Die Leistung an Erfullungs Statt (Datio in Solutum) (German Edition) 9783428035595, 3428035593


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German Pages 200 [201] Year 1976

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Die Leistung an Erfullungs Statt (Datio in Solutum) (German Edition)
 9783428035595, 3428035593

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MANFRED HARDER

Die Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum)

Berliner Juristische Abhandlungen unter Mitwirkung von

Walter G. Becker, Hermann Blei, Arwed Blomeyer, Erich Genzmer, Ernst Heinitz, Ernst E. Hirsch, Hermann Jahrreiß, Emil Kießling, Wolfgang Kunkel, Richard Lange, Walter Meder, Dietrich Oehler, Werner Ogris, Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Erwin Seidl, Karl Sieg, Klaus Stern, Wilhelm WengIer, Franz Wieacker, Hans Julius Wolff (Freiburg i. Br.)

herausgegeben von

UJrich von Lübtow

Band 29

Die Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum)

Von

Dr. Manfred Harder o. Professor an der Universitlt Malnz

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

© 1976 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Prlnted in Germany ISBN 3 428 03559 3

Meinem Lehrer Ulridl von Lübtow in dankbarer Verehrung gewidmet

"Diese Lehre gehört nach meiner Ansicht zu denen, die völlig umgeändert werden müssen." Franz Leonhard,

Allgemeines Schuldrecht des BGB, 1929, 593.

Vorwort "Selten zeigt sich die Notwendigkeit, das römische Recht nicht zu vergessen, so klar wie angesichts des § 365 bei der Lehre von der Hingabe an Erfüllungsstatt. Das Gesetz sagt: Wird eine Sache, eine Forderung gegen einen Dritten oder ein anderes Re'cht an Erfüllungs Statt gegeben, so hat der Schuldner wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der Sache in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten. Ein Beispiel: Statt der Geldschuld aus Darlehen leistet der Bauer dem Gläubiger eine Kuh. Wenn sie gestohlen oder krank war, steht er nach Kaufrecht ein. Der Gläubiger soll nicht einfach die Zahlung der Darlehensschuld verlangen, zu deren Tilgung der Gegenstand gegeben war. Der Rechtssatz beruht heute auf einem Mißverständnis der römischen Sätze, das sich in Windscheids Lehrbuch des Pandektenrechts eingeschlichen hatte. Das alte Recht der großen Juristen Roms lehnte den ganzen Gedanken ab, hier das Kaufrecht hineinzuziehen. Es ließ aus der älteren Forderung klagen, wenn die Ersatzerfüllung nicht die volle Erfüllung gewesen war. Auch nach justinianischem Recht ist immer die Klage aus dem alten Schuldrecht möglich, und die Folge der Regelung in § 365 BGB ist, daß wir heute bei der wissenschaftlichen Auslegung des § 364 die bedenklichen Folgen der Bestimmung ausschalten müssen, was auf verschiedenen Wegen geschehen kann. So verbindet sich das Eingehen auf die Entstehungsgesdlichte mit widltigen Fingerzeigen für die praktische Auslegung des Gesetzes." Dies schrieb vor mehr als einem halben Jahrhundert Joseph Partsch in seiner Studie .. Vom Beruf des römischen Rechts in der heutigen Universität" (1920, S. 31 f.). Die vorliegende Abhandlung will einen historisch-dogmatischen Weg zur Ausschaltung der bedenklichen Folgen des § 365 BGB beschreiten, dessen Verlauf hier nicht im voraus beschrieben werden soll. Lange Wegstrecken haben schon andere zurückgelegt. Ernst Stampe gebührt das Verdienst, bereits vier Jahre nach dem Inkrafttreten des BGB in seiner Schrift .. Das Causa-Problem des Civilrechts" maßgebende Wegweiser aufgestellt zu haben, an denen man sich heute noch orientieren muß. Im Jahre 1914 hat Hans Steiner in seiner Habilitationsschrift .. Datio in solutum" mit Hilfe der Interpolationenkritik den römischrechtlichen Zugang eröffnet, der vor kurzen durch Generoso Melillo (In solutum dare, Napoli, 1970) monographisch weiter ausgebaut wurde. Für den modernrechtlichen Verlauf der

Vorwort

8

Strecke findet man das Material - außer in manchen der zahlreichen Dissertationen - hier und da verstreut in Lehrbüchern, Kommentaren und Aufsätzen. Die einzige Monographie zum geltenden Recht von Wilhelm Berndorff (Die Annahme an Erfüllungsstatt) aus dem Jahre 1904 leidet an dem Mangel, daß in ihr Stampes Forschungsergebnisse noch keine Berücksichtigung finden konnten. Die Anregung zu dieser Arbeit, die im Wintersemester 1971/72 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Habilitationsschrift angenommen wurde, verdanke ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Ulrich von Lübtow. Er hat durch vielfältige Hinweise, die er mir gab, und durch zahlreiche Gespräche, die wir miteinander führten, die Abhandlung beständig gefördert. Hierfür und für die Aufnahme der Untersuchung in seine Abhandlungsreihe danke ich ihm herzlich. Mein besonderer Dank gilt Herrn Senator E.h. Dr. Johannes Broermann, der sich in höchst entgegenkommender Weise zur Drucklegung bereiterklärt hat. Mainz, im.November 1975 Manfred Harder

Inhaltsverzeichnis § 1. Tatbestände der Leistung an Erfüllungs Statt ......................

13

§ 2. Die Voraussetzungen der Leistung an Erfüllungs Statt............

17

1. Allgemeine Voraussetzungen. . ... .. .... .. ... ... ..... ... .. ...

17

11. Die übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers ................ 22 1. Die

übernahme erfüllungshalber aufgrund der Auslegungsregel des § 364 11 ................................ 22

2. Die übernahme an Erfüllungs Statt (§ 364 I) ............

25

§ 3. Die Rechtsfolgen der Leistung an Erfüllungs Statt ..................

29

1. Das Erlöschen des Schuldverhältnisses ......................

29

1. Der Begriff Schuldverhältnis ............................

29

2. Der Untergang von Sicherungsrechten und die Befreiung der Gesamtschuldner .................................... 30 3. Die Gründe für den Untergang der Forderung durch Leistung an Erfüllungs Statt. .. ... . .. ...... .. . .. ... ... .. . ... 31 11. Das Eingreifen der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche bei Leistung eines rechts- oder sachmangelhaften aliud .... 39 1. Die Haftung des Schuldners bei Leistung eines rechts-

mangelhaften aliud . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

39

2. Die Haftung des Schuldners bei Leistung eines sachmangelhaften aliud .......................................... 55 III. Die Rechtsfolgen der Leistung an Erfüllungs Statt durch einen Dritten .............................................. 58 IV. Die Rechtsfolgen der Leistung an Erfüllungs Statt bei einer sogenannten natürlichen Verbindlichkeit .................... 61

Inhaltsverzeichnis

10

§ 4. Die verschiedenen Ansichten zur rechtlichen Struktur der Leistung

an Erfüllungs Statt

.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

A. Die Beurteilung der Leistung an Erfüllungs Statt als eines kaufähnlichen Vertrages in Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Praxis

63

I. Die Auffassung von der kaufähnlichen Struktur der Leistung

an Erfüllungs Statt nach geltendem Recht ..................

63

H. Die Auffassungen von der kaufähnlichen Struktur der Leistungen an Erfüllungs Statt seit dem Gesetzgebungswerk Justinians bis zum Ende des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . .. 67 1. Das justinianische Recht " . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Die Glosse ............................................

69

3. Der mos Gallicus ......................................

70

4. Der Usus modernus ....................................

73

5. Das Bayerische Landrecht von 1756 (Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis) ...................................... 76 6. Die Kodifikationen des Vernunftrechts .................. a) Das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 ...... b) Der französische Code civil von 1804 ................ c) Das österreichische ABGB von 1811 ..................

76 76 78 80

7. Das Gemeine Recht des 19. Jahrhunderts.. .. ... ... .... ..

80

8. Das sächsische BGB von 1865 ..........................

82

9. Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1860 .................... ;....... 83 10. Der sogenannte Dresdner Entwurf von 1866 ............

84

11. Andere neuzeitliche Gesetze (Niederlande, Spanien, Brasilien, Schweiz, Italien, Portugal) ........................ 84 B. Historische und dogmatische Gründe gegen die kaufähnliche Beurteilung der Leistung an Erfüllungs Statt ....................

88

I. Kritik der vom justinianischen bis zum Gemeinen Recht

vertretenen Auffassungen. . .. ... .. ..... ... .. ...... ...... ...

88

H. Die rein solutorische Struktur der datio in solutum im klassischen römischen Recht ...................................... 93 IH. Dogmatische Gründe im geltenden Recht .................. 106

Inhaltsverzeichnis

c.

11

Die Beurteilung der Leistung an Erfüllungs Statt als eines Anderungsvertrages

...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 113

D. Die Beurteilung der Leistung an Erfüllungs Statt als eines gegen-

seitigen Vertrages .............................................. 117

E. Die Beurteilung der Leistung an Erfüllungs Statt als eines Real-

vertrages ...................................................... 119

F. Die Beurteilung der Leistung an Erfüllungs Statt als eines Vergleichs

........................................................ 124

G. Die Auffassung von Krawielicki ................................ 125

§ 5. Die rechtliche Struktur der Leistung an Erfüllungs Statt (Leistungs-

begriff, Zweckbestimmung und causa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 I. Der Begriff Leistung ...................................... 129 II. Der Inhalt der Zweckbestimmung "an Erfüllungs Statt" .... 132 III. Die causa, insbesondere das Verhältnis von Rechtsgrund und Zweckbestimmung, bei der Leistung an Erfüllungs Statt .... 141 IV. Kritik des herrschenden Leistungsbegriffs

167

V. Die Unterscheidung von Zwecksetzung und Zweckerreichung .................................................... 170 VI. Ergebnis

171

§ 6. Die Gebotsberichtigung des § 365 .................................. 173

Literaturverzeichnis

.................................................. 184

§ 1. Tatbestände der Leistung an Erfüllungs Statt Die Annahme einer anderen als der geschuldeten Leistung durch den Gläubiger an Erfüllungs Statt (datio in soZutum) spielt im modernen Rechtsverkehr eine bedeutende Rolle!. Die in Literatur! und Rechtsprechung 3 herrschende Meinung nimmt an, die täglich massenhaft voYkonnnenden überweisungen auf ein Girokonto zur Begleichung von G:eldschulden seien rechtlich nicht als Erfüllung (§ 362 I), sondern als Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 I) zu beurteilen 4 • Ebenso bildet die Hingabe eines Wechsels, wenn sie zur unmittelbaren Befriedigung des Gläubigers für dessen Grundforderung erfolgt, keine Erfüllung, sondern eine Leistung an Erfüllungs Statt, weil der Wechsel kein gesetzliches Zahlungsmittel und daher nicht die geschuldete Geldleistung ist5 • Daß die Wechselhingabe 'regelm:äßig freilich nicht zur sofortigen und Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, 175. Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929 (Neudruck 1974), 455 mit ....Literatur A. 2; Kaser, AcP 143; J937, 8; Nußbaum, Money in the law, 1950,~ 107; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951, 47, 127; vow.;Caemmerer, JZ 1953, 446,f.; A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht', 1969, §.38 111, S. 231; Reim,er Schmidt in Soergel/ Siebel'tlQ, 1967, Rdnr. 4 zu § 362;.- Esser, Schuldrecht .1', 1970, § 26 IV 2 a. E., S. 156; Mann, The legal aspect of money3, 1971, 6,A. 6, 7 A. 2; Ermanl H. P. Westermann 5 , 1972, Rdnr. 4 zu § 364; Fikents.cll.er, Schuldrecht4, 1973, § 39·1 3, S. 165; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, 1.974, Rdnr. 21 zu- § 362, Rdnrn. 3 und 8 zu § ~~64; Staudinger 1 Kaduk 10jll , 1974, Rdnrn. 30 und, 31 zu § 364; Palandt 1 Heimrichs 3', 1975, A. 1 b zu § 270, A. 3 zu § 362. 3 RGZ 134, 73 (76); OGaZ 4, 47,(49); ·BGH NJW 1953, 89'1 = JZ'1953; 469 = BGH LM Nr. 1 zu § 364 (mit -Anm. Pritsch); BßH NJW 1969, 320 (321). 1

%

Demgegenüber wird die Hingabe eines Schecks zur Tilgung einer Schuld als Leistung erfüllungshaiber (§ 364 II) angesehen; so BFH -NJW 1969, 1048. Dasselbe nimmt man bei der Hingabe 'eines Verrechnungss'checks an: BGHZ 44, 118 '(179); BFH a.a.O. mit weiteren Nachweisen. 4 Demgegenüber erblicken' F. Leonhard, Allgemeines $chuldrecht, 1929, 1I3~ Jsele, AcP 129, 1928, 129 ff.; Schoele, 'Recht der überweisung, 1937, 229, 240 ff.; Sim"itis, AcP 159, 1960/61, 449 mit weiteren Nachwe~sen A. 183: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts po, 1970, § 18 IV, S. 1$2; Medic,us, B,ürgerliChes RechtS, 1973, § 30 II 2, S. 323, 324, und Ermlln 1 1:1. P. Westermann 5 Rdnr. 8 zu § 362, in der überweisung'regelmäßig eine Erfüllung von Geldschulden im Sinne des § 362 I. Der BGH (NJW 1953, 897) meint: "Die Anri,ahme kann aber schon im voraus geklärt werden. In diesem Fall steht die Gutschrift der Barzahlung völlig gleich." Vgl. zu der Frage auch Bornemann, Zivilrecht im Querschnitt II (Zivilrechtliche Grundbegriffe I), 1970, 117 Rdnr. 0193. 5 Miller, Wechsel und Grundforderung, 1968, 90, der jedoch den Begriff datio in solutum nicht richtig versteht.

14

§ 1. Tatbestände

unmittelbaren Befriedigung6 des Gläubigers, sondern nur erfüllungshalber erfolgt7, ist dabei eine andere Frage. Schließlich stellt auch die Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens beim Kauf eines neuen Kraftfahrzeuges eine Leistung an Erfüllungs Statt dar 8• Zum praktischen Verständnis der auftauchenden Rechtsfragen sollen vier Beispiele an den Anfang gesetzt werdeno. Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 18. Januar 1967 10 folgenden Fall zu entscheiden: Fall I (Citroen-Fall): A betreibt einen Handel mit Kraftfahrzeugen. B bestellte mit schriftlichem "Kaufantrag" vom 30. November 1962 einen PKW Marke Citroen ID 19 Export Baujahr 1963 zum Preise von 10000 DM. In den "Zahlungsbedingungen" heißt es: "Citroen ID 19, Bj. 1960, km 87000 (Motor ca. 50000 km) unfallfrei wird mit 5000 DM in Zahlung genommen. Rest per Scheck bei übernahme." Dieses Fahrzeug hatte B am 8. Dezember 1960 von X für 6000 DM gebraucht gekauft.

e Auf die unmittelbare Befriedigung kommt es bei der datio in solutum entscheidend an (vgl. Motive 11, 82). Dazu unten S. 134 ff. Dadurch unterscheidet sie sich von der Leistung erfüllungshalber. 7 Protokolle I, 334; OLG Dresden SeuffArch 72 Nr. 96; Heck, 176f.; Kreß, 456; MiZZer, 90 fi. 8 OLG Karlsruhe NJW 1965, 111 (dazu Laufs, NJW 1965, 1232 f.); BGHZ 46, 338 (dazu Pfister, MDR 1968, 361 ff.; Dubischar, JZ 1969, 175 ff.; Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, 157); Erman/ H. P~ Westermann 5 , Rdnr. 4 a. E. zu § 364; Fikentscher, § 39 I 1, S. 163; Esser, § 26 VII 2, S. 164; Palandt / Heinrichs 34, A. 1 zu § 364. Abweichend Krüger, Die Vereinbarung der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens beim Erwerb eines neuen Kraftfahrzeuges, Diss. München 1968, 34 f., der die Leistung an Erfüllungs Statt als Realvertrag ansieht und deShalb nur - in dem seltenen Falle -eine datio in solutum annehmen will, in dem sich der Händler unmittelbar durch die Entgegennahme des Gebrauchtwagens zur Inzahlungnahme bereiterklärt (47 A. 139). VgI. ferner OLG Augsburg SeuffArch 64, 221 f.; KG OLG 40, 289 f.; OLG Hamburg BB 1963, 165; OLG Hamburg MDR 1971, 134 f.; OLG Frankfurt WM 1970, 370; RFH RStBI. 35, 862; Krüger, 13 A. 31. Nach Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Wo, 1972, § 63 11, S. 347 ff. (348) stellt der Kauf eines Neuwagens mit Vereinbarung der Inzahlungnahme des Altwagens einen typengemis'chten Vertrag dar, dem neben den Elementen eines Kaufvertrages ein Element des Tausches eigen ist. Zustimmend Medicus, § 30 11 1, S. 323, und (obiter dictum) OLG Köln DAR 1973, 326. OLG Hamm NJW 1975, 1520 (1521); äußert Bedenken an BGHZ 46, 338 ff.,und meint, die Durchführung des Neuwagengeschäfts sei Geschäftsgrundlage für das Altwagengeschäft. Zur Leistung an Erfüllungs Statt beim Kauf eines Gebrauchtwagens unter Inzahlunggabe eines anderen Gebrauchtwagens jetzt OLG Frankfurt NJW 1974, 1823 f., mit Anm. von Emmerich, JuS 1975, 120 f. Siehe auch unten bei A. 486 und 487 sowie OLG Hamm NJW 1976, 53 f. (mit Anm. Medicus). a Weitere anschauliche Beispiele gibt Höhn, Allgemeines Schuldrecht, 1934, 167 -171. 10 BGHZ 46, 338 ff. = LM Nr. 26 zu § 433 (mit Anm. Braxmaier) = JZ 1967, 254 = MDR 1967, 486 = NJW 1967, 553 (auszugsweise abgedruckt bei Lüderitz / von Marschall, Fälle und Texte zum Schuldrecht3 , 1970, 61 f.). Dazu jetzt Mayer-Maly, Festschrift für Larenz, 1973, 673 ff.

§ 1. Tatbestände

15

Am 13. Dezember 1962 erhält B den neuen Wagen und übergibt gleichzeitig A sein altes Fahrzeug. Drei Tage später stellt sich heraus, daß der in Zahlung genommene PKW im August 1960 einen Totalschaden gehabt hatte und anschließend zum Schrottpreis verkauft worden war. A erklärt daraufhin am 10. Januar 1963 die Wandlung hinsichtlich des. Gebrauchtwagens und verlangt Zahlung von 5000 DM Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW. B lehnt die Zahlung ab. Auch im akademischen Unterricht und im Staatsexamen werden Aufgaben zur Leistung an Erfüllungs Statt gestellt. So hat Martin Wolff in seinen zusammen mit Theodor Kipp herausgegebenen "Zivilrechtsfällen"ll den folgenden Fall gebildet: Fall II (Schreibmaschinen-Fall 1): Ein Darlehen von 200 RM, das der Landwirt E. Busch bei dem KreditvereiIi in Rangsdorf aufgenommen hat, ist fällig. Busch ist in Geldverlegenheit, und auch der Bürge Hallermann, Buschs Schwager, kann im Augenblick nicht zahlen. Da der Kreditverein nicht prolongieren will, wendet sich E. Buschs Bruder Karl,der in der benachbarten Kreisstadt mit Fahrrädern, landwirtschaftlichen Maschinen u. a. einen kleinen Handel betreibt, an den ihm gut bekannten Vorsteher des Kreditvereins und erzählt ihm, daß er kürzlich eine gebrauchte, aber noch sehr gut erhaltene Schreibmaschine billig erworben habe; er sei bereit, sie dem Verein gratis zu überlassen, wenn damit die Schuld seines Bruders erledigt sei. Der Vorsteher antwortet, daß er für den Verein eine Schreibmaschine gut gebrauchen könne; und nach Besichtigung werden die beiden einig; der Verein nimmt die Maschine, und damit ist die Schuld des Landwirts getilgt.

Karl Busch hatte die Maschine von einem Händler erworben, ohne zu wissen, daß sie gestohlen war und daß der Verkäufer der Hehler war. Jetzt meldet sich der Bestohlene, und der Kreditverein muß ihm die Maschine wieder herausgeben. Der Vorsteher kauft nun anderweit eine andere (etwa gleichwertige) Schreibmaschine, muß aber dafür 300 RM zahlen. Er klagt namens des Vereins gegen die beiden Brüder Busch und Hallermann mit dem Antrage, sie solidarisch zur Zahlung von 200 RM (nebst Zinsen) zu verurteilen, und gegen Karl Busch auch mit dem Antrage, ihn zur Zahlung von weiteren 100 RM Schadensersatz zu verurteilen. Das Justizprüfungsamt Hamm gab im Herbst 1958 die folgende Examensklausur 12 : Fall III (Schreibmaschinen-FalZ 2): S schuldet G aus einem Darlehen

100 DM. Hierfür hatte B formgere'cht Bürgschaft geleistet. Da S den Betrag

bei Fälligkeit nicht zurückzahlen konnte, gab er dem G mit dessen Einverständnis eine gebrauchte Schreibmaschine an Erfüllungs Statt. Später stellte sich heraus, daß die Schreibmaschine dem E gestohlen war. S hatte sie von H, an den sie der Dieb verkauft hatte, ohne Kenntnis des wahren Sachverhalts für 80 DM erworben. Auf Verlangen des E gab G die Maschine an diesen heraus. Kann G gegen S und den Bürgen B Ansprüche erheben?

11 1!

2. Auflage, 1928, Nr. 110, S. 67 f. Studium und Praxis (StuP) 1959, 172.

16

§ 1.

Ta~J:>.estänpe

Am bekanntesten jedoch ist das berühmte Beispiel von Stampe, das er seiner Schrift über "Das Causa-Problem des Civilrechts"13 voranstellte14 : Fall IV (Gemälde-Fall): Die Stadt S plant die Errichtung einer Gemäldegalerie zum 1. Oktober. Die Einwohner werden um entsprechende Zuwendungen angegangen. Der Privatier P verspricht notariell im April die schenkweise überlassung einer in seiner Sammlung befindlichen norwegischen Landschaft von Hans Dahl zu Ende September. Späterhin, etwa im August, vereinbart P mit der Gegenpartei mündlich, daß es ihm freistehen solle, wenn er wolle, statt des Dahl'schen Bildes ein ebenfalls in seinem Besitz befindliches Seestück von Achenbach zu leisten. P leistet Ende September den Achenbach.

Demnächst nimmt E das Eigentum beider Bilder in Anspruch. Es erweist sich, daß sie vor einigen Jahren dem E gestohlen, dann durch mehrere Hände gegangen und schließlich von P gutgläubig angekauft sind. Nunmehr macht die Stadt S den P wegen Rechtsmangels haftbar.

Greifswald 1904, 7 f. Denselben Fall besprach ein Jahr später Peter Klein, Hess. Rspr. 1905, 55 f. Siehe auch H. Gerlach, Wesen und Wirken der Hingabe an Erfüllungs Statt, Diss. Göttingen 1933, 61 f.; Rampe, Haftung für Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1933, 26 f. 13 14

§ 2. Die Voraussetzungen der Leistung an Erfüllungs Statt I. Allgemeine Voraussetzungen Die Leistung an Erfüllungs Statt ist in den §§ 364 und 365 15 geregelt. Die Vorschriften lauten: § 364

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs Statt annimmt. (II) übernimmt der Schuldner zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß er die Verbindlichkeit an Erfüllungs Statt übernimmt. § 365

Wird eine Sache, eine Forderung gegen einen Dritten oder ein anderes Recht an Erfüllungs Statt gegeben, so hat der Schuldner wegen eines Mangels im Re'chte oder wegen eines Mangels der Sache in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten. Eine Definition der Leistung an Erfüllungs Statt ist damit nicht gegeben l6 . Abgesehen von § 365, der bei Rechts- und Sachmängeln des aliud die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften eingreifen läßt, kann man dem Wortlaut des Gesetzes nichts über die rechtliche Struktur dieses Vorgangs entnehmen. Nur soviel steht zunächst fest, daß eine Leistung an Erfüllungs Statt vorliegt, wenn der Schuldner zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers 17 einen anderen Gegenstand leistet und der Gläubiger dieses aliud an Erfüllungs Statt annimmt. Der Vorgang ist also ein Vertrag l8 , 19. Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes beziehen sich auf das BGB. V gl. die kritischen Bemerkungen zur Fassung des § 364 I bei Heck, 176 f. 17 Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des § 364 I ist aus § 364 II zu ergänzen. Dazu Näheres unten S. 134 ff. 18 Motive II, 82; Georg Cohn, Endemanns Handbuch III, 1885, 1078; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts II, 1902, 262; Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts 19, 1903, 804; Berndorff, Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 8; P. Kretschmar, Die Erfüllung I, 1906, 33, 42; Otto von Gierke, Deutsches Privatrecht III, 1917, 153; F. Leonhard, 593; Henle, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II (Schuldrecht), 1934, 668; Siber, Schuldrecht, 1931, 122; Planck / Siber4, A. 1 zu § 364; Titze, Bürgerliches Recht. Recht der Schuldverhältnisse4, 1948, 85; Enneccerus / Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse15 , 1958, § 65, S. 263; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 1 zu § 364; Reimer Schmidt in Soergel / Sieberpo, Rdnr. 1 zu § 364; Larenz, Lehrbuch 15

16

2 Harder

18

§ 2. Voraussetzungen

Die Leistung an Erfüllungs Statt setzt voraus, daß überhaupt zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger ein Schuldverhältnis besteht 20 , mag es rechtsgeschäftlich begründet sein, mag es auf Gesetz beruhen2 t, mag es auf Erfüllung, mag es auf Schadensersatz gerichtet sein. Fehlt ein zugrundeliegendes Schuldverhältnis, so kann das geleistete aliud des Schuldrechts po, 1970, § 18 IV, S. 181; Esser, Schuldre'cht2, 1960, § 72.3, S. 306; Schuld recht 14 , 1970, § 26 VII 2, S. 162; Fikentscher, § 39 I 1, S. 163; Staudinger / Kaduk IO/ lI , Rdnr. 6 zu § 364; Reinhold Weber in BGB - RGRKI2, Rdnr. 1 zu § 364; Palandt / Heinrichs 34, A. 1 zu § 364; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung II 1, 1951, 79, 81; Melcher, Gegensatz des Rechtscharakters der Leistung an Erfüllungsstatt und der Leistung Erfüllungshalber, Diss. Leipzig 1903, 13 ff.; Rudolf Hartmann, Annahme an Erfüllungsstatt nach dem Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. Leipzig 1905, 7 ff.; Herbert Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt, Diss. Marburg 1928, 23 ff.; H. Gerlach, 2, 6; Sonnekalb, Hat der Gläubiger unter Umständen eine andere als die geschuldete Leistung als Erfüllung anzunehmen?, Diss. Jena 1939, 15 ff. Das Erfordernis einverständlicher Annahme an Erfüllungs Statt wird ausdrücklich - wenn auch negativ formuliert - ausgesprochen in Art. 1243 Code Civil: "Le creancier ne peut etre contraint de recevoir une autre chose que celle qui lui est due, quoique la valeur de la chose offerte soit egale ou meme plus grande." Ebenso bestimmt § 1413 des österreichischen ABGB: "Gegen seinen Willen kann weder der Gläubiger gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat, noch der Schuldner, etwas anderes zu leisten, als er zu leisten verbunden ist." Auch § 694 des BGB für das Königreich Sachsen von 1865 sah vor: "Weder der Berechtigte kann ohne Einwilligung des Verpflichteten etwas Anderes fordern, als was Gegenstand der Forderung ist, no'ch der Verpflichtete sich ohne Einwilligung des Berechtigten durch Leistung eines anderen Gegenstandes seiner Verbindlichkeit entledigen." Eine Zusammenstellung der Quellen gibt Gruchot, Die Lehre von der Zahlung der Geldschuld, 1871, 68 ff. 19 Neuerdings vertritt Bornemann, 81 f., Rdnr. 0119, den Standpunkt, die Berechtigung zur Leistung an Erfüllungs Statt sei "eine echte Befugnis, die kraft einseitigen Rechtsgeschäfts erteilt wird"; es komme "in diesem Zusammenhang also zu keinem besonderen Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner". Das hätte, worauf Bornemann (Beispiel 140) hinweist, zur Folge, daß etwa ein Minderjähriger im Einverständnis des Gläubigers eine Schadensersatzschuld an Erfüllungs Statt "abarbeiten" (Realakt) könne, ohne daß zum Eintritt der Tilgungswirkung die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich wäre. Bornemann übersieht, daß die Rechtsfolge des § 364 I - auch bei Realakten - erst eintritt, wenn der Schuldner die rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben hat, die aliud-Leistung solle zum Zweck der Befriedigung des Gläubigers erfolgen (Zwecksetzung), und der Gläubiger die Erklärung annimmt (siehe oben S. 17). Bei Minderjährigen ist deshalb stets die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nötig (Siber, Schuldrecht, 1931, 122). Vgl. auch Larenz, § 18 IV, S. 181; Endemann, 804 A. 4. Zu den §§ 825, 835 ZPO siehe Herbert Hartmann, 34 ff. 20 Georg Cohn, 1077; Crome, 262; Fehr, über die Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902, 3 f.; Fürstenau, Die Leistung an Erfüllungsstatt nach bürgerlichem Recht, Diss. Königsberg 1923, 3; Herbert Hartmann, 17 ff.; F. Leonhard, 596; H. Gerlach, 17.

21 Es genügt, daß eine sog. natürliche Verbindlichkeit vorliegt (dazu unten S. 61 f.); denn eine solche ist zwar nicht zwangsweise durchsetzbar, wohl aber erfüllbar. Vgl. Fehr, 3 f.; H. Gerlach, 18. Zur Leistung an Erfüllungs Statt auf eine wegen Formmangels ungültige, aber heilbare Verpflichtung (§§ 518,766) siehe Herbert Hartmann, 19 ff.

I. Allgemeine Voraussetzungen

19

als ungerechtfertigte Bereicherung im Wege der Rückübereignung oder Rückabtretung herausverlangt werden22 • Die Hingabe eines aliud durch den Schuldner und die Annahme durch den Gläubiger an Erfüllungs Statt sind immer zulässig, falls das Gesetz sie nicht ausdrücklich verbietet - wie etwa in den §§ 1149, 1229 BGB, 115 I Gew0 23 - oder wie etwa in § 54 III 1 AktG oder in § 5 IV GmbHG - beschränkt. Da die Leistung an Erfüllungs Statt - wie soeben bemerkt - einen Vertrag darstellt, gelten für ihre Wirksamkeit die allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen und Verträge. Sie ist regelmäßig formfrei 24 und kann daher auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) zustandekommen25 • Ist die Leistung an Erfüllungs Statt wegen Gesetzesverstoßes (§ 134) oder wegen Sittenwidrigkeit (§ 138) oder deswegen nichtig, weil sie von einem Geschäftsunfähigen (§ 105) oder einem beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgenommen wurde, so tritt die Rechtsfolge des § 364 I nicht ein: Die Forderung aus dem bisherigen Schuldverhältnis bleibt bestehen26 , und der Gläubiger kann Leistung des alten Gegenstandes verlangen. Das gilt insbesondere, wenn die Leistung an Erfüllungs Statt wegen Wuchers (§ 138 II) nichtig ist, was bei Geschäften dieser Art häufig vorkommen kann27 • War die Leistung an Erfüllung Statt durch Irrtum, Täuschung oder Drohung beeinflußt, so kann die zunächst einmal eingetretene Tilgungswirkung durch Anfechtung (§§ 119, 123) mit rückwirkender Kraft (§ 142 I) beseitigt werden28 • So ist zum Beispiel die Willenserklärung des Gläubigers wegen Inhaltsirrtums (§ 119 I 1. Fall) anfechtbar, wenn der Gläubiger bei der Annahme des aliud nicht gewußt hat, daß er etwas anderes zu fordern berechtigt war29 • Die durch die anfechtbare 22 F. Leonhard, 596; H. Gerlach, 18; Alexander, Datio in solutum und compensatio voluntaria, Diss. Leipzig 1908, 12 f. Siehe dazu auch unten S. 171. 23 Dazu Georg Cohn, 1077 mit A. 12 - 15; Crome, 262 A. 3; Endemann, 805

A. 5.

Mit den üblichen Ausnahmen, z. B. übernahme einer abstrakten Pflicht übereignung eines Grundstücks (§ 925). Siehe Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 2 zu § 364. 25 Georg Cohn, 1078; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 2 zu § 364; Staudinger / Kaduk lO / Il , Rdnr. 12 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 1 zu § 364. 26 Dernburg / Engelmann, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens II 1 (Die Schuldverhältnisse)4, 1909, 326; Crome, 262 mit A. 4; Schollmeyer, A. 1 zu § 364; Otto von Gierke, 154; van Koolwyk, Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902,30 ff.; Planck / Siber4, A. 1 zu § 364. 24

(§§ 780, 781),

27 28 29

229. 2·

Dernburg / Engelmann, 326. Schollmeyer, A. 1 zu § 364; Otto von Gierke, 154. Crome, 262 A. 3. Zur Anwendbarkeit des § 119 II siehe unten S. 55 Anm.

20

§ 2. Voraussetzungen

Leistung an Erfüllungs Statt getilgte Urforderung wird im Falle der Anfechtung für die Zukunft rechtlich so behandelt, als sei sie niemals erloschen30 • Auch in diesem Fall erwirbt dann der Gläubiger wieder das Recht, Leistung des ursprünglichen Schuldgegenstandes zu verlangen. Die Leistung des aZiud kann nicht nur vom Schuldner selbst oder seinem Stellvertreter (§ 164 I), sondern auch von einem Dritten nach § 267 vorgenommen werden31 • Dasselbe gilt auf der Gläubigerseite, wo außer dem Gläubiger selbst oder seinem Vertreter 32 auch einem Dritten ein aZiud an Erfüllungs Statt geleistet werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 185 erfüllt sind33 ; denn § 362 II findet auch auf die Leistung eines anderen als des geschuldeten Gegenstandes Anwendung 34 • Ebenso wie es unerheblich ist, auf welchen Leistungsgegenstand sich das zu erfüllende Schuldverhältnis bezieht, so beliebig ist die Art des aZiud, das an Erfüllungs Statt geleistet wird 35 • Das Gesetz selbst spricht im § 364 I zunächst allgemein von "einer anderen als der geschuldeten Leistung", erwähnt sodann im § 364 II die Übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner gegenüber dem Gläubiger und zählt im § 365 als mögliche Gegenstände einer Leistung an Erfüllungs Statt beispielsweise auf "eine Sache, eine Forderung gegen einen Dritten oder ein anderes Recht". Dieser Katalog ist allerdings nicht erschöpfend. Es kann sich bei dem aZiud um Rechte an Sachen (Eigentum, beschränkte dingliche Rechte), um Forderungen gegen den Schuldner selbst (§ 364 II) oder einen Dritten sowie um Leistungen handeln, die in einer bloßen Handlung (Realakt) bestehen36 • So werden beispiels30 Zu dieser Auflösung einer Rückwirkungsfiktion - § 142 I stellt eine solche dar - siehe von Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, 14 mit A. 29. 31 Dazu unten S. 58 ff. 32 Nach KG OLG 8, 32 f., ist dem Vertreter freilich nicht erlaubt, sich im Wege des Selbstkontrahierens durch Leistung an Erfüllungs Statt zu befriedigen, weil ein solches Rechtsgeschäft nicht ausschließlich in Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolge (§ 181). Zustimmend Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II 1, 1906, 190; Palandt / Heinrichs 34, A. 4 b zu § 181; Erman I H. P. Westermanns, Rdnr. 19 zu § 181; Staudinger / Coing l1 , Rdnr. 20 zu § 181; Herbert Hartmann, 41.

33 Abweichend Crome, 262, der "selbstredend nur den Gläubiger resp. dessen Stellvertreter" zur Annahme an Erfüllungs Statt für berechtigt hält. 34 Planck / Siber\ A. 1 a. E. zu § 364. Hierzu und zur Leistung des aliud an einen solutionis causa adiectus ausführlich Kreß, 457 ff. mit A. 9. 35 SchoHmeyer, A. 3 zu § 364; Dernburg / Engelmann, 325; Heck, 175,

177; Titze, 85; Enneccerus / Lehmann, § 65.3, S. 264; Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 4 zu § 364; Staudinger / Kaduk lO / I1 , Rdnrn. 17 - 32 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 3 zu § 364; Fehr, 9 f.; H. Gerlach, 18; Herbert Hartmann, 22 f. 30 Motive II, 82; von Kübel, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich I, 1882, 10; Dernburg / Engelmann, 325; Crome, 262; Endemann, 805; Planck / Siber4, A. 2 zu § 364; Fürstenau, 21; Kreß, 454; F.

I. Allgemeine Voraussetzungen

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weise häufig Briefmarken anstelle einer Geldschuld angenommen, oder ein wenig zahlungskräftiger Mieter gibt für den schuldigen Mietzins den Kindern des Vermieters Nachhilfeunterricht37 • Der Schuldner kann schließlich auch eine Schuld des Gläubigers an Erfüllungs Statt erfüllen (§ 267) oder übernehmen (§§414 ff.)ss. Ist ein an Erfüllungs Statt geleisteter Gegenstand mehr wert als die ursprüngliche Forderung, so kann vereinbart werden, daß der Schuldner eine Vergütung in Höhe des überschusses erhälts9 . Es kommt natürlich stets darauf an, daß der geleistete Gegenstand so von dem geschuldeten abweicht, daß man ihn als einen "anderen", als ein aLiud, bezeichnen kann40 • Eine bloße Schlechterfüllung, das heißt Leistung des geschuldeten, lediglich in irgendeiner Form mangelhaften Gegenstandes, führt niemals zur Leistung an Erfüllung Statt41 . Es muß sich um einen Gegenstand handeln, auf den der Gläubiger kein obligationsmäßiges Recht hat und den der Schuldner, da der Gegenstand weder in obLigatione noch in solutione ist, dem Gläubiger nicht aufdrängen kann42 • Zur Anwendbarkeit des § 364 I ist erforderlich, daß man sich über den ursprünglich geschuldeten Gegenstand - notfalls im Wege der Auslegung - klar geworden ist, um erkennen zu können, ob der tatsächlich Leonhard, 597; Oertmann 5 , A. 2 zu § 364; Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 4 zu § 364; Staudinger / Kaduk 10/11 , Rdnrn. 18, 21, 32 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRKI2, Rdnr. 3 zu § 364. Georg Cohn, 1078 mit A. 17, weist

zutreffend darauf hin, daß der Erlaß der ursprünglichen Forderung keine Leistung an Erfüllungs Statt darstellt; unrichtig daher Kreß, 455. 37 Beispiele von Endemann, 805. Siehe auch das Beispiel 137 bei Bornemann, 80, Rdnr. 0116. Ferner Staudinger / Kaduk 10!11, Rdnr. 32 zu § 364. 38 Kreß, 454 mit A. 1. 3D RGZ 92, 101 (104); Raape, Verfallklausel bei Pfand- und Sicherungsübereignung, 1913, 16 ff.; Enneccerus / Lehmann, § 65.6, S. 263 A. 1; Oertmann 5 , A. 2 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 3 zu § 364. Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 5 zu § 364 und Staudinger / Kaduk 10/11 , Rdnr. 19 zu § 364, meinen - freilich ohne Begründung -, dann liege ein Kauf oder eine Hingabe erfüllungshalber näher. Um eine Warenlieferung unter "Verre'chnung" auf Darlehenszinsen geht es im BGH BB 1971, 849 (850). 40 Berndorff, 17 ff.; Otto von Gierke, 153 A. 48; F. Leonhard, 599; H. Gerlach, 3 ff.; Alexander, 19. Dies ist vor allem bedeutsam für die Anwendbarkeit des § 30 Nr. 2 KO. Vgl. Dernburg / Engelmann, 325 A. 3. - über die Anfechtbarkeit der datio in solutum wegen Gläubigerbenachteiligung Struckmann, JherJahrb. 12, 1873, 277 ff.; Otto Fischer, Anwendbarkeit der Actio Pauliana auf Zahlung, Hingabe an Zahlungsstatt und Pfandbestellung, Diss. Marburg 1875, 37 ff.; Hennig, Die Anfechtbarkeit der Datio in solutum nach gemeinem und deutschem Reichsrecht, Diss. Breslau 1897. 41 Zum Unterschied von Schlechterfüllung und aliud-Lieferung beim Kauf siehe Fabricius, JuS 1964, 1 ff., 46 ff.; Schnorr von Carolsfeld, Festgabe für Ulrich von Lübtow, 1970, 667 ff. 42 So Motive H, 82.

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§ 2. Voraussetzungen

geleistete Gegenstand ein anderer ist als der geschuldete 43 • Wird zum Beispiel in einem Kaufvertrag ein Kaufpreis in Geld festgesetzt und bei Vertrags schluß in Anrechnung hierauf eine Belastung vom Käufer übernommen oder bei Grundstücken die Eintragung einer Grundschuld vereinbart, so läßt sich der Vertrag nicht in der Weise zerlegen, daß zunächst - etwa für die Dauer einer "logischen Sekunde" - in Höhe des Gesamtpreises die Entstehung einer Geldforderung und dann erst anstelle dieser geschuldeten Leistung die Annahme einer anderen verabredet worden sein soll. Vielmehr ist eine solche übernahme von Belastungen in der Regel44 so zu verstehen, daß die übernahme selbst die vertraglich geschuldete Leistung oder ein Teil davon darstellt. Insoweit soll nach dem Parteiwillen von Anfang an gar keine Geldforderung des Verkäufers entstehen45 • Eine besondere Regelung hat das Gesetz für den Fall getroffen, daß der Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit übernimmt. 11. Die "übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers 1. Die übernahme erfüllungshalber aufgrund der Auslegungsregel des § 364 II

Geht der Schuldner zum Zweck der Befriedigung des Gläubigers diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit ein, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß er sie an Erfüllungs Statt übernimmt (§ 364 II)46. (3 Dazu ausführlich Herbert Hartmann, 10 ff. Eine geringfügige Abweichung des aliud von dem geschuldeten Gegenstand kann genügen (Heck, 177; H. Gerlach, 5). U Im Wege der Vertragsauslegung kann man natürlich zu einer anderen Beurteilung gelangen (RGZ 121, 38 [41]; Enneccerus / Lehmann, § 65.4, S. 265). 45 RGZ 120, 166 (169); 121, 38 (41); BGH WM 1961, 505; Enneccerus / Lehmann, § 65.4, S. 265; Reimer Schmidt in Soergel / Sieberpo, Rdnr.8 zu § 364. Zu dieser Frage aUch Reinhold Weber in BGB-RGRK!2, Rdnr. 7 a. E. zu § 364 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 6 zu § 364; Rudolf Hartmann, 4; Leenen, 160; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Ipo, 1972, § 63 II, S. 347 ff. (speziell zum Kauf eines Neuwagens unter Inzahlungnahme des alten Wagens); dogmengeschichtlich Mayer-Maly, Festschrift für Larenz, 1973, 673 ff. 48 Zur Leistung erfüllungs halber G. Müller, Seufferts Blätter für Rechtsanwendung 70, 1905, 553 ff.; Schollmeyer, A. 4 zu § 364; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts II, 1902, 264 ff.; Schöninger, Die Leistungsgeschäfte des Bürgerlichen Rechts, 1906, 272 f., 302 ff.; Planck / Siber4 , A. 2 zu § 364 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, 177; Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929, 460 ff.; Oertmann 5 , A. 3 a zu § 364; Höhn, Allgemeines Schuldrecht, 1934, 168; Enneccerus / Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse!5, 1958, § 65.3 und 4, S. 264 f.; Brox, Allgemeines Schuldrecht3, 1972, 173 f., Rdnr. 313; Larenz, Lehrbuch des

II. übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner

23

Obwohl die Eingehung dieser neuen Verbindlichkeit ein aliud gegenüber der bisher geschuldeten Leistung darstellt und obwohl der Schuldner diese neue Pflicht gerade "zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers" eingeht4 7, läßt das Gesetz im Gegensatz zu § 364 I die bisherige Forderung dadurch nicht erlöschen. Daraus folgt zwingend, daß die bloße Befriedigungsabsicht des Schuldners und das Einverständnis des Gläubigers mit dem neuen Forderungserwerb zum Eintritt der Tilgungswirkung nicht ausreichen. Es muß vielmehr zu einer wirklichen Befriedigung des Gläubigers gekommen sein. Das ist aber - im Gegensatz zum Erwerb des Eigentums an einer Sache - hier erst der Fall, wenn die neue Forderung beigetrieben worden ist. Nach Auffassung des Reichsgerichts 48 ist der Unterschied "in der Natur der Sache begründet". Es meint: Im Falle der Leistung an Erfüllungs Statt gebe der Gläubiger sein bisheriges Recht endgültig auf; die bisherige Schuld erlösche; als Ersatz dafür erhalte er "die Gegenleistung an dem an Erfüllungsstatt hingegebenen Gegenstande" und wegen eines Rechts- oder Sachmangels den Gewährleistungsanspruch (§ 365). Die Leistung erfüllungs halber dagegen habe ein Erlöschen der bisherigen Forderung "nicht ohne weiteres" zur Folge. Durch sie erhalte der Gläubiger ein Mittel, sich aus dem aliud (etwa einer abgetretenen Forderung) Befriedigung zu verschaffen 49 • Es trete allerdings eine Vertragsänderung ein, weil der Gläubiger verpflichtet werde, zunächst aus der abgetretenen Forderung Befriedigung zu suchen. Erst wenn dies gelungen sei, erlösche das bisherige Schuldverhältnis 5o • Falls die Eintreibung mißlinge, stehe es dem Gläubiger frei, Schuldrechts po, 1970, 182; Fikentseher, Schuldrecht4, 1973, § 39 I 2, S. 164; Bornemann, Zivilrecht im Querschnitt II (Zivilrechtliche Grundbegriffe I), 1970, 83 ff.; Reimer Sehmidt in Soergel! Sieberpo, Rdnrn. 4 - 6 zu § 364; Erman! H. P. Westermann 5 , Rdnrn. 10 ff. zu § 364; Staudinger ! Kaduk 'O / 11 , Rdnrn. 33 - 52 zu § 364; Reinhotd Weber in BGB-RGRK12, Rdnrn. 9 - 12 zu § 364; Patandt! Heinriehs 34, A. 4a und b zu § 364; Meleher, Gegensatz des Re'chtscharakters der Leistung an Erfüllungsstatt und der Leistung Erfüllungshalber, Diss. Leipzig 1903, 42 ff.; Fehr, Die Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902, 21 f.; Herbert Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt, Diss. Marburg 1928, 74 ff.; H. Gertaeh, WeSen und Wirken' der Hingabe an Erfüllungs Statt, Diss. Göttingen 1933, 39 ff.; Boßhard, Die Abtretung zahlungshalber und an Zahlungs Statt, Diss. Zürich 1926. 47 Darin liegt kein Widerspruch zur Rechtsfolge des § 364 II (Berndorff, Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 41 A. 4 [So 42]; Oertmann5 , A. 3 a zu § 364). 48 RGZ 65, 79 (81). Insoweit auch abgedruckt bei Lüderitz ! von MarsehaH, Fälle und Texte zum Schuldrecht3, 1970, 64. 49 Ein interessantes Beispiel gibt Dernburg! Engelmann, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens II 14, 1909, 325 A. 4 (Abtretung des Anspruchs aus einem Lebensversicherungsvertrag). 50 Enneeeerus! Lehmann, § 65.4, S. 265 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung in A. 7.

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§ 2. Voraussetzungen

die Forderung aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis geltend zu machen. Im Falle des § 364 II nimmt der Gläubiger die neue Verpflichtung des Schuldners eben nur "zur Einziehung" an, was bei § 835 ZPO von Bedeutung ist51 • Hat zum Beispiel der Verkäufer zum Zwecke seiner Befriedigung vom Käufer einen Wechsel entgegengenommen, so bleibt neben der neuen Wechselforderung die alte Kaufpreisforderung bestehen52 • "Zum Zwecke der Befriedigung" heißt hier nur soviel, daß sich der Gläubiger zunächst aus der neuen Forderung bezahlt machen soll und erst dann auf die alte zurückgreifen darf, wenn er aus der neuen keine volle Befriedigung zu erhalten vermag5S • Der Gläubiger erwirbt auf diese Weise eine doppelte Befriedigungsmöglichkeit in Höhe seiner bisherigen Forderung mit dem weiteren Vorteil, daß die alten Sicherungs rechte (Bürgen, Pfänder) bestehen bleiben54 • Da durch eine Leistung erfüllungshalber55 die bisherige Forderung nicht erlischt, besteht weder die Möglichkeit noch ein praktisches Bedürfnis, den § 365 hierauf anzuwenden56 • Diese Vorschrift betrifft deshalb auch nur die Fälle, daß eine Sache, eine Forderung gegen einen Dritten oder ein sonstiges Recht an Erfüllungs Statt geleistet worden ist. Bei einer Leistung erfüllungshalber wird der Gläubiger dadurch genügend geschützt, daß er den angenommenen Gegenstand zurückerstattet und die alte Forderung geltend macht57 • Veräußert der Gläubiger die erfüllungshalber angenommene Forderung gegen den Schuldner 51 Dazu Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts 19, 1903, 807 A. 17; Planck / Siber4, A. 3 zu § 365; Stau dinger / Kaduk lO/ 11 , Rdnr. 29 zu § 364, Rdnr. 42 zu § 365. Zu § 835 ZPO siehe ferner Herbert Hartmann, 34 ff. 52 Endemann, 807; Planck / Siber', A. 2 zu § 364; Oertmann 5 , A. 3 a zu § 364; Heck, 177; Enneccerus / Lehmann, § 65.4, S. 265; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 10 zu § 364; F. Leonhard, Allgemeines Schuldre'cht des BGB, 1929, 598 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung (A. 57); Staudinger / Kaduk lO / 11 ,

Rdnrn. 35 - 43 zu § 364 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnrn. 5, 6, 9 zu § 364 ebenfalls mit Judikatur. Siehe auch David / Hirsch, Praktische Fälle aus dem Zivil- und Zivilprozeßre'cht mit Lösungen3 , 1959, Fall 7, S. 6, 48. 53 Endemann, 807; Planck / Siber', A. 2 zu § 364; Oertmann5 , A. 3 a zu § 364; Heck, 177 f.; Staudinger / KaduklO/ ll , Rdnrn. 35 - 43 zu § 364; Enneccerus / Lehmann, § 65.4, S. 265; Erman / H. P. Westermann 5, Rdnr. 10 zu § 364. Vgl. auch RGZ 78, 137 (142 f.). 54 Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 10 zu § 364. 55 Es ist im Hinblick auf die gebräuchliche Formulierung solvendi causa bei einem Erfüllungsgeschäft nach § 362 I - zumindest mißverständlich, wenn Berndorff, 7, beim Tatbestand des § 364 Ir von einner Leistung "solutionis causa" spricht. 5B Motive Ir, 83 f.; RGZ 65, 79 (81); Reimer Schmidt in Soergel / Siebert10, Rdnr. 1 zu § 365; Oertmann 5 , A. 2 zu § 365; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 12 zu § 364, Rdnr. 1 zu § 365; Planck / Siber4, A. 3 zu § 365; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 2 zu § 365; Stau dinger / Kaduk lO/ 11 , Rdnr. 2 zu § 365. 57 Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 12 zu § 364.

H. übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner

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an einen Dritten und erhebt der Dritte gegen ihn Gewährleistungsansprüche, so ist in Höhe dieser Ansprüche eine endgültige Befriedigung des Gläubigers nicht eingetreten, insoweit also die ursprüngliche Forderung gegen den Schuldner nicht erloschen58 • Eine Befreiung des Schuldners ist eben nur scheinbar erfolgt59 • Das Reichsgericht60 hat ferner zutreffend ausgeführt, daß auch § 437 auf die Abtretung einer Forderung erfüllungshalber nicht anwendbar ist61 • Denn bei der Abtretung einer Forderung "zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung" kann von einem Verkauf des Anspruchs zu einem bestimmten Kaufpreis keine Rede sein. Bei einem Forderungsverkauf soll ein neues kausales Vertragsverhältnis zwischen den Parteien begründet, bei der Leistung sowohl an Erfüllungs Statt als auch erfüllungshalber dagegen lediglich das bisher bestehende abgewickelt werden. Auch § 445, der unter anderem den § 437 auf Verträge ausdehnt, die auf die Veräußerung oder Belastung eines Gegenstandes gegen Entgelt gerichtet sind, findet auf eine Abtretung erfüllungshalber keine Anwendung 62 • Da die kaufrechtliche Gewährleistung für Rechtsmängel bei der Leistung an Erfüllungs Statt (§ 365), beim Tausch (§ 515), bei der Zuteilung eines gemeinschaftlichen Gegenstandes an einen Teilhaber im Falle der Aufhebung der Gemeinschaft (§§ 757, 2042 II) sowie beim Gattungs- und Verschaffungsvermächtnis (§ 2182 I, II) eine spezielle Regelung erfahren hat, betrifft § 445 vor allem den Vergleich und solche Verträge, bei denen das Entgelt in Handlungen besteht63 • 2. Die Vbernahme an Erfüllungs Statt (§ 364 I)

Wenn auch die Auslegungsregel des § 364 II nur die übernahme einer neuen Verpflichtung durch den Schuldner gegenüber dem Gläubiger betrifft, kann einerseits gleichwohl auch eine Forderung gegen einen Dritten oder das Eigentum an einer Sache erfüllungshalber übertragen werden6'; das wird dann der Fall sein, wenn die Parteien das 58 5D

Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 12 zu § 364. Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 12 zu § 364.

RGZ 65, 79 (80). Wohl aber auf eine Abtretung an Erfüllungs Statt (Oertmann 5 , A. 1 zu § 365). er RGZ 65, 79 (80 f.). 63 RGZ 65, 79 (80); Palandt / Putzo 34 , A. 1 a zu § 445. 64 Planck / Siber 4 , A. 2 zu § 364 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; F. Leonhard, 597; Enneccerus / Lehmann, § 65 a. E., S. 265; Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 10 zu § 364; Stau ding er / Kaduk 10{11, Rdnrn. 21, 23 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRKI2, Rdnr. 5 zu § 364. Siehe dazu auch David / Hirsch (Fall 10), 7 f., 61. - Nach Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 5 60

61

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§ 2. Voraussetzungen

neue Recht nicht als sofortige und endgültige Erfüllung der alten Schuld, sondern nur als Mittel zur Erfüllung betrachten65 . Andererseits besteht die Möglichkeit, daß der Gläubiger die durch den Schuldner selbst eingegangene neue Forderung - entgegen § 364 II - an Erfüllungs Statt annimmt (§ 364 1)66; denn die Rechtsfolge des § 364 II tritt nur "im Zweifel" ein. Aus dieser Auslegungsregel folgt, daß es den Parteien freisteht, die neue Verbindlichkeit - zum Beispiel ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781)67 nicht bloß "erfüllungshalber" , sondern auch an Erfüllungs Statt68 einzugehen69 • Das ist aber nur der Fall, wenn sich feststellen läßt7°, daß es dem Gläubiger lediglich um den Erwerb der neuen Forderung gegen seinen Schuldner geht und ihm dieser bloße Forderungserwerb soviel wert ist, daß er damit sein Interesse an der Erfüllung der bisherigen Forderung als sofort und endgültig befriedigt erklärt7\ die neue Fordezu § 364 mit weiteren Nachweisen, Larenz, 183, Höhn, 167 und Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 13 zu § 364, gilt die Auslegungsregel des § 364 II auch bei der Abtretung einer Forderung des Schuldners gegen einen Dritten an den Gläubiger. Gegenteiliger Ansicht zu Recht F. Leonhard, 597; Oertmann 5 , A. 3 a zu § 364. 65 Berndorff, 4, 7; Staudinger / Kaduk lO / l1 , Rdnrn. 21, 23 zu § 364. 66 Motive II, 82; Stammler, Recht der Schuldverhältnisse, 1897, 230; Schollmeyer, A. 3 und 4 zu § 364; Crome, 263; Schöninger, 275; Endemann, 806; Oertmann 5 , A. 2 zu § 364; Kreß, 455, 456; Siber, Schuldrecht, 1931, 123 f.; Enneccerus / Lehmann, § 65.4, S. 264; Larenz, 182 A. 2; Staudinger / Kaduk lO/ ll , Rdnr. 48 zu § 364 mit weiteren Nachweisen; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 7 zu § 364; Fehr, 22 ff.; Berndorff, 39 ff.; H. Gerlach, 44 ff. 67 Nach Planck / Siber f , A. 2 zu § 364, kommt als neue Verbindlichkeit zwecks Leistung an Erfüllungs Statt - außer bei Vorverträgen - nur eine abstrakte oder eine solche in Betracht, die "ausschließlich durch die causa solvendi für die Urschuld individuaIlsiert ist". Es gibt jedoch weder die causa solvendi als solche noch vermag sie eine Forderung zu individualisieren; denn sie kann niemals als inhaltliche causa eines Rechtsgeschäfts fungieren. Dazu unten S. 165. 68 Im Gegensatz zur Leistung einer Sache oder eines Rechts gegen einen Dritten an Erfüllungs Statt wird ein Rechtsgeschäft, dessen Mangel durch Erfüllung heilbar ist (z. B. §§ 518 II, 766 S. 2, 2301 II), nicht geheilt, wenn der Schuldner gegenüber dem Gläubiger eine neue Verbindlichkeit übernimmt; denn der Zweck des Gesetzes, vor übereilt eingegangenen Verpflichtungen zu warnen, besteht auch hier (F. Leonhard, 597 mit Nachweisen A. 53 und 54).

69 Liegt eine Forderung, die auf diese Weise getilgt werden soll, gar nicht vor, dann steht der Geltendmachung der neuen der § 821 entgegen (F. Leonhard, 597). Auch Oertmann 5 , A. 3 b zu § 364, nimmt in einem solchen Fall Kondizierbarkeit der neuen Forderung an, sofern diese nicht in Kenntnis der Nichtigkeit der alten eingegangen wurde (§ 814); ptanck / Siber\ A. 1 zu § 364, weist ebenfalls auf die §§ 813 f. hin. Siehe zur Kondizierbarkeit ferner Berndorff, 93; Staudinger / Kaduk lO/ ll , Rdnrn. 27 und 34 zu § 364 mit weiteren Nachweisen; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 10 zu § 364; Patandt / Heinrichs 3f , A. 2 b zu § 364 mit weiterer Judikatur. 70 Zur Beweislast Berndorff, 42 ff.; Endemann, 806 A. 15. 71 Reichet, Die Schuldmitübernahme, 1909, 489, meint, bei Eingehung einer Neuverbindlichkeit liege eine datio in sol1Ltum nicht vor, denn der Gläubiger

11. übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner

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rung eben "an Erfüllungs Statt annimmt" (§ 364 1)'2. Ferner wird der Umstand, daß der hingegebene Gegenstand seiner Art nach zur Veräußerung bestimmt ist - wie etwa bei der Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen - , für eine Leistung an Erfüllungs Statt nach § 364 I sprechen 73 • Mit einer Novation, mit der ein solcher Vorgang von der herrschenden Meinung verglichen wird74, hat dies nichts zu tun75 • Bei der Novation ist die Absicht der Parteien darauf gerichtet, der geschuldeten Leistung eine neue rechtliche Grundlage zu geben; die Erfüllung des nach wie vor geschuldeten Gegenstandes steht noch aus 76 • Bei einer Leistung an Erfüllungs Statt durch Übernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner muß dagegen eine sofortige und endgültige Gläubigerbefriedigung bezweckt sein (vgl. § 364 II). Die bloße Tatsache, daß sowohl durch Novation als auch durch Leistung an Erfüllungs Statt die bisherige Schuld getilgt wird, darf nicht über die Verschiedenheit beider Rechtsinstitute hinwegtäuschen. Denn Zweck der bleibe unbefriedigt wie bisher; er tausche nur Hoffnung gegen Hoffnung aus; er finde nicht Befriedigung, sondern nur einen neuen Weg zur Befriedigung. Aber hier handelt es sich um ius dispositivum. 72 Vgl. Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 13 zu § 364. Nach Crome, 263 mit A. 12 unter der Voraussetzung, "daß der Gläubiger seinen Schuldner freigibt". 73 Heck, 177; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 13 zu § 364. 74 Motive II, 79; RG SeuffArch 62, 351 f. (Nr. 202); Endemann, 807; Schöninger, 276 f.; Planck / Siber\ A. 3 zu § 364; Siber, 123, 317 A. 8; von Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II, 2, 1918, 124; Heck, 180; F. Leonhard, 603; Oertmann 5 , A. 2 zu § 364; Titze, Bürgerliches Recht. Recht der Schuldverhältnisse4, 1948, 86; Enneccerus / Lehmann, § 65.4, S. 264; Larenz, 182 A. 2; Fikentscher, § 39 1 2, S. 164; Reimer Schmidt in Soergel / Siebert10, Rdnrn. 2 und 3 zu § 364; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 7 zu § 364; Staudinger / Kaduk 10/ 11 , Rdnrn. 84 - 88 der Einleitung vor §§ 362 ff. mit weiteren Nachweisen, Rdnr. 49 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 3 zu § 364; Palandt / Heinrichs 34, A. 2 a bb zu § 364; Fehr, 23; Berndorff, 45 ff., 54 ff. mit Nachweisen aus der alten Literatur; Füstenau, Die Leistung an Erfüllungsstatt na'ch bürgerlichem Recht, Diss. Königsberg 1923, 26, 27. Bereits für das preußische Allgemeine Landrecht nahm Rubo, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung (Kamptz's Jahrb.) 22, 1823, 5 ff., hier eine Novation an. 75 Dazu ausführlich Krüsmann, Die juristische Natur der Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Heidelberg 1906, 23 ff.; van Koolwyk, Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902, 24 ff.; Mickel, Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Heidelberg 1905, 48 ff.; ausführlich Belitz, Die Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Rostock 1906, 27 ff.; Continella, Accademia dafnica di scienze, lettere ed arti, Atti e rendiconti, Acireale, I, 1892 -93, 59 ff.; H. Gerlach, 46 - 57; Melcher, 24. Siehe für die römische datio in solutum von Lübtow, Die Entwicklung des Darlehensbegriffs im römis'chen und geltenden Recht, 1965, 141. Für das geltende Recht lehnen hier den Gedanken einer Novation zutreffend ab: Schollmeyer, A. 3 zu § 364; Crome, 263 A. 15; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung II 1, 1951, 81 f. Vgl. auch Herbert Hartmann, 47 ff. 76 von Lübtow, 148 mit A. 830, 164.

§ 2. Voraussetzungen

28

Novation ist Tilgung der alten Forderung, Zweck der Leistung an Erfüllungs Statt dagegen Befriedigung des Gläubigers 77 • Ein weiterer struktureller Unterschied zwischen beiden Erscheinungen besteht darin, daß bei der Novation der Gegenstand der Leistung derselbe bleiben muß und nur der Schuldgrund geändert wird, währen die Verschaffung einer neuen Forderung bei der Leistung an Erfüllungs Statt gerade etwas anderes ist als der bisherige Leistungsgegenstand. Aber selbst wenn das Objekt der in solutum neu begründeten Forderung dasselbe wäre wie das der alten, läßt sich nicht von einer Novation reden; denn die Novation ist - wie schon der Name sagt - auf bloße Schulderneuerung, die Leistung an Erfüllungs Statt dagegen auf sofortige Befriedigung gerichtet78 • Die Novation ist daher kein Unterfall der Leistung an Erfüllungs Statt, sondern ein selbständiger Modus der Aufhebung von Obligationen 79 • Auf einer unrichtigen Vorstellung beruht deshalb die Äußerung des Reichsgerichts 80, eine Kaufpreisforderung könne "durch Novation, d. h. durch Hingabe eines abstrakten Schuldversprechens an Erfüllungsstatt", getilgt werden 81 •

77 78 79

Dazu unten S. 134 ff. Heck, 180, hält es nicht für möglich, diese Fälle zu trennen. von Lübtow, 148 mit A. 830, 164. Vgl. auch die Unterscheidung bei

Stammler, 231, 232; Bornemann, Zivilrecht im Querschnitt II (Zivilrechtliche Grundbegriffe I), 1970, 81 Rdnr. 0118. 80 RGZ 119, 5 (12). 81 Vgl. auch RGZ 107, 34 (35); 119, 90 (95 f.); 134, 153 (155, 156).

§ 3. Die Rechtsfolgen der Leistung an Erfüllungs Statt I. Das Erlöschen des Schuldverhältnisses

1. Der Begriff Schuldverhältnis

Nimmt der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs Statt an, so bestimmt § 364 I, daß "das Schuldverhältnis erlischt". Es kommt darauf an, was das Gesetz hier unter dem Begriff "Schuldverhältnis" versteht82 . In § 362 I findet sich derselbe Ausdruck für den Fall, in dem die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Die herrschende Meinung ist der Auffassung, daß Schuldverhältnis im Sinne des § 362 I den Einzelanspruch (Forderung) betrifft83 , im Gegensatz zu der "Gesamtheit der schuldrechtlichen Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner"84. Durch Erfüllung erlischt also der Anspruch, das heißt das Recht des Gläubigers, vom Schuldner das ob ligationsmäßige Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194). Diese Forderung oder dieser Anspruch ist es auch, der nach § 364 I durch Leistung eines aliud an Erfüllungs Statt erlischt85 . Beuthien 86 hat allerdings die Frage aufgeworfen, ob nicht auch die gesamten schuld rechtlichen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner durch Erfüllung erlöschen können, sie jedoch selbst mit dem zutreffenden Hinweis verneint, daß Teile der Rahmenbeziehung denkbar sind, die wie etwa 82 Zum Begriff des Schuldverhältnisses vgl. den gleichnamigen Aufsatz von Ernst Wolt, Festschrift für Herrfahrdt, 1961, 197 ff. 83 BGHZ 10, 391 (395); Planck / Siber4, A. 1 vor § 362; Enneccerus / Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 15 , 1958, § 1 II, S. 2; Staudinger / Weber l1 , Rdnrn. C 1- 5 der Einleitung vor § 241 (S. 29 ff.); Staudinger / KaduklO/ l1 , Rdnrn. 7 - 12 der Einleitung vor §§ 362 ff. (S. 266 f.); Esser, Schuldrecht 14, 1970, § 26 11, S. 149; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts po, 1970, § 181, S. 172; Gerhardt in Athenäum-Zivilrecht 1, 1972, 697 f.; Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, 7, 266 mit weiteren Nachweisen A. 6. 8' BGHZ 10, 391 (395); Beuthien, 7, 266. Andere Bezeichnung für das "Schuldverhältnis im weiteren Sinne" sind Organismus, Gefüge, Rahmenbeziehung, übergreifende Bindung. Siehe dazu Beuthien, a.a.O., mit A. 1 - 4; Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB 1, 1972, 168. 85 Stammler, Recht der Schuldverhältnisse, 1897, 230; Planck / Siber', A. 1 zu § 364 ("tilgt die Schuld"); Rudolt Hartmann, Annahme an Erfüllungsstatt nach dem Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. Leipzig 1905, 2 f.; Staudinger / Weber l1 , Einleitung C 1 vor § 241. 86 267.

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§ 3. Rechtsfolgen

die Gestaltungsrechte (z. B. Kündigung) mangels Pflichtcharakters von der Erfüllungswirkung nicht erfaßt werden. Sie erlöschen auf andere Weise, entweder durch Ausübung oder durch Ablauf einer möglichen Frist, oder sie werden gegenstandslos. Nun könnte man freilich bei der Leistung an Erfüllungs Statt auf den Gedanken kommen, durch die Ersatzleistung trete an die Stelle der bisherigen Schuldbeziebung als Ganzes ein neu es, völlig selbständiges, im Hinblick auf § 365 "kaufähnliches" Rechtsverhältnis. Das hätte zur Folge, daß im Gegensatz zu § 362 I, wo nur der Einzelanspruch untergeht, bei § 364 I als Rechtsfolge das Erlöschen des gesamten bisherigen Rechtsverhältnisses eintritt. Diese ganz sicher verfehlte Konstruktion ist - soweit ersichtlich - bisher aber noch von niemandem vertreten worden 87 , obwohl sonst - besonders zur Rechtfertigung des § 365 - die "kaufähnliche" Struktur der Leistung an Erfüllungs Statt von Literatur und Rechtsprechung ständig betont wird88 • 2. Der Untergang von Sicherungsrechten und die Befreiung der Gesamtschuldner

Nimmt der Gläubiger das vom Schuldner geleistete aliud an Erfüllungs Statt an, so gehen mit der Tilgung der Forderung zur Sicherheit bestellte Bürgschaften oder Pfandrechte unter 89 • Ferner befreit die Leistung an Erfüllungs Statt durch einen Gesamtschuldner die übrigen (§ 422 I 2)90. Diese Rechtsfolgen treten allerdings nur ein, wenn es zu einer materiellen Befriedigung des Gläubigers gekommen ist91 • Von dieser Befriedigungsfunktion der Leistung an Erfüllungs Statt wird noch zu sprechen seinD2 • 87 Mit Ausnahme von Stammler, 230, der den Untergang der gesamten Schuldbeziehung für möglich hält, und zwar mit der unzutreffenden Begründung: "weil ja als Erlöschensgrund ein aufhebender Vertrag vorliegt" (zu diesem Argument siehe unten S. 34). Mit der Möglichkeit des Untergangs des ganzen Schuldgefüges die durch § 365 ausgelöste Haftung nach Kaufrecht konstruktiv zu legitimieren, versucht Stammler indes nicht. 88 Dazu unten S. 63 ff. 89 Motive H, 82; Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts 19 , 1903, 805 A. 4; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts 11, 1902, 262 A. 2; Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts 11 1, 1906, 190; Dernburg / Engelmann, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens H 14, 1909, 326; Oertmann5 , A. 1 zu § 364; Planck / Siber\ A. 2 zu § 364; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 7 zu § 364; Fehr, Die Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902, 28; Alexander, Datio in solutum und compensatio voluntaria, Diss. Leipzig 1908, 21; van Koolwyk, Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902, 30. 90 Dazu Reichel, Die Schuldmitübernahme, 1909, 487 ff. 91 Siehe unten S. 38. Unrichtig Fehr, 18 (im Widerspruch übrigens zu 28 f.). 92 Dazu unten S. 134 ff.

I. Erlöschen des Schuldverhältnisses

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3. Die Gründe für den Untergang der Forderung durch Leistung an Erfüllungs Statt In der Literatur zum geltenden Recht findet sich keine einleuchtende Erklärung dafür, weshalb mit einer gültigen Leistung an Erfüllungs Statt notwendigerweise der Untergang des bisherigen Schuldverhältnisses verbunden ist. Es ist ja durchaus denkbar, daß die Leistung eines aliud, mag sie auch im Einverständnis des Gläubigers erfolgen, lediglich eine Einrede gegen den weiterbestehenden Primäranspruch begründet, ein Leistungsverweigerungsrecht wie etwa im Falle der Verjährung (§ 222 I).

Windscheid 93 erblickte den Grund für die schuldtilgende Wirkung der Leistung an Erfüllungs Statt in "der vom Gläubiger in eine Leistung, welche an und für sich Erfüllung nicht ist, gelegten Kraft". Oertmann 94 meint, die Befreiung des Schuldners durch Leistung an Erfüllungs Statt sei "eine Folge aus dem Grundsatz der privat rechtlichen Bestimmungsfreiheit" . Krawielicki 95 behauptet einmal, die schuld tilgende Wirkung der datio in solutum beruhe auf der einseitigen Zustimmung des Gläubigers 96 • Daß der Hingabe eines aliud schuldtilgende Wirkung zukommt, bezeichnet Krawielicki zum anderen 97 als gesetzliche Folge des durch die Gläubigerzustimmung begründeten besonderen Kausalverhältnisses, welches zugleich den Rechtsgrund für das Behalten des aliud bilde. Dieser Auffassung kann deshalb nicht zugestimmt werden, weil durch die Leistung an Erfüllungs Statt kein besonderes Kausalverhältnis begründet, sondern ein bereits bestehendes zu Ende gebracht werden soll. Nun liegt in der Tat das entscheidende Erfordernis einer Leistung an Erfüllungs Statt darin, daß sich der Gläubiger mit der Hingabe des aliud einverstanden erklärtD8 ; denn das Schuldverhältnis erlischt nach 93

94

Lehrbuch des Pandektenrechts II9, 1906, 419 A. 10.

A. 1 zu § 364.

Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 1936, 175. Eine einseitige Erklärung des Gläubigers für den Eintritt der Rechtsfolge des § 364 I läßt auch Schnorr von Carolsjeld, Festgabe für Ulrich von Lübtow, 1970, 677, genügen. 95

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97

176.

Motive II, 82; P. Kretschmar, Die Erfüllung I, 1906,33,42; Planck / Siber 4 , A. 1 zu § 364; F. Leonhard, Allgemeines Schuld recht des BGB, 1929, 593; Siber, Schuldrecht, 1931, 122; Renle, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II (Schuldrecht), 1934, 668; Enneccerus / Lehmann, § 65, S. 263; Larenz, § 18 IV, S. 181; Esser, Schuldrecht2, 1960, § 72. 3, S. 306; Schuldrecht 14,1970, § 26 VII 2, S. 162; Fikentscher, Schuldrecht4, 1973, § 39 I 1, S. 163; Rother, AcP 169, 1969,29; Erman/ R. P. Westermanns, Rdnrn. 1 und 4 zu § 364; Reimer Schmidt in Soergel / SiebertlO, Rdnr. 1 zu § 364; Staudinger ! Kaduk 10/\1, Rdnrn. 3 und 98

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§ 3. Rechtsfolgen

§ 364 I eben infolge Gläubigerbefriedigung nur, "wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs Statt annimmt"uu. Der Schuldner ist nicht befugt, dem Gläubiger einseitig ein aliud zwecks Befriedigung aufzudrängen1oo • Daraus folgt, daß der Schuldner den Gläubiger durch Aufforderung, ein aliud in solutum anzunehmen, nicht in Gläubigerverzug versetzen kann. Seiner rechtlichen Struktur nach ist die Leistung an Erfüllungs Statt mithin stets ein Vertrag101 • Aber mit dem erforderlichen Einverständnis des Gläubigers ist noch nicht erklärt, warum die bisherige Schuld auch dann notwendigerweise erlöschen muß, wenn das aliud mit Rechts- oder Sachmängeln behaftet ist, wovon § 365 offenbar ausgeht. Von KübeP02, Dernburg 103 und Unger 104 haben versucht, diese Regelung zu rechtfertigen. Sie behaupten, das Fortbestehen der alten Verbindlichkeit widerspreche den Bedürfnissen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs. Es könne nicht gebilligt werden, daß man bei einem Fortbestand der ursprünglichen Forderung Bürgen und Pfandschuldner der 4 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRKI2, Rdnr. 1 zu § 364; Palandt / Heinrichs 34 , A. 1 zu § 364. - Das Einverständnis kann der Gläubiger vor, bei oder nach Leistung des aliud erklären: F. Leonhard, 597; Bornemann, Zivil-

recht im Querschnitt II (Zivilrechtliche Grundbegriffe I), 1970, 80 Rdnr. 0117. 99 Das gemeinrechtliche und nach dem Dreißigjährigen Krieg durch den Jüngsten Reichsabschied von 1654 bestätigte sogenannte beneficium dationis in solutum (Nov. IV, 3), das heißt die Pflicht des Gläubigers, bei Geldforderungen Immobilien des Schuldners auf dessen Angebot hin zum Schätzwert an Erfüllungs Statt anzunehmen (dazu Weidner, Die Lehre von der Zahlung und Angabe an Zahlungs Statt, 1799, 108 ff.; Gruchot, Die Lehre von der Zahlung der Geldschuld, 1871, 70 ff.; Pol ac co, Della dazione in solutum I, 1888, 55 ff.; Georg Cohn, Endemanns Handbuch IH, 1885, 1075 mit A. 3; Baron, Pandekten9, 1896, 402 f.; Kuhlenbeck, Von den Pandekten zum Bürgerlichen Gesetzbuch H, 1899, 179 f.; Windscheid / Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechs H9, 1906, 419 mit A. 12; Sonne kalb, Hat der Gläubiger unter Umständen eine andere als die geschuldete Leistung als Erfüllung anzunehmen?, Diss. Jena 1939, 21 ff.; Enneccerus / Lehmann, § 65, S. 263; Astuti, ED XI, 1962, 733), gibt es nach geltendem Recht nicht mehr (Kuhlenbeck, a.a.O.; Schollmeyer, A. 1 zu § 364; Endemann, 804 A. 1; Melcher, Gegensatz des Rechtscharakters der Leistung an Erfüllungsstatt und der Leistung erfüllungshalber, Diss. Leipzig 1903, 14 f.; Staudinger / Kaduk IO/ 11 , Rdnr. 4 zu § 364).

100 Dazu Bornemann, 80 Rdnr. 0116 mit Beispiel 137 sowie zur Frage eines Kondiktionsanspruchs wegen "aufgedrängter Bereicherung". 101 Siehe oben S. 17 bei Anm. 18 und 19. 102 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Recht der Schuldverhältnisse I, Allgemeiner Teil mit Begründung, Berlin 1882, Abschnitt I Titel 5 § 2, S. 17 f. 103 Pandekten IF, 1903, 164 A. 7; Dernburg / Sokolowski, System des römischen Rechts 8 , 1912, 672 A. 7; Dernburg, Pfandrecht H, 1864, 247. 104 GrünhutsZ 15, 1888, 543.

1. Erlöschen des Schuldverhältnisses

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Ungewißheit aussetze, ob ihre Haftung noch bestehe oder erloschen seP05. Diese Begründung überzeugt nicht. Sie wäre nur dann haltbar, wenn bei der Erfüllung Bürgen und Verpfänder ebenfalls ohne Rücksicht darauf frei würden, ob rechts- und sachmängelfrei erfüllt worden ist oder nichtl° 6 ; denn für sie besteht hier dieselbe Ungewißheit, ob ihre Haftung erloschen ist oder fortbesteht. Ein solcher unsicherer Zustand tritt schließlich ein, wenn die Leistung an Erfüllungs Statt durch Irrtum, Täuschung oder Drohung beeinflußt worden ist. Dann vermag der Gläubiger unter Umständen noch nach Jahren durch Anfechtung die Wirksamkeit der aliud-Leistung ex tune (§ 142 I) zu beseitigen; in diesem Fall zweifelt an der Weiterhaftung von Bürgen und Pfandschuldnern auch niemand. Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb bei einem rechts- oder sachmangelhaften aliud der Schutz der Bürgen und Pfandschuldner größer sein sollte. Schließlich bestimmt das Gesetz ja auch den Fortbestand von Sicherungsrechten, wenn der schuldrechtliche Anspruch verjährt ist (§ 223 I). Der Bürge, der für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners einzustehen hat (§ 765 I), wird durch die Befreiung von seiner Schuld grundlos begünstigt, wenn es infolge der Leistung eines rechts- oder sachmangelhaften aliud gar nicht zur Befriedigung des Gläubigers gekommen ist. 105 Die durch Rampe, Haftung für Rechts- und Sa'chmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Hamburg 1933, 29 mitgeteilte, offenbar von Epstein, Die Leistung an Erfüllungsstatt nach dem Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. Halle 1913, 72, 73 übernommene Bemerkung der Motive II, 269: "Für den Bürgen, welcher sich infolge einer durch den Hauptschuldner bewirkten Hingabe an Zahlungsstatt von der Bürgschaft enthoben glaubt, würde es zu hart sein, wenn er für die hinterher unerwartet eingetretene Ersatzpflicht des Hauptschuldners wieder einstehen müßte", habe ich dort nicht ermitteln können. - Auf dem im Text wiedergegebenen Argument beruht offenbar auch Art. 2038 Code Civil: "L'acceptation volontaire que le creancier a faite d'un immeuble ou d'un effet quelconque en payement de la dette principale, decharge la caution, encore que le creancier vienne a en etre evince." Nach französischem Recht erlischt also eine Bürgschaft für die Urschuld im Falle einer datio in solutum auch bei anschließender Eviktion. Dazu bemerkt Mareade (Abriß des Französischen Civilrechts, ins Deutsche übersetzt von A. Pfaff, III, 22): "Die Bürgschaft erlischt ... wenn der Gläubiger sich beiläßt, eine andere als die schuldige Sache an Zahlung zu nehmen, mag ihm diese auch evinziert werden. Streng genommen sollte hier der Bürge nicht frei werden, denn die Forderung war nur scheinbar erloschen; sie war es in Wirklichkeit nicht, denn bei der datio in solutum hat die Erlöschung der Forderung ihren Grund im Erwerb der als Zahlung gegebenen Sache, was hier nicht der Fall ist: Der Schuldner ist in Wirklichkeit verpflichtet geblieben, deshalb sollte auch die Bürgschaft fortbestehen bleiben. In Erwägung der der Bürgschaft gebührenden Berücksichtigung macht hier das Gesetz eine Ausnahme. Man rechtfertigt sie damit, daß die datio in solutum, obgleich nur scheinbar, den Bürgen auf den Glauben bringen mußte, daß er frei sei, und er dadurch veranlaßt werden konnte, keine Vorsichtsmaßregeln für seine Sicherheit zu treffen." 106 Zutreffend Epstein, 72f.; Rampe, 29; Kurt Hartmann, Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1940, 37.

3 Harder

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§ 3. Rechtsfolgen

Als Grund für den Untergang der bisherigen Forderung wird in der Literatur auch der Umstand angegeben, die Annahme des aliud an Erfüllungs Statt enthalte zugleich eine rechtsgeschäftliche Einwirkung auf die Forderung 107 ; sie stelle eine Verfügung dar 108 • Aber die Annahme an Erfüllungs Statt ist ebenso wenig wie die Annahme der geschuldeten Leistung (§ 362 I) eine rechtsgeschäftliche Einwirkung auf ein bestehendes Recht 109 • Die ursprüngliche Forderung erlischt nicht, weil sie nach dem Parteiwillen aufgehoben werden S01l110. Vielmehr tritt die Tilgungswirkung ein, weil und sobald der Gläubiger durch Entgegennahme des aZiud befriedigt ist. Wäre bei der Erfüllung und bei der Leistung an Erfüllungs Statt der Parteizweck auf rechtsgeschäftliche Aufhebung der bisherigen Forderung, also auf Verfügung des Gläubigers über sein Recht, gerichtet, dann hätten die Parteien besser daran getan, die besagte Forderung gar nicht erst zu begründen oder durch Erlaßvertrag (§ 397) zu tilgen ll1 • Weitere Äußerungen über den Grund der endgültigen Tilgungswirkung einer Leistung an Erfüllungs Statt sind - soweit ersichtlich weder in der Kommentar- und Lehrbuchliteratur noch in Einzeluntersuchungen modernrechtlicher Art zu finden. Läßt sich nach alledem im geltenden Recht keine Antwort auf die Frage finden, warum die Leistung an Erfüllungs Statt notwendigerweise zum Untergang der alten Forderung führt, so muß in der Rechtsgeschichte nach einem Lösungsweg gesucht werden. Die ipso iure tilgende Wirkung der datio in solutum läßt sich zunächst unmittelbar zurückverfolgen bis zu den Institutionen Justinians 3.29 pr.: Tollitur autem omnis obligatio solutione eius quod debetur, vel si quis consentiente creditore aliud pro alio solverit. Bereits in den aus dem 5. Jahrhundert stammenden gaianischen Epitome l12 wird die ipso iure- Wirkung der datio in SoZutum als "offenkundig" bezeichnet: 107 Siber, 122, meint, die Schuld tilgung sei bei der datio in solutum keine Tatbestands-, sondern Vertragswirkung. 108 Planck / Siber4, A. 1 zu § 364, A. 1 zu § 365; Siber, 122: "Äquivalentverfügung"; Fikentscher, § 39 1 1, S. 163; Esser, Schuldrecht 14, 1970, § 26 VII 2, S. 163. Ebenso für die Erfüllung von Tuhr, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II 2, 1918, 83. 109 So zutreffend für die Erfüllung Esser, § 26 1 3, S. 151; Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974, 46 ff. Vgl. auch Siber, 122 A. 11. 110 Unrichtig Stammler, 230. Zutreffend Gerhardt, 704. Zur Unterscheidung von Willens- und Gesetzeswirkungen von Lübtow, Erbrecht H, 1971, 707 f. 111 Siehe auch unten S. 119. 112 Dazu Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, 1953, 509 f.

1. Erlöschen des Schuldverhältnisses

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Gai. epit. 2.10113 : Tollitur obligatio solutione debiti. Praeterea aliquoties tollitur obligatio, etiam si aliud, quam cautum fuerit a debitore, creditori reddatur. Nam si quicunque pro pecunia, quam creditori cavit, acquiescente creditore, aurum aut argentum aut mancipia vel alias quaslibet species, habita aestimatione, consentiente creditore, dederit, obligatio evidenter toHitur. Wie die Institutionen des Gaius (III.168) berichten, soll es dagegen im klassischen Recht Meinungsverschiedenheiten zwischen den Sabinianern und den Prokulianern 114 über die Tilgungswirkung der datio in solutum gegeben haben: Gili. 111. 168: ToHitur autem obligatio praecipue solutione eius quod debetur. Unde quaeritur, si quis consentiente creditore aliud pro aZio solverit, utrum ipso iure Ziberetur, quod nostris praeceptoribus placuit, an ipso iure maneat obligatus, sed adversus petentem exceptio ne doli mali defendi debeat, quod diversae scholae auctoribus visum est. Nach Auffassung der Sabinianer brachte die datio in solutum das Schuldverhältnis ipso iure zum Erlöschen, kam ihr dieselbe Wirkung zu wie der solutio eius quod debetur. Demgegenüber betrachteten die Prokulianer die obligatio durch die Leistung des aliud nicht für erfüllt. Klagte der Gläubiger trotzdem aus der ja noch bestehenden obligatio, so konnte ihm der Schuldner die exceptio doli 115 entgegenhalten; denn der Gläubiger handelte dolos, wenn er vom Schuldner Leistung verlangte, obwohl er freiwillig ein Leistungssurrogat in solutum angenommen hatte116 • Obwohl dieser Schulenstreit lediglich in den gajanischen Institutionen überliefert ist, besteht kein Anlaß, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln117 • Damit ist durch den Bericht des Gaius die Tatsache bekannt, daß es in frühklassischer Zeit die dargelegte Kontroverse zwischen den beiden Rechtsschulen über die Wirkung der datio in solutum gegeben hat. Außerdem wissen wir, daß möglicherweise schon seit Diokletian C. 8.42.17 (293)118 113 Dazu Archi, L'epitome Gai, 1937, 417 ff.; Levy, Weströmisches Vulgarrecht. Das Obligationenrecht, 1956, 130; Melillo, In solutum dare, 1970, 41 A. 2; Nardi, BIDR 73,1970,78 f., 107. 114 Der Gegensatz der beiden Schulen, die auch in anderen Rechtsfragen oft verschiedener Meinung waren, beherrschte die frühklassische Zeit bis Hadrian (Siber, Römisches Recht I, 1925, 53; F. Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 141 ff.). 115 Nach Siber, Römisches Recht 11, 1928, 272, stellt die datio in solutum wohl ein entgeltliches pactum de non petendo dar, so daß dem Schuldner vielleicht die exceptio pacti zur Verfügung gestanden habe (vgl. aber denselben a.a.O., 286 A. 6). Gaius 111. 168 spricht jedoch selbst ausdrücklich von einer exceptio doli mali. Vgl. dazu MeliHo, 41 A. 3; A. Wacke, Tijdschrift 40, 1972, 246 A. 43. 1.

116

Solazzi, L'estinzione deIl'obbligazione nel diritto romane 12, 1935, 167 A.

117

Dazu MeliHo, 40 ff. mit umfangreicher Literatur A. 5; Nardi, BIDR 73,

118

Dazu Solazzi, 161 ff., 189; MeliHo, 148; Nardi, BIDR 73, 1970, 80 f., 106.

1970, 74 ff., 105 f. 3·

36

§ 3. Rechtsfolgen

Manifesti iuris est, tam aZio pro debitore solvente quam rebus pro numerata pecunia consentiente creditore datis toHi comparatam obZigationem.,

sicher aber seit Iustinian Inst. 3.29 pr. 110 Tollitur autem omnis obZigatio solutione eius quod debetur, vel si quis consentiente creditore aliud pro aZio solverit.,

die ipso iure eintretende Tilgungswirkung der datio in solutum geltendes Recht war120 • Karlowa 121 meint dazu, die Ansicht der Prokulianer habe sicherlich nicht altrömischer Ansicht entsprochen, weil nach dieser überhaupt keine Befreiung des Schuldners durch Leistung eines aliud eingetreten sei, nicht einmal per exceptionem (unrömisch: ope exceptionis); die Lehre der Sabinianer habe bereits einer freieren Auffassung Rechnung getragen. Karlowa weist zutreffend darauf hin, daß sich in den Digesten keine direkten Zeugnisse über diese Kontroverse mehr finden. Aus C. 8.42.17 (293) folgt in der Tat lediglich, daß sich zu Diokletians Zeit die ipso iure-Wirkung durchgesetzt hatte. Sie allein wird im westgotischen Gaius (epit. 2.10) und in Justinians Institutionen noch erwähnt (3.29 pr.). Windscheid 122 meint, die Ansicht der Prokulianer habe wohl auf der - unzutreffenden - Auffassung beruht, die datio in solutum sei ein zweiseitiger Vertrag, in welchem der Gläubiger seine Forderung gegen eine Gegenleistung aufgebe 123 • Steiner 124 hat an Hand einer ausführlichen Untersuchung über die geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses von Schuld und Haftung im römischen Recht 125 glaubhaft gemacht, daß die datio in solutum von Haus aus von der solutio mitumfaßt wurde 126, die ursprünglich nicht 119 Dazu Solazzi, 167 ff.; Melillo, 98 A. 17, 155 mit Lit. A. 70; Nardi, BIDR 73, 1970, 79 f. mit A. 53 und 54, 107. 120 Steiner, Datio in solutum, 1914, 46 f., 142 ff.; W. Teichmann, Die Leistung an Erfüllungsstatt im römischen und heutigen Recht, Diss. Marburg 1930, 13 f.; Ceglarek, Die Folgen der rechtsmangelhaften Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1936, 19. 121 Römische Rechtsgeschichte II 1, 1901, 1380 f. 122 Windscheid / Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II9, 1906, 419 A. 10. 123 Melcher, 16 bezweifelt die Richtigkeit dieser Vermutung. 124 Datio in solutum, 1914, 1 ff., bes. 46, 142; Schuld und Haftung (im römischen Recht), GrünhutsZ 42, 1916, 159 ff. 125 Dazu kritisch Koschaker, ZSS 37, 1916, 348 ff.; Steinwenter, KritVjSchr 57, 1925, 170 ff. Zu den Begriffen Schuld und Haftung im römischen Recht siehe Kaser, Das römische Privatrecht 12, 1971, 150 ff., 154 mit umfangreicher Literatur; Jörs / Kunkel, Römisches Privatrecht 3, 1949, 61 mit Literatur A. 2. 126 Anders noch Melcher, 17, der in der datio in solutum ein dem alten ius civile unbekanntes, neu ausgebildetes Rechtsinstitut erblickt. Ähnlich Quander, Leistung an Erfüllungsstatt. Diss. Rostock 1903, 9 f.; Alexander, Datio in solutum und compensatio voluntaria, Diss. Leipzig 1908, 7. Auch A. Wacke, Tijdschrift 40, 1972, 246, nimmt hier einen Entwicklungsverlauf "von der

1. Erlöschen des Schuldverhältnisses

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Schulderfüllung, sondern formlose vertragliche Haftungslösung bedeutete 127 • Darin liegt nach Stein er die ipso iure tilgende Kraft der Leistung an Erfüllungs Statt begründet. Diese Erklärung Steiners hat allgemein Zustimmung gefunden128 • Die Kontroverse zwischen den Sabinianern und den Prokulianern, ob die datio in solutum ipso iure oder nur per exeeptionem wirke, entstand erst auf einer späteren Stufe der Rechtsentwicklung, vermutlich im 1. nachchristlichen Jahrhundert129 • Sie setzte voraus, daß solutio nicht mehr Haftungslösung, sondern Schulderfüllung bedeutete. Erst jetzt konnten Zweifel auftauchen, ob dann noch die Hingabe eines aliud ebenso schuldtilgend wirkte wie die solutio eius quod debetur. Die Prokulianer hielten diese Zweifel für begründet und legten der datio in solutum nur exzeptionsmäßige Wirkung bei. Ob die klassischen Juristen der sabinianischen oder der prokulianischen Auffassung gefolgt sind, läßt sich heute nicht mehr völlig eindeutig feststellen 130 • Jedoch sprechen Dioel. et Max. C. 8.42.17 (293), Marei. D. 46.3.46 (lib. 3 reguL) sowie Ulp. D. 12.6.26.4 - 6 (Ub. 26 ad ed.) für die Herrschaft der sabinianischen Regel in klassischer Zeit1 31 • Fest steht jedenfalls, daß sich Justinian der Ansicht der Sabinianer angeschlossen hat, wie sich aus Inst. 3.29 pr. ergibt. Sie ist im § 364 I geltendes Recht geworden. Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, weshalb die Sabinianer bei der datio in solutum dieselbe Rechtsfolge (ipso iureTilgung) für gerechtfertigt erachteten wie bei der solutio eius quod debetur. Man könnte angesichts der Notwendigkeit, daß der Gläubiger bloß einredeweisen amtsrechtlichen (per exceptionem) zu der von rechtswegen bea'chtlichen amtswegigen (ipso iure) Berücksichtigung bestimmter Zuwendungen des Beklagten" an. 127 Dazu Koschaker, ZSS 37, 1916, 362 ff. mit Literatur; Solazzi, 3 ff. Unrichtig Melcher, 12. 1!8 Koschaker, ZSS 37, 1916, 368; Steinwenter, KritVjSchr 57, 1925, 175; E. Weiß, Deutsche Literaturzeitung 1918, Sp. 1006; W. Teichmann, 13 f.; Pietsch, ZSS 69, 1952, 438 f.; Kaser, Restituere als Prozeßgegenstand, 1932, 182; zweifelnd jetzt aber Kaser, ZSS 90,1973,211; A. Wacke, ZSS 90, 1973, 259. Siehe auch Nardi, BIDR 73, 1970, 73 ff. mit A. 38. 129 P. Kretschmar, Die Erfüllung I, 1906, 16; MeliHo, 144; Nardi, BIDR 73, 1970, 74 A. 42.

130 Solazzi, 167 ff. nimmt an, sie seien der prokulianischen Theorie gefolgt. Zustimmend A. Beck, Das Gemeine Recht als Rechtsquelle?, in: Rechtsquellenprobleme im Schweizerischen Recht, Festgabe für den Schweizerischen Juristenverein, 1955, 287 ff. (289 f.). Auch Kaser hat in der ersten Auflage seines Buches "Restituere als Prozeßgegenstand", 1932, 184, diese Auffassung vertreten; in der 2. Auflage, 1968, 235, bezeichnet er jedoch diese Annahme als zweifelhaft. 131 So Kaser, Restituere als Prozeßgegenstand 2, 1968, 234; Römisches Privatrecht I, 1955, 533 A. 20; Römisches Privatrecht 12, 1971, 638 A. 31; Nardi, BIDR 73, 1970, 80 ff.

§ 3. Rechtsfolgen

38

mit der Hingabe des aliud zum Zweck der Erfüllung einverstanden sein muß, mit Koschaker 132 und Kaser 133 den für die römische solutio geäußerten Gedanken aufgreifen, wonach die der Leistung zugrunde liegende Abrede den Charakter des Vergleichs (transactio) habe134 • Aber diese Erklärung kann nur für die altrömische Zeit Geltung beanspruchen, als bei der solutio indebiti eine Rückgabeklage (condictio) noch nicht bestanden hatte135 • Für die klassische Zeit vermag sie nicht zu überzeugen, zumal nicht jede Erfüllung Vergleichs charakter hat136 • Entscheidender Grund für die rechtliche Gleichbehandlung von solutio eius quod debetur und datio in solutum in bezug auf die Rechtsfolge dürfte vielmehr sein, daß in beiden Fällen eine Befriedigung des Gläubigers eintritt. Diesen Umstand hat neuerdings ausführlich Melino herausgearbeitet137 • Anhand von Ulp. D. 50.16.176; D. 42.1.4.7; Paul. D. 46.3.54 sowie weiterer Quellen stellt Melino einen engeren Begriff der solutio (adempimento esatto, solutio eius quod debetur) und einen weiteren Begriff (adempimento inesatto, in solutum dare) einander gegenüber und kommt unter Berücksichtigung von Gai. III.168 zu dem Ergebnis, daß beide Erfüllungsarten nach römischem Recht vom Oberbegriff der satisjactio (Befriedigung) umfaßt wurden138 . Auch für das geltende Recht ist die Befriedigung des Gläubigerinteresses der Grund, weshalb nicht nur die Erfüllung (§ 362 I), sondern auch die Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 I) zur Tilgung der bisher bestehenden Forderung führen 139 • Daraus müßte folgen, daß die ursprüngliche Forderung - etwa auf übereignung eines gekauften PKW - bei der Lieferung eines aliud - etwa eines Motorrades - erst erlischt, wenn das Motorrad die bei der Hingabe von den Parteien vorausgesetzten Eigenschaften aufweist und uneingeschränktes Eigentum des Gläubigers wird. Das BGB scheint indessen auf einem anderen Standpunkt zu stehen und die Tilgungswirkung nach § 364 I auch dann eintreten zu lassen, wenn der Schuldner ein mit Rechts- oder Sachmängeln behaftetes aliud leistet.

ZSS 37, 1916, 365 f. BIDR 64, 1961, 74 f. 134 Ähnlich Jahr, ZSS 80, 1963, 161, 173 A. 81. 135 Kaser, BIDR 64, 1961, 75; Jahr, ZSS 80,1963,173 A. 81. 136 So zutreffend Jahr, ZSS 80, 1963, 173 A. 81. Ebenso bereits für die datio in solutum Römer, Die Leistung an Zahlungsstatt nach dem römischen und gemeinen Recht, 1866, 30 f. 137 In solutum dare. Contenuto e dottrine negoziali nell'adempimento inesatto, Napoli 1970, 1 ff.; dazu Musumeci, IVRA 21, 1970, 347 ff. 138 Vgl. auch Kaser, Das römische Privatrecht 12, 1971, 635 mit A. 7. 139 Dazu näher unten S. 134 ff. 132 133

H. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 39 11. Das Eingreifen der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche bei Leistung eines rechts- oder sachmangelhaften aHud

Nach § 365 hat der Schuldner, der eine Sache, eine Forderung gegen einen Dritten oder ein anderes Recht1 40 an Erfüllungs Statt hingibt, wegen eines Rechts- oder Sachmangels 141 "in gleicher Weise wie ein Verkäufer Gewähr zu leisten". 1. Die Haftung des Schuldners bei Leistung eines rechtsmangelhaften aliud

Wie sich aus den §§ 434, 435, 437 ergibt, kommen die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche infolge eines Rechtsmangels (§ 440), auf die § 365 verweist, nicht nur beim Kauf einer Sache, sondern auch beim Rechtskauf in Betracht142 • Im folgenden sollen die Ergebnisse dargestellt werden, zu denen § 365 bei der Leistung einer rechtsmangelhaften Sache führt1 43 • Grundlage der Erörterung ist der oben144 zitierte Gemälde-Fall. Bei überlassung des Seestücks von Achenbach durch P anstelle des ursprünglich versprochenen Landschaftsbildes von Dahl handelt es sich um eine Hingabe an Erfüllungs Statt; denn an die Stelle der geschuldeten Leistung des Bildes von Dahl soll eine andere, nämlich das 140 Auf die Übernahme einer neuen Forderung dur'ch den Schuldner gegenüber dem Gläubiger an Erfüllungs Statt (dazu oben S. 26 ff.) findet § 365 keine Anwendung. So Schollmeyer, A. 3 zu § 365; Dernburg I Engelmann, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens H 14 , 1909, 327 A. 10; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts H, 1902, 264; Planck I Siber4, A. 5 zu § 365; Oertmann 5 , A. 1 zu § 365; F. Leonhard, Allgemeines Schuldrecht des BGB, 1929, 602; Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, 178; Höhn, Allgemeines Schuldrecht, 1934, 169; Staudinger I Kaduk lO / 11 , Rdnr. 13 zu § 365. Zu den Rechtsfolgen in einem solchen Falle Crome, 264 mit A. 21; Heck, 179. Ist die neue Verbindlichkeit ungültig, so bleibt die alte bestehen (Dernburg I Engelmann, 326; Planck I Siber4, A. 1 zu § 364; Oertmann5 , a.a.O.; F. Leonhard, 602, 639; Staudinger I Kaduk IO/ 11 , Rdnr. 49 zu § 364. Abweichend Crome, a.a.O.; Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts 19 ,1903,806). 141 In Ans'chluß an RGZ 111, 233 (234) will die Literatur auch die Offenbarungspflicht des Schuldners und die aus ihrer Verletzung entspringende Anfechtbarkeit der Einigung über die Hingabe an Erfüllungs Statt wegen arglistiger Täuschung (§ 123) "nach den für den Kaufvertrag darüber bestehenden Regeln" beurteilen. So Reinhold Weber in BGB-RGRKlz, Rdnr. 1 zu § 365. Ebenso Enneccerus I Lehmann, Recht der Schuldverhältnissel5 , 1958, § 65 1 b, S. 264 A. 5; Reimer Schmidt in Soergell Siebert10 , Rdnr. 1 zu § 365; Stau dinger I Kaduk IO / 11 , Rdnr. 37 zu § 365; Palandt I Heinrichs 34, A. 1 zu

§ 365. 143

Dazu ausführlich Staudinger I Kaduk IO/ tt , Rdnrn. 16 - 30 zu § 365. Heck, 177 meint, bei Sachen sei die Annahme an Erfüllungs Statt in vie-

144

S.16.

142

len Fällen zu vermuten, weil Opfer und Befriedigung groß zu sein pflegen. - Zur Rechtsmängelhaftung bei der Abtretung der Forderung gegen einen Dritten durch den Schuldner an den Gläubiger an Erfüllungs Statt siehe Fehr, Die Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902, 36 ff.

§ 3. Rechtsfolgen

40

Seestück von Achenbach, in der Weise treten, daß die Verpflichtung zur Leistung des bisher geschuldeten Gegenstandes erlischt. § 364 I setzt - wie oben erwähnt145 - voraus, daß zuvor eine andere Schuld wirksam begründet worden ist, die durch die an Erfüllungs Statt angenommene Leistung überhaupt getilgt werden kann. Als ursprüngliche Schuld kommt eine solche aus einem Schenkungs versprechen (§ 518) in Betracht. Nach § 518 I ist zur Gültigkeit eines Vertrages, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. "Schenkweise" bedeutet, daß die Zuwendung im beiderseitigen Bewußtsein der Unentgeltlichkeit versprochen wird (vgl. § 516 I). Da es sich im vorliegenden Fall um eine solche Zuwendung handeW 46 , konnte ein Anspruch der Stadt nur bei Einhaltung der Form des § 518 I begründet werden. Wie der Sachverhalt ergibt, ist die notarielle Form gewahrt worden. Die Stadt hatte also einen Anspruch auf Übereignung des Gemäldes von Dahl erworben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß das Bild in Wahrheit dem E gehört, dem es gestohlen worden war. Gemäß § 306 ist zwar ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag nichtig. Hier liegt jedoch, da das Bild ja existiert und nur nicht dem Schenker P, sondern dem E gehört, lediglich ein Unvermögen zur Leistung vor. Das Unvermögen aber ist in § 306 der Unmöglichkeit nicht gleichgestellt, wie auch sonst das Gesetz deutlich zwischen Unmöglichkeit und bloßem Unvermögen zur Leistung unterscheidet (vgl. § 275). Die Zuwendung soll aus dem Vermögen des P erfolgen; denn P glaubte, Eigentümer des Bildes zu sein. Sie muß objektiv auch zu einer Bereicherung der Stadt führen. Würde man die Erfordernisse der Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers und der Bereicherung (§ 516) hier deswegen verneinen, weil das Bild nicht P gehört, so wäre insofern eine Rechtsmängelhaftung aus einer Schenkung überhaupt nicht denkbar. Das ist aber sicher nicht der Standpunkt des Gesetzgebers, der nur dann die Vorschrift über die Rechtsmängelhaftung (§ 523) erlassen konnte, wenn er die Erfordernisse der Schenkung auch in einem solchen Fall für möglich hielt. Zweifel könnten ferner darüber bestehen, ob das Merkmal der Bereicherung (§ 516 I) gegeben ist, weil die Stadt das Bild in ihrer Galerie aufhängen soll. Es handelt sich indessen sehr wohl um eine S.18. Auch die Begründung einer Forderung (etwa aufgrund eines Schenkungsversprechens) stellt eine Zuwendung an den Versprechensempfänger (Beschenkten) dar (Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, 16 mit Na'chweisen A. 4). 145 148

11. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 41 Schenkung, und zwar um eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525). Auch bei dieser Art von Schenkungen muß dem Beschenkten, wie aus § 527 folgt, nach Vollziehung der Auflage immerhin noch eine Bereicherung verbleiben147 • Das ist hier der Fall, da die Stadt das Bild ja behalten soll. Eine Schenkung unter einer Auflage liegt nämlich selbst dann vor, wenn die Auflage entweder der Bereicherung gleichwertig ist oder sogar den Hauptzweck der Schenkung bildet und die Bereicherung des Beschenkten nur als Nebenzweck anzusehen ist148 • Eine Bereicherung der Stadt besteht auch dann, wenn sie das Bild in der Galerie der Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Von einer Schenkung kann freilich dann nicht die Rede sein, wenn einem anderen eine Zuwendung gemacht wird, die er als Durchgangsoder Mittelsperson in vollem Umfang an einen Dritten weitergeben muß, so daß für ihn keine Bereicherung verbleibt 149 • Diese Voraussetzung ist hier aber nicht gegeben; denn der Stadt soll das dauernde Eigentum an dem Bilde verbleiben. Ihre Bereicherung soll eine endgültige, materielle sein, nicht bloß eine formale 150• In der Hingabe des Bildes wäre eine Bereicherung schließlich dann nicht zu finden, wenn der Stadt lediglich fiduziarisches Eigentum übertragen werden sollte. Ein solches Eigentum liegt jedoch nur dann vor, wenn der Eigentümer obligatorisch verpflichtet ist, es bloß in bestimmter Richtung zu gebrauchen und wieder zurück- oder an einen Dritten herauszugeben, nachdem der Zweck der fiduziarischen übertragung erreicht ist151 • Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber ebenfalls nicht. Nach herrschender Meinung 152 sollen nun die kaufrechtlichen Vorschriften über Rechts- und Sachmängel auch dann eingreifen, wenn bei einer Schenkung eine Leistung an Erfüllungs Statt erbracht wird, RGZ 62, 386 (390). RGZ 60, 238 (240); 111, 210 (212); Mezger in BGB-RGRKI2, 1975, Rdnr. 4 zu § 525; Staudinger / Ostler 11 , 1955, Rdnr. 4 zu § 525. 140 RGZ 71, 140 (144); 105, 305 (308); Mezger in BGB-RGRKI2, Rdnr. 4 zu § 525; Staudinger / Ostler 11 , Rdnr. 10 zu § 525. 130 Vgl. RGZ 62, 386 (390). 161 RGZ 62, 386 (391); Staudinger / Ostler 11 , Rdnr. 10 zu § 525. 132 Motive 11, 83; Endemann, 806 A. 8; Klausing, Die Zahlung durch Wechsel und Scheck, 1919, 44 A. 3; Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929, 67 A. 76, 457 A. 8; Jung, Bürgerliches Recht, 1931, 838 f.; Höhn, 171; Enneccerus / Lehmann, § 65 A. 2, S. 263; Reimer Schmidt in Soergel / Siebert lO , Rdnr. 1 zu § 365; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 1 zu § 365; Brox, Allgemeines Schuldrecht3 , 1972, 173 Rdnr. 312 ("de lege ferenda bei einseitig verpfli'chtenden Verträgen abzulehnen"); Staudinger / Kaduk IO/ 11 , Rdnr. 10 zu § 365; Reinhold Weber in BGB-RGRKI2, Rdnr. 4 zu § 365; Palandt / Heinrichs u , A. 1 zu § 365; Larenz, Lehrbuch des Schuld rechts 19 , 1968, 320 A. 2 (abweichend 10. Aufl., 1970, 181 A. 4: § 365 "paßtnur für Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen"). 147

148

42

§ 3. Rechtsfolgen

obwohl die Haftung des Schenkers gemäß den §§ 523, 524 gegenüber der Haftung des Käufers erheblich milder gestaltet ist: Für Rechts- und Sachmängel haftet der Schenk er nur bei arglistigem Verschweigen eines solchen Fehlers (§§ 523 I, 524 I), und zwar nur auf das Vertrauensinteresse, wie sich aus den §§ 523 II, 524 II schließen läßt. Soll der Schenker den Gegenstand erst selbst erwerben, dann haftet er allerdings schon bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von einem solchen Mangel. Die herrschende Lehre beruft sich darauf, daß § 365 für die Schenkung keine Ausnahme enthalte, sondern generell alle Fälle der Hingabe an Erfüllungs Statt regeln wolle. Außerdem ist sie im Hinblick auf die von ihr vertretene Struktur der Leistung an Erfüllungs Statt als eines entgeltlichen Veräußerungsvertrages der Auffassung, gemäß den §§ 445, 493 seien schon logischerweise die Gewährleistungsvorschriften des Kaufs anwendbar l53 • Damit wäre § 365 durchaus überflüssig oder bloß als eine Bestätigung des so gewonnenen Resultats zu betrachteni54 • Danach stehen der Stadt gegen den Kaufmann P die gleichen Rechte zu, die ein Käufer im Falle der Entwehrung des Kaufgegenstandes gegen den Verkäufer geltend machen kann. P ist nicht Eigentümer des Seestücks von Achenbach gewesen, da dieses Bild dem E gestohlen und infolgedessen ein gutgläubiger Eigentumserwerb 155 daran nach § 935 nicht möglich war. Da P also gemäß § 365 in Verbindung mit § 433 I 1 nach wie vor verpflichtet ist, der Stadt das Eigentum an dem Bild zu verschaffen, und diese Verpflichtung bisher nicht erfüllt hat, bestimmen sich die Rechte der Stadt gemäß § 440 I nach den Vorschriften der §§ 320 - 327 156 • Die Anwendung des § 440 I stößt im vorliegenden Fall insofern auf Schwierigkeiten, als die §§ 323 - 325, auf die dort verwiesen wird, nur die nachträglich eingetretene, nicht aber die anfängliche Unmöglichkeit erwähnen. In der Mehrzahl aller Fälle wird es sich bei der Eviktionshaftung jedoch um anfängliche Unmöglichkeit handeln. Da der Gesetzgeber das Anwendungsgebiet der Eviktionshaftung insgesamt regeln wollte, ist nicht anzunehmen, daß § 440 für die Fälle anfänglicher Un153 Vgl. Heck, 178 (unter Nr. 9); SchoHmeyer, A. 2b zu § 365; Reimer Schmidt in Soergel / Sieberpo, Rdnr. 1 zu § 365. 154 Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 1936, 176, bezeichnet es als "nur folgerichtig, wenn § 365 bei Sach- oder Rechtsmangel des an

Erfüllungsstatt geleisteten Gegenstandes die gleiche Haftung eintreten läßt wie bei Verkauf eines Gegenstandes". 155 Es ist selbstverständlich, daß auf die Leistung einer beweglichen Sache an Erfüllungs Statt die §§ 932 ff. Anwendung finden können (Berndorft, Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 21; Endemann, 805 A. 6). 156 Nach Heck, 178 "kommt nicht nur das Kaufrecht zur Anwendung, sondern es greifen auch die §§ 320 ff. ein". Aber das folgt ja gerade aus den §§ 365, 440 I.

H. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 43 möglichkeit ausgeschlossen sein sollte. Daher finden auch die §§ 323 ff. Anwendung. Insoweit beruht die Fassung des § 440 wohl nur auf einem Redaktionsversehen 157. Ferner ist der Unmöglichkeit das Unvermögen gleichzustellen, da es das Hauptanwendungsgebiet der Eviktionshaftung bildet. Es ist deshalb ebenfalls anzunehmen, daß der Gesetzgeber die Fälle des Unvermögens nicht ausschließen wollte l58 • Um Unvermögen handelt es sich auch hier; denn wer eine gestohlene Sache verkauft, ist zur Eigentumsübertragung nur unvermögend. Es können freilich im Falle der Leistung eines rechtsmangelhaften aliud einige der §§ 320 - 327 von vornherein niemals eingreifen.

Von der Anwendbarkeit ausgeschlossen sind zunächst die §§ 320 bis 322 159 ; denn der von diesen Vorschriften vorausgesetzte Tatbestand, daß noch keine der Parteien geleistet hat, ist bei der Leistung an Erfüllungs Statt nicht vorstellbar. Die Wirkungen der Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 I) und damit auch § 365 setzen nämlich voraus, daß der Schuldner das aliud geleistet und der Gläubiger es angenommen hat. Entgegen der herrschenden Meinung160 scheidet auch die Anwendung des § 326 aus; denn das vom Schuldner geleistete aliud war niemals geschuldet, so daß er mit dieser Leistung nicht in Verzug geraten kannl61 • Auch § 324 findet auf die Leistung an Erfüllungs Statt keine Anwendung. Diese Vorschrift betrifft den Fall, in dem der Gläubiger eines gegenseitig verpflichtenden Vertrages dem Schuldner die Leistung unmöglich macht. Die Leistung an Erfüllungs Statt ist jedoch kein gegenseitig verpflichtender Vertrag, weil weder der Schuldner zur Hingabe noch der Gläubiger zur Annahme des aliud verpflichtet ist. Man kann also niemals davon sprechen, daß der Gläubiger die vom Schuldner zu bewirkende Leistung schuldhaft unmöglich gemacht hat1 62 • 157 Heck, 266; vgl. auch Enneccerus I Lehmann, § 107 I, S. 427; Erman I Weitnauer 5 , Rdnr. 7 zu § 440; BalZerstedt in Soergell SiebertlO , Rdnr. 1 zu §§ 440, 441; Fikentscher, Schuldre'cht4, 1973, § 69 IV 2 c, S. 373.

158 Zu den Rechten des Gläubigers in den Fällen, in denen eine rechtsmangelfreie Leistung noch möglich ist, siehe Herbert Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt, Diss. Marburg 1928, 51 ff., 56 ff.; Kurt Hartmann, Rechtsund Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1940, 12 ff. 159 Berndorff, 86; ScholZmeyer, A. 2 a zu § 365; Fürstenau, Die Leistung an Erfüllungsstatt nach bürgerlichem Re'cht, Diss. Königsberg 1923, 33 mit A. 1; Herbert Hartmann, 57; Planck I Siber 4 , A. 1 zu § 365; Erman I H. P. Westermanns, Rdnr. 1 zu § 365; Staudinger I Kaduk IO/ 11 , Rdnr. 23 zu § 365. leo Planck I Siber4, A. 1 zu § 365; ScholZmeyer, A. 2 a zu § 365; Enneccerus I Lehmann, § 26 1 a, S. 263; Herbert Hartmann, 55 f., 59; Kurt Hartmann, 13 ff.; Staudinger I Kaduk IO/ U , Rdnr. 24 zu § 365; OLG Hamm NJW 1975, 1520 (1521). 161 162

Fürstenau, 33. Fürstenau, 33 f.; Kurt Hartmann, 20 mit A. 48.

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§ 3. Rechtsfolgen

Es verbleiben also lediglich die §§ 323 und 325; denn § 327 hat als bloße Verweisungsnorm (Verweisung auf Rücktritts- oder Bereicherungsrecht) keine selbständige Bedeutung. Es kommt nun darauf an, ob sich im Gemälde-Fall die Stadt mit Erfolg auf § 325 oder nur auf § 323 berufen darf. Dies hängt davon ab, ob der Schuldner P sein (anfängliches) Unvermögen zu vertreten hat. Vertretenmüssen und Verschulden sind nicht schlechthin identisch. Es lassen sich vielmehr Fälle denken, in denen der Schuldner auch unverschuldete Umstände vertreten muß (vgl. z. B. §§ 278, 279, 833). Die herrschende Meinung163 will dem Gläubiger ohne Rücksicht darauf, ob den Schuldner bei anfänglichem Unvermögen zur rechtsmangelfreien Leistung ein Verschulden (§ 276) trifft oder nicht, die Rechte aus § 325 zugestehen. Sie begründet diesen Standpunkt mit der Behauptung, daß jeder, der sich zu einer Leistung verpflichtet, nach der Anschauung des täglichen Lebens stillschweigend eine Garantie für seine Leistungsfähigkeit übernehme 164 • In der Literatur ist diese Auffassung schon seit langem bekämpft worden165 • Es wird darauf hingewiesen, daß auch bei nachfolgendem Unvermögen der Schuldner nur für Verschulden hafte (§§ 275 II, 276, 280, 323 ff.) und daß dieser Satz mindestens entsprechend angewendet werden müsse166 • F. Leonhard 167 will dieses Argument nicht gelten las163 Motive II, 45 f., 220; RGZ 69, 355 (357); 73, 210 (211); 80, 247 (250); 81, 59 (63); 99, 232 (234); BGHZ 5, 337 ff.; 8, 222 (231); 11, 16 (22); BGH NJW 1960, 720; 1961, 917; Planck I Sibert , A. 3 b zu § 306 (S. 324 f.), A. 1 zu § 365; Siber, Schuldrecht, 1931, 232; Oertmann 5 , A. 1 b zu § 306; Kreß, 113 f. mit A. 56; Henle, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II (Schuldrecht), 1934, 175; Enneccerus I Le',mann, § 29 II 2, S. 133 f.; A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrechte, 1969, § 28 I 2, S. 148; Brox, Allgemeines Schuldrecht3 , 1972, Rdnrn. 237, 238; Erman I Battes 5 , Rdnr. 21 zu § 306; Fikentscher, § 43 III 4, S. 194 f., § 69 IV 2 c, S. 373; Medicus, Bürgerliches Recht 6, 1973, § 14 I 1 b dd, S. 123; Wilde in BGB-RGRKI1, A. 4 zu § 306; Staudinger I Kaduk 10/ I1 , Rdnr. 4 zu § 306; Palandt I Heinrichs 34 , A. 3 zu § 306; Alff in BGB-RGRK12, Rdnr. 4 zu § 275

mit Rechtsprechung. 16t Dazu Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, 1969, 136 A. 12 mit weiteren Nachweisen. te5 Titze, Die Unmöglichkeit der Leistung nach deutschem bürgerlichen Recht, 1900, 247 ff.; Bürgerliches Recht, Recht der Schuldverhältnisse', 1948, 58; Heck, 142, 266; Hornig in Schlegelberger I Vogels, Rdnrn. 12, 13 zu § 306; Siber, 190; JherJahrb. 50, 1906,231 ff.; Planck I Siber', A. 3 b zu § 306; Herbert Hartmann, 57 ff.; Kurt Hartmann, 18; Zweigert, SJZ 1949, 416; Boehmer, JZ 1953, 392; Erman I Weitnauer 5 , Rdnr. 7 zu § 440; H. P. Westermann, JurA 1969, 133 f.; Gudian, NJW 1971, 1240 f. Recht unklar Erman I Battes 5 , Rdnr. 21 zu § 306: "Eine - wie immer begründete - Einschränkung dürfte für einige Fälle geboten sein, in denen die h. M. zu unhaltbaren Ergebnissen führt." 166 Titze, Die Unmöglichkeit der Leistung nach dem deutschen bürgerlichen Recht, 1900, 247 ff., 252 mit A. 7 u. 8; Heck, 142. Weitere Nachweise bei Beuthien, 135 A. 7. 167 Allgemeines Schuldrecht des BGB, 1929, 315.

II. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 45 sen. Er meint, über die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit könne sich der Schuldner in aller Regel unterrichten, weil er über seine eigenen Verhältnisse Bescheid wissen müsse 168 , jedenfalls stünden ihm diese Fragen weit näher als dem Gläubiger 169 ; eine nachträgliche Unmöglichkeit dagegen entziehe sich sehr häufig jeder Voraussicht des Schuldners und könnte auch durch Umstände begründet sein, die beim Gläubiger liegen. Ähnlich argumentiert Medicus 170 • Er hält es für durchaus gerechtfertigt, wenn für anfängliches Unvermögen strenger gehaftet werden soll als für nachträgliches; eine Garantie für die Zeit des Vertragsschlusses könne dem Schuldner eher "angesonnen" werden als eine Garantie für die Zukunft; daß der Schuldner eine solche Garantie tatsächlich gar nicht übernehmen wolle, sei bedeutungslos; denn dies wolle der Verkäufer bei der Rechtsmangelhaftung auch nicht, "und trotzdem mutet die h. M. sie ihm zu"; die Garantiehaftung bilde jedenfalls den Normalfall; freilich könne der Schuldner seine Garantiehaftung ausschließen, wenn er bei Vertragsschluß sein Leistungsvermögen nicht zuverlässig zu beurteilen vermag; ein solcher Haftungsausschluß lasse sich auch durch Vertragsauslegung ermitteln. Hier folgt Medicus ausdrücklich Esser l71 , der "auf den Inhalt des Vertrages abstellt, inwieweit dieser nach den Umständen eine Garantie für die Lieferungsmöglichkeit enthält". Im Grunde steht Essers Ansicht - mit Recht - völlig im Gegensatz zur herrschenden Meinung, wenn er ausführt: "Der Hinweis auf eine Art Garantieversprechen bedeutet sachlich nur, daß Umstände zu suchen sind, die solche Garantieelemente aufzeigen." Es ist durchaus gerechtfertigt, den Verkäufer haften zu lassen, wenn er seine Beschaffungsschwierigkeiten kennt und sich trotzdem vorbehaltlos zur Leistung verpflichtet; denn dann handelt er fahrlässig. Man kann auch bei der Rechtsmängelhaftung der §§ 434 H. nicht zu einer rigorosen Haftung des Verkäufers gelangen. Es muß "je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls der Sinn des Vertrages ermittelt und die Frage gestellt werden, ob das vom Schuldner gegebene Versprechen diesem nach Treu und Glauben das volle Erfüllungs168 Vgl. auch Reimer Schmidt in Soergel/ Siebert lO , Rdnr. 22 vor § 275; Medicus, § 14 11 b dd, S. 123. 189 Weitere Argumente gegen den Vergleich: 1. Anfängliches Unvermögen im Sinne einer schuldhaften Verletzung der Leistungspflicht (§§ 280 I, 325 I)

habe der Schuldner nie zu vertreten, weil er vor und bei Vertragsabschluß noch nicht zur Leistung verpflichtet sei (Kreß, 114 A. 56; Beuthien, 135). 2. Vor und bei Vertrags abschluß komme als Verletzung der Pflicht des Schuldners, die eigene Leistungsfähigkeit zu prüfen, nur Verschulden bei Vertragsschluß in Betracht, das allenfalls zum Ersatz des negativen Interesses verpflichte (Oertmann 5 , A. 1 b zu § 306, S. 228; AcP 140, 1935, 146, 148 f.; Boehmer, JZ 1953, 392; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts po, 1970, § 8 II, S. 86 f.). 170 Bürgerliches RechtS, 1973, § 14 I 1 b dd, S. 123. m Schuldrecht I., 1970, § 33 II 2, S. 206 f.

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§ 3.

Rechtsfolgen

risiko auferlegt"172. In ähnlicher Weise spricht sich Beuthien173 gegen die herrschende Meinung für den Gesichtspunkt der Risikozurechnung aus. Den Schuldner treffe eine Haftung "für alle in seinen Gefahrenbereich fallenden anfänglichen, persönlichen Leistungshindernisse"174. Demgegenüber befürworten A. Blomeyer 175 und Larenz 176 bei den kaufrechtlichen Rechtsmängelansprüchen die Haftung des Käufers auch ohne Verschulden, obwohl sonst bei anfänglichem Unvermögen Blomeyer der Auffassung Essers von der Risikoverteilung und Larenz im Anschluß an Oertmann "die Zulänglichkeit des eigenen Geschäftskreises" des Schuldners berücksichtigen will. Man muß jedoch auch bei den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen infolge rechts mangelhafter Leistung für die Haftung des Schuldners nach den §§ 440 I, 323 ff. sein Verschulden für erforderlich erachten. Es ist hier nicht gerechtfertigt, ihn haften zu lassen, wenn er ohne Fahrlässigkeit an seine unbeschränkte Leistungsfähigkeit geglaubt hat. Die Behauptung, nach der Verkehrsanschauung leiste jeder, der eine Leistung verspricht, schlechthin für seine Leistungsfähigkeit Garantie, widerspricht der Wirklichkeit und enthält eine unzulässige Unterstellung des Parteiwillens 177 • Nach der Verkehrs anschauung übernimmt niemand aufgrund des Vertrages "begrifflich und unmittelbar"178 für seine Leistungsfähigkeit Garantie, sondern nur dafür, daß er zu ihrer Prüfung die normale, verkehrsübliche Sorgfalt angewendet hat. Man darf mithin zwar verlangen, daß sich derjenige, der sich zu einer Leistung verpflichtet, vor dem Vertragsabschluß vergewissern muß, ob ihm die Leistung möglich ist oder später möglich sein wird179 • Es geht aber zu weit, von ihm zu fordern,daß er in der Lage zu sein hat, die Leistung zu gewähren180. Außerdem ist kein Grund vorhanden, den Verkäufer bei einem Rechtsmangel stets auch ohne Verschulden sofort auf Schadensersatz haften zu lassen (§§ 440 I, 325), während bei einem Sachmangel eine Pflicht zum Schadensersatz nur entsteht, wenn der Verkäufer den Fehler arglistig verschwiegen oder Mangelfreiheit zugesichert hat (§ 463). Nach dem Sachverhalt besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß P sein Unvermögen zur Leistung eines rechtsmangelfreien Bildes verschuldet 172 Esser, § 33 II 2, S. 207. 134 - 140. 137. 175 148. 178 87. 177 F. Leonhard, 315; Kurt Hartmann, 37, 38. 178 Motive II, 216. 178 BGH NJW 1960, 720. 180 BGH NJW 1960, 720. 173

174

11. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 47 hat. Zwar mag es im ersten Augenblick schwierig sein, sich ein auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit (§ 276) beruhendes anfängliches Unvermögen vorzustellen. Aber es ist dennoch durchaus denkbar, daß der Schuldner die Verbindlichkeit zur Leistung des betreffenden Gegenstandes eingeht, ohne sich über seine Leistungsfähigkeit zu vergewissern (Fahrlässigkeit). Ja es kann sogar vorkommen, daß er die Verbindlichkeit eingeht, obwohl er weiß, daß er zur Leistung außerstande ist (Vorsatz). Ein solches Verhalten ist dem P nach dem Sachverhalt aber nicht vorzuwerfen. Im Gemälde-Fall bestimmen sich also die Rechte der Stadt ausschließlich nach § 323. Hier ist vorab darauf hinzuweisen, daß § 323 unterscheidet, ob die Gegenleistung schon bewirkt ist (Absatz III) oder noch nicht (Absätze I und II). Bei der Leistung an Erfüllungs Statt handelt es sich jedoch stets darum, daß der Schuldner das aliud bereits geleistet hat, bevor es überhaupt zu den Rechten des § 365 kommen kann. Aus diesem Grunde ist bei der Leistung an Erfüllungs Statt nur die Anwendbarkeit des § 323 III denkbar 181 • Gemäß dieser Vorschrift kann der Gläubiger als Empfänger des rechtsmangelhaften aliud das von ihm Geleistete nach den Regeln über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff.) zurückverlangen. Welchen Inhalt ein solcher Bereicherungsanspruch hat, ist streitig. Die herrschende Lehre 182 behauptet, der Schuldner sei in erster Linie zur Wiederherstellung der alten Verbindlichkeit verpflichtet. Ist ihm das jedoch im Einzelfall aus irgendwelchen Gründen nicht möglich, so kommt es nach herrschender Meinung nicht darauf an, ob er die Unmöglichkeit zu vertreten habe oder nicht, sondern er sei dann nach § 818 II zum Wertersatz verpflichtet. Entgegen dieser Auffassung nehmen Endemann 183 , Oertmann 184 und Schollmeyer 185 an, der Gläubiger könne regelmäßig nur Wertersatz (§ 818 II), nicht aber Wiederherstellung der ursprünglichen VerbindFürstenau, 35. W. Kisch, GrünhutsZ 29, 1902, 536; van Koolwyk, Hingabe an Erfüllungsstatt nach dem BGB, Diss. Leipzig 1902, 41; Planck / Siber', A. 1 zu § 365; Herbert Hartmann, 60; Rampe, Haftung für Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungs Statt, Diss. Leipzig 1933, 9; Ceglarek, Die Folgen der rechtsmangelhaften Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1935, 11; Kurt Hartmann, 19; Enneccerus / Lehmann, § 65 1 a und b mit A. 4, S. 264; Reimer Schmidt in Soergel/ Sieberpo, Rdnr. 2 zu § 365; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 2 zu § 365; Stau dinger / Kaduk lO/ 11 , Rdnr. 29 zu § 365. 183 Lehrbuch des Bürgerlichen Re'chts 19, 805 A. 7. 18' A. 2 a zu § 365: Der Schuldner hafte "sofort auf den Betrag, den er 181

182

durch seinen Wegfall gewonnen hatte". 185 Recht der Schuldverhältnisse, A. 2 a ß zu § 365. Dagegen W. Kisch, GrünhutsZ 29, 1902, 536.

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§ 3. Rechtsfolgen

lichkeit fordern 186 ; denn die Wiederherstellung der Forderung sei rechtlich stets unmöglich. Die genannten Autoren führen zur Begründung aus: Der Schuldner könne sich zwar zu einer inhaltlich gleichen Leistung verpflichten, wie er sie aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis geschuldet habe; dies stelle aber nicht die Wiederherstellung der alten Forderung dar; denn die neue Forderung werde auf jeden Fall einen anderen Rechtsgrund haben als die alte; das zeige sich am deutlichsten dann, wenn die bisherige Forderung ihren Entstehungsgrund im Gesetz oder in einer Verfügung von Todes wegen hatte; dann sei es ganz offensichtlich, daß die Wiederbegründung einer Forderung mit demselben Rechtsgrund ausgeschlossen sei; aber selbst wenn ein vertraglich begründeter Anspruch durch Leistung an Erfüllungs Statt einmal erloschen sei, komme die Wiederherstellung einer inhaltsgleichen Forderung mit demselben Rechtsgrund nicht in Frage, da die wirkliche Wiederherstellung des ganzen ursprünglichen Schuldverhältnisses doch ausgeschlossen sei; im übrigen stünden auch der prozessualen Durchsetzung eines Anspruchs auf Wiederbegründung der alten Forderung derartige Schwierigkeiten entgegen, daß es als ein erheblicher Mangel des Gesetzes angesehen werden müßte, wenn der Gläubiger nicht auf eine andere Art zu seinem Recht gelangen könnte; denn klage der Gläubiger gegen den Schuldner zunächst auf Begründung der neuen Verbindlichkeit, so sei mit der Rechtskraft eines obsiegenden Urteils wohl das Schuldverhältnis zustandegekommen (§ 894 ZPO), der Gläubiger aber noch keineswegs befriedigt; vielmehr bleibe er gezwungen, einen zweiten Prozeß auf Erfüllung der neuen Verbindlichkeit anzustrengen187. Der herrschenden Lehre gebührt indessen der Vorzug. Eine Wiederherstellung im Rechtssinne liegt bereits dann vor, wenn der Schuldner eine der früheren Forderung inhaltsgleiche Verbindlichkeit begründet188 • Es kommt nicht darauf an, ob die neue Forderung auf einer anderen Kausa beruht als die alte. Entscheidend ist vielmehr, daß sie dem Gläubiger die gleichen Rechte gewährt wie die ursprüngliche. Denn 185 Ebenso Quander, Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Rostock 1903, 636; Berndorfj, Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 89, 90 f.; Mickel, Hingabe an Erfüllungsstatt nac...'l dem BGB, Diss. Heidelberg 1905, 57; Rudolf Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt nach dem Rechte des BGB, Diss.

Leipzig 1905, 43; BeHtz, Die Hingabe an Erfüllungsstatt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Diss. Rostock 1906, 51; Ebhardt, Die Annahme an Erfüllungsstatt nach dem Rechte des BGB, Diss. Leipzig 1914, 64; Fürstenau, 37;

H. Gerlach, 66 ff.

Siehe zum Vorstehenden Kurt Hartmann, 15 f. W. Kisch, GrünhutsZ 29, 1902, 536; Planck / Siber', A. 3 a a zu § 249 (S. 68), A. 1 zu § 365 (S. 483); F. Leonhard, 602; Herbert Hartmann, 58 f.; Kurt Hartmann, 19; Nastelski in BGB-RGRKll, A. 11 zu § 249; Enneccerus / Lehmann, § 65. 1 a, S. 264; Erman / Sirp5, Rdnr. 50 zu § 249; Staudinger / Kaduk IO / 11 , Rdnr. 26 zu § 365 mit weiteren Nachweisen. 187

188

II. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 49 dann muß es dem Gläubiger gleichgültig sein, ob sein neuer Anspruch statt wie bisher aus einem Kaufvertrag nunmehr aus einer abstrakten Verbindlichkeit herrührt 189 • Unbegründet ist auch SchoUmeyers Einwand, wonach die Schwierigkeiten der prozessualen Durchführung einer Klage auf Wiederherstellung der alten Verbindlichkeit so groß seien, daß es richtiger wäre, dem Gläubiger einen direkten Anspruch auf Wertersatz zuzusprechen. Es hat sich nämlich mit Recht die Auffassung durchgesetzt, daß der Gläubiger im Prozeß sogleich Erfüllung des wieder zu begründenden Anspruchs verlangen kann190 • Es wäre in der Tat leerer Formalismus, zunächst nur eine Klage auf Neubegründung der ursprünglichen Forderung zuzulassen. Fürstenau 191 weist ferner darauf hin, es sei dem Schuldner insbesondere dann unmöglich, die alte Forderung in ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen, wenn sie durch Bürgen oder Pfandrechte gesichert war; denn wenn sich auch der Schuldner wieder zum Schuldner seiner alten Verbindlichkeit machen könne, so seien doch die Bürgschaften und Pfandrechte durch das Erlöschen der alten Verbindlichkeit untergegangen. Es sei dem Schuldner unmöglich, den Bürgen ohne dessen Einverständnis wieder zum Bürgen zu machen und einen Gegenstand zu verpfänden, über den er nicht verfügen kann.

Aber diese Bedenken sind unbegründet. Dem Gläubiger steht aufgrund des ursprünglichen Kausalvertrages ein Anrecht192 auf Empfangnahme und Behalten des alten Leistungsgegenstandes zu. Bürgschaft und Pfandrecht sichern dieses Anrecht, nicht etwa die ursprüngliche Forderung, die ja als bloßes schuldrechtliches Durchsetzungsmittel (§ 194) neben andere obligatorische oder dingliche Sicherungs behelfe (Bürgen, Pfänder) triW 93 • Die Wirkung der Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 I) erstreckt sich dann nicht auf das Anrecht, wenn es in189

Kurt Hartmann, 16.

BGHZ 46, 338 (342 f.); Enneccerus / Lehmann, § 65. 1 a, S. 264; Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 2 zu § 365; Esser, Schuldrecht 14, 1970, § 26 VII 2, S. 163; Staudinger / Kaduk lO/ 11 , Rdnr. 28 zu § 365; Palandt / Heinrichs 3 4, A. 1 zu § 365. Ebenso bereits Kurt Hartmann, 16 mit A. 36. 190

191

36 f.

Zu diesem Begriff von Lübtow, JR 1950, 493 f.; Festschrift für H. Lehmann I, 1956, 328 ff.; JuS 1963, 176 f.; Die Entwicklung des Darlehensbegriffs im römischen und im geltenden Recht, 1965, 160 f.; Festschrift für Fragistas, 1966, 262 f. Zustimmend zu diesem Anrechtsbegriff neuestens Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsproblem im Zivilprozeß, 1970, 87 ff. Siehe ferner unten S. 135 f. 193 von Lübtow, Die Entwicklung des Darlehensbegriffs im römischen und im geltenden Recht, 1965, 160 f. mit A. 913, 914; Festschrift für Fragistas, 192

1966,262.

4 Harder

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§

3. Rechtsfolgen

folge eines rechts- oder sachmangelhaften aliud nicht zur Befriedigung des Gläubigers gekommen ist194 • Als Ergebnis ist also festzuhalten, daß P der Stadt nach § 323 III die Forderung auf schenkweise Übereignung des Landschaftsbildes von Dahl wieder einräumen und erfüllen muß. Diese Verpflichtung nutzt der Stadt freilich nichts, da ja auch dieses Bild nicht dem P gehört, sondern gestohlen worden war. Wie bereits bemerkt195 , billigt die herrschende Meinung in Fällen des § 440 I dem Gläubiger bei anfänglichem Unvermögen des Schuldners ohne Rücksicht darauf, ob diesen ein Verschulden trifft oder nicht, die Rechte aus § 325 zu. Diese Auffassung hat sich als verfehlt herausgestellt196 • Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich vielmehr nur dann nach § 325, wenn der Schuldner sein Unvermögen zu vertreten hat. Dem Gläubiger steht dann ein Wahlrecht zu. Er kann entweder 1. die Rechte aus § 323 geltend machen, das heißt Wiederherstellung der alten Forderung nach Maßgabe der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Ferner kann der Gläubiger gemäß § 325 wählen, ob er 2. von der Leistung an Erfüllungs Statt zurücktreten oder 3. Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen will. Ebenso umstritten wie die Frage, welchen Inhalt der Bereicherungsanspruch des Gläubigers nach § 323 III hat197 , ist in der Literatur das Problem, welche Rechte dem Gläubiger beim Rücktritt von einer Annahme an Erfüllungs Statt zustehen. Tritt der Gläubiger nämlich zurück, so ergeben die §§ 346, 347, auf die § 327 S. 1 in Verbindung mit § 325 I 1 verweist, daß die ursprüngliche Forderung nicht von selbst wieder auflebt198 , sondern daß nur neue gegenseitige Verpflichtungen zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen entstehen199 • 194 Abweichend die herrschende Lehre. Siehe Kurt Hartmann, 27 ff.; StauKaduk 10/ ll , Rdnr. 27 zu § 365. Vgl. auch oben S. 38. 195 Oben S. 44. 196 Oben S. 44 ff. 197 Dazu oben S. 47 ff. 198 Motive II, 83; Dernburg / Engelmann, 327 mit A. 9; Oertmann 5 , A. 2 a zu § 365; Planck / Siber" A. 1 zu § 365, S. 483; Enneccerus / Lehmann, § 65. 1 a, S. 264; Esser, § 26 VII 2, S. 163; Erman / H. P. Westermann 5, Rdnr. 2 zu § 365; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 3 zu § 365; Palandt / Heinrichs 34 , A. 1 zu § 365. - Nicht zu billigen ist in diesem Zusammenhang die Auffassung von Fikentscher (Schuldrecht" 1973, § 39 I 1, S. 163). Er meint: § 346 beziehe sich auf Schuldverhältnisse, durch die Verpflichtungen begründet werden. Bei der Leistung an Erfüllungs Statt dagegen handele es sich um eine Verfügung. Damit erhebe sich die Frage, wie sich die Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf eine Verfügung auswirke. Da Verfügungen unmittelbar auf Rechte einwirkten, müsse die Rückgängigmachung der Verfügung ebenso unmittelbar die Einwirkung beseitigen. Die Konsequenz könne nur sein, daß die Forderung des Gläubigers mit dem Zeitpunkt des Rücktritts als Erklädinger /

II. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 51 Nach herrschender Lehre 200 ist der Schuldner in einem solchen Fall in erster Linie zur Wiederherstellung der alten Verbindlichkeit verpflichtet. Ist ihm dies aus irgendwelchen Gründen im Einzelfall nicht möglich, so komme es, wird argumentiert, darauf an, ob er die Unmöglichkeit zu vertreten habe oder nicht. Müsse er sie vertreten, dann könne der Gläubiger nach Maßgabe des § 347 Schadensersatz verlangen, andernfalls finde § 346 S. 2 Anwendung, obwohl diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht passe. Sie sei hier jedoch entsprechend anzuwenden; denn sie enthalte den allgemeinen Rechtsgedanken, daß im Falle nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Rückgewähr der empfangenen Leistung ihr Wert zu vergüten sei201 . Schollmeyer 202 und Endemann 203 vertreten demgegenüber den Standpunkt, der Gläubiger könne im Falle des Rücktritts stets nur Schadens-

rung von selbst wieder auflebe. Nur eine solche Regelung sichere den Gläubiger voll. Allerdings entstehe entsprechend den Rücktrittsvorschriften die Forderung lediglich ex nune, so daß sie eine Zeitlang nicht bestanden habe. Sie entstehe aber so wieder, wie sie ursprünglich bestanden habe, mit allen Vor- und Nachteilen, Einwendungen und Einreden. Damit hänge es auch zusammen, daß im Gegensatz zur herrschenden Meinung Sicherungsrechte wie z. B. Bürgschaften, welche für die untergegangene Forderung bestellt waren, wieder aufleben. Unrichtig ferner Heck, 178 ("die alte Forderung tritt wieder in Geltung"). Auch Siber, 122, hält die Annahme des aliud durch den Gläubiger für eine Verfügung über seine Forderung, und zwar nicht wie bei dem Erlaßvertrag (§ 397) für eine reine, sondern für eine "Äquivalentverfügung" (ebenso bereits Planck / Siber" A. 1 zu § 364, A. 1 zu § 365). - Gegen die Charakterisierung der Erfüllung (§ 362 I) als einer Verfügung zutreffend Esser, Schuldre'cht I" 1970, § 26 I 3, S. 151, was auch für die Leistung an Erfüllungs Statt gelten muß, obwohl Esser (§ 26 VII 2, S. 163) hier von der "verfügenden Natur" spricht. Gegen die Meinung, die Annahme der Leistung bei der Erfüllung sei Verfügung über die Forderung auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts po, 1970, § 18 I 4, S. 175 mit weiteren Nachweisen A. 1, und jetzt ausführlich Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974,60 ff. 199 Kurt Hartmann, 14. Ein Rückgriff auf die alte Forderung ist nach Auffassung einiger Autoren nur möglich, wenn der Gläubiger die datio in solutum unter der auflösenden Bedingung (§ 158 II) eingeht, daß das aliud weder an einem Rechts- noch an einem Sachmangel leidet. Tritt die Bedingung ein, so kann der Gläubiger die - ja nicht erloschene - alte Forderung geltend machen. So Schollmeyer, A. 1 zu § 365; Dernburg / Engelmann, 327; Crome, 264 A. 18; Oertmann 5 , A. 1 zu § 365. F. Leonhard, 595 meint, daß dieses Ergebnis durch § 365 ausdrücklich ausgeschlossen werde und auch wenig erfreulich sei. 200 Dernburg / Engelmann, 327 A. 9; van Koolwyk, 41; Planck / Siber4, A. II 1 b ß zu § 365; Herbert Hartmann, 59 f.; Kreß, 457; Rampe, 9; Ceglarek, 11; Kurt Hartmann, 15; Enneccerus / Lehmann, § 65. 1 a, S. 264; BGHZ 46, 338 (342); Reimer Schmidt in Soergel/ Siebertl°, Rdnr. 2 zu § 365; Esser, § 26 VII 2, S. 163; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 2 zu § 365; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 3 zu § 365; Staudinger / Kaduk 10!11, Rdnrn. 26 - 28 zu § 365. 201 Siehe Kurt Hartmann, 14 f. 202 A. 2 a r zu § 365. 203 805 A. 7.

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ersatz nach Maßgabe des § 347 S. 1 verlangen, weil eben die Wiederherstellung der alten Forderung rechtlich unmöglich sei204 • Von einer Unmöglichkeit der Wiederherstellung der alten Forderung kann jedoch keine Rede sein 205 • Die Streitfrage ist aus denselben Gründen, wie sie oben zu § 323 III dargelegt worden sind, im Sinne der herrschenden Lehre zu entscheiden. Der Gläubiger hat schließlich auch das Recht, gemäß § 325 I 1 Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu wählen. Ist - wie im hier besprochenen Fall - eine bewegliche Sache an Erfüllungs Statt hingegeben, dann kann der Gläubiger allerdings Schadensersatz nur verlangen, wenn die Voraussetzungen der Absätze II bis IV des § 440 gegeben sind. Das Gesetz steht nämlich auf dem Standpunkt, daß dem Gläubiger durch die bloße Behauptung eines Dritten, er sei zum Besitz der Sache berechtigt, allein noch kein Schaden entsteht206 • Es nimmt einen solchen Schaden vielmehr erst dann an, wenn der Gläubiger dem Dritten die Sache mit Rücksicht auf dessen Recht herausgegeben oder sie dem Schuldner zurückgewährt hat oder die Sache untergegangen ist (§ 440 I1). Dadurch soll die Unbilligkeit verhindert werden, die darin liegen kann, daß der Gläubiger im Genuß der Sache bleibt, dem Rückgabeanspruch des Schuldners den Einwand aus dem Kaufvertrag entgegenhält und gleichzeitig Schadensersatz ver langt 207 • Fordert der Gläubiger Schadensersatz, dann kann er vom Schuldner verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner die Leistung an Erfüllungs Statt ordnungsgemäß erbracht hätte. Er kann also sein volles Interesse an dieser Leistung in der Form eines Geldanspruchs geltend machen208 • Dies wird von Fürstenau 20D bestritten. Er meint: Als Grundlage für die Schadensersatzforderung des Gläubigers komme grundsätzlich der Wert des aufgegebenen ursprünglichen Anspruchs in Betracht; denn bei der Leistung an Erfüllungs Statt gebe nicht die neue Leistung, son204 Ebenso Quander, 63; Berndorjj, 92; Mickel, 57; Rudolj Hartmann, 43; Belitz, 51 ff.; Ebhardt, 64. 205 Siehe dazu auch Fürstenau, 38 ff.

Motive H, 217 f. RGZ 117, 335 (337); BGHZ 5, 337 (341); Staudinger / Ostler11 , Rdnr. 22 zu § 440; Palandt / Putzo 34, A. 2 zu §§ 440, 441. 208 Kurt Hartmann, 14. Vgl. auch Medicus, § 14 I 2 bund c, S. 124; Palandt / Heinrichs 34, A. 3 und 4 zu § 325 mit umfangreichen Nachweisen aus Literatur und Judikatur. Zu § 325 I 2 (teilweise Unmöglichkeit) siehe OLG Hamm NJW 1975, 1520 (1521). 209 Die Leistung an Erfüllungsstatt nach bürgerlichem Recht, Diss. Königsberg 1923, 42, 43, 44. 206

207

II. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 53 dem die alte Verbindlichkeit den Ausschlag; demgemäß müsse eben die ursprüngliche Forderung für die Höhe des dem Gläubiger zustehenden Schadensersatzes bei mangelhafter Leistung maßgebend sein; dies folge schon aus der Erwägung, daß sich der Gläubiger nicht mit dem Wert der geringeren Leistung zu begnügen brauche, wenn er zum Beispiel eine im Verhältnis zur bisherigen Forderung weniger wertvolle Leistung an Erfüllungs Statt angenommen habe. Damit setzt sich Fürstenau aber in Widerspruch mit dem Gesetz. Denn § 365 gewährt dem Gläubiger die vollen Rechte eines Käufers gerade im Hinblick auf die neue Leistung, mithin also auch nur das Recht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung dieser Leistung zu fordern 210 • Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß die Stadt für den Fall, daß P sein Unvermögen zur Übereignung des Achenbach zu vertreten hat, entweder die Rechte nach § 323 geltend machen oder von der Leistung an Erfüllungs Statt zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. Dieses Ergebnis, zu dem die Anwendbarkeit der §§ 364 I, 365, 440 zwingt, ist völlig untragbar 211 , wenn man bedenkt, daß P der Stadt lediglich ein Bild schenken wollte. Als Schenker haftet P für Rechtsmängel der schenkweise geschuldeten Sache (Landschaftsbild von Dahl) nämlich nur in den Grenzen des § 523. Da es sich bei dem Bild nicht um einen erst zwecks Erfüllung des Schenkungsversprechens vom Schuldner zu erwerbenden Gegenstand handelt, kommt Absatz I dieser Vorschrift zur Anwendung, wonach P nur unter der Voraussetzung zum Schadensersatz verpflichtet ist, daß er sein fehlendes Eigentum arglistig verschwiegen hat. Dies scheidet nach dem Sachverhalt aus. Selbst wenn aber ein arglistiges Verschweigen gegeben wäre, hätte die Stadt keinen Anspruch erworben; denn der Schadensersatzanspruch des § 523 I betrifft nicht das Erfüllungsinteresse, sondern bloß den sogenannten Vertrauensschaden 212 • Der Schenker ist nämlich nur verpflichtet, den Gegenstand der Schenkung so zu übertragen, wie er ihn selbst innehatte; die Haftung des Schenkers gemäß § 523 I soll den Beschenkten lediglich vor Schäden durch böswillige Schenkungen schützen 213 • 210 So zutreffend Kurt Hartmann, 14. 211 Stampe, Das Causa-Problem des Civilrechts, 1904,7 f.; F. Leonhard, 600: "ein ganz unerträgli'ches Ergebnis"; von Tuhr, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II 2, 1918, 147 A. 63: "verfehlt"; Kurt Hartmann, 39.

212 Protokolle II, 27; Staudinger / Ostler 11 , Rdnr. 3 zu § 523; Palandt / Putzo 34, A. 2 b zu § 523; Erman / H. H. Seilers, Rdnr. 1 zu § 523; Ballerstedt in Soergel/ Siebert10, Rdnr. 2 zu § 523; Enneccerus / Lehmann, § 121 I, S. 492; Esser, Schuld recht II4, 1971, § 67 II 2, S. 84. 213 Protokolle II, 27.

§ 3. Rechtsfolgen

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Um mit Stampe 214 zu sprechen, wird § 365 in den Fällen geradezu zum Lotteriespiel, in denen der Schuldner nach dem Grundverhältnis geringer haftet als ein Verkäufer. Stampe 215 bemerkt mit Recht: "Hätte der Schenker den Dahl geleistet, so würde er nach § 523 von jeder Haftung frei sein; die in solutum datio ist ihm verhängnisvoll geworden; und selbst wenn nicht P, sondern etwa der Galeriedirektor, dem der Achenbach die passende Erwerbung zu sein schien, den Anstoß zu jener mündlichen Unterredung gab, bleibt die Rechtswirkung die gleiche." Ebenso kritisch äußert sich Gustav Boehmer 216 : "Es war ein unverständlicher Rückfall in rein konstruktives Denken, den Schuldner stets, unabhängig von der causa, bei Rechts- und Sachmängeln der scharfen Haftung eines Verkäufers zu unterwerfen, - also auch dann, wenn die causa ein Schenkungsversprechen war, bei dessen primärer Erfüllung der Schuldner nur für arglistig verschwiegene Rechts- und Sachmängel auf das negative Interesse gehaftet hätte! Hier wirkte die konstruktive Idee, daß der datio in solutum ein Novationsvertrag zugrunde liege, der die alte Schuld aufhebe und eine neue entgeltliche causa schaffe, verhängnisvoll nach. Das BGB hat leider diesen Fehlgriff in § 365 nachgeahmt: es läßt den ersatzleistenden Schuldner unterschiedslos nach Kaufrecht haften. Diese Konsequenz ist so unsinnig, daß sie in der heutigen Literatur weitgehend abgelehnt wird: bei unentgeltlicher causa sollen vielmehr die §§ 523, 524 entsprechend anzuwenden sein 217 • Aber immer noch wird die alte Auffassung, gestützt durch Motive 218 , vielfach vertreten: so von Endemann219 , RGRK-Löscher220 und Enneccerus / Lehmann 221 • Besonders bei letzterem wird die ganze begriffsscholastische Apparatur erneut exerziert: die ,Hingabeabrede' sei ,das obligatorische Kausalgeschäft für die Aufhebung', sie sei ,auf entgeltliche Veräußerung gerichtet und würde daher auch ohne § 365 den Tatbestand der §§ 445 und 493 222 erfüllen'! Selbst der sonst so funktional und teleolo214 Causa-Problem, 7 f. 215 Causa-Problem, 7 f. Zustimmend Kurt Hartmann, 39. 216 Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung II 1, 1951, 81 f. 217 Boehmer zitiert hier Planck I Siber 4 , 1914, A. 6 zu § 365; Oertmann5 , 1928, A. 2 zu § 365; Entgeltliche Geschäfte, 1912, 96 f.; Klein, Hess. Rspr. 1905, 55 f.; LZ 1917, 954; Stampe, Das ,Causa-Problem' des Civilrechts, 1904, 7 f., 43 f.; Berndorff; Boehmer, JurLitBlatt 1913, 54. Nachzutragen sind Pescatore, Die Wahlschuldverhältnisse, 1905, 283 A. 8; von Tuhr, 147 A. 63; F. Leonhard, 600; Henle, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts II (Schuldrecht), 1934,669; A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht4 , 1969, § 38 III 2 a, S. 232; Esser, Schuldrecht2 , 1960, § 72.3, S. 306; Schuldrecht 14, 1970, § 26 VII 2, S. 162 f. 218 II, 83 a. E. 219 220 221 222

806 A. 8. A. 2 zu § 365. § 65 A. 2, S. 263. Verdruckt in § 449.

H. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 55 gisch denkende Philipp Heck 223 hat sich hier von der Attraktionskraft dieser Denkmethode noch nicht freimachen können."

2. Die Haftung des Schuldners bei Leistung eines sachmangelhaften aliud224 Um die Leistung eines sachmangelhaften aliud an Erfüllungs Statt geht es in dem oben 225 angeführten Citroen-Fall226 • Ein anderes einschlägiges Beispiel gibt Cosack 227 ; Gut hat Bahr einen Kunstschrank verkauft, bestimmt aber, da ihm auf den Schrank ein höheres Angebot gemacht wird, Bahr, an Erfüllungs Statt einen alten Perserteppich anzunehmen; nachträglich wird festgestellt, daß der Teppich, ohne daß dies für Gut oder Bahr erkennbar war, an erheblichen Mängeln leidet. Weist die an Erfüllungs Statt geleistete Sache - eine Sachmängelhaftung kommt überhaupt nur bei Leistung eines körperlichen Gegenstandes (§ 90) an Erfüllungs Statt in Betracht228 - zum Zeitpunkt der Annahme durch den Gläubiger einen Sachmangel auf, so greifen gemäß § 365 die Gewährleistungsansprüche der §§ 459 H. ein229 , also vor allem die Ansprüche auf Wandelung oder Minderung (§ 462). Da auf die Wandelung die Vorschriften über den Rücktritt entsprechende Anwendung finden (§ 467), hat der Schuldner hier ebenso wie im Falle des Rücktritts 230 die ursprüngliche Forderung wieder zu begründen 231 • Ein auto223178Nr.9. 224 Dazu für das Römisch-Gemeine Recht Römer, Die Leistung an Zahlungsstatt nach dem römischen und gemeinen Recht, 1866, 114 ff.; von Vangerow, Lehrbuch der Pandekten HF, 1869, 171 Nr. 6. 225 Siehe S. 14. 22ft BGHZ 46, 338 ff. 227 Cosack / Mitteis, Lehrbuch des bürgerlichen Re'chts 18,1927,460. 228 Nicht bei übernahme einer neuen Verbindlichkeit an Erfüllungs Statt (Fehr, Die Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1902, 30). 229 Hier wie sonst ist eine Anfechtung nach § 119 H wegen des Sachmangels, der die Gewährleistungshaftung begründet, ausgeschlossen. Speziell zu § 365 Friedländer, Wer haftet dem Gläubiger für Mangel einer Sache, die er für die Leistung seines Schuldners von einem Dritten an Erfüllungsstatt angenommen hat?, Diss. Greifswald 1904, 35 ff.; Kurt Hartmann, Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1940, 24 f. 230 Siehe oben S. 50 ff. 23! Planck / Siber4, A. 2 zu § 365; Fehr, 30 ff., 32; Oertmanns, A. 2 a zu § 365 mit weiteren Nachweisen; Enneccerus / Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse!5, 1958, § 65.1 b, S. 264; Laufs, NJW 1965, 1233; Dubischar, JZ 1969, 177; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 2 zu § 365; Reimer Schmidt in Soergel/ Siebertl°, Rdnr. 2 zu § 365; Staudinger / Kaduk!o/l1, Rdnr. 35 zu § 365; Reinhold Weber in BGB-RGRK!2, Rdnr. 3 zu § 365; Palandt / Heinrichs 34 , A. 1 zu § 365. Abweichend Fikentscher, S'chuldrecht4, 1973, § 39 I 1, S. 163 (Aufleben der alten Forderung ipso iure).

§ 3. Rechtsfolgen

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matisches Wiederaufleben erfolgt nicht232 . Der Gläubiger kann jedoch auf sofortige Erfüllung der ursprünglichen Forderung klagen233 • Verlangt der Gläubiger wegen des fehlerhaften aliud Minderung, so ist die frühere Forderung in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem bei Vornahme der Leistung an Erfüllungs Statt der Wert des geleisteten aliud im mangelfreien Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde (§ 472 I). War die ursprüngliche Forderung weder auf Geld noch auf andere vertretbare Sachen gerichtet, muß sie in Geld veranschlagt werden. Der Schuldner hat dann dem Gläubiger den Betrag zu erstatten, um den der veranschlagte Wert den nach § 472 zu berechnenden Betrag übersteigt~34. Fehlt dem aliud zur Zeit der Vornahme der Leistung an Erfüllungs Statt eine vom Schuldner zugesicherte Eigenschaft2s5 oder hat er einen Mangel arglistig verschwiegen, so kann der Gläubiger statt Wandelung oder Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 463). Der Gläubiger darf dann vom Schuldner verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ein sachmangelfreies aliud geleistet hätte. Er ist deshalb berechtigt, sein volles (positives) Interesse an der Leistung des aliud 236 in Form eines Geldanspruchs geltend zu machen237 • Es kommt schließlich darauf an, ob dem Gläubiger nach § 365 ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß § 480 I zusteht, wenn das geleistete mangelhafte aliud nur der Gattung nach bestimmt war. In der Literatur ist diese Frage verneint worden, weil es sich bei der Leistung an Erfüllungs Statt als einem Realgeschäft nur um SpeMotive II, 83. Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 2 zu § 365; BGHZ 46, 338 (342 f.). Ebenso bei einer sachmangelhaften aliud-Lieferung durch einen Dritten M. Cohn, Recht 1905, 103. 234 Schollmeyer, A. 2 b zu § 365; Planck / Siber4, A. 2 zu § 365; Oertmann 5 , A. 2 b zu § 365; Quander, Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Rostock 1903, 67; Berndorff, Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 96; Herbert Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt, Diss. Marburg 1928, 61; Rampe, Haftung für Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1933, 20; Athanassoff, Die Gewährleistungspflicht für Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungs Statt na'ch geltenden Rechten, Diss. Leipzig 1936, 23; Kurt Hartmann, 21 f.; Enneccerus / Lehmann, § 65.1 b, S. 264 mit A. 6; Staudinger / Kaduk lO / 11 , Rdnr. 35 zu § 365. 235 Zu Unrecht nimmt Berndorff, 94 A. 5 an, auch der Wert des aliud könne als zugesicherte Eigenschaft in Betracht kommen. Aber im Gegensatz zu wertbildenden Faktoren (Schnelligkeit des Rennpferdes, Benzinverbrauch eines Pkw) ist der Wert einer Sache keine Eigenschaft. 238 Unrichtig Fürstenau, Die Leistung an Erfüllungsstatt nach bürgerlichem Recht, Diss. Königsberg 1923, 45 f., der auch hier die alte Forderung als Maßstab für die Höhe des Ersatzanspruchs ansieht. 237 Dazu Kurt Hartmann, 22 f.; Medicus, Bürgerliches Recht8 , 1973, § 15 VII 3 ace, S. 150; Palandt / Putzo 34, A. 4 zu § 463. Siehe auch oben S. 52. 232

233

II. Gewährleistungsansprüche bei rechts- oder sachmangelhaftem aliud 57 ziesleistung handele 238 • Es wird insbesondere geltend gemacht, daß die alte Forderung noch nicht getilgt sei, wenn die Leistung aus einer Gattung lediglich versprochen werde 239 • Nur ausahmsweise könne darin die übernahme einer neuen Verbindlichkeit an Erfüllungs Statt erblickt werden. Dann sei durch Eingehung einer neuen Schuld geleistet worden, nicht aber durch Hingabe einer Gattungssache. Auf eine solche Leistung könne das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht nicht angewendet werden240 • Der Regelfall der Leistung an Erfüllungs Statt enthalte wie der Kauf eine Veräußerung; Leistung an Erfüllungs Statt durch übernahme einer neuen Verbindlichkeit dagegen stelle lediglich eine Neubegründung einer Verpflichtung dar, und auf eine solche Leistung könnten die in § 365 genannten Vorschriften keine Anwendung finden 241 • Die Haftung richte sich vielmehr nach dem Inhalt der neu übernommenen Verpflichtung. Nach geltendem Recht habe daher der Gläubiger bei Annahme eines aliud an Erfüllungs Statt niemals einen Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache242 • Diese Auffassung ist unzutreffend; denn sie beruht auf einer Verwechselung zwischen der Verpflichtung zur Lieferung einer Gattungssache und der Hingabe einer Gattungssache. § 480 I 1 setzt lediglich voraus, daß eine der Gattung nach bestimmte, freilich mangelhafte Sache geliefert worden ist. Daß dabei beim Kaufvertrag eine entsprechende Pflicht zur Leistung einer Gattungssache voraufgegangen ist, spielt für die Frage der Anwendbarkeit des § 480 I auf die Leistung an Erfüllungs Statt (§ 365) keine Rolle. Es ist ohne weiteres denkbar und zulässig, daß der Schuldner anstelle einer versprochenen Speziessache (den roten Opel-Kapitän aus dem Schaufenster) eine Sache als aliud liefert, die aus einer Gattung stammt (einen roten Opel-Kapitän des Baujahres 1970/71). Ist dann der gelieferte Opel-Kapitän des Baujahres 1970/71 mangelhaft, so liegt kein Grund vor, dem Gläubiger das Recht zu verweigern, die Nachlieferung eines mangelfreien Opel-Kapitän derselben Serie zu verlangen 243 • Auch bei der durch § 365 vorgeschriebenen Anwendung der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung auf die Leistung an Erfüllungs Statt 238 Quander, 57 ff.; Berndorff, 95 f.; Planck / Siber 4 , A. 2 zu § 365; Ebhardt, Die Annahme an Erfüllungsstatt nach dem Recht des BGB, Diss. Leipzig 1914, 70; Herbert Hartmann, 60; Rampe, 21 f.; H. Gerlach, Wesen und Wirken der Hingabe an Erfüllungs Statt, Diss. Göttingen 1933, 70 f.; Athanassofj,

26f.

239 240

241 242 243

Berndorff, 95 f.; Athanassofj, 26 f. So SchoHmeyer, A. 3 zu § 365; Planck / Siber4, A. 5 zu § 365. Berndorff, 96 f. Herbert Hartmann, 60; Rampe, 22; Athanassoff, 27; Kurt Hartmann, 23 f. Vgl. SchoUmeyer, A. 2 b zu § 365; Epstein, Die Leistung an Erfüllungs-

statt nach dem Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. Halle 1913, 65; Staudinger / Kaduk 1D/ ll , Rdnr. 33 zu § 365.

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§ 3. Rechtsfolgen

wird deutlich, zu welchen untragbaren Ergebnissen man gelangt, wenn die ursprüngliche Forderung auf einer Schenkung beruht 244 ; denn im Gegensatz zu § 463 haftet der Schenker gemäß § 524 I bei einem arglistig verschwiegenen Fehler der verschenkten Sache nicht etwa auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (positives Interesse), sondern nur für den "daraus entstehenden Schaden", also nur in Höhe des negativen Interesses245 • Im übrigen haftet der Schenk er - abgesehen von dem seltenen Fall eines Schenkungsversprechens über eine erst zu erwerbende Gattungssache (§ 524 II) - für Mängel des Schenkungsgegenstandes nicht246 • 111. Die Rechtsfolgen der Leistung an Erfüllungs Statt durch einen Dritten

Ebenso wie ein Dritter berechtigt ist, nach Maßgabe des § 267 die geschuldete Leistung zu bewirken, kann er mit Tilgungswirkung dem Gläubiger auch ein aliud an Erfüllungs Statt leisten247 • Das setzt natürlich ebenso wie bei der Leistung eines aliud durch den Schuldner selbst voraus, daß der Gläubiger den Gegenstand an Erfüllungs Statt annimmt 248 ; denn er braucht sich auch durch einen Dritten keine LeiSiehe dazu ausführlich Kurt Hartmann, 41 ff. Protokolle II, 29; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts II, 1902,517 mit A. 35; Oertmann, LZ 1914, 522f.; Cosack/ Mitteis, 620; BaHerstedt in Soergel / Siebert lO , Rdnr. 2 zu § 524; Stau dinger / OstlerlI, Rdnr. 2 zu § 524; Esser, Schuldrecht II', 1971, § 67 II, S. 84; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts IIIO, 1972, § 47 II a, S. 130; Erman / H. H. SeilerS, Rdnr. 1 zu § 524; Palandt / PutzoU , A. 2 b zu § 524. 2U

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2(8

Cosack / Mitteis, 620.

ur Motive II, 84; SchoZZmeyer, A. 2 zu § 364; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts II, 1902, 262; Fehr, Über Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Halle 1902, 8 f.; BeZitz, Die Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Rostock 1906, 53 ff.; Friedländer, Wer haftet dem Gläubiger für Mängel einer Sache, die er für die Leistung seines Schuldners von einem Dritten an Erfüllungsstatt angenommen hat?, Diss. Greifswald 1904, 9 und passim; Planck / Siber', A. 2 zu § 267, A. 1 zu § 364; GreifeZt, Die Leistung an Erfüllungsstatt durch einen Dritten, Diss. Königsberg 1923 (Auszug); Fürstenau, Die Leistung an Erfüllungsstatt nach bürgerlichem Recht, Diss. Königsberg 1923, 46 f.; Herbert Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt, Diss. Marburg 1928, 16 f., 72 ff.; Oertmann 6 , A. 6 zu § 267, A. 3 zu § 365; Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929, 463; Rampe, Haftung für Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1933, 23 f.; Höhn, Allgemeines Schuldrecht, 1934, 170 f.; Kurt Hartmann, Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1940, 32 ff.; A. B. Schwarz, Fests'chrift Hans Lewald, 1953, 578; Reimer Schmidt in Soergel/ SiebertlO , Rdnr. 4 zu § 365; Erman / H. P. Westermanns, Rdnr. 2 zu § 364; Staudinger / Werner lO / II , Rdnr. 8 zu § 267; Palandt / Heinrichs 34 , A. 1 zu § 365. Vgl. auch KG JW 1928, 2563 f. Gegenteiliger Ansicht Titze, Bürgerliches Recht. Recht der Schuldverhältnisse', 1948, 85 A. 1. 2'8 Dann ist der Dritte zur Erbringung eines aZiud auch berechtigt, wenn ursprünglich der Schuldner in Person zu leisten hatte (SchoZZmeyer, A. 2 zu § 364; Friedländer, 11 A. 3).

III. Leistung an Erfüllungs Statt durch einen Dritten

59

stung249 an Erfüllungs Statt aufdrängen zu lassen250 • Außerdem muß der Dritte die Leistung im eigenen Namen, nicht etwa als Vertreter des Schuldners, erbringen251 • Hat der Dritte einen rechts- oder sachmangelhaften Gegenstand an Erfüllungs Statt geleistet252 , so taucht die Frage auf, ob nach § 365 der Schuldner oder der Dritte gewährleistungspflichtig ist. Nach Auffassung der I. Kommission 253 soll diese Frage eine allgemeine Beurteilung nicht zulassen. Gleichwohl ist die Literatur einhellig 254 der Meinung, allein der Dritte sei gewährleistungspflichtig, weil der Schuldner nicht für Mängel des aliud haftbar gemacht werden könne, das er gar nicht geleistet hat255 • Hier hat die gesetzlich vorgeschriebene Anwendbarkeit der kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften wiederum unhaltbare Konsequenzen256 • Zunächst einmal richten sich die Schadensersatzansprüche (§§ 365; 440 I, 325; 463) gegen den Dritten257 , selbst wenn er ohne eigene Verpflichtung gegenüber dem Schuldner geleistet hat und dieser dadurch m Die Leistung kann auch darin bestehen, daß der Dritte an Erfüllungs Statt gegenüber dem Gläubiger eine Forderung eingeht oder eine Schuld übernimmt. Vgl. Dernburg / Engelmann, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens II 14, 1909, 327 A. 10; Crome, 263; Schollmeyer, A. 3 zu § 364; Oertmann 5 , A. 2 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 3 zu § 364. Im ersten Fall ist § 364 II zu berücksichtigen (Enneccerus / Lehmann, Re'cht der Schuldverhältnisse15, 1958, § 65.4, S. 265), obwohl diese Vorschrift nicht direkt anwendbar ist (Staudinger / Kaduk 10/ 11 , Rdnr. 53 zu § 364; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 8 zu § 364). 250 RGZ 65, 162; 119, 1 (4); Berndorff, Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 8 f.; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung II 1, 1951, 81; Esser, Schuld recht 14, 1970, § 26 II 2, S. 153; Reimer Schmidt in Soergell Siebert10, Rdnr. 3 zu § 267; Erman / Sirp 5, Rdnr. 2 zu § 267; Palandt / Heinrichs 34 , A. 3 zu § 267. 251 Dazu Friedländer, 18 f. 252 Ein anschauliches Beispiel gibt Höhn, 171. 253 Motive II, 84; vgl. auch Planck / Siber4, A. 4 zu § 365. m Schollmeyer, A. 2 c zu § 365; Friedländer, 18, passim; M. Cohn, Recht 1905, 102; Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II 1, 1906, 190; Dernburg / Engelmann, 327 A. 10; Planck / Siber4, A. 4 zu § 365; Fürstenau, 47; Oertmann5 , A. 3 zu § 365; Kreß, 67, 463 mit A. 5; A. B. Schwarz, 578; Reimer Schmidt in Soergel / SieberttO, Rdnr. 4 zu § 365; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 1 zu § 365; Staudinger / Kaduk 10/ 11 , Rdnr. 39 zu § 365; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 6 zu § 365; Palandt / Heinrichs 34, A. 1 a. E. zu § 365. 255 Leistet der Dritte freilich das aliud als Vertreter des Schuldners ohne Vertretungsmacht und genehmigt dieser das Geschäft, dann wird der Schuldner gewährleistungspfli'chtig (Planck / Siber 4, A. 4 zu § 365; Friedländer, 26 f., 32). Siehe dazu auch Kurt Hartmann, 33 A. 81. 256 Kurt Hartmann, 41. Pescatore, Die Wahlschuldverhältnisse, 1905, 283 A. 8, meint, der Gläubiger könne nach Annahme eines mangelhaften aliud von einem Dritten weder den Schuldner noch den Dritten wie einen Verkäufer in Anspruch nehmen. 257 Planck / Siber4, A. 4 zu § 365.

60

§ 3. Rechtsfolgen

von seiner Schuld freigeworden ist (§§ 364 I, 267)258. Ist der Dritte dann weniger zahlungskräftig als der Schuldner, so wird der Gläubiger schlechter gestellt als wenn er auf die alte Forderung gegen den Schuldner zurückgreifen könnte 259 • Noch größere Schwierigkeiten tauchen auf, wenn der Gläubiger zurücktreten, kondizieren oder wandeln will. Der Dritte ist dann überhaupt nicht in der Lage, die nach § 364 I erloschene Forderung gegen den Schuldner neu zu begründen260 ; denn er kann nicht den Schuldner ohne dessen Einwilligung wieder zum Schuldner machen261 • In einem solchen Fall soll der Dritte zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn die Unmöglichkeit, die alte Forderung wiederherzustellen, infolge eines von ihm zu vertretenden Umstandes eingetreten ist262 • Dieser Umstand liegt jedoch entweder darin, daß der Gläubiger mit der Hingabe des aliud durch den Dritten einverstanden war, oder in der Weigerung des Schuldners, die alte Forderung wiederherzustellen. In beiden Fällen fehlt es gegenüber dem Gläubiger bei der Hingabe des aliud an einem rechtswidrigen Verhalten des Dritten, so daß ein Schadensersatzanspruch entfällt263 • Es verbleibt damit ein Anspruch des Gläubigers gegen den Dritten aus ungerechtfertigter Bereicherung264 , der nur Erfolg haben kann, wenn der Dritte durch die aliud-Leistung etwas erlangt hat. Wollte der Dritte den Schuldner durch die Leistung des aliud unentgeltlich von dessen Schuld befreien, so hat er nichts erlangt, was der Gläubiger kondizieren könnte. In diesem Fall soll der Schuldner dem Gläubiger nach § 822 haften, wenn er unentgeltlich durch die Leistung des Dritten von seiner Schuld befreit worden ist 265 • M. Cohn 266 begründet diese Bereicherungshaftung des Schuldners damit, es sei gerade so, "als ob der Dritte 258 Für die Haftung des Dritten ist es auch gleichgültig, ob er die Befriedigung des Gläubigers durch Leistung des aliud dem Schuldner gegenüber schenkweise oder als Geschäftsführer ohne Auftrag herbeiführen wollte. Dazu Friedländer, 19 ff., 25 ff. 259 A. B. Schwarz, Festschrift Hans Lewald, 1953, 578. 260 Planck / Siber4, A. 4 zu § 365, möchten in diesem Fall dem Gläubiger gegen den Dritten einen Anspruch auf Wertersatz nach § 346 S. 2 zubilligen; zustimmend Staudinger / Kaduk 10/ 11 , Rdnr. 40 zu § 365. 261 M. Cohn, Recht 1905, 102; Fürstenau, 48; Staudinger / Kaduk 10 / 11 , Rdnr. 40 zu § 365. 282 M. Cohn, Recht 1905, 103; Planck / Siber4, A. 4 zu § 365; Staudinger / Kaduk lO / 11 , Rdnr. 40 zu § 365. 263 Vgl. auch Staudinger / Kaduk 10 / 11 , Rdnr. 40 zu § 365; Rampe, 24. 264 M. Cohn, Recht 1905, 103; Oertmann 5 , A. 3 zu § 365. Vgl. auch Kurt Hartmann, 33 f. 265 M. Cohn, Recht 1905,103; Fürstenau, 48. 266 Recht 1905, 103.

IV. Leistung an Erfüllungs Statt bei natürlicher Verbindlichkeit

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nicht haftete, weil er ohne Verschulden eine vom Gläubiger zuerst in sein Vermögen erworbene Leistung, auf deren Rückerstattung der letztere aus dem Gesichtspunkte ungerechtfertigter Bereicherung Anspruch habe, schenkungsweise ... in das Vermögen des Schuldners übertragen hätte". Diese Auffassung ist jedoch nicht zutreffend; denn der Dritte hatte in einem solchen Fall niemals etwas erlangt, was er dem Gläubiger hätte herausgeben müssen. Dies setzt § 822 aber voraus. IV. Die Rechtsfolgen der Leistung an Erfüllungs statt bei einer sogenannten natürlichen Verbindlichkeit

Soll der Gläubiger einer sogenannten natürlichen oder unvollkommenen Verbindlichkeit, die nur ein Anrecht, nicht aber eine (durchsetzbare) Forderung begründet267 , mit seinem Einverständnis durch Leistung eines aliud befriedigt werden und weist das aliud Rechts- oder Sachmängel auf, so führt § 365 wiederum zu einem ungerechtfertigten Ergebnis 268 . Beispiel: A hat im Spiel an B 1000 DM verloren. B nimmt von A eine Brillantbrosche im gleichen Wert an Erfüllungs Statt entgegen. Alsbald stellt sich heraus, daß die Spange aus dem Einbruch in ein Juweliergeschäft stammt, was A hätte wissen müssen. Hier kann B von A gemäß den §§ 365, 440 I, 325 I 1 Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 1000 DM verlangen, wenn er A die Brosche zurückgibt. (§ 440 II). Ihm steht also plötzlich eine Forderung zur Verfügung, obwohl ursprünglich eine Verbindlichkeit nicht bestand (§ 762 I 1). § 365 führt damit zu einer Umgehung der gesetzlichen Bewertung von nicht durchsetzbaren Rechtspositionen, wie sie die Verbindlichkeiten (Anrechte) aus Spiel, Wette und Heiratsvermittlung (§§ 762, 656) darstellen. Das richtige Ergebnis kann nur lauten, daß eine neue Verbindlichkeit, die der Schuldner selbst an Erfüllungs Statt gegenüber dem Gläubiger eingeht, ebensowenig durchsetzbar ist wie die alte (vgl. § 762 II)269. Bei der Leistung einer mangelhaften Sache oder Forderung gegen einen Dritten an Erfüllungs Statt darf der Gläubiger einer Spiel- oder Wettschuld auch bei Rückgewähr des aliud nicht jetzt eine erzwingbare Forderung erhalten. Im übrigen versteht es sich natürlich von selbst, 287 von Lübtow, Fests'chrift für H. Lehmann I, 1956, 332, 333. Zum Anrechtsbegriff siehe ferner oben S. 49 mit A. 192 und unten S. 135 f. 288 Epstein, Die Leistung an Erfüllungsstatt nach dem BGB, Diss. Halle 1913, 72; Rampe, Haftung für Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Leipzig 1933, 25; Herbert Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt, Diss. Marburg 1928, 18 f.; Kurt Hartmann, Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1940, 40. 269 Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts 19 , 1903, 806 mit A. 12; Herbert Hartmann, 19; F. Leonhard, Allgemeines Schuldrecht des BGB, 1929, 597; Erman / H. P. Westermann5 , Rdnr. 5 zu § 364.

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§ 3. Rechtsfolgen

daß der Schuldner ein in solutum geleistetes aliud (Sache oder Recht gegen einen Dritten) aufgrund einer Spiel- oder Wettschuld genausowenig zurückfordern kann wie den geschuldeten Leistungsgegenstand (§ 762 I 2).

§ 4. Die verschiedenen Ansichten zur rechtlichen Struktur der Leistung an Erfüllungs Statt Selbst wenn man einmal von den ungerechten Ergebnissen absieht, zu denen § 365 im Falle einer zugrunde liegenden Schenkung führt, stellt die Anwendung der kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln auf ein Erfüllungsgeschäft eine ohnehin befremdliche Erscheinung dar. Es taucht die Frage auf, womit sich diese Regelung begründen läßt. Mit der oben270 getroffenen Feststellung, die Leistung an Erfüllungs Statt stelle einen Vertrag dar, ist noch nichts gewonnen. In der Literatur ist bis auf den heutigen Tag umstritten, um welchen Vertragstyp es sich dabei handelt. Es wird die Ansicht vertreten, die Leistung an Erfüllungs Statt sei ein neuer, gegenseitiger obligatorischer Vertrag. Andere Autoren meinen, es handele sich um einen gegenseitigen solutorischen Vertrag. Wieder andere betrachten sie als Realvertrag, während manche den Vorgang in eine Einigung über die Leistung des aliud und die Leistung selbst zerlegen. Ferner wird die Auffassung geäußert, die datio in solutum stelle einen Änderungsvertrag dar. Im Vordergrund der rechtlichen Beurteilung steht jedoch die Ansicht vom kaufähnlichen Charakter der Leistung an Erfüllungs Statt. A. Die Beurteilung der Leistung an Erfüllungs Statt als eines kaufähnlichen Vertrages in Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Praxis I. Die Auffassung von der kaufähnlichen Struktur der Leistung an Erfüllungs Statt nach geltendem Recht

Wie die Regelung im § 365 zeigt, liegt der Leistung an Erfüllungs Statt die Auffassung zugrunde, es handele sich um ein kaufähnliches Rechtsgeschäft. Schon die 1. Kommission hatte erklärt, es sei zwar "keineswegs ausgesprochen, daß die datio in solutum als Kauf gelte oder gleich einem Kaufe zu beurteilen sei"271. Es müßten aber "gewisse beim Kaufgeschäfte vorzugsweise geltende Grundsätze auf die datio in solutum angewendet" werden272 . Aus welchem Grunde dies geschieht, verschwei270 271 272

Siehe S. 17 und 32. Motive II, 83. Motive II, 83.

64

§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

gen die Motive. Sie gehen davon aus, daß auch bei Vorliegen eines Rechtsmangels die alte Forderung des Gläubigers erloschen bleibe und nur durch eine rechtsgeschäftliche Neubegründung zwischen den Parteien wieder aufleben könne 273 • Das Gewährleistungsrecht des Gläubigers rechtfertigen die Motive durch ein angeblich von dem Schuldner mit der Hingabe an Erfüllungs Statt stillschweigend gegebenes Versprechen, dafür einzustehen, daß das in solutum Gegebene in das Vermögen des Gläubigers wirklich und dauernd übergehe274 . Wenn keine klaren dogmatischen Vorstellungen zugrunde liegen, greift man gern zu dem beliebten, aber unzulässigen Mittel, ein stillschweigendes Versprechen zu fingieren 275 • Auch der Sache nach ist die Auffassung der Motive nicht berechtigt; denn der Schuldner, der eine Sache an Erfüllungs Statt leistet, will im Regelfall lediglich dafür einstehen, daß er bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit die erforderliche Sorgfalt angewendet hat; er will sich nicht für den Fall zum Schadensersatz verpflichten, daß ihn unerkennbare Hindernisse zu einem unrichtigen Ergebnis geführt haben 276 . Die Parteien wollen sich lediglich darüber einigen, daß eine andere als die geschuldete Leistung tilgende Wirkung habe. Der Wille, eine Garantieverpflichtung des Schuldners zu begründen, liegt ihnen fern 277 . Das Reichsgericht hat in seinem Urteil vom 26.1. 1918 278 die Rechtsauffassung der I. Kommission übernommen und ausgeführt, die Leistung an Erfüllungs Statt trage "kaufähnlichen Charakter, ohne doch Kauf zu sein"279. In seinem Urteil vom 11. 1. 1907 280 hat das Reichsgericht 273 Motive II, 83. Zustimmend Krüsmann, Die juristische Natur der Hingabe an Erfüllungsstatt, Diss. Heidelberg 1906, 23. 274 Motive II, 83. Ebenso Mickel, Hingabe an Erfüllungsstatt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Diss. Heidelberg 1905, 53; Liebetanz, Die juristische Konstruktion der Annalune an Erfüllungsstatt, Diss. Breslau 1926, 51. Dagegen Kurt Hartmann, Rechts- und Sachmängel bei der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1940, 38. 275 Gegen die Denkfigur der sogenannten stillschweigenden Erklärung, die in Wahrheit nur eine Fiktion darstellt, von Lübtow, Beiträge zur Lehre von der Condictio, 1952, 62 (mit Lit. A. 20), 142; JZ 1960, 156 mit Lit. A. 75; Richtlinien für die Anfertigung von übungs- und Prüfungsarbeiten, 1962, 28 ff. mit weiteren Nachweisen; Probleme des Erbrechts, 1967, 59 A. 230. Zum Begriff der "stillschweigenden Willenserklärungen" ausführlich Hanau, AcP 165, 1965, 220 ff., mit dem Resume: "Stillschweigende Willenserklärungen gibt es nicht" (a.a.O., 256). 278 Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, 142. Zutreffend auch Herbert Hartmann, Die Annahme an Erfüllungsstatt, Diss. Marburg 1928, 26 f.; Kurt

Hartmann, 37, 38.

277 Siehe oben S. 46. 278 RGZ 92, 101 (104). 279 Dagegen Henle, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II (Schuldrecht),

1934,669.

280 RGZ 65, 79 (81).

I. Geltendes Recht

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den § 365 damit gerechtfertigt, daß der Gläubiger bei der datio in solutum sein bisheriges Recht endgültig aufgebe, wodurch es erlösche, und ferner ausgeführt: "Als Ersatz hierfür erhält der Gläubiger die Gegenleistung an dem an Erfüllungsstatt hingegebenen Gegenstande und wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der Sache den Gewährleistungsanspruch. " Auch der Bundesgerichtshof281 bemerkt: In der Leistung an Erfüllungs Statt liege ein entgeltlicher Austauschvertrag. Der Gläubiger erwerbe den an Erfüllungs Statt gegebenen Gegenstand im Austausch gegen seine Forderung, also "in einer der Rechtslage beim Kauf ähnlichen Weise"282. Es sei deshalb gerechtfertigt, daß der Schuldner für den an Erfüllungs Statt gegebenen Gegenstand "in gleicher Weise wie ein Verkäufer" Gewähr leiste. Dem trage § 365 Rechnung. Sei die an Erfüllungs Statt gegebene Sache mangelhaft oder fehle ihr eine zugesicherte Eigenschaft, so könne der Gläubiger nach dieser Vorschrift die Rechte eines Käufers geltend machen (§§ 459 ff.). Auch in der Literatur 283 wird die Leistung an Erfüllungs Statt als selbständiger, kauf- oder tausch ähnlicher - jedenfalls als entgeltlicher - Vertrag konstruiert: Der Gläubiger gebe im Austausch gegen das erworbene aliud seine bisherige Forderung auf. So meint Stammler 284 : "In allen Fällen einer Leistung an Erfüllungsstatt handelt es sich um einen neuen und zwar gegenseitigen Vertrag, 281 BGHZ 46, 338 (342 f.). 282 So auch Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 1 zu § 365. 283 Stammler, Das Recht der Schuldverhältnisse in seinen allgemeinen Lehren, 1897, 229; Melcher, Gegensatz des Rechtscharakters der Leistung an Erfüllungsstatt und der Leistung Erfüllungshalber, Diss. Leipzig 1903, 34 ff.; Berndorff, Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 8, 21; Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II I, 1906, 190 ("Tauschfunktion", "Tauschwirkung"); Heck, 178; Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929, 67 mit A. 76, 456 f. mit A. 8; Krawielicki, Grundlagen des Bereicherungsanspruchs, 1936, 30, 175, 176: "entgeltlicher (tauschähnlicher) Realvertrag" ; Enneccerus / Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 15, 1958,· § 65.1, S. 263 mit A. 2; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts po, 1970, § 18 IV, S. 181 f.; Reimer Schmidt in Soergel/ Siebert 10, Rdnr. 1 zu § 365; Palandt / Heinrichs 34, A. 1 zu § 365; Reinhold Weber in BGB-RGRK12, Rdnr. 1 zu § 365; Erman / H. P. Westermann 5 , Rdnr. 1 zu § 365; Krüger, Die Vereinbarung der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens beim Erwerb eines neuen Kraftfahrzeuges, Diss. München 1968, 47 A. 139. Ebenso bereits Römer, Die Leistung an Zahlungsstatt nach dem römischen und gemeinen Recht, 1866, 10, 11, 63 A. 34; Hruza, Zur Lehre von der Novation nach österreichischem und gemeinem Recht, 1881, 146; Unger, GrünhutsZ 15, 1888, 542 A. 6. Dagegen Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 1912, 85 ff., 96 f.; F. Leonhard, Allgemeines Schuldrecht, 1929, 600; Henle, 669; Esser, Schuldrecht2, 1960, § 72. 2, S. 306; Schuldrecht I" 1970, § 26 VII 2, S. 162 f.; A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht4, 1969, § 38 III 2 a, S. 232. Besonders gegen Kohl er Krüsmann, 10 f. 284 Das Recht der Schuldverhältnisse in seinen allgemeinen Lehren, 1897, 229. Dagegen Krüsmann, 6 f. 5 Harder

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kauf ähnlicher Vertrag

der nach Art eines Kaufes zu behandeln ist, in dem der Gläubiger die von dem Schuldner an Erfüllungsstatt angebotene Leistung gegen Aufgabe seines Forderungsrechts erwirbt." Auch Enneccerus / Lehmann 285 sehen in der Leistung an Erfüllungs Statt einen entgeltlichen Veräußerungsvertrag, da der Gegenstand gegen die ursprüngliche Forderung gegeben werden solle. Heck 286 hält die Leistung an Erfüllungs Statt für eine entgeltliche Veräußerung, die Leistungsvereinbarung für ein gegenseitiges Geschäft. Kreß287 bemerkt, die Leistung an Erfüllungs Statt sei "zunächst Austausch (der geschuldeten Leistung mit der an Erfüllungs Statt gewähl'ten) und dann erst Erfüllung", sie trage eben einen "selbständigen Charakter". Nach Larenz 288 geht das Gesetz von der Auffassung aus, daß der Gläubiger aufgrund eines neuen Vertrages gegen die Hingabe der Leistung auf seine ursprüngliche Forderung verzichte. Hiernach werde, betont Larenz, das ursprüngliche Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt, das gleichzeitig den Rechtsgrund für die nun erbrachte Leistung und für den Erlaß der alten Schuld enthalte. Dem Schuldner komme dabei gemäß § 365 die gleiche Stellung zu wie einem Verkäufer; der Gläubiger erkaufe das Recht auf die an Erfüllungs Statt gegebene Leistung durch seinen Verzicht auf die ursprüngliche Forderung.

Widerspruchsvoll ist die Auffassung Berndorffs. Einerseits behauptet er289 , die Leistung an Erfüllungs Statt sei ein gegenseitiger entgeltlicher Veräußerungsvertrag. Zum anderen ist er der Meinung 290 , die datio in solutum stelle kein Umsatzgeschäft, insbesondere keinen Kaufvertrag 29 t, dar. Habe nämlich die ursprüngliche Forderung des Gläubigers nicht bestanden, so entspreche es, meint Berndorff, der Natur der Hingabe an Erfüllungs Statt als Leistung zur Tilgung der vermeintlichen Schuld, daß der Schuldner das Geleistete wegen Erfüllung einer Nichtschuld (condictio indebiti) zurückfordern könne. Nehme man dagegen einen Kaufvertrag an, so würde in dem vorliegenden Fall nur ein Anspruch des Schuldners auf den Kaufpreis begründet sein, da die Kaufgeldforderung mangels Existenz der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung noch bestehe 292 • 285 286 287

A. 8.

Recht der Schuldverhältnisse 15, 1958, § 65.1, S. 263. Grundriß des Schuldrechts, 1929, 148. Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, 1929, 67 mit A. 76, 456 f. mit

Lehrbuch des Schuldrechts po, 1970, § 18 IV, S. 181 f. Die Annahme an Erfüllungsstatt, 1904, 8, 21. 290 22, 23, 31, 33. 201 Verbunden mit einer Aufrechnung der Kaufgeldforderung des Schuldners gegen die Forderung des Gläubigers. 292 Vgl. auch Römer, 16; Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts H, 1902, 265 A. 26. 288 288

11. Von Justinian bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

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Die Konstruktion der Leistung an Erfüllungs Statt als eines kaufähnlichen Vertrages ist freilich keine juristische Entdeckung der Neuzeit. Diese Auffassung und damit die Statuierung der kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften im § 365 liegt vielmehr in der unkritischen Rezeption des nachklassisch-byzantinischen Rechts, wie es in den Digesten und im Codex Justinians überliefert ist. Die geschilderte Konstruktion läßt sich vom Corpus Iuris Civilis her durch das Mittelalter und die Aufklärung bis in die gemeinrechtlichen Lehrbücher des 19. Jahrhunderts verfolgen, von wo sie in das BGB gedrungen sind. Noch der Bundesgerichtshof hat - wie bereits bemerkt293 - im Jahre 1966 diese Auffassung übernommen284 • 11. Die Auffassungen von der kaufähnlichen Struktur der Leistungen an Erfüllungs Statt seit dem Gesetzgebungswerk Justinians bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

1. Das justinianische Recht

Das justinianische Recht ist widerspruchsvoll 295 • Die im Corpus Iuris Civilis, namentlich in den Digesten, enthaltenen Quellen über die Leistung an Erfüllungs Statt (datio in soZutum) vermitteln in bezug auf die rechtliche Struktur dieses Geschäfts keine einheitlichen Vorstellungen. Die Mehrzahl der einschlägigen Texte bezeugt jedoch die Auffassung von einer kaufähnlichen Beurteilung der datio in soZutum. Einerseits folgt aus D. 46.3.46 pr. 296 und aus D. 46.3.98 pr. 297 , daß der Gläubiger gegen den Schuldner aus der ursprünglichen Obligation klagen konnte, wenn die in soZutum, gegebene Sache von einem Dritten evinziert wurde: D.46.3.46 pr.: Si quis aliam rem pro alia volenti solverit et evicta fuerit res, manet pristina obligatio. D.46.3.98 pr.: Qui res suas obligavit, postea aliquam possessionem ex his pro filia sua dotem promittendo obligavit et solvit. si ea res a creditore evicta est, dicendum est maritum ex dotis promissione agere posse, ac si statuliberum remve sub condicione leg.atam dotis nomine pro filia pater solvisset: harum enim rerum solutio non potest nisi ex eventu liberare, scilicet quo casu certum erit remanere eas. Siehe oben S. 65. BGHZ 46, 338 ff. 295 Zur Beobachtung von Widersprüchen in den Digesten F. Schulz, Einführung in das Studium der Digesten, 1916, 55 ff.; Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, 1953, 585 f. 298 Dazu unten S. 94 f. ~97 Dazu unten S. 96. 293

294

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

Andererseits ergibt sich aus D. 13.7.24 pr. 208 und aus einem Reskript des Kaisers Antoninus Caracalla vom Jahre 212 (C. 8.44.4)299, daß dem Gläubiger im Falle der Eviktion einen actio empti utilis zur Verfügung stehen soll, die datio in soZtum also als eine Art Kauf konstruiert ist30o : D.13.7.24 pr.: EleganteT apud me quaesitum est, si impetTasset cTeditoT a CaesaTe, ut pignus possideTet idque evictum esset, an habeat contTaTiam pigneTaticiam. et videtuT finita esse pignoTis obligatio et a contTactu Tecessumo Immo utilis ex empto accommodata est, quemadmodum si PTO soluto ei Tes data fueTit, ut in quantitatem debiti ei satisfiat vel in quantum eius inteTsit, et compensationem habeTe potest cTeditoT, si fOTte pigneTaticia vel ex alia causa cum eo agetuT. Ant.C.8A4.4 (212): Si pTaedium tibi PTO soluto datum aliis cTeditoTibus fueTat obligatum, causa pignoTis mutata non est. igitUT si hoc iUTe fueTit evictum, utilis tibi actio contTa debitoTem competit. nam eiusmodi contTactus vicem venditionis obtinet. Auch aus den folgenden drei Texten 301 geht die Ansicht von der juristischen Gleichbehandlung der datio in soZutum mit dem Kaufvertrag hervor: DA1.3A.17: Sed et si, ut seTvum meum manumitteTem, alius mihi fUTtivam ancillam dedeTit eaque apud me concepeTit et pepeTeTit, usu me non captuTum. idemque fOTe etiam, si quis eam anciHam mecum peTmutasset aut in solutum dedisset, item si donasset. DA2.4.15: Is, qui Tem peTmutatam accepit, emptoTi similis est: item is, qui Tem in solutum accepit vel qui lite aestimata Tetinuit vel ex causa stipulationis non ob libeTalitatem est consecutus. DA4.4A.31: AUCtOTis autem dolus, sicut diximus, emptoTi non obicitUT. sed hoc in emptoTe solo seTvabimus: item in eo, qui peTmutaveTit vel in soZutum accepit: item in similibus, qui vicem emptoTum continent.

Die aufgeführten Stellen legen die Vermutung nahe, daß nach justinianischem Recht dem Gläubiger bei fehlgeschlagener Leistung des aZiud ein Wahlrecht zustand, entweder auf die alte Forderung zurückzugreifen oder Schadensersatz zu verlangen. SteineT 302 hat wie vor ihm schon die herrschende Lehre im Gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts 303 diese Ansicht vertreten. Er meint, Justinian sei wie bei manchen ReforDazu unten S. 100 f. m Dazu unten S. 98 ff. 300 Bechmann, System des Kaufs nach gemeinem Recht II 1, 1884, 558, meint, die Juristen hätten das Recht des Kaufes direkt auf die datio in solutum angewendet, "indem sie sich den empirischen Tatbestand selbst so zurechtlegen, daß der Gläubiger die Sache um den dem Betrage seiner Forderung entsprechenden Preis kauft und Preis und Forderung gegeneinander compensiert". Dagegen W. Teichmann, Die Leistung an Erfüllungsstatt im römischen und heutigen Recht, Diss. Marburg 1930, 27. 301 Dazu unten S. 101 ff. 302 Datio in solutum, 1914, 79. Ebenso SibeT, Römisches Recht II, 1928, 273. 303 Nachweise unten S. 81 mit A. 359. 298

H. Von Justinian bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

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men von dem Bestreben geleitet gewesen, dem Gläubiger durch Gewährung vieler Rechtsmittel in Fülle Rechtsschutz zu verschaffen, um so den Ruhm eines freigiebigen, die Menschheit beglückenden Herrschers zu erwerben. Gegen die Richtigkeit dieser Vermutung bestehen jedoch Bedenken; denn sonst hätten die Kompilatoren sicherlich ein solches Wahlrecht, das in D. 13.7.24 pr. in der Tat gegeben zu sein scheint, auch in der HauptsteIle (D. 46.3.46) klar zum Ausdruck gebracht30'. Von den Juristen nach Justinian bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind zahllose Anstrengungen unternommen worden, diese divergierenden Quellen miteinander zu harmonisierenso5 •

2. Die Glosse Nach Ansicht der Glosse 30 6 beruht der Unterschied in der quellenmäßigen Bewertung der datio in solutum darauf, daß bei Hingabe einer Sache anstelle einer geschuldeten Geldleistung ein kaufähnlicher, bei Hingabe einer Sache anstelle einer anderen geschuldeten Sache ein tausch ähnlicher Vorgang stattfinde307 ; da der Verkäufer nach römischem Recht nicht verpflichtet sei, dem Käufer das Eigentum an der Sache zu verschaffen, erlösche dementsprechend die alte Schuld bei kaufähnlich bewerteter datio in solutum unabhängig davon, daß die Sache später evinziert wird. Der Gläubiger, so meint die Glosse, habe mithin eine actio empti utilis auf das Interesse zur Verfügung 308 ; demgegenüber sei beim Tausch jede Partei verpflichtet, der anderen das Eigentum an der Sache zu übertragen. Tritt dann ein Eviktionsfall ein, so ist nach Auffassung der Glosse eben noch nicht erfüllt und die alte Obligation besteht mit etwaigen Sicherungsrechten (Bürgen, Pfandrechte) weiterso9 • Diese Unterscheidung der Glosse wird jedoch durch die überlieferten Quellenstellen nicht gedeckt310 • Denn entweder findet sich in ihnen A. B. Schwarz, Festschrift Hans Lewald, 1953, 575. Dazu Römer, 24 ff.; Steiner, 50 ff.; de Francisci, L'evizione della "res data in solutum" e i suoi effetti, 1915, 7 ff.; All ara, Annali Palermo 13, 1927, 252 A. 1; Solazzi, L'estinzione dell'obbligazione nel diritto romano 12, 1935, 173 ff.; Ricca-Barberis, Riv. it. 1931, 20 ff. 30S Zu D. 46.3.46, C.8.44.4 und zu C.7.45.8 ("distingue an species pro specie 804

805

in solutum detur, an etiam res pro pecunia".). 807 Dazu Römer, 24 ff.; Stein er, 50; de Francisci, 7; Allara, 252; Ricca-Barberis, 20 f.; Solazzi, 173; Melillo, In solutum dare, 1970, 92 A. 2. Vgl. auch W. Teichmann, 24 ff. 80S Dazu BlumenthaI, Pauca de datione in solutum, Diss. Göttingen 1830,

26 ff., 27. 80g

310

Dazu BlumenthaI, 31 f. von Vangerow, Lehrbuch der Pandekten HF, 1869, 170; Montegu, De la

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

keine Angabe über den Leistungsgegenstand der pristina obligatio so in D. 13.7.24 pr. und C. 8.44.4 - oder den Bezeichnungen res (D. 46.3.46 pr.; § 1) und debitum (C. 7.45.8) wird zu Unrecht die Bedeutung Speziessache unterschoben, obwohl beide Ausdrücke auch für eine Geldschuld gebraucht werden können 311 • Bereits Blumenthal 312 hat die Auffassung der Glosse und ihrer Anhänger kritisiert. Aber seiner eigenen Analyse der datio in solutum als eines Innominatkontraktes kann ebenfalls nicht gefolgt werden, weil bei diesem Solutionssurrogat von einem contrahere keine Rede sein kann. Und für Blumenthals Unterscheidung, es handele sich bei einer zugrundeliegenden Geldschuld um einen Kauf oder einen Vertrag auf entgeltliche Gebrauchsüberlassung (Miete, Dienst- oder Werkvertrag), bei einer nicht auf Geld lautenden Urschuld dagegen um einen unbenannten Realkontrakt, finden sich in den Quellen keine Anhaltspunkte. 3. Der mos Gallicus

Auch in der französischen humanistischen Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, dem sogenannten mos Gallicus 313 , herrschte die Ansicht von der kauf- oder tausch ähnlichen Struktur der datio in solutum vor. So bemerkt Cuiacius (1522 - 1590) in seinen "Observationes"314 zu den Eviktionsfolgen bei einer datio in solutum: Non tantum emptori datur actio de evictione, sed etiam ei, qui pro pecunia credita vel pro pretio certo vel incerto rei vaenalis rem aestimatam in solutum accepit. Quia aestimatio similis est emptioni, et ut creditor, qui pro pecunia rem aestimatam accepit, pro emptore habetur, ita venditor, qui pro pretio rem aestimatam accepit, idem etiam pro emptore habetur. Et utrique re evicta datur utilis actio ex empto in eum, a quo rem accepit pro soluto, in quantitatem debiti vel eius quod interest (C. 8.44.4; D. 13.7.24 pr; C. 4.64.1). Verum obstat D. 46.3.46 pr. quae filia res pro alia soluta sit, et C. 7.45.8, quae generaliter si pro debito res soluta sit volenti creditori secundum regulam quam Marcianus tractabat (lib. 3 regul., ex quo est D. 46.3.46 pr.) si cut Modestinus (lib. 1 regul. D. 23.3.26) re evicta dicunt agi pristina actione et debitum repeti, quasi ea solutione non sit sublata pristina obligatio. Posset dici non esse scripta contraria quae diversas actiones dant, si data una, nominatim non denegetur altera, et in casu proposito igitur re evicta agi posse utili ex empto, quasi contracta emptione, vel actione pristina quasi res pro re, vel pecunia soluta, nec facta accipientis, non sustulerit pristinam

datio in solutum en droit romain, Diss. Grenoble 1894, 90 ff.; W. Teichmann, 25 f. 311 Vgl. Melcher, 20 f. 31! Pauca de datione in solutum, Diss. Göttingen 1830, 4 ff. 313 Dazu Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit!, 1967, 167 f.; Koschaker, Europa und das römische Recht., 1966, 105 ff.; Wesenberg / Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte2, 1969, 57 ff. 314 Observationum et emendationum libri XXIV, 1591, cap. XXXVIII, S. 929 f.

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obZigationem. Sed ne hoc remedia utamur, obstat C. 4.64.1 in secunda parte, quae priori casui opposito aZio casu, quo res non vaenaZis pro re data est, quod negotium permutatio appellatur, dum ita facta permutatione statuit esse in electione eius, cui res evicta est, ut vel agat evictionis nomine in id quod interest (C. 8.44.29) vel repetat rem quam vice mutua dedit, plane indicat priori casu proposito in prima parte eandem electionem non dari ei, cui res data pro pecunia evicta est, sed super esse tantum ei actionem in id quod interest, per quam possit eam quoque pecuniam consequi, non pristinam actionem. Quamobrem meZius est, quod unum est ex remediis Accursii, ut ea negotia distinguamus, et inter ea hanc constituamus esse differentiam. Si pro pecunia res aestimata soluta sit, emptionem esse non permutationem, aut sane hoc genus negotii minimum demutare ab emptione, plurimum a permutatione, et ideo ex natura emptionis liberationem contingere ei qui rem aZienam solvit pro pecunia qui pro venditore habetur, quia venditor non tenetur rem facere accipientis. At si pro re res soluta sit (D. 46.3.46 pr.; C. 7.45.8), permutationem esse, quae et si emptioni venditioni similis sit, tamen in multis longe ab ea dis tat, ut ex professo docet Paulus in D. 19.4.1 et inter cetera, quod quaestionem propositam expedit, quia rem aZienam tradens contra hit venditionem, non etiam permutationem, quia permutatio ita geritur, do ut des, et non dat nisi qui facit accipientis (D. 12.4.16). Ergo quasi non contraeta permutatione pristina obligatio rei debitae integra manet re evicta quae pro ea soluta erat.

Hier vergleicht also Cuiacius die datio in solutum mit einem Kauf oder einem Tausch 315 , je nachdem, ob - wie in C. 8.44.4 und D. 13.7.24 pr. - eine Sache anstelle geschuldeten Geldes oder - wie in D. 46.3.46 pr. - eine Sache anstelle einer geschuldeten anderen in solutum geleistet wird. Im ersten Falle sei bei einer Eviktion des aliud deshalb eine der actio empti analoge Klage auf das Interesse, im zweiten Fall dann die Klage aus der ursprünglichen Obligation gegeben. Die gegen die Auffassung der Glossatoren vorgetragene Kritik gilt also auch hier. Ausführlich beschäftigt sich auch Donellus (1527 - 1591) in seinen mit Struktur und Rechtsfolge der Leistung an Erfüllungs Statt: "Commentarii iuris civilis"316

Cui consequens est, ut ita res aZiena soluta est, quae illi ad solutionem dari debebat, ei pristina maneat actio, non tantum qua esperiri possit re evicta, ... sed etiam statim, ut iam ab initio constitit Ziberationem natam non esse. Idem tamen interdum agere potest re evicta utiZi actione ex empto: quod tune receptum est, cum is qui pecuniam debebat, pro pecunia speciem, puta fundum in solutum dedit. Ex empto actio in proposito ideo, quia cum res datur pro pecunia, emptio et venditio contrahitur. Sed ex empto tantum utilis, quia si spectatur id quod in proposito principaliter agitur, non potest videri contraeta emptio; cum id quod datur pro pecunia, solvendi causa detur: proinde et negotii distrahendi. Non potest autem idem distrahendi negotii causa datum videri simul et contrahendi. Quo fit, ut dum principaliter non contrahitur iure emptio, nec possit ex ea datione nasci directa actio 313 Zu Unrecht behauptet Melcher, 20, Cuiacius habe die datio in solutum mit Kauf oder Tausch identifiziert. 316 Opera omnia IV, 1842, De iure civili lib. XVI, cap. IX, tit. XIV.

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

ex empto. Sed ut principaliter perveniatur ad hanc ipsam solutionem aliam rem dando, necesSe est per co'ltSequentiam317 contrahi emptionem. Speciem enim pro pecunia debita dari oportet: atque hoc quoties fit ex consensu, emptionem esse necesse est. Quare erit et ex hoc negotio ex empto actio: quae quoniam non potest esse directa, relinquitur, ut sit utilis.

Die Argumentation von Donellus, daß in der Hingabe eines aliJLd zugleich ein solutorischer, vertrags auflösender (distrahere) als auch ein schuldbegründender Vorgang (necesse est per consequentiam contrahi emptionem) in der Form eines Kaufes stattfinde, vermag nicht zu überzeugen; denn das distrahere und das contrahere sind disparate Eigenschaften, die nicht gleichzeitig einem und demselben Rechtsgeschäft anhaften können. Donellus erkennt diese Schwierigkeit durchaus selbst (non potest autem idem distrahendi negotii causa datum videri simul et contrahendi). Aber dies ist für ihn gerade der Grund, im Eviktionsfalle dem Gläubiger bei der datio in solutum nicht qie direkte Kaufklage, sondern eine actio empti utilis zuzubilligen. Eingehend hat sich Anton Faber (1557 - 1624) in seinen exegetischen Studien "De erroribus pragmaticorum et interpretum iuris"318 an Hand der Texte C. 8.44.4 und D. 13.7.24 pr. mit der Struktur und den Eviktionsfolgen der datio in solutum befaßt. Er läßt - im Gegensatz zur Glosse und ihren Anhängern S19 - im Falle der Eviktion nicht nur die ursprüngliche Obligation fortbestehen, sondern hält stets daneben eine actio empti utilis auf das Interesse für gegeben: Ceterum nihil vetat, eo quoque casu, quo data sit in solutum species pro pecunia, si postmodum species evicta sit, manere quidem pristinam obligationem incorruptam, sed nihilominus teneri debitorem actione utili ex emptouo . Es könne, meint Faber, nämlich nur im Interesse des Gläubigers liegen, bei Eviktion beide Klagemöglichkeiten zu erhalten: Die ursprüngliche dann, wenn für sie Bürgen und Pfänder bestehen, die analoge Kaufklage deshalb, um weitergehenden Schaden geltend zu machen: Potest nam creditoris interesse, ut evictione secuta utramque habeat actionem: Primam quidem propter fideiussores et pignora, si ei forte accesserant; alteram vero ad consequendum, si quid praeter quantitatem debitam interessetatt• 317 Hier bemerkt der Herausgeber der Florentiner Donellus-Gesamtausgabe von 1842, Oswald Hilliger, in Band IV, S. 770 Anm. 12: Datio in solutum est emptio quae fit brevi manu. Celeritate enim coniugendorum actuum, is actus qui solvendo, et soluto pretii vice reddendo expediendus quasi per occultum intermortuus videtur. Sed ita si modo res pretii et mercis instar habeant. Dazu kritisch Blumenthal, 10 f. 318 Band IV, Dec. C. err. VII, Lyon 1615, S. 947 ff. 319 Fromman, De datione in solutum, Diss. Tübingen 1660, 34 f:-;-Schönfeld, De datione in solutum, Diss. Altdorf 1693, 13 f.; Blumenthal, 26 ff. 320 Faber, 952. 321 Faber, 952.

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Es sei töricht, dem Gläubiger bei Eviktion des aliud nur eine actio empti utilis zuzubilligen, wie es aus D. 13.7.24 pr. und C. 8.44.4 hervorgehe, ihm aber die alte actio zu verweigern, die beizubehalten durchaus günstiger sei: Denique stultum est dicere ob id solum quod evicta re quae in solutum data fuerat, utilis actio ex empto creditori accomödata sit, ut scriptum est in D. 13.7.24 pr. et C. 8.44.4, ademptam ei veterem actionem quam potius retineri expediat322• Die Ansicht von Faber, die in einer Kumulierung der von den Quellen mitgeteilten Rechtsbehelfe besteht, bevorzugt ganz einseitig die Interessen des Gläubigers, was gegenüber dem Schuldner nicht gerechtfertigt ist. Sie hat sich deshalb auch nicht durchgesetzt323 , wohl aber dazu geführt, daß die im Gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts in Deutschland324 herrschende Meinung dem Gläubiger immerhin ein Wahlrecht einräumte, entweder die ursprüngliche Forderung oder die actio empti utilis geltend zu machen 325• 4. Der Usus modernus

Die Juristen des Usus modernus 326, wie SamueZ Stryk (1640 - 1710)327, Augustin von Leyser (1683 - 1752)328 sowie Fromman und SchönfeZd in ihren Dissertationen329 , knüpfen wieder an die Auffassung der Glosse an. In seiner Darstellung über das "beneficium dationis in soZutum" nimmt SamueZ Stryk auch zur einverständlichen datio in soZutum Stellung: Dicimus dari actionem de evictione non tantum, quod simile hoc beneficium emptioni et venditioni sit, sed etiam, quod expresse a debitore in solutum dante cautionem de evictione creditori praestanda ... Doctoribus communiter fere approbata, dum inter modos dandi in solutum distinguit: Aut 32! 323

184f.

Faber, 952.

Siehe die Kritik bei Stryk, Opera omnia I, Frankfurt und Leipzig 1743,

Siehe unten S. 8I. Dieselbe Auffassung wurde von der französischen Jurisprudenz zur Interpretation der römischen Rechtsquellen vertreten von Bisson, Dation en paiement en droit romain et en droit fran!;ais, Diss. Paris 1885, 78; Grosjean, De la dation en paiement en droit romain et en droit fran!;ais, Diss. Nancy 1891, 71; de Combes, De la dation en paiement en droit romain, Diss. Toulouse 1892, 90. Dagegen Montegu, 92 ff. 328 Dazu Wieacker, 204 ff.; Wesenberg / Wesener, 100 ff. 3!7 Opera omnia I, Frankfurt und Leipzig 1743, 166 ff. 328 Meditationes ad Pandectas VII, Halle 1772, 781 ff. 329 Fromman, De datione in solutum, Diss. Tübingen 1660; Schönfeld, De datione in solutum, Diss. Altdorf 1693. Weitere Dissertationen aus dem 17. Jahrhundert (Carpanus, Freyers, Novarius, Glusianus) zitiert Me.lillo, 92 A. 2. 324 325

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

enim species pro specie in solutum datur, aut species pro quantitate sive pecunia; priori casu, si pro specie species soluta sit, permutatio est, quae quidem emptioni et venditioni similis. In multis tamen differentiam sortiuntur ab invicem, ... quia rem alienam tradens contrahit venditionem, non etiam permutationem, quia permutatio ita geritur: do, ut des, et dat, qui non facit accipientis. Ergo quasi non contraeta permutatione pristina obligatio rei debitae integra manet, re evicta, quae pro ea soluta erat. Posteriori casu, si species aestimata pro quantitate sive pecunia soluta sit, emptio est, non permutatio, aut sane id genus negotii minimum demutat ab emptione, plurimum a permutatione, et ideo ex natura emptionis liberationem contingere ei, qui rem alienam in solutum dedit pecunia, quia pro venditore habetur. Venditor autem non tenetur rem facere accipientis, et sie prior obligatio censetur exspirasse, ut sie potius de evictione sit agendum330•

Für den Fall der Eviktion der res da ta in solutum hält er die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln für anwendbar, und zwar nicht nur deshalb, weil die aliud-Leistung einem Kauf ähnlich sei, sondern auch deswegen, weil der Schuldner regelmäßig dem Gläubiger für den rechtsmangelfreien Erwerb Garantie leiste. Im übrigen ist auch Stryk der bereits von der Glosse vertretenen Ansicht, bei der Leistung einer bestimmten Sache anstelle einer geschuldeten anderen liege ein Tausch (si pro specie species soluta sit, permutatio est), bei der Hingabe einer Sache anstelle von Geld dagegen ein Kauf vor (si species pro pecunia soluta sit, emtio est). Da nur beim Tausch der Geber verpflichtet sei, die Sache dem Empfänger zu übereignen, bleibe eben - auf die datio in solutum übertragen - bei einem Rechtsmangel (res aliena) die alte Obligation bestehen. Bei einer kaufähnlichen datio in solutum dagegen werde im Eviktionsfalle die kaufrechtliche Gewährleistungshaftung (aetio empti utilis) ausgelöst; denn der Verkäufer sei zur Eigentumsverschaffung eben nicht verpflichtet, so daß schon durch die bloße Hingabe des aliud - auch bei einem Rechtsmangel - die bisherige Obligation erlösche und "so eher auf Gewährleistung geklagt werden könne" (ut sie potius de evietione sit agendum). Bei Augustin von Leyser findet sich zur datio in solutum die Bemerkung: Datio in solutum vera emptio et venditio est. Igitur quidquid in iuribus nostris de emptione et venditione constitutum est, hoc omne ad dationem in solutum trahi debet 331 • Damit geht von Leyser nicht nur über die Auffassung der Glossatoren und der französischen Humanisten, sondern auch über die justinianischen Quellen deutlich hinaus, in denen die datio in solutum eben nur mit einem Kauf verglichen wird (vicem venditionis obtinet; is, qui rem in solutum aeeepit, emptori similis est), wohingegen er die Lei330

831

Stryk, 184. Meditationes, 783 f.

H. Von Justinian bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

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stung an Erfüllungs Statt mit einem Kaufvertrag schlechthin identifiziert. In seiner "Ausführlichen Erläuterung der Pandecten"332 unterscheidet auch eh. F. Glück (1755 -1831), der - am Vorabend der Historischen Rechtsschule - als letzter Vertreter noch des Usus modernus angesehen werden kann 333 , zwei Arten der Leistung an Erfüllungs Statt: 1. die Hingabe einer Sache anstelle des geschuldeten Geldes, 2. die Leistung einer Sache anstelle einer geschuldeten anderen. Im ersten Fall nimmt er an, "die datio in solutum (sei) einem Kaufe gleich zu achten", im zweiten sei der Vorgang "als eine Vertauschung für dasjenige, was der Gläubiger zu fordern hatte, anzusehen"334. Kommt es zu einer Eviktion des aliud, dann kann der Gläubiger nach Ansicht von Glück im ersten Falle nur mit der actio utilis ex empto sein Interesse geltend machen, während er im zweiten Falle die ursprüngliche Forderung weiterverfolgen darf, weil der Schuldner nicht frei wird, wenn er nicht das Eigentum an dem aliud auf den Gläubiger übertragen hat. Glück meint335 , dies gelte eben nur für den Tausch; bei einem Kauf dagegen könne der Gläubiger (Käufer) im Eviktionsfalle nicht auf seine alte Forderung zurückgreifen, weil der Kaufvertrag den Schuldner (Verkäufer) nach römisch-gemeinem Recht nur verpflichte, dem Käufer die Sache zu übergeben, nicht aber auch das Eigentum daran zu übertragen; deshalb sei hier eben im Eviktionsfall auch nur ein Entschädigungsanspruch des Käufers gegeben. Nach einer kurzen Erörterung der oben338 aufgeführten Quellenstellen gelangt Glück so dann freilich in Anlehnung an Faber zu der Auffassung, der Gläubiger sei bei der Hingabe einer Sache anstelle von Geld nicht auf die actio empti utilis beschränkt, sondern habe die Wahl, entweder diese actio durchzusetzen oder seine ursprüngliche Forderung geltend zu machen337 • Diese Beurteilung habe, meint Glück, nicht nur zur Folge, daß der Gläubiger im Falle der Eviktion seine etwaigen Ansprüche aus Pfandrechten und Bürgschaften behalte, sondern für ihn auch den Vorteil, daß er bereits vor erfolgter Eviktion aus der alten Verbindlichkeit klagen könne; bei einer Beschränkung auf die bloße actio empti utilis müsse der Gläubiger nämlich erst die Eviktion des rechtsmangelhaften aliud abwarten. 21. Buch, 1819, 190 ff. Siehe Wieacker, 224. 334 Glück, Ausführliche Erläuterung der Pandecten 21, 1819, 190. 336 Erläuterung, 191. 338 Siehe S. 67 f. 337 Erläuterung, 197. Dagegen Blumenthal, 27 ff., der annimmt, spätestens im Zeitpunkt der Hingabe des aHud sei die bisherige Obligation durch Aufrechnung erloschen, so daß dem Gläubiger auf keinen Fall mehr die actio aus der alten Obligation zustehen könne. 382 338

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

5. Das Bayerische Landrecht von 1756 (Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis) Im 4. Teil des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 heißt es unter dem 4. Kapitel "Von allerhand besonderen Käufen" im § 16: Mit Dargebung eines Gutes statt baaren Geldes (Datione in Solutum) wird es durchgehends wie mit Käufen gehalten. Zur Erläuterung dieser Vorschrift weist von Kreittmayr, der Schöpfer und Kommentator des bayerischen Landrechts, auf die justinianische Beurteilung der datio in solutum hin, wonach diese die Rolle eines Kaufvertrages spiele (C. 8.44.4: nam eiusmodi contractus vicem venditionis obtinet), und ergänzt, man habe im Codex als ursprüngliche Verbindlichkeit nur deshalb lediglich die Geldschuld erwähnt, weil man die aliud-Leistung einer Einzelsache bei einer zugrundeliegenden Speciesschuld wie. einen Tausch behandeln müsse 338 .

6. Die Kodifikationen des Vernunftrechts a) Das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 Sehr ausführlich befaßt sich das preußische ALR von 1794 mit der "Angabe an Zahlungsstatt"339, und zwar im 4. Abschnitt des 16. Titels "Von den Arten, wie Rechte und Verbindlichkeiten aufhören". Es handelt sich um ALR I 16 §§ 235 - 250: § 235. Die Übergabe einer Sache an Zahlungsstatt befreiet den Schuldner nur so weit, als dieselbe von dem Gläubiger ausdrücklich als Zahlung angenommen worden. § 236. Daraus, daß der übergebenen Sa'che eine Taxe beigefügt worden, folgt noch nicht, daß der Gläubiger dieselbe für den bestimmten Preis an Zahlungsstatt angenommen habe. § 237. Vielmehr kann der Gläubiger, so lange er sich über den Werth der angegebenen Sache mit dem Schuldner noch nicht ausdrücklich vereinigt hat, gegen Rückgabe derselben noch einmal baare Zahlung fordern. § 238. So lange daher über den Preis der Sache noch kein Einverständniß vorhanden ist, bleibt das Eigenthum davon mit allen seinen rechtli'chen Folgen dem Schuldner, und der Gläubiger haftet, bey der Verwahrung derselben, nur für ein grobes Versehen. 338 von Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem IV, 1844,235. 330 Dazu Rubo, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung 22, 1823, 3 ff.; Koch, Das Recht der Forderungen Ir, 1840, 622 ff., 625 ff.; Dernburg, Lehrbuch des preußischen Privatrechts Ir', 1889, § 98; Förster! Eccius, Preußisches Privatre'cht 18, 1892, § 93, S. 588 f.; Gruchot, Glossen zum Allgemeinen Landrecht, GruchBeitr. 18, 1874,

445 ff.

II. Von Justinian bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

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§ 239. Hat aber der Schuldner dem Gläubiger zu seiner Erklärung: ob er die Sache für den bestimmten Preis annehmen wolle, eine längere Frist nicht ausdrücklich verstattet, so muß der Gläubiger diese Erklärung innerhalb der Tit. 5 § 91 sqq. bestimmten Frist abgeben. § 240. Unter läßt er dieses, so hängt es von dem Schuldner ab, die Sache nach eigenem Gutbefinden zurückzufordern. § 241. Hat der Gläubiger die Tit. 5 § 91 sqq. bestimmten Fristen verstreichen lassen, ohne die Sache dem Schuldner zurück zu geben: so muß er, während der fortgesetzten Unterhandlungen über den Preis, bey Verwahrung der Sache nicht bloß für ein grobes, sondern auch für ein mäßiges Versehen haften. § 242. Hat der Gläubiger die Sache für einen bestimmten Preis einmal angenommen: so ist in so weit die Schuld getilgt; und es treten übrigens zwischen den Parteien eben die Rechte und Pflichten ein, welche zwischen Käufern und Verkäufern obwalten. § 243. Wird jedoch die Sache innerhalb Jahresfrist, nachdem sie an Zahlungsstatt gegeben worden, ganz oder zum Theil von einem Dritten in Anspruch genommen: so steht dem Gläubiger frey, gegen Rückgabe der Sache sofort baare Zahlung zu fordern, und die Ausführung des Prozesses gegen den Dritten dem Schuldner zu überlassen. § 244. In Ansehung der Zwischenzeit ist sodann der Gläubiger als redlicher Besitzer zu betrachten. § 245. Erfolgt der Anspruch des Dritten erst nach Ablauf des Jahres: so hat der Gläubiger gegen den gewesenen Schuldner, in Ansehung der Gewährleistung, nur eben die Rechte, wie ein Käufer gegen seinen Verkäufer.

§ 246. Wird die Annahme an Zahlungsstatt in dem Falle des § 243 widerrufen; so kann zwar der Gläubiger, auch wenn der Dritte seinen Anspruch an die Sache nicht erstreitet, auf die von ihm selbst aufgerufene Annahme an Zahlungsstatt nicht mehr zurückgehen. § 247. Er kann aber die Sa'che so lange bis er entweder bezahlt, oder der Anspruch des Dritten darauf rechtskräftig vestgesetzt ist, als ein Pfand zurückbehalten. § 248. Kann er aus der Sache, oder sonst, von dem Schuldner seine Befriedigung nicht erhalten, so bleibt ihm zwar in diesem Falle des § 243 sein Recht an den Bürgen noch offen. § 249. Er muß aber, wenn er sich dieses Rechts künftig bedienen will, den geschehenen Aufruf der Annahme an Zahlungsstatt zu eben der Zeit, wo er ihn gegen den Schuldner erklärt, auch dem Bürgen bekannt machen. § 250. Ist die § 243 bestimmte Frist einmal verstrichen: so bleibt der Bürge von aller Vertretung wegen der durch Annahme an Zahlungsstatt getilgten Schuld frey; wenn gleich der Gläubiger sich noch an den gewesenen Hauptschuldner nach Vorschrift § 245 regressiren kann.

Wie die vorstehenden Paragraphen zeigen, hat das preußische Recht in eigenartiger Weise die divergierenden justinianischen Quellen "verarbeitet": Binnen Jahresfrist nach der Annahme des aliud kann der Gläubiger bei einer Eviktion gegen Rückgabe des aliud an den Schuldner auf die Altforderung zurückgreifen und nach Maßgabe der §§ 248,

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§ 4. A.

Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

249 gegen Bürgen vorgehen. Hier folgt die preußische Kodifikation deutlich erkennbar dem von Marcian (D. 46.3.46 pr.) vertretenen Standpunkt. Nach Ablauf eines Jahres seit Annahme des aliud stehen dem Gläubiger dagegen "in Ansehung der Gewährleistung nur eben die Rechte wie einem Käufer gegen seinen Verkäufer" zu (§§ 242, 245); dann kann sich der Gläubiger auch nicht mehr an die Bürgen halten (§ 250). Hierin liegt die Beurteilung der datio in solutum als eines kaufähnlichen Vorgangs340 . Im übrigen erblickte man in der Leistung an Erfüllungs Statt nach preußischem Recht eine Novation 341 •

b) Der französische Code civil von 1804 Abgesehen von den Artt. 1243, 2038 Code civil enthält die französische Kodifikation keine Regelung über die Gewährleistung bei Rechtsund Sachmängeln der res data in solutum 342 , ja es fehlen überhaupt Vorschriften über die mit Zustimmung des Gläubigers erfolgende Leistung an Erfüllungs Statt (dation en paiement)343. Art. 1243 Code civil lautet: Le creancier ne peut etre contraint de recevoir une autre chose que celle qui lui est due, quoique la valeur de la 'chose offerte soit egale ou meme plus grande. Und im Art. 2038 Code civil heißt es: L'acception volontaire que le creancier a faite d'un immeuble ou d'un effet quelconque en paiement de la dette principale, decharge la caution, encore que le creancier vienne a en etre evince. Aus dieser zuletzt genannten Vorschrift ist geschlossen worden, daß durch die datio in solutum nach Art einer Novation die ursprüngliche Schuld endgültig erlischt344 . A. B. Schwarz 345 hat mit Recht darauf 340 Unrichtig von Kübel, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Recht der Schuldverhältnisse I, 1882, 11. Vgl. Römer, 182 f. 341 Rubo, 5 ff., 11 f. 342 Siber, Schuldrecht, 1931, 123 A. 13; A. B. Schwarz, Festschrift Hans Lewald, 1953, 575. 343 Zur Leistung an Erfüllungs Statt im französischen Recht de Segogne, De la dation en paiement en droit romain et en droit fran!;;ais, Diss. Paris 1880, 83 ff.; de Berly, De la dation en paiement en droit romain et en droit fran!;;ais, Diss. Caen 1884, 81 ff.; Bisson, 89 ff.; Guimbaud, Theorie generale de la dation en paiement en droit romain et en droit fran!;;ais, Diss. Poitiers 1889, 179 ff.; Grosjean, De la dation en paiement en droit romain et en droit fran!;;ais, Diss. Nancy 1891; Salmon, Etude sur la dation en paiement en droit fran!;;ais, Diss. Rennes 1894, 77 ff.; Escare, De la dation en paiement en droit fran!;;ais, Diss. Toulouse 1898; Doublet, La dation en paiement, Diss. Paris 1905. Siehe auch Ferid, Das Französische Zivilrecht I, 1971, Rdnrn. 2 D 41 - 47; Kurt Hartmann, 46 f.; Meyer-Oelschigk, Die Mängelhaftung bei Datio in solutum nach deutschem und ausländischem Recht, Diss. Leipzig 1935,25 ff. 344 Marcade, Explication theorique et pratique du Code Napoleon IV, Paris 1852,528; IX (= Paul Pont, Commentaire-Traite des petits contrats II), Pa-

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hingewiesen, daß Art. 2038 keineswegs zwingend eine solche Folgerung gebietet; denn auf der einen Seite tritt eine Befreiung des Bürgen bei Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Erfüllung ohnehin nicht ein, und andererseits wird man in Art. 2038 nur eine Sonderregelung des Bürgschaftsrechts erblicken müssen 346 ; aus ihr darf nicht der Verlust aller Nebenrechte des Gläubigers im Falle der Eviktion herausgelesen werden. Vor allem läßt sich aus Art. 2038 nicht schließen, daß dem Gläubiger bei Eviktion des aliud der Rückgriff auf die ursprüngliche Obligation versagt ist 347 • Im übrigen wird in der französischen Literatur bei der Erläuterung der datio in solutum von Erfüllung, Kauf und Novation348 gesprochen, ohne daß man zu einer klaren konstruktiven Erfassung dieses Rechtsinstituts vorgedrungen ist 349 • Die kaufähnliche Struktur der dation en paiement wird vor allem aus Art. 1595 Nrn. 1 und 3 Code civil hergeleitet, wonach ein "Kaufvertrag" unter Ehegatten nur zulässig ist, wenn eine zwischen ihnen schon bestehende Verbindlichkeit an Erfüllungs Statt getilgt wird. Daraus leitet die französische Doktrin die Anwendbarkeit der Regeln über die kaufrechtliche Rechtsund Sachmängelgewährleistung bei einem fehlerhaften aliud her. Der Gläubiger ist jedoch auf diese Rechtsbehelfe nach französischer Anschauung nicht beschränkt, sondern berechtigt, nach seiner Wahl entweder die erwähnten Rechte eines Käufers geltend zu machen oder auf die bisherige Obligation zurückzugreifen 350 • Ferid 351 weist ferner mit Recht darauf hin, daß die Anwendung von Kaufvorschriften bei Nichtbestehen der durch datio in solutum zu tilgenden Forderung zur Folge hätte, daß es bei dem Kauf insbesondere beim Eigentumsübergang verbleiben würde. Der vermeintliche Schuldner würde lediglich den Kaufpreis fordern können, der ja nicht, insbesondere nicht durch Aufrechnung, beglichen sei. Schon deshalb erscheine es richtiger, den ris 1867, 197 ff.; Zachariae / Crome, Französisches Zivilrecht II8, 1894, 286, 736 A. 3; Crome, Die Grundlehren des französischen Obligationenrechts, 1894, 323 mit weiterer Literatur. Vgl. auch Meyer-Oelschigk, 7. 345 Festschrift Hans Lewald, 1953, 581. 348 Ferid, Rdnr. 2 D 42. 347 So Ferid, Rdnr. 2 D 42. 3'8 Dazu Bisson, 89 ff.; de Berly, 81 ff.; Salmon, 91 ff.; de Segogne, 83 ff.; Guimbaud, 185 ff., 192 ff., 198 ff.; Grosjean, 10 ff., 13 ff., 17 ff.; Escare, 11 ff., 29 ff., 39 ff.; Doublet, 21 ff., 33 ff., 42 ff.; Continella, Accademia dafnica di scienze, lettere ed arti, Atti e rendiconti, Acireale, I, 1892 - 93, 47 ff., 54 ff., 59 ff., 74 ff. 349 Planiol / Ripert, Traite Pratique de Droit Civil Fran!;ais VII!, 1954, Nr. 1249 ff., 1255; Planiol / Ripert / Boulanger, Traite Elementaire de Droit Civil II', 1952, Nr. 2019 ff.; Colin / Capitant, Cours Elementaire de Droit Civil Fran!;ais IIlO, 1948, Nr. 985 ff.; Ferid, Rdnrn. 2 D 43 - 46. 350 Planiol / Ripert / Boulanger, Nr. 2022; Ferid, Rdnr. 2 D 43. 331 Rdnr. 2 D 44.

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

Leistenden nicht am Kauf festzuhalten, sondern ihm einen Anspruch auf Rückgewähr des in solutum Geleisteten zuzubilligen. c) Das österreich ische ABGB von 1811 Der Konstruktion der Leistung an Zahlungs Statt im österreichischen Recht liegt ebenfalls deutlich die Auffassung von einem Kaufvertrag zugrunde 352 • Im § 1414 ABGB heißt es: Wird, weil der Gläubiger und der Schuldner einverstanden sind, oder weil die Zahlung selbst unmöglich ist, etwas anderes an Zalllungs Statt gegeben; so ist die Handlung als ein entgeltliches Geschäft zu betrachten. 7. Das Gemeine Recht des 19. Jahrhunderts

In der gemeinrechtlichen Doktrin des 19. Jahrhunderts war die rechtliche Struktur der datio in solutum umstritten 353 • Einerseits betrachtete man sie ebenso wie die Erfüllung als ein rein solutorisches Rechtsgeschäft, das auf Tilgung der Obligation durch das anstelle der ursprünglichen Leistung gesetzte Surrogat gerichtet ist354 • Römer 355 nennt sie eine modifizierte Erfüllung, soweit dem bisherigen Leistungsgegenstand ein anderer durch Parteivereinbarung substituiert werde. Nach Windscheid / Kipp 356 wirkt sie kraft der ihr durch den Willen der Beteiligten beigelegten Kraft wie die Erfüllung, obgleich sie nicht Erfüllung sei. Demgegenüber bezeichnen andere Autoren des Gemeinen Rechts S51 die datio in solutum - unter dem Eindruck der justinianischen Rechtsquellen - als einen zweiseitigen obligatorischen Vertrag 358 • Sie halten sie für einen Kauf, wenn für eine Geldschuld eine Sache geleistet wird, für einen Tausch, wenn anstatt der bisher geschuldeten Sache eine an352 Dazu Unger, GrünhutsZ 15, 1888, 540 ff.; Klang / Gschnitzer, Komm. zum ABGB VJ2, 1951, A. !I zu § 1414 mit weiteren Nachweisen; Gschnitzer, Schuldrecht, Angern. Teil, 1965, 123. Vgl. auch Kurt Hartmann, 47 f.; MeyerOelschigk, 22 ff. 353 Dazu Simon, Die Gewährleistung wegen eines Mangels im Re'chte und wegen eines Mangels der Sache im Falle der Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Greifswald 1899; Steiner, 50 ff.; Solazzi, 172 ff.; Ricca-Barberis, 3ff.; Dernburg / Engelmann, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens !I 14 , 1909, 326. Umfangreiche gemeinrechtliche Literatur bei AUara, Annali Palermo 13, 1927, 251 ff.; Melcher, 27; W. Teichmann, 26 ff. m Römer, 4 ff., 13, 28 ff., 51; Georg Cohn, Endemanns Handbuch !I1, 1885, 1097 mit weiteren Nachweisen in A. 27; von Kübel, 10 f. 355 a.a.O., 3. 358 Lehrbuch des Pandektenrechts IJ9, 1906, 419 A. 10. 357 Zum Beispiel Rubo, 14 ff. Dazu kritisch Melcher, 21 ff. 358 Dazu Römer, 4 ff.; Alexander, Datio in solutum und compensatio voluntaria, Diss. Leipzig 1908, 30 ff., 74 ff. Dagegen zutreffend Georg Cohn, 1079; Windscheid / Kipp, 419 A. 10; Melcher, 27 ff.; von Vangerow, 168 Nr. 1.

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dere hingegeben wird, und in allen übrigen Fällen für einen unbenannten entgeltlichen Vertrag. Angesichts der widersprüchlichen Quellentexte vertrat die im Gemeinen Recht herrschende Ansicht den Standpunkt, dem Gläubiger habe im Eviktionsfall ein Wahlrecht des Inhalts zugestanden, entweder auf die alte Forderung zurückzugreifen oder den Schuldner wegen der Mängel des aliud nach Analogie des Kaufvertrages auf Leistung des Interesses haftbar zu machen359 , vorausgesetzt, daß er den Mangel des aHud nicht gekannt hat360 • Aber von einem solchen Wahlrecht ist in den Quellen nirgends die Rede 361 • Dernburg 362 und Arendt363 waren der Auffassung, die Römer hätten aus Zweckmäßigkeitsgründen dem Gläubiger im Falle der Eviktion nur die actio empti utilis auf das Interesse gegeben364 • Baron 365 gelangte aus den gleichen Gründen zu dem Ergebnis, bei Eviktion stehe dem Gläubiger wieder die pristina obligatio zu Gebote, die nur geruht habe; überdies könne, .meint Baron, der. Gläubiger den Ersatz des Schadens verlangen, den er infolge der Eviktion des aliud erlitten habe, etwa die Kosten des Eviktionsprozesses, Ersatz der Aufwendungen auf die jetzt evinzierte Sache, kurz das negative Vertrag sinter esse. Eine befriedigende Erklärung für die in den Quellen vorhandenen gegensätzlichen Entscheidungen vermochten sie alle nicht zu geben. Brinz366 will aus C. 7.45.8 zusätzlich eine dritte Wahlmöglichkeit herauslesen. Er meint, die ursprüngliche Forderung sei ob causam aufgegeben, so daß im Eviktionsfalle also tamquam causa non secuta kondi359 Römer, 38 ff., 43, 54 ff., 83 ff.; Bekker, Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts 6, 1863, 241; Witte, KritVjSchr 8, 1866, 483, 488; von Vangerow, 170; BickeI, Welche rechtlichen Folgen ergeben sich aus der mangelhaften Beschaffenheit der an Erfüllungsstatt gegebenen Leistung gemäß den Vorschriften des römischen Rechts", Diss. Erlangen 1897, 35, 48; Puchta / Rudorff, Pandektenl l , 1872, 376; Bechmann, 559; Georg Cohn, 1079 mit A. 29; Arndts / Pfaff / Hofmann, Lehrbuch der Pandekten14, 1889, 435; Dernburg, Pandekten IF, 1903, 164; Dernburg / Sokolowski, System des römischen Rechts II8, 1912, 672 (zu diesem Wahlrecht kritisch ebendort A. 7); Windscheid / Kipp, 420; Berndorff, 22 A. 3; vgl. auch SchoLImeyer, A. 1 zu § 365; Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts 19, 1903, 806 A. 9; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung 11 1, 1951, 81.

Römer, 85 ff.; Georg Cohn, 1079. So zutreffend Baron, Pandekten9, 1896, 403. Vgl. auch Herbert Hartmann,7. m Pfandrecht 11, 1864, 246 ff.; System des römischen Re·chts IJS, 672; Pandekten IF, 164. 380

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383 Die Rechte des Gläubigers, dem die an Erfüllungsstatt gegebene Sache evinziert worden ist, Diss. Kiel 1898, 31. 38' Ebenso Alexander, 28. Vgl. auch Boehmer, Grundlagen 11 1, 81. 385 Pandekten9 , 1896, 402. 388 Lehrbuch der Pandekten II2, 1879, 336 A. 12.

6 Harder

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

ziert werden könne 367 • Es geht jedoch nicht an, aus einer einzigen Quellenstelle, die im übrigen viel einfacher erklärt werden kann, eine neue Auffassung der datio in solutum herzuleiten. In Wahrheit besagt diese Stelle nämlich nur, daß das Geleistete ohne Rechtsmangel in das Vermögen des Gläubigers übergehen muß. Ist dies nicht geschehen, so steht dem Gläubiger im Falle der Eviktion der Rückgriff auf die ursprüngliche Forderung offen, nicht aber wird ihm eine actio empti utiHs gewährt368 • Stellt sich C. 7.45.8 mithin nicht als eine dritte Ansicht über die Eviktionsfolgen der datio in solutum dar, so bleiben gleichwohl zwei einander widersprechende Meinungen in den Quellen besteheri, die man durch Annahme eines Wahlrechts zu harmonisieren versuchte. Der Vorwurf mangelnder Begründung seiner These kann auch Schliemann 369 nicht erspart werden. Er meint, daß im Falle der Eviktion die actio empti utiHs dann gegeben wurde, wenn sich der Schuldner zur datio in solutum verpflichtet hatte. War er dagegen zur Hingabe ledig-

lich berechtigt, so durfte der Gläubiger bei der Eviktion auf die ursprüngliche Forderung zurückgreifen370 • Zwar wird von einigen Autoren des Gemeinen Rechts zutreffend betont, daß die datio in solutum ebenso wie die solutio die wirkliche Verschaffung des aliud erfordere: Verschaffung des Eigentums, des Nutzungs-, Gebrauchs-, Forderungs- oder sonstigen Rechts 371 • Aber nur Baron 372 hat daraus den im Ergebnis jedenfalls - zutreffenden Schluß gezogen, im Falle der Eviktion trete die alte Schuld, die inzwischen nur geruht habe, wieder in Wirksamkeit373 • 8. Das sächsische BGB von 1865

Das sächsische BGB bestimmte - sogar innerhalb der allgemeinen Vorschriften über den Kauf (§§ 1082 -1100) - im § 1100: 367 Zustimmend Windscheid / Kipp, 420 A. 14; Bechmann, 559; Berndorff, 25 A. 1; Koschaker, ZSS 37,1916,368. 368 Gegen Brinz daher insoweit zutreffend Römer, 40; Karlowa, Römische Rechtsgeschichte II 1, 1901, 1381; Ernst, Die Folgen mangelhafter Beschaffenheit der Leistung an Zahlungsstatt nach römischem Recht, 1890, 43; Quander, Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Rostock 1903, 50; Alexander, 24; Steiner, 148 ff.; W. Teichmann, 19; Ceglarek, Die Folgen der rechtsmangelhaften Leistung an Erfüllungsstatt, Diss. Jena 1935, 21. 368 Die Haftung des Cedenten2 , 1850,46 ff., 53. 370 Dazu kritisch Melcher, 25 ff.; W. Teichmann, 27. Ablehnend von Vangerow, 170 Nr. 5, 171 Nr. 6. 371 Römer, 38, 54; Georg Cohn, 1079; Brinz, 336 mit A. 12; Baron, 402. 372 a.a.O. 373 Unter Berufung auf D. 13.7.24 pr. und C. 8.44.4 hält Baron, 402 ff., den Gläubiger bei Eviktion für berechtigt, zusätzlich den Ersatz des Schadens zu verlangen, den er infolge der Eviktion des aliud erlitten hat (z. B. Kosten des Eviktionsprozesses, Auslagen auf die jetzt evinzierte Sache, "kurz das sog. negative Vertragsinteresse U

).

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Wird zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner eine Vereinigung dahin getroffen, daß der Erstere durch einen von dem Letzteren zu überlassenden Gegenstand für seine Forderung abgefunden sein soll, so finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung 374 •

Römer 375 bemerkt: "Diese Bestimmung bedarf einer besonderen Kritik nicht mehr, ihre Kritik ist enthalten in der ganzen Darstellung der Lehre in vorliegendem Buche." Dem ist nichts hinzuzufügen! 9. Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1860 Im Art. 84 des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1860 heißt es: Hat der Gläubiger freiwillig statt der Erfüllung eine Sache an Zahlungsstatt genommen, so ist der Schuldner zur Gewährleistung ebenso verpfli'chtet, als hätte er die Sache um den Betrag der Schuld an den Gläubiger verkauft. Und Art. 888 desselben Entwurfs lautet: Ist die Hauptschuld durch Hingabe einer Sache an Zahlungsstatt getilgt und wird diese Sache dem Gläubiger später entwährt, so lebt die Bürgschaft nicht wieder auf. Als Begründung für die im Art. 84 geplante Regelung wird darauf hingewiesen 376 , daß die Annahme einer Sache durch den Gläubiger an Zahlungs Statt in der Absicht geschehe, dadurch befriedigt zu werden. Diese Befriedigung werde aber vereitelt, wenn dem Gläubiger die Sache von einem Dritten entwehrt werde. Der Schuldner müsse daher in einem solchen Fall wie ein Verkäufer nach den beim Kauf geltenden Grundsätzen Gewähr leisten. Zu Art. 888 wird bemerkt377 : Für den Bürgen, der sich infolge einer durch den Hauptschuldner bewirkten Hingabe an Zahlungs Statt von der Bürgschaft enthoben glaubt, würde es zu hart sein, wenn er für die hinterher unerwartet eingetretene Ersatzpflicht des Schuldners wieder einstehen müßte. Sei der Schuldner inzwischen in Vermögens verfall geraten, so fehle dem Bürgen die Möglichkeit zum Regreß, und da der Gläubiger zur Annahme eines aliud an Erfüllungs Statt nicht verpflichtet gewesen sei, dürfe dem Bürgen aus dieser freiwilligen Handlung des Gläubigers kein Nachteil erwachsen. 374 Vgl. dazu Siebenhaar / Pöschmann, Commentar zu dem bürgerlichen Gesetzbuche für das Königreich Sachsen 112, 1869, 235. Im § 694 hatte das sächsische BGB das beneficium dationis in solutum ausdrücklich beseitigt. 375 188. 37S Motive zum Entwurfe eines bürgerli'chen Gesetzbuches für das Königreich Bayern, München 1861, 8I. 371 Motive, 269.



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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlicher Vertrag

10. Der sogenannte Dresdener Entwurf von 1866 Die kaufähnliche Struktur der Leistung an Erfüllungs Statt liegt auch dem sogenannten Dresdener Entwurf 378 von 1866 zugrunde. Art. 358 nach dem Stand der 1. Lesung von 1864 lautete: Hat der Gläubiger freiwillig statt der geschuldeten Leistung eine andere an Zahlungs Statt von dem Schuldner angenommen, so ist hiermit das seitherige Schuldverhältnis erloschen und der Gläubiger hat nur die Rechte aus dem über die Hingabe an Zahlungsstatt geschlossenen Rechtsgeschäfte. Demgegenüber sah Art. 345 des Dresdener Entwurfs in 2. Lesung aus dem Jahre 1866 vor: Giebt der Schuldner statt der geschuldeten Leistung eine andere an Zahlungsstatt und nimmt der Gläubiger diese Leistung an, so erlischt das Schuldverhältniß, wenn der Gegenstand der Leistung an Zahlungsstatt in einer Sache oder in einem Rechte an einer Sache oder in einer Forderung besteht, zu der Zeit, wo die Sache oder das Recht an einer Sache oder die Forderung als eigen auf den Gläubiger übergeht und; wenn der Gegenstand der Leistung an Zahlungsstatt in einer Handlung besteht, zu der Zeit, wo die Handlung vollständig geleistet ist. Besteht die Leistung an Zahlungsstatt in einer Sache oder in einem Rechte an einer Sache oder in einer Forderung, so hat der Schuldner dem Gläubiger für den an Zahlungsstatt gegebenen Gegenstand nach Maßgabe der für entgeltliche Veräußerungsverträge geltenden Vorschrift Gewähr zu leisten.

11. Andere neuzeitliche Gesetze (Niederlande, Spanien, Brasilien, Schweiz, Italien, Portugal) a) Dem Art. 2038 des Code Civil folgen: Art. 1886 des niederländischen BGB von 1838: De vrijwillige aanneming van eenig onroerend of ander goed, door den schuldeischer in betaling der hoofschuld gedaan, ontslaat den borg, al ware het ook dat hetzelve goed naderhand van den schuldeischer wierd uitgewonnen. Art. 1849 des spanischen C6digo Civil von 1889: Si el acreedor acepta voluntariamente un inmueble u otros cualesquiera efectos en pago de la deuda, aunque despues los pierda por eviccion, queda libre el fiador.

b) Der brasilianische C6digo Civil von 1916 behandelt die Leistung an Erfüllungs Statt (da!;äo em pagamento) in den folgenden vier Artikeln: Art. 995: 0

credor pode consentir em receber coisa que näo seja dinheiro, em substitui~ao da presta~ao que lhe era devida.

Art. 996: Determinado 0 pre~o da coisa dada em pagamento, as rela~öes entre as partes regular-se-ao pelas normas do contrato de compra e venda. 378 Die genaue Bezeichnung lautete für den Entwurf 1. Lesung (1864): "Entwurf eines für die deutschen Bundesstaaten gemeinsamen Gesetzes über Schuldverhältnisse", die des Entwurfs 2. Lesung (1866): "Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse."

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Art. 997: Se for titulo de credito a coisa dada em pagamento, a trasferencia importara em cessäo. Art. 998: Se 0 credor for evicto da coisa recebida em pagamento, restabeler-se-a a obrigac;äo primitiva, ficando sem effeito a quitac;äo dada. Diese letzte Bestimmung zeigt, daß hier der Grundsatz des klassischen Rechts (manet pristina obligatio) Eingang gefunden hat, freilich mit der wenig befriedigenden Einschränkung des Art. 1503 UI, wonach - wie im französischen, niederländischen, spanischen und italienischen Recht - die Bürgschaften für die Urschuld erloschen bleiben. Nur für den Fall, daß für das aliud ein Wert festgesetzt worden ist, finden nach Art. 996 auf die Rechtsbeziehungen der Parteien die Regeln des Kaufvertrages Anwendung. c) Das schweizerische Obligationenrecht (OR) regelt die Leistung an Erfüllung Statt nicht379, läßt sie aber als Erfüllungssurrogat zu. Von Tuhr / Siegwart 380 sind der Auffassung, bei Rechts- oder Sachmänge In des aliud verdiene die Regelung des § 365 des deutschen BGB gegenüber der gemeinrechtlichen Wahlmöglichkeit381 - den Vorzug; danach sei auch bei Leistung eines mangelhaften aliud die bisherige Forderung "definitiv erloschen" und der Gläubiger berechtigt, die kaufrechtlichen Gewährleistungsbehelfe geltend zu machen. Diese Regelung empfehle sich "insbesondere deswegen, weil es ... unbillig erscheint, die Bürgen und Pfänder, welche durch die datio in solutum prima facie befreit sind, bei Mangelhaftigkeit dieser Leistung wieder haften zu lassen"382. Aber maßgebend kann doch nicht sein, was man "auf den ersten Blick" für richtig hält. Bei näherem Hinsehen wird das Weiterbestehen der Nebenrechte durchaus gerechtfertigt erscheinen, wenn man bedenkt, daß Bürgen und Pfänder für die Befriedigung des Gläubigers einstehen müssen und eine Befriedigung des Gläubigers eben bei mangelhafter aliud-Lieferung noch nicht erfolgt ist. A. B. Schwarz383 und A. Beck384 halten demgegenüber die Rezeption der Regelung im deutschen § 365 BGB mit überzeugenden Gründen für unzweckmäßig. Sie sind für das schwei378 Dazu von Tuhr / Siegwart, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts H!, 1944, 447 ff.; von Tuhr / Escher, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts 113, 1974, 11 ff.; A. B. Schwarz, Festschrift Hans Lewald, 1953, 579 ff.; A. Beck, Das gemeine Recht als Rechtsquelle?, in: Rechtsquellenprobleme im Schweizerischen Recht, Festgabe für den Schweizerischen Juristenverein, 1955, 287 ff., bes. 292. Vgl. auch Kurt Hartmann, 48; Meyer-Oelschigk, 17 ff. 380 448 ff. Ebenso von Tuhr / Escher, 12 mit A. 8. 381 Dazu oben S. 81. 382 von Tuhr / Siegwart, 449; von Tuhr / Escher, 12.

383 384

579 f. 292.

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§ 4. A. Leistung an Erfüllungs Statt als kaufähnlieher Vertrag

zerische Recht der Meinung, daß sich ein Gläubiger, der an Erfüllungs Statt eine Sache annimmt, ohne zu wissen, daß diese nicht dem Leistenden gehört und an der er auch bei gutem Glauben kein Eigentum zu erwerben vermag, in einem Grundlagenirrtum befindet, nämlich im Irrtum über "einen Sachverhalt, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde" (schweiz. OR Art. 24 Nr. 4). Eröffnet dementsprechend der Gläubiger dem Schuldner binnen Jahresfrist, daß er den Vertrag nicht halte (OR Artt. 23, 31 I), dann gilt die ursprüngliche Forderung mit allen Sicherheiten als fortbestehend 385 • d) Besondere Hervorhebung verdient Art. 1197 des italienischen Codice Civile von 1942: (I) Il debitore non pu