Messerscheide oder ein Kästchen?) und Verzierung sind schwierig zu bestimmen: Der langschnauzige Tierkopf weist eher auf Tierstil der jüngeren Wikingerzeit. Silber, gegossen, vergoldet; ursprüngliche Gesamtl. ca. 6 cm Skandinavisch, 10. Jh.? Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 35367
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Charakter des Schatzes
D
er Schatz von Duesminde besteht ausschließlich aus vergoldetem und nielliertem Silber, nur zwei Stücke sind nicht mit Niello verziert. 90 Prozent, gewichtsmäßig noch mehr, sind fränkischen Ursprungs aus der Zeit von etwa 820–870; die anderen Stücke sind nordisch. Die zeitliche Streuung der Bestandteile des Schatzes reicht von ca. 790/800 (skandinavische wie auch kontinentale Funde) bis 950/80 (nordische Stücke). Die meisten Gegenstände zeigen Spuren einer Umarbeitung zu Fibel oder zumeist Anhänger; andere, wie etwa Schnallen, könnten ebenfalls als Anhänger gebraucht worden sein. Dies ist charakteristisch für die meisten karolingischen Silberbeschläge im Norden; neu ist indes, dass offensichtlich ganze oder partielle Sätze etwa von der Schwertaufhängung, vom Zaumzeug oder von der Sporenbindung zu geschlossenen Schmuckensembles umgestaltet wurden. Auch einige der späten nordischen Stücke sind umgearbeitet. Erst nachdem die Stücke in ihrer Zweitverwendung abgetragen und nicht mehr funktionsfähig waren, gelangten sie in den Schatz. Es ist somit ausrangiertes Altmetall. Rechnet man eine gewisse sekundäre Tragezeit hinzu, kann der Schatz nicht vor der Mitte, vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts abschließend zusammengestellt worden und in den Boden gelangt sein. Es ist nicht vorstellbar, dass alle Stücke aus nur einer Familie stammen oder gar nur von einer Frau getragen wurden – dazu sind der Schmuck einerseits zu heterogen und die Ensembles andererseits zu frag-
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mentarisch. Der Schatz ist in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht der Ertrag eines oder weniger wikingischer Beutezüge des 9. Jahrhunderts. Die einzelnen Teile sind nicht bei einer Gelegenheit, sondern vermutlich über einen längeren Zeitraum zusammengetragen worden. Sie können in einem größeren Bereich Skandinaviens gesammelt und angekauft worden sein, wahrscheinlich in Südskandinavien und insbesondere im heute dänischen Raum. Da es sich um ein völlig homogenes Material (vergoldetes Silber) handelt, und nicht etwa, wie bei Beuteschätzen üblich, aus den verschiedensten Objekten zusammengesetzt ist, sollte das Silber sicher wieder eingeschmolzen werden. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich beim Duesminde-Schatz um das Metalldepot eines Goldschmieds oder eines Händlers handelt. In karolingische Währung umgerechnet entsprachen die 1.300 g Silber etwa 810 Denaren; dafür erhielt man auf dem Kontinent im 9. Jahrhundert etwa 10 Schwerter mit Scheide, 55 Kühe, 3 Pferde oder 5 Sklaven. Für seinen dänischen Eigentümer, möglicherweise ein lokaler Magnat, der Handel trieb und vielleicht einen eigenen Goldschmied beschäftigte, bedeutete der Schatz also einen schönen Besitz, aber kein riesiges Vermögen. Doch warum wurde der Schatz ausgerechnet auf Lolland deponiert, das nicht eben im Zentrum des dänischen Königreiches lag, und warum gibt es von hier noch weitere reiche Importfunde in der Wikingerzeit, wie etwa das kultische Trinkservice von Fejø (Katalog 43)? Egon Wamers
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Lolland – das Tor nach Skandinavien
Wulfstan sagte, dass er von Haithabu reiste, dass er nach sieben Tagen und Nächten nach Truso kam und dass das Schiff die ganze Fahrt über unter Segel stand. Wendland war auf Steuerbord, Langeland auf Backbord, auch Lolland und Falster und Scania (Schonen), und alle diese Länder gehören zu Dänemark. Dieser knappe Bericht über eine Schiffsreise, die eigentlich eher eine Segelanweisung ist, stammt vom angelsächsischen Fernhändler Wulfstan, der kurz vor 900 von Haithabu an der Schlei nach Truso an der Weichselmündung fuhr (Lund 1983) (vgl. Karte S. 2; Abb. 47). Danach gehörte Lolland, wie „Dänemark“ hier erstmals erwähnt, zum dänischen Machtbereich und bildete schon in der Wikingerzeit die Grenze in der südlichen Ostsee zwischen den Skandinaviern im Norden und den Slawen im Süden. Mit 1.241 Quadratkilometern ist Lolland die drittgrößte und gleichzeitig die südlichste Insel Dänemarks und damit auch der südlichste Punkt Skandinaviens, von wo aus es nur wenige Kilometer bis nach Fehmarn und dem heutigen Deutschland sind. Archäologische Funde zeugen von einem
engen Kontakt zwischen den Bewohnern Lollands und den Slawen, und eine Anzahl von slawischen Ortsnamen auf Lolland belegt eine, wenn auch nur begrenzte, slawische Besiedlung. Auch das Karolingische und später das Ottonische Reich lagen vergleichsweise nahe an Lolland. Etwa 100 km südwestlich erstreckte sich im Süden Jütlands das Danewerk, das seit dem frühen 8. Jahrhundert als befestigter Grenzwall zwischen den dänischen und den fränkisch-sächsischen Herrschaftsbereichen fungierte. Lolland lag somit in einem zentralen, aber unruhigen Grenzgebiet, unweit zu den Slawen und ihren Handelsplätzen im heutigen Norddeutschland. 1999 wurde von Archäologen des Lolland-Falster Stiftsmuseums bei Hollnæs im Westen Lollands eine Hofanlage der späten Wikingerzeit ausgegraben. Zum Hof gehörte ein Bootsschuppen, der Platz für ein kleineres Frachtschiff von 13 m Länge hatte. Mit einem Boot derselben Fahrtgeschwindigkeit wie das Schiff von Wulfstan konnten die Bewohner Westlollands die reiche Handelsstadt Haithabu an der Schlei in weniger als 24 Stunden erreichen. In anderthalb Tagen war man am Handelsplatz Ralswiek auf Rügen und weitere 12 Stunden später in Wollin in Polen.
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Lolland zur Wikingerzeit
M
it 33 m über dem Meer ist Lolland selbst für dänische Verhältnisse sehr flach, und so bedeutet auch der Ortsname „Lolland“ „niedriges Land“. In seiner gesamten Geschichte war die Insel dicht besiedelt, auch in der Wikingerzeit (Abb. 43). Intensive archäologische Untersuchungen mit Metalldetektoren und jüngere Grabungen haben zahlreiche neue Siedlungen der Wikingerzeit erbracht mit Siedlungsschwerpunkten um den Rødby Fjord im Süden und Nakskov Fjord im Westen. Dieses Bild wird von der mittelalterlichen Kirchspiel-Einteilung unterstützt, wobei die Kirchspiele am dichtesten an diesen Fjorden liegen, was auf eine hohe Bevölkerungszahl schließen lässt.
Sicherlich waren der gute Ackerboden und die große Strandwiesen für die Weidezucht attraktiv für die Bauern der Wikingerzeit, aber auch der schnelle und leichte Transport vom seichten Fjord zur Siedlung und zurück sowie die Sicherheit gegenüber feindlichen Überraschungsangriffen schufen große Vorteile. Archäologische Funde und Runensteine zeigen, dass der heute ausgetrocknete Rødby Fjord Lollands wirtschaftliches und politisches Zentrum im 8. bis 10. Jahrhundert bildete. Die sechs Runensteine Lollands ebenso wie die reich ausgestatteten Gräber der Wikingerzeit stammen von der Umgebung des Fjords und dem näheren Hinterland, und auch Duesminde und Vejleby gehören zu den reichen und außergewöhnlichen Funden im „Reichtums-Zentrum“ am Rødby Fjord.
Kaupang
Kaupang Birka
Birka
Grobin
ho
Sc
Åhus
Ribe Ribe
Langeland
nen
Grobin
Åhus
Lolland Falster
Haithabu Haithabu Reric
Reric
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Ralswiek
Wollin
Wollin
W e n d l a n d
Truso Truso
Abb. 47 Lolland im Süden von Dänemark und nahe zum Fränkischen Reich und den Slawen (Wendland). Markiert ist Wulfstans Reiseroute ca. 900 n.Chr. von Haithabu nach Truso, die ihn an Lolland vorbei führte und sieben Tage und Nächte dauerte (nach Skamby Madsen)
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Der Herr von Vejleby
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ur mächtige Männer der Wikingerzeit konnten so große Reichtümer ansammeln wie den Silberschatz, und zusammen mit einem Runenstein und dem ersten Silberschatz von Duesminde legt er Zeugnis von einer reichen und mächtigen Familie ab, die im 9. und 10. Jahrhundert in Vejleby residierte. „Asråd und Hildvig errichteten diesen Stein nach ihrem Verwandten Frede. Er war damals der Schreck der Männer und er fand den Tod in Svitjod (Schweden) und war der Erste in Fredegars Schar, danach alle Wikinger“. So lautet die Inschrift auf dem zweitgrößten Runenstein Dänemarks, dem „Tirsted-Stein“, der ursprünglich südlich von Vester Tirsted stand, einen Kilometer von Vejleby entfernt (Moltke 1976; Løkkegaard-Poulsen 1989) (Abb. 48). Der Respekt einflößende Stein ist von den Schwestern Asråd und Hildvig für ihren verstorbenen Bruder errichtet worden. Frede starb während eines Zugs in Schweden; im Verlaufe solcher Wikingerzüge dürften auch die Riemengarnituren nach Lolland gelangt sein. Frede stand dabei im Dienste eines Mannes namens Freger, wohl eines lokalen schwedischen Großen, und zwar als Anführer der „Wikinger“, das heißt derjenigen, die auf Wiking auszogen. Söldner zu sein war gefährlich, und Frede musste es mit seinem Leben bezahlen. Es könnte durchaus Frede selbst gewesen sein, der den Schatz mit karolingischem Silber noch vor seinem fatalen Zug nach Schweden vergrub, denn der Stein wurde gegen 950 errichtet. Vielleicht hatte
sein Vater oder Großvater einen Teil des Schatzes von einem Zug nach Süden mit heim nach Lolland gebracht. Ein anderer interessanter Runenstein aus Lolland ist der von Bregninge. Auf ihm ist ein gewisser „Haklangr“ genannt – ein äußerst seltener Name. Es wurde vermutet, dass er vielleicht mit jenem Haklangr identisch ist, der laut einem norwegischen Preislied an der berühmten Schlacht im Hafrsfjord bei Stavanger beteiligt war. In dieser Schlacht errang um 870 der norwegische Kleinkönig Harald Schönhaar die Oberherrschaft über Viken, die Landschaft um den Oslofjord herum, und beendete die dortige jahrzehntelange dänische Oberhoheit für etwa 100 Jahre. Da Haklangr die dänische Oberhoheit über Viken verteidigte und repräsentierte, wird er zur obersten Führungsschicht des Landes gehört haben und mit der dänischen stirps regia verbündet gewesen sein (Wamers 1998). Weitreichende internationale Verbindungen zeigen auch andere Funde aus der Umgebung. Der erste Schatz von Duesminde (1–3: Munksgaard 1961, 1963, 1969) besteht aus 23 Silber- und einem Goldring, insgesamt 1163 g (Abb. 44). Diese so genannten permischen Ringe sind überwiegend im Ostbaltikum und in Russland verbreitet und dienten als Zahlungsmittel. Der Schatzfund dürfte gegen Ende des 9. Jahrhunderts in den Boden gelangt sein. Ob dieses Ringgeld durch direkten Kontakt mit Russland oder Gotland nach Lolland kam oder durch Handelskontakte vermittelt, kann nicht entschieden werden. In eine ganz andere geographische Richtung weist eine Fibel in einem Frauengrab von Vejleby. Es handelt sich hierbei um einen umgearbeiteten Buchbeschlag aus 145
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Irland oder Nordengland, der – als Beute nach Dänemark gelangt – zu einer Fibel für eine Frau umgearbeitet worden war. Ob ein Lolländer direkt an einem Wikingerzug in den Westen beteiligt war, oder ob dieses Stück sekundär hierher verhandelt worden war, ist offen. Doch die weitgestreckten Verbindungen von Fredes Familie bei Vejleby nach Süden, Osten und Westen werden in diesen Funden exemplarisch deutlich. Der karolingische Silberschatz von Duesminde liegt, wie oben schon ausgeführt, nicht auf dem Gelände einer alten Siedlung, sondern im freien Feld. Doch nur 1 km westlich von ihm konnten LollandFalsters Stiftsmuseum und das Nationalmuseum Kopenhagen Teile einer Siedlung der Wikingerzeit und des frühen Mittelalters ausgraben (Snedker 1971). In ihrem Umkreis fand sich auch ein Bronzepressmodel aus dem Ende des 10. Jahrhunderts zur Herstellung von runden Silber- oder Goldfibeln (Christiansen 1948). Gold- und Silberschmiede arbeiteten in der Wikingerzeit aber stets an Königs-, Adels- oder Herrenhöfen, womit das Pressmodel also einen Hinweis auf einen Herrenhof an dieser Stelle gibt, vielleicht den von Frede. Der hier in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts tätige Schmuckschmied wird von seinem Herrn die Aufgabe erhalten haben, den großen Schatz mit Altmetall für die jetzt völlig neue Schmuckmode einzuschmelzen. Sicherlich nicht alles, aber zumindest einiges von den lange getragenen und teilweise reparierten Stücken des Schatzes wird aus dem Familienschmuck von Fredes Sippe stammen. Ob der Schmied das kostbare Alt-Silber selbst vergrub, um es bei passender Gelegenheit wieder zu heben und zu verarbeiten, oder wahrscheinlich doch eher sein Herr – darüber darf spekuliert werden.
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Abb. 48 Runenstein von Tirsted. Der – nach dem Jellingstein – zweitgrößte wikingerzeitliche Runenstein Dänemarks ist heute im Nationalmuseum Kopenhagen ausgestellt (nach Moltke 1976).
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Lolland – ein Kleinkönigtum?
„... jener Harald, der für sich gewann ganz Dänemark und Norwegen und der die Dänen christlich machte“.
Abb. 49 Östlicher Wall der „Volksburg“ Hejrede, der ursprünglich 1,3 km lang und mehr als 2 m hoch war und einen tiefen Vorgraben aufwies
Mit diesen Worten beendet König Harald Blauzahn seine Gedenkinschrift auf dem Großen Runenstein von Jelling in Jütland. Der Stein wird bisweilen auch als Dänemarks Geburtsurkunde bezeichnet, weil auf ihm Harald ein geeintes Reich unter einem christlichen König proklamiert. Das Reich, das Harald schuf, wurde aus einer ganzen Anzahl von Kleinkönigtümern mit Hilfe politischer Allianzen und mit Waffengewalt zusammengeschmiedet, und vermutlich gehörte auch Lolland dazu. Das liegt schon deshalb nahe, weil die drei
größten „Volksburgen“ Dänemarks auf Lolland und der Nachbarinsel Falster liegen: Virket auf Falster, das etwa 1 km2 groß ist, die Burg bei Hejrede in Mittellolland mit 4,5 km2 (Abb. 49) sowie die neu entdeckte Anlage bei Halsted Dyrehave mit etwa 1 km2 Größe. Sie wurden vermutlich schon in der Jüngeren Eisenzeit als Fluchtburgen für die Bevölkerung von Lolland-Falster in Zeiten der Unruhe errichtet (Thorsen 2001). Selbst wenn diese Verteidigungsanlagen natürliche Geländebedingungen wie Moore und Sümpfe nutzen, waren zu ihrer Errichtung große Erdarbeiten nötig und eine dafür erforderliche Organisation. Diese „Volksburgen“ liegen strategisch günstig mit einem möglichst
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kurzen Fluchtweg für möglichst viele Menschen, und sie wurden dort angelegt, wo später die mittelalterlichen Herreder (Gerichtsbezirke) entstanden. Auch zu Wasser wurde die Verteidigung organisiert. Rund um Lolland gibt es verschiedene Seesperren, die eventuellen Feinden einen Angriff von See her erschwerten. Gerade im Rødby Fjord liegt bei Hominde eine 200 m lange und 8 m breite Barriere aus dicht nebeneinander bis unter die Wasseroberfläche eingerammten Pfählen, die einen der Seezugänge zum Fjord absperren (Abb. 43). Die ältesten Teile dieser Anlage sind auf 930 datiert, doch wurde sie im 12. Jahrhundert als Wehr gegen Angriffe slawischer Wenden ausgebaut. Die Errichtung solcher großen Verteidigungsanlagen und massiver Seesperren ist ohne eine starke, stabile politische Macht
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nicht denkbar. Es bedurfte beträchtlicher politischer Energie, die Arbeiten zu planen, Bautrupps zu rekrutieren sowie die Verteidigung zu organisieren und die Bevölkerung zu evakuieren. Noch wissen wir nicht, wer die politische und wirtschaftliche Macht innehatte, doch vielleicht lag sie bei der Sippe Fredes. Die reichsten Funde aus Lolland konzentrieren sich um Vejleby, wo die Familie von Frede wohnte. Es war nicht irgendeine Familie, und vielleicht muss man genau hier die Wikingerkönige Lollands suchen. Literatur: Christiansen 1948; Moltke 1976; Munksgaard1961; Munksgaard 1963; Munksgaard 1969; Snedker 1971; Lund 1983; Løkkegaard-Poulsen 1989; Wamers 1998; Katalog Paderborn 1999; Düwel 2001; Thorsen 2001; Katalog Berlin, Mannheim 2002; Schilling 2003; Stoklund 2004
Henrik Schilling
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Imitatio Imperii – Silber verändert den Norden
Siehe, da kamen geflogen der Schiffe wohl hundert auf Rheines Fluten, und ihnen gesellt schimmern die Segel so weiß, welche mit dänischer Völker Geschenken beladen sich nähern; Harald, den König, voraus führet das vorderste Schiff. Nach dir, Ludwig, verlangt er ...
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Ermoldus Nigellus, Carmen 287–291, Harald Klak reist 826 zur Taufe nach Ingelheim
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Splendor imperii
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Abb. 52 Obergeschoss des Oktogons der Aachener Pfalzkapelle mit Bronzegittern und Blick auf den Thron Karls des Großen (Domkapitel Aachen)
eit alters geht vom Süden eine unwiderstehliche Faszination für den Norden aus. Die fruchtbaren und viel versprechenden Länder im milden Klima südlicher Sonne galten immer als elysische Gefilde unbeschwerten Überflusses und Ziel aller Sehnsucht. An ihrem Reichtum, an ihrer Zivilisation und an ihrem urbanen Leben mit all den Annehmlichkeiten und Lustbarkeiten wollte man Teil haben. In den Jahrhunderten nach der Zeitenwende zog es die Bewohner des nebligen Germanien und des eisigen Skandinavien voll Staunen, aber auch voller Hunger ins IMPERIVM ROMANVM. Der gewaltige römische Miltärapparat, ebenso rationaleffektiv wie religiös ritualisiert, die ungeheuren materiellen, architektonischen, militärtechnischen und künstlerischen Zeugnisse der Macht des Imperiums und seines Imperators einschließlich eines blendenden Hofzeremoniells, eine im Norden unvorstellbare komplexe Rechtsordnung, die Schriftlichkeit mit ihren fast grenzenlosen kommunikativen Möglichkeiten sowie ein Währungs- und Wirtschaftsystem, eine Industrialisierung und ein Straßen- und Verkehrswesen, wie sie erst in der Neuzeit wieder erreicht wurden: all das machte die Reiche des Südens für die Völker des Nordens zum Modell einer alternativen Lebensform. Unzählige junge Germanen traten, zum Teil in ganzen Verbänden, in das römische Heer ein, taten Dienst in der Leibwache des Imperators und des Basileus und konnten zu römischen Bürgern werden und bis in höchste Rangstufen aufsteigen. Ganze gentes wurden in das Reich eingegliedert und bildeten in der Völkerwanderungszeit germanische Reiche auf römischem Boden. Ostgoten und Langobarden in Italien,
Westgoten in Südgallien und Spanien und am nachhaltigsten die Franken in Nordgallien traten das Erbe des sich auflösenden Imperiums an. Und sie unternahmen alle Anstrengungen, in dieser Nachfolge so nah wie möglich am alten Imperium und seinen Formen der Macht, Repräsentation und Organisation Vorbild zu nehmen. Latein (zum Teil auch Griechisch) blieb weiterhin die Sprache für Politik, Diplomatie, Verwaltung, Wissenschaft und Kunst; das Christentum, seit Konstantin die junge römische Staatsreligion, wurde zum verbindlichen Glauben für die Barbarenreiche; das städtische Leben und die Wirtschaftsformen gingen – auf niedrigerem Niveau – weiter; die Residenzen wurden in den bedeutenden Städten eingerichtet, und ansonsten versuchte man, den Pomp und die Glorie des IMPERIVM ROMANVM so gut es ging nachzuahmen. Kaum vorstellbar sind auch die tief greifenden Veränderungen, die die Begegnung mit dem Römischen Reich in Germanien und Skandinavien im wirtschaftlichen, religiösen, kulturellen und vor allem sozialen Leben bewirkten. Das Echo dieses Aufeinandertreffens, bei dem der Norden durchweg der empfangende Teil war, hallte noch Jahrhunderte später nach. Doch machtpolitisch wurde eine echte Anknüpfung an das alte weströmische Imperium nach den Zersplitterungen der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit erst mit dem aggressiv-expansiven Frankenreich unter den Karolingern des 8. Jahrhunderts geknüpft. Sie gipfelte in Karls des Großen Übernahme der römischen Kaiserwürde, verliehen durch den Papst Weihnachten 800, dem damit verbundenen Anspruch auf „Weltherrschaft“ und dem daraus folgenden, auf Urkunden-Bullen 151
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proklamierten Programm der „Renovatio Romani Imperii“. Diese Erneuerung des Römischen Reiches unter fränkischer Herrschaft bedeutete nichts anderes als die Verbindung des fränkischen Königtums mit dem alten Rom. Nicht nur in der Übernahme des Titels (IMPERATOR AVGVSTVS), sondern auch in der Architektur, im Münzwesen, in Schrift, Kunst und Bildung wurde direkt und unmittelbar auf klassische römische Formen zurückgegriffen. Aachen, das Herz Karlischer Macht und Symbol des Neuanfangs, wurde zum „neuen Rom“, Karl zum „neuen Konstantin“. Dieses erneuerte IMPERIVM ROMANVM
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unter fränkischer Führung reichte um 800 von Mittelitalien im Süden bis an die Nordsee im Norden, von der Atlantikküste Galliens bis zur Elbe am Rande Germaniens (Karte S. 2). Ein kaum schlagbares Heer, aufwändige Hofhaltung, imposante Steinarchitektur, wiederbelebte Städte, Befestigungen und Klosteranlagen, die einflussreiche Wirtschafts- und Kulturzentren waren, Ausbau von Verkehrswegen und Märkten und der Aufbau eines weit reichenden Fernhandels: das war tatsächlich in dieser Konzentration etwas völlig Neues in den Ländern östlich des Rheins und nördlich der Donau.
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Novus David
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n geistig-religiöser Dimension trat Karl der Große hingegen nicht nur das lateinisch-christliche Erbe, sondern auch das des Alten Testamentes an. Wohl mit der Etablierung des Hofes in Aachen nach 794 galt er in seinem gelehrten Hofkreis als novus David, damit wie der alttestamentliche Priester-König auch seine Funktion als geistlicher Herrscher ausdrückend. Ganz in diesem Sinne erhielt Aachen, das als herrscherliches und geistiges Zentrum auch „neues Rom“ und „neues Athen“ genannt wurde, eine dritte bildhafte Bezeichnung: „neues Jerusalem“, wobei seine wundergleiche Pfalzkapelle als neuer Tempel und als religiöses Zentrum des populus christianus begriffen wurde. Und Einhard, der Leiter der Hofschule und Vorsteher der Aachener Bauhütte, erhielt den symbolischen Beinamen Beseleel, welcher die Stiftshütte des Salomonischen Tempels geleitet hatte. War David die praefiguratio Jesu, so galt Karl als postfiguratio Davids. In diesen Kontext fügt sich die Übernahme der – zumindest symbolischen – Schirmherrschaft über Jerusalem, der Stadt Davids, durch Karl den Großen kurz nach 800, was nicht nur von Zeitgenossen, sondern auch in den Jahrzehnten danach als epochal empfunden wurde. Damit kamen, wenigstens formal, die heiligsten Stätten der Christenheit: die Grabeskirche mit dem Golgatha-Felsen, die Kreuzauffindungsstätte und die Marienkirche, ferner die Kirche Unserer Lieben Frau vom Kalvarienberg und die Himmelsfahrtkirche auf dem Ölberg sowie zahlreiche fromme Stiftungen und Klöster wieder unter eine christliche „Herrschaft“. Jerusalem galt für Juden und Christen, partiell später auch für Moslems, als umbilicus mundi,
als „Nabel der Welt“ und als irdischer Ort des Paradieses. In Jerusalem lag das Grab Adams, hier wurde Christus gekreuzigt und begraben, hier wurde sein leeres Grab zur Hoffnung der Auferstehung, hier gründete sich auf dem Berg Zion die Urgemeinde, und hier sollte dereinst das Endgericht vollzogen werden. Jerusalem war die Heilige Stadt, und in der Form des Himmlischen Jerusalems war sie Symbol der Erlösung und Verheißung. Seit der oströmische Kaisers Konstantin und seine Mutter Helena Jerusalem mit Kirchen, allen voran der Grabeskirche (335 eingeweiht), und Klöstern sowie mit Siegestropaia wie dem monumentalen Gemmenkreuz am Golgathafelsen ausgestattet hatten, war sie die zentrale Wallfahrtsstadt der Christenheit. Bald wurden hier in gesonderten Räumlichkeiten auch das Grab Davids, die Abendmalsstätte, das hier aufgefundene Wahre Kreuz und der Abendmalskelch verehrt. Im Zentrum stand jedoch stets das Grab Christi mit der Grabeskirche, wo die Pilger kleine Ampullen mit Öl von der Lampe und Erde vom Grab als wirkungsmächtige Reliquien erwerben konnten. Zahlreiche Kirchen, Klöster und andere Einrichtungen mit einer großen Zahl an Klerikern, die im 9. Jahrhundert noch gut 150 umfasste, ließen sich in Jerusalem nieder zur Anbetung und Pflege der loca sancta und zur Betreuung der Pilger. Darunter befand sich auch eine beträchtliche Zahl von „Franken“, die enge Verbindungen nach Rom und ins Fränkische Reich hielten. Der Patriarch von Jerusalem, der im nördlich an die Grabeskirche anschließenden Patriarchat residierte, stand den Gemeinden und Einrichtungen vor, von denen er auch gewählt wurde. 153
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614 wurde Jerusalem von den persischen Sassaniden erobert und das Heilige Grab mit Grabeskirche beschädigt; das Heilige Kreuz verschleppte man nach Persien. Bereits 626 waren Grab und Grabrotunde jedoch wiederhergestellt und mit einem neuen Eingang im Osten versehen worden, vor dem nach der Beschreibung des Pilgers Bernhard (ca. 865/870) vier Säulen gestanden haben sollen. 628 brachte der byzantinische Kaiser Heraklios das Heilige Kreuz im Triumph wieder zurück. Mit der arabischen Expansion und Einnahme Jerusalems 637 gehörte die Stadt zum muslimischen Machtbereich, das heißt zu Karls Zeit: dem der Abbasiden, des Kalifats von Bagdad. Doch noch immer standen die von griechischen und lateinischen Geistlichen betreuten christlichen Heiltümer, Kirchen und Klöster unter der Aufsicht des Patriarchen. Ende des 8. Jahrhunderts indes wurden die heiligen Stätten durch BeduinenÜberfälle bedroht, so dass Karl sich seit 797 um ihren verstärkten Schutz beim Kalifen Harun-al-Raschid bemühte. Durch Gesandschaften ließ er „Gaben zu dem Heiligen Grabe unseres Herrn und Heilands und zum Orte seiner Auferstehung“ schicken (Einhard, Vita Karoli, Kap. 16). Schon 799 „kam ein Mönch aus Jerusalem und überbrachte dem König vom Patriarchen von Jerusalem Segen und Reliquien vom Grabe des Herrn“ (Reichsannalen). Zwei Tage vor seiner Krönung in Rom überbrachten – in Vertretung der beiden Kirchen – zwei Mönche aus Jerusalem, ein griechischer (vom Kloster St. Sabas) und ein lateinischer (vom Kloster auf dem Ölberg), „die Schlüssel zum Grab des Herrn und zur Schädelstätte, auch die Schlüssel zur Stadt und zum Berg (Zion) mit einem vexillum (Kreuzesfahne)“ (Reichsannalen). Nach den Worten Einhards bewilligte Harun-al-Raschid, „dass jene heilige und heilbringende Stätte seinem (Karls) Machtbereich (potestas) zugewiesen würde“. Doch selbst wenn es sich hierbei lediglich um symbolische Geschenke des Klerus von Jerusalem aus Dankbarkeit für Karls Fürsorge für die griechischen und lateinischen Christen im Orient gehandelt haben sollte, wurden sie im Westen als 154
enge geistige und quasi-institutionelle Verbindung des neuen Kaisertums mit den Ursprungsstätten der Christenheit aufgefasst. In den Folgejahren folgten vielfältige materielle und personelle Unterstützungen durch Karl, darunter auch die Errichtung eines Hospizes, die besonders den Ausbau der heiligen Stätten und die Versorgung der christlichen Einrichtungen und Betreuung der Pilger in Jerusalem zum Ziel hatten. Kann man in diesem Zusammenhang auch das wohl noch zu Einhards Zeit geschaffene Denkmal sehen (Katalog 17), jenen prachtvollen, ornamental anspielungsreichen Schlüssel aus St. Servatius in Maastricht, in dessen Bart das weltumspannende „Jerusalem-Kreuz“ eingebracht war? Dieses seit dem 6. Jahrhundert oft verwendete gleicharmige Kruckenkreuz mit kleinen Winkelkreuzchen nimmt Bezug auf die fünf Wunden Christi, ist spätestens seit dem hohen Mittelalter allgemeines Kennzeichen der „Brüder und Schwestern vom Heiligen Grabe in Jerusalem“ und später des „Ordens der Ritter vom Heiligen Grab in Jerusalem“. War mit dieser
Abb. 50 Tempel-Signet mit RELIGIO XPICTIANAUmschrift. Rückseite der Bildnismünze Karls des Großen Abb. 3, Staatliche Museen Berlin, Münzkabinett (nach 800)
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Abb. 51 Frühbyzantinisches Steinrelief mit Darstellung der Grabeskirche in Jerusalem (Dumbarton Oaks Collection, Washington)
geistlichen Insignie aus vergoldetem Silber, dem christusgleichen Electrum („electrum est Christus“, s. S. 85), auf den „Davidschlüssel“ aus der Apokalypse des Johannes angespielt, jenes geheimnisvolle Instrumentum des „Heiligen und Wahrhaftigen“, „welches öffnet, dass niemand schließen kann, und welches schließt, dass niemand öffnen kann“? Ein solcher über 1 kg schwerer, technisch hochkomplexer Silberguss ist am ehesten aus einer kaiserlichen Hofwerkstatt der ersten Jahrzehnte des 9. Jahrhunderts denkbar, als die Idee einer kaiserlichen Schutzherrschaft über die loca sancta der Stadt Davids en vogue war. Sein Rankenwerk steht in enger Beziehung zum Ornamentschmuck des Godescalc-Evangelistars und anderer Werke der Hofschule Karls des Großen (anders oben S. 63 ff.). Der Schlüssel aus dem Servatiusstift in Maastricht mit Jerusalem-Kreuz im Bart kann vielleicht gar als eine opulente symbolische Nachschöpfung des Jerusalem-Schlüssels gesehen werden. Des Weiteren werden die Reliquien vom Heiligen Grabe eine Rolle gespielt haben,
die Karl Ende 800 aus Jerusalem erhielt, darunter sicher auch Kreuzpartikel, von denen vielleicht auch ein Splitter in sein Brustkreuz (Katalog 18) gelangte. Auch auf die bald nach der Kaiserkrönung 800 einsetzende veränderte Münzprägung blieb dieser Vorgang nicht ohne Einfluss: Ganze Serien von Denaren Karls, seines Sohnes und seiner Enkel erhielten auf der Rückseite neben der Nennung des Imperators jetzt die Umschrift „XPICTIANA RELIGIO“, oder – wenn wie auf der Vorderseite gelesen wird – „RELIGIO XPICTIANA“ („christliche Religion“) mit einem kleinen antiken Tempel-Ikon, in dessen Innern und auf dessen Giebel ein Kreuz angebracht ist (Abb. 50). Wie Victor Elbern in zahlreichen Studien herausgearbeitet hat, sind spätestens seit dem 6. Jahrhundert das Gemmenkreuz auf der stufenförmigen Golgatha-Anhöhe und das Grab beziehungsweise die Grabeskirche in Form eines bekreuzten Rundtempels (Tholos), die austauschbar auch als Lebensbrunnen wiedergegeben sein kann, zu weit verbreiteten Chiffren der heiligsten Stätten der Christenheit geworden, die als Piktogramme unzählige Kunstwerke und Pilgerandenken zierten oder sogar architektonisch nachgebildet wurden. Dabei zeigen die berühmten Pilgerampullen mit Öl vom Heiligen Grab noch den Zustand des 6. Jahrhunderts mit Rundtempel und gegliedertem Spitzdach, vermutlich so, wie ihn Konstantin errichten ließ. Nach dem 626 abgeschlossenen Wiederaufbau erhielt die Grabeskirche im Osten einen neuen, von vier Säulen flankierten Eingang, wie vom fränkischen Pilger Bernhard 865/870 beschrieben, und war von einem vergoldeten Kreuz überkrönt, wie aus einem Pilgerbericht des späten 7. Jahrhunderts bekannt ist. Natürlich liegt bei diesem Münzbild stilistisch eine große Nähe zur Darstellung heidnischer Tempel auf Rückseiten spätantiker Münzen vor. Der Tempel wurde durch die Kreuze im Innern und auf dem Giebel aber nicht einfach zu einer Kirche, die im Sinne der „Renovatio“ der gewandelte heidnische Tempel war. Ein templum mit einem Kreuz im Innern und einem 155
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Abb. 53 Lebensbrunnen. Achteckige Tholos mit Gittern. GodescalcEvangelistar (781-783)
Kreuz auf dem Giebel war zum einen konkretes piktogrammatisches Abbild der Grabeskirche und in der frühchristlichen und frühmittelalterlichen Bildsprache allgemein das Zeichen für die Grabeskirche, 156
wie etwa auf einem frühbyzantinischen Steinrelief wiedergegeben (Abb. 51). Auch mit dem „christlichen Tempel“ auf dem Münzrevers war konkret der Grabbau Christi in Jerusalem gemeint (Elbern 1963
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Abb. 54 Goldarmring aus Råbylille, Süddänemark, mit stilisierter Darstellung der Golgatha-Szene. Nationalmuseet Kopenhagen (9. Jh.)
u. 1997; Schumacher-Wolfgarten 1994). Dass die ersten vier Buchstaben der Münzumschrift von „XPIC TIANA“ in Griechisch, die letzten vier in Lateinisch geschrieben wurden, spiegelt die beiden durch die Gesandten des Patriarchen von Jerusalem vor der Kaiserkrönung personifizierten wichtigsten Zweige des Christentums. Damit sollte Karls Schutzversprechen für beide an den Heiligen Stätten in Jerusalem vertretenen Kirchen zum Ausdruck gebracht werden, sicher aber auch ein kaum verdeckter Anspruch auf universelle Vertretung der Christenheit. Es dürfte zudem kein Zufall sein, dass sein Biograph Einhard das Kapitel über den Bau der Pfalzkapelle in Aachen und Karls Frömmigkeit genau mit den Worten „Religio[nem] christiana[m]“ beginnt. Einhard, der Leiter der Hofwerkstätten und Palastbauten in Aachen, wird auch bei der programmatischen Gestaltung der neuen Kaisermünzen mitgewirkt haben. Wie weit die auf die heiligen Stätten in Jerusalem Bezug nehmende heilsversprechende Bildsymbolik auch in der Monumentalkunst Ausdruck fand, zeigt die Pfalzkapelle im „neuen Jerusalem“ Aachen (Abb. 52): Ihr Oktogon ist mit umlaufender Gitterbrüstung wie ein solcher Rundtempel als heilbringendes Grab Christi respektive als Lebensbrunnen gestaltet, wie sie etwa im Godescalc-Evangelistar (Abb.
53) oder im Evangeliar von St. Médard von Soisson illustriert sind, aber auch verschlüsselt auf dem Lebuinus-Kelch von Deventer, der gleichzeitig als fons vitae und als sepulchrum Christi gestaltet wurde (Elbern 1983). Vom Thron aus blickte der Herrscher der Christenheit direkt in diesen zeichenhaften wie wirklichen Lebensbrunnen und zu den Altären im Osten. Auch im Norden wurden diese Bildsymbole früh rezipiert, wie der Goldarmring skandinavischen Typs von Råbylille aus Süddänemark aus der zweiten Hälfte des 9. 157
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Abb. 55 „Talisman Karls des Großen“. Reims, Schatz der Kathedrale (Mitte 9. Jahrhundert)
Jahrhunderts zeigt, auf dem der Golgathaberg mit zentralem „Lebensbaum-Kreuz“ und den beiden seitlichen Schächer-Kreuzen abgebildet ist (Abb. 54). Die fortwirkende Verbundenheit mit Jerusalem, dem damaligen geistigen und heilsgeschichtlichen Mittelpunkt der Welt, auch für Karls des Großen Söhne und Enkel offenbart sich nicht nur in der fortwährenden Prägung von RELIGIO XPICTIANA-Münzen mit GrabeskirchenSymbol, sondern vielleicht auch in dem so genannten „Talisman Karls des Großen“, der aus stilistischen Gründen in die Mitte 158
des 9. Jahrhunderts datiert, also wohl seinen Enkeln Lothar I. oder Karl dem Kahlen zugeschrieben werden muss (Abb. 55). Dieses überaus kostbare Kleinod aus massivem Gold ist in der Form einer kleinen Pilgerampulle vom Heiligen Grabe gestaltet und fasst mit seinem akanthus- und gemmenverzierten Rand einen großen mugeligen doppelschaligen Saphir, in den Marien- und/oder Kreuzreliquien eingelassen sind. Mit einer Goldkette wurde es wie eine Eulogie, also ein Privatreliquiar, um den Hals auf der Brust getragen – sicherlich von einem Kaiser.
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Stupor Danorum
F
ür die Völker des Nordens, insbesondere für die Bewohner des heutigen Dänemarks und Südschwedens, die schon in den letzten beiden Jahrhunderten vieles von den dominanten Franken und den Thüringern übernommen hatten, war mit der Eingliederung der Sachsen in das Fränkische Reich gegen Ende des 8. Jahrhunderts ein neuer machtvoller und reicher Nachbar, ein neues IMPERIVM ROMANVM entstanden. Aus den lakonischen Reichs- und Klosterannalen erfahren wir, dass es spätestens seit 782 fränkisch-dänische Kontakte gab; Gesandte der unterschiedlichen Parteien der zerstrittenen dänischen Königssippe (stirps regia), oft ranghohe Familienmitglieder, weilen am fränkischen Hof, nehmen an Reichstagen teil, überbringen Geschenke und erhalten Gegengaben. Auf der anderen Seite gab es ebenso Gesandtschaften in den Norden: So wurden etwa 823 die Grafen Theothar und Rodmund nach Dänemark geschickt, um dort Erkundigungen über die internen Thronstreitigkeiten einzuziehen. Vor ihnen war schon Bischof Ebo von Reims nach dem Lande der Dänen gezogen .., um das Evangelium zu predigen, und hatte im verflossenen Sommer [822] viele von ihnen bekehrt und getauft“ (Reichsannalen, a. 823). Die Reaktion der Dänen und anderer Nordleute auf die fränkische Expansion hatte auf der einen Seite seit Ende des 8. Jahrhunderts zahlreiche militärische Auseinandersetzungen im Grenzgebiet zwischen Sachsen, Dänemark und Slawenland zur Folge: Scharmützel, Überfälle, Belagerungen, Befestigungen und Kriegszüge, aus denen ein grundsätzlicher Machtkonflikt insbesondere zwischen Dänemark und dem Frankenreich erkennbar wird. Ande-
rerseits wird man die just in diesen Jahren einsetzenden „Wikingerüberfälle“ nicht als völlig unabhängig von diesen Ereignissen ansehen können. Diese Angriffe wurden in erheblichem Maße von der dänischen Oberschicht unter Beteiligung von Mitgliedern der Königssippe geplant und durchgeführt und müssen als zielgerichtete Kriegszüge gegen die Schwachstellen des Fränkischen Reichs bezeichnet werden, wenn man die Verhältnisse zu Land zum Vergleich heranzieht, wo „Kriegszüge in der Regel aus Belagerungen und Plünderungen bestanden“ (H. Steuer 1999). Parallel dazu wurden aber auch die oben erwähnten intensiven diplomatischen Kontakte gepflegt, die bis zur Gestellung von Geiseln und zur Erziehung von ranghohen jungen Dänen einschließlich Taufe am Hofe reichte. Die Kaiser, insbesondere Ludwig der Fromme, wurden vielfach direkt in die dänischen Thron- und Machtstreitigkeiten hineingezogen, und sie suchten auch, Einfluss auf die Entwicklung im Norden zu nehmen. Einer der Höhepunkte war dabei die schon erwähnte und noch eingehender zu behandelnde Taufe des Dänenkönigs Harald Klak in Mainz/Ingelheim 826. Die Begegnung des Nordens mit dem neuen „Reich im Süden“ fand in ganz unterschiedlichen Formen statt: sei es im diplomatischen und politischen Austausch in fränkischen Heerlagern, Befestigungen, Pfalzen und Städten, sei es auf Plünderungszügen in den reichen Städten, Klöstern und Königshöfen, aber auch durch den Fernhandel, der Nordleute nach Süden, öfter aber fränkische, jüdische und besonders friesische Kaufleute nach Norden brachte, wo sie in den Emporien Haithabu, Kaupang oder Birka eigene Viertel hatten, schließlich aber auch durch einige 159
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Geistliche, die sich in den Norden wagten. Die Wirkungen dieser vielfältigen Kontakte wird man kaum überschätzen können. Im Kleinen zeigt sich dies etwa an einer Übernahme von christlichen Symbolen in Form von Gewandfibeln des 9. Jahrhunderts, die sich in Südskandinavien in zunehmender Zahl finden, oder in der Übernahme christlicher Bildformeln wie des Golgatha-Motivs auf einem Goldarmreif von Råbylille (Abb. 54). Sie künden von einer stillen Annahme christlichen Gedankenguts, vermutlich bevorzugt durch Frauen. Wer indes von den nordischen Händlern oder Gesandten je an einer Messfeier im Süden teil genommen hatte, wird dort einen Reichtum und eine Pracht bei den Kultbauten, an edlem Sakralgerät, kultischem Ornat und liturgischem Zeremoniell einschließlich der Gebete und Gesänge in lateinischer und griechischer Sakralsprache erlebt haben, dem nichts Vergleichbares im düsteren und blutigen Kult des Nordens entsprach. Selbst bei der reduzierten Kultpraxis von Missionaren im Norden, etwa in den kleinen Holzkirchlein in Haithabu, Ribe oder Birka, werden die Messbücher, Kelche und Leuchter und die Priester im Messgewand von tief greifender Wirkung auf skandinavische Teilnehmer und Beobachter gewesen sein. Für die rauen und kampferprobten Krieger aus den führenden dänischen Familien und ihrer Umgebung hinterließen aber wohl eher noch die gewaltigen Steinbauten, die umwehrten Städte mit noch erstaunlicher römischer Bausubstanz und insbesondere die prachtvolle Hofhaltung der Franken nachhaltigen Eindruck. Ermoldus Nigellus berichtet über das Staunen König Haralds und seiner Entourage, als sie 826 der Palast- und Kirchenbauten in Ingelheim und Mainz und der prachtvollen Hofhaltung Kaiser Ludwigs ansichtig wurden: „Harald staunet, dazu die Gemahlin, und alle bewundern, Kinder und Freunde zumal, solch’ eine Gottesgewalt. Staunen ergreift sie, schauend den Klerus und selber die Kirche, 160
dann auch die Priester, dazu schließlich den heiligen Dienst. Doch sie bewundern vor allem die Gaben des mächtigen Königs, der durch seinen Befehl solche Bewegung belebt. ... Goldenes Tafelgeschirr bietet dem Auge sich dar. ... Ob der Verpflegung staunen die Dänen, bewundern die Waffen, welche der Kaiser besitzt, Diener und Pagen so schön.“ Carmen, 437–42, 464, 477–78
Dies macht die neue Rekonstruktion der imposanten Ingelheimer Thronhalle (Aula regia) von Holger Grewe verständlich (Abb. 56). Dänische Archäologen (Lars Jørgensen) halten es für wahrscheinlich, dass die in jüngerer Zeit entdeckten großen dänischen Königshöfe des 9./10. Jahrhunderts, wie der von Tissø auf Seeland, in Größe, Struktur und Anlage von karolingischen Pfalzen angeregt wurde. Mit einem gewissen Neid werden die Nordleute auch die prunkvolle Ausrüstung der Großen des Reiches beäugt haben: Wenn Harald und seine Begleitung 826 zur Taufe und zum Abschied mit kostbaren Waffen und Pferden beschenkt wurden, wird das nicht nur Freude bei den Dänen hervorgerufen, sondern bei manchem sicher auch weitere Gier erweckt haben. Erst recht darf man all diese emotionalen Auswirkungen auch für die von der dänischen Aristokratie geführten Seekrieger vermuten, die Städte, Klöster und Königshöfe plünderten, riesige Silbermengen erpressten und erst Ruhe gaben, als sie 911 mit Land und Herrschaft im Gebiet der heutigen Normandie belehnt wurden. Für die untereinander rivalisierenden Kleinkönige in Dänemark, die die Herausbildung eines fränkischen Imperiums seit Mitte des 8. Jahrhunderts einerseits misstrauisch, andererseits nicht ohne Bewunderung beobachteten, weckte der expansive Reichsbildungsprozess im Süden den Wunsch zur Nachahmung, zur Imitatio Imperii. Sicherlich nicht zufällig erfahren
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Abb. 56 Rekonstruktion der Thronhalle (Aula regia) der Pfalz Ingelheim um 800. Das virtuelle Architekturmodell ist interaktiv programmiert und beinhaltet Rekonstruktionsvarianten, hier: Innenraum, Variante 1 – anikonische Ausmalung. Kamerapunkt von Nord (Archimedix-GbR / Holger Grewe, 2002)
wir mit Beginn der historischen Berichte über Südskandinavien in den fränkischen Reichsannalen davon, dass rivalisierende Königssippen um die Oberherrschaft in Dänemark streiten. Eine solche Zentralgewalt muss sich schon deutlich vor 800 herausgebildet haben, denn die dänische stirps regia hatte ihren Herrschaftsbereich über Jütland und die Hauptinsel Seeland hinaus ins heutige Südwest-Schweden (Schonen, Halland, Östergötland) und weiter bis hinauf in das Oslofjordgebiet ausgedehnt (Karte S. 2). Dort musste 813 Harald Klak mit seinem Bruder militärisch intervenieren, um einen Aufstand von „Volk und Fürsten“ niederzuschlagen. Auch gibt es Hinweise darauf, dass dänische Große, wenn nicht die Königssippe selbst, an Eroberungen und Landnahmen in England und Irland beteiligt waren und sich dort mit westnorwegischen Königtümern um die Hegemonie stritten.
Zwei Generationen nach der Revolte vollzog sich gegen 870 in Norwegen eine parallele Reichseinigung (rikssamling) unter Harald Schönhaar – sicher nicht denkbar ohne das Vorbild von Zentralreichen auf dem Kontinent, in England und in Dänemark. Die Formen, in denen man in Südskandinavien den kontinentalen Reichsbildungsprozess zu imitieren versuchte, bewegten sich vor allem auf den Ebenen der Machtrepräsentation und -ausübung; aber es gab auch Imitationsformen, die nicht zentral gesteuert, sondern eher wie kollektive Prozesse wirken, die einem breiten Bedürfnis nach Nachahmung einer als höherwertig oder überlegen empfundenen Zivilisation entsprachen. In allen diesen Bereichen spielte das Silber des Südens als stoffliche Materialisation der verschiedenen Aspekte der Macht eine herausragende Rolle. 161
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Silber im Norden – die neue Währung
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das Heilige Grab durch Montage und Trageweise betont werden, ist vermutet worden, dass diese als Schmuck getragenen Denare Reflex einer karolingischen Mission oder zumindest eines christlichen Bekenntnisses im Norden gedeutet werden können (Moesgaard 2004) – ein Befund, der der Verbreitung christlich verzierter karolingischer Münzen entspricht. Die Händler und die Landesherren im Norden, die den Handel fördern wollten, hatten aber schon früh den Vorteil einer überall verbindlichen Münzwährung erkannt. Im 8. Jahrhundert gelangte bereits die spätmerowingisch-frühkarolingische Sceatta-Währung nach Südskandinavien, vorwiegend zum friesisch geprägten jütländischen Handelsort Ribe. Es handelt sich dabei um einen Typ kleiner Silberoder Silbermisch-Münzen von etwa 1 g Gewicht, die vor allem im Mittel- und Niederrheingebiet und im südlichen Nordseeraum gängige Währung war und die wohl eng mit dem friesischen Fernhandel der Zeit zusammenhängt. Die Annahme, dass solche Sceattas auch in Ribe selbst ausgemünzt wurden, ist in der Forschung umstritten. Vermutlich wiederum durch den Friesenhandel vermittelt, gelangten – neben wenigen englischen Münzen – karolingische Denare Karls des Großen (794–814) und Ludwigs des Frommen (814–840) in den Norden, kaum jedoch welche aus Karls erster Prägephase (771–794). Im fränkisch-friesischen Nordseeemporium Dorestad wurden in dieser Frühphase Denare mit Carolus-Monogramm geprägt, die weitgehend auf den heute norddeutschen Bereich begrenzt sind. Eine kleine Anzahl von neuartigen Silbermünzen in südskandinavischen Funden, denen ganz offenkun-
Abb. 57 Karolingische Münzen im Norden (rote Symbole) und nordische Imitationsformen (dunkelgrüne Symbole), jeweils der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts (nach Metcalf 1996, mit Ergänzungen)
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I
n der älteren Phase der Jüngeren Eisenzeit Skandinaviens, also im 6. bis 8. Jahrhundert, spielte Silber als wirtschaftliche Basis und als künstlerisches Medium keine nennenswerte Rolle, was vermutlich – ebenso wie auf dem Festland – mit einer Edelmetallverknappung zusammenhängt. Erst durch den Kontakt mit dem Fränkischen Reich, insbesondere durch die enormen Beute- und Tributerträge (vgl. S. 107 ff., 159 ff.), aber sicher auch durch Handel, gelangte seit dem frühen 9. Jahrhundert Silber ins Land: in Form von karolingischen Münzen wie auch von Silberschmuck. Das Phänomen einer überall gültigen gemünzten Edelmetallwährung war zwar schon vorher bekannt, doch hatte es im Norden keine Gültigkeit, da hier die entsprechende staatliche Garantie fehlte. Dennoch wurde Silber jetzt zu einem allgemein gebräuchlichem Tauschmittel, zur Währung, die hier allerdings nur nach dem Gewicht berechnet wurde (Gewichtsgeldwirtschaft). Deshalb verwundert es nicht, dass sich in den Schatzfunden des 9. Jahrhunderts nur wenige karolingische Denare finden (zum Beispiel Häljarp, Katalog 33) (Karte Abb. 57), während ab dem ausgehenden 9. Jahrhundert Unmengen arabischer Silbermünzen den Norden überschwemmen. Das karolingische Münzsilber wurde wohl durchweg zu Barren oder Schmuck eingeschmolzen. Bei den meisten Funden karolingischer Denare handelt es sich um einzelne oder ganz wenige Münzen, die im Norden als Anhänger oder vielleicht auch als umgearbeitete Fibeln getragen wurden wie zum Beispiel beim Depot aus Lerchenborg (Katalog 34). Da bei ihnen häufig die Umschriften „RELIGIO XPICTIANA“ oder das Bildsymbol für
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Kaupang
Kaupang
Birka
Birka
Grobin
Grobin Åhus
Ribe Dublin
York
Dublin
Åhus
Ribe
York
Haithabu Haithabu
Ralswiek Wollin
Reric
Wollin
Reric London Hamwic
London
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Dorestad
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Dorestad
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Cordoba
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Truso Truso
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dig diese frühen karolingischen DorestadPrägungen zum Vorbild dienten (Katalog 34, 37), zeigen, dass schon früh im 9. Jahrhundert (ca. 820–840) in Dänemark versucht wurde, ein eigenes Münzwesen auf Silberbasis nach karolingischem Vorbild (Denare und Sceattas) aufzubauen. Es wird vermutet, dass diese im königlich-dänischen Emporium Haithabu geprägt wurden; für eine etwas jüngere, bildreiche Variante mit christlichen Motiven (ca. 840–850) kommt vielleicht Ribe als Münzstätte in Frage. Das Verbreitungsbild karolingischer Münzen und nordischer Nachahmungen in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts ist weitgehend deckungsgleich: Der Schwerpunkt liegt im altdänischen Herrschaftsbereich mit Ausläufern bis zur schwedischen Handelsstadt Birka im Mälarsee-Gebiet und entlang der südnorwegischen Küste bis nach Stavanger (Karte Abb. 57), wenngleich vereinzelte Funde auch von Westengland bis Russland reichen. Warum man auf die ein bis zwei Generationen alten Prototypen zurückgriff und nicht auf die aktuellen Münzen Ludwigs des Frommen – so wie in jüngerer Vergangenheit veraltete westeuropäische Automobil-Typen in Osteuropa und Südostasien unter neuem Namen wiederaufgelegt wurden – könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass nicht der Verdacht einer Münzfälschung erweckt werden sollte oder man eventuelle Regal-Konflikte vermeiden wollte. Man wird friesische Hände beim Aufbau einer nordischen Währung annehmen dürfen. Ein dauerhafter Erfolg war dieser neuen nordischen Währung genauso wenig beschieden wie späteren Versuchen des mittleren Viertels des 10. Jahrhunderts. Erst mit Harald Blauzahns Oberherrschaft und Übertritt zum Christentum beginnt im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts eine kontinuierliche Münzprägung im Norden. Dass im 9. Jahrhundert in Dänemark der Versuch fehlschlug, imperiale Herrschaftsformen des Fränkischen Reiches auch durch das Regal der Münzprägung zu imitieren, liegt wohl an einer unzureichenden Kontrollmöglichkeit der über Jahrzehnte zerstrittenen Zentralgewalt. 164
37 Haithabu-Münzen Zwei Münzen vom Typ Malmer KG (Kombinationsgruppe 5) mit der Darstellung eines Angesichtes auf der Vorder- und von Hirsch auf der Rückseite. Sie greifen Münzbilder der frühkarolingischen Sceattas auf. Silber Aus dem Schatzfund von Terslev; Münzstätte Haithabu?, 1. Hälfte 9. Jh. Nationalmuseet, Den Kgl. Mønt- og Medaillesamling, Kopenhagen, Inventar FP 1233 Zum Münztyp: Malmer 1966
Gleichwohl führte das in den Norden fließende karolingische Silber zur Entstehung einer nordischen Silberwährung, wenn auch für mehr als eineinhalb Jahrhunderte in Form einer Gewichtsgeldwirtschaft. Gegenüber anderen Zahlungsmitteln wie Eisenbarren, Textilien und Fellen hatte Silber den Vorteil der Unzerstörbarkeit, es konnte zu kleinen Zahlungseinheiten zerteilt (Hacksilber) oder zu größeren Werten zusammengeschmolzen werden. Vor allem konnte man Silber im Boden horten. Wenngleich die Masse der Hacksilberdepots etwa im Zeitraum von 890 bis 950 die Hoch-Zeit der Gewichtsgeldwirtschaft im Norden angibt, haben die jüngsten Grabungen in Birka und Kaupang gezeigt, dass bereits seit der Mitte des 9. Jahrhunderts im Bereich Alt-Dänemarks eine auf Hacksilber basierende Währung aufkam.
Vergleichsabbildungen zu Katalog 37 (nach B. Malmer)
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Ein dänischer Vasall im Bootkammergrab von Haithabu – fränkisches Hofzeremoniell im Norden
Z
u den interessantesten Bestattungen der Wikingerzeit gehört das so genannte Bootkammergrab, südlich des Halbkreiswalls von Haithabu gelegen, der großen Handelsstadt des dänischen Königs an der Schlei im Grenzland zur fränkisch-sächsischen und zur slawischen Welt (Abb. 58). Unter einem 40 m großen Hügel war in einer 4,5 x 2,5 m großen verschalten Holzkammer ein skandinavischer Herr mit zwei Gefolgsleuten beigesetzt worden. Eine flache Grube neben der Grabkammer enthielt die Skelette dreier Pferde. Über Grabkammer und Pferdegrube war zu ebener Erde ein etwa 20 m langes Wikinger-Kriegsschiff gestellt worden, von dem sich nur die Eisenniete erhalten hatten, und darüber war der Hügel aufgeworfen worden (Abb. 58.1). Vieles an diesem Mausoleum ist ungewöhnlich: etwa die Kombination von kontinentaler Grabkammer, was zu der Zeit (ca. 840–850 ) in Dänemark unüblich war, mit skandinavischer „Schiffsbeigabe“, wobei es sich nicht um eine der typischen wikingerzeitlichen Bestattungen im Schiff handelt. Vor allem aber frappiert die Tatsache, dass in der großen Holzkammer gleichzeitig drei Krieger mit Schwert und Schild bestattet waren (Abb. 58.2). In der Kammer lag links ein Mann, der durch seine kostbare silbertauschierte Spatha mit silberner Gürtelgarnitur, ein britisches Handwaschbecken und einen fränkischen Glasbecher als „Fürst“ ausgewiesen ist. Durch eine Planke von ihm getrennt waren seine beiden Begleiter, die ebenfalls hervorragende fränkische Schwerter hatten. Wegen ihrer Nähe zu einem (Bier-?) Eimer beziehungsweise zu einem reichen kontinentalen Pferdekopfzeug hat man den einen Grabgenossen als Mundschenk und
den anderen als Marschall des „Fürsten“ oder „Königs“ interpretiert (D. Ellmers). Die königliche Grablege von Haithabu weist nun verblüffende realienkundliche Parallelen zum Zeremoniell anlässlich der Taufe des Dänenkönigs Harald Klak 826 in Ingelheim und Mainz durch Ludwig den Frommen auf, so wie es von Ermoldus Nigellus blumig geschildert wurde (vgl. oben S. 160). Das prächtigste karolingische Schwert, das wir kennen, das Silberfiligrangehenk, ein feines Trinkglas, eine Messingtrense höchster Qualität, dazu ein Eimer mit liturgischer Kreuzverzierung („Jerusalem-Kreuz“): alle diese Teile sind Spitzenprodukte karolingischer Werkstätten aus dem frühen 9. Jahrhundert; die Schwerter seiner Begleiter stehen nur wenig darunter (Katalog 38). Sie entsprechen, wenn man die poetischen Ausschmückungen berücksichtigt, weitgehend den Geschenken, die nach Ermoldus’ Schilderungen Ludwig der Fromme dem Dänenkönig anlässlich seiner Taufe überreichte: „Ihm übergibt der erhabene Kaiser die reichsten Geschenke, wie sie der Franken Gebiet nur zu erzeugen vermag, eine Gewandung, geschmückt mit Steinen und rötlichem Purpur, welche der goldene Streif rings in der Runde durchfurcht. Heftet zur Seit’ ihm sodann sein prächtiges Schwert, das er selbst trug, fest, ein gold’nes Gehenk zieret und kleidet ihn schön. Goldene Bänder sodann umfangen an jeglichem Arm ihn, Reichlich mit Gemmen besetzt 165
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Abb. 58 Bootkammergrab von Haithabu bei Schleswig (ca. 840-850) oben: Rekonstruktionsschnitt durch den Hügel mit Schiff und Grabkammer; unten: Grabungsplan der Grabkammer mit der Hauptbestattung links (nach Müller-Wille 1976)
schmücket die Hüften der Gurt. Und mit prächtiger Krone beschenkt er sein Haupt nach Gebrauche, aber mit goldenem Sporn sind ihm die Füße bewehrt, und es glänzet von Gold auf breitem Rücken der Mantel; weißliche Handschuh’ dann haben die Händ’ ihm verhüllt.“ Carmina, 371–84
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Vor allem aber die Tatsache, dass mit dem „Mundschenk“ und dem „Marschall“ im Bootkammergrab zwei der wichtigsten karolingischen Hofämter in dieser barbarischen Grablege dokumentiert sind, die der Norden vorher nicht gekannt hat, die aber beim Tauffest eine bedeutende Rolle spielten, macht hier die Übereinstimmung zwischen historischer Überlieferung und archäologischem Befund ungewöhnlich dicht.
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Katalog 38
*38 Bootkammergrab von Haithabu, Kr. Rendsburg-Eckernförde Von der Dreierbestattung werden in der Ausstellung nur die restauratorisch unbedenklichen Teile der Beigaben des „Königs“ gezeigt: karolingische Spatha mit silbertauschierter Griffpartie, Teile der SilberfiligranGürtelgarnitur (ehemals Reliquiar-Schnalle? – I. Gabriel), fränkisches Trinkglas (Spitzbecher), Kopfgeschirr aus Messingtrense mit Schnallen; Nachbildung des Eimers mit kreuzverzierten Eisenbeschlägen. Nicht ausgestellt insulare Bronzeschale als Handwaschbecken. Des Weiteren enthielt die Bestattung die Spathen der beiden Begleiter (Abb.), Niete des Zaumzeugs, 3 Schildbuckel, Nocken von Pfeilbündel, Lanzenspitzen, Messer, Schere, Speisebeigaben und anderes. Gezeigte Beigaben: fränkisch, ca. 780–820; Grablege ca. 840–850 Archäologisches Landesmuseum der Universität Kiel, Schleswig Müller-Wille 1976; Ellmers 1980; Wamers 1994a * wird nicht in Hildesheim gezeigt
Es liegt also nahe, dass im Bootkammergrab ein dänischer Kleinkönig oder warlord bestattet liegt, der einst vom fränkischen Hof mit Herrschaftsinsignien investiert und sicherlich auch getauft worden war. Dies kann Harald Klak selbst gewesen sein, der nach 826 bald wieder zu einem Wikingerführer wurde, und sich später in einer fast schon synkretistischen Melange im Kammergrab als fränkischer Vasall bestatten ließ, karolingisches Hofzeremoniell noch im Tode imitierend. Gleichzeitig ließ er sich auch noch als Wikinger feiern, dessen engste Gefolgsleute und sein Kriegsschiff ihm in den Tod nachfolgen mussten, das Ganze von einem altheidnischen Totenhügel bedeckt. Denkbar sind aber auch andere hochrangige Wikingerführer 167
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Katalog 39
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aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, die in engem diplomatischen Kontakt mit dem Fränkischen Reich gestanden und am Hof so manches vom Zeremoniell aufgeschnappt hatten: etwa Haralds Bruder Hemming, der wohl 807 mit seinem Vater an den Hof Karls des Großen als Vasall gekommen war und 813 nach Dänemark zurückkehrte. Möglich ist es auch noch bei Haralds Sohn und Neffe, die nach der Taufe am Hof Ludwigs verblieben, leistend dem Kaiser die Wacht, lebend nach fränkischer Art (Ermoldus Nigellus, Carmen 629f.), die also – in altgermanischer Tradition – in die Leibwache des Kaisers eingetreten waren. Dass solche Überlegungen keine reine Spekulation sind, sondern dass es sich bei dieser fränkisch-normannischen Kontaktnahme um ein festes fränkisches Herrschaftsmuster im Umgang mit „barbarischen“ Randvölkern handelte, die man an
sich binden wollte, zeigen beispielhaft zwei Bestattungen aus dem slawischen Bereich: das Kriegergrab aus Stará Kouˇrim 55 (Katalog 39) und das Fürstengrab aus Kolín (Katalog 40), beide im böhmischen Herzland gelegen. Auch mit böhmischen Großen gab es seit Beginn des 9. Jahrhunderts zahlreiche Kontakte, wie diverse Annalen bezeugen. 805 noch ließ Karl der Große „ihr ganzes Land verwüsten und tötete ihren Herzog Lechi“; auf dem Frankfurter Reichstag 822 hingegen erschienen neben dänischen Gesandten Haralds und seiner Widersacher der Gottfriedsöhne auch Gesandtschaften aller „Ostslawen“ mit Geschenken, darunter Böhmer und Mährer, die nach Auskunft Einhards tributpflichtig gemacht wurden (Vita Karoli, Kap. 15). 845 empfing Ludwig der Deutsche „vierzehn der Herzöge der Böhmen mit ihren Leuten und ließ sie ... taufen“. Dies sind genaue historische 169
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Parallelen, denen ebenso genaue archäologische Parallelen entsprechen. Auch in den böhmischen Krieger- und Fürstengräbern finden wir karolingische Waffen- und Reiterausstattungen, in dem von Kolín von überragender Qualität einschließlich eines silbervergoldeten Messkelches, woraus zu schließen ist, das es sich bei dem hier Bestatteten um einen jener um 845 getauften böhmischen Herzöge handeln muss. Wegen der hochrangigen Garnituren von Kolín wird man wie schon bei der Taufe des Dänenkönigs Harald mit einer feierlichen Investitur der böhmischen Großen durch Ludwig den Deutschen, der im Übrigen Augenzeuge von Haralds Taufe gewesen war, und mit reichen Taufgeschenken rechnen dürfen. Imitatio Imperii, die Nachahmung von fränkischen Herrschaftsformen bei „barbarischen“ Randvölkern im Norden wie im Osten, ist ein gängiges Verhaltensmuster im 9. Jahrhundert und wird von den karolingischen Königen bewusst als Mittel der Außenpolitik eingesetzt worden sein. 140 Jahre nach der Taufe Harald Klaks kommt es mit der Taufe Harald Blauzahns durch Otto den Großen erneut zur spekta170
kulären Taufe eines dänischen Königs durch einen deutschen Kaiser, wiederum mit dem Versuch der direkten politischen Einflussnahme auf der einen Seite und dem Bemühen um Nachahmung kontinentaler Herrschaftsformen (Kunst und Münzprägung) auf der anderen Seite.
39 Kriegergrab von Stára Kouˇrim 55, Böhmen Aus dem Männergrab werden folgende Beigaben gezeigt: vier Teile einer fränkischen Schwertaufhängung aus Bronze mit vegetabilem Strichdekor (Kleeblattbeschlag, 2 Ovalbeschläge, davon 1 fragmentarisch), fränkische Schnalle und Riemenzunge aus vergoldeter Bronze mit Rankendekor (für Kopfgeschirr?). Der Langszepterfuß wird unter Katalog 12 aufgeführt. Daneben enthielt das Grab ein eisernes einschneidiges Schwert, zwei Sporen und einen Holzeimer mit Eisenreifen, die nicht ausstellungsfähig sind. Gezeigte Beigaben: fränkisch, 1. Hälfte 9. Jh. Národní muzeum Praha, Inventar H1–99.665–9, 672 Sˇolle 1966, 302 ff. Abb. 11a Taf. 24.1–2, 27.3; Wamers 1994a, passim, Abb. 19.1 40 Fürstengrab von Kolín, Böhmen Die Grablege von Kolín enthielt eine Doppelbestattung, von der nur Teile der Männerausstattung gezeigt werden: Schwertgarnitur aus Silberfiligran (Kleeblatt-, und 3 Ovalbeschläge, Schnalle) SilberfiligranSporenpaar (1 Exemplar incl. Riemenläufer und -zunge), vergoldeter Silberkelch in der Rekonstruk-
Katalog 39
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Katalog 40
tion des 19. Jhs. (die dem Originalzustand näher kommende Rekonstruktion von 1980 wird als Katalog 26 gezeigt). Darüber hinaus enthielt das Grab fränkische Trinkgläser, ein Eisenschwert, Axt und silbernen Frauenschmuck (Perlen, Anhänger u.a. slawischer Prägung).
Fränkisch, mittleres Drittel 9. Jh. Národní muzeum Praha, Inventar H1–55087–90, 55092–93, 95, 97, 99 Lutovsky 1994
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„Military look“ – eine neue Damenmode im Norden
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ie bemerkenswerteste und mentalitätsmäßig wohl umwälzendste Neuerung im Norden, die durch kontinentales Silber angeregt wurde, setzten die Frauen durch. So sehr die skandinavischen Männer die prunkvollen silbervergoldeten Wehrgehänge ihrer fränkischen Widersacher und Verhandlungspartner auch neidvoll bewundert haben mögen und so sehr sie danach trachteten, durch Geschenk oder Tribut in ihren Besitz zu gelangen, so wenig waren sie daran interessiert, die karolingischen Schwertgurte sich selbst umzubinden, um ihr Schwert damit zu halten. Obwohl eine Vielzahl von Bestandteilen karolingischer Schwertgarnituren aus skandinavischen Bodenfunden bekannt ist, darunter auch drei mehr oder minder komplette Beschlagsätze, gibt es keinen archäologischen Beleg dafür, dass ein Skandinavier eines der charakteristischen karolingischen Wehrgehänge tatsächlich getragen hat, selbst wenn er auch ein fränkisches Schwert sein Eigen nannte – ganz im Gegensatz zu den Slawen. Die Ursache hierfür kann nur darin liegen, dass man im Norden eine völlig andere Art von Schwertaufhängung gewohnt war, von der man nicht lassen wollte. Dass die fränkischen Garnituren mit Kleeblattbeschlag funktional vermutlich nicht der Weisheit letzter Schluss waren und sich im Kampf nicht bewährten, lässt sich vielleicht daraus schließen, dass sie im 9. Jahrhundert auch nur für zwei bis drei Generationen in Gebrauch waren, etwa von 800/810 bis 870/80 (vgl. S. 54 ff.). Dennoch haben hochrangige Männer im Norden Teile der karolingisch-ottonischen Waffen- und Reiterausstattung imitiert: Große lange U-förmige Riemenzungen und D-förmige Schnallen aus vergoldetem Sil-
ber werden vereinzelt im Norden im heimischen Stil imitiert, wofür es gute Beispiele aus dem Schatz von Duesminde gibt (Katalog 36i). Allerdings wurden die Kleeblattbeschläge nicht nachgeahmt. Auch die karolingischen Sporengarnituren mit kleinen Schnallen, Riemenenden und Riemenläufern mit Zierplatte sowie Zaumzeugbeschläge hat man im adeligen Milieu gelegentlich kopiert, wofür einige Garnituren aus Dänemark (Lejre) oder Norwegen (Schiffsgräber Gokstad und Borre, Goldsporn mit Riemenläufer von Rød) Zeugnis ablegen. Doch was konnte man ansonsten mit den materiell und künstlerisch hochwertigen fränkischen Stücken anfangen? Schon bei den Beschlägen von Büchern, Reliquiaren und anderem Sakralgerät, das man in England und Irland geraubt hatte, war man auf die Idee verfallen, sie zu Hause mit einer rückwärtigen Nadelhalterung zu versehen, so dass sie von den Frauen als Trachtenschmuck getragen werden konnten, die exotischen Stücke geradezu demonstrativ als Zeugnisse erfolgreicher Wikingerzüge herzeigend. Genauso verfuhr man mit den schönen vergoldeten Silberbeschlägen aus dem machtvollen Süden, die bei den skandinavischen Frauen offenkundig sehr beliebt waren, insbesondere die morphologisch reizvollen kleeblattförmigen Beschläge, darunter auch das kaiserliche Goldexemplar aus dem norwegischen Schatzfund von Hon (Abb. 20), wie auch die großen Riemenenden. Beide Typen wurden zentral auf der Brust getragen, wo sie einen Mantel oder einen Überwurf verschlossen, also immer sichtbar waren. Aber man fand an den Originalen einen so großen Gefallen, dass man die KleeblattBeschläge und Riemenenden im Norden 173
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Kaupang
Birka Birka
Kaupang
Grobin
Grobin Åhus Dublin
Dublin
Åhus
Ribe
York
Ribe
York
Abb. 59 Verbreitung der Kleeblattfibeln des 9./10. Jahrhunderts in Skandinavien (nach Maixner 2003)
Haithabu
Haithabu
Ralswiek Wollin
Reric
Truso Truso
Wollin
Reric London
London
Hamwic
Dorestad
Hamwic
Dorestad
Hildesheim
F
S
V
D
Kaupang
Kaupang Birka
Birka
Grobin
Grobin Åhus Dublin
Dublin
Ribe York
Åhus
Ribe
York
Haithabu
Haithabu
Ralswiek Wollin
Reric
Wollin
Reric London Hamwic
Hamwic
London Dorestad
Dorestad
Hildesheim
R
El
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Truso Truso
Abb. 60 Verbreitung der Zungenfibeln des 9./10. Jahrhunderts in Skandinavien (nach Wamers 1984)
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Katalog 41
nachgoss, und zwar direkt als Fibel mit einer angegossenen Nadelhalterung. Mittlerweile sind mehr als 550 skandinavische Kleeblattfibeln bekannt, denen allerdings nur gut 30 zungenförmige Fibeln gegenüber stehen. Beide Fibelgattungen wurden von der ersten Hälfte des 9. bis in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts hinein getragen. Anfangs waren sie wie die fränkischen Vorbilder mit Pflanzen-, seltener mit geometrischer und Spiralornamentik verziert, seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts jedoch dekorierte man sie zunehmend mit einheimischer Tier- und Flechtbandornamentik der verschiedenen Stilphasen. Als Beispiele zeigt die Ausstellung die Kleeblattfibeln von Holmskov und Bornholm (Katalog 41a–b), erstere mit einem etwas steifen Akanthusblattwerk verziert, letztere mit Jelling-Tierstil, sowie zwei Zungenfibeln von Viborg und Salby (Katalog 42a–b), erstere mit rankenartig stilisierter Pflanzenornamentik, letztere mit einem spätwikingerzeitlichem Flechtband und vegetabilen Motivresten. Nur am Rande sei erwähnt, dass in die Rückseite der Salby-Fibel ein ganz ähnliches Doppelschlangenmotiv eingeritzt ist wie in die Rückseite der langen Riemenzunge der zweiten Schwertgarnitur von Duesminde (Katalog 36b.2; vgl. Abb. S. 132 und 176). Über die Bedeutung des Motivs – vielleicht apotropäisch oder als Werkstattzeichen – darf spekuliert werden.
Die Zahl von über 550 erhaltenen Kleeblattfibeln – woraus man eine ehemalige Häufigkeit von bestimmt 50.000 Exemplaren erschließen kann – macht deutlich, dass es sich hierbei um keine exotische Schmuckform der Wikingerzeit handelte, sondern um ein Massenphänomen: Es ist – nach der einheimischen Standardform der Ovalfibelpaare – der zweithäufigste Trachtenschmucktyp des Nordens. Ihre Verbreitung belegt, dass er in Gesamtskandinavien mit Ausnahme der arktischen Regionen sehr gut vertreten war mit einem deutlichen Schwergewicht in Dänemark und Südschweden (Abb. 59). Auch in den skandinavischen Siedlungsgebieten in England-Irland, Island und im Baltikum wurden solche Fibeln getragen und produziert. Dem entspricht – in geringerer Konzentration – ziemlich genau die Verbreitung der Zungenfibeln (Abb. 60). Wie aber konnte ein solcher Trachtenschmuck, entlehnt aus dem Wehrgehänge einer fremden Kultur, bei den Frauen der Wikingerzeit so beliebt werden? 41 Zwei Kleeblattfibeln Fundorte: (a) Holmskov, Sønderborg amt; (b) Bornholm; beide Dänemark Bronze, vergoldet, Unterseite verzinnt; B. 7,5 cm; 5,8 cm Südskandinavisch, 870–950 Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 8964, C 20248 Brøndsted 1936, 125 f. Abb. 34, 212 Abb. 118; Maixner 2003, Katalog 24 Taf. 2.P2.2; Katalog 374 Taf. 10.F2.3
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42 Zwei Zungenfibeln Während die Viborg-Fibel ein stilisiertes geometrisches Rankenornament trägt, wie es für die Mitte bis zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts auf dem Kontinent typisch ist, zeigt die Salby-Fibel in Material, Morphologie und Ziermuster engste Entsprechungen zur karolingischen Riemenzunge von Nørre Vedby, die – ein Produkt der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts – ihr in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts als Muster gedient haben muss, wenngleich jetzt mit Flechtband verziert wurde. Beide Fibeln wurden mit der Öse nach unten getragen, die Viborg-Fibel also senkrecht, die Salby-Fibel waagerecht.
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Fundorte: (a) Viborg, Jütland; (b) Salby, Fyns Amt; beide Dänemark (a) Bronze, Schauseite vergoldet, Unterseite verzinnt, darin Runeninschrift; L. 8,3 cm (b) Silber, Spuren von Vergoldung, in Unterseite Doppelschlangenmotiv; L. 12,9 cm. Südskandinavisch, Ende 9. bis 1. Hälfte 10. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 7429 (a), ohne Nr. (b) Wamers 1984, Nr. 7 und 23, Abb. 9.2, 16–19.
Katalog 42
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Schlangenritzung von der Unterseite der Fibel von Salby, Katalog 42
Eine eindeutige Antwort ist nicht möglich. Vermutlich waren es die für Nordleute exotischen Formen und Verzierungen, die diese Stücke besonders attraktiv machten. Es gibt Hinweise darauf, dass in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in Süddänemark für eine kurze Zeit Kleeblattfibeln vereinzelt auch in der Männertracht Anwendung fanden, dass also diese aus der Kriegersphäre stammende Zierform zunächst auch im Norden in der Welt der Männer verblieb, sich dann aber schon sehr früh ausschließlich zu einem charakteristischen Frauenschmuck herausbildete. Was hat die Frauen im Norden so fasziniert, dass sie etwas völlig Fremdes so intensiv adaptierten und in ihre Lebenswelt integrierten? Auf den prachtvollen karolingischen Herrscherbildern des 9. Jahrhunderts werden die kaiserlichen Wehrgehänge mit den charakteristischen Kleeblattbeschlägen in demonstrativer Weise geradezu zeichenhaft dem Betrachter vorgehalten (Abb. 7–9, 11, 18). Dem entsprach sicherlich eine ebenso demonstrative Zur-Schau-Stellung im Hofzeremoniell, in abgestufter Form dann auch beim Adel. Diese charakteristische Schwertaufhängung ist eine Erfindung des 9. Jahrhunderts, die keine Vorstufen kennt und an seinem Ende wieder verschwindet. Es ist wegen der Kleeblattbeschläge vermutet worden (E. Wamers), dass sie vielleicht durch reiternomadisches Pferdegeschirr aus dem sagenhaften Staatsschatz der Awaren angeregt wurde. War mit ihm eine bestimmte heilsbildliche oder auch nur apotropäische Wirkung verbunden, die möglicher Weise aus dem fulminanten Sieg über die heidnischen „Hunnen“ (Awaren) resultierte? „Kein Krieg, soweit Menschengedenken reicht, brachte diesen [den Franken] so viel Reichtum und Macht“, schrieb Einhard nach 830. Die außerordentliche Wertschätzung der karolingischen Schwertgehänge und ihrer dreiarmi-
gen Beschläge auch in Skandinavien, selbst wenn sie nicht in originärer Funktion genutzt wurden, sind an ihrer Behandlung und Umarbeitung erkenntlich. Der Augenzeuge Ermoldus Nigellus hatte es am Hofe Ludwigs des Frommen gesehen: „... die Dänen .. bewundern die Waffen, welche der Kaiser besitzt ...“. Die Frauen im Norden werden im 9. Jahrhundert um die Herkunft dieser Beschläge gewusst haben, wussten, dass sie zur Bewaffnung des fränkischen Adels gehörten, dass der Süden unter dem fränkischen Schwert stand. Und sicherlich wollte man sich auch der reliquienartigen Wirkungsmacht dieser Schwertgarnituren vergewissern, indem man sie zu einem zentralen Trachtenschmuck machte. In einigen Fällen, etwa bei den annähernd vollständigen Garnituren von Duesminde (Katalog 36b.1) oder Östra Påboda in Småland, scheinen die in den Norden gelangten Garnituren umgearbeitet und als komplette Frauenschmuck-Sätze getragen worden zu sein, bevor sie dann nach langer Tragezeit Altmetall wurden. Die im Süden heilsbildliche Akanthusornamentik, dort paradiesische Lebensbaum-Vegetation darstellend, konnte im Norden nach einer Generation durch tiergestaltige Heilsbilder aus der heimischen Vorstellungswelt ersetzt werden. Ein vergleichbarer Vorgang, dass militärische Accessoires einer „Supermacht“ in die Zivilkleidung ganzer Generationen Einzug hielt, kann an dem zunächst subkulturellen Habit der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts abgelesen werden: Aus der Ausrüstung der US-Armee wurden das T-shirt und die Parka, zum Teil auch der geschnürte Kampfstiefel, in die globale städtische Zivilkleidung übernommen, bis weit in die weibliche Mode hinein. Auch die inzwischen grassierende nordamerikanische Schirmmütze („baseball cap“) entstammt dem army equipment.
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Der Gral im Norden – vom Hostienbehältnis zum Ritualgefäß
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ie Aneignung, Nachahmung und Umformung karolingischer Kulturformen über das Medium Silber vollzog sich im skandinavischen Norden auch im Bereich der Kultgeräte. Wenngleich Kelch und Patene die zentralen und häufigsten in der Liturgie verwendeten Gefäße waren, ist aus archäologischem Kontext eine ganz andere Gefäßgruppe am besten belegt: die Pyxiden, mit Deckel verschließbare Büchsen für die Aufbewahrung der Brotspezies nach der Kommunion (vgl. S. 86 ff.). Wegen dieses allerkostbarsten Inhalts wurden sie, gleich den Kelchen, mit christlichen Heilsbildern verziert, die ewige Erlösung versprachen, wie etwa vom Neuen Jerusalem, vom Grabe Christe oder vom Lebensbrunnen. Sie entsprachen der Vorstellung vom Messkelch als heilbringendem Gral, die in jener Zeit entstand. Aus dem späten 8. und der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts sind aus vergoldetem Silber fünf Pyxiden, davon eine mit Deckel, und von einer weiteren ein Deckel erhalten. Alleine drei von ihnen kommen aus wikingerzeitlichen Schatzfunden des 10. Jahrhunderts: Ribe in Jütland (Katalog 28), Fejø auf Lolland (Katalog 43; Abb 31) und Halton Moor in Lancashire. Auch der Becher aus Pettstadt ist ein archäologischer Fund, allerdings aus anderem kulturellen Kontext (Katalog 27). Da solche Pyxiden auch im wikingischen Milieu Nordwestenglands (nordfranzösische Pyxis, vergraben um 1025) vorkommen, sind sie vermutlich als Beute oder Tribut in die Hände der Nordleute gelangt. Der schon im Altertum reparierte Becher aus Fejø zeigt, dass diese Gefäße als kostbar und ehrwürdig galten. Die Nordleute hatten die karolingischen 178
Pyxiden auf dem Kontinent, etwa bei der Teilnahme an einer Messfeier wie Harald Klak und seine Leute 826 in Mainz, oder als Teil eines geraubten Kirchenschatzes, vielleicht auch auf dem Feldaltar eines Missionars, kennen gelernt; sie wussten also um seine sakrale Bedeutung bei den Franken als Behältnis, in dem der mächtige Gott wohnte. Diese Gefäße waren auch in Material, Verarbeitung und Dekor prachtvoller als alles, was man sonst als Becher kannte; seine verschlüsselten Bilder versprachen zauberische Macht. Zudem waren sie handlich und griffig. Da sie im noch heidnischen Norden nicht in ihrer originären Funktion eingesetzt werden konnten, lag es nahe, sie als kostbare Trinkbecher zu verwenden. In der Tat fand man die Pyxiden von Ribe und Fejø zusammen mit einem Satz weiterer fünf bis sieben kleiner Becher aus getriebenem und ritzverziertem Silberblech von 6–7 cm Durchmesser und 2–3 cm Höhe. Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei um Trinkservice. Solche Service aus einem Haupt- und mehreren Nebenbechern sind auch aus Terslev (siehe Abb. zu Katalog 43) und Lejre (Katalog 44) bekannt, jeweils insgesamt fünf Becher, wobei der Hauptbecher von Lejre ein skandinavisches Produkt ist und der von Terslev eine „östliche“ (persische?) Schale. Dabei ist das Service aus Lejre Bestandteil eines größeren Sammelschatzes, der eher wie eine Grabausstattung denn wie ein WertSchatz aussieht, also ganz ähnlich wie das Depot von Lerchenborg (Katalog 34), vor allem, da er in einem kleinen Hügel angetroffen wurde. Diese Trinkservice entsprachen nicht alt-skandinavischen Trinksitten, bei denen man zum Konsum größerer Biermengen Eimer, Trinkhorn, Holz-
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Katalog 43 (rechts) Trinkservice von Terslev (links)
oder Glasbecher und Schöpfkelle benötigte. Die kleinen zarten Silberbecher waren hingegen eher dem Genuss von Wein, Met (Honigwein) oder einem anderen Rauschtrank vorbehalten – das Brennen von Spirituosen war erst gegen 1100 bekannt –, wobei ihr geringes Fassungsvermögen nahelegt, dass sie nicht zum Durstlöschen, etwa an der Tafel, sondern eher zum symbolischen Trinken verwendet wurden. Wenn die Service annähernd vollständig erhalten sind, dann werden es kleine, etwa vier bis acht Personen umfassende Gruppen gewesen sein, die sie benutzten, und wenn es ein eher symbolisches Trinken war, dann handelte es sich um kultische, vielleicht religiöse Trinkgemeinschaften. Dabei wird der große (bei Lejre: massive) Becher entweder als Spendegefäß gedient haben, aus dem in die kleinen Becher eingefüllt wurde, oder aber einem Vorsitzenden dieser aus ansonsten gleich gestellten Genossen bestehenden Trinkgemeinschaft zugedacht gewesen sein. Diese kultischen Trinkgemeinschaften können heidnischreligösen Charakters gewesen sein, doch findet sich dafür in der altnordischen Überlieferung kein Beleg.
43 Trinkservice von Fejø, Lolland Das Service aus einem großen und 5 kleinen Bechern, von denen der kleinste stark zerstört war und nicht aufgelesen wurde, wurde in frisch gepflügter und geharkter Erde gefunden; die kleinen Becher lagen dabei in der karolingischen Pyxis. Die Pyxis weist zwar Beschädigungen vom Pflug auf, wurde aber bereits im Altertum mit eingenieteten Silberblechen geflickt. Silber, vergoldet, Nielloeinlagen; H. der Pyxis 9,8 cm; H. der Kleinbecher 2–3 cm Pyxis: fränkisch (Salzburg?), Ende 8. Jh.; Kleinbecher: skandinavisch, 10. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar C 1458 Wilson 1960; Wamers 1991 44 Schatz mit Trinkservice von Lejre, Seeland Das Depot (Grabfund?) enthielt den gegossenen, teilvergoldeten Silberbecher, dazu einen vielfach geflickten größeren (Dm. ca. 8 cm) Silberblechbecher, Fragmente eines Silberbechers mit vergoldeter Mammenstil-Verzierung am Rand, eine irische Silberschale mit Goldfiligran-Besatz, eine Perlenkette, einen Schleifstein, eine eigentümliche leicht gewölbte Silberscheibe sowie ein arabisches Kugelzonengewicht. „Hauptbecher“: Silber, vergoldet, Nielloeinlagen; H. 4,4 cm Südskandinavisch, 10. Jh. Nationalmuseet Kopenhagen, Inventar 11373 Skovmand 1942, 115; Wilson 1960, 158 f., 171 Abb. 13, 23a; Wamers 1991b, 23 ff. Abb. 8; Andersen 1993, 118 Abb. 106.
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Es ist vermutet worden (E. Wamers), dass es hierbei eher um gildenähnliche Gemeinschaften im Norden gehandelt haben könnte. Gilden waren im frühen Mittelalter die bedeutendsten Trink- und Speisegemeinschaften, freie „Einungen“ mit umfassenden religiösen, geselligen, sittlichen, privatrechtlichen und politischen Zielen. Wesentliche konstitutive Elemente der Gilden waren die Parität ihrer Mitglieder, die Bindung durch Eid mit interner Rechtsprechung sowie die Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten und vor allem an geselligen Trinkgelagen zur Einübung und Verfestigung des Zusammengehörigkeitsgefühls. Gilden gehen auf spätantike Sozialformen zurück und erlebten seit dem 8. Jahrhundert einen starken Aufschwung, was vor allem mit der Entwicklung des Fernhandels zusammenhängt. In England sind sie schon seit etwa 800 belegt, in Schweden erst für das 11. Jahrhundert; auf dem Kontinent gab es unter anderem Friesengilden. Wegen ihrer sozialen Eigendynamik wurden sie schon früh von der Zentralgewalt bekämpft. Gildenstatuten des 11. Jahrhun180
derts berichten über decani, Vorsitzende der Trinkgelage und Schiedsrichter der Gemeinschaften, die für Wein und andere Notwendigkeiten sorgen mussten. Auf dem Kontinent waren die Gilden ein bis wenige Dutzend Mitglieder stark; wie es im Norden aussah, etwa in den landsmannschaftlich gegliederten Händlervierteln der Fernhandelsplätze, ist unbekannt. Spiegeln diese im 10. Jahrhundert in Dänemark deponierten geheimnisvollen Trinkservice solche frühen Gilden wieder, etwa von friesischen oder einheimischen Fernhändlern? Aber warum wurden sie irgendwann im 10. Jahrhundert vergraben? Oder stecken doch irgendwelche heidnisch-religiösen Gruppen dahinter? Immerhin hat man bevorzugt exotische und magisch bebilderte Behältnisse als Hauptgefäße verwendet. Bezeichnend ist ferner, dass man für das „Service“ von Lejre – dessen beide erhaltenen Beibecher sehr alt waren – einen neuen Hauptbecher gegossen hat, der zwar formal die karolingischen Pyxiden imitierte, doch mit vier merkwürdigen Frau-Vogel-Mischwesen verziert ist, die mit einer Perlkette an das
Katalog 44
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Katalog 44
Gefäß stranguliert sind. Man wird dabei unwillkürlich an die Schwanenjungfrauen und andere zum Gestaltwandel – nach Genuss von Rauschmitteln – fähige Wesen der nordischen Mythologie erinnert. Auffallend ist auch, dass die drei bekannten „kultischen“ Trinkgefäße von königlichen Repräsentanzen kommen: Vejleby bei Fejø darf zu Recht als Sitz eines Kleinkönigs vermutet werden (S. 145 ff.), in Ribe saß ein königlicher Verwalter, und Lejre auf Seeland war nach Thietmar von Merseburgs Chronik der Sitz des sagenhaften Skjöldungengeschlechts und Hauptort des dänischen Reiches, wo die neunjährigen Tier- und Menschenopfer stattfanden. Diese dreifache Koinzidenz kann kaum zufällig sein; ein Zusammenhang zwischen diesen Trinkservicen und herrscherlicher – und damit verbunden – kultischer Zentralgewalt ist offenkundig. Die Übernahme kontinentaler Ritualgefäße und ihre Adaption im paganen Kontext, vielleicht sogar einen neuen Kult initiierend – fand erneut auf sozial höchster Ebene statt (Abb. 61). Wiederum war es das Medium Silber, über das die Vermittlung von sozialen und
religiösen Inhalten und Lebensformen des Kontinents in den Norden verlief. Vermutlich bedurfte es eines solch kostbaren, himmlischen Metalls als Katalysator für die Steigerung der Aufnahmebereitschaft im heidnischen Barbarikum. Am Ende dieses mehr als zweihundertjährigen Prozesses stand die Europäisierung des Nordens. Die Macht des Silbers hatte obsiegt. Literatur: Quellen: Rau 1968–1992; Ermoldus Nigellus Splendor imperii: von den Steinen 1965; Vierck 1981; Wamers 2003 Novus David: Elbern 1963; Fleckenstein 1965; Björkman 1965; Clot 1990; Schuhmacher-Wolfgarten 1994; Elbern 1997; Elm 1998; Krüger 2003; Oellers 2003; Katalog Aachen 2003; Elbern 2003 Stupor Danorum: Wamers 1994a; Wamers 2002 Die neue Währung: Malmer 1966; Hårdh 1976; Blackburn; Metcalf 1981; Hill, Metcalf 1984; Steuer 1987b; Hårdh 1996; Metcalf 1996; Wiechmann 1996; Malmer 2002; Steuer u.a. 2002; Moesgaard 2004; Wiechmann, im Druck Bootkammergrab: Müller-Wille 1976; Ellmers 1980; Wamers 1994a; Wamers 1995; Wamers 2002 Military look: Capelle 1968; Capelle 1974; Wamers 1981; Wamers 1985; Maixner 2003 Gral: Wilson 1960; Wamers 1991a; Wamers 1991b; Wamers 2005
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Abb. 61 Der skandinavische Zauber- und Kriegsgott Odin auf seinem achtbeinigen Ross Sleipnir in Walhalla einreitend, einen Trinkbecher hochhaltend. Ausschnitt vom Bildstein von Alskog, Gotland. 9. Jahrhundert (nach S. Lindqvist 1941/42)
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Abbildungsnachweis
Alinari, Florenz: Abbildung 26 Amt für Bau- und Kunstdenkmäler: Abbildung 5 Archimedix-GbR/Holger Grewe, 2002: Abbildung 56 Archäologisches Museum Frankfurt: Katalog 1, 2, 3, 5, 6, 9 (Fotos: Ursula Seitz-Gray) Bayerische Staatsbibliothek München: Abbildung 9 Bibliotheca Apostolica, Museo Sacro, Vatikan: Abbildung 35 Bibliothek des Metropolitankapitels, Prag: Abbildung 19 Bibliothèque municipale de Lyon: Abbildung 36 (Foto: Didier Nicole) Bibliothèque Nationale Paris: Umschlagmotiv, Abbildung 7, 8, 18, 25 (Foto: Bibliothek), 32 (Foto: Genevra Kornbluth) Bildarchiv Foto Marburg: Katalog 18, Abbildung 23 British Library London: Abbildung 6 Deutsches Historisches Museum Berlin: Katalog 15 Domkapitel Aachen: Abbildung 14, 52 (Fotos: Ann Münchow), Katalog 18 Dom-Museum Hildesheim: Katalog 17, 31, Abbildung 22 Elbern, V. H., Berlin: Abbildung 51, 53 Éditions Gallimard, Paris: Abbildung 37 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Katalog 13, 14, 27 Groninger Museum: Katalog 19; 35 (Foto: John Stoel); Abbildung 42 Hessisches Landesmuseum Darmstadt: Katalog 23 Istituto Poligrafico e Zecca dello Stato, Rom: Abbildung 1, 2, 4, 10, 11, 12, 33 Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Abt. Arch. Denkmalpflege, Mainz: Katalog 20 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Esslingen: Katalog 32 Landesmuseum Mainz: Katalog 16 (Fotos: Ursula Rudischer) Lunds Universitets Historiska Museum: Katalog 33 Moltke 1976: Abbildung 48 Moravské zemské muzeum Brno: Abbildung 29 Muzej Hrvatskih Arheoloskih Spomenika Split: Katalog 29
Museum Wiesbaden: Katalog 7 Národní Museum Praha: Katalog 12, 26, 39, 40 Nationalmuseet, Kopenhagen: Katalog: 28, 30 (Foto: Kitt Weiss); 34, 36a.1-2, 36d.3-4, 36e.1-4, 36f-h, 36i.1-5 (Fotos: John Lee); 36b.1-2, 36c, 36d.1-2 (Fotos: Jens Olsen); 41, 42 (Fotos: John Lee); 43; 44 (Foto: John Lee); 43; Abbildung 31, 44, 46, 54 Réunion des Musées Nationaux, Paris: Katalog 15 (Foto: J. G. Berizzi), 24, Abbildung 55 Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz: Katalog 4 (Foto: Volker Iserhardt); 11, 31 (Fotos: Sabine Steidl) Schilling, Henrik: Abbildung 45 Schilling, Keld: Abbildung 49 Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Schleswig: Katalog 38 Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett: Katalog 10, 21, 22; Abbildung 2, 50 Staatsbibliothek Bamberg: Abbildung 24 (HVG 1/30), 28 Stiftung Oldenburgischer Kulturbesitz: Katalog 25 Téreygeol, Florian: Abbildung 3 Tromsø Museum: Abbildung 40 (Inv. Nr. Ts 1649) The Prague Castle Archives, The Metropolitan Chapter Library, Prag: Abbildung 19 Universitetets Oldsaksamling, Oslo: Abbildung 20 (Foto: Mona Knudsen); 27 Wamers, Egon: Katalog 23 Württembergisches Landesbibliothek, Stuttgart: Abb. 13, 15, 16, 17, 21, 30 Württembergisches Landesmuseum Stuttgart: Katalog 8 Graphische Gestaltung aller Karten und folgender Abbildungen nach Vorlagen: Abbildung S. 2, 39, 41, 60 (nach E. Wamers), 38 (nach T. Capelle im Druck), 43 (nach H. Schilling), 47 (nach Skamby Madsen), 57 (nach Metcalf 1996 mit Ergänzungen), 58 (nach Müller-Wille 1976), 59 (nach Maixner 2003), 34, 58; Katalog 37: Eike Quednau.
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