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German Pages [125] Year 2021
Kirche – Konfession – Religion
Band 80
Herausgegeben vom Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes unter Mitarbeit der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen von Dagmar Heller und Kai Funkschmidt in Verbindung mit Andreas Feldtkeller, Miriam Rose und Gury Schneider-Ludorff
Zygfryd Glaeser / Anna Zellma
Die ökumenische Pädagogik von Papst Franziskus Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis von Martin Luther und seinem Erbe
V&R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Gutachten: Erzbischof Prof. Dr. habil. Alfons Nossol, Universität Opole; Prof. Dr. habil. Zdzisław Józef Kijas, Päpstliche Universität Johannes Paul II. in Kraków © 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: ASIFE / photocase.de Lektorat: Andrea Naumann, SchwabScantechnik, Geiststraße 11, D-37073 Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-1507 ISBN 978-3-7370-1280-5
Inhalt
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel I: Vom historischen Streit zum gemeinsamen Zeugnis 1. Die Ablehnung Luthers im 16. Jahrhundert . . . . . . . . . 2. Überwundene Stereotype . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das neue Lutherbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Luther – »Zeuge Jesu Christi« . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel II: Die ökumenischen Impulse der Vorgänger . 1. Die konziliaren und nachkonziliaren Wendepunkte 2. Luther neu entdeckt und »erzählt« . . . . . . . . . 3. »Auf der Suche nach dem gnädigen Gott« . . . . .
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Kapitel III: Das pastorale Zeugnis . . . . 1. Die 500-Jahr-Feier der Reformation . 2. Das ökumenische Pilgern zu Christus 3. Dialogische Paradigmen . . . . . . .
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Kapitel IV: Eine dynamische Fortsetzung . . . . . . . . . . . 1. Dem Heiligen Geist vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Dialog als Paradigma einer ökumenischen Kultur . 3. Zusammenarbeit »über alle Gräben hinweg« aufnehmen
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Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geleitwort
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, vor allem mit der Promulgation des Dekrets über den Ökumenismus »Unitatis redintegratio«, ist die katholische Kirche, geleitet von den beiden großen heiligen Konzilspäpsten Johannes XXIII. und Paul VI., in offizieller und endgültiger Weise in die weltweite ökumenische Bewegung eingetreten. Das ökumenische Anliegen ist sodann von allen Päpsten nach dem Konzil, also von Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI. und heute von Papst Franziskus, weitergetragen, gefördert und vertieft worden. Bei der Wahrnehmung dieser pastoralen Priorität hat jeder Pontifex seine eigenen Akzente gesetzt. Dies gilt in besonderer Weise in Bezug auf Papst Franziskus, der freilich zugleich um seine grundlegende Kontinuität mit seinen Vorgängern im petrinischen Amt weiß. Beides hat er in seiner Homilie bei der Vesper zum Abschluss der Gebetswoche für seine Gläubigen, als er im Jahr 2014 zum ersten Mal vor sie trat, mit folgenden seine Vorgänger würdigenden Worten zum Ausdruck gebracht: »Das Werk dieser Päpste hat dazu geführt, dass die Dimension des ökumenischen Dialogs ein wesentlicher Aspekt im Amt des Bischofs von Rom geworden ist, so dass heute der Petrusdienst ohne eine Einbeziehung dieser Öffnung für den Dialog mit allen an Christus Glaubenden nicht vollkommen erfasst wäre.«
Grundlegende Kontinuität und neue spezifische Akzente kennzeichnen das ökumenische Wirken von Papst Franziskus, der die Trennungen in der Christenheit immer wieder als Manifestationen menschlicher Sünde anklagt und deshalb leidenschaftlich um die Wiedergewinnung der Einheit der Christen besorgt ist. Dieses Zusammenspiel von Kontinuität und Neuheit belegen in erhellender Weise Zygfryd Glaeser und Anna Zellma im vorliegenden Buch sowohl in der Darstellung der ökumenischen Impulse der Vorgänger von Papst Franziskus als auch in der Präsentation seines eigenen ökumenischen Engagements. Um die Vielfalt der Akzente und Formen des ökumenischen Wirkens von Papst Franziskus zu profilieren, sprechen die Autoren bewusst von einer »ökumenischen Pädagogik«, die einen dialogischen Charakter aufweist, sich in einer Kultur
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Geleitwort
von Dialog und Begegnung verwirklicht und in der die folgenden Ausprägungen des ökumenischen Dialogs im Vordergrund stehen: der Dialog der Liebe (die geschwisterliche und freundschaftliche Begegnung mit Getauften in anderen christlichen Gemeinschaften), der Dialog des Lebens (das Teilen des Glaubens im alltäglichen Leben), der spirituelle Dialog (das gemeinsame Beten um die Einheit aller Christen), der pastorale Dialog (das gemeinsame Wahrnehmen von seelsorgerlichen Aufgaben), der praktische Dialog (die Zusammenarbeit angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart) und der Dialog der Wahrheit (die theologische Aufarbeitung der Ursachen der Spaltungen in der Kirche in der Vergangenheit). Um die »ökumenische Pädagogik« von Papst Franziskus zu konkretisieren, wird im vorliegenden Buch, wie der Untertitel signalisiert, der Schwerpunkt auf den Dialog der katholischen Kirche mit dem Luthertum gelegt. Dies geschieht aus dem einleuchtenden Grund, dass der allererste ökumenische Dialog, den die katholische Kirche unmittelbar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnen hat, derjenige mit dem Lutherischen Weltbund gewesen ist, so dass in dem bedeutenden Jahr 2017 nicht nur der 500 Jahre seit dem Beginn der Reformation, sondern auch der 50 Jahre des Dialogs zwischen Katholiken und Lutheranern gedacht werden konnte. Dieser Dialog hat sich als sehr fruchtbar erwiesen, wie vor allem die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre durch den Lutherischen Weltbund und den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen am 31. Oktober 1999 in Augsburg belegt. Denn dass bei der wohl zentralsten Frage, die im 16. Jahrhundert zur Reformation und anschließend zur Kirchenspaltung geführt hat, ein weitgehender Konsens erzielt werden konnte, darf man als ökumenischen Meilenstein würdigen. Ohne diesen verheißungsvollen Schritt wäre im Jahr 2017 ein gemeinsames Gedenken an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren nicht möglich geworden, wie es mit dem Dokument »Vom Konflikt zur Gemeinschaft« vorbereitet worden ist und wie es seinen deutlichsten Ausdruck in der Anwesenheit von Papst Franziskus beim ökumenischen Gottesdienst der evangelisch-lutherischen Kirche im schwedischen Lund am 31. Oktober 2016 gefunden hat. In der gemeinsam mit dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, veröffentlichten Erklärung anlässlich des Reformationsgedenkens haben sie hervorgehoben, was man heute aus ökumenischer Sicht über die Reformation im 16. Jahrhundert sagen kann: »Während wir eine tiefe Dankbarkeit empfinden für die geistlichen und theologischen Gaben, die wir durch die Reformation empfangen haben, bekennen und beklagen wir vor Christus zugleich, dass Lutheraner und Katholiken die sichtbare Einheit der Kirche verwundet haben.« Dass zum ersten Mal in der Geschichte ein Papst an einer Gedenkfeier der Reformation teilnimmt und sich in differenzierter Weise auch über Martin Luther äußert, wäre gewiss nicht denkbar gewesen ohne die neue Sicht auf den
Geleitwort
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Reformator, die im vergangenen Jahrhundert auch in der katholischen Kirche und Theologie gewonnen werden konnte und die im vorliegenden Buch im ersten Kapitel zusammenfassend präsentiert wird. Mit der Fokussierung auf Person und Theologie Martin Luthers in der ökumenischen Wahrnehmung der Päpste nach dem Konzil auf der einen Seite und der feinfühligen Präsentation der »ökumenischen Pädagogik« von Papst Franziskus auf der anderen Seite leistet das Buch von Zygfryd Glaeser und Anna Zellma einen zweifachen Dienst: Es gibt erstens einen guten Überblick über die ökumenische Annäherung zwischen der katholischen Kirche und den lutherischen Gemeinschaften auf der Grundlage einer differenzierten Sicht der Person und des Wirkens von Martin Luther. Und zweitens bietet es einen hilfreichen und zugleich sympathischen Einblick in das ökumenische Wirken von Papst Franziskus, indem seine »ökumenische Pädagogik« in ihren verschiedenen Formen und Dimensionen entfaltet wird. Der Autorin und dem Autor des Buches sei für ihre wertvolle Arbeit herzlich gedankt, und dem Buch sei bei den Lesenden eine gute Aufnahme gewünscht, damit das wichtige ökumenische Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Päpste nach dem Konzil auch in der heutigen Zeit aufmerksam wahrgenommen und fruchtbar fortgeführt werden kann. Rom, im Oktober 2020
Kurt Kardinal Koch Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen
Einführung
Jorge Mario Bergoglio – Franziskus, der Papst aus Argentinien,1 bringt in das Leben der Kirche, in die innerchristlichen Beziehungen und in die Weltkultur eine neue Sensibilität ein. Diese zeichnet sich nicht nur durch Schlichtheit und Offenheit aus, sondern auch durch die Bereitschaft, die bisher in Kirche und Gesellschaft geltenden Gepflogenheiten zu ändern. Mit seinem milden Lächeln und einfachen Worten begeistert er seine Zuhörer. Aufmerksam hört er zu, wenn ihm unterschiedliche Menschen von ihren Problemen berichten. Er steht an der Seite der Armen, Ausgegrenzten, Geflüchteten, Benachteiligten, Kranken und Zweifelnden. Er ist ein Brückenbauer zwischen Christen und Menschen guten Willens – ungeachtet ihrer Weltanschauung2 – und beteiligt sich aktiv an einer positiven Gestaltung der Beziehungen vom Christentum zu anderen Religionen und zur Welt. Er spaltet nicht, er verbindet. Er bewegt sich an die »Peripherie« der Kirche hin zu menschlichen Gemeinschaften. Er sucht nach Verlorenen und jenen, die sich ihrer Zukunft nicht mehr sicher sind. Er beachtet menschliche Schwäche und verkündet die Botschaft von der Liebe Gottes. Er dient der Wahrheit und ist auch bereit, nach ihr zu suchen. Er steht für die Wahrheit ein und ermutigt andere, ihm dabei zu folgen. Auch stellt er sich der historischen Wahrheit, so schwer sie oft auch ist. Er vergibt und bittet mit Demut um Vergebung. Wie seine nachkonziliaren Vorgänger auf dem Stuhl Petri (Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II., Benedikt XVI.) machte er den Ökumenismus zum Schwerpunkt seines Pontifikats. In einer für das Christentum nicht einfachen Zeit, die von Materialismus, Konsum und Relativismus geprägt ist, ruft er alle Christen zu mehr gegenseitiger Offenheit, zur Zusammenarbeit im Sinne der Evangelisation und zur Einheit auf. Als Bischof von Rom setzt er sich für die Einheit in der Kirche und in der Welt ein. Dabei 1 Siehe S. R. Rubin, F. Ambrogetti, Mein Leben, mein Weg. Die Gespräche mit Jorge Mario Bergoglio von Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti – El Jesuita/Papst Franziskus [übers. von Elisabeth Münzebrok], Freiburg i. Br. – Basel – Wien (Herder) 2013; W. Kasper, Das Feuer des Evangeliums. Mein Weg mit Papst Franziskus, Eschbach (Patmos) 2016, S. 108–115. 2 Siehe Papa Francesco, E. Scalfari, Dialogo tra credenti e non credenti, Torino (Einaudi) 2013.
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Einführung
bezieht er sich auf den Geist des Konzils und verweist nicht so sehr auf Beschlüsse und Dokumente, sondern vielmehr auf eine von Offenheit, Dialog, Bekehrung und Streben nach Einheit geprägte Haltung.3 Er will die Kirche von den bürokratischen Zwängen befreien, die über Jahrhunderte um die patriarchalische römische Hauptstadt gewachsen sind.4 Er spricht Themen an, die in den letzten Jahrhunderten in der Kirche verschwiegen und verdrängt wurden. Er ist ein »Prophet« der Gegenwart, der mahnt und zugleich auch eine aus dem Evangelium entspringende Hoffnung spendet.5 Mit gleichem Respekt begegnet Franziskus sowohl den Christen und Kirchen, die der östlichen Tradition entstammen, als auch jenen, die aus der Reformation hervorgegangen sind und sich ihr verpflichtet fühlen. Er urteilt nicht und macht keine Unterschiede. Bei allen legt er die gleichen Maßstäbe an und begegnet ihnen auf dem Fundament der Wahrheit des Evangeliums mit Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit in Christus. Im Glauben an den Heiligen Geist legt er großen Wert auf das ökumenische Gebet sowie auf die persönliche und gemeinschaftliche Bekehrung. Er fördert den ökumenischen Dialog als Weg zur Einheit in der Kirche und in der Welt.6 Als Beweis für den besonderen Respekt des Papstes gegenüber Protestanten gilt Franziskus’ Besuch in der Turiner Waldenserkirche (22. 06. 2015) und seine Bitte um Vergebung allen Unrechts, das protestantischen Gläubigen von Angehörigen der römisch-katholischen Kirche widerfahren ist: »Ich bitte Euch vonseiten der katholischen Kirche um Vergebung für all jene unchristlichen, ja unmenschlichen Handlungen und Einstellungen, die wir in der Geschichte […] gegen euch gerichtet haben. Im Namen Christi, vergebt uns.«7 Als historisch einmalig ist auch das Treffen von Papst Franziskus mit Kyrill I. anzusehen: In der gesamten Kirchengeschichte war es die erste Begegnung eines Papstes mit dem Oberhaupt der russischen Orthodoxie, dem Patriarchen von
3 Siehe S. Bevans, Evangelii Gaudium and Prophetic Dialogue, »Australian e-Journal of Theology« (2015), Nr. 1 (22), S. 11–18; C. Clifford, Pope Francis’ Call for the Conversion of the Church in our Time, »Australian e-Journal of Theology« (2015), Nr. 1 (22), S. 33–55. 4 Siehe W. Kasper, Revolution der Zärtlichkeit und der Liebe. Theologische Wurzeln und pastorale Perspektiven, Stuttgart (Katholisches Bibelwerk) 2015. 5 Mehr zur prophetischen Sendung von Franziskus siehe A. Mrozek, Prorocki autorytet papiez˙a Franciszka, »Studia Paedagogica Ignatiana« 20 (2017), Nr. 5 (Sondernummer), S. 33–49. 6 Dazu vgl. Papst Franziskus, »Mit Frieden gewinnt man alles.« Im Gespräch mit Dominique Wolton über Politik und Gesellschaft [aus dem Französischen übers. von Gabriele Stein], Freiburg i. Br. – Basel – Wien (Herder) 2019. 7 Franziskus, Ansprache während des historischen Besuchs des Papstes bei den Waldensern: »Vergebt uns« (22. 06. 2015), http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2015/june/d ocuments/papa-francesco_20150622_torino-chiesa-valdese.html, https://www.tvn24.pl/wiad omosci-ze-swiata,2/franciszek-u-waldensow-przebaczcie-nam,553603.html (02. 11. 2016).
Einführung
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Moskau und der ganzen Rus, die am 12. Februar 2016 auf dem Flughafen von Havanna stattfand.8 Zum Pontifikat von Papst Franziskus gehören auch seine Initiativen in Zusammenhang mit dem 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017. Im Laufe der Vorbereitungen auf das für die protestantische Welt so bedeutsame Ereignis wurde häufig gefragt, ob und wie sich die katholische Kirche in diese Feierlichkeiten einbringen, wie sich der Papst dazu positionieren wird.9 Dank zahlreicher Gesten und Aussagen des Papstes konnte man sich schon bald davon überzeugen, dass er mit ökumenischer Offenheit die Person Martin Luthers und dessen theologisch-kirchliches Erbe betrachtet. Er sprach mit Vertretern des Lutherischen Weltbundes, des Weltkirchenrates und mit Angehörigen von lokalen evangelischen Gemeinschaften. Er setzt den Dialog mit protestantischen Kreisen fort, die seine Vorgänger, insbesondere Johannes Paul II. und Benedikt XVI., so dynamisch entfaltet haben. Er ruft dazu auf, mit ökumenischer Sensibilität die positiven Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen voranzutreiben. Er lehnt Siegessicherheit und Überheblichkeit in der gegenseitigen Wahrnehmung als eine Haltung ab, die eines Christen unwürdig ist. Er ermutigt auch zum Einsatz für den Weltfrieden, für den Schutz der Schöpfung und gegen die geistige bzw. materielle Armut.10 Als historische Wende im katholisch-lutherischen Verhältnis gelten die Aktivitäten von Papst Franziskus im Zusammenhang mit dem Jubiläum der Reformation. Zum ersten Mal überhaupt beteiligte sich der Bischof von Rom an offiziellen Feierlichkeiten anlässlich eines Jahrestages, der mit Martin Luther und der Reformation in Verbindung steht. Am 31. Oktober 2016 begann Franziskus seinen zweitägigen Besuch in Schweden. Zunächst nahm er im Dom zu Lund an einem ökumenischen Gottesdienst teil. Danach reiste er in die Malmö-Arena, zu einer Begegnung mit Katholiken und Lutheranern. Im Rahmen ihrer Glaubensbezeugung berichteten einige Teilnehmer von der Lage in ihren Heimatregionen, die von Katastrophen, Kriegen und sozialen Konflikten geplagt sind. In Anwesenheit des Papstes und vieler ökumenischer Gäste wurde ein Appell an die Verantwortlichen gerichtet, aktiv zu werden, um die Klimagerechtigkeit herzustellen und den Weltfrieden zu sichern.11 Franziskus schloss sich konsequent den 8 Siehe Z. Glaeser, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y po Soborze Watykan´skim II, Kamien´ S´la˛ski – Opole 2017, S. 152. 9 Siehe J. Wanke, Haben Katholiken am Reformationsjubiläum 2017 etwas zu feiern?, in: Człowiek dialogu, Hg. Z. Glaeser, Opole 2012, S. 497–506. 10 Vgl. T. Kotlewski, Duchowos´c´ papiez˙a Franciszka. »Otwarty umysł i wierza˛ce serce«, »Studia Bobolanum« (2014), Nr. 1, S. 33–48. 11 Siehe KAI/mi, Papiez˙ w Szwecji na rozpocze˛ciu obchodów 500-lecia reformacji [Podsumowanie], https://deon.pl/kosciol/serwis-papieski/papiez-w-szwecji-na-rozpoczeciu-obchodow-500-leciareformacji-podsumowanie,414509 (21.01. 2020). Siehe Wysocka, S., Papiez˙ udaje sie˛ do Szwecji
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Einführung
Versuchen an, die Person und das Erbe Martin Luthers aufs Neue »zu lesen«, und damit den Bemühungen um die Schaffung einer neuen Einheit zwischen diesen beiden christlichen Traditionen. Theologen beider Kirchen rief er dazu auf, gemeinsame historisch-theologische Forschungen aufzunehmen.12 Die an die protestantischen Kreise gerichteten ökumenischen Initiativen von Papst Franziskus werden dort mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Beide, Katholiken und Protestanten, erkennen seine bedeutende Rolle bei dem Versuch an, Martin Luther und sein Erbe im Lichte von neuen Paradigmen zu sehen, diesmal frei von Stereotypen und gegenseitigen Vorurteilen. Franziskus möchte die Errungenschaften der Gespräche über die Kirchenlehre in die Seelsorge und Erziehung junger Menschen tragen.13 Sein Wirken hat einen klaren pädagogischen Auftrag. Dabei handelt es sich geradezu um eine ökumenische Pädagogik, in der es nicht nur um die Vermittlung von Inhalten, sondern auch um Erziehung und Glauben geht. Die ökumenische Pädagogik von Papst Franziskus möchte vor allem die Menschen prägen und sie einander näher bringen. Ihr letztendliches Ziel ist, dass Kirchen und Menschen guten Willens gemeinsam den Weg zu Christus suchen bzw. finden und dass sie die neu entdeckten und verinnerlichten Werte praktisch anwenden können.14 Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit wesentlichen Aspekten darstellen, in deren Rahmen sich die ökumenischen Beziehungen zwischen Katholizismus und Luthertum gestalten. Deren Kern bilden heute die Aussagen von Franziskus über Martin Luther und dessen ökumenische Gesten, die Katholiken und Protestanten einander annähern. Sie werden in ihren historisch-gesellschaftlichen Zusammenhängen analysiert, was zum besseren Verständnis der ökumenischen Pädagogik des Papstes führen soll. Dabei sind sich die Verfasser sehr wohl bewusst, dass es sich hier um ein umna obchody 500-lecia Reformacji, https://dzieje.pl/aktualnosci/w-poniedzialek-papiez-udaje-sie -do-szwecji-na-obchody-500-lecia-reformacji (21. 01. 2020). 12 Zu nennen wären hier die römischen Begegnungen: mit einer Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (06. 02. 2016) sowie mit dem Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes und Vertretern der lutherischen Kirche aus Deutschland (04. 06. 2018). Siehe B. Zaja˛czkowska, Ekumenizm wcia˛z˙ musi znaczyc´ droge˛, https://vaticannews.va /pl/papiez/news/2018-06/franciszek-ekumenizm-ewangelicy-niemcy-reformacja-upamietni enie.html (21. 01. 2010). Vgl. S. Klein, Katolicy i luteranie razem przy stole Pan´skim. Wspólnota eucharystyczna według dokumentów dialogu katolicko-luteran´skiego, Lublin 2015. 13 Siehe J. Kostorz, Ekumeniczny wymiar posoborowej katechezy w Polsce, Opole 2007; M. Mikanowicz, Ł. Łukasiak, Lekcja religii 10. Ekumenizm, Poznan´ 2013; B. Milerski, Wiara poprzez dialog. Zagadnienie uprawomocnienia dialogu wiar, »Studia i Dokumenty Ekumeniczne« (1996), Nr. 1, S. 55–66; ders., Pedagogiczne dziedzictwo protestantyzmu, »Gdan´ski Rocznik Ewangelicki« (2012), Nr. 6, S. 189–189; ders., Ekumeniczny wymiar nauczania religii w szkole, »Ateneum Kapłan´skie« (2011), Heft 3, S. 468–479. 14 Vgl. M. Kluz, Chrystocentryzm wiary w Lumen fidei papiez˙a Franciszka, »Analecta Cracoviensia« 50 (2018), S. 79–99.
Einführung
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fassendes Thema handelt, das vielschichtig und nicht immer einfach ist. Daher wollen sie nicht das gesamte Thema beleuchten, sondern nur auf die wichtigsten Elemente der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus eingehen, die Martin Luther und den gesamten Protestantismus neu zu verstehen helfen: frei von Vorurteilen, auf dem Fundament der Wahrheit des Evangeliums und mit gegenseitigem Respekt. Darüber hinaus sollen auch weitere Diskussionen und Forschungsvorhaben angeregt werden. In der theologischen Literatur gibt es – zumindest bis jetzt – keine ganzheitliche und fundierte Analyse der unterschiedlichen Aspekte der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus, in welcher der Dialog zwischen der katholischen Kirche und der reformatorischen Tradition berücksichtigt wird. Die vorliegende Monografie besteht aus vier Kapiteln. In Kapitel 1 werden auf synthetische Weise die wesentlichen Fragen analysiert, die den Weg der Evolution im Denken und in der Lehre über Martin Luther und sein Erbe in katholischen Kreisen im Verlauf der letzten 50 Jahre deutlich machen. Dies bildet die Grundlage für eine weitere Analyse jener Bereiche der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus, die zu einer neuen Bewertung des reformatorischen Erbes führen. In Kapitel 2 wird an die wegweisenden Aussagen und Entscheidungen der konziliaren und nachkonziliaren Päpste erinnert, mit denen sie konsequent auf eine positive Veränderung im Denken der Katholiken über den Wittenberger Reformator und den Protestantismus generell hinarbeiteten. Dieser Teil des Buches ist als Einführung in die fundamentalen Fragen gedacht und soll auf die wesentlichen Impulse für die ökumenische Pädagogik von Franziskus hinweisen. In den folgenden Kapiteln (3 und 4) werden Beispiele für praktische Implikationen der ökumenischen Pädagogik des Papstes im Prozess einer neuen Bewertung von Martin Luther und der reformatorischen Tradition in der römischkatholischen Kirche angeführt. Durch Franziskus’ Zeugnis, das dieser in Wort und Tat ablegt, kommt seiner Pädagogik im Formationsprozess eine besondere Bedeutung zu. Sie trägt in die kirchliche Unterweisung und den pastoralen Dienst der Kirche zahlreiche neue Elemente, mit deren Hilfe die Beziehungen zwischen den Kirchen belebt werden. Sie fördern auch ein offenes Selbstbewusstsein der eigenen kirchlichen Identität. Das Buch ist vor allem an all jene gerichtet, die an der Ökumene interessiert sind, insbesondere an Menschen, die nach Unterstützung beim Brückenbau zwischen Kirchen und verschiedenen christlichen Traditionen suchen. Dabei sollen Theologen dazu ermutigt werden, die Person Martin Luthers und sein theologisch-kirchliches Erbe tiefer zu reflektieren, und Praktiker – wie Katecheten, schulische Religionslehrer und christliche Erzieher – werden zur Revision ihrer negativen Bilder und zu einer ökumenischen Formation im Sinne gegenseitigen Respekts angeregt.
Kapitel I: Vom historischen Streit zum gemeinsamen Zeugnis
Eines der wesentlichen Elemente der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus ist die Überwindung von Stereotypen, Vorurteilen und Denkschemata, wie sie über Jahrhunderte das katholisch-evangelische Verhältnis dominierten. Stein des Anstoßes war hier stets die Person Martin Luthers und sein intellektuelles, geistiges und kirchliches Erbe. Dabei war die Wahrnehmung Luthers auf beiden Seiten grundlegend unterschiedlich: entschieden negativ auf der katholischen und geradezu glorifizierend auf der lutherischen. Die gegenwärtige Lutherforschung, vor allem die mit ökumenischem Charakter, führte zur Überwindung von zahlreichen Klischees in der Beurteilung seiner Person.15 Die Aussagen Luthers und sein Wirken werden heute einer multiperspektivischen Analyse unterzogen, damit die derzeit geführten Diskussionen zu einer neuen, objektiveren Bewertung des Reformators beitragen können.16 In diesem Zu15 In diesem Zusammenhang vgl. P. Manns, Lutherforschung heute. Krise und Aufbruch, Wiesbaden 1967; A. Brandenburg, Martin Luther gegenwärtig. Katholische Lutherstudien, München – Paderborn – Wien 1969; O. H. Pesch, Hinführung zu Luther, Mainz 1982; Ökumenische Erschließung Martin Luthers. Referate und Ergebnisse einer internationalen Theologenkonsultation, Hg. P. Manns, H. Meyer, Frankfurt am Main 1983; W. Hanc, Marcin Luter z perspektywy ekumenicznych dialogów, »Studia Oecumenica« 17 (2017), S. 69–78; P. Jaskóła, Historyczny rozwój katolickiego obrazu Marcina Lutra, »Studia Nauk Teologicznych« 13 (2018), S. 45–60; W. Medwid, Z˙ycie i dzieło Marcina Lutra a spór wokół tez i narodzin Reformacji, »Polonia Sacra« 17 (2013), Nr. 1 (32), S. 267–292; M. Porada, Lutra nauczanie o usprawiedliwieniu jako »imputatio« i »deficatio«, »Studia Nauk Teologicznych« 13 (2018), S. 109–127; J. Sojka, Teologia Marcina Lutra w debacie S´wiatowej Federacji Luteran´skiej po roku 2010, »Gdan´ski Rocznik Ewangelicki« (2016), Nr. 10, S. 122– 138. 16 Siehe J. Jezierski, Luteran´sko-katolickie porozumienia na temat usprawiedliwienia, »Studia Warmin´skie« 37 (2000), Nr. 1, S. 195–200; M. Nowicki, The educational heritage of the Reformation – on the 500th anniversary of Martin Luther’s protest, »Biuletyn Historii Wychowania« (Bulletin of the History of Education), (2017), Nr. 36, S. 139–144; J. Slawik, Hermeneutyka biblijna Marcina Lutra. Sens dosłowny a interpretacja chrystologiczna na przykładzie Iz 52, 13–53, 12, »Rocznik Teologiczny« 59 (2017), Heft 4, S. 687–712; J. Sojka, Dziedzictwo teologiczne Marcina Lutra jako inspiracja dla współczesnej krytyki globalizacji na przykładzie publikacji S´wiatowej Federacji Luteran´skiej, »Annales Universitatis Paed-
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Vom historischen Streit zum gemeinsamen Zeugnis
sammenhang ist festzustellen, dass noch ein gewisser Nachholbedarf besteht. Hier und da, insbesondere in Bezug auf das Reformationsjubiläum, meldeten sich Luthers »Möchtegerninterpreten« zu Wort, die sich in ihren Ausführungen nicht selten der Manipulation bedienten, nur um a priori aufgestellte Thesen und Vorwürfe zu belegen sowie um die Person und das Werk Martin Luthers zu entwerten.17 Das muss als Konsequenz der über Jahrhunderte geltenden Vorurteile angesehen werden, die Papst Franziskus effektiv zu überwinden versucht, wobei er zahlreiche Beweise für seinen Respekt vor der evangelischen Tradition liefert. Um den Weg richtig einordnen zu können, den die römisch-katholische Kirche bei der Bewertung Luthers bereits gegangen ist, scheint es unerlässlich, die grundlegenden Etappen der Diskussionen vorzustellen, die unter katholischen Theologen im Laufe der Jahrhunderte über ihn geführt wurden. In ihrem Kontext kommt der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus bei der Offenlegung eines anderen Bildes des Wittenberger Reformators und bei der Bewertung des von ihm hinterlassenen Erbes eine besondere Bedeutung zu.
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Die Ablehnung Luthers im 16. Jahrhundert
Zugegebenermaßen waren römisch-katholische Arbeiten, die über mehrere Jahrhunderte zu Luther und seinem Werk geschrieben wurden, (nicht selten) geprägt von äußerstem Radikalismus, Misstrauen, Verurteilung und Ablehnung. Darin ging es prinzipiell nicht um eine redliche Auseinandersetzung mit Luther als vielmehr um den Nachweis, dass er Ketzer, Abtrünniger, Psychopath u. ä.
agogicae Cracoviensis, Studia Sociologica« 9 (2017), Nr. 2, S. 44–55; A. Szałajko, Rzymskokatolicki a ewangelicki obraz Marcina Lutra. Ekumeniczne znaczenie katolicko-luteran´skiego dokumentu »Marcin Luter – ´swiadek Jezusa Chrystusa« (1983), Kraków 2013; G. Strzelczyk, Z czym katolicy musieli sie˛ zmierzyc´ przez Lutra/dzie˛ki Lutrowi? Uwagi na marginesie uchwał Soboru Trydenckiego, »Konteksty« (2018), Nr. 3, S. 36–41. 17 Siehe die Texte von T. Guz in »Nasz Dziennik« (z. B. T. Guz, Antykatolicka koncepcja małz˙en´stwa według Marcina Lutra, »Nasz Dziennik«, 10. November 2014; T. Guz, Jezus Chrystus jako sprzecznos´c´ według Marcina Lutra, »Nasz Dziennik«, 7. Februar 2015) sowie seine im Internet verbreiteten Vorträge: https://www.youtube.com/watch?v=3Z6pL3c0_wo) (12. 09. 2018); https://www.youtube.com/watch?v=Po33t0rOsz8 (12. 09. 2018). Dazu gehört auch der Film von Grzegorz Braun »Luter i rewolucja protestancka«, Besprechung siehe M. Tomczak, Filmowy pamflet na Marcina Lutra, czyli »Luter i rewolucja protestancka« Grzegorza Brauna, https://histmag.org/Filmowy-pamflet-na-Marcina-Lutra-czyli-Luter-i-rewolu cja-protestancka-Grzegorza-Brauna-16262/1 (15. 02. 2018), sowie die Bücher: Protestantyzm pote˛piony przez papiez˙y, Hg. M. Broniarek, M. Karas, Sandomierz 2012; P. Lisicki, Luter. Ciemna strona rewolucji, Warszawa 2017.
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war.18 Einen bedeutenden Einfluss auf die Wahrnehmung Luthers hatte Johannes Cochläus mit seinem Buch Commentaria de actis et scriptis Martini Lutheri,19 das im Jahr 1549 erschien.20 Adolf Herte, Kirchenhistoriker aus der Vorkriegszeit, urteilte über Cochläus’ Werk zutreffend: »Es ist ein deutliches Kriegsbild, das Ärger, Hass und Empörung gegen Luther atmet.«21 Hubert Jedin pflichtete Herte bei: »Cochläus sah in Luther den Zerstörer der kirchlichen Einheit, einen skrupellosen Demagogen und Revolutionär. Er warf ihm vor, tausende verführte Seelen in die Hölle zu stürzen und in Deutschland und Europa seelische Not heraufzubeschwören.«22 Über Jahrhunderte prägte Cochläus mit seinem Buch die Wahrnehmung des Reformators durch katholische Theologen. Das bestätigt auch die 15-bändige Histoire des variations des Églises protestantes [Die Geschichte der Veränderungen in protestantischen Kirchen] von Jacques Bossuet aus dem Jahr 1688.23 Zu den Widersachern Luthers gehörte im 16. Jahrhundert auch der ermländische Kardinal Stanisław Hozjusz, der am Trienter Konzil teilgenommen hatte. Im Geiste seiner Epoche sah er in Luther ein »auserwähltes Gefäß Satans« und im Luthertum das »Haupt und [die] Quelle aller Sekten«.24 Darüber hinaus pflegte er Lutheraner u. a. »Verräter Christi«, »Feinde des Kreuzes«, »blutrünstige Wölfe«, 18 In diesem Zusammenhang siehe G. Boss, H. J. Urban, Handreichung für Erwachsenenbildung, Religionsunterricht und Seelsorge zum Thema Martin Luther, Paderborn 1982, S. 31f. 19 Johannes Cochläus (eigentlich Dobeneck; (1479–1552), deutscher Humanist und Theologe, einer der wichtigsten Widersacher Luthers und Verfasser seiner ersten Biografie. Er bekleidete wichtige Ämter in Kirche und Wissenschaft. In den Jahren 1510–1515 war er Rektor der Schule bei St. Lorenz in Nürnberg. Während seines Aufenthaltes in Rom (1517–1519) empfing er die Priesterweihe. Ab 1520 war er Dekan in Frankfurt am Main. Dort beteiligte er sich an Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Reformation. 1526 wurde er zum Stiftsherrn in Mainz ernannt und ab 1535 war er Kaplan des Herzogs Georg von Sachsen. Sein Pamphlet gegen König Heinrich VIII. von England brachte ihm eine Versetzung nach Meißen. Nach dem Tod von Herzog Georg im Jahr 1539 musste er Sachsen verlassen und ließ sich in Breslau (damals Presslaw) nieder. Dort wurde er zum Kanonikus ernannt und setzte seinen Kreuzzug gegen Luther fort. Sein letzter öffentlicher Auftritt fand in Regensburg im Jahr 1546 statt. Drei Jahre später veröffentlichte er eine Lutherbiografie Commentaria de actis et scriptis Lutheri. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Breslau. Siehe K. Rembert, Cochlaeus, Johann (1479–1552). Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online. 1953, https://gameo .org/index.php?title=Cochlaeus,Johann_(1479-1552)&oldid=120964 (08. 02. 2020; M. Spahn, Johannes Cochläus. Ein Lebensbild aus der Zeit der Kirchenspaltung, Berlin 1898 (Nachdruck: Nieuwkoop B. de Graaf) 1964. 20 J. Cochlaeus, Commentaria de actis et scriptis Martini Lutheri, Moguntiae 1549. 21 A. Herte, Die Lutherkommentare des Johannes Cochlaeus. Kritische Studie zur Geschichtsschreibung im Zeitalter der Glaubensspaltung, Münster 1935, S. 272. 22 H. Jedin, Wandlungen des Lutherbildes in der katholischen Geschichtsschreibung, in: Wandlungen des Lutherbildes – Studien und Berichte der Katholischen Akademie in Bayern, Forster 1966, S. 80. 23 J.-B. Bossuet, Histoire des variations des Églises protestantes, Paris 1688. 24 Siehe P. Jaskóła, Unio cum Christo. Wybrane zagadnienia z problematyki ewangelickiej, Opole 2017, S. 37.
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»Psychotyrannen«, »innere Moskowiter« und »Türken« zu nennen.25 Diese und ähnliche Bezeichnungen prägten über mehrere Jahrhunderte das Bild Luthers in der römisch-katholischen Kirche. Sie werden in manchen Kreisen auch heute noch kolportiert. Aus diesem Grund sind Aussagen der Päpste und Theologen von so großer Bedeutung, da mit ihrer Hilfe althergebrachte Stereotype überwunden werden und sich im gegenseitigen Verhältnis ein neues Klima bildet, das im Zeichen von Toleranz und christlicher Schwestern- und Bruderliebe steht. Ein allmähliches Abgehen von polemisch-aggressiven Begrifflichkeiten in Zusammenhang mit Luther lässt sich erst im 19. Jahrhundert beobachten. In dieser Zeit verschob sich der Schwerpunkt der geführten Diskussionen in Richtung einer rationalen Begründung der herangeführten Argumentation. Für diesen neuen Geist steht als Erstes das evangelische Handbuch der protestantischen Polemik gegen die Römisch-Katholische Kirche von Christian Karl August von Haas.26 Als Antwort auf dieses knapp 700 Seiten umfassende Werk gilt die Bücherreihe Luther und Luthertum in der ersten Entwicklung von Heinrich Denifle.27 Obwohl auch hier zweifelsohne eine bedeutende historische Arbeit vorliegt, erinnert die darin geäußerte Kritik an das, was bereits vor mehreren Jahrhunderten Cochläus geschrieben hatte.28 Zu erwähnen wären noch das dreibändige Werk Luther29 des Jesuiten Hartmann Grisar und die aus der Feder desselben stammende Biografie Martin Luthers Leben und sein Werk.30 Der Ton darin ist deutlich zurückhaltender als der in früheren Büchern über Luther und die Reformation. In seinen Arbeiten konzentrierte sich Grisar schwerpunktmäßig auf die psychologische Seite des Reformators, was ihn letztendlich auch »in einem Zerrspiegel« zeigte.31
25 Siehe S. Hozjusz, List do Karola Boromeusza, in: Korespondencja Stanisława Hozjusza kardynała i biskupa warmin´skiego, Bd. 3, T. 1, bearb. von H. D. Wojtyska, Olsztyn 1980, S. 380. 26 Siehe in diesem Zusammenhang eingehendere Informationen in: F. Raberg, Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815–1933, Stuttgart 2001. 27 Siehe H. Denifle, Luther und Luthertum in der ersten Entwicklung, Bd. 1, Mainz 1904; Bd. 2, Mainz 1906. Dazu siehe H. Denifle, Die Wirkungen einer historischen Polemik gegen Luther, in: Martin Luther. Monument, Ketzer, Mensch. Lutherbilder, Lutherprojektionen und ein ökumenischer Luther, Hg. A. Holzem, V. Leppin u. a., Freiburg i. Br. 2017, S. 247–268. 28 G. Boss, H. J. Urban, Handreichung für Erwachsenenbildung Religionsunterricht, S. 34. 29 H. Grisar, Luther, 3 Bände: Bd. 1: Luthers Werden-Grundlegung der Spaltung bis 1530; Bd. 2: Auf der Höhe des Lebens; Bd. 3: Am Ende der Bahn-Rückblicke, Freiburg i. Br. 1911–1912. 30 H. Grisar, Martin Luthers Leben und sein Werk, Freiburg i. Br. 1926. 31 G. Boss, H.J. Urban, Handreichung für Erwachsenenbildung Religionsunterricht, S. 34.
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Der polemische Ton dominierte die Lutherforschung bis zur Wende zum 20. Jahrhundert. Erst jetzt erschienen die ersten Arbeiten ohne einen aggressiven und ablehnenden Charakter, in denen stattdessen eine andere Hermeneutik und Sprache in der gegenseitigen Darstellung zu finden war. Hier wäre Sebastian Merkle mit seinen reformationsgeschichtlichen Streitfragen32 zu nennen: Dieses Werk zeichnet sich durch Objektivität und Aufrichtigkeit aus; es basiert auf historischen Quellen und orientiert sich wahrheitsgetreu an historischen Fakten. Merkles Denken setzte Joseph Lortz fort,33 der nicht ohne Grund »Vater der modernen Lutherforschung« genannt wird.34 In seinen Untersuchungen zu Luther geht er von zwei Prämissen aus: Er erkennt erstens die tiefe Religiosität Luthers an und gibt zweitens zu, dass es am Vortag der Reformation in der römischen Kirche Missbrauch und zahlreiche Missstände gab, was in früheren Veröffentlichungen in den meisten Fällen verschwiegen wurde. Er sah auch in der Kirche im 16. Jahrhundert einen Bedarf an tiefgreifenden Reformen. Damit vertrat er den Standpunkt, dass man eher innerhalb der katholischen Kirche von damals nach den für das Aufkommen der reformatorischen Bewegungen relevanten Ursachen suchen solle, die schließlich zu der Spaltung in der westlichen Christenheit führten.35 Lortz behauptete sogar, dass Luther gegen seinen Willen im Zuge seiner Auseinandersetzungen mit dem damaligen Katholizismus zum Reformator wurde. Er trat gegen die Frömmigkeit der Werke auf, denn im Mittelpunkt stand für ihn der Glaube an Gott durch den gekreuzigten Christus. Luther war für Lortz ein Mensch des Gebets und einer tiefen Frömmigkeit, der jedoch von seinen Bischöfen, den päpstlichen Beamten und dem Papst selbst nicht ernst genommen wurde.36 In seinen Bewertungen versuchte Lortz zwar 32 S. Merkle, Reformationsgeschichtliche Streitfragen, München 1904. 33 Siehe J. Lortz, Geschichte der Kirche in ideengeschichtlicher Betrachtung. Eine Sinndeutung der christlichen Vergangenheit in Grundzügen, Münster 1933 (22./23. Auflage in 2 Bänden 1965); J. Lortz, Die Reformation in Deutschland, Bd. 1, Freiburg i. Br. 1939; Bd. 2, Freiburg i. Br. 1940; J. Lortz, Die Reformation. Thesen als Handreichung bei ökumenischen Gesprächen, Meitingen bei Augsburg 1946; J. Lortz, Die Reformation als religiöses Anliegen heute. Vier Vorträge im Dienste der Una Sancta, Trier 1948; J. Lortz, Wie kam es zur Reformation? Ein Vortrag, Einsiedeln 1950; J. Lortz, E. Iserloh, Kleine Reformationsgeschichte. Ursachen, Verlauf, Wirkung, Freiburg i. Br. 1969. 34 Siehe J. Ratzinger, Luther und die Einheit der Kirchen. Ein Gespräch mit der internationalen katholischen Zeitschrift »Communio«, in: J. Ratzinger, Kirche, Ökumene, Politik. Neue Versuche zur Ekklesiologie, Einsiedeln 1987, S. 97–115. 35 Siehe G. Boss, H. J. Urban, Handreichung für die Erwachsenenbildung Religionsunterricht, S. 35; K. Koch, Geleitwort, in: Hg. K. Koch, Luther für Katholiken – 100 Worte, München – Zürich – Wien 2016. 36 Siehe G. Boss, H. J. Urban, Handreichungen für Erwachsenenbildung Religionsunterricht, S. 35–36.
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objektiv zu bleiben, aber seine Kritik ersparte er auch dem Reformator nicht. Diese blieb jedoch sachlich und setzte sich dadurch von früheren Werken ab. »Ich glaube nicht, dass wir aus Luther einen Katholiken und Heiligen machen werden. Was wir jedoch tun können und tun müssen, ist ihm gerecht zu werden. Wir müssen ihm mit Liebe begegnen, die ein Zeichen unseres Herrn ist«,37 schrieb im Jahr 1966 der Historiker und Lutherforscher Hubert Jedin. Seine Worte scheinen eine Wende in der Lutherforschung eingeleitet zu haben und es gilt nunmehr nach den Gründen für diesen Paradigmenwechsel in der katholischen historischen Theologie im 20. Jahrhundert zu fragen. Die Antwort fällt nicht schwer: Der Wandel kam mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das in der katholischen Kirche endgültig den Weg in Richtung Ökumene ebnete. In diesem Prozess kommt den konziliaren und nachkonziliaren Päpsten eine wichtige Rolle zu. Sie bestimmten und bestimmen weiterhin, in welche Richtung die katholische Kirche denken, lehren und wirken soll. Sie waren es auch, die der Diskussion über Luther und die Reformation einen völlig neuen Ton gaben.
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Dank der ökumenischen Offenheit von Papst Johannes XXIII. und auf seinen Wunsch hin wurden als Beobachter zum Vatikanum II Vertreter von Kirchen eingeladen, die nicht vollends dem Apostolischen Stuhl angehören.38 Unter ihnen waren auch Vertreter des Lutherischen Weltbundes. Auf diese Weise wurde eine neue Epoche in den Kirchenbeziehungen eröffnet. Das betrifft auch die Erforschung Martin Luthers und seines Erbes. Aus mehreren Gründen ist in diesem Zusammenhang der damalige Vorsitzende des Sekretariats für die Einheit der Christen (1969–1989), Kardinal Johannes Willebrands, zu erwähnen, der sich besondere Verdienste um die Entdeckung des »neuen Luther« in katholischen Kreisen erworben hatte. Während der 5. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Evian im Jahr 1970 sprach er die bemerkenswerten Worte aus: »Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Person Martin Luthers katholischerseits nicht immer richtig eingeschätzt, seine Theologie nicht immer richtig wiedergegeben. Das hat weder der Wahrheit noch der Liebe gedient und somit nicht der Einheit, die wir zwischen Ihnen und der katholischen Kirche zu verwirklichen streben. Doch dürfen wir auf der anderen Seite mit Freude feststellen, daß in den letzten Jahrzehnten bei katholischen Gelehrten ein wissenschaftlich genaueres Verständnis für die Reformation und damit auch für die Gestalt Luthers und seiner Theologie gewachsen ist. Wenn ich heute so zu Ihnen spreche, 450 Jahre nach dem entscheidenden Jahr 1520, so bin ich mir
37 H. Jedin, Wandlungen des Lutherbildes, S. 101. 38 Siehe Z. Glaeser, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y po Soborze Watykan´skim II, S. 29–50.
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bewußt, wie viele Hemmungen immer noch zwischen uns und Ihnen durch die vitale Persönlichkeit Martin Luthers und sein Werk gegeben sind. Diese Hemmungen haben die katholische Kirche zur Zurückhaltung bewogen. Aber die Liebe vertreibt die Furcht, mißverstanden zu werden, und der jahrelange Dialog hat mit vielen Mißverständnissen aufgeräumt. Wer vermöchte heute […] zu leugnen, daß Martin Luther eine tiefreligiöse Persönlichkeit war, daß er in Ehrlichkeit und Hingabe nach der Botschaft des Evangeliums forschte? Wer vermöchte zu verneinen, daß er, obwohl er die römisch-katholische Kirche und den Apostolischen Stuhl bedrängte […], einen bemerkenswerten Besitz des alten katholischen Glaubens beibehalten hat? […] Bei Martin Luther kehrt jedoch vor allem ein Wort immer wieder: das hohe Wort Glaube. Luther hat seinen Wert tief erkannt, und viele in Ihren Kirchen, ja darüber hinaus, haben bis heute daraus zu leben gelernt. Wenn auch in diesem Punkte eine gewisse Einseitigkeit vorzuliegen scheint und sie aus der Überbetonung der Rede Luthers mit Recht gefolgert werden könnte, so haben doch in diesem Punkte gemeinsame Untersuchungen von katholischen und evangelischen Forschern gezeigt, daß das Wort ›Glaube‹ im Sinne Luthers keinesfalls weder die Werke, noch die Liebe oder auch die Hoffnung ausschließen will. Man kann mit gutem Recht sagen, daß Luthers Glaubensbegriff, wenn man ihn voll nimmt, doch wohl nichts anderes bedeutet als das, was wir in der katholischen Kirche mit Liebe bezeichnen […]. Auf einer Tagung, die zum Thema ›Die Sendung in die Welt‹ gewählt hat, ist es gut, sich auf einen Mann zu besinnen, dem die Rechtfertigung articulus stantis et cadentis Ecclesiae war. Er mag uns darin gemeinsamer Lehrer sein, daß Gott stets Herr bleiben muß und daß unsere wichtigste menschliche Antwort absolutes Vertrauen und die Anbetung Gottes zu bleiben hat.«39
Diese Aussage zeigt uns, wie sich bald nach dem Zweiten Weltkrieg die katholische Sicht des Reformators veränderte. Luther als Persönlichkeit mit einer tiefen Religiosität zu bezeichnen, war geradezu revolutionär, allein schon im Hinblick auf das Gesamtwerk von Denifle, der seine Texte knapp 70 Jahre vorher verfasst hatte.40 Die hier angeführten Worte von Kardinal Willebrands haben zahlreiche katholische Theologen und Historiker dazu inspiriert, sich mit der Person des Reformators zu beschäftigen und ihn aufs Neue zu interpretieren. Diese Bemühungen wurden in den Siebzigerjahren zusätzlich von der ökumenisch geprägten Stimmung und den anstehenden Feierlichkeiten anlässlich des 500. Geburtstages von Luther beflügelt, deshalb sind in dieser Zeit zahlreiche wichtige Veröffentlichungen über Luther und die Reformation erschienen. Kardinal Willebrands nannte Luther einen »gemeinsamen Lehrer«, auch für Katholiken. Diese Worte markieren den Umbruch im Findungsprozess einer neuen römisch-katholischen Sicht auf Luther und die Reformation. 39 J. Willebrands, Gesandt in die Welt, »Lutherische Rundschau« 20 (1970), S. 447–460. Siehe auch: O. H. Pesch, »Ketzerfürst« und »Vater im Glauben«. Die seltsamen Wege katholischer »Lutherrezeption«, in: H. F. Geisser, G. Heintze, E. Iserloh, H. L. Martensen, G. Müller, J. Panagopoulos, O. H. Pesch, Weder Ketzer noch Heiliger. Luthers Bedeutung für den ökumenischen Dialog, Regensburg 1982, S. 134–136. 40 Vgl. K. Koch, Luther für Katholiken – 100 Worte, S. 7.
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Die Linie einer neuen und objektiven Lutherforschung wurde von den Nachfolgern Willebrands im Amt des Vorsitzenden des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen (früheres Sekretariat für die Einheit der Christen), den Kardinälen Edward Idris Cassidy, Walter Kasper und Kurt Koch, fortgesetzt. In seinem Buch Martin Luther – eine ökumenische Perspektive hob Walter Kardinal Kasper hervor, dass es in der Geschichte nur wenige Persönlichkeiten gibt, die noch nach 500 Jahren sowohl Anhänger als auch Gegner »magnetisch« anziehen.41 In seiner Zusammenfassung der katholischen Lutherforschung betonte er ferner, dass angesichts des 500. Jahrestages der Reformation von zahlreichen Christen eine ökumenische Annäherung erwartet wird. Er schrieb: »Heute sind vielen, auch vielen praktizierenden Christen beider Kirchen, die von Luther aufgeworfenen Fragen gar nicht mehr verständlich. Das gilt für Katholiken bezüglich des Ablasses, für viele evangelische Christen bezüglich der Rechtfertigung des Sünders. Beides ist in einer Welt, in der Gott oft ein Fremder geworden ist, vielen Zeitgenossen zum Fremdwort geworden.«42
In diesem Zusammenhang betont Kardinal Kasper, dass man Luther als Menschen seiner Zeit sehen und nicht aus der Perspektive der Gegenwart beurteilen muss. Doch Luthers Programm entstammt nicht nur der damaligen Zeit, sondern auch seiner religiösen Tiefe. Auf der einen Seite beobachtet man bei Luther die Wucht seiner Sprache, die zuweilen auch grob daherkommt und von Hass erfüllt sein kann, auf der anderen Seite wiederum war er ein Mensch, der mit absoluter Hingabe existenzielle Fragen ergründete und in ihre religiöse Tiefe vordrang. Die zentrale Frage, die ihn umtrieb, war jene nach dem gnädigen Gott.43 Luther machte die Entdeckung, dass Gottes Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit von Strafe und Rache ist, sondern eine Gerechtigkeit von Gnade und Vergebung. Sie vollzieht sich nicht mit Hilfe von Ablassbriefen und hat keinen äußerlichen Charakter. Die Erfahrung der Gnade hat inneren und dadurch mystischen Charakter.44 Kardinal Kasper betont auch die »christologische Konzentration« der lutherschen Theologie und sieht darin ihre ökumenische Aktualität.45 Ökumene bedeutet seiner Meinung nach »im Unterschied zum konfessionalistisch verengten Katholizismus und Protestantismus die Wiederentdeckung der ursprünglichen, nicht konfessionalistisch verengten Katholizität«, die überall dort existent ist, wo Christus ist.46 Es handelt sich also um einen universalen Huma41 42 43 44 45 46
Vgl. W. Kasper, Martin Luther – eine ökumenische Perspektive, Ulm 2016, S. 8. Ebenda, S. 11. Vgl. ebenda, S. 20. Ebenda, S. 22. Vgl. ebenda, S. 47. Ebenda, S. 51.
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nismus, der in Jesus Christus, also dem neuen und letzten Adam, sein Fundament hat.47 Kasper knüpft an die ökumenische Pädagogik von Papst Franziskus an und bezieht sich dabei auf seine Ekklesiologie vom Volk Gottes als Konsequenz des Zweiten Vatikanischen Konzils. Nach Kasper hat diese für die Ökumene einen bahnbrechenden Charakter. Franziskus verzichtet dabei auf die Darstellung der Kirche Christi in Form konzentrischer Kreise mit Rom als Mittelpunkt. Aufgrund des vielschichtigen Charakters der Kirche sieht er in ihr vielmehr ein Polyeder. In diesem Zusammenhang erinnert er auch an Oscar Cullmann und sein Modell der versöhnten Verschiedenheit.48 Darin sieht er eine Chance für die ökumenische Suche nach einer vollkommenen Einheit in der Kirche Christi. Ihr grundlegendes Element sieht Papst Franziskus in der Bekehrung zu Christus, was er in seinem apostolischen Schreiben Evangelii gaudium (2013) selbst stark betonte.49 Sein Aufruf zur Bekehrung bezieht sich auf alle Christen: auf Laien und auf die Geistlichen mit ihren Bischöfen (inklusive der Formen der Ausübung der primatialen Funktion des Bischofs von Rom). In den ekklesiologischen Überlegungen von Papst Franziskus findet Kardinal Kasper einen direkten Bezug zu den früheren Postulaten Luthers.50 Eine wichtige Stimme in der Bewertung Luthers und der Reformation gehört dem gegenwärtigen Vorsitzenden des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen: Kurt Kardinal Koch. In seinem Buch Luther für Katholiken – 100 Worte fasst er die Ergebnisse der katholischen Lutherforschung zusammen. Er bezieht sich darauf, was Johannes Paul II. und Benedikt XVI. über Luther sagten, und kommt zu dem Schluss, dass Luther nicht die Reformation wollte, sondern nur eine grundlegende Reform der Kirche. Kardinal Koch vertritt ferner die Auffassung, dass es Luther vor allem um eine Erneuerung des Christentums im Geiste des Evangeliums ging.51 Diese Grundannahme sollte seiner Ansicht nach das grundlegende Paradigma für die ökumenischen Feierlichkeiten anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation bilden. Offenheit gegenüber einer Erneuerung der Christenheit im Geiste des Evangeliums bietet eine Chance auf eine geistige Annäherung zwischen Katholiken und Lutheranern. Nach Kardinal Koch wäre dies nicht möglich ohne eine Überwindung der stereotypen Wahrnehmung Luthers in der katholischen Theologie, wie sie seit den Zeiten der Renaissance gängig war. Kardinal Koch betont zudem, dass es auch auf der 47 Ebenda. 48 Ebenda, S. 63. 49 Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, AAS 105 (2013), S. 1014–1115; http://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesc o_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html (19. 12. 2019) [ferner = EG]. Siehe dazu W. Kasper, Die Freude des Christen, Eschbach (Patmos) 2018, S. 160. 50 W. Kasper, Martin Luther – eine ökumenische Perspektive, S. 63, 68. 51 K. Koch, Geleitwort, in: K. Koch, Luther für Katholiken – 100 Worte.
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lutherischen Seite eine positive Wende im Lutherbild gab und er nicht mehr nur als monumentaler Heros angesehen wird.52 Er stellt fest, dass die wiederkehrenden Jubiläen der Reformation für ihre Anhänger jeweils Anlass dazu boten, verschiedene Facetten der Person Luthers hervorzuheben. Im ersten Jahrhundert nach der Veröffentlichung seiner Thesen betonte man angesichts des Dreißigjährigen Krieges Luthers Kampf gegen das Papsttum. In den Zeiten der Aufklärung wiederum sah man in ihm einen Befreier aus den Zwängen des Mittelalters und einen Mitbegründer der Neuzeit, während man im Zeitalter des Pietismus Luthers religiöses Genie lobte. Wiederum 100 Jahre später wurde er als Vater der deutschen Sprache und Inbegriff des wahren Deutschen dargestellt.53 Jedes Mal wurden lediglich Teilaspekte seiner Persönlichkeit hervorgehoben. Dabei entstand häufig ein einseitiges Bild, dem es an Objektivität mangelte. Mit Genugtuung stellte jedoch Kardinal Koch fest, dass im Laufe der Jahrhunderte lutherische Forscher sehr viel getan haben, um Luther als Person zu entmythologisieren, sich ihm zu nähern und in ihm auch den Augustiner, Universitätsprofessor, Familienvater und Menschen zu sehen, dessen Denken und Weltanschauung im Mittelalter und in der Scholastik verwurzelt waren. Es geht also darum, dass man Luther so sieht, wie er wirklich war. Koch betont die Gewissenhaftigkeit der evangelischen Lutherforschung und ihre Ehrlichkeit bei der Auseinandersetzung mit Luthers Verhältnis zu Rom, zum Papsttum sowie zu Bauern, Juden, Türken, Sorben, Wiedertäufern, Schwärmern und anderen. Kardinal Koch blickt auf Luther aus der Perspektive der Ergebnisse sowohl auf evangelischer als auch katholischer Seite und erinnerte an die Worte seines Amtsvorgängers, Kardinal Willebrands, wonach Evangelische und Katholiken Luther als gemeinsamen Lehrer des Glaubens und als Zeugen Christi bezeichnen dürfen.54 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unternahmen katholische Theologen eine ganze Reihe von neuen Versuchen, sich Luther aufs Neue anzunähern. Einige von ihnen sollen hier erwähnt werden. Der deutsche Benediktiner Thomas Sartory stellte in seinem Buch Martin Luther in katholischer Sicht55 aus dem Jahr 1961 fest, dass Luther nicht gegen die katholische Theologie, sondern gegen den pelagianischen Ockhamismus aufbegehrte.56 Sartory erinnerte daran, dass das Konzil von Trient weder Luther noch das Luthertum an sich mit einem Bann belegt hatte. Es schloss auch den Dialog zwischen den beiden christlichen Kon-
52 53 54 55 56
Ebenda. Ebenda. Ebenda. Th. Sartory, Martin Luther in katholischer Sicht, »Una Sancta« 16 (1961), S. 38–54. Siehe S. C. Napiórkowski, Wierze˛ w jeden Kos´ciół, Tarnów 2003, S. 151; P. Jaskóła, Unio cum Christo. Wybrane zagadnienia z problematyki ewangelickiej, Opole 2017, S. 41.
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fessionen nicht aus.57 Für Sartory war Luther nicht so sehr ein systematischer Theologe als vielmehr ein Kerygmatiker, dessen Interesse dem vor Gott stehenden und nach dessen Gnade suchenden Menschen galt. Großes Verständnis für die Ideen Luthers zeigten Louis Bouyer, Charles Boyer und Yves Congar. Bouyer verbrachte seine Kindheit und Jugend in einem protestantischen Umfeld. Er wurde sogar ordiniert und war mehrere Jahre lang evangelischer Pfarrer, konvertierte jedoch zum Katholizismus und schloss sich der Kongregation der Oratorianer an.58 In seinem Buch Vom Protestantismus zur Kirche59 vertrat er den Standpunkt, dass die von Luther ausgerufenen Prinzipien sola gratia, sola fide und sola scriptura keineswegs eine Errungenschaft der Reformation darstellten. Vielmehr sind sie in zahlreichen Quellen des Katholizismus zu finden: in den Beschlüssen der Konzile und Synoden sowie in den Schriften der großen Scholastiker. Auch die Rechtfertigung aus dem Glauben war für ihn absolut konform mit der katholischen Tradition, den großen Entscheidungen der Konzile über Gnade und Erlösung sowie mit der thomistischen Doktrin. Er vertrat die Auffassung, dass Katholiken an der Rechtfertigungslehre als an einem in Gänze nicht verdienten Geschenk festhalten und sie als teures katholisches Erbe ansehen sollten.60 Bouyer war zudem davon überzeugt, dass für die Spaltung der Kirche nicht die positiven reformatorischen, sondern die negativen, von Wilhelm Ockham stammenden, Glaubensprinzipien von entscheidender Bedeutung waren: also eine nur äußere Rechtfertigung (iustificatio forensis), eine Bedeutungslosigkeit der guten Werke, eine Sündhaftigkeit des Menschen, eine Ablehnung der objektiven Wirksamkeit der Sakramente, eine Ablehnung kirchlicher Autoritäten u. a.61 Der Jesuit Charles Boyer, Professor der Gregoriana in Rom, sieht in Luther einen Mönch und Theologen, der an seine besondere Sendung glaubte. Seiner Ansicht nach bestechen Luthers Schriften über die Rechtfertigung und Gottes Gnade durch ihre Schönheit und wecken Frömmigkeit.62 Der Dominikaner Yves Kardinal Congar, der sich bereits in seiner Studienzeit für Luther interessierte, sieht in der Reformation einen Versuch, das christliche Leben zu erneuern und sich auf seine Wurzeln zu besinnen. In einem längeren Interview berichtete er über seine geistigen Erfahrungen mit Luther: »Häufig tauche ich in Luthers Denken ein. Es gibt kaum einen Monat, in dem ich nicht in seine Schriften
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Vgl. Napiórkowski, Wierze˛ w jeden Kos´ciół, S. 151. Siehe P. Jaskóła, Unio cum Christo, S. 41. L. Bouyer, Du protestantisme a l’Église, Paris 1954. S. C. Napiórkowski, Wierze˛ w jeden Kos´ciół, S. 152; P. Jaskóła, Unio cum Christo, S. 42. Vgl. ebenda. Siehe Ch. Boyer, Calvin et Luther. Accords et différences, Roma 1973; S. C. Napiórkowski, Wierze˛ w jeden Kos´ciół, S. 153; P. Jaskóła, Unio cum Christo, S. 42.
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schaue. Ich wage zu sagen, dass ich für ihn Bewunderung hege.«63 Trotz seiner großen Sympathie für Luther ist Congars Bewertung nicht völlig frei von Kritik. Zahlreiche Mängel erkannte er bei ihm, hielt ihn aber dennoch für ein religiöses Genie und für einen genialen Theologen mit einer seltenen Intuition.64 Nach Congar war Luther ein Gigant und es ist nicht einfach, sämtliche Aspekte seiner Größe zu erfassen. Er schenkte der Christenheit etwas Unschätzbares: das erneuerte Bewusstsein des absoluten Primats von der Gnade und Liebe Gottes, die dem Menschen in Jesus Christus geschenkt wurden.65 Den Versuch, Luther neu zu verstehen, unternahm in der polnischen Theologie einer der besten Kenner des Reformators: Erzbischof Prof. Alfons Nossol. Auf die Frage nach den Grundprämissen lutherscher Theologie hebt dieser Luthers radikale Verbundenheit mit der Bibel, seinen Christozentrismus im Sinne von solo Christo, seinen Existenzialismus, der direkt auf den Menschen abzielt, und seine Treue zum Evangelium hervor. Seiner Meinung nach hat der radikal biblische Charakter seiner Theologie Luther zum christozentrischen Glauben geführt: »Alle Dinge sind durch Ihn und für Ihn gemacht« (vgl. Joh 1,3). Das Leben aus dem Glauben bedeutet das Verlangen, so zu sein wie Jesus – meint Luther. Die Theologie Luthers ist strikt anthropologisch – sagt Erzbischof Nossol. Ihre vorrangige Aufgabe besteht darin, dass sie sich des schwachen und sündigen Menschen annimmt. Wenn Luther von Gott redet, dann nur in Bezug auf seine Eigenschaften, die er dem schwachen Menschen schenken kann. Somit ist für ihn nicht Gott, sondern der »mit Schuld beladene und verlorene« Mensch das Subjekt der Theologie.66 Nach Luther sollte die Theologie eher eine existenzielle und geistige Reflexion als eine Glaubensdoktrin darstellen. Sie soll die Beziehung zwischen Mensch und Gott gestalten,67 die in dem gläubigen Menschen »die Freude aus seinem Christendasein, die Freiheit der Kinder Gottes und die Zuversicht des Glaubens wecken soll«.68 Das grundlegende Paradigma der Theologie Luthers und insbesondere seiner Christologie ist Erzbischof Nossol zufolge das Kreuz.69 Luther wies auf das Kreuz Christi hin und war zutiefst davon überzeugt, dass Gott selbst darunter gelitten hat und daran gestorben ist. Somit ist die Erlösung nicht allein ein Akt der 63 J. Puyo, Z˙ycie dla prawdy. Rozmowy z ojcem Congaren, übers. von A. Paygert, Warszawa 1982, S. 51. 64 S. C. Napiórkowski, Wierze˛ w jeden Kos´ciół, S. 154; P. Jaskóła, Unio cum Christo, S. 43. 65 Vgl. J. Puyo, Z˙ycie dla prawdy. Rozmowy z ojcem Congarem, S. 54; S. C. Napiórkowski, Wierze˛ w jeden Kos´ciół, S. 155; P. Jaskółka, Unio cum Christo, S. 43. 66 A. Nossol, Co teologia Marcina Lutra moz˙e dac´ dzisiaj teologii katolickiej?, »Collectanea Theologica« 54 (1984), Fasc. 4, S. 8. 67 Vgl. ebenda, S. 9. 68 Ebenda. 69 Siehe A. Nossol, Der Mensch braucht Theologie. Ansätze zu einer lebensnahen Glaubensreflexion, Einsiedeln (Johannes) 1986, S. 161–177.
Das neue Lutherbild
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menschlichen Natur Christi, sondern »von Anfang bis Ende ein Werk Gottes«.70 Die Soteriologie ist für den Reformator – nach Erzbischof Nossol – »die kostbarste Perle«.71 Eine wichtige Rolle spielt in Luthers Soteriologie die Rechtfertigungslehre. Diese leitet der Reformator vor allem von Paulus und dessen Römerbrief ab. Für Luther war der Glaube ein Geschenk Gottes und keine Folge menschlichen Tuns. Der Glaube als Geschenk ebnet dem Menschen den Weg zu Gottes Gnade und der geschenkten Erlösung. Die Rechtfertigung kann nicht durch gute Werke »erkauft« werden, denn sie »wird umsonst gegeben, aus Gnade, durch die Erlösung, die durch Jesus Christus geschehen ist«. (Röm 3,24) Die solchermaßen aufgefasste Rechtfertigungslehre führte Luther zur Entdeckung der neuen Gnade Gottes und – wie er selbst schilderte – zu einem fröhlichen Wandel des Glaubens.72 In seinen Untersuchungen zu Luther hebt Erzbischof Nossol hervor, dass man dem Reformator ehrliche religiös-reformistische Absichten, die seiner tiefen Religiosität entstammten, nicht absprechen kann. Luther war ein homo religiosus mit prophetischem Charakter.73 Deswegen ließ er sich für die große Sache auch vom Affekt hinreißen, nach dem Vorbild alttestamentlicher Propheten. Bei der Bewertung der Ereignisse aus der Reformationszeit spricht Erzbischof Nossol davon, dass man die Schuld auf beiden Seiten sehen müsse, ohne unnötige gegenseitige Aufrechnung. Darum erinnert er auch an die Aktualität der ersten These: »Da unser Herr und Meister spricht ›Tut Buße‹ (Mt 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.«74 Für ein neues und ökumenisches Verständnis Luthers ist es nach Erzbischof Nossol richtig, den Reformator heute gleichermaßen als Zeugen des Evangeliums, als Lehrer des Glaubens und als Stimme, die zur geistigen Erneuerung aufruft, zu sehen.75
A. Nossol, Co teologia Marcina Lutra moz˙e dac´ dzisiaj teologii katolickiej?, S. 9. Vgl. ebenda, S. 12. Vgl. ebenda. Siehe ebenda. Vgl. auch J. Nieciecki, Sympozjum o Marcinie Lutrze w 500-tna˛ rocznice˛ jego urodzin (Białystok, 05. 11. 1983), »Studia Teologiczne« 2 (1984), S. 288–292. 74 A. Nossol, Co teologia Marcina Lutra moz˙e dac´ dzisiaj teologii katolickiej?, S. 12. 75 Ebenda.
70 71 72 73
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4.
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Luther – »Zeuge Jesu Christi«
Ein wichtiges Ergebnis der Erforschung Luthers und seines Erbes bilden Dokumente, die auf der globalen Ebene im Rahmen des lutherisch-katholischen Dialogs entstanden sind.76 In diesem Zusammenhang sind zwei Dokumente von besonderer Bedeutung: Martin Luther – Zeuge Jesu Christi77 aus dem Jahr 1983, veröffentlicht zum 500. Geburtstag Martin Luthers, sowie der Bericht Vom Konflikt zur Gemeinschaft78 (2013), entstanden im Vorfeld des Reformationsgedenkens im Jahr 2017. Im Vorwort zum ersten dieser beiden Dokumente, dessen Mitverfasser der katholische Bischof H. L. Martensen und der lutherische Professor G. A. Lindbeck waren, wurde das Verlangen beider Seiten geäußert, »Wege zur Gemeinschaft im Glauben zu finden«.79 Man schrieb auch, dass »Verständnis und Überwindung von Quellen vorhandener Gegensätze« auf diesem Weg unerlässlich seien.80 Das bezieht sich in großem Maße auf die Bewertung der Person Martin Luthers und seines Werkes. Im tiefen Glauben daran, dass »wir alle unter einem Christus stehen«,81 wurde ein Dokument vorgelegt, dessen Ziel der Dienst an der »Versöhnung und Verständigung« ist. Die Person des Wittenberger Reformators und seine wesentlichen Ziele wurden im ökumenischen Kontext dargestellt, was zur »Überwindung des in der Vergangenheit oftmals verzerrten Lutherbildes beitragen soll«.82 Die Verfasser stellten auch fest, dass »weder die evangelische noch die katholische Christenheit an der Gestalt und Botschaft dieses Menschen vorbeigehen kann«.83 Als eine der wichtigsten Ursachen für das auf beiden Seiten falsch
76 Siehe W. Hanc, Marcin Luter z perspektywy ekumenicznych dialogów, S. 69–78; M. Składanowski, Marcin Luter – ´swiadek Chrystusa i nauczyciel wiary? Ekumeniczne katolicko-luteran´skie spojrzenie na Reformatora w ´swietle dokumentu »Od konfliktu do komunii«, »Studia Teologiczne. Nowe z˙ycie w Chrystusie« 33 (2015), S. 65–79; A. Szałajko, Rzymskokatolicki a ewangelicki obraz Marcina Lutra, S. 85–114. 77 Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch-lutherische Kommission für die Einheit, Martin Luther – Zeuge Jesu Christi (1983), in: Dokumente wachsender Übereinstimmung, Bd. II, Hg. H. Meyer, D. Papandreou, H. J. Urban, L. Vischer, Frankfurt am Main 1992, S. 444– 451. 78 Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch-lutherische Kommission für die Einheit, Vom Konflikt zur Gemeinschaft (2013), https://www.lutheranworld.org/sites/default/files/LWB_ Vom_Konflikt_zur_Gemeinschaft.pdf (12. 09. 2019). 79 Martin Luther – Zeuge Jesu Christi, Nr. 1. 80 Ebenda. 81 Ebenda. Vgl. auch W. Hanc, Marcin Luter z perspektywy ekumenicznych dialogów, S. 68–78. 82 H. L. Martensen, G. A. Lindbeck, Vorwort zum Bericht der Gemeinsamen Römisch-katholischen/Evangelisch-lutherischen Kommission »Martin Luther – Zeuge Jesu Christi«, Nr. 1, in: Dokumente wachsender Übereinstimmung, Bd. II, Hg. H. Meyer, D. Papandreou, H. J. Urban, L. Vischer, Frankfurt am Main 1992, S. 444. 83 Martin Luther – Zeuge Jesu Christi, Nr. 1.
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dargestellte Bild Luthers sahen sie die mangelnde Objektivität bei der Beschreibung seiner Person und Hinterlassenschaft. Man stellte fest, dass »Luther für Katholiken über lange Zeit als Inbegriff des Häretikers galt. Man warf ihm vor, im Prinzip Hauptverursacher der abendländischen Kirchenspaltung gewesen zu sein. Auf evangelischer Seite dagegen setzte bereits im 16. Jahrhundert eine Glorifizierung Luthers als eines Giganten des Glaubens ein, die vielerorts von einer nationalistischen Überhöhung begleitet war. Vor allem aber wurde Luther als Begründer einer neuen Kirche verstanden«.84
Das ökumenische Bewusstsein, das in den letzten 100 Jahren vertieft wurde, hat zahlreiche Studien über Luther und die Reformation hervorgebracht und dazu beigetragen, dass sowohl die katholische als auch die evangelische Seite »von ihren überkommenen, von Polemik geprägten Lutherbildern zurücktreten. Sie beginnen nun gemeinsam, ihn als Zeugen des Evangeliums, Lehrer im Glauben und Rufer nach geistiger Erneuerung zu betrachten«.85 In ihrer Begründung für diesen Standpunkt bezogen sich die Verfasser auf das Selbstbewusstsein Luthers, der sich selbst für einen »Zeugen des Evangeliums, für einen ›unwürdigen Evangelisten unseres Herrn Jesu Christi‹ hielt«.86 Dabei berief er sich auf das apostolische Zeugnis der Schrift, zu dessen Auslegung und Verkündigung er sich als »Doktor der Heiligen Schrift«87 verpflichtet sah. Man stellte fest, dass Luther seine Verkündigung des Evangeliums ganz bewusst »auf den Boden des altchristlichen Glaubensbekenntnisses zum dreieinigen Gott und zu Christi Person und Werk« gestellt hatte.88 Das ermöglichte ihm seine »reformatorische Entdeckung« auf der Grundlage von Röm 1,17, indem er Gottes Gerechtigkeit als »schenkende« und nicht als »fordernde«, »den Sünder verurteilende« begriff.89 Das wurde zum wichtigsten Paradigma der Verkündigung und der theologischen Lehre von Luther, der folglich zum Zeugen dieser »befreienden Botschaft« avancierte.90 In der Zusammenfassung der katholisch-lutherischen Erklärung, veröffentlicht anlässlich des 500. Geburtstages von Martin Luther (1983), stellten ihre Verfasser die wichtige Frage, was man heute gemeinsam von Luther lernen könne. In der Antwort91 wurde festgestellt, dass Martin Luther:
84 85 86 87 88 89 90 91
Ebenda, Nr. 2. Siehe auch: Vom Konflikt zur Gemeinschaft, Nr. 2. Martin Luther – Zeuge Jesu Christi, Nr. 4. Ebenda, Nr. 7. Ebenda. Ebenda. Ebenda, Nr. 8. Ebenda, Nr. 9. Siehe auch Nr. 12. Siehe ebenda, Nr. 26.
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– »[…] uns darin gemeinsamer Lehrer sein mag, dass Gott stets Gott bleiben muss, und dass unsere wichtigste menschliche Antwort absolutes Vertrauen und die Anbetung Gottes zu bleiben hat«; – »die biblische Botschaft von Gottes schenkender und befreiender Gerechtigkeit neu bezeugt und zum Leuchten brachte«; – »uns auf die Priorität des Wortes Gottes im Leben, Lehren und Dienen der Kirche verweist«; – »uns zu einem Glauben ruft, der unbedingtes Vertrauen zu dem Gott ist, der im Leben, Sterben und Auferstehen seines Sohnes sich als der uns gnädige Gott erwiesen hat«; – »uns lehrt, die Gnade als personhafte Beziehung Gottes zum Menschen zu verstehen, die an keine Bedingung geknüpft ist und frei macht vor Gott und für den Dienst am Nächsten«; – »uns bezeugt, dass menschliches Leben allein durch Gottes Vergebung Grund und Hoffnung erhält«; – »die Kirche dazu aufruft, sich ständig vom Wort Gottes erneuern zu lassen«; – »uns lehrt, dass die Einheit im Notwendigen Verschiedenheiten der Gebräuche, der Ordnungen und Theologien erlaubt«; – »uns als Theologe zeigt, wie die Erkenntnis der Barmherzigkeit Gottes sich nur dem Betenden und Meditierenden erschließt, den der Heilige Geist von der Wahrheit des Evangeliums überzeugt und – gegen alle Anfechtungen – in dieser Wahrheit erhält und stärkt«; – »uns ermahnt, dass es Versöhnung und christliche Gemeinschaft nur dort geben kann, wo man ›dem Maßstab des Glaubens‹ wie dem ›Maßstab der Liebe‹ folgt, die nur das Beste von jedem denkt und nicht argwöhnisch ist, alles Gute von dem Nächsten glaubt und […] jeden Getauften einen Heiligen nennt«. Als Zusammenfassung des Dokuments Martin Luther – Zeuge Jesu Christi gilt Luthers letztes Bekenntnis: »Wir sind Bettler, das ist wahr.« Diese Worte stehen nun als wesentlicher Wegweiser für die gemeinsame Suche nach einer verbindenden Wahrheit.92 Wichtige Schwerpunkte für die gegenwärtige Diskussion über Luther und die Reformation setzte der Bericht römisch-katholischer und lutherischer Theologen Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken 2017.93 Mit dem Ziel, Lutheraner und Katholiken auf das gemeinsame Gedenken des 500. Jahrestages der Reformation vorzubereiten, ging 92 Siehe ebenda, Nr. 27. 93 Mehr dazu bei Z. Glaeser, »Od konfliktu do komunii«. W konteks´cie luteran´sko-katolickich obchodów 500-lecia Reformacji, »Studia Oecumenica« 17 (2017), S. 51–68.
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man darin der Frage nach, welche Bedeutung diesem Jubiläum für Katholiken und für Lutheraner zukommt, wie man es ökumenisch gestalten und welche Folgen es für ein besseres gegenseitiges Verhältnis haben kann. Man stellte fest, dass »Katholiken und Lutheraner in der Verkündigung und im Dienst an der Welt zusammen Zeugnis für Gottes Gnade ablegen sollen«.94 Ein wichtiges Element dieses Zeugnisses ist eine ehrliche, tiefe Einsicht in Luthers Erbe und in die geistige Erfahrung des Evangeliums von der Gerechtigkeit Gottes, die zugleich auch die Gnade Gottes ist.95 Man erinnerte auch an sein Schlüsselerlebnis, das er im Vorwort zu der lateinischen Ausgabe seiner Werke im Jahr 1545 erwähnte, »dass er dank Gottes Erbarmen, Tag und Nacht darüber nachsinnend« zum neuen Verständnis von Röm 1.17 gelangte: »Da hatte ich das Empfinden, das ich ganz und gar neu geboren wurde und das ich durch geöffnete Pforten selbst in das Paradies eingetreten war. Da zeigte mir sogleich die ganze Schrift ein anderes Gesicht. […] Später las ich Augustinus’ De spiritu et litera [Der Geist und der Buchstabe], wo ich wider Erwarten darauf stieß, dass auch er Gottes Gerechtigkeit auf ähnliche Weise interpretierte, als die Gerechtigkeit, mit der Gott uns bekleidet, wenn er uns rechtfertigt.«96
Luthers Zeugnis von seinem Glauben an Gottes rechtfertigende Gnade ist für Lutheraner und Katholiken gleichermaßen von Bedeutung.97 Darin geht es ständig um das Bewusstsein einer notwendigen Bekehrung (metanoia), also um einen Wandel im Denken und Handeln.98 Es vollzieht sich somit eine Abkehr von alledem, was nicht Gottes ist, und eine Zuwendung hin zu Gott.99 Das bedeutet einen Verzicht auf alles, was bis dahin als wichtig angesehen wurde, aber nicht mit der Botschaft des Evangeliums übereinstimmte.100 Die innere Spaltung des Menschen und die Abgrenzung zu anderen als Folge der Sünde stellen Wunden am Leib Christi dar. Es ist also unerlässlich, den Weg der Bekehrung durch Versöhnung mit Gott und den Schwestern und Brüdern im Glauben zu gehen.101
94 Siehe Vom Konflikt zur Gemeinschaft, Nr. 244–245. 95 Siehe ebenda, Nr. 244. 96 Ebenda. Siehe auch und vgl. M. Luther, Vorwort zu Band 1 der Wittenberger Ausgabe der lateinischen Schriften. 97 Siehe W. Hanc, Marcin Luter z perspektywy ekumenicznych dialogów, S. 69–78; A. Nossol, Ekumeniczne elementy teologii M. Lutra, in: Z problemów reformacji, Bd. VI, Hg. E. Ołtarzewska-Wieja, Bielsko-Biała 1993, S. 12–22; M. Niemiec, Nauka o usprawiedliwieniu w dialogu luteran´sko rzymskokatolickim, Bielsko-Biała 2011. 98 Siehe T. M. Da˛bek, Metanoia w Nowym Testamencie, Katowice 1996, S. 137. 99 Siehe A. Baum, Nawrócenie, in: Praktyczny Słownik Biblijny. Opracowanie zbiorowe katolickich i protestanckich teologów, Hg. A. Grabner-Haider, Warszawa 1994, S. 799f. 100 Vgl. Z. Glaeser, Droga chrzes´cijan´skiego nawrócenia według »Kanonu Wielkiego« ´sw. Andrzeja z Krety, »Biuletyn Ekumeniczny« (1995), Nr. 2, S. 55–59. 101 Vgl. L. Sabourin, The Gospel according to St. Luke, Bombay 1984, S. 230f., E. Haenchen, The Acts of the Apostles, Philadelphia 1971, S. 251f.
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Die Umkehr auf den durch das Evangelium abgesteckten Weg der Erlösung und Versöhnung bedeutet, dem Pfad zu folgen, der von Christus vorgegeben wurde, und zwar: »dass sie eines seien« (Joh 17,21). Die ständige Bekehrung, die nichts anderes ist als das Entdecken der »ursprünglichen Liebe« (Ap 2,4) und die Einheit mit Christus, sollte sich in der Abkehr vom Bösen verwirklichen, das in der Spaltung seine Wurzeln hat. Das ist nur dann möglich, wenn beide Seiten ihre Mitschuld an der Beschädigung der christlichen Einheit einsehen102 und gemeinsam den gnädigen Gott um Erbarmen und Gnade bitten. In dem Dokument Vom Konflikt zur Gemeinschaft wurde ferner daran erinnert, dass Martin Luthers Leben vom Ringen um Gott bestimmt war. Die Frage, die er sich stellte, lautete: »Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?«103 Die Antwort darauf fand er im Evangelium von Jesus Christus, vor allem aber im Kreuz Christi. Das führte ihn zu der Erkenntnis, dass »wahre Theologie und Gotteserkenntnis im gekreuzigten Christus sind«.104 Was ihn umtrieben hat, war vor allem die Treue zum Evangelium und das Bemühen, die gute Nachricht vom liebenden, vergebenden und wahrhaftig befreienden Gott allen Christen zu verkünden. Die Verfasser der Schrift Vom Konflikt zur Gemeinschaft stellten fest, dass »im Lichte der Erneuerung der katholischen Theologie, die im Zweiten Vatikanischen Konzil sichtbar geworden ist, […] Katholiken heute Martin Luthers Reformanliegen würdigen und sie mit größerer Offenheit betrachten [können], als dies früher möglich schien«.105 Eine große Rolle maßen sie dabei dem ökumenischen Dialog bei, der »eine Abwendung von Denkmustern [darstellt], die durch die Unterschiedlichkeit der Konfessionen entstanden sind und die deren Unterschiede betonen. Stattdessen blicken die Partner im Dialog zuerst auf das, was ihnen gemeinsam ist, und gewichten erst dann die Bedeutung der Unterschiede«.106 Das ökumenische Nachdenken über das theologisch-seelsorgerliche Erbe des Wittenberger Reformators zeigt uns, dass in vielen Fragen, insbesondere wenn es um das Verhältnis von Mensch und Gott geht, Katholiken und Lutheraner heute »gemeinsam von Luther lernen« können,107 vor allem dort, wo es um den Vorrang von Gottes Wort, um das bedingungslose Vertrauen zu Gott und um die Bedeutung von Gnade und Vergebung geht.108 Unter zahlreichen aktuellen Themen ist Luthers Beschäftigung mit der Rechtfertigung des Menschen durch den 102 103 104 105 106 107 108
Siehe Z. Glaeser, Vom Konflikt zur Gemeinschaft, S. 64–66. Vom Konflikt zur Kommunion: Vorwort. Ebenda. Ebenda, Nr. 28. Ebenda, Nr. 34. Martin Luther – Zeuge Jesu Christi, Nr. 26. Siehe O. H. Pesch, Zrozumiec´ Lutra, Poznan´ 2008, S. 427–429.
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gnädigen Gott von besonderer Bedeutung.109 Als Zeuge und Lehrer des Evangeliums sagt Luther auch heutigen Christen, die nicht selten orientierungslos sind und unter Druck stehen, dass die Erlösung aus Gnade gegeben und nicht verdient wird. Das heißt, dass der Mensch, der an seine eigenen Grenzen stößt und sich seiner Sündhaftigkeit bewusst ist, das Recht hat, Gott bedingungslos zu vertrauen auf dem Fundament der Zusage Christi im Evangelium, aus der sich der christliche Glaube an die Erlösung ableitet. So verstanden, verbindet Luthers Zeugnis das Bekenntnis zum absoluten Primat des gnädigen und barmherzigen, den Menschen rechtfertigenden Gottes mit seiner im Vertrauen auf Gott verankerten Befreiung. In diesem Kontext erschließen sich die christlichen Lebensprinzipien als menschliche Antwort auf das Evangelium Jesu Christi.110 Aus ökumenischer Perspektive haben sie eine besondere Tragfähigkeit als ein Zeugnis, das den Christen neue Kraft spenden kann, jenseits ihrer konfessionellen Zugehörigkeit, besonders dann, wenn der christliche Glaube und der daraus folgende Lebenswandel in Frage gestellt werden. Der oben erwähnte »Übergang« vom historischen Streit zum gemeinsamen Zeugnis fügt sich ein in die ökumenische Pädagogik von Papst Franziskus. Ohne die historischen Streitigkeiten und ungerechten Verurteilungen zu vergessen, die über Jahre das gegenseitige Verhältnis prägten, ermutigt der Papst die Christenheit zur Bekehrung und Vergebung. Ohne Bekehrung und Vergebung ist ein gemeinsames Zeugnis von Jesus Christus und seinem Evangelium nicht möglich. Dabei ist das christliche Zeugnis des Glaubens das, was Franziskus in den Mittelpunkt seiner ökumenischen Pädagogik gestellt hat.
109 Siehe Vom Konflikt zur Gemeinschaft, Nr. 102. 110 Siehe ebenda, Nr. 103–118. Siehe auch M. Składanowski, Marcin Luter – ´swiadek Chrystusa i nauczyciel wiary?, S. 72–73.
Kapitel II: Die ökumenischen Impulse der Vorgänger
Die ökumenische Sendung von Papst Franziskus ist eng in dem Erbe seiner konziliaren und nachkonziliaren Vorgänger auf dem Apostolischen Stuhl verwurzelt. Mit dem Bewusstsein der Bedeutung ihres Amtes führten sie die römisch-katholische Kirche definitiv auf den Weg des Ökumenismus. Jeder von ihnen spielte eine bedeutende Rolle im Prozess der Überwindung von Barrieren und historischen Vorurteilen, die zwischen den Kirchen existierten, und setzte sich für den Aufbau von neuen Beziehungen auf dem Fundament der gegenseitigen Wertschätzung ein. Johannes XXIII. hat das Zweite Vatikanische Konzil einberufen, mit dem die römisch-katholische Kirche unwiderruflich den Weg der Ökumene eingeschlagen hat. Paul VI. setzte den ökumenisch-konziliaren Weg seines Vorgängers fort, veranlasste die Veröffentlichung des konziliaren Dekrets Unitatis redintegratio111 über den Ökumenismus und unternahm konkrete Schritte, um Luther und sein Werk neu zu verstehen. Auch Johannes Paul I. hinterließ – trotz seines kurzen Pontifikats – ein Zeugnis seiner ökumenischen Offenheit gegenüber allen Christen aus Ost und West, die zu verschiedenen Kirchen und Traditionen gehören. Einen Umbruch im Hinblick auf das direkte Engagement der Bischöfe von Rom bei der Neubewertung Luthers und seines Werkes führte Johannes Paul II. herbei. Er war es nämlich, der als Erster in der Geschichte des Papsttums den Namen Luthers ausgesprochen und auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, den Reformator ohne vorgefasste Meinung zu betrachten. Diese Art, zu denken und zu handeln, machte sich auch Benedikt XVI., der Papst aus dem Lande Luthers, zu eigen. Papst Franziskus weiß ganz genau, dass das ökumenische Denken über die Kirche, das vom Zweiten Vatikanischen Konzil definiert und von den konziliaren und nachkonziliaren Päpsten konsequent befolgt wurde, nach ständiger Ver111 Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis Redintegratio über den Ökumenismus, http:// www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19641 121_unitatis-redintegratio_ge.html (21. 11. 1964) [ferner = UR].
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tiefung verlangt. Er verkündet, dass eine große Chance – und zugleich Versprechen und Hoffnung auf eine wahrhaft ökumenische Begegnung der Kirchen – in einer dialogischen Perichorese bei der Suche nach Wahrheit liegt, deren Verwirklichung im gegenseitigen Durchdringen des Bewusstseins der Kirchen in Bezug auf die Anvertrauung der Sache der Ökumene an den Heiligen Geist besteht. Deswegen ruft Franziskus unermüdlich zur ökumenischen Epiklese auf, die den Weg zum Heiligen Geist und zur Begegnung mit dem Anderen im Glauben öffnet. Die ökumenische Epiklese ist ein wesentliches Element der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus.
1.
Die konziliaren und nachkonziliaren Wendepunkte
Johannes XXIII. hat in der römisch-katholischen Kirche eine ökumenische Wende veranlasst. Er berief das Zweite Vatikanische Konzil ein, das die katholische Kirche endgültig auf den Weg des Ökumenismus brachte.112 Als Beobachter wurden zum Konzil zahlreiche Vertreter aus östlichen und westlichen Kirchen eingeladen, die später einen nicht unbedeutenden Beitrag bei der Ausarbeitung des ökumenischen Programms für die römisch-katholische Kirche leisteten, das noch heute als Inspiration für zahlreiche Aktivitäten vieler Kirchen und Glaubensgemeinschaften dient. Auch wenn es damals noch nicht möglich bzw. unüblich war, dass sich der Papst direkt zur Person und zum theologischkirchlichen Werk Martin Luthers äußert, hat Johannes XXIII. damit begonnen, die Mauern und Vorurteile zwischen den Kirchen niederzureißen. Zwar widmete er sich verstärkt der Schaffung von positiven Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen, doch auch den lutherischen Kirchen und Christen begegnete er stets mit Respekt. Johannes XXIII. stand zwar für ein ziemlich traditionelles Konzept der künftigen christlichen Einheit, plädierte aber trotzdem mehrmals dafür, diese gemeinsam zu begründen und aufzubauen. Vor allem aber setzte er seine ökumenischen Vorstellungen in die Tat um. In der Enzyklika Ad Petri Cathedram113 (03. 07. 1959) bat er alle Christen außerhalb der römisch-katholischen Kirche, sie Schwestern und Brüder nennen zu dürfen. Mit dem Motu proprio Superno Dei
112 Siehe K. Koch, Symfonia jednos´ci. Z kardynałem… rozmawia ks. Robert Biel, Lublin 2015, S. 43–44; K. M. Kaczmarek, Ekumeniczny zwrot Vaticanum II z perspektywy ewolucyjnej, »Przegla˛d Religioznawczy« (2016), Nr. 2, S. 95–113; R. Porada, Urzeczywistnienie sie˛ Kos´cioła w dialogu ekumenicznym – perspektywa katolicka, »Studia Paradyjskie« 28 (2018), S. 69–82. 113 Johannes XXIII., Enzyklika Ad Petri Cathedram, AAS 51 (1959), S. 497–531; http://www.theo logische-links.de/downloads/oekumene/ad_petri_cathedram.html (14. 01. 2020).
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nutu114 wurde im Jahr 1960, also zwei Jahre vor Beginn des Konzils, das Sekretariat für die Einheit der Christen eingesetzt.115 Er würdigte das Depositum des Glaubens und die erlösenden Werte der nichtkatholischen Kirchen. Er war bereit, sowohl mit Kirchen der östlichen als auch der westlichen (protestantischen) Tradition zusammenzuarbeiten, und richtete an sie diverse bedeutsame ökumenische Gesten. Seine zahlreichen Äußerungen (in verschiedener Form) bestätigen, dass er von einer dringenden Notwendigkeit eines entschieden stärkeren Engagements der römisch-katholischen Kirche am ökumenischen Dialog, auch mit Kirchen der evangelischen Tradition, überzeugt war. Johannes XXIII. sah auch Chancen auf eine wirkliche Vereinigung mit den anglikanischen Kirchen, was Begegnungen mit dem Erzbischof von Canterbury Geoffrey Francis Fisher (1961) und George Craig, dem Oberhaupt der schottischen presbyterianischen Kirche (1962), belegen. Die EKD wiederum entsandte als Sonderbeobachter nach Rom den lutherischen Heidelberger Theologen Dr. Edmund Schlink,116 der an der Vorbereitung des Konzils beteiligt war. Papst Paul VI. setzte die ökumenische Öffnung der römisch-katholischen Kirche fort, die vor ihm offiziell von Johannes XXIII. und dem von ihm einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzil initiiert wurde. Von seinem Vorgänger erbte er nicht nur das Interesse an der Ökumene, sondern vertiefte es auch noch weiter und verlieh ihm einen entschieden neuen Charakter und eine Dynamik.117 Während des Pontifikats von Paul VI. erfolgte nämlich ein radikaler Wandel in den Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen. Einen neuen Charakter erhielten auch die Beziehungen zu den evangelischen Kirchen, auch wenn es damals noch nicht möglich bzw. unüblich war, dass sich Päpste zur Person, zur Theologie und zum kirchlich-gesellschaftlichen Erbe Luthers direkt äußern. Paul VI., der den konziliaren Weg 114 Johannes XXIII., Motu proprio Superno Dei nutu, AAS 52 (1960), S. 436; http://www.kathpedia .com/index.php?title=Superno_Dei_nutu_(Wortlaut) (10. 02. 2020). 115 Diese Entscheidung wurde in weiteren Dokumenten bestätigt: Johannes XXIII., Motu proprio Appropinquante Concilio (06. 08. 1961), III, 7,2, I, AAS 54 (1962), S. 614; http://ww w.kathpedia.com/index.php?title=Appropinquante_concilio_(Wortlaut) (10. 02. 2020). Vgl. Paul VI., Apostolische Konstitution Regimini Ecclesiae universe (15. 08. 1967), AAS 59 (1967), S. 918–919; http://www.kathpedia.com/index.php?title=Regimini_ecclesiae_univer sae_(Wortlaut) (20. 01. 2020). Aufgrund der Neuorganisation der römischen Kurie wurde dieses Dikasterium im Jahr 1988 in den Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen umbenannt, siehe Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. 06. 1988), V, 135–138, AAS 80 (1988), S. 895–896; http://www.vatican.va/content/john-pa ul-ii/de/apost_constitutions/documents/hf_jp-ii_apc_19880628_pastor-bonus.html (15. 08. 2019). 116 Siehe J. Eber, The Vision of the Pope. An Ecumenical Effort of Edmund Schlink (1903–1984), »Scottish Journal of Theology«, Vol. 45 (1992), Issue 2, S. 237–244. 117 Siehe Z. Glaeser, Ku eklezjologii »Kos´ciołów siostrzanych«. Studium ekumeniczne, Opole 2000, S. 114–115.
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Die ökumenischen Impulse der Vorgänger
Johannes’ XXIII. fortsetzte, schuf günstige Voraussetzungen für ein allmählich besseres Kennenlernen und für eine gemeinsame, evangelisch-katholische Lutherforschung auf der Basis von neuen wissenschaftlichen und kirchlichen Paradigmen. Eine Wende in der Gestaltung der ökumenischen Beziehungen der Kirchen leitete die Rede von Paul VI. zu Beginn der zweiten Sitzungsperiode des Konzils (29. 08. 1963) ein.118 Darin findet sich die Bitte um Vergebung der Schuld, die zur Spaltung der Kirche Christi führte, und die Zusage, erfahrenes Unrecht vergeben zu wollen.119 In seiner programmatischen Enzyklika Ecclesiam suam120 (1964) wies Paul VI. auf den Dialog als die grundlegende Methode zum Ausbau der innerchristlichen Beziehungen hin. Er forderte zudem, mit Offenheit nach dem zu suchen, was alle Christen miteinander verbindet.121 Große Verdienste bei der Gestaltung eines ökumenischen Programms der römisch-katholischen Kirche erwarb Paul VI. durch sein persönliches Engagement bei der Ausarbeitung des Dokuments Unitatis redintegratio. Zum Zeitpunkt seiner feierlichen Promulgation wiederholte der Papst, dass die ökumenische Öffnung der Kirche eines der Ziele war, für die das Vatikanum II einberufen wurde.122 Paul VI. hat maßgeblich zu einer deutlichen Verbesserung des Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zu den protestantischen Kirchen beigetragen und Voraussetzungen für die Einsetzung von bilateralen Kommissionen geschaffen, die Gespräche über doktrinale Fragen aufnehmen sollten. Von großer Bedeutung war während des Pontifikats von Paul VI. dessen Besuch beim Weltkirchenrat in Genf im Jahr 1969, wo er eine Ansprache hielt.123 Er richtete auch ein Grußwort an die Vollversammlung des Weltkirchenrates in Nairobi, in dem er nochmals seine Unterstützung für die ökumenische Bewegung bekräftigte.124 Paul VI. traf sich auch persönlich mit Vertretern protestantischer Kirchen und empfing etwa den anglikanischen Erzbischof von Canterbury Michael Ramsey 118 Paul VI., Ansprache zur Eröffnung der zweiten Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (29. 09. 1963), http://www.kathpedia.com/index.php?title=Salvete,_fratres_in_Christo_dilec tissimi (12. 04. 2019). 119 Ebenda. 120 Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam, AAS 56 (1964), S. 651–653; http://www.vatican.va/conten t/paul-vi/de/encyclicals/documents/hf_p-vi_enc_06081964_ecclesiam.html (12. 04.2019). 121 Ebenda, Nr. 109. 122 Siehe Enchiridion Vaticanum, Vol. 1: Documenti del Concilio Vaticano II, Bologna 1981, S. 104f. 123 Siehe K. Karski, Działalnos´´c Wspólnej Grupy Roboczej Kos´cioła Rzymskokatolickiego i S´wiatowej Rady Kos´ciołów w latach 1965–1985, »Studia i Dokumenty Ekumeniczne« (1985), Nr. 3–4, S. 25–38: ders. Karski, K., Rola S´wiatowej Rady Kos´ciołów w ruchu ekumenicznym, https://ekumenia.pl/content/uploads/2014/03/rola-SRK-w-ruchu-ekumenicznym-K.Karski .pdf (07. 02. 2020). 124 K. Karski, Działalnos´c´ Wspólnej Grupy Roboczej, S. 25–38.
Die konziliaren und nachkonziliaren Wendepunkte
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(1966) und seinen Nachfolger Donald Coggan (1977). Mit dem Besuch des Erzbischofs von Canterbury im Vatikan wurde der katholisch-anglikanische Dialog eröffnet.125 Während des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden offizielle Beziehungen zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Lutherischen Weltbund aufgenommen.126 Im Zuge dieser Kontakte wurde die gemeinsame internationale Studienkommission ins Leben gerufen, die sich mit den strittigen theologischen Fragen beschäftigte, deren Antworten zum Bruch der beiden christlichen Traditionen führte.127 Im Ergebnis wurde übereinstimmend festgestellt, dass allein das Evangelium Norm und Kriterium für eine weitere kirchliche Zusammenarbeit darstellt. Man gelangte zudem zu der Einsicht, dass sich ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zur Einheit zwischen der römisch-katholischen Kirche und den protestantischen Glaubensgemeinschaften im aktuellen Verständnis der Rolle des Bischofs von Rom manifestiert. Für Lutheraner kann dieser als Zeichen der Einheit nur gelten, sofern er der Autorität des Evangeliums unterworfen wird. Im Rahmen der Zusammenarbeit der römisch-katholischen Kirche mit dem Reformierten Weltbund wurde im Jahr 1969 eine gemeinsame Studienkommission ins Leben gerufen mit dem Ziel, thematische theologische Debatten zu organisieren.128 Deren jährliche Abschlussberichte wurden mit Wohlwollen von den zuständigen kirchlichen Stellen bewertet und bildeten einen guten Ausgangspunkt für weitere Gespräche. Für einen Dialog zwischen dem Weltrat methodistischer Kirchen und der römisch-katholischen Kirche wurde im Jahr 1966 eine gemischte Kommission gegründet.129 Sie erarbeitete zunächst eine gemeinsame Stellungnahme zu Fragen bezüglich Eucharistie, Ehe und Familie sowie Autorität in der Kirche. Nachdem diese Ergebnisse vom vatikanischen Sekretariat für die Einheit der Christen und dem Weltrat methodistischer Kirchen angenommen wurden, setzte man die Zusammenarbeit fort.130 125 Siehe A. Napiórkowski, Mie˛dzy ekumenizmem a konwertyzmem: Kos´ciół rzymskokatolicki a Kos´ciół anglikan´ski, in: Dialog ekumeniczny a missio Ecclesiae, Hg. M. Chojnacki, J. Morawa, A. Napiórkowski, Kraków 2011, S. 33–59; Watykan/KAI, 55 lat dialogu katolicko-anglikan´skiego, https://niedziela.pl/artykol/19395/55-lat-dialogu-katolicko-anglikanskiego (07. 02. 2020). 126 Siehe K. Karski, Kos´ciół Rzymskokatolicki w dialogu z Kos´ciołami i wspólnotami protestanckimi, »Studia i Dokumenty Ekumeniczne« (1987), Nr. 3, S. 11–23. 127 Ebenda. 128 Ebenda; F. R. Garrapucho, Mie˛dzykonfesyjne dialogi ekumeniczne. Bilans historyczny, »Sympozjum« (2007), Nr. 1 (16), S. 67–79. 129 Siehe F. R. Garrapucho, Mie˛dzykonfesyjne dialogi ekumeniczne. Bilans historyczny, S. 73–74. 130 Vgl. P. Kantyka, Dialog ekumeniczny jako »wymiana darów« w konteks´cie najnowszej deklaracji rzymskokatolicko-metodystycznej, in: Chrystus ´swiatłem ekumenii. W drodze na
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Die ökumenischen Impulse der Vorgänger
Nach dem Tod von Paul VI. wurde am 26. August 1978 während eines eintägigen Konklave Kardinal Albino Luciani, Patriarch von Venedig, auf den Stuhl Petri gewählt. Als erster Papst in der Kirchengeschichte überhaupt gab er sich einen Doppelnamen – Johannes Paul I. – und knüpfte damit (auch namentlich) an die Verdienste seiner beiden Vorgänger, Johannes XXIII. und Paul VI., an.131 Das Pontifikat dauerte jedoch nur 31 Tage. Es war eines der kürzesten der Kirchengeschichte. Eines der Hauptziele, die Johannes Paul I. als Papst erreichen wollte, war eine konsequente Umsetzung der Reformen, die das Zweite Vatikanische Konzil beschlossen hatte, dessen Teilnehmer er selbst als Mitglied der Glaubenskommission der italienischen Bischofskonferenz gewesen war. Wie für seine zwei konziliaren Vorgänger war auch für Johannes Paul I. eine große ökumenische Sensibilität charakteristisch.132 Auch sein Sprachstil erinnerte an seine Vorgänger Johannes und Paul: Seiner Ansicht nach besteht die allerwichtigste Aufgabe der Kirche in der Schaffung einer gerechteren und harmonischen, also einer humaneren Welt. Er sprach sich für die Fortsetzung des innerkirchlichen, innerchristlichen und interreligiösen Dialogs aus sowie für einen Dialog der Kirche mit der Welt unter gleichzeitiger Wahrung ihrer Autonomie.133 Seine Aufmerksamkeit galt vor allem dem Aufbau von neuen, partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Kirchen. Als Hirte wollte er sich »auf all das konzentrieren, was die Einheit fördern kann, ohne zu zögern und ohne die Doktrin zu schwächen«.134 Sein Pontifikat war von Schlichtheit geprägt: Er verzichtete auf Glanz und Pracht, da sie überflüssig seien und die zwischenmenschlichen Relationen zuweilen erschwerten. Über Christen außerhalb der römisch-katholischen Kirche sprach er mit brüderlichem Respekt, weshalb ihm schon bald Christen sowie Kirchen aus Ost und West ihr Vertrauen schenkten.135
131 132 133 134
135
Trzecie Europejskie Zgromadzenie Ekumeniczne w Sibiu, Hg. R. Porada, Opole 2006, S. 33– 46. J. N. D. Kelly, Reclams Lexikon der Päpste, übers. von Hans-Christian Oeser, Stuttgart 2005; R. Fischer-Wolpert, Lexikon der Päpste, Wiesbaden 2004. Siehe Z. Czajkowski, Papiez˙e odnowy soborowej, Warszawa 1987, S. 76. Ebenda. Jan Paweł I, Pierwsze ore˛dzie do Kos´cioła i ´swiata »Urbi et Orbi«. Przemówienie po zakon´czeniu konklawe (27. 08. 1978) [Johannes Paul I., Erste Ansprache »Urbi et orbi«. Ansprache nach Abschluss des Konklave (27. 08. 1978)], http://www.opoka.org.pl/biblioteka/W/WP/jan _pawel_i/przemowienia/urbi_27081978.html (15. 03. 2017). Ebenda.
Luther neu entdeckt und »erzählt«
2.
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Luther neu entdeckt und »erzählt«
Johannes Paul II. – »der Papst aus einem fernen Land« – verkündete einen Tag nach seiner Wahl in der Sixtinischen Kapelle seine programmatische Botschaft: »Wir möchten an dieser Stelle auch nicht unsere Brüder und Schwestern aus den anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften vergessen. Die Sache des Ökumenismus ist derart erhaben und erfordert Klugheit, dass wir jetzt nicht darüber schweigen können. Wie oft haben wir gemeinsam über den letzten Willen Christi betend nachgedacht, der für seine Jünger vom Vater das Geschenk der Einheit erbat (Joh 17, 21–23)? Wer erinnert sich nicht daran, wie oft der heilige Paulus die ›Einheit des Geistes‹ betont hat, aus der heraus die Jünger Christi ›die gleiche Liebe üben, eines Sinnes und eines Herzens sein‹ sollten (Phil 2,2.5–8)?«136
In dieser programmatischen Erklärung von Papst Johannes Paul II. erkennen wir die Gründe für eine sofortige und bedingungslose Teilnahme des Nachfolgers Petri am Werk der Ökumene: zum einen das Ärgernis über die Spaltungen und zum anderen die ökumenische Hoffnung, die sich aus dem radikalen Verständnis der Worte Christi speiste, »damit sie alle eins seien«. (Joh 17, 21) Das finale Ziel ökumenischer Bestrebungen ist – nach Auffassung des Papstes – »eine vollkommene Einheit«, die hier und jetzt zu verwirklichen ist.137 Zusammen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil legte auch Johannes Paul II. seinen Widerspruch gegen die innerhalb der Christenheit vorhandenen Trennungen ein, denn – wie er betonte – verstößt jede Spaltung innerhalb der Kirche gegen den Willen Christi138 und richtet sich infolgedessen stets gegen die Kirche. Daher verstand er den Ökumenismus als »Imperativ des vom Glauben erleuchteten und von der Liebe geleiteten christlichen Gewissens«.139 Stets erinnerte er daran, dass Christus seine Jünger zur Einheit ermahnt. Daher dürfen diejenigen, die an ihn glauben und in der Nachfolge der Märtyrer vereint sind, nicht getrennt bleiben,140 denn »die Sünde unserer Spaltung ist sehr schwer«.141 Die Spaltung unter den Christen bezeichnete er als beklagenswerten Zustand, der vielen Anlass zu 136 Siehe Z. Glaeser, Wprowadzenie, in: Pontyfikat ekumenicznej nadziei. Z Janem Pawłem II na drogach ekumenizmu, Hg. Z. Glaeser, Opole 2008, S. 7–8. 137 Z. Glaeser, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y po Soborze Watykan´skim II, S. 77. 138 Vgl. UR, Nr. 1. 139 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, Nr. 8, AAS 87 (1995), S. 921–982; http://www.va tican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_25051995_ut-unu m-sint.html (02. 02. 2020) [ferner = UUS]. 140 Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 37, AAS 87 (1995), S. 5–45; http://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_letters/1994/document s/hf_jp-ii_apl_19941110_tertio-millennio-adveniente.html (18. 06. 2019) [ferner = TMA]. 141 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Orientale Lumen, Nr. 17, AAS 87 (1995), S. 745– 774; http://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_letters/1995/documents/hf_jp-ii_a pl_19950502_orientale-lumen.html (16. 08. 2019) [ferner = OL].
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Die ökumenischen Impulse der Vorgänger
Zweifel und sogar Ärgernis gibt. Somit ist das christliche Gewissen verpflichtet, sich für Einheit bzw. Gemeinschaft und damit gegen Spaltungen einzusetzen, welche die Kirche ständig gefährden. Schließlich geht es um nicht weniger als Offenheit gegenüber der einenden Präsenz des Heiligen Geistes.142 Johannes Paul II. rief die Christen auf, ihre Gewissen zu prüfen, damit man im Jubeljahr »wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auftreten kann, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein«.143 Das Pontifikat von Johannes Paul II. ist von zahlreichen ökumenischen Gesten geprägt. In der Enzyklika Ut unum sint stellte er mit Nachdruck fest, dass das Engagement der römisch-katholischen Kirche für den Ökumenismus unumkehrbar ist.144 Darüber hinaus sah er im Ökumenismus den einzig richtigen Weg der Kirche und keine vorübergehende Modeerscheinung. Den besonderen Wert des Ökumenismus erkannte er im gemeinsamen Gebet sowie im gemeinsamen Suchen und Finden der Wahrheit.145 Konsequent und mit voller Überzeugung setzte Johannes Paul II. das ökumenische Vorhaben um, das er zu Beginn seines Pontifikats klar umrissen hatte. Zum festen Programm seiner apostolischen Reisen gehörten stets ökumenische Begegnungen, um die er sich persönlich bemühte. In nahezu allen seinen Dokumenten finden sich Aussagen mit ökumenischem Charakter.146 Einen Wendepunkt markiert in dieser Materie die Enzyklika Ut unum sint (Damit sie eins seien), die in Gänze den Fragen des Ökumenismus gewidmet ist. Hierin erinnerte der Papst daran, dass »die katholische Kirche hoffnungsvoll die ökumenische Verpflichtung als einen Imperativ des vom Glauben erleuchteten und von der Liebe geleiteten christlichen Gewissens annimmt«.147 Zu erwähnen sind auch weitere Dokumente mit deutlich ökumenischem Charakter: die apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente (An der Schwelle des dritten Jahrtausends, 1994), Orientale lumen (Über den christlichen Osten, 1995) sowie seine Botschaft anlässlich des 500. Geburtstages von Martin Luther (1983).148 Eine wichtige ökumenische Botschaft übermittelte Johannes Paul II. in seinem zum Ende des 142 Z. Glaeser, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y po Soborze Watykan´skim II, S. 78. 143 TMA, Nr. 34. 144 Siehe UUS, Nr. 8. Vgl. W. Henn, Ut unum sint and Catholic Involvement in Ecumenism, »The Ecumenical Review« 52 (2000), Nr. 2, S. 234–245. 145 Siehe P. Jaskóła, Jana Pawła II ekumeniczna wizja Kos´cioła, »Studia Oecumenica« 16 (2016), S. 49–61. 146 Siehe K. Starczewski, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y. Od Jana XXIII do Benedykta XVI, Kielce 2018, S. 153–280. 147 UUS, Nr. 8. 148 Johannes Paul II., Botschaft an Kardinal Johannes Willebrands, Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen (31. 10. 1983), http://vatican.va/content/john-paul-ii/de/letter s/1983/documents/hf_jp-ii_let_19831031_card-willebrands.html (20. 05. 2017).
Luther neu entdeckt und »erzählt«
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großen Jubeljahres 2000 veröffentlichten apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte.149 Darin schrieb er von »dem traurigen Erbe der Vergangenheit«, das die Nachfolger Christi gespalten hat. Er ruft zur Bekehrung der Herzen und zum gemeinsamen Gebet auf, was zur »notwendigen Läuterung der geschichtlichen Erinnerung führen wird«.150 Ein wesentliches Element des ökumenischen Programms von Johannes Paul II. bildeten seine Besuche am Sitz des Patriarchen von Konstantinopel, in der Kathedrale von Canterbury, beim Weltkirchenrat, bei der evangelischen Gemeinde in Rom und in der Synagoge von Rom. Während seines Pontifikats wurde der offizielle Dialog zwischen der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen eröffnet und die katholisch-lutherische gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterzeichnet.151 Im apostolischen Schreiben Ecclesia in Europa schreibt Johannes Paul II., dass die Einheit der Christen »sich heute für eine größere Glaubwürdigkeit bei der Evangelisierung und als Beitrag zur Einheit Europas als notwendig« erweist.152 Daher sind Einheit und Umsetzung der christlichen Sendung unzertrennlich. Mit Nachdruck stellte er ferner fest, dass »der Ökumenismus […] nicht nur irgendein ›Anhängsel‹ ist, das der traditionellen Tätigkeit der Kirche angefügt wird. Im Gegenteil, er gehört organisch zu ihrem Leben und zu ihrem Wirken und muss infolgedessen dieses Miteinander durchdringen und so etwas wie die Frucht eines Baumes sein, der gesund und üppig heranwächst, bis er seine volle Entfaltung erreicht«.153
149 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (06. 01. 2001), AAS 93 (2001), S. 266–309; http://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_letters/2001/docum ents/hf_jp-ii_apl_20010106_novo-millennio-ineunte.html (15. 08. 2019). 150 UUS, Nr. 2. Ein wichtiges Ereignis auf dem Weg der Läuterung der Erinnerung markiert die »Eucharistie der Versöhnung«, die am ersten Sonntag der großen Fastenzeit (am 12. 03. 2000) im Petersdom in Rom gefeiert wurde. Texte siehe Celebrazione Eucaristica. Prima domenica di Quaresima. »Giornata del perdono«, Vaticano 2000, S. 94. Vgl. auch J. B. Metz, Czy Kos´ciół potrzebuje nowej reformacji? Odpowiedz´ katolika, Concilium (1970), Nr. 1/5, S. 272–279; J. Ratzinger, Zur Gemeinschaft gerufen: Kirche heute verstehen, Freiburg i. Br. – Basel – Wien 1992. 151 Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch-lutherische Kommission für die Einheit, Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999), in: Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Ein Kommentar für ökumenische Forschung, Straßburg 1997, S. 55–77; http://www.christianunity.va/content/unitacristiani/en/dialoghi/sezione-occidentale/lutera ni/dialogo/documenti-di-dialogo/1999-dichiarazione-congiunta-sulla-dottrina-della-giusti ficazion/en/de.html (12. 12. 2019). Siehe dazu W. Kasper, Wege der Einheit. Perspektiven für die Ökumene, Freiburg i. Br. (Herder) 2005, S. 162–180. 152 Johannes Paul II., Nachsynodales apostolisches Schreiben Ecclesia in Europa (28. 06. 2003), Nr. 30. http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_exhortations/documents/hf_j p-ii_exh_20030628_ecclesia-in-europa.html (12. 01. 2020) [ferner = EE]. 153 UUS, Nr. 20.
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Damit ermutigte er alle Christen, angesichts der Schwierigkeiten, denen sie in ihrem Dienst an der Einheit begegnen, nicht zu verzagen. Er selbst nahm Kontakte zu kirchlichen Oberhäuptern auf. Während seiner Reisen traf er sich mit führenden Vertretern von Kirchen und Religionsgemeinschaften. Er warnte davor, die Ökumene auf Soziologie oder trockene doktrinale Dispute zu reduzieren. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wies er auf die »Bekehrung der Herzen«, die »Heiligkeit des Lebens« und das »Gebet« als die wichtigsten Elemente ökumenischen Engagements hin und fasste sie begrifflich als »Seele des Ökumenismus« zusammen.154 Er verlangte, dass sich die ökumenische Offenheit im praktischen Alltag der Christen widerspiegelt. Mehrmals verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Einheit der Kirche eine Gabe des Heiligen Geistes ist, die allen Christen gegeben und vorgegeben ist.155 Die gemeinsame Suche nach Wegen zur Erlösung und Versöhnung ist – seiner Meinung nach – nichts anderes als eine Rückkehr zur ursprünglichen Idee Jesu: »Damit alle eins seien«. (Joh 17,21) Damit ermutigte er zum Dialog in der Annahme, dass dadurch Christen »gemeinsam« als Schwestern und Brüder im Geheimnis Christi und seiner Kirche wachsen können. Als erster Papst nannte Johannes Paul II. nach 450 Jahren wieder öffentlich den Namen Martin Luthers. Dies war für die Lutherforschung ein geradezu epochales Ereignis, da sie nun eine von Vorurteilen und historischen Stereotypen befreite Richtung einschlug. Zum 500. Geburtstag Luthers (31. 10. 1983) richtete Johannes Paul II. eine Botschaft an Johannes Kardinal Willebrands,156 den damaligen Präsidenten des Sekretariats für die Einheit der Christen. Darin behandelte er die Person Martin Luthers und den kulturhistorischen Hintergrund seines Protestes.157 Er gab zu, dass »für die Katholische Kirche mit dem Namen Martin Luther durch die Jahrhunderte hindurch die Erinnerung an eine leidvolle Zeit verbunden ist, vor allem aber das Wissen um den Beginn großer kirchlicher Spaltungen. Der 500. Geburtstag von Martin Luther soll daher für uns eine Gelegenheit sein, in Wahrhaftigkeit und christlicher Liebe über die geschichtsträchtigen Ereignisse der Reformationszeit nachzudenken. Gerade aus der zeitlichen Distanz heraus lassen sich historische Vorgänge oft besser verstehen und darstellen«.158
154 Siehe UUS, Nr. 20; UR, Nr. 7–8. Siehe auch Z. Glaeser, W jednym duchu jeden Kos´ciół, Opole 1996, S. 194. 155 Siehe T. J. Chlebowski, Jednos´c´ – zadany dar Ducha S´wie˛tego, »Biuletyn Ekumeniczny« (2004), Nr. 3–4, S. 58–66. 156 Johannes Paul II., Botschaft an Kardinal Johannes Willebrands, Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen (31. 10. 1983), http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/let ters/1983/documents/hf_jp-ii_let_19831031_card-willebrands.html (20. 05. 2017). 157 Siehe A. Nossol, Der Mensch braucht Theologie, S. 172–177. 158 Ebenda.
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Daher befürwortete er unter Berufung auf »namhafte Persönlichkeiten und Gremien in der lutherischen Christenheit« deren Vorschlag, »das Luther-Gedenkjahr in echt ökumenischem Geiste zu gestalten und Martin Luther in einer Weise zu Wort kommen zu lassen, die förderlich für die Einheit der Christen sein soll«.159 In diesem Vorstoß erkannte er »eine brüderliche Einladung für ein gemeinsames Bemühen, sowohl um ein vertieftes und vollkommeneres Verständnis der historischen Ereignisse, als auch um eine mannigfache Auseinandersetzung mit dem Erbe Luthers«.160 Ferner stellte Johannes Paul II. fest: »[…] in der Tat haben wissenschaftliche Bemühungen evangelischer wie katholischer Forscher, die sich in ihren Ergebnissen inzwischen weitgehend begegnen, zu einem vollständigeren und differenzierteren Bild von der Persönlichkeit Luthers wie auch von dem komplizierten Geflecht der historischen Gegebenheiten in Gesellschaft, Politik und Kirche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts geführt.«161
Im Ergebnis der Forschungsuntersuchungen wurde auf die tiefe Religiosität Luthers hingewiesen, »der von der brennenden Leidenschaft für die Frage nach dem ewigen Heil getrieben war«.162 Eine gründliche Erforschung der Person Luthers und seiner Zeit führte zum gemeinsamen Fazit, »dass sich der Bruch der Kircheneinheit weder auf Unverständnis seitens der Hirten der katholischen Kirche noch auf mangelndes Verstehen des wahren Katholizismus auf Seiten Luthers allein zurückführen lässt, so sehr solches mitgespielt haben mag. Die Entscheide, um die es ging, reichten tiefer. Bei dem Streit um das Verhältnis von Glaube und Überlieferung waren Grundfragen der rechten Auslegung und Aneignung des christlichen Glaubens im Spiel, deren kirchentrennende Wirkung durch bloßes historisches Verstehen nicht zu überwinden ist«.163
Der Papst schrieb auch: »So ist im Blick auf Martin Luther und in der Suche nach Wiederherstellung der Einheit ein zweifaches Bemühen nötig. Zunächst ist das Fortgehen sorgfältiger historischer Arbeit wichtig. Es geht darum, durch unvoreingenommene, allein von der Suche nach Wahrheit geleitete Forschung ein gerechtes Bild des Reformators wie der ganzen Epoche der Reformation und der in ihr wirkenden Personen zu gewinnen. Wo Schuld ist, muss sie anerkannt werden, gleich welche Seite sie trifft; wo Polemik die Sicht verzerrt hat, muss sie richtiggestellt werden, wiederum unabhängig davon, um welche Seite es sich handelt. Dabei kann uns nicht die Absicht leiten, uns zu Richtern der Geschichte aufzuwerfen, sondern das Ziel darf einzig sein, besser zu erkennen und damit wahrheitsfähiger zu werden. Nur in einer solchen Haltung, die sich der Reinigung durch die Wahrheit ohne Vorbehalte stellt, können wir zu einem gemeinsamen Ver159 160 161 162 163
Ebenda. Ebenda. Ebenda. Ebenda. Ebenda.
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Die ökumenischen Impulse der Vorgänger
stehen des Damaligen finden und so auch neue Ausgangspunkte für das Gespräch von heute gewinnen.«164
Johannes Paul II. war zutiefst davon überzeugt, dass die Erforschung der Person Luthers und der Reformation »Hand in Hand mit dem Dialog des Glaubens, in dem wir hier und jetzt nach Einheit suchen, gehen muss. Er findet seine feste Grundlage in dem, was uns gemäß den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften auch nach der Trennung verbindet: im Wort der Schrift, in den Glaubensbekenntnissen, in den Konzilien der alten Kirche«.165
Somit verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass dieser Dialog nur dann fruchtbar sein wird, wenn er »in der Treue zum geschenkten Glauben Bußfertigkeit und Bereitschaft hörenden Lernens in sich schließt«,166 aber auch voller Demut ist vor dem Mysterium der göttlichen Vorsehung und in ehrfürchtigem Hinhorchen auf das, was der Geist Gottes uns heute in der Erinnerung an die Vorgänge der Reformationszeit lehrt. Auf diese Weise ist die Kirche bemüht, »die Grenze ihrer Liebe weiterzuziehen und auf die Einheit aller zuzugehen, die als getaufte den Namen Jesu Christi tragen«.167 Kurz nach Veröffentlichung der Botschaft anlässlich des 500. Geburtstages von Martin Luther nahm Johannes Paul II. an einem Gottesdienst in der lutherischen Kirche in Rom teil (11. 12. 1983).168 Es gab mehrere Begegnungen mit Vertretern der lutherischen Kirche und bei vielen Anlässen ermutigte er dazu, Luther und die Reformation tiefer zu erforschen. Während des Pontifikats von Johannes Paul II. wurde in Augsburg die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterzeichnet169 (31. 10. 1999), was er als »Meilenstein auf dem schwierigen Weg zur Wiederherstellung der vollen Einheit«170 sowie als »wertvollen Beitrag für den Prozess der Bereinigung des historischen Gedächtnisses und als gemeinsames Zeugnis«171 bezeich164 165 166 167 168
Ebenda. Ebenda. Ebenda. Ebenda. Johannes Paul II., Ansprache während des ökumenischen Treffens mit der evangelischlutherischen Gemeinde Roms (11. 12. 1983), http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/ de/speeches/1983/december/documents/hf_jp-ii_spe_19831211_incontro-ecumenico.ht ml (25. 03. 2018). 169 Gemeinsame römisch-katholische/evangelisch-lutherische Kommission für die Einheit, Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999), in: Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Ein Kommentar für ökumenische Forschung, Straßburg 1997, S. 55–77; http://www.christianunity.va/content/unitacristiani/en/dialoghi/sezione-occidentale/lutera ni/dialogo/documenti-di-dialogo/1999-dichiarazione-congiunta-sulla-dottrina-della-giusti ficazion/en/de.html (12. 12. 2019). 170 Johannes Paul II., Angelus (31. 10. 1999), https://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/ange lus/1999/documents/hf_jp-ii_ang_31101999.html (18. 04. 2019). 171 Ebenda.
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nete. Johannes Paul II. war zutiefst davon überzeugt, dass eine gründliche Erforschung Luthers und der Reformation ein Mehr an gegenseitigem Respekt und Verständnis bringen und schließlich einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zur vollen sichtbaren Einheit in der Kirche Christi bedeuten wird. Von besonderer Bedeutung sind die Aussagen von Johannes Paul II. während seiner apostolischen Reisen in Luthers Heimat, in denen er ein anderes Bild des Reformators und seines Erbes zeichnete. Johannes Paul II. äußerte sich häufig sowohl zur Person als auch zum Denken des Reformators und setzte ihn in Verbindung mit den Herausforderungen, welche die Kirche gegenwärtig zu bewältigen hat. Dabei hob er das Verbindende zwischen beiden Traditionen hervor, wies aber auch offen auf das Trennende hin und steckte den ökumenischen Weg zur vollen Einheit der Kirche Christi ab. Während der Begegnung mit dem Rat der EKD (Mainz, 17. 11. 1980) erinnerte der Papst an die Reise Luthers nach Rom (1510/1511) und sagte, dass er – ähnlich wie Luther nach Rom als Pilger und Suchender reiste – heute in Luthers Heimat mit der Absicht kommt, mit dieser Begegnung für die Welt ein Zeichen der Einheit in zentralen Fragen des Glaubens zu setzen.172 Dabei knüpfte er an die für Luther so wichtigen Worte von Paulus aus Röm 14,13 an: »[L]asst uns nicht mehr einer den anderen richten.« Stattdessen soll man die gemeinsame Schuld an vergangenen Sünden anerkennen, um auf diese Weise Anstoß und Ärgernis in den Augen der Welt zu vermeiden, und gemeinsames Zeugnis über Fortschritte auf dem Weg zur Einheit ablegen.173 Johannes Paul II. zeigte sich dankbar für das, was beide christliche Traditionen miteinander verbindet, und hob gleichzeitig hervor, dass man nicht vergessen dürfe, was noch trennend zwischen ihnen steht.174 Er rief zum Dialog bezüglich
172 »Ich erinnere mich in dieser Stunde daran, daß Martin Luther 1510/11 als Pilger, aber auch als Suchender und Fragender zu den Gräbern der Apostelfürsten in Rom kam. Heute komme ich zu Ihnen, zu geistlichen Erben Martin Luthers; ich komme als Pilger. Ich komme, um mit dieser Begegnung in einer gewandelten Welt ein Zeichen der Verbundenheit in den zentralen Geheimnissen unseres Glaubens zu setzen«, Johannes Paul II., Ansprache von Papst Johannes Paul II. an den Rat der Evangelischen Kirche, https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de /speeches/1980/november/documents/hf_jp_ii_spe_19801117_chiesa-evangelica.html (17. 09. 2019). 173 »›Wir wollen uns nicht gegenseitig richten‹. Wir wollen aber einander unsere Schuld eingestehen. Auch hinsichtlich der Gnade der Einheit gilt: ›Alle haben gesündigt‹. […] Mir steht vor Augen, was unser gemeinsames Bekenntnis zu Jesus Christus, seinem Wort und Werk in dieser Welt bedeutet und wie wir durch das Gebot der Stunde zur Überwindung unserer noch kirchentrennenden Unterschiede und zum Zeugnis von unserer wachsenden Einheit gedrängt werden«, ebenda. 174 »Alle Dankbarkeit für das uns Verbleibende und uns Verbindende darf uns nicht blind machen für das, was immer noch trennend zwischen uns steht. Wir müssen es möglichst miteinander ins Auge fassen, nicht um Gräben zu vertiefen, sondern um sie zu überbrücken. Wir dürfen es nicht bei der Feststellung belassen: ›Also sind und bleiben wir ewiglich geschieden und wider einander‹«, ebenda.
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Wahrheit und Liebe auf.175 Dieser sei ein wichtiges Element des gemeinsamen Weges zur vollen Einheit im Glauben und damit auch zur Einheit am Tisch des Herrn. In Anlehnung an Luther hob der Papst hervor, dass es im Grunde genommen darum geht, »dass der Glaube an Christum, durch den wir gerechtfertigt werden«, nicht allein ein Glaube an die Person Christi sei, sondern an alles, »was Christi ist«,176 also an die Kirche selbst, ihre Sendung, die Lehre, ihre Sakramente und das Lehramt.177 Die dritte Reise von Papst Johannes Paul II. nach Deutschland (21.–23. 06. 1996) fand im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten anlässlich des 450. Todestages von Martin Luther statt. Während dieses Besuchs – genauer bei einem Treffen mit Vertretern der evangelischen Kirchen (Paderborn, 22. 06. 1996) – würdigte der Papst Luthers Beitrag für die Entwicklung der deutschen Sprache sowie sein »kulturelles Erbe«. Wichtig war für ihn auch Luthers »Forderung nach einer schriftnahen Theologie« sowie sein Appell zu einer geistlichen Erneuerung der Kirche. Ferner stellte der Papst fest, dass manche Probleme, die Luther angesprochen hat, bis heute noch nicht ausreichend geklärt seien, und er forderte ihre tiefergehendere Interpretation.178 Der Papst bedankte sich für den bisher geführten Dialog und betonte, dass die angestrebte Einheit eine »Übereinstimmung im Glaubensgut selbst erfordert«. Sie dürfe aber nicht »die Verbindlichkeit der kirchlichen Lehre« der einen oder der anderen Kirche antasten. Sie bedeute auch keine Aufgabe des christlichen Erbes, sofern der Glaube, den beide Seiten bekennen, der apostolischen Tradition treu bleibe. Als großen Erfolg wertete der Papst die Annäherung an Fragen der Rechtfertigungslehre und den Dialog über die Sakramentenlehre und das kirchliche Amt.179 Nun gelte es, so der Papst, die noch ungelösten Fragen anzugehen und in Treue gegenüber dem Heiligen Geist erneut die Einheit beider westlichen Traditionen wiederherzustellen.180
175 »Miteinander sind wir gerufen, im Dialog der Wahrheit und der Liebe die volle Einheit im Glauben anzustreben«, ebenda. 176 »[…] Der ›Glaube an Christum, durch den wir gerechtfertigt werden, nicht allein darinnen besteht, daß man an Christus oder genauer an die Person Christi, sondern an das glaubt, was Christi ist‹«, ebenda. 177 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die Vertreter anderer christlicher Konfessionen (Mainz, 17. 11. 1980), https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de /speeches/1980/november/documents/hf_jp_ii_spe_19801117_altre-confessioni.html (12. 11. 2019). 178 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die Vertreter der evangelischen Kirche und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (Paderborn, 22. 06. 1996), Nr. 2, https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/speeches/1996/june/doc uments/hf_jp-ii_spe_19960622_incontro-ecumenico.html (12. 11. 2019). 179 Ebenda, Nr. 4. 180 Vgl. ebenda, Nr. 5; Nr. 8.
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Ihre Krönung fand diese wichtige Etappe des ökumenischen Engagements von Johannes Paul II. zugunsten einer Neubewertung der Person und des Werkes Martin Luthers in der Enzyklika Ut unum sint. Darin schenkte der Papst allen Kirchen und Glaubensgemeinschaften, die ihre Wurzeln in der Reformation haben, viel Raum.181 Er hob ihre Verbindung mit der katholischen Kirche hervor. Diese folge aus dem über Jahrhunderte andauernden Zusammenleben »in der kirchlichen Gemeinschaft«182 und daraus, »dass sie eine gemeinsame ›abendländische‹ Charakteristik« besäßen.183 Wenn auch »die Unterschiede von großem Gewicht sind«184 – wie Johannes Paul II. beobachtete –, »schließen [sie] gegenseitige Durchdringungen und Ergänzungen nicht aus«.185 Dabei geht es vor allem um das »Einander-Mitteilen und Miteinander-Teilen« der geistlichen Gaben.186 Die vornehmlichen Aufgaben, die Johannes Paul II. für die Kirchen vorsah, waren das Entdecken ihres geistlichen Erbes und gegenseitige Bereicherung. Zusammen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verwies der Papst auf den Dialog als das grundlegende Paradigma der gemeinsamen Suche nach der Wahrheit und der Entdeckung von geistlichen Werten, die andere Kirchen und christliche Gemeinschaften teilen. Dazu gehören vor allem das Glaubensbekenntnis an den dreieinigen Gott – an Jesus Christus als Herrn bzw. Gott und alleinigen Mittler zwischen Gott und den Menschen –, aber auch die Taufe und Liebe zur Heiligen Schrift,187 das christliche Leben auf dem Fundament des Glaubens an Jesus Christus, die Taufe, das Hören von Gottes Wort, das Gebet und der Gottesdienst.188 Der Dialog »stellt die Gesprächspartner vor richtiggehende Gegensätze, die den Glauben betreffen«.189 Im katholisch-evangelischen Miteinander geht es vor allem um das Verständnis von Kirche, den Sakramenten und dem Weiheamt.190 Als wichtig für den katholisch-lutherischen Dialog erachtete Johannes Paul II. ethisch-moralische Fragen, die für beide christliche Traditionen in der Gegenwart zur besonderen Herausforderung wurden.191 Er ist der Auffassung, dass der Dialog über diese Problematik »im aufrichtigen Geist brüderlicher Liebe, in der Achtung vor den Forderungen des eigenen und des Gewissens des Nächsten sowie in tiefer Demut und Liebe gegenüber der Wahrheit«192 geführt 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192
Vgl. UUS Nr. 64–70. UUS Nr. 64; UR Nr. 19. UUS Nr. 65. UUS Nr. 64; UR Nr. 19. UUS Nr. 65. UUS Nr. 87. Vgl. UUS Nr. 7. Vgl. UUS Nr. 68; UR Nr. 23. UUS Nr. 39. Vgl. UUS Nr. 67. Vgl. UUS Nr. 68. UUS Nr. 39; 70.
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werden soll. Die grundlegenden Kriterien und Bezugspunkte für einen Dialog sind – in Anbetracht von Meinungsverschiedenheiten – nach Johannes Paul II. »die Heilige Schrift und die große Tradition der Kirche«,193 wobei »Katholiken das stets lebendige Lehramt der Kirche zu Hilfe«194 kommt. In jedem Fall steht bei der Suche nach der Wahrheit an erster Stelle die Heilige Schrift, die »gerade beim [ökumenischen] Dialog ein ausgezeichnetes Werkzeug in der mächtigen Hand Gottes [ist], um jene Einheit zu erreichen, die der Erlöser allen Menschen anbietet«.195 Wie das Zweite Vatikanische Konzil hob Johannes Paul II. die ökumenischgeistliche Bedeutung des gemeinsamen Gebets hervor, das als »die Seele der ökumenischen Bewegung anzusehen«196 sei, denn »es ist ein sehr wirksames Mittel, um die Gnade der Einheit zu erflehen«.197 Es bringt Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Kirchen zum Ausdruck. »Das Gebet […] spricht alle in derselben Weise an, den Orient ebenso wie das Abendland. Es wird zu einem Imperativ, der gebiete, Trennungen aufzugeben, um die Einheit zu suchen und wiederzufinden, angespornt gerade auch durch die bitteren Erfahrungen der Spaltung.«198 »Gerade, weil die Suche nach der vollen Einheit eine Glaubensgegenüberstellung zwischen Gläubigen verlangt, die sich auf den einen Herrn berufen, ist das Gebet die Quelle der Erleuchtung über die Wahrheit, die als ganze angenommen werden muss.«199
Ferner schreibt Johannes Paul II., dass sich im Verhältnis der Kirchen zueinander »Kohärenz und Redlichkeit der Absichten und Grundsatzaussagen durch deren Anwendung auf das konkrete Leben erfüllen«.200 Er ermutigte alle »zum Lobpreis und [zur] Danksagung für die von Gott empfangenen Wohltaten«, zu dem »ein lebendiges Gerechtigkeitsgefühl und eine aufrichtige Nächstenliebe« hinzukommen.201 Er nannte auch wichtige Bereiche, in denen Kirchen miteinander kooperieren sollten: »Behebung der geistlichen und leiblichen Not, Förderung der Jugenderziehung, Schaffung menschenwürdiger Verhältnisse im sozialen Leben, Festigung des Friedens«202 sowie Verteidigung der Menschenwürde, Förderung des Friedens als Gut, Anwendung des Evangeliums auf das soziale Leben, Präsenz des christlichen Geistes in Wissenschaft und Kunst, Bekämpfung 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202
UUS Nr. 39. Siehe UUS Nr. 66. UUS Nr. 39. UUS Nr. 66; UR Nr. 21. UUS Nr. 21; UR Nr. 8. UUS Nr. 21; UR Nr. 8. UUS Nr. 65. UUS Nr. 70. UUS Nr. 74. UUS Nr. 74. UUS Nr. 74; UR Nr. 23.
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von Not und Elend, von Hunger und von sozialer Ungerechtigkeit in unserer Zeit sowie Auseinandersetzung mit den Folgen von Katastrophen.203 Dabei geht es Johannes Paul II. nicht nur um »bloße humanitäre Aktion«, sondern um einen Auftrag Christi. Deswegen ermutigt der Papst die Kirchen zur Zusammenarbeit im kirchlichen und im sozialen Bereich. Sie »offenbart den Grad der zwischen ihnen bereits bestehenden Gemeinschaft«.204 Johannes Paul II. ist davon überzeugt, dass das praktische Wirken der Christen und Kirchen »den Wert eines Zeugnisses gewinnt, das vor der Welt gemeinsam im Namen des Herrn abgelegt wird. Es nimmt auch die Dimension einer Verkündigung an, weil es das Antlitz Christi enthüllt«,205 und dass »die noch bestehenden gegensätzlichen Auffassungen in der Lehre einen negativen Einfluss ausüben und der Zusammenarbeit Grenzen setzen«.206 Gleichzeitig »bietet jedoch die bereits zwischen Christen bestehende Glaubensgemeinschaft nicht nur für ihre gemeinsame Tätigkeit auf sozialem Gebiet eine solide Grundlage, sondern auch im religiösen Bereich«.207 Sowohl der Dialog der Kirchen über Lehrfragen als auch ihre immer enger werdende Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens führen zur vollen Einheit in der Kirche Christi. Sie wecken auch eine Sehnsucht nach der Gemeinschaft am Tisch des Herrn. In der Enzyklika Ut unum sint erinnerte Johannes Paul II. an eine Begebenheit aus seiner apostolischen Reise nach Finnland und Schweden: »Bei der Kommunion präsentierten sich die lutherischen Bischöfe dem Zelebranten. Sie wollten mit einer einvernehmlichen Geste ihren sehnlichen Wunsch nach Erreichung des Zeitpunkts bekunden, an dem wir, Katholiken und Lutheraner, an derselben Eucharistie werden teilnehmen können, und sie wollten den Segen des Zelebranten empfangen. Voll Liebe habe ich sie gesegnet.«208
In den Augen des Papstes war das eine »bedeutungsreiche Geste«,209 die später in Rom während der Eucharistiefeier, die Johannes Paul II. auf der Piazza Farnese im Jahr 1991 veranstaltete, wiederholt wurde.210 Nachdem Johannes Paul II. die Bedeutung Luthers und seines Werkes in der katholischen Kirche in den Fokus gerückt hatte, ermutigte er zum Dialog zwischen den Kirchen. Er hob all das hervor, was die katholische Tradition mit der Person und dem Erbe Luthers verbindet, ohne die trennenden Aspekte aus dem Blickfeld zu verlieren, die weiterhin Bestand haben. Mutig riss er die zwischen 203 204 205 206 207 208 209 210
UUS Nr. 74. UUS Nr. 75. Ebenda. Ebenda. Ebenda. UUS Nr. 72. UUS Nr. 72. Siehe UUS Nr. 72.
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den Kirchen bestehenden Mauern nieder und folgte den ökumenischen Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils. In Luther und seiner Tradition erkannte er einen großen geistlichen Reichtum, der zum apostolischen Erbe gehört. Mit seinem Wirken bereitete er seinen Nachfolgern Benedikt XVI. – dem Papst aus dem Lande Luthers – und Franziskus den ökumenischen Boden für ihre weitere Arbeit an der Einheit der Kirchen.
3.
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Nachfolger von Johannes Paul II. auf dem Stuhl Petri wurde sein langjähriger und engster Mitarbeiter Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI.). In den Jahren 1962– 1965 war er beim Zweiten Vatikanischen Konzil theologischer Berater des Kölner Erzbischofs Joseph Frings. Im Konzil galt er als entschiedener Reformator. Er leistete einen bedeutenden Beitrag zur Ausarbeitung zahlreicher Dokumente des Konzils. Dazu gehören die dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, das Dekret zum Ökumenismus Unitatis Redintegratio, die Erklärung zur Religionsfreiheit Dignitatis humanae, die Erklärung zum Verhältnis der Kirche zu nichtchristlichen Religionen Nostra aetate und das Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes. Kurz nach dem Konklave bezeichnete er in Fortführung des ökumenischen Werkes von Johannes Paul II. den Ökumenismus als vorrangige Aufgabe und Imperativ seines Pontifikats. In seiner ersten Botschaft vom 20. April 2005 sprach er zu den in der Sixtinischen Kapelle versammelten Kardinälen: »Genährt und gestützt von der Eucharistie werden sich die Katholiken ganz selbstverständlich zum Streben nach jener vollen Einheit angespornt fühlen, die Christus im Abendmahlssaal so innig gewünscht hat. Der Nachfolger Petri weiß, dass er dieses tiefe Verlangen des göttlichen Meisters in ganz besonderer Weise auf sich nehmen muss. Denn ihm ist die Aufgabe übertragen, die Brüder zu stärken (siehe Luk 22,23). Zu Beginn seines Amtes in der Kirche von Rom, die Petrus mit seinem Blut getränkt hat, übernimmt sein jetziger Nachfolger ganz bewusst als seine vorrangige Verpflichtung und Aufgabe, mit allen Kräften an der Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Einheit aller Jünger Christi zu arbeiten.«211
Seit Beginn seines Pontifikats erklärte Benedikt XVI. seine ökumenische Offenheit und den Willen, gute Beziehungen zu allen christlichen Kirchen und
211 Benedikt XVI., Erste Botschaft bei der Eucharistiefeier mit den wahlberechtigten Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle (20. 04. 2005), Nr. 5, http://www.vatican.va/content/benedict-xvi /de/messages/pont-messages/2005/documents/hf_ben-xvi_mes_20050420_missa-pro-eccle sia.html (17. 10. 2018).
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Gemeinschaften zu pflegen.212 Seine positive Zusammenarbeit mit den Ostkirchen trug zahlreiche Früchte. Eine davon war die Verbesserung der Beziehungen zum Moskauer Patriarchat.213 Ende 2006 besuchte Benedikt XVI. die Türkei, wo er mit dem ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. zusammentraf. In einer gemeinsamen Erklärung äußerten der Papst und der Patriarch den Willen zu weiteren Fortschritten bei der Annäherung zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche.214 Das wichtigste Feld für die ökumenischen Aktivitäten von Joseph Ratzinger – insbesondere vor seiner Wahl auf den Stuhl Petri – umfasste die Beziehungen zur protestantischen Welt. Aus den zahlreichen Arbeiten Joseph Ratzingers/ Benedikts XVI. geht hervor, dass er die reformatorische Tradition, insbesondere die Theologie Martin Luthers, sehr gut kennt.215 Am meisten schätzt und respektiert er daran die Tatsache, »dass sich die Theologie Luthers und sein Weg in Sachen Kirche auf eine persönliche Begegnung mit Gott und nicht auf Konstrukte stützen, die am Schreibtisch erdacht wurden«.216 Am deutlichsten brachte Papst Benedikt XVI. diese Überzeugung in seiner Ansprache im Versammlungssaal des Augustinerklosters in Erfurt am 23. 09. 2011 während der Begegnung mit Vertretern des Rates der EKD zum Ausdruck.217 Bei dieser Gelegenheit sagte er u. a.: »Und auf diesem Weg ging es ihm [Luther – Z. G.] ja nicht um dieses oder jenes. Was ihn umtrieb, war die Frage nach Gott, die die tiefe Triebfeder seiner Leidenschaft und seines Lebens und seines Weges gewesen ist.«218 Dabei stellte sich der Papst selbst folgende berühmte Frage, die er in seiner Ansprache
212 Siehe P. Hünermann, Th. Söding, Einführung, in: J. Ratzinger/Benedikt XVI., Wort Gottes. Schrift – Tradition – Amt, Hg. P. Hünermann, Th. Söding, Freiburg i. Br. – Basel – Wien (Herder) 2005, S. 9–11. 213 Siehe N. Spuntoni, Vaticano e Russia nell’era Ratzinger, Todi (Tau) 2019. 214 Siehe Benedikt XVI., Bartholomaios I., Gemeinsame Erklärung von Papst Benedikt XVI. und Patriarch Bartholomaios I. (30. 11. 2006), http://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/s peeches/2006/november/documents/hf_ben-xvi_spe_20061130_dichiarazione-comune.ht ml (17. 04. 2019); J. Tofiluk, Co deklaracja Benedykta XVI i Bartłomieja I znaczy dla prawosławnych? Rozmowa z ks. J. Tofilukiem, prawosławnym duchownym, doktorem teologii, rektorem Prawosławnego Seminarium Duchownego w Warszawie, przeprowadzona przez K. Wis´niewska˛, http://wyborcza.pl/1,86756,3765622.html (12. 04. 2016). 215 Z. Glaeser, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y po Soborze Watykan´skim II, S. 135–138. Siehe J. Ratzinger, Kirche, Ökumene und Politik. Neue Versuche zur Ekklesiologie, Einsiedeln 1987, S. 97–115. 216 T. Rowland, Ratzinger’s faith: the Theology of Pope Benedict XVI, Oxford – New York 2008. 217 Benedikt XVI., Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (Erfurt, 23. 09. 2011), http://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de /speeches/2011/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20110923_evangelical-church-erfur t.html (14. 10. 2019). 218 Benedikt XVI., In Gott ist unsere Zukunft. Ansprachen & Predigten während seines Besuchs in Deutschland, Leipzig 2011, S. 63.
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zweimal wiederholte: »Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?«219 Das – kommentierte Benedikt XVI. – »hat ihn ins Herz getroffen und stand hinter all seinem theologischen Ringen und Suchen. Theologie war für Luther keine akademische Angelegenheit, sondern das Ringen um sich selbst, und dies wiederum war ein Ringen um Gott und mit Gott. […] Dass diese Frage die Triebfeder seines ganzen Weges war, trifft mich immer wieder ins Herz«.220
Am 10. Februar 2009 empfing Benedikt XVI. eine Delegation der evangelischlutherischen Kirche in Amerika mit ihrem Vorsitzenden, Bischof Mark Hanson, der zugleich Präsident des Lutherischen Weltbundes war. Bei diesem Anlass äußerte Benedikt XVI. seine Hoffnung darauf, dass der lutherisch-katholische Dialog, so wie bisher, zur Einheit beitragen wird. Er betonte die Bedeutung sowohl der geistlichen Ökumene auf dem Fundament Christi als auch des unermüdlichen Gebets für das Entdecken und den Aufbau einer vollen sichtbaren Einheit in der Kirche Christi.221 Ein wichtiges ökumenisches Zeichen für die Schaffung von positiven katholisch-lutherischen Beziehungen setzte Benedikt XVI. mit seinem Besuch (14. 03. 2010) bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom. Das Treffen fand in der Christuskirche statt, also an dem Ort, den im Jahr 1983 bereits Papst Johannes Paul II. besuchte. Benedikt XVI. nahm an einem ökumenischen Gottesdienst teil. In seiner Ansprache sagte er, dass die Trennungen, die zwischen den Kirchen bestehen, die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses in Frage stellen, das sie vor der Welt ablegen sollen. Er erinnerte auch daran, dass die Suche nach der Einheit in der Nachfolge Christi erfolgen soll, der das Kreuz mit der Bereitschaft trug, die Gnade Gottes empfangen zu wollen. Er sagte ferner, dass allein Gott die Christen zur vollen Einheit führen kann, und ermutigte alle, der Gnade Gottes in den Bemühungen um die Gemeinschaft in der Eucharistie zu vertrauen.222 Benedikt XVI. traf sich auch mit der Delegation der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) (24. 01. 2011), an deren Spitze Bischof Friedrich Weber stand, der Rom zum Abschluss der Gebetswoche für die Einheit der Christen besuchte. Anlass für diesen Besuch war der 500. Jahrestag der Ankunft Martin Luthers in der Ewigen Stadt. In seiner Ansprache ging der Papst auf den laufenden Dialog und auf die damit verbundenen Schwierigkeiten ein. Als solche nannte er die unterschiedlichen Konzepte für die Einheit der 219 Ebenda. 220 Ebenda. 221 Benedikt XVI., Ansprache von Benedikt XVI. an eine Delegation der evangelisch-lutherischen Kirche in Amerika (10.02. 2010), http://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/20 10/february/documents/hf_ben-xvi_spe_20100210_lutheran-church-usa.html (10. 01.2020). 222 Siehe Pope’s Visit to the Evangelical-Lutheran Church in Rome 14 March 2010. Discourse of the Holy Father, »Information Service« 134 (2010) 11, S. 40–41.
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Kirchen und die mangelnde Rezeption der Ergebnisse der bisherigen ökumenischen Arbeiten, insbesondere im Hinblick auf das Verständnis von Kirche und ihrem Dienst. Trotzdem, sagte Benedikt XVI., schaue er weiterhin hoffnungsvoll in die Zukunft. Zwar behindere die Spaltung die volle Verwirklichung der Katholizität im Leben der Kirche, doch solle man weiterhin darauf vertrauen, dass der ökumenische Dialog unter der Führung des Heiligen Geistes helfen wird, alle Konflikte zu überwinden. Nach Auffassung des Papstes unterstützt der ökumenische Dialog dabei, Antworten auf die noch offenen Fragen zu finden, die als Hindernis auf dem Weg zur vollen Einheit zwischen Katholiken und Lutheranern stehen und schließlich auch das gemeinsame Feiern der Eucharistie als Sakrament der christlichen Einheit ermöglichen.223 Bei demselben Anlass brachte Benedikt XVI. auch seine Genugtuung über den in Deutschland laufenden Dialog zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD zum Ausdruck. Themen dieser Gespräche waren bisher neben dem menschlichen Leben auch die Familie, die Ehe und die Sexualität – also jene, die (nach Meinung des Papstes) nicht verschwiegen bzw. tabuisiert werden dürfen mit der Absicht, den bisherigen ökumenischen Konsens nicht zu gefährden. In seiner Ansprache ging Benedikt XVI. auch auf die 500-Jahr-Feier der Reformation im Jahr 2017 ein und stellte fest, dass dieser Anlass für Katholiken und Evangelische eine Möglichkeit sein wird, gemeinsam und ökumenisch zu feiern. Wichtig werden dabei das an Christus gerichtete Gebet um Vergebung des einander zugefügten Unrechts und die Schuld sein, die beide Seiten durch die Spaltung der Christen auf sich genommen haben.224 Wichtige Impulse Benedikts XVI. für den Aufbau von guten katholisch-lutherischen Beziehungen finden sich auch in seinen Ansprachen an die Mitglieder der ökumenischen Delegation aus Finnland, die nach Rom zum Fest des Heiligen Heinrichs – Bischof von Uppsala und Patron Finnlands – gekommen ist. Bei seinen Treffen mit ihnen sprach der Papst über seine Freude, die ihm die zunehmend besseren Beziehungen zwischen Katholiken und Lutheranern bei dem Streben nach einer gemeinsamen Zeugenschaft Christi bereiteten. Er wies auf ethische Fragen hin (die Natur des Menschen und seine Würde), die Christen beider Denominationen voneinander unterscheiden, sowie auf die notwendige Suche nach tieferen Gemeinsamkeiten bei anthropologisch-ethischen Fragestellungen. Der Papst sprach auch davon, dass man den Weg zur vollen und sichtbaren Einheit in der Kirche Christi mit Geduld sowie im Vertrauen und im
223 Benedikt XVI., Ansprache von Benedikt XVI. bei der Sonderaudienz für die Delegation der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) (24. 01. 2011), http:// www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2011/january/documents/hf_ben-xvi_s pe_20110124_chiesa-evang-luter.html (10. 01. 2020). 224 Siehe ebenda.
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Glauben daran gehen sollte, dass die Vereinigung aller Christen in einer Kirche keine menschliche Errungenschaft, sondern ein Geschenk Gottes ist.225 Von besonderer Bedeutung waren Aussagen Benedikts XVI. über Luther und sein Werk während seiner Reisen nach Deutschland, also in ihre gemeinsame Heimat. Die erste fand im Zusammenhang mit dem Weltjugendtag in Köln statt (18.–21. 08. 2005). Dort stellte Benedikt XVI. fest, dass Deutschland im ökumenischen Dialog eine besondere Rolle spielt, denn es ist das Ursprungsland der Reformation und eines jener Länder, von denen die ökumenische Bewegung ausging. Er erklärte auch seine Bereitschaft, bezüglich der Ökumene dem Weg seiner Vorgänger (Paul VI. und Johannes Paul II.) folgen zu wollen.226 Mit Freude stellte Benedikt XVI. zudem fest, dass die geschwisterlichen Gefühle, die nun Katholiken und Evangelische verbinden, ein wichtiges Ergebnis des miteinander geführten Dialogs seien, den es fortzusetzen gilt. Diese Geschwisterlichkeit hat ihre Wurzeln in der einen Taufe, die alle in den einen Leib Christi einfügt. Beide Traditionen bekennen gemeinsam ihren Glauben an Jesus Christus als Gott und Herrn, als einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, und fühlen sich ihm zugehörig. Als wichtige Frucht des katholisch-lutherischen Dialogs gilt nach den Worten von Benedikt XVI. weiterhin die Gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigungslehre.227 Im Hinblick auf die Perspektiven für den künftigen Dialog erinnerte der Papst an die von vielen geteilte Meinung, wonach man im Zuge der Rechtfertigungslehre nun bei ekklesiologischen Fragen und der Klärung des Amtes angelangt sei. Diese Auffassung »liebe« er jedoch nicht, denn dadurch könnte man den Eindruck erwecken, dass »wir nun über Institutionen und nicht mehr über das Wort Gottes streiten müssten, als ob wir nun unsere gebauten Institutionen beleuchten und um sie streiten müssten«.228 Seiner Ansicht nach ist das Problem jedoch ein anderes und die wichtigste Frage »ist die [nach] der Weise der Gegenwart des Wortes Gottes in der Welt«. Dabei erinnerte er an die Entscheidungen der alten Kirche, die »den Kanon der Heiligen Schrift festgelegt, die apostolische Sukzession, das Bischofsamt in dem Wissen darüber formuliert hat, dass Wort und Zeuge zueinander gehören,
225 Siehe Benedikt XVI., Ansprache von Benedikt XVI. an eine ökumenische Delegation aus Finnland, http://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2006/january/documen ts/hf_ben-xvi_spe_20060119_delegation-finland.html (12. 01. 2020). 226 Siehe Benedikt XVI., Apostolische Reise nach Köln anlässlich des XX. Weltjugendtages. Ökumenisches Treffen im erzbischöflichen Sitz in Köln. Ansprache von Benedikt XVI. (19. 08. 2005), http://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2005/august/documents/hf _ben-xvi_spe_20050819_ecumenical-meeting.html (17. 12. 2019). 227 Siehe ebenda. 228 Ebenda.
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dass also das Wort nur durch den Zeugen lebendig gegenwärtig ist und auch sozusagen seine Auslegung empfängt«.229
Der Zeuge wiederum, sagte der Papst weiter, ist nur Zeuge, wenn er Zeuge für das Wort ist.230 Eine weitere Entscheidung, welche von der alten Kirche getroffen wurde, ist der Auslegungsschlüssel in der Form der Regula Fidei. Benedikt XVI. stellte fest, dass dieses »Ineinander« bei den ökumenischen Beziehungen strittig ist. Wenn man über die Ekklesiologie und über das Amt spreche, sollte man »lieber über diese Verflechtung von Wort und Zeuge und Glaubensregel sprechen und sie als die ekklesiologische Frage und damit zugleich als die Frage des Gotteswortes, seiner Souveränität und seiner Demut ansehen, in der der Herr es auch den Zeugen anvertraut und Auslegung gewährt, die sich freilich immer an der ›regula fidei‹ und am Ernst des Wortes selbst zu messen hat«.231
Als dringendste Aufgaben für den ökumenischen Dialog sieht der Papst eine gemeinsame Suche nach Antworten auf ethische Fragen und ein gemeinsames Zeugnis in dieser Materie. Er erinnerte daran, dass »die katholische Kirche das Erreichen der vollen sichtbaren Einheit der Jünger Christi will« und dass diese Einheit in der katholischen Kirche besteht (subsistit). Er fügte aber auch hinzu, dass die Einheit keinen »Rückkehr-Ökumenismus« bedeute, in dem die eigene Glaubensgeschichte geleugnet und abgelegt werden müsste. Sie bedeute zudem keine Uniformität der Ausdrucksformen der Theologie und Spiritualität – sowohl in den liturgischen Formen als auch in der Disziplin. Vielmehr sei sie eine »Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit«. Der Papst erinnerte diesbezüglich an seine eigenen Worte, wonach »die volle Einheit und wahre Katholizität im ursprünglichsten Sinn des Wortes zusammengehen. Die notwendige Bedingung, damit dieses Miteinander sich verwirklichen kann, ist, dass der Einsatz für die Einheit ständig geläutert und erneuert wird, dass er beständig wächst und reift. Dazu kann der Dialog beitragen, er ist mehr als nur ein Gedankenaustausch, als akademisches Unterfangen: er ist ein Austausch von Gaben. […] Er soll sich in einer Atmosphäre wahrhaftiger Spiritualität entfalten«.232
Der Papst sprach auch über die Bedeutung des geistlichen Ökumenismus für den Prozess einer ekklesialen Integration. Nur so werde man die Einheit als Geschenk des Heiligen Geistes empfangen können. Die beste Form des Ökumenismus ist ein Leben nach dem Evangelium. Benedikt XVI. brachte darüber hinaus seine Freude über das »geistliche Netzwerk« zum Ausdruck, das Christen verschiedener Konfessionen miteinan229 230 231 232
Ebenda. Siehe ebenda. Ebenda. Siehe ebenda.
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der verbindet. Dadurch können sie eins werden im gemeinsamen Gebet, im Nachdenken über das Leben, im Reinigen der Erinnerung und in der Nächstenliebe.233 Während seiner dritten apostolischen Reise nach Deutschland kam der Papst im früheren Augustinerkloster in Erfurt mit den Mitgliedern des Rates der EKD zusammen (23. 09. 2011). Dieses Kloster, stellte er dabei fest, sei ein besonderer Ort, denn hier studierte Martin Luther und hier feierte er seine erste Messe. Er ging auf Luthers Leben ein und sagte, dass Theologie für ihn »ein inneres Ringen mit sich selbst und mit Gott war«. Seine Spiritualität bezeichnete der Papst als durchaus christologisch und sagte, die Frage, »was Christum treibet«, war für Luther der entscheidende Maßstab bei der Auslegung der Heiligen Schrift. Das heißt (so der Papst), dass Christus die Mitte unserer Spiritualität ist und dass die Liebe zu ihm bzw. das Leben mit ihm unser Leben bestimmt. Nach Auffassung des Papstes dürfe der Ökumenismus unter dem »Druck des Säkularismus« die großen Gemeinsamkeiten, die Christen miteinander verbinden, nicht verlieren, sie sind Gabe und Auftrag zugleich.234 Als historischen Fehler bezeichnete Benedikt XVI., dass man vor allem das Trennende hervorgehoben hatte und dabei »existenziell« nicht wahrgenommen hatte, was beide Traditionen mit den Vorgaben der Heiligen Schrift und der altkirchlichen Bekenntnisse gemeinsam haben. Demgegenüber wertete er als großen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte, dass man sich dieser Gemeinsamkeiten bewusst geworden ist und dass man sie »im gemeinsamen Beten und Singen, im gemeinsamen Auftreten für das christliche Ethos der Welt gegenüber, im gemeinsamen Zeugnis für den Gott Jesu Christi in dieser Welt als gemeinsame, unverlierbare Aufgabe erkennt«. Der Papst sagte ferner, dass ähnlich wie die Märtyrer der Nazizeit die beide Kirchen zueinander geführt und die erste große ökumenische Öffnung bewirkt haben, so ist auch heute der Glaube die größte ökumenische Kraft, »die uns zueinander führt, der Einheit in dem einen Herrn entgegen«.235 Als wichtige ökumenische Geste und Zeichen der Wertschätzung Benedikts XVI. Luther gegenüber wurde das Verlesen von Psalm 146 in Luthers Übersetzung während eines gemeinsamen Gottesdienstes gewertet (Erfurt, am 23. 09. 2011). Bei diesem Anlass erinnerte der Papst auch daran, dass sich im Gebet Jesu, in dem er für seine Jünger bittet und auch für die, die »durch ihr Wort 233 Siehe ebenda. 234 Siehe Benedikt XVI., Begegnung mit Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ansprache von Papst Benedikt XVI. (23. 09. 2011), http://www.vatican.va/con tent/benedict-xvi/de/speeches/2011/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20110923_eva ngelical-church-erfurt.html (17. 01. 2020). 235 Siehe ebenda. Siehe ebenda.
»Auf der Suche nach dem gnädigen Gott«
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an mich glauben werden« (Joh 17,20), »der innere Ort« der Einheit verbirgt. Sie ist nur dann möglich, wenn sich Christen im Lichte des hohepriesterlichen Gebets sehen werden. »Deshalb« – sagte der Papst weiter – »sollten wir […] nicht nur die Trennungen und Spaltungen beklagen, sondern Gott für alles danken, was er uns an Einheit erhalten hat und immer neu schenkt«.236 »Die grundlegende Einheit«, erinnerte er zudem, »besteht darin, dass wir an Gott, den Allmächtigen, den Vater, den Schöpfer von Himmel und Erde glauben«, und darin, dass wir »Ihn als den Dreifaltigen bekennen. Der erste ökumenische Dienst muss es sein, […] gemeinsam die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bezeugen«.237 Benedikt XVI. betrachtet Luther auf eine sehr ausgewogene Art: Er nimmt seine Radikalität wahr und scheut nicht, sie zu benennen. Im Kontext der Welt findet er im Protestantismus die Möglichkeit besonders interessant, die Natur der Moderne tiefer zu ergründen.238 In seinem Bericht Zur Lage des Glaubens lesen wir: »[…] Der Protestantismus ist in der beginnenden Neuzeit entstanden und ist so mit den inneren Kräften, die die Neuzeit hervorgebracht haben, viel enger verwandt als der Katholizismus. […] Es ist seine Chance und seine Gefahr, dass er dem neuzeitlichen Denken weit offensteht. So kann gerade bei katholischen Theologen, die mit der herkömmlichen Theologie nichts mehr anzufangen wissen, die Meinung entstehen, hier seien die richtigen Wege für die Verschmelzung von Glaube und Modernität schon vorgebahnt. […] Der heutige Durchschnittschrist entnimmt diesem Prinzip, dass der Glaube aus der individuellen Anschauung, aus der intellektuellen Beschäftigung und aus dem Beitrag des Fachmanns hervorgeht, und eine solche Auffassung erscheint ihm moderner und einleuchtender als die katholischen Positionen.«239
Benedikt XVI. ist davon überzeugt, dass »wir als Christen eine gemeinsame Basis finden müssen; wir müssen als Christen imstande sein, in dieser Zeit eine gemeinsame Stimme zu den großen Fragen zu haben und Christus als den lebendigen Gott zu bezeugen. Die volle Einheit können wir in absehbarer Zeit nicht bewerkstelligen, aber tun wir, was möglich ist, um wirklich als Christen in dieser Welt gemeinsam einen Auftrag zu erfüllen, ein Zeugnis zu geben«.240
236 Siehe ebenda. 237 Siehe Benedikt XVI., Ökumenischer Gottesdienst. Ansprache von Papst Benedikt XVI. (23. 09. 2011), http://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2011/september/document s/hf_ben-xvi_spe_20110923_augustinian-convent-erfurt.html (17. 01. 2020). 238 J. Szymik, Najgłe˛bsze pragnienie Boskiego Nauczyciela. Ekumenizm według J. Ratzingera/ Benedykta XVI, »Studia Oecumenica« 13 (2013), S. 81. 239 Siehe Benedikt XVI., Zur Lage des Glaubens: Gespräch mit Vittorio Messori, übers. von G. Zöhrer, München – Zürich – Wien 1986, S. 164–165. 240 Benedikt XVI., Licht der Welt. Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit (ein Gespräch mit Peter Seewald), Freiburg i. Br. – Basel – Wien 2012, S. 120.
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Die ökumenischen Impulse der Vorgänger
Der Dienst von Papst Franziskus in der Nachfolge Petri schließt an den vom Konzil abgesteckten Weg der Erneuerung der Kirche an, der von seinen Vorgängern konsequent beschritten wurde. Seine klare Priorität liegt im Ökumenismus. Die Vertiefung der ökumenischen Beziehungen zu den Kirchen des christlichen Ostens scheint natürlich zu sein, vor allem aufgrund der doktrinalen Nähe zwischen ihnen und der römisch-katholischen Kirche und wegen der wechselseitigen Anerkennung des Amtes. Entschieden größere Schwierigkeiten gab es dagegen bei der Interpretation Martin Luthers und seines Werkes. Seit der Reformation bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil dominierte darin ein eher polemischer Ton und die Kontakte, wenn es sie überhaupt gab, besaßen einen inoffiziellen und privaten Charakter. Erst das »ökumenische Programm«, ausgearbeitet durch das Zweite Vatikanische Konzil und konsequent umgesetzt von den konziliaren bzw. nachkonziliaren Päpsten, offenbarte ungewohnte Möglichkeiten und Herausforderungen im Hinblick auf eine Neubewertung Luthers und seines Werkes. Johannes XXIII. und Paul VI. schufen eine neue Atmosphäre für den Aufbau von Beziehungen zwischen den Kirchen. Johannes Paul II. hatte wiederum Barrieren überwunden, die bis dahin Katholiken und Lutheraner mental voneinander trennten. Als erster Papst besuchte er eine lutherische Kirche, sprach den Namen des Reformators aus und unternahm den Versuch, ihn völlig neu zu verstehen. Benedikt XVI., der Papst aus dem Land der Reformation, bemühte sich um eine Vertiefung der positiven Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Kirchen der protestantischen Tradition. Ähnlich wie Johannes Paul II. wies auch er darauf hin, was beide großen christlichen Kirchen verbindet, verschwieg aber dabei nicht, was sie immer noch voneinander trennt. Er stellte bahnbrechende Fragen und definierte Probleme, die es zu klären galt. Bei den wichtigsten von ihnen ging es um die Rolle der Kirche im Werk der Erlösung, um ihre Mittlerrolle bei der Übermittlung der Gnade Gottes, um die Sakramentenlehre und das Mitwirken der menschlichen Wirklichkeit am Werk der Erlösung, um das Amtsverständnis, also die Beziehung zwischen dem sakramentalen Charakter der Kirche und ihrem Amt, sowie um das Verhältnis zwischen dem Dienst und der Eucharistie. Zu den offenen Fragen, die einer Klärung bedürfen, gehören auch moralische Aspekte. Das Werk seiner Vorgänger setzt Papst Franziskus spontan und konsequent fort: Er fördert den katholisch-lutherischen Dialog auf dem Fundament der Wahrheit und der gegenseitigen Achtung. Er versucht, auf verschiedene Weise die guten Relationen zwischen beiden Traditionen zu vertiefen, was besonderen Ausdruck im »pastoralen Zeugnis« fand, auf dem er seine ökumenische Pädagogik aufbaute.
Kapitel III: Das pastorale Zeugnis
Eine vorrangige Bedeutung beim Aufbau von ökumenischen Beziehungen zwischen Katholiken und Lutheranern kommt der aktiven Beteiligung des Bischofs von Rom an diesem Prozess zu. Papst Franziskus gibt nicht nur die Richtung für das ökumenische Programm der Kirche vor, sondern wird zur führenden Kraft bei dessen Umsetzung. Er ermutigt Christen und alle Menschen guten Willens, sich am Aufbau der Einheit der Kirche und der Welt zu beteiligen. Er setzt den ökumenischen Weg von seinen Vorgängern, insbesondere von Johannes Paul II. und Benedikt XVI., fort und setzt sich für die Einheit der Katholiken, der Erben Luthers und der gesamten Menschheit sowie für den Weltfrieden ein. Er fördert ökumenische Initiativen, die zum Ziel haben, Martin Luther und sein Werk neu zu verstehen. Das alles vollzieht Papst Franziskus im pastoralen Bereich. Besonders akzentuiert er die Notwendigkeit der Bekehrung zu Christus, der Öffnung für das Wirken des Heiligen Geistes, des unermüdlichen gemeinsamen Gebets, des Zusammenwirkens in unterschiedlichen Lebensbereichen – insbesondere beim Einsatz für Arme und Ausgegrenzte sowie bei der Schaffung eines dauerhaften Weltfriedens –, der Bekämpfung des Klimawandels und der Verbesserung der Flüchtlingshilfe. So legt er ein pastorales Zeugnis über sein Engagement zugunsten einer Gemeinschaft von Christen und Menschen guten Willens ab.
1.
Die 500-Jahr-Feier der Reformation
Eine bedeutende ökumenische Geste von Papst Franziskus war, wie oben bereits erwähnt, seine aktive Teilnahme an der feierlichen Eröffnung des Reformationsjubiläums241 am 31. Oktober 2016 im schwedischen Lund.242 Dieses Ereignis 241 Siehe J. Samiec, Obchody 500-lecia Reformacji najwaz˙niejszym wydarzeniem 2017 r., https://d eon.pl/bp/samiec/obchody/500/lecia/reformacji/najwazniejszym/wydarzeniem/2017/r.463376 (25. 01. 2020).
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Das pastorale Zeugnis
inaugurierte ein umfassendes und gemeinsames Gebet um Einheit. Es stieß auf breites, wenngleich uneinheitliches Interesse, und zwar nicht nur unter den Katholiken in Deutschland, sondern auch in Polen,243 und läutete den Beginn einer neuen Etappe der Bewertung der Reformation und der Person Martin Luthers auf der Grundlage neuer Paradigmen ein.244 Eines davon besteht in der Ablehnung von Vorurteilen und Stereotypen im wechselseitigen Verhältnis. Diese haben historische Wurzeln und sind auch psychologisch bzw. kulturell bedingt, weshalb ihre Überwindung so schwerfällt.245 Ein weiteres ist die ehrliche und quellengestützte Bewertung der handelnden Personen und der Ereignisse vor 500 Jahren. Dies alles soll zu einer allmählichen Reinigung der Erinnerung führen, um in Wahrheit vor Gott, die Mitmenschen und die eigene Kirche treten zu können. Dabei kann die Wahrheit nur durch die Anerkennung der Schuld an der Spaltung durch beide Seiten und durch gemeinsame reinigende Buße erreicht werden. Nur so kann man sich selbst und die eigene Kirche verstehen, was schließlich zur Wiederherstellung der vollständigen sichtbaren Einheit in der Kirche Christi führen soll.246 In Lund unterzeichneten Papst Franziskus und der Präsident des Lutherischen Weltbundes Bischof Munib Younan eine Gemeinsame Erklärung anläss242 Franziskus, Homilie, gehalten während des gemeinsamen ökumenischen Gebets in der lutherischen Kathedrale von Lund, (31. 10. 2016), http://www.vatican.va/content/francesco/de /homilies/2016/documents/papa-francesco_20161031_omelia-svezia-lund.html (17. 07. 2019) [ferner = Franziskus, Homilie in Lund]. 243 In der deutschen Presse erschienen zahlreiche positive Berichte. In Polen dagegen überwogen mehrheitlich negative bzw. eher vorsichtige Kommentare über die Teilnahme von Papst Franziskus am Reformationsjubiläum. Bei der Antwort auf die Frage, warum deutsche und polnische Katholiken die Anwesenheit von Papst Franziskus in Lund so unterschiedlich (oder zumindest teilweise unterschiedlich) bewerten, muss die konfessionelle Situation in beiden Ländern berücksichtigt werden. In Deutschland bilden Katholiken und Lutheraner zwei zahlenmäßig vergleichbare Gemeinschaften, während in Polen Katholiken eine große Mehrheit darstellen und die Protestanten zur Minderheit gehören. Obwohl die Geschichte der Kontakte zwischen den Kirchen in beiden Ländern vergleichbar lange ist (die Reformation erreichte Polen nach relativ kurzer Zeit), so ist doch ihre Intensität entschieden anders. In Polen hat sich die Wahrnehmung der Angehörigen anderer christlicher Traditionen »als Brüder im Glauben« nicht unbedingt durchgesetzt. Siehe dazu E. KucharskaDreiß, W. Przyczyna, Reakcje katolików w Niemczech i w Polsce na udział papiez˙a Franciszka w rozpocze˛ciu obchodów 500-lecia reformacji w Szwecji, »Poznan´skie Studia Polonistyczne. Seria Je˛zykoznawcza« 25 (2018), Nr. 2, S. 173–188. Vgl. T. Królak, 500 lat Reformacji – czy jest co ´swie˛towac´?, http://www.opoka.org.pl/biblioteka/P/PR/pk201644?reforma cja?html (07. 02. 2020); T. P. Terlikowski, Kolejna zaskakuja˛ca decyzja papiez˙a. S´wie˛towanie reformacji w Szwecji, http://www.fronda.pl/a/terlikowski/kolejnazaskakujaca/decyzja/papie za/swietowanie/reformacji/w/szwecji.64684.html (07. 02. 2020). 244 Siehe Z. Glaeser, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y po Soborze Watykan´skim II, S. 162–171. 245 Vgl. M. Kofta, A. Jasin´ska-Kania, Stereotypy i uprzedzenia. Uwarunkowania psychologiczne i kulturowe, Warszawa 2001. 246 Franziskus, Homilie in Lund.
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lich des Reformationsgedenkens. In der Präambel wurde Gott die frohe Dankbarkeit für das gemeinsame Gebet in der Kathedrale von Lund dargebracht.247 Es wurde auch betont, dass »50 Jahre ununterbrochener und fruchtbarer Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern uns geholfen haben, viele Unterschiede zu überwinden, und unser gegenseitiges Verständnis und Vertrauen vertieft haben«.248 Ferner stellten die Unterzeichner fest: »Gleichzeitig sind wir einander durch gemeinsame Dienste an unseren Menschen, oft in Situationen von Leid und Verfolgung, nähergekommen. Durch Dialog und gemeinsames Zeugnis sind wir nicht länger Fremde. Vielmehr haben wir gelernt, dass das uns Verbindende größer ist als das Trennende.«249
Beide Seiten bekannten sich aufrichtig zu ihrer Schuld für die Konflikte zwischen den Kirchen im Laufe der Jahrhunderte und vor allem für die Verletzung der kirchlichen Einheit: »Während wir eine tiefe Dankbarkeit empfinden für die geistlichen und theologischen Gaben, die wir durch die Reformation empfangen haben, bekennen und beklagen wir vor Christus zugleich, dass Lutheraner und Katholiken die sichtbare Einheit der Kirche verwundet haben. Theologische Unterschiede wurden von Vorurteilen und Konflikten begleitet und Religion wurde für politische Ziele instrumentalisiert.«250
Man verständigte sich auch darauf, dass »unser gemeinsamer Glaube an Jesus Christus und unsere Taufe […] von uns eine tägliche Umkehr [verlangen], durch die wir die historischen Meinungsverschiedenheiten und Konflikte, die den Dienst der Versöhnung behindern, ablegen«.251 Man verständigte sich somit darauf, dass der Dienst der Einheit eine der Grundpflichten des christlichen Gewissens ist. Das Verhältnis der Kirchen zueinander wird nach den Prinzipien der Gleichheit, Partnerschaft und Achtung vor den Werten anderer kirchlicher Traditionen gestaltet. Dies soll zu einem wahren »Austausch von Gaben« führen, insbesondere in geistiger Hinsicht, und zu einer größeren Wirksamkeit im Werk der Evangelisation. Der Wiederaufbau schwesterlich-brüderlicher ekklesialer Beziehungen fördert eine aufrichtige ökumenische Sensibilität und Zusammenarbeit zwischen den Kirchen. In seiner Predigt in der Kathedrale von Lund hob Franziskus mit Optimismus hervor:
247 Gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes Bischof Munib Younan (Lund, 31. 10. 2016), https://de.catholicnewsagency.com/sto ry/gemeinsame-erklarung-1282 (15. 09. 2019) [ferner = Gemeinsame Erklärung von Lund]. 248 Ebenda. 249 Ebenda. 250 Ebenda. 251 Ebenda.
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Das pastorale Zeugnis
»Wir Katholiken und Lutheraner haben begonnen, auf dem Weg der Versöhnung voranzugehen. Jetzt haben wir im Rahmen des gemeinsamen Gedenkens der Reformation von 1517 eine neue Chance, einen gemeinsamen Weg aufzunehmen, der sich in den letzten 50 Jahren im ökumenischen Dialog zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche gebildet hat. Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden. Wir haben die Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wiedergutzumachen, indem wir Kontroversen und Missverständnisse überwinden, die oft verhindert haben, dass wir einander verstehen konnten.«252
Der Papst rief dazu auf, die Vergangenheit ehrlich zu betrachten und Fehler einzugestehen. Er appellierte auch an die Offenheit für Vergebung, ohne der Versuchung zu erliegen, über die Geschichte zu richten.253 Wichtig sind in seinen Augen Toleranz und ein vorurteilsfreies Streben nach Einheit in versöhnter Vielfalt.254 Diese Themen kehren immer wieder in Franziskus’ Lehre zurück. In der am 25. 01. 2017 während der Vesper zum Abschluss der Gebetswoche um die Einheit der Christen gehaltenen Homilie erinnerte er erneut an die Überwindung von Spaltungen und die Versöhnung der Christenheit. Dabei knüpfte er an das Reformationsjubiläum und die Bedeutung dieses Ereignisses für den gemeinsamen Weg zur Einheit an. Er erklärte: »Dass heute Katholiken und Lutheraner gemeinsam eines Ereignisses gedenken können, das die Christen getrennt hat, und dass sie dies hoffnungsvoll tun, indem sie den Schwerpunkt auf Jesus und sein Werk der Versöhnung setzen, ist ein bemerkenswertes Ziel, das durch Gott und das Gebet im Laufe von fünfzig Jahren gegenseitiger Bekanntschaft und ökumenischen Dialogs erreicht wurde.«255
In der Gemeinsamen Erklärung von Lund riefen Papst Franziskus und der Präsident des Lutherischen Weltbundes Bischof Munib Younan die Angehörigen beider christlichen Traditionen zur Umkehr auf. Sie betonten, dass eine Bekehrung im Evangelium in den gegenseitigen Beziehungen nicht nur möglich, sondern gar geboten ist. Sie ist der grundlegende Aufruf, den Christus an alle Christen richtet, und eines der wichtigsten Mittel auf dem Weg zur Versöhnung zwischen Menschen und Kirchen. Die Unterzeichner der Gemeinsamen Erklärung sind sich bewusst: »Während die Vergangenheit nicht verändert werden kann, kann das, woran man sich erinnert und wie man sich erinnert, verwandelt werden.«256 Dazu bedarf es der inneren Verwandlung der Christen und Kirchen 252 253 254 255
Ebenda. Ebenda. Ebenda. Franziskus, Homilie (50. Gebetswoche für die Einheit der Christen, 25. 01. 2017), http://w2.va tican.va/content/francesco/de/homilies/2017/documents/papa-francesco_20170125_vespri -conversione-san-paolo.html (17. 04. 2017). 256 Gemeinsame Erklärung von Lund.
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sowie ihres gemeinsamen Gebets in Bezug auf »unsere Wunden und Erinnerungen, die den Blick aufeinander verdunkeln«.257 Die innere Wandlung auf dem Fundament des Evangeliums ist zugleich Antwort und Zustimmung des Menschen, dass Gott in ihm durch sein Wort und das Werk Jesu herrschen möge (siehe Joh 17). Somit ist eine Erneuerung des christlichen und kirchlichen Lebens gemäß dem Evangelium eine unabdingbare Voraussetzung für die Einheit. Sie bringt eine besondere Verantwortung gegenüber Gott für die Wahrnehmung oder Vernachlässigung von allen Möglichkeiten zum Ausdruck, die vollständige sichtbare Einheit in der Kirche Christi zu verwirklichen. »Alle Christgläubigen sollen sich bewusst sein, dass sie die Einheit der Christen umso besser fördern, ja sogar einüben, je mehr sie nach einem reinen Leben gemäß dem Evangelium streben. Je inniger die Gemeinschaft ist, die sie mit dem Vater, dem Wort und dem Geist vereint, umso inniger und leichter werden sie imstande sein, die gegenseitige Brüderlichkeit zu vertiefen.«258
Aus diesem Grund war es richtig, sich zu Beginn des Reformationsjubiläums noch einmal darauf zu besinnen, dass das ökumenische Engagement der Christen auf eine besondere Weise mit der ständigen inneren Umkehr verbunden sein muss, »denn aus dem Neuwerden des Geistes, aus der Selbstverleugnung und aus dem freien Strömen der Liebe erwächst und reift das Verlangen nach der Einheit«.259 In der Gemeinsamen Erklärung wurde nachdrücklich »aller vergangener und gegenwärtiger Hass und Gewalt, besonders jene im Namen der Religion« abgelehnt,260 weil man »Gottes Gebot hört, jeden Konflikt beizulegen«.261 Gemeinsam erkannte man auch, »dass wir durch Gnade befreit sind, uns zur Gemeinschaft hin zu begeben, zu der Gott uns beständig ruft«.262 Es gilt also, die Offenheit und das Vertrauen der Christen und Kirchen gegenüber der Gnade Gottes zu stärken, wodurch die Überwindung all dessen möglich ist, was durch die Sünde des Menschen zerrissen wurde. In seiner Predigt in Lund bezog sich Franziskus auf die Worte Jesu »Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15,5)263 und sagte: »Er ist es, der uns unterstützt und ermutigt, die Wege zu suchen, damit die Einheit eine immer sichtbarere Wirklichkeit wird.«264 Er gab zu, dass
257 258 259 260 261 262 263 264
Ebenda. UR Nr. 7. Ebenda. Gemeinsame Erklärung von Lund. Ebenda. Ebenda. Franziskus, Homilie in Lund. Ebenda.
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»die Trennung eine ungeheure Quelle von Leiden und Missverständnissen gewesen ist, doch sie hat uns auch zu der ehrlichen Einsicht geführt, dass wir getrennt von Ihm nichts vollbringen können, und uns zugleich die Möglichkeit gegeben, einige Aspekte unseres Glaubens besser zu verstehen«.265
Mit Dankbarkeit erkannte er an, dass »die Reformation dazu beigetragen hat, die Heilige Schrift mehr ins Zentrum des Lebens der Kirche zu stellen. Durch das gemeinsame Hören auf das Wort Gottes in der Schrift hat der Dialog zwischen der Katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund, dessen fünfzigjähriges Bestehen wir feiern, wichtige Schritte zurückgelegt. Bitten wir den Herrn, dass sein Wort uns zusammenhalte, denn es ist ein Quell von Nahrung und Leben, ohne seine Inspiration können wir nichts vollbringen«.266
Franziskus’ Botschaft ist tief in der ökumenischen Lehre und Sensibilität des Zweiten Vatikanischen Konzils verwurzelt, das die Unabdingbarkeit einer steten Erneuerung des Lebens der Kirche im Geiste des Evangeliums erkennend feststellte: »Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung.«267 Dabei handelt es sich vor allem um eine Umkehr der Herzen, einen Sinneswandel und eine neue Haltung in den Beziehungen zwischen den Kirchen. Das Konzil selbst war ein wichtiger Schritt in Richtung einer neuen Offenheit gegenüber dem Wort Jesu: »Tut Buße und glaubt an das Evangelium.« (Mk 1,15) Es ist bezeichnend, dass während der Beratungen des Konzils mehrmals von der notwendigen Erneuerung und Reform der Kirche die Rede war. Aus der zeitlichen Distanz heraus lässt sich durchaus sagen, dass es sich dabei nicht um leere Worte gehandelt hat, sondern dass damit ein verändertes ekklesiologisches Denken einherging,268 das in 50 Jahren katholisch-lutherischem Dialog praktiziert wurde. In seiner Homilie in Lund rief Franziskus die Christen und Kirchen zur Bekehrung auf und erinnerte daran, »dass wir unsere Vergangenheit liebevoll und ehrlich betrachten, Fehler eingestehen und um Vergebung bitten müssen. Allein Gott ist der Richter. Mit der gleichen Ehrlichkeit und Liebe muss man zugeben, dass unsere Spaltung von dem ursprünglichen Empfinden des Gottesvolkes, das sich von Natur aus nach Einheit sehnt, weggeführt hat und in der Geschichte mehr durch Vertreter weltlicher Macht aufrecht erhalten wurde als durch den Willen gläubigen Volkes, das immer und überall der sicheren und liebevoll-sanften Führung durch seinen Guten Hirten bedarf. Allerdings gab es auf beiden Seiten den ehrlichen Willen, den wahren Glauben zu bekennen und zu verteidigen, doch wir sind uns auch bewusst, dass wir uns in uns selbst verschanzt haben, aus Furcht oder Vorurteilen gegenüber dem Glauben, den die anderen mit einer anderen Akzentuierung und in einer anderen Sprache bekennen. Papst Johannes Paul II. sagte: ›Es kann uns 265 266 267 268
Ebenda. Ebenda. UR Nr. 7. Vgl. ebenda, Nr. 14.
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nicht die Absicht leiten, uns zu Richtern der Geschichte aufzuwerfen, sondern das Ziel darf einzig sein, besser zu erkennen und damit wahrheitsfähiger zu werden‹ (Botschaft an Johannes Kardinal Willebrands, Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen, 31. 10. 1983)«.269
Franziskus ruft also zur Bekehrung auf, denn »Gott ist der Eigentümer des Weinbergs und er pflegt und schützt ihn mit unermesslicher Liebe«.270 Somit sollten wir uns »durch den Blick Gottes innerlich anrühren lassen – das einzige, was er sich wünscht, ist, dass wir als lebendige Weinreben mit seinem Sohn Jesus verbunden bleiben«.271 Franziskus erklärt weiter: »Mit dieser neuen Sicht der Vergangenheit beanspruchen wir nicht, eine undurchführbare Korrektur dessen zu verwirklichen, was geschehen ist, sondern wir beabsichtigen ›die Geschichte anders zu erzählen‹ (Lutherisch/Römisch-katholische Kommission für die Einheit, Vom Konflikt zur Gemeinschaft, 16 [17. 06. 2013]).«272
Man darf also sagen, dass sich der Umfang jener menschlichen Verfehlungen erweiterte, die der Buße bedürfen. Dazu gehören vor allem: das Wissen um die Spaltung, durch welche die brüderliche Liebe »verwundet« wird, die Unfähigkeit zur Vergebung, der Hochmut, die im Widerspruch zum Evangelium stehende Verurteilung der Anderen und schließlich auch die aus der krankhaften Überheblichkeit herrührende Verachtung. Das Reformationsjubiläum bot eine gute Gelegenheit, sich darüber bewusst zu werden, wo wir einander schuldig wurden und was Gegenstand einer gemeinsamen Buße werden sollte, die zur Umkehr zu Christus und zueinander führen wird. Die wahre Bekehrung fruchtet in der Liebe, in der ein jeder Christ seinen besten Ort findet – seinen eigenen Anfang. Vorbild dabei ist Jesus selbst. Es geht also darum, sich an ihn zu »schmiegen«, um die Schwäche der »konfessionellen Vereinnahmung« durch das Geschenk der Erlösung hinter sich zu lassen, und dort, wo es möglich ist, die Anderen als Schwestern und Brüder im Glauben anzuerkennen und so zur Wahrheit zu gelangen. In seiner Homilie in der Kathedrale von Lund sagte Franziskus: »Bei diesem Gebetstreffen hier in Lund wollen wir unseren gemeinsamen Wunsch zum Ausdruck bringen, mit ihm vereint zu bleiben, um das Leben zu haben. Wir bitten ihn: ›Herr, hilf uns mit deiner Gnade, damit wir enger mit dir verbunden sind, um gemeinsam Glaube, Hoffnung und Liebe wirkungsvoller zu bezeugen.‹ Es ist auch ein Moment, Gott zu danken für die Anstrengungen vieler unserer Brüder und Schwestern verschiedener kirchlichen Gemeinschaften, die sich mit der Spaltung nicht abgefunden
269 270 271 272
Franziskus, Homilie in Lund. Ebenda. Ebenda. Ebenda.
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haben, sondern die Hoffnung auf die Versöhnung aller, die an den einen Herrn glauben, lebendig erhalten haben.«273
Mit Recht darf also behauptet werden, dass das Reformationsjubiläum für Franziskus im ökumenischen Dialog mit den Lutheranern von großer Bedeutung war, ja dass es geradezu umwälzend war. Dieses Ereignis und die Vorbereitungen darauf bildeten nicht nur den Rahmen für eine Begegnung der Delegation des Lutherischen Weltbundes mit den Vertretern der Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit mit dem Papst,274 sondern es gab auch Begegnungen auf lokaler Ebene (u. a. in Polen, Deutschland und Ungarn, wo der lutherischkatholische Dialog ebenfalls eine lange Tradition hat).275 Die römisch-katholische Kirche leistete diesen Anleitungen des Papstes Folge und blieb nicht gleichgültig gegenüber den Feierlichkeiten anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation. Auch wenn es sich dabei um ein Ereignis handelte, das in erster Linie die lutherische und andere Kirchen betraf, die aus der Tradition der Reformation hervorgegangen waren, so weckte es doch Hoffnungen auf ein neues Denken und eine andere gegenseitige Wahrnehmung sowie auf wahre Vergebung und Einheit im Geiste. Die schwesterlich-brüderliche Liebe kann nicht halbherzig sein. Entweder gibt es sie, oder es gibt sie nicht. Ihr Fehlen endete in der Vergangenheit mit der Zerschlagung der sichtbaren Struktur der Kirche und mit der schwerwiegenden »Verwundung« der schwesterlich-brüderlichen ekklesialen Beziehungen. Aufrichtigkeit und Demut klären den Blick als Folge einer wahrhaftigen Umkehr und erlauben zu erkennen, dass es bei der Wahrnehmung der Kirche als Kommunion aller Kirchen nicht nur um ein formelles ekklesiologisches Modell geht, sondern auch um eine Vorgabe für tiefgreifende Beziehungen, die konstitutiv sind für die ekklesiale Identität. Bei seiner Ansprache in Lund ging Franziskus auf den Reformator Martin Luther ein und stellte fest: »Die geistliche Erfahrung Martin Luthers hinterfragt und erinnert uns daran, dass wir ohne Gott nichts vollbringen können. ›Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?‹ – das ist die Frage, die Luther ständig umtrieb. Tatsächlich ist die Frage nach der rechten Gottesbeziehung die entscheidende Frage des Lebens. Bekanntlich begegnete Luther die-
273 Ebenda. 274 Siehe Franziskus, Ansprache an die Delegation des Lutherischen Weltbundes (21. 10. 2013), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2013/october/documents/papa-fran cesco_20131021_delegazione-luterana.html (17. 06. 2016). 275 Siehe T. Jaklewicz, Jak obchodzic´ 500-lecie reformacji?, https://www.gosc.pl/doc/1426920.Jak -obchodzic-500lecie-reformacji/2 (17. 01.2013); J. Krasin´ski, Czego nauczył nas Marcin Luter?, http://wiez.com.pl/2016/10/31/czego-nas-nauczyl-marcin-luter/ (31.10. 2016); Reformation – Einladung an die Katholiken, https://www.dw.com/de/reformation-einladung-an-die-katholi ken/a-17700225 (06.12. 2014); We˛gry i jubileusz reformacji, https://www.luteranie.pl/nowosci /wegry_i_jubileusz_reformacji,1869.html (25. 04. 2014).
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sem barmherzigen Gott in der Frohen Botschaft vom menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus. Mit dem Grundsatz ›Allein aus Gnade‹ werden wir daran erinnert, dass Gott immer die Initiative ergreift und jeder menschlichen Antwort zuvorkommt, und auch, dass er versucht, diese Antwort auszulösen.«276
Beim Wiederaufbau der »verwundeten« ekklesialen Beziehungen und damit auf dem Weg der Bekehrung kommt dem gemeinsamen Gebet eine besondere Bedeutung zu. In der Gemeinsamen Erklärung von Lund schrieben ihre Unterzeichner wie folgt: »Wir beten zu Gott, dass Katholiken und Lutheraner fähig sein werden, gemeinsam das Evangelium Jesu Christi zu bezeugen, indem sie die Menschheit einladen, die gute Nachricht von Gottes Heilshandeln zu hören und zu empfangen. Wir bitten Gott um Eingebung, Ermutigung und Kraft, damit wir zusammenstehen können im Dienst und so für die Würde und die Rechte des Menschen, besonders der Armen, eintreten, für die Gerechtigkeit arbeiten und alle Formen von Gewalt zurückweisen. Gott fordert uns auf, all denen nahe zu sein, die sich nach Würde, Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung sehnen. In besonderer Weise erheben wir heute unsere Stimme für ein Ende der Gewalt und des Extremismus, die so viele Länder und Gemeinschaften sowie unzählige Schwestern und Brüder in Christus betreffen. Wir bitten dringend, dass Lutheraner und Katholiken zusammenarbeiten, um den Fremden aufzunehmen, denen zu Hilfe zu kommen, die wegen Krieg und Verfolgung gezwungen waren, zu fliehen und die Rechte der Flüchtlinge und der Asylsuchenden zu verteidigen. Mehr als je zuvor stellen wir fest, dass unser gemeinsamer Dienst in dieser Welt sich auf Gottes Schöpfung erstrecken muss, die durch Ausbeutung und die Auswirkungen einer unersättlichen Gier in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir anerkennen das Recht der zukünftigen Generationen, sich an Gottes Erde mit all ihrem Reichtum und all ihrer Schönheit zu erfreuen. Wir bitten um einen Wandel der Herzen und der Sinne, der uns zu einer liebevollen und verantwortlichen Art und Weise der Sorge für die Schöpfung führt.«277
In seiner Homilie in Lund unterstrich der Papst ausdrücklich diese Worte und stellte fest: »Jesus tritt als Mittler für uns beim Vater ein und bittet ihn um die Einheit seiner Jünger, ›damit die Welt glaubt‹ (Joh 17,21). Das ist es, was uns Kraft gibt und uns bewegt, uns Jesus anzuschließen, um den Vater nachdrücklich zu bitten: ›Gewähre uns das Geschenk der Einheit, damit die Welt an die Macht deiner Barmherzigkeit glaubt.‹ Das ist das Zeugnis, das die Welt von uns erwartet. Wir werden als Christen in dem Maße ein glaubwürdiges Zeugnis der Barmherzigkeit sein, in dem Vergebung, Erneuerung und Versöhnung unter uns eine tägliche Erfahrung ist. Gemeinsam können wir auf konkrete Weise und voll Freude die Barmherzigkeit Gottes verkünden und offenbaren, indem wir die Würde eines jeden Menschen verteidigen und ihr dienen. Ohne diesen Dienst an der Welt und in der Welt ist der christliche Glaube unvollständig. Als Lutheraner und Katholiken beten wir gemeinsam in dieser Kathedrale und sind uns bewusst, dass wir 276 Franziskus, Homilie von Lund. 277 Gemeinsame Erklärung von Lund.
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Das pastorale Zeugnis
getrennt von Gott nichts vollbringen können. Wir erbitten seine Hilfe, damit wir lebendige, mit ihm verbundene Glieder sind, immer seiner Gnade bedürftig, um gemeinsam sein Wort in die Welt zu tragen – in diese Welt, die seiner zärtlichen Liebe und seiner Barmherzigkeit so sehr bedarf.«278
Das Gebet ist der Ausdruck des menschlichen Glaubens und eine persönliche Antwort auf Gottes Ruf in der Geschichte. Es ist auch ein Zeichen der Gemeinschaft, die zwischen Gott und Mensch sowie unter den Menschen geknüpft wird. Es ist also keine rein individuelle Angelegenheit eines Christen, kein Wunsch oder eine an Gott gerichtete Bitte, sondern Ausdruck der inneren Verfassung eines Menschen. Gottes direkte Gegenwart in der Geschichte des Menschen und dessen persönliche Antwort auf Gottes Handeln vereinen sich im Gebet. Dadurch wird die Gemeinschaft zwischen Mensch und Gott immer wieder erneuert. Das Gebet verbindet auch Menschen im gemeinsamen Glauben, wodurch sich die Vielfalt der Stimmen in eine gemeinsame Stimme verwandelt und in die ewige Hymnologie und Doxologie hineinfließt. Daran erinnerte Papst Franziskus mehrmals und zwar nicht nur in Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum, sondern auch in den darauffolgenden Jahren.279 Franziskus ermutigt Katholiken und Lutheraner zu mehr Authentizität im Glauben, zum gemeinsamen Entdecken des Evangeliums. Er ruft sie auf, mit neuer Leidenschaft Zeugnis von Christus abzulegen.280 Alle Christen sind gesandt, um die Welt mit Gott zu versöhnen, durch »das Wort der Versöhnung«, das Gott uns in den Mund legt: »Denn er ermahnt durch uns.« (2Kor 5,20) Aber der von Gott gerechtfertigte Sünder kann nicht kommen und seine Gabe auf dem Altar opfern, ohne sich vorher mit seinem Bruder versöhnt zu haben (vgl. Mat 5,23). Unser Glaube an die Versöhnung mit Gott in Jesus Christus ermahnt uns, Diener der Versöhnung dort zu werden, wo der Mensch und seine Welt durch Konflikte zerrissen sind. Die Unterzeichner der Gemeinsamen Erklärung von Lund bekundeten ihre Dankbarkeit gegenüber allen Vertreter christlicher Weltgemeinschaften und 278 Franziskus, Homilie in Lund. Siehe dazu W. Kasper, Barmherzigkeit. Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens, Freiburg i. Br. (Herder) 2012. 279 Siehe Franziskus, Ansprache an die Delegation aus Finnland zum Fest des Heiligen Henrik (19. 01. 2017), http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2017/january/documents/p apa-francesco_20170119_delegazione-finlandia.html (10. 09.2018); Franziskus, Predigt (Vesper zum Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen, 18. 01. 2019), http://www.vatican. va/content/francesco/de/homilies/2019/documents/papa-francesco_20190118_vespri-unitacri stiani.html (25. 04. 2019); PAP, KAI, Papiez˙ zache˛ca do modlitwy o jednos´´c, https://deon.pl/kos ciol/serwis-papieski/papiez-zacheca-do-modlitwy-o-jednosc,424112 (26. 01. 2020). 280 Siehe Franziskus, Ansprache an die Delegation aus Finnland zum Fest des Heiligen Henrik; Franziskus, Ansprache an die ökumenische Delegation der Lutherischen Kirche Finnlands (19. 01. 2019), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2019/january/docume nts/papa-francesco_20190119_ecumenici-luterani-finlandia.html (14. 04. 2019).
Die 500-Jahr-Feier der Reformation
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Weltorganisationen, die das gemeinsame Gebet zum wichtigsten Zeichen des Reformationsjubiläums gemacht haben. Sie erneuerten die Verpflichtung, »vom Konflikt zur Gemeinschaft«281 zu schreiten, als »Teil des einen Leibes Christi, in den wir alle durch die Taufe eingegliedert worden sind«.282 Sie forderten ihre ökumenischen Partner auf, sich an ihre Verpflichtungen zu erinnern und diesen nachzukommen,283 und baten sie überdies, weiter für sie zu beten und sie bei der Verwirklichung ihrer eingegangenen Verpflichtungen zu unterstützen.284 Mit ihrem gemeinsamen Gebet legen Christen nicht nur Zeugnis ihres tiefen Verlangens nach Wiederherstellung der vollständigen und sichtbaren Einheit ab, sondern setzen diese gewissermaßen auch bereits voraus. Trotz mancher immer noch vorhandener Differenzen zwischen den Kirchen darf man jedoch sagen, dass das im gemeinsamen Gebet begründete Verlangen nach der ekklesialen Fülle in deren zahlreichen Facetten viel realistischer wird. Das fördert die geistige Einheit. Es kann das Denken und die Einstellung aller am ökumenischen Dialog Beteiligten verändern. Gemeinsames Gebet spielt auch eine wesentliche Rolle im Rahmen theologischer, anthropologischer und ethischer Debatten, denn es weckt die Sehnsucht nach Einheit und erlaubt einen hoffnungsfrohen Blick in die Zukunft. Darüber hinaus stärkt das gemeinsame Gebet von Katholiken und Lutheranern »den Glauben an die Gnade, die uns im Herrn Jesus Christus geschenkt wurde«,285 und öffnet die Herzen für das Wirken des Heiligen Geistes, auf dass er uns auf den Weg der Versöhnung und der Gemeinschaft führen möge.286 Das gemeinsame Gebet der Christen als Begegnung mit Christus und den Mitmenschen hat im Programm der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus einen besonderen Stellenwert. In seinem Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland (29. 06. 2019) erinnerte der Papst an den von Katholiken und Lutheranern eingeschlagenen Weg der Ökumene, dessen Früchte nicht nur in Form von schriftlichen Erklärungen anlässlich des Reformationsjubiläums zu erkennen waren, sondern auch in zahlreichen Begegnungen und im brüderlichen Dialog, der in Liebe und mit gegenseitigem Respekt geführt wird.287 Dieser Weg ermuntert (Franziskus zufolge) zu weiteren Initiativen im Gebet, zum kulturellen Austausch und zu Werken der Nächstenliebe. Sie befähigen dazu, Vorurteile und 281 282 283 284 285
Gemeinsame Erklärung von Lund. Ebenda. Ebenda. Ebenda. Franziskus, Ansprache an die Delegation des Lutherischen Weltbundes (21. 10. 2013), http:// www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2013/october/documents/papa-francesco_20 131021_delegazione-luterana.html (17.06. 2016). 286 Ebenda. 287 Franziskus, Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland (29. 06. 2019), http://vati can.va/content/francesco/de/letters/2019/documents/papa-francesco_20190629_lettera-fed eligermania.html (20. 12. 2019).
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Das pastorale Zeugnis
Wunden der Vergangenheit zu überwinden, damit die Freude am Evangelium besser bezeugt und erfahren werden kann.288 Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Pfarrer Martin Junge, würdigte das ökumenische Engagement von Papst Franziskus. Er stellte fest, dass es zumindest drei Gründe gibt, weshalb man der katholischen Kirche und Papst Franziskus für »seine ökumenische Führerschaft« danken sollte.289 Erstens bewertete Pfarrer Junge die Teilnahme des Papstes am Gottesdienst in Lund als weiteres »Zeichen der Hoffnung« und »Ermutigung zur Fortsetzung« des gemeinsamen Weges, der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeschlagen wurde. Zweitens würdigte er die zahlreichen Begegnungen des Papstes mit Kirchenoberhäuptern und religiösen Führern. Sie gelten als wichtige Elemente beim Aufbau positiver Beziehungen. Und drittens dankte Pfarrer Junge Papst Franziskus dafür, dass er den ökumenischen Weg seiner Vorgänger konsequent fortsetzt.290 Beim Verhältnis zu den Lutheranern folgt er dem Weg, den die während des Pontifikats von Johannes Paul II. abgegebene Erklärung von Augsburg [Gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigungslehre] von 1999 abgesteckt hat. Den nächsten Meilenstein diesbezüglich markiert der zu Zeiten von Papst Benedikt XVI. ausgearbeitete Bericht Vom Konflikt zur Gemeinschaft aus dem Jahr 2013.291 Zusammenfassend fügte Pfarrer Junge hinzu: »Für mich ist die Anerkennung der ökumenischen Führerschaft von Papst Franziskus und der Tatsache, dass er den ökumenischen Weg seiner Vorgänger fortsetzt und in ihrem Geiste agiert, sehr wichtig.«292 Diese Worte bestätigen nicht nur die Bedeutung der Teilnahme von Papst Franziskus an den Feierlichkeiten anlässlich des Reformationsgedenkens, sondern weisen auch auf den vielfältigen Beitrag seiner ökumenischen Pädagogik bei die Schaffung der christlichen Einheit hin. Für Franziskus hatten der Besuch in Lund und weitere ökumenische Anlässe in Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum (darunter die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung von Lund) eine große Bedeutung: sowohl menschlich wie auch theologisch-geistlich. Der Papst erinnert immer wieder an diese Ereignisse, sei es beim Besuch der ökumenischen Delegation, die jedes Jahr (im Januar) nach Rom kommt, um des Heiligen Henrik (Heinrich von Uppsala) zu gedenken, oder bei ökumenischen Treffen mit Vertreter der lutherischen
288 Ebenda. 289 F. Contessa, Trzy powody, z˙eby podzie˛kowac´. Martin Junge i ekumeniczne przywództwo papiez˙a Franciszka, http://www.osservatoreromano.va/pl/news/trzy-powody-zeby-podziek owac (24. 01. 2017). 290 Ebenda. 291 Ebenda. 292 Ebenda.
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Kirchen.293 Zu Recht meint er, dass nach dem nun 50 Jahre andauernden ökumenischen Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern beide Seiten gemeinsame Perspektiven nennen, das frühere Unrecht bedauern und sich vor Augen führen können, dass es Martin Luther nicht um die Spaltung der Kirche ging, sondern ihre Erneuerung.294 Franziskus’ Teilnahme am Reformationsjubiläum ermunterte Katholiken und Lutheraner dazu, ihren ökumenischen Dialog fortzusetzen und hoffnungsvoll den Weg der Ökumene zu beschreiten. Erneut öffnete er auch den Blick darauf, dass das Streben nach Einheit in Kirche und Welt eine Berufung und Aufforderung Jesu Christi an alle Christen und Menschen guten Willens ist.295 Franziskus betont zu Recht, dass im Vorfeld des gemeinsamen Reformationsgedenkens Katholiken und Lutheraner erkannt haben, dass der theologische Dialog für die Versöhnung unerlässlich ist und dass er mit unermüdlichem Engagement fortgesetzt werden muss. In dieser einmütigen Gemeinschaft, die dem Heiligen Geist sein Wirken ermöglicht, können sich nach Ansicht des Papstes Katholiken und Lutheraner in weiteren Fragen der Lehre verständigen (u. a. in Fragen der Doktrin und der Moral) und so der vollen und sichtbaren Einheit näherkommen.296
2.
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Auf natürliche Weise stützt Franziskus sein Pontifikat auf das Erbe seiner Vorgänger, insbesondere auf Johannes Paul II. und Benedikt XVI.297 Hauptsächlich geht es dabei um die Stärkung des ökumenischen Engagements der römischkatholischen Kirche. Wie seine Vorgänger empfängt auch Franziskus in Rom gerne Vertreter von Kirchen oder verschiedenen religiösen und gesellschaftlichen Gruppen.298 Zum Kanon seiner apostolischen Reisen gehören auch Be293 Siehe Franziskus, Ansprache an die Delegation aus Finnland zum Fest des Heiligen Henrik; Franziskus, Ansprache an die Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (06. 02. 2017), http://m2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2017/february/documen ts/papa-francesco_20170206_chiesa-evangelica.html (17. 06. 2018). 294 Siehe Franziskus, Ansprache an die Delegation aus Finnland zum Fest des Heiligen Henrik. 295 Ebenda. 296 Ebenda; Franziskus, Ansprache an die Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. 297 Siehe P. Jaskóła, Jana Pawła II ekumeniczna wizja Kos´cioła, »Studia Oecumenica« 16 (2016), S. 49–61; A. Kochan, Ekumeniczne spotkanie kultur w nauczaniu Jana Pawła II i Benedykta XVI, »Studia Oecumenica« 10 (2010), S. 37–53; J. Skrzys´, Historyczny wymiar encykliki »Ut unum sint« Jana Pawła II w dialogu ekumenicznym, »Studia Pastoralne« (2019), Nr. 15, S. 137–151; J. Szymik, Najgłe˛bsze pragnienie Boskiego Nauczyciela. Ekumenizm według J. Ratzingera/Benedykta XVI, »Studia Oecumenica« 13 (2013), S. 71–90. 298 Siehe K. Bronk, Mike Pence u Papiez˙a, https://www.vaticannews.va/pl/papiez/news/2020-01/wi ceprezydent-usa-w-watykanie.html (24. 01. 2020); KAI/awo, Fin´scy luteranie odwiedzili pa-
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gegnungen mit ökumenischem Charakter. In seinen Ansprachen spricht er zahlreiche ökumenische Themen an. Er unterstützt und mobilisiert Christen und kirchliche Institutionen, sich in ihrer Arbeit von ökumenischer Sensibilität leiten zu lassen. Auch das ist ein wichtiger Bestandteil seiner ökumenischen Pädagogik. Seine herausragende Rolle bei der Gestaltung des ökumenischen Weges der Kirche nehmen Vertreter verschiedener Kirchen mit Dankbarkeit zur Kenntnis, wie Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, der Franziskus seinen Dank für sein Engagement und die persönliche Teilnahme am Reformationsjubiläum ausgesprochen hat.299 Er sprach – wie bereits erwähnt – von einem weiteren »Zeichen der Hoffnung« und von »Ermutigung zur Fortsetzung« des gemeinsamen ökumenischen Weges der römisch-katholischen Kirche und der lutherischen Kirchen, der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eröffnet wurde.300 Junge stellte fest, dass Papst Franziskus auf eine sehr diplomatische und vorurteilsfreie Weise den Dialog aufnimmt und positive Beziehungen zu verschiedenen Gruppen aufbaut, was das gegenseitige Vertrauen stärkt und Anlass zur Dankbarkeit gibt. Infolgedessen vertieft, entwickelt und belebt Franziskus die ökumenischen Prozesse, die von seinen Vorgängern begonnen wurden.301 Beim Verhältnis zu den Lutheranern beschreitet er den Weg, den die Gemeinsame Erklärung von Augsburg aus dem Jahr 1999 und der Bericht Vom Konflikt zur Gemeinschaft aus dem Jahr 2013 geebnet haben.302 Die Fortsetzung des von seinen Vorgängern eingeschlagenen ökumenischen Weges und Geistes wird in lutherischen Kreisen entschieden positiv bewertet.303 Sie ist zum wichtigen Bestandteil der ökumenischen Pädagogik des Papstes geworden. Diese ökumenische Pädagogik wird von Franziskus konsequent und wohlüberlegt auf der Erfahrung der Begegnung aufgebaut. In diesem Zusammenhang gilt es, an einige sehr wichtige Begegnungen zu erinnern, die das Bild seines Pontifikats maßgeblich geprägt haben. Dazu gehört mit Sicherheit die Teilnahme von Bartholomäus I., dem Patriarchen von Konstantinopel, an Franziskus’ Amtseinführung.304 Dies war eine Begegnung von historischer Dimension, nahm
299 300 301 302 303 304
piez˙a Franciszka, https://stacja7.pl/zwatykanu/finscy-luteranie-odwiedzili-papieza/ (24. 01. 2020); Luteranie u papiez˙a Franciszka, https://www.luteranie.pl/nowosci/luteranie_u_papieza _franciszka,1342.html (24. 01.2020). The Lutheran World Federation. A Communion of Churches, General Secretary. Rev. Dr Martin Junge, https://www.lutheranworld.org/content/general-secretary (24. 01. 2020). F. Contessa, Martin Junge i ekumeniczne przywództwo Papiez˙a Franciszka, http://www.osser vatoreromano.va/pl/news/trzy-powody-zeby-podziekowac (24. 01. 2020). Siehe ebenda. Siehe ebenda. Ebenda. PAP/IAR/Onet, TR, Inauguracja pontyfikatu Franciszka, https://wiadomosci.onet.pl/swia t/inauguracja-pontyfikatu-franciszka/sb3zx (24. 01. 2020); Radio Watykan´skie, Wizyta Patriarchy Konstantynopola, https://voxdomini.pl/archiwa/z-zycia-kosciola/wizyta-patriarch y-konstantynopola/ (24. 01. 2020).
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doch der ökumenische Patriarch zum ersten Mal seit 1054 an der Amtseinführung eines Papstes teil. Kurz nach der offiziellen Amtsübernahme initiierte Papst Franziskus eine Reihe von ökumenischen Zusammenkünften, an denen er bis heute unermüdlich festhält.305 Die erste fand einen Tag nach dem offiziellen Beginn seines Pontifikats statt. Im klementinischen Saal des Apostolischen Palasts empfing er Vertreter von 33 Kirchen und christlichen Gemeinschaften sowie Vertreter anderer Religionen, die an den Feierlichkeiten am Vortag teilgenommen hatten.306 Unter den Gästen waren der ökumenische Patriarch Bartholomäus I., der armenische Katholikos Karekin II., der Metropolit Hilarion von Wolokolamsk vom Moskauer Patriarchat, der anglikanische Bischof John Sentamu, der Präsident des Lutherischen Weltbundes Munib Younan und der Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen Jerry Pillay. Nach der Ansprache von Patriarch Bartholomäus I. wandte sich Franziskus an die versammelten Gäste und äußerte seine Dankbarkeit für die Möglichkeit, Vertretern verschiedener Kirchen und Religionen begegnen zu dürfen. Er bedankte sich auch für ihre Teilnahme an den Feierlichkeiten anlässlich des Beginns seines Dienstes als Bischof von Rom und Nachfolger Petri und versicherte allen Anwesenden gegenüber seine ökumenische Offenheit. Er bestätigte auch, dass er den ökumenischen Weg der römischkatholischen Kirche fortsetzen wird.307 Die Präsenz der Vertreter von Kirchen, christlichen Gemeinschaften und anderen Religionen wertete der Papst als Zeichen des Glaubens und Ausdruck ihrer Bemühungen und Gebete um Einheit.308 In seiner Ansprache ging Franziskus auf das von Benedikt XVI. in der römischkatholischen Kirche ausgerufene Jahr des Glaubens ein, das den 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Vatikanischen Konzils in Erinnerung rufen sollte. Er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass es einen Ansporn dazu darstellen wird, Jesus Christus zu verkünden und weiter für die Einheit zu arbeiten, für die Christus gebetet hat. Er rief alle versammelten Vertreter von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften auf, gemeinsam den Weg der Ökumene fortzusetzen,309 und 305 Siehe H. Przondzion, Franciszek rozpocza˛ł pontyfikat, https://papiez.wiara.pl/doc/1491619 .Franciszek-rozpoczal-pontyfikat (24. 01. 2020). 306 Siehe E. Inetti, Papiez˙ Franciszek chce kontynuowac´ dialog ekumeniczny, https://www.gazet aprawna.pl/galerie/691429,duze-zdjecie,1,papiez-franciszek-chce-kontynuowac-dialog-eku meniczny.html (24. 01. 2020). 307 Siehe H. Scerri, Ekumeniczne zaangaz˙owanie papiez˙a Franciszka, in: O ekumenizmie w Roku Wiary. Ksie˛ga pamia˛tkowa z okazji jubileuszu 30-lecia Instytutu Ekumenicznego KUL, Hg. P. Kantyka, P. Kopiec, M. Składanowski, Lublin 2013, S. 71–84. 308 Siehe Franziskus, Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und der verschiedenen Religionen (20. 03. 2013), http://www.vatican .va/content/francesco/de/speeches/2013/march/documents/papa-francesco_20130320_dele gati-fraterni.html (17. 12. 2019). 309 Ebenda.
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ermunterte alle zum bewussten, frohen und mutigen Dienst an der Einheit der Christen und aller Menschen guten Willens. In einer von Spaltungen, Auseinandersetzungen und Rivalitäten gekennzeichneten Welt ist nach Franziskus’ Auffassung die Treue gegenüber Christus im Streben nach Einheit unerlässlich. Der Papst versicherte auch, dass der Rat für die Förderung der Einheit der Christen weiterhin in seinem Namen der ökumenischen Zusammenarbeit dienen wird. Später wandte sich Franziskus an die Vertreter des jüdischen Volkes bzw. anderer religiöser Traditionen und sagte ihnen die Fortsetzung des brüderlichen Dialogs und die Vertiefung der Zusammenarbeit für das Wohl aller Menschen zu.310 Er ermunterte alle Versammelten, nach Gott zu suchen und für das Jenseits offen zu sein. Er bat sie, freundschaftlich und respektvoll miteinander umzugehen und sich für die Welt und die Schöpfung einzusetzen. Mit Nachdruck unterstrich er, dass jeder – unabhängig von seiner Weltanschauung, seiner religiösen und konfessionellen Zugehörigkeit – sehr viel bewirken kann für die Sehnsucht nach Gott, gegen eine eindimensionale Sicht des Menschen, für das Wohl der Armen, Schwachen und Leidenden sowie für Gerechtigkeit, Versöhnung und Frieden. Er erinnerte zu Recht daran, dass er sich beim Schutz der Würde des Menschen, beim Aufbau der Einheit in Gesellschaft und Politik sowie beim Schutz der Schöpfung allen Menschen verbunden fühlt – auch jenen, »die sich zwar zu keiner religiösen Tradition bekennen, aber dennoch auf der Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen, das Gott ist, sind«.311 Am 10. Mai 2013 traf Franziskus mit dem Oberhaupt der koptischen orthodoxen Kirche, Papst Theodor II., zusammen312 und vier Tage später empfing er den Erzbischof von Canterbury Justin Welby.313 Im selben Monat (28. Juni) traf sich Franziskus mit einer Delegation des Patriarchats von Konstantinopel, die zum Peter-und-Paul-Fest gekommen war.314 Mark Woodruff, der stellvertretende Vorsitzende der Johannes-Chrysostomos-Gesellschaft, die sich in Großbritannien mit der Förderung der katholischorthodoxen Beziehung befasst, schrieb, dass die Teilnahme an der Inauguration des Pontifikats von Papst Franziskus ein »Zeichen der Hoffnung auf eine engere Zusammenarbeit war«.315 Woodruff erläuterte die Motive von Bartholomäus I. und seine Entscheidung, an der Amtseinführung von Franziskus teilzunehmen. Es war »das Bedürfnis, einen sehr deutlichen Schritt zu machen […], der nach-
310 Ebenda. 311 Ebenda. 312 Siehe KAI/Radio Watykan´skie/CTV/mh, Papiez˙ do Teodora II o dzieleniu trudnos´ci, https://de on.pl/kosciol/serwis-papieski/papiez-do-teodora-ii-o-dzieleniu-trudnosci,227400 (23. 01. 2020). 313 Mehr dazu siehe bei H. Scetri, Ekumeniczne zaangaz˙owanie papiez˙a Franciszka, S. 79–81. 314 Siehe ebenda, S. 81–83. 315 M. Woodruff, My brother Andrew, »The Tablet«, 30. 03. 2013, S. 8.
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haltig von Bedeutung sein könnte«.316 Woodruff bewertet dieses Ereignis folgendermaßen: »[…] nach einer so langen Trennung […] erfordert eine authentische Einheit Mut, Führung und Demut. Angesichts der gut dokumentierten Arbeit von Papst Franziskus im Sinne der Gerechtigkeit und seine Meinung, wonach sich die Globalisierung negativ auf die Armen auswirkt […], bekommen die orthodoxe und die römisch-katholische Kirche erneut die Möglichkeit, gemeinsam für die Armen zu arbeiten […]. Diese Arbeit erfordert jedoch den ersten Schritt und es scheint, dass Patriarch Bartholomäus I. diesen Schritt machen will. Während einer dieser scheinbar informellen, doch bedeutenden Gesten, die wir zunehmend von Franziskus erwarten, war die Antwort postwendend und verhältnismäßig. Der Nachfolger Petri begrüßte den Nachfolger eines anderen galiläischen Fischers als ›meinen Bruder Andreas‹.«317
Als wichtige ökumenische Geste von Papst Franziskus gilt auch der Dank, den er an seine Besucher während der Audienz richtete. Er sagte u. a.: »Gestern Vormittag habe ich während der heiligen Messe durch Sie geistig die Gegenwart Ihrer Gemeinschaften gespürt. In dieser Äußerung des Glaubens hatte ich das Gefühl, das Gebet für die Einheit derer, die an Christus glauben, mit noch größerem Nachdruck zu erleben und zugleich ihre volle Verwirklichung, die vom Plan Gottes und von unserer treuen Mitarbeit abhängt, in gewisser Weise vorgebildet zu sehen.«318
In seinen Ansprachen zum Beginn seines Pontifikats stellte Franziskus fest, dass die große ökumenische Präsenz einen starken Impuls für einen gemeinsamen Weg darstellt, den Christus vorgesehen hat und der seine Gläubigen ständig verwandelt. Der Papst stellte fest: »Ich beginne meinen apostolischen Dienst während des Jahres, das mein verehrter Vorgänger Benedikt XVI. mit einer wirklich Geist gegebenen Intuition für die katholische Kirche zum Jahr des Glaubens erklärt hat. Mit dieser Initiative, die ich fortsetzen möchte und von der ich hoffe, dass sie für den Glaubensweg aller Ansporn sei, wollte er das fünfzigjährige Jubiläum des Beginns des Zweiten Vatikanischen Konzils hervorheben. Dazu hat er eine Art Pilgerschaft auf das hin vorgeschlagen, was für jeden Christen das Wesentlichste darstellt: zur persönlichen und verwandelnden Beziehung zu Jesus Christus […].«319
Der Papst betonte mehrmals, dass es unter Christen – unabhängig von ihrer konfessionellen Zugehörigkeit – mehr Verbindendes als Trennendes gibt. Es vereint sie vor allem der Glaube an den dreieinigen Gott, die Taufe und das
316 Ebenda. 317 Ebenda. Siehe J. Borelli, John and Francis, S. 4. 318 Franziskus, Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und der verschiedenen Religionen (20. 03. 2013). 319 Ebenda.
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erlösende Vertrauen in Jesus Christus, der sich im Geschenk des Heiligen Geistes verwirklicht.320 Bruder Johannes von Taizé kommentierte die ökumenische Einladung von Franziskus zu einer gemeinsamen Reise zu Christus und schrieb, dass »das Bild einer Reise/Wallfahrt […] einen großen Vorteil hat: Sie impliziert Dynamik und einen offenen Charakter. Darüber hinaus deckt sie sich mit der Mentalität unserer Zeiten, erlaubt uns den abgestuften Charakter der Offenbarung Gottes, des Wagnisses, des Abenteuers, zu ergreifen, der so grundlegend für das Leben im Glauben ist.«321
Franziskus’ ökumenische Reise dauert an. Sie ist dynamisch und offen und kreist nicht nur um den theologischen Dialog, sondern fußt in erster Linie auf einem Dialog der Liebe, der Umkehr, des Gebets und des Zeugnisses sowie auf dem Dialog gemeinsamer Werke. Der Papst ermutigt unermüdlich jeden Menschen, insbesondere Christen, diese Reise anzutreten: »[Wir] fühlen […] uns alle dem Gebet unseres Heilands beim letzten Abendmahl – der Bitte: ut unum sint – innig vereint.«322 Er appellierte auch: »Bitten wir den barmherzigen Vater, dass wir den Glauben, der uns am Tag unserer Taufe geschenkt wurde, in Fülle leben und das wir ein freies, frohes, mutiges Zeugnis für ihn ablegen können. Das wird unser bester Dienst für das Anliegen der Einheit unter Christen sein, ein Dienst der Hoffnung für eine noch von Spaltungen, Auseinandersetzungen und Rivalitäten gekennzeichneten Welt. Je treuer wir in Gedanken, Worten und Werken dem Willen Gottes folgen, umso mehr bewegen wir uns wirklich und wesentlich auf die Einheit zu.«323
Die Einheit lässt sich nicht ohne eine »Verwandlung des Herzens« erreichen – daran erinnerte Franziskus in seiner Ansprache an die Delegation der altkatholischen Bischofskonferenz.324 Der Papst sprach von seiner Freude »über Schritte zur größeren Gemeinschaft«. Dafür sollte man »[…] in einem substanziellen theologischen Dialog beharrlich bleiben und ihn weiterhin gemeinsam gehen, zusammen beten und arbeiten in einem tiefen Geist der Umkehr zu all dem, was Christus für seine Kirche will«.325 »Bei unserer Trennung gab es von beiden Seiten schwere Sünden und menschliche Fehler.«326 Somit ist es nun notwendig, »[…] unseren Wunsch nach Versöhnung und Frieden zu verstär320 Ebenda. 321 Brother John of Taizé, The Pilgrim God. A Biblical Journey, Portland 1985, S. 3–4. 322 Franziskus, Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und der verschiedenen Religionen (20. 03. 2013). 323 Ebenda. 324 Franziskus, Ansprache an die Delegation der altkatholischen Bischofskonferenz der Utrechter Union (30. 10. 2014), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/october/d ocuments/papa-francesco_20141030_vescovi-veterocattolici.html (25. 11. 2017). 325 Ebenda. 326 Ebenda.
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ken«327 und das »im Geist gegenseitiger Vergebung und demütiger Umkehr«, um einen »geistlichen Weg zu beginnen«, auf dem »Veränderung unvermeidlich ist«.328 Dieser führt »von der Begegnung zur Freundschaft, von der Freundschaft zur brüderlichen Gemeinsamkeit, von der brüderlichen Gemeinsamkeit zur Gemeinschaft«.329 Der Papst ruft auch zur ökumenischen Zusammenarbeit auf, denn »es besteht eine dringende Notwendigkeit eines glaubwürdigen Zeugnisses für die Wahrheit und die Werte des Evangeliums« in einem Europa, »das sehr verwirrt ist in Bezug auf seine Identität und Berufung«, gleichwohl aber »einen Durst nach Gott« verspürt.330 Spaltungen der Christenheit sind für die Kirche eine schmerzliche Tatsache. Doch – unterstrich der Papst – »unabhängig von vorhandenen Unterschieden, die uns noch trennen, erkennen wir mit Freude, dass an der Quelle des christlichen Lebens eine Herausforderung steht, deren Urheber Gott allein ist. Wir können Fortschritte auf dem Weg zur vollen sichtbaren Gemeinschaft unter Christen nicht nur dann erreichen, wenn wir uns einander näher werden, sondern vor allem in dem Maße, in dem wir uns zu Gott bekehren.«331
Doch »es verbindet uns nicht nur diese Berufung; es verbindet uns auch dieselbe Sendung«.332 Wenn wir also »zusammen gehen und arbeiten, sind wir uns dessen bewusst, dass wir bereits im Namen der Herrn vereint sind«.333 Denn »die Einheit wächst auf dem Weg«334 – woran Franziskus immer wieder erinnert: »Wir sind auf dem Weg und führen auf dem Weg einen Dialog.«335 Und während wir auf dem Weg sind, »helfen wir einander in unseren Nöten, in unserem Leben«.336 Im Grunde genommen kann man »ohne Bewegung […] keinen ökumenischen Dialog führen. Der ökumenische Dialog wird unterwegs geführt, denn er ist ein Weg und auf dem Weg wird über theologische Fragen diskutiert«.337 Ziel dieses Weges ist Jesus Christus. Darum müssen sich Christen ständig ökumenisch bekehren und dem Heiligen Geist anvertrauen. Allein er kann Trennungen überwinden und den Kirchen den Weg zur Einheit in Christus weisen.
327 328 329 330 331 332 333 334 335
Ebenda. Ebenda. Ebenda. Siehe ebenda. Jednos´´c w drodze, http://www.osservatoreromano.va/pl/news/jednosc-w-drodze (25.11. 2016). Ebenda. Ebenda. Ebenda. Dialog ekumeniczny prowadzi sie˛ w drodze, http://www.osservatoreromano.va/pl/news/nie -nalezy-godzic-sie-na-podzialy (25. 11. 2016). 336 Ebenda. 337 Ebenda. Siehe auch M. Niemiec, Teologiczny dialog luteran´sko-rzymskokatolicki. Stan i perspektywy, in: T. Kałuz˙ny, Z. J. Kijas (red.), Ekumenizm doktrynalny. Schyłek czy nowy pocza˛tek?, Kraków 2018, S. 119–143.
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Das pastorale Zeugnis
Viel größere Schwierigkeiten ergaben sich im Verhältnis zur protestantischen Welt. Seit der Reformation bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil hatten Kontakte in diese Richtung eher privaten und inoffiziellen Charakter. Erst die Botschaft des Konzils eröffnete neue Herausforderungen auf diesem Gebiet. Sie wird von den nachkonziliaren Päpsten mit Konsequenz in die Tat umgesetzt. Johannes Paul II. hat Barrieren überwunden, die bis dahin die römisch-katholische Kirche von der Welt des Protestantismus trennten. Benedikt XVI., »der Papst aus dem Land der Reformation«, bemühte sich, die guten Beziehungen zu den Kirchen der Reformation noch weiter zu vertiefen. Und Franziskus? Der setzt spontan und konsequent das Werk seiner Vorgänger fort, was sich in seiner aktiven Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation und in zahlreichen Initiativen, die daraus folgten, niederschlug.
3.
Dialogische Paradigmen
Ein wesentliches Paradigma der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus ist die Stärkung der zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Grundlage der Begegnung, denn in ihr erblickt der Papst eine besondere Chance für ein positives Erfahren der »Andersartigkeit« des Mitmenschen. Begegnung ist immer auch Erkenntnis und Entdeckung. Sie ermöglicht es, Stereotype, Vorurteile und Ängste hinter sich zu lassen, und in ihr lassen sich der Reichtum und die Andersartigkeit des Partners erkennen.338 Die Bedeutung, die Franziskus der Begegnung für die zwischenmenschlichen und ökumenischen Kontakte beimisst, findet ihre Bestätigung in seiner offenen Haltung gegenüber »dem Anderen«, und das nicht nur im kirchlichen, sondern auch im gesellschaftlichen Leben. Seine Worte, die er an die Teilnehmer der Feierlichkeiten anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation richtete, sind mit Begeisterung aufgenommen worden. Der Ernst und die Ehrlichkeit, mit denen Franziskus seinen ökumenischen Weg beschreitet, finden ihre deutlichste Bestätigung in seiner Teilnahme an einem gemeinsamen Gebet mit Lutheranern, das unter dem Zeichen der Brüderlichkeit in Christus stand. Dies war ein historisches und beispielloses Ereignis, nicht nur hinsichtlich der Bedeutsamkeit des 500. Jubiläums der Reformation, sondern weil es überhaupt das erste Mal war, dass ein Bischof von Rom an einer Gedenkfeier in Zusammenhang mit Martin Luther und der Reformation teilnahm. In den folgenden Monaten erinnerte der Papst mehrmals zu Recht daran, dass Katholiken und Lutheraner auf dem Weg zur vollständigen Einheit dazu angehalten sind, das im Jubiläumsjahr Begonnene beständig zu 338 Siehe W. Kasper, Das Feuer des Evangeliums. Mein Weg mit Papst Franziskus, Eschbach (Patmos) 2016, S. 177–206.
Dialogische Paradigmen
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vertiefen und zur Quelle, also zu Jesus Christus und seiner Eucharistie, zurückzukehren. Der ökumenische Dialog – sagt der Papst – ist kein einmaliger Akt und kein für immer gegebenes Geschenk. Im Gegenteil, er verlangt von Katholiken und Lutheranern Engagement auf verschiedenen Ebenen: der theologischen, der geistigen und der gesellschaftlichen. Nur so kann man – im Geiste der Ökumene – gemeinsam zu Christus pilgern. Papst Franziskus bemüht sich, die ökumenischen Paradigmen in einen breit verstandenen dialogischen Kontext zu setzen. Dabei geht es ihm um eine Verschiebung der Akzente, von den Fragen der Doktrin hin zum pastoralen Zeugnis, wobei die Lehre weiterhin ihre Bedeutung behält. Das gemeinsame Suchen und Entdecken einer vollen doktrinalen Wahrheit sieht er im pastoralen Kontext auf dem Fundament der Begegnung, der Verkündigung sowie der Gesten und Zeichen, die schwesterlich-brüderliche Beziehungen zwischen Kirchen und Menschen stiften sollen. Eine wichtige Regel der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus, die u. a. einen neuen Blick auf Luther und sein Werk ermöglicht, ist das Paradigma eines gemeinsamen pastoralen Zeugnisses von der Taufe. Diesen Aspekt greift er relativ häufig bei seinen Ansprachen vor den Erben der Tradition Martin Luthers auf, wie z. B. während seines Besuchs in der Zentralafrikanischen Republik, wo er an der evangelischen theologischen Fakultät in Bangui mit Vertretern der evangelischen Gemeinschaften sprach (29. 11. 2015). Auch hier bezog er sich auf dieses Paradigma und sagte: »Wir stehen hier alle im Dienst ein und desselben auferstandenen Herrn, der uns […] versammelt; und durch die gemeinsame Taufe, die wir empfangen haben, sind wir ausgesandt, um […] die Freude des Evangeliums zu verkünden.«339 Noch deutlicher schilderte er sein Verständnis von der Taufe als grundlegende Regel der ökumenischen Pädagogik auf dem Fundament eines gemeinsamen und Gemeinschaft stiftenden »Zeugnisses der Dankbarkeit« bei seinem alljährlichen Treffen mit finnischen Lutheranern, die als ökumenische Delegation Rom zum Fest des Heiligen Heinrich, des Patrons Finnlands, am 17. 01. 2020 besuchten: »Der Christ ist ein Mensch, der für seine Taufe danken kann. Und diese Dankbarkeit vereint uns in der Gemeinschaft aller Getauften. Die ›Taufe zur Vergebung der Sünden‹, die wir im Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel bekennen, ist auch ein klarer Aufruf zur Heiligkeit.«
Im Bericht der katholisch-lutherischen Dialoggruppe für Schweden und Finnland mit dem Titel Die Rechtfertigung im Leben der Kirche heißt es zu Recht: 339 Franziskus, Begegnung mit den evangelischen Gemeinschaften. Ansprache von Papst Franziskus (Zentralafrikanische Republik, Bangui, 29. 11. 2015), http://w2.vatican.va/content/f rancesco/de/speeches/2015/november/documents/papa-francesco_20151129_repubblica-c entrafricana-comunita-evangeliche.html (19. 12. 2016).
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Das pastorale Zeugnis
»Die bereits Getauften können gemeinsam mit den Brüdern und Schwestern das Potential jener Heiligkeit entfalten, die der allgemeinen Rechtfertigung in Christus entspringt. […] Als getaufte Christen glauben wir, dass Christus uns gerade in jenen Menschen begegnen will, die im Leben Schiffbruch erlitten haben, im buchstäblichen Sinn und im übertragenen Sinn. Wer Gastfreundschaft gewährt, wird nicht ärmer, sondern reicher. Wer gibt, empfängt. Denn die Menschlichkeit, die wir den anderen gegenüber zeigen, lässt uns auf geheimnisvolle Weise teilhaben an der Güte des Mensch gewordenen Gottes.«340
Papst Franziskus spricht davon, dass die Taufe generell ein wesentliches Paradigma des christlichen Lebens sei. Sie macht den Menschen »göttlicher«, schließt ihn in den Erlösungsplan des dreieinigen Gottes ein und macht ihn auch »menschlicher«. Sie öffnet die Menschen füreinander, überwindet Mauern der Feindschaft, die im Laufe der Jahrhunderte zwischen ihnen gewachsen sind. Die Taufe befähigt dazu, einen gemeinsamen Weg im Lichte des Evangeliums zu gehen, bringt gegenseitigen Respekt bei und fördert einen konstruktiven Dialog, den der Herr der Kirche unermüdlich von Katholiken und Lutheranern fordert.341 Sie lässt uns dem Anderen mit größerer Offenheit und Nähe begegnen. Darüber hinaus weist das Charisma des »Taufzeugnisses« auf weitere wichtige Paradigmen der ökumenischen Pädagogik des Papstes hin: auf die gemeinsame Nähe zu Christus und auf das Vertrauen in den Heiligen Geist. Am deutlichsten äußern sich diese im ökumenischen Gebet. Dazu ruft der Papst nicht nur auf, sondern praktiziert es auch selbst, betont dabei seine innere Dynamik und die Kraft seines Zeugnisses. In der Ansprache, die er während des Treffens mit Vertretern des Lutherischen Weltbundes (21. 10. 2013) hielt, bezog sich Franziskus auf die Lehren seines Vorgängers – Benedikts XVI. – und betonte, »dass die Einheit weniger eine Frucht unserer Arbeit ist denn das Wirken des Heiligen Geistes, dem wir gläubig unsere Herzen öffnen müssen, damit er uns auf den Wegen der Versöhnung und der Gemeinschaft führen möge«.342 In Anlehnung an Johannes Paul II. stellte er die rhetorische Frage »Wie kann man denn das
340 Franziskus, Grußwort von Papst Franziskus an eine ökumenische Delegation aus Finnland zum Fest des Heiligen Henrik (17. 01. 2020), http://www.vatican.va/content/francesco/de/sp eeches/2020/january/documents/papa-francesco_20200117_chiesa-luterana-finlandia.html (19. 03. 2020). 341 »Darüber hinaus sind wir im Licht der einen Taufe – Lutheraner wie Katholiken – dazu gerufen, den theologischen Dialog fortzusetzen.« Franziskus, Besuch der evangelisch-lutherischen Kirche in Rom. Ansprache von Papst Franziskus (vorbereitete Ansprache des Heiligen Vaters) (15. 11. 2015), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2015/november/documents/p apa-francesco_20151115_chiesa-evangelica-luterana.html (11.12. 2019). 342 Franziskus, Ansprache an die Delegation des Lutherischen Weltbundes (21. 10. 2013), http:// www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2013/october/documents/papa-francesco_20 131021_delegazione-luterana.html (17.06. 2016).
Dialogische Paradigmen
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Evangelium von der Versöhnung verkünden, ohne sich gleichzeitig tätig für die Versöhnung der Christen einzusetzen?« (UUS Nr. 98) und äußerte die Bitte: »Möge das treue und unablässige Gebet unserer Gemeinschaften den theologischen Dialog, die Erneuerung des Lebens und die Umkehr der Herzen unterstützen, so dass wir mit der Hilfe des Dreieinigen Gottes gemeinsam den Weg hin zur Erfüllung des Wunsches des Sohnes, Jesus Christus, gehen können, dass alle eins seien.«343
Während des ökumenischen Gottesdienstes im schwedischen Lund anlässlich der 500-Jahr-Feier der Reformation sprach Franziskus von der geistlichen Erfahrung Martin Luthers, die sein Vertrauen in den barmherzigen Gott bezeugte. Er sagte, dass »[uns] die geistliche Erfahrung Martin Luthers hinterfragt und erinnert […] daran, dass wir ohne Gott nichts vollbringen können. ›Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?‹ – das ist die Frage, die Luther ständig umtrieb. Tatsächlich ist die Frage nach der rechten Gottesbeziehung die entscheidende Frage des Lebens. Bekanntlich begegnete Luther diesem barmherzigen Gott in der Frohen Botschaft vom menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus. Mit dem Grundsatz ›Allein aus Gnade‹ werden wir daran erinnert, dass Gott immer die Initiative ergreift und jeder menschlichen Antwort zuvorkommt, und zugleich, dass er versucht, diese Antwort auszulösen. Daher bringt die Rechtfertigungslehre das Wesen des menschlichen Daseins vor Gott zum Ausdruck«.344
Damit ermutigte der Papst zum gemeinsamen Zeugnis im Gebet: »Als Lutheraner und Katholiken beten wir gemeinsam […] und sind uns bewusst, dass wir getrennt von Gott nichts vollbringen können. Wir erbitten seine Hilfe, damit wir lebendige, mit ihm verbundene Glieder sind, immer seiner Gnade bedürftig, um gemeinsam sein Wort in die Welt zu tragen – in diese Welt, die seiner zärtlichen Liebe und seiner Barmherzigkeit so sehr bedarf.«345
Das Zeugnis des Gebets hat Vorrang vor allen anderen Bemühungen um den Wiederaufbau von schwesterlich-brüderlichen ekklesialen Bindungen. Es versammelt alle bei Christus, »öffnet die Augen« für das Verbindende und zeigt den Weg, der noch gegangen werden muss. Es spendet Mut, damit wir uns in Wahrheit der gesamten schmerzvollen und menschlichen Wirklichkeit der Trennung stellen und uns in jener Kirchengemeinschaft wiederfinden, die Christus im Heiligen Geist jenseits aller Schwächen und menschlichen Begrenzungen stiftet. Im ökumenischen Gebet entdecken die Christen ihren Schöpfer Jesus Christus erneut als Quelle ihrer Einheit. Er ist »gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit« (Hebr 13,8). Er betet »in uns«, »mit uns« und »für 343 Ebenda. 344 Franziskus, Homilie in Lund. 345 Ebenda.
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Das pastorale Zeugnis
uns«. Er selbst leitet unser Gebet im Heiligen Geist, dem Tröster, den er der Kirche versprochen und gegeben hat, als er sie in ihrer ursprünglichen Einheit gründete: »Jesus tritt als Mittler für uns beim Vater ein und bittet ihn um die Einheit seiner Jünger, ›damit die Welt glaubt‹ (Joh 17,21). Das ist es, was uns Kraft gibt und uns bewegt, uns Jesus anzuschließen und mit ihm den Vater nachdrücklich zu bitten: ›Gewähre uns das Geschenk der Einheit, damit die Welt an die Macht deiner Barmherzigkeit glaubt.‹ Das ist das Zeugnis, das die Welt von uns erwartet. Wir werden als Christen in dem Maße ein glaubwürdiges Zeugnis der Barmherzigkeit sein, in dem Vergebung, Erneuerung und Versöhnung unter uns eine tägliche Erfahrung ist. Gemeinsam können wir konkret und voll Freude die Barmherzigkeit Gottes verkünden und offenbaren, indem wir die Würde eines jeden Menschen verteidigen und ihr dienen. Ohne diesen Dienst an der Welt und in der Welt ist der christliche Glaube unvollständig.«346
Wenn sich Papst Franziskus auf das Zeugnis der Taufe und des Gebets beruft, zeigt er ein weiteres wichtiges Prinzip seiner ökumenischen Pädagogik. Es ist das »Paradigma der Begegnung unterwegs«. Eine Begegnung impliziert die Bereitschaft der Beteiligten zur gemeinsamen Suche nach der Wahrheit, eine Dynamik des gemeinsamen Wanderns und eine schwesterlich-brüderliche Verantwortung für die Kirche Christi, für die Schöpfung, für die Menschen, insbesondere jene, die verletzt bzw. ausgeschlossen sind und ihr Dasein an der existenziellen Peripherie fristen. In der apostolischen Adhortation Evangelii gaudium erläutert Franziskus sein Verständnis der Begegnung unterwegs und worin sich ihre innere Dynamik äußert: »Wir müssen uns immer daran erinnern, dass wir Pilger sind und dass wir gemeinsam pilgern. Dafür soll man das Herz ohne Ängstlichkeit dem Weggefährten anvertrauen, ohne Misstrauen, und vor allem auf das schauen, was wir suchen: den Frieden im Angesicht des einen Gottes. Sich dem anderen anvertrauen ist etwas ›Selbstgemachtes‹. Der Friede ist selbstgemacht. Jesus hat uns gesagt: ›Selig, die Frieden herstellen‹ (vgl. Mt 5,9). In diesem Einsatz erfüllt sich auch unter uns die alte Weissagung: ›Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern‹ (Jes 2,4). In diesem Licht ist die Ökumene ein Beitrag zur Einheit der Menschheitsfamilie.«347
In Bezug auf Katholiken und Lutheraner erkennt Franziskus eine besondere Chance auf bessere Verständigung und auf objektivere Bewertung all dessen, was im Laufe der Jahrhunderte im gegenseitigen Verhältnis vorgefallen ist, auf gegenseitigen Respekt und auf eine gemeinsame Zukunft über alle Gräben hinweg. In der Gemeinsamen Erklärung von Lund lesen wir: »Wir Katholiken und Lutheraner haben begonnen, auf dem Weg der Versöhnung voranzugehen. Jetzt haben wir im Rahmen des gemeinsamen Gedenkens der Refor346 Ebenda. 347 EG Nr. 244–245.
Dialogische Paradigmen
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mation von 1517 eine neue Chance, einen gemeinsamen Weg aufzunehmen, der sich in den letzten 50 Jahren im ökumenischen Dialog zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche gebildet hat. Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden. Wir haben die Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wiedergutzumachen, indem wir Kontroversen und Missverständnisse überwinden, die oft verhindert haben, dass wir einander verstehen konnten.«348
Seine ökumenische Pädagogik konstruiert Franziskus durchaus bewusst: Sie ist vor allem ein pastorales Glaubenszeugnis, das tief im Geheimnis der Taufe wurzelt und Wirklichkeit wird im gemeinsamen Anrufen der verbindenden Kraft des Heiligen Geistes. Taufe und gemeinsames Gebet animieren zur dialogischen Begegnung unterwegs und führen zum dynamischen Ergründen und Entdecken der vollen Wahrheit. Die innere Dynamik ihres Zeugnisses, die von Gott geschenkt wird, lässt uns Mauern niederreißen, Gemeinsamkeiten entdecken und Trennendes überwinden. Die ökumenische Pädagogik von Papst Franziskus zeigt ein anderes Antlitz der Kirche und zwar als Leib Christi: als Zuhause für alle oder als Krankenstation, auf der Wunden geheilt werden und wo Verletzte, Kranke und Erschöpfte Erleichterung finden.
348 Gemeinsame Erklärung von Lund.
Kapitel IV: Eine dynamische Fortsetzung
Die ökumenische Pädagogik von Papst Franziskus ist im Zusammenhang mit der Interpretation der Person Martin Luthers und seines reformatorischen Werkes stark in den Umbrüchen verwurzelt, die bereits Johannes Paul II. und Benedikt XVI. herbeigeführt haben. Sie stützt sich auf das Paradigma des Respekts und der Anerkennung der erlösenden Werte auf der evangelischen Seite. Sie geht davon aus, dass beide Seiten Schuld an der Spaltung tragen, ohne diese gegenseitig aufzurechnen, und gibt einen wichtigen Impuls für einen gemeinsamen Weg der Bekehrung zu Christus und seinem Evangelium.349 Obwohl Franziskus’ Pädagogik zutiefst von der Aufforderung an alle Christen und Menschen guten Willens geprägt ist, sich ökumenisch für die Einheit der Kirche und der Welt einzusetzen, weist sie auch darauf hin, dass für diese Einheit nicht allein das menschliche Engagement, das beobachtet und beschrieben werden kann, entscheidend ist, sondern dass sie von übernatürlichen Kräften gestaltet und belebt wird. Franziskus betont – wie seine Vorgänger auf dem Stuhl Petri – die vorrangige Rolle des Heiligen Geistes, der ein Geist des Friedens, der Freude, der brüderlichen Liebe und der Einheit ist.350 Allein der Heilige Geist kann die Gnade einer authentischen Einheit der Kirchen, der Christen und der Welt schenken. Menschliches Handeln – auch wenn in diesem Prozess unerlässlich – besitzt nicht die letzte Wirkungsmacht beim Aufbau einer vollen, sichtbaren Einheit in der Kirche Christi. Diese geistige Überzeugung ist Katholiken und Lutheranern gemein. Beide sind sich einig, dass Gottes Geschenk (verwirklicht im Heiligen Geist) Katholiken und Lutheraner einander näherbringt und sie befähigt, den schwesterlich-brüderlichen Weg des Dialogs einzuschlagen, der in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Früchte trägt. Papst Franziskus appelliert stets, gemeinsame Initiativen zu ergreifen und vor allem gemeinsam Zeugnis vom Glauben an Jesus Christus abzulegen. Angesichts der aktuellen Probleme in Gesellschaft, Politik und Religion ist dringend geboten, »über alle Gräben hin349 Siehe Z. J. Kijas, Papiez˙ Franciszek i nasze marzenia o Kos´ciele, Kraków 2013, S. 23–27. 350 TMA Nr. 34.
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Eine dynamische Fortsetzung
weg« zusammenzuarbeiten und die Tugend der Gastfreundschaft in sich zu wecken. So erhält die ökumenische Pädagogik einen neuen Charakter und transportiert eine bislang unbekannte Dynamik.
1.
Dem Heiligen Geist vertrauen
Bei der Analyse aller ökumenischen Aussagen und Aktivitäten von Papst Franziskus ist eine gewisse Evolution seiner ökumenischen Methodologie zu beobachten. Mit Nachdruck betont er die ganzheitliche Annahme des Evangeliums und das Vertrauen in den Heiligen Geist, der, einem Sturm gleich, die Herzen verwandelt und zahlreiche unerwartete Lösungen herbeiführt. Und Franziskus glaubt, dass sich das auch auf Fortschritte in der Ökumene erstreckt, die es nur dank der Wirkung des Heiligen Geistes geben kann und denen der Heilige Geist ihre Form verleiht.351 Wenn sich Christen und Kirchen ernsthaft den aus dem Evangelium hervorgehenden ökumenischen Aufgaben stellen, werden sie zum Werkzeug des Heiligen Geistes bei der Verwirklichung der Bitte Jesu »Damit sie eins seien« (Joh 17, 21a). Der Heilige Geist, hebt Franziskus hervor, ist ein Geschenk des Herrn. Er schenkt die Kraft, der Versuchung zu widerstehen, das Christentum auf menschliche Programme, Kalkulationen und Ziele zu stützen oder dem Zeitgeist nachzueifern. Dem Heiligen Geist kommt bei einer wahrhaftigen Versöhnung der Christenheit eine wichtige Rolle zu: Er hilft, die Gaben einzelner Kirchen und Gemeinschaften zu würdigen, und befähigt uns, in Demut »voneinander zu lernen […], ohne zu erwarten, dass zunächst einmal die anderen von uns lernen«.352 Der Heilige Geist unterstützt dabei, »die Erinnerung zu reinigen«,353 Neues zu empfangen und auf Erneuerung in Liebe und Einheit aller Christen zu hoffen.354 Er lässt nicht zu, dass wir uns nur auf die Vergangenheit konzentrieren, an erlittenes Unrecht denken und nach rein menschlichen Kriterien urteilen. Im Gegenteil, der Heilige Geist befähigt die Christen dazu, aus der Erinnerung Kraft zu schöpfen. Er hilft, sich auf das Gute zu besinnen, das alle Christen gemeinsam von ihrem Herrn empfangen haben. Er schenkt die Kraft, das Vergangene der Vergangenheit zu überlassen, »um Jesus im Heute zu folgen und in ihm ein neues Leben zu leben«.355 Allein der Heilige Geist – betont der Papst – kann Spaltungen zwischen Katholiken und Lutheranern überwinden. 351 Siehe Z. Glaeser, Ekumenizm w nauczaniu papiez˙y po Soborze Watykan´skim II, S. 171–172. 352 Franziskus, Homilie (50. Gebetswoche für die Einheit der Christen, 25. 01. 2017), http://w2.va tican.va/content/francesco/de/homilies/2017/documents/papa-francesco_20170125_vespri -conversione-san-paolo.html (17. 04. 2017). 353 Ebenda. 354 Ebenda. 355 Ebenda.
Dem Heiligen Geist vertrauen
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Der gemeinsame Weg der Einheit ist nur mit dem Heiligen Geist möglich. Allein die Tatsache, dass sich Katholiken am Reformationsjubiläum beteiligten und dass sie zusammen mit Lutheranern an ein Ereignis erinnerten, das die Christenheit gespalten hat, ist für Franziskus eine Frucht des Heiligen Geistes, der die Hoffnung auf eine Vertiefung des ökumenischen Dialogs weckt.356 Franziskus fordert die Kirchen, Christen und Menschen guten Willens auf, sich dem Heiligen Geist zu öffnen, der neue Verhältnisse in der Welt schafft, vor allem unter Christen, die nun ohne Argwohn auf Andersartiges blicken. Er spricht von der »Heilung der Erinnerung« und vom »Gift der Abschottung«, das es abzulegen gilt.357 Er ist davon überzeugt, dass dadurch die negative Vergangenheit nicht mehr ihre Schatten auf Gegenwart und Zukunft werfen wird. Die bestehende Vielfalt kann den Dialog und die gemeinsamen Initiativen nicht a priori verhindern, sondern sollte mit Respekt akzeptiert werden. Franziskus ruft also auf, darauf zu hören, was andere zu sagen haben, und Freundschaften zu knüpfen. Das betrifft vor allem die gesamte christliche Familie, aber auch die Menschheit im Allgemeinen. Aber es bedeutet keineswegs den Verzicht auf die Schaffung gewisser allgemeinchristlicher Kirchenstrukturen. Franziskus ist davon überzeugt, dass dies möglich, ja sogar geboten ist, denn »Einheit ist mehr als ein Teil«.358 Als Symbol der Einheit steht für Franziskus das Polyeder, wo alle Elemente ineinanderfließen, miteinander verbunden sind und dennoch in der Vielfalt ihre ursprüngliche Originalität behalten.359 »Das Polyeder«, sagt Franziskus, »ist eine Einheit, aber seine Teile sind alle verschieden, jedes hat seine Besonderheit, sein Charisma. Das ist Einheit in Vielfalt«.360 Im ökumenischen Dialog, so der Papst, »versuchen alle Christen dafür zu sorgen, dass die Vielfalt vom Heiligen Geist immer harmonischer gestaltet und zur Einheit wird«.361 Der Heilige Geist – hob Franziskus mehrmals hervor – bringt keine Uniformität, sondern eine reiche,
356 Ebenda. 357 Zit. nach B. Zaja˛czkowska, Papiez˙ Franciszek o przyszłos´ci Europy. »Trzeba ja˛ ratowac´«, https://www.fronda.pl/a/papiez-franciszek-o-przyszlosci-europy-trzeba-ja-ratowac,131 301.html (30. 01. 2020). 358 Franziskus, Ansprache an die Bewegung der charismatischen Erneuerung (03. 07. 2015), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2015/july/documents/papa-fran cesco_20150703_movimento-rinnovamento-spirito.html (31. 01. 2020). 359 Franziskus, Ansprache bei dem privaten Besuch in Caserta aus Anlass der Begegnung mit Pastor Giovanni Traettino (28. 07.2014), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/j uly/documents/papa-francesco_20140728_caserta-pastore-traettino.html (17.12. 2019); EG, Nr. 233–237; P. Hocken, Druga paradygmatyczna zmiana katolickiego ekumenizmu?, in: Ekumenizm dla ewangelizacji, Hg. P. Kantyka, S. Pawłowski, Lublin 2015, S. 101–112. 360 Franziskus, Ansprache bei dem privaten Besuch in Caserta aus Anlass der Begegnung mit Pastor Giovanni Traettino (28. 07. 2014). 361 Ebenda.
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Eine dynamische Fortsetzung
schöne »Vielfalt« in der Kirche und schafft die »Vielfalt der Versöhnung«.362 Der Heilige Geist bewirkt in der Kirche zunächst eine Vielfalt der Charismen, um sie in Harmonie zu verwandeln. »Daher sagten die frühen Theologen der Kirche […] (im 3–4 Jh.): ›Der Heilige Geist ist Harmonie, denn er schafft diese harmonische Einheit in der Vielfalt.‹«363 Vom Heiligen Geist erhalten alle Christen die Gnade des Gebets und Einsatzes für die Einheit. Dabei unterstreicht Franziskus, dass der Heilige Geist alle christlichen Konfessionen durchzieht.364 Er weckt das Verlangen nach dem Gebet um Einheit und schenkt die Gnade des gemeinsamen Gebets. Vor diesem Hintergrund spricht Franziskus von der grundlegenden Bedeutung der spirituellen Ökumene und von der Ökumene des Gebets für die sichtbare Einheit in der Kirche Christi. Nach Auffassung des Papstes ist jeder Katholik eingeladen, ja verpflichtet, gemeinsam mit Lutheranern, Orthodoxen und Angehörigen anderer christlichen Gemeinschaften zu beten. Im gemeinsamen Gebet führt uns der Heilige Geist vor Augen, dass jegliche Spaltungen gegen den Willen Christi und als solche falsch sind. Sie sind ein Gegenzeugnis gegenüber der Welt. Franziskus ruft alle Christen auf, sich an der geistigen Ökumene, an der Ökumene des Gebets, an der Ökumene der gemeinsamen Bibellesung und an der Ökumene der Arbeit und Liebe zu beteiligen. Möglich ist dies aber nur, wenn sich die Menschen gegenüber dem Heiligen Geist öffnen und sich von ihm leiten lassen.365 Der Heilige Geist, dessen »Gnadenstrom alle christlichen Konfessionen durchzieht«,366 durchdringt auch jeden Menschen, der an Christus glaubt, er heiligt die gemeinsame Arbeit und führt zur Einheit. Er ist es, der zum Dialog befähigt, die Vielfalt verstehen lässt sowie Respekt und Brüderlichkeit lehrt.367 Damit dies möglich wird, bedarf es des gemeinsamen Gebets aller Christen: »Die Arbeit an der Einheit der Christen beginnt mit dem Gebet.«368 Im ökumenischen Gebet sieht Franziskus die Voraussetzung für das Streben nach der Einheit aller Christen.369 Er ist davon überzeugt, dass der Heilige Geist, der das Verlangen nach dem Gebet um Einheit weckt, auch derjenige ist, der »kunstvoll Verbindungen der Gemeinschaft unter uns knüpfen kann und so auch uns zu Handwerkern der Einheit unter unseren Mitmenschen macht, damit
362 Ebenda. 363 Ebenda. 364 Franziskus, Ansprache an die Bewegung der charismatischen Erneuerung (03. 07. 2015), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2015/july/documents/papa-fran cesco_20150703_movimento-rinnovamento-spirito.html (31. 01. 2020). 365 Ebenda. 366 Ebenda. 367 Ebenda. 368 Ebenda. 369 Ebenda.
Dem Heiligen Geist vertrauen
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unsere Unterschiede nicht zu Spaltungen werden«.370 In diesem Zusammenhang erinnert der Papst auch daran, dass Lutheraner und Katholiken zulassen sollten, »dass der Heilige Geist uns mit den Waffen des Dialogs, des Verständnisses, der Suche nach gegenseitigem Respekt und Brüderlichkeit bekleidet«.371 Er knüpft an die positiven Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Reformationsgedenken an und fordert, alte Vorurteile nicht mit Hilfe praktischer Mittel (z. B. gemeinsamer karitativer Aktivitäten), sondern und vor allem durch gemeinsame ökumenische Gebete zu überwinden.372 Er bringt seine feste Überzeugung zum Ausdruck, dass das Gebet die »Seele der ökumenischen Erneuerung und der Sehnsucht nach der Einheit«373 bleibt. Franziskus erinnert auch daran, dass der Heilige Geist im ökumenischen Gebet sowohl die Bekehrung der Herzen als auch die Versöhnung vollbringt.374 Nur er schenkt die Kraft, um auf dem ökumenischen Weg voranzuschreiten, er weckt Demut angesichts der Schuld für die Spaltung der Kirche und für die Jahrhunderte der Vorurteile.375 Vor allem reinigt der Heilige Geist das Gedächtnis, erneuert innerlich, hilft dabei, die gemeinsamen Glaubensquellen wiederzuentdecken, stiftet geistige Verbundenheit, macht uns zu Brüdern und Schwestern in Christus und stärkt die Gemeinschaft.376 Im Vertrauen auf den Heiligen Geist sieht der Papst nicht nur eine Chance auf Fortschritte im ökumenischen Dialog, sondern auch auf die Schaffung der Einheit in der Vielfalt.377 Franziskus ist davon überzeugt, dass mit Hilfe des Heiligen Geistes alle Christen (auch Katholiken) die theologischen und geistigen Gaben der Reformation erkennen werden.378 Bei seinem Vertrauen auf den Heiligen Geist vergisst er aber nicht das Engagement der menschlichen Bemühungen für eine prakti-
370 Franziskus, Ansprache während der ökumenischen Begegnung im Dom zu Riga (Lettland, Riga, 24. 09. 2018), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2018/september/d ocuments/papa-francesco_20180924_incontroecumenico-riga-lettonia.html (25. 02. 2019). 371 Ebenda. 372 Franziskus, Antwortschreiben an Kardinal Marx und Landesbischof Dr. Bedford-Strohm zum Reformationsgedenken 2017 (31. 01. 2018), http://www.vatican.va/content/francesco/de /letters/2018/documents/papa-francesco_20180131_lettera-card-marx.html (12. 03. 2020). 373 Ebenda. Siehe auch UUS Nr. 28. 374 Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Pilgerfahrt der Lutheraner (13. 10. 2016). 375 Ebenda. 376 Franziskus, Ansprache an die Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (06. 02. 2017), http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2017/february/documen ts/papa-francesco_20170206_chiesa-evangelica.html (17. 06. 2018). 377 Ebenda. Vgl. auch A. Nossol, Ekumenizm jako imperatyw chrzes´cijan´skiego sumienia. Przez dialog i pojednanie ku ekumenicznej jednos´ci, Opole 2001. 378 Vgl. M. J. Uglorz, Ekumeniczne znaczenie teologii Marcina Lutra, »Collectanea Theologica« 85 (2015), Nr. 3, S. 99–122.
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sche, wissenschaftliche und geistliche Ökumene.379 Der geistliche Ökumenismus ist insofern von Bedeutung, als er eine innere Wandlung erfordert, ohne die es keine Einheit geben kann. Die Spaltung in der Kirche Christi ist die Folge einer Sünde, während die Bekehrung die Einheit wieder möglich macht. Die Bekehrung, wiederholte der Papst mehrmals, äußert sich in einem Leben, das gemäß dem Evangelium gelebt wird.380 Die Einheit von Katholiken und Lutheranern als Frucht des Heiligen Geistes ist nach Franziskus keinesfalls mit Uniformität gleichzusetzen.381 Die Schwestern und Brüder verbindet nämlich ihre gemeinsame Herkunft, auch wenn sie sonst unterschiedlich sind. Papst Franziskus ruft zum Gebet auf, in dem das Verhältnis von Katholiken und Lutheranern reflektiert wird, das eine Quelle der Gnade Gottes ist und als Geschenk der Einheit diese zur vollen Blüte bringt.382 Im Gebet blicken Katholiken und Lutheraner aufeinander aus der richtigen Perspektive, das heißt aus der Perspektive des Vaters, und erkennen einander dabei als Schwestern bzw. Brüder.383 Nach Auffassung von Franziskus gedeiht gegenwärtig in der Ökumene am stärksten die Ökumene des Blutes, also die Ökumene der Märtyrer. In seinen Ansprachen ging der Papst mehrmals auf dieses so wichtige Element seiner ökumenischen Pädagogik ein.384 Er stellte fest, dass das Christentum heute die am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft ist. »Einheit, damit uns das Blut der heutigen Märtyrer eins werden lässt. Es gibt die Ökumene des Blutes. Wir wissen, dass jene, die Jesus hassen, die Christen, die sie töten, nicht fragen: ›Bist du Lutheraner, orthodox, evangelisch, Wiedertäufer, Methodist?‹ Du bist Christ! Und sie schneiden ihm die Kehle durch. Sie machen keinen Unterschied, sie wissen, dass da eine Wurzel ist, die uns allen Leben schenkt und die sich Jesus Christus nennt. Dass da der Heilige Geist ist, der uns alle der Einheit zuführt! Jene, die vom Teufel geleitet, Jesus Christus hassen, machen keine Fehler. Sie wissen es und deshalb töten sie, ohne Fragen zu stellen.«385 379 Franziskus, Ansprache an die Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (06. 02. 2017); siehe auch T. Kałuz˙ny, Z. J. Kijas (Hg.), Ekumenizm doktrynalny. Schyłek czy nowy pocza˛tek?, Kraków 2018. 380 Franziskus, Ansprache an die Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (06. 02. 2017). 381 Vgl. Franziskus, Ansprache an Seine Gnaden Justin Welby, Erzbischof von Canterbury und Primas der anglikanischen Gemeinschaft (14.06. 2013), http://w2.vatican.va/content/francesco /de/speeches/2013/june/documents/papa-francesco_20130614_welby-canterbury.html (07. 02. 2020). 382 Siehe KAI, Franciszek do luteranów. Modlitwa jest benzyna˛ w podróz˙y do pełnej jednos´ci, http://wiez.com.pl/2017/12/08/franciszek-do-luteranow-modlitwa-jest-benzyna-w-pod rozy-do-pelnej-jednosci/ (28. 01. 2020). 383 Ebenda. 384 Franziskus, Ansprache beim Höflichkeitsbesuch bei Papst Tawadros II., koptisch-orthodoxes Patriarchat, Ägypten (28. 04. 2017), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2 017/april/documents/papa-francesco_20170428_egitto-tawadros-ii.html (31. 01. 2020). 385 Franziskus, Ansprache an die Bewegung der charismatischen Erneuerung (03. 07. 2015).
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Mit anderen Worten: Für die Verfolger ist nicht die konfessionelle Zugehörigkeit der Christen ausschlaggebend, sondern ihre Zugehörigkeit zu Christus. Christen verschiedener Konfessionen geben ihr Leben hin wegen Jesus Christus, dem sie dienen und dessen Zeichen sie sind, das die Welt nicht annehmen will. Das Blut der heutigen Märtyrer – hebt Franziskus hervor – mahnt und erinnert uns an die Ewigkeit. Es weist alle Christen auf das wahre Fundament der Einheit hin, das in Christus gelegt wurde. Das Blut der heutigen Märtyrer zeigt auch, dass allein Christus uns vereinen vermag. Auf ihrem Weg zu ihm begeben sich Christen in Richtung Einheit, so Franziskus.386 Der Papst kennt nicht nur die Bedeutung der gemeinsamen Quellen des Glaubens, die Katholiken und Lutheraner aufs Neue entdecken, sondern auch die Bedeutung der Ökumene des Blutes und der Offenheit gegenüber dem Heiligen Geist, der in Liebe und Gebet gereinigten Erinnerung. Er denkt aber auch an die praktische Zusammenarbeit bei der Verkündigung des Evangeliums und beim Dienst am Nächsten.387 Diese gemeinsame Evangelisation bringt Katholiken und Lutheraner näher zueinander, stärkt ihre geistlichen Bindungen und fördert ihre Zusammenarbeit im Streben nach der vollständigen Einheit. Als besonders wichtig unterstreicht der Papst die Kooperation bei sozialen Themen (wie Unterstützung für Arme, Notleidende, Ausgeschlossene) und bei der Bewahrung des Friedens und der Schöpfung. Dieser Ökumenismus, der deutlich pädagogische Züge trägt, wird von Papst Franziskus mit Leidenschaft praktiziert und findet innerhalb der römisch-katholischen Kirche und in der gesamten Christenheit, auch unter Lutheranern, zahlreiche Nachahmer. Er wirkt sich nicht nur auf den theologischen Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern sowie auf Gespräche mit allen aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften aus, sondern er berührt auch soziale Fragen. Mit Nachdruck weist Franziskus somit auf das gemeinsame Zeugnis hin, welches das Bild der Christen in einer säkularisierten Welt zurechtrückt und die Wirksamkeit seiner ökumenischen Pädagogik verstärkt.
2.
Der Dialog als Paradigma einer ökumenischen Kultur
Papst Franziskus setzt das nachkonziliare Denken seiner Vorgänger fort. Er kennt die Bedeutung, die dem Dialog bei den Bemühungen um die Einheit von Katholiken und Lutheranern zukommt. Die Kultur des Dialogs, die auf dem Fundament von gemeinsamen Werten und Zusammenarbeit basiert, soll – so der 386 Ebenda. 387 Franziskus, Ansprache an die Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (06. 02. 2017).
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Papst – weiter gefördert und der Dialog zum Paradigma der ökumenischen Kultur gemacht werden.388 Er sagt, dass »dies der Weg ist, den wir unermüdlich beschreiten sollen, damit wir gemeinsam die Spannungen und das Unverständnis, die Masken und die Klischees überwinden können, die stets zu Angst und Konfrontation führen; und so soll einem Geist fruchtbarer und respektvoller Zusammenarbeit der Weg eröffnet werden. Es ist in der Tat unverzichtbar, dem Fanatismus und Fundamentalismus die Solidarität aller Glaubenden entgegenzusetzen. Hierbei haben wir als unschätzbare Bezugspunkte für unser Handeln die Werte, die uns gemeinsam sind«.389
In diesem Zusammenhang führt Franziskus weiter aus: »Daher lädt uns ein authentischer Dialog ein, nicht zu unterschätzen, wie wichtig der religiöse Faktor ist, um zwischen den Menschen Brücken zu bauen und die zuvor erwähnten Herausforderungen erfolgreich anzugehen. In der Tat führt uns der Glaube an Gott unter Achtung unserer Unterschiede dazu, die herausragende Würde jedes Menschen wie auch seine unveräußerlichen Rechte anzuerkennen. Wir glauben, dass Gott die Menschen in Bezug auf Rechte, Pflichten und Würde gleich erschaffen hat und dass er sie berufen hat, als Geschwister zu leben und die Werte des Guten, der Liebe und des Friedens zu verbreiten. Deshalb ist die Gewissens- und Religionsfreiheit – die sich nicht auf die Kultusfreiheit allein beschränkt, sondern jedem erlauben muss, entsprechend der eigenen religiösen Überzeugung zu leben – untrennbar mit der menschlichen Würde verbunden. In diesem Geist ist es immer nötig, dass wir von der einfachen Toleranz zur Achtung und Wertschätzung der anderen gelangen. Denn es geht darum, den anderen in der Besonderheit seines Glaubens zu entdecken und anzunehmen wie auch sich gegenseitig von der Verschiedenheit bereichern zu lassen. Dies geschieht in einer Beziehung, die vom Wohlwollen und von der Suche nach dem, was wir gemeinsam tun können, gekennzeichnet ist. So verstanden muss das Bauen von Brücken zwischen den Menschen unter dem Gesichtspunkt des interreligiösen Dialogs im Zeichen des Zusammenlebens, der Freundschaft und noch mehr der Brüderlichkeit erfolgen.«390
Gemäß Franziskus können nur im Dialog Spannungen, Missverständnisse und Stereotypen überwunden sowie Brücken zwischen Menschen gebaut werden – und zwar bei vollem Respekt vor den bestehenden Differenzen. Im ökumenischen Dialog gilt es nicht nur, verschiedene Standpunkte miteinander zu vergleichen, sondern auch Unterschiede, welche die volle Einheit behindern, konstruktiv zu analysieren. Der Dialog ist neben dem Gebet und der Bekehrung eine Voraussetzung für eine individuelle und gemeinschaftliche Verwirklichung einer
388 Siehe Franziskus, Ansprache von Papst Franziskus (Marokko, Esplanade vor dem HassanTurm, 30. 03. 2019), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2019/march/doc uments/papa-francesco_20190330_autorita-marocco.html (07. 02. 2020). 389 Ebenda. 390 Ebenda.
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Person.391 Das bestätigten u. a. die Feierlichkeiten im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum. Daran erinnert Franziskus immer wieder, wie z. B. anlässlich des Treffens mit Vertretern des ökumenischen Kirchenrates in Rabat (Marokko).392 Für ihn markiert das Reformationsjubiläum eine wichtige Etappe im Prozess der Überwindung von gegenseitigen Vorurteilen. Franziskus weiß um die Erwartungen der Katholiken und Lutheraner und ihm ist klar, dass das gemeinsame Reformationsgedenken noch kein Beweis für die erreichte Einheit ist – vielmehr eine Einladung, den ökumenischen Dialog fortzusetzen. Zu Recht erinnerte der Papst daran, dass im Ökumenismus das Verhältnis zwischen Du und Ich eine wichtige Rolle spielt.393 Es verläuft nicht nur horizontal (die Beziehung zwischen Katholiken und Lutheranern, die menschliche Verfassung mit ihrer Sündhaftigkeit, die Wahrnehmung des Anderen als Partner und die Akzeptanz seiner Andersartigkeit), sondern auch und vor allem vertikal (Gott als Herr der Geschichte, Erlöser und Quelle der Versöhnung).394 Franziskus ruft Katholiken und Lutheraner dazu auf, füreinander offen zu sein und einander zu verstehen. Sehr häufig spricht er vom gemeinsamen Weg, von der Bedeutung der Begegnung und des Gesprächs, von der Annäherung bzw. Hinwendung zum Herzen Christi, von gegenseitiger Hilfe und vom gemeinsamen Dienst an den Bedürftigen.395 Im Streben nach der Einheit sollte man stets bemüht sein, die Differenzen in der Lehre und der Pastoraltheologie auszuräumen.396 Der ökumenische Dialog, so der Papst, dürfe nicht elitär bleiben und soll möglichst viele Menschen umfassen. Diesem Ziel dient auch der Dialog, in dessen Rahmen die
391 Siehe P. Kantyka, Dialog ekumeniczny, »Studia Nauk Teologicznych PAN« 5 (2010), S. 187– 197. 392 Siehe Franziskus, Ansprache während des Treffens mit Priestern, Ordensleuten, Personen des geweihten Lebens und dem ökumenischen Kirchenrat (Marokko, Rabat, 31.03. 2019), http:// www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2019/march/documents/papa-francesco_201 90331_sacerdoti-marocco.html (21. 08.2019). 393 Franziskus, Ökumenische Begegnung mit den Jugendlichen. Ansprache von Papst Franziskus (Estland, evangelisch-lutherische Karlskirche in Tallinn, 25. 09. 2018), http://www.vatican.va /content/francesco/de/speeches/2018/september/documents/papa-francesco_20180925_gi ovani-tallinn-estonia.html (07. 02. 2020). 394 Vgl. UUS Nr. 28–40; P. Błasiak, Zaangaz˙owanie papiez˙a Franciszka w dialog ekumeniczny w latach 2013–2018, »Studia Paradyskie« 29 (2019), S. 11–46. 395 Franziskus, Ökumenische Begegnung mit den Jugendlichen. Ansprache von Papst Franziskus (Estland, evangelisch-lutherische Karlskirche in Tallinn, 25. 09. 2018); Franziskus, Besuch des Heiligen Vaters beim Weltkirchenrat in Genf zu dessen 70. Gründungstag. Ansprache des Heiligen Vaters (Genf, ökumenisches Zentrum ÖRK, 21. 01. 2018), http://www.vatican.va /content/francesco/de/speeches/2018/june/documents/papa-francesco_20180621_pellegrin aggio-ginevra.html (17. 02. 2020). 396 B. Zaja˛czkowska, Franciszek: ekumenizm wcia˛z˙ musi znaczyc´ nasza˛ droge˛, https://www.vati cannews.va/pl/papiez/news/2018-06/franciszek-ekumenizm-ewangelicy-niemcy-reformacj a-upamietnienie.html (17. 02. 2020).
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Beteiligten mit Glaubensunterschieden konfrontiert werden.397 Hier denkt der Papst sowohl an den Dialog der Wahrheit als auch an den Dialog der Liebe.398 Der Dialog der Wahrheit konzentriert sich auf das Suchen und das gemeinsame Finden, Erkennen und Interpretieren der Wahrheit.399 Hier geht es nicht um einen gemeinsamen Standpunkt, der verhandelt werden kann. Im Gegenteil: Hier wird versucht, auf dieselbe Wahrheit mit den Augen des Partners zu schauen. In seiner tiefsten Dimension geht es im Dialog der Wahrheit um die Person Christi.400 Zu Recht erinnert Franziskus daran, dass Fragen der Kirche, der Eucharistie und des Weiheamtes weiterer theologischer Gespräche bedürfen. Somit ist der Dialog der Wahrheit zwar wichtig, doch nicht ausreichend. Die Bemühungen um die Einheit zwischen Katholiken und Lutheranern bedürfen noch des Dialogs der Liebe, der als schwesterlich-brüderliche und freundschaftliche Beziehung verstanden wird. Ohne den Dialog der Liebe, sagt Franziskus, gibt es keinen authentischen Dialog der Wahrheit.401 Beide Arten des Dialogs haben zum Ziel, Trennendes zu überwinden und Verbindendes zu finden. Voraussetzungen dafür sind auf beiden Seiten, also bei Katholiken und Lutheranern, Bekehrung der Herzen, Liebe, Demut, Offenheit und Reinigung der Erinnerung. Der andere darf nicht mehr als Gegner gesehen werden. Der Papst sagt: »Die Kirche muss aus Treue zu ihrem Herrn und Meister in Dialog treten. Dieser hat von Anfang an, aus Liebe, in Dialog treten wollen, so wie ein Freund, um uns einzuladen, an seiner Freundschaft teilzuhaben […]. So sind wir als Jünger Jesu Christi vom Tag unserer Taufe an dazu berufen, an diesem Dialog des Heils und der Freundschaft, dessen erste Beschenkte wir sind, teilzuhaben.«402
Im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Reformationsgedenken brachte Franziskus seine Hoffnung zum Ausdruck, dass man mit Hilfe des Heiligen Geistes die immer noch vorhandenen Differenzen überwinden kann. Bezeichnend waren seine Worte, die er an das deutsche Komitee des Lutherischen Weltbundes und Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirchen aus Deutschland richtete.403 Damit erinnerte der Papst daran, dass sich die vergangenen 500 Jahre als häufig schmerzvolle Geschichte dargestellt haben, die von Kon-
397 398 399 400
EG Nr. 244–246. Ebenda. Ebenda. Ebenda. Vgl. UUS Nr. 34–35; B. Zaja˛czkowska, Franciszek: ekumenizm wcia˛z˙ musi znaczyc´ nasza˛ droge˛. 401 EG Nr. 244–246. Vgl. B. Zaja˛czkowska, Franciszek: ekumenizm wcia˛z˙ musi znaczyc´ nasza˛ droge˛. 402 Franziskus, Ansprache während des Treffens mit Priestern, Ordensleuten, Personen des geweihten Lebens und dem ökumenischen Kirchenrat (Marokko, Rabat, 31. 03. 2019). 403 Vg. B. Zaja˛czkowska, Franciszek: ekumenizm wcia˛z˙ musi znaczyc´ nasza˛ droge˛.
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flikten und Trennungen gekennzeichnet war. Und dennoch haben die letzten 50 Jahre Katholiken und Lutheraner für die Gemeinschaft geöffnet. »Durch das Wirken des Heiligen Geistes, brüderliche Begegnungen, wichtige Gesten, die vielmehr vom Evangelium als von menschlicher Strategie gekennzeichnet waren, auch dank des offiziellen katholisch-lutherischen Dialogs, wurde auf beiden Seiten die Überwindung von früheren Vorurteilen möglich.«404
Franziskus sprach ferner von seiner Hoffnung auf die Überwindung von immer noch bestehenden Differenzen: »Das gemeinsame Reformationsgedenken hat uns bestätigt, dass der Ökumenismus weiterhin unseren Weg kennzeichnen wird. Er wird immer mehr zur Notwendigkeit und [zum] Verlangen, was gemeinsame Gebete und zahlreiche ökumenische Begegnungen bestätigen, die im vergangenen Jahr stattfanden. Wir dürfen nicht vergessen, mit einem Gebet zu beginnen, damit nicht menschliche Projekte den Weg kennzeichnen, sondern der Heilige Geist. Nur er öffnet den Weg und beleuchtet die Schritte, die es zu gehen gilt. Der Geist der Liebe kann uns allein auf Wege der Barmherzigkeit führen. Als Christen, Katholiken und Lutheraner, sind wir vor allem zur Liebe aufgerufen, ›habt ihr euer Herz rein gemacht für eine aufrichtige geschwisterliche Liebe‹, denn ›ihr seid neu gezeugt worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt‹ (1 P 1, 22–23). Die Leiden so vieler Brüder, die wegen des Glaubens an Jesus Christus verfolgt wurden, sind ein dringender Appell um eine immer konkreter werdende und sichtbare Einheit unter uns.«405
Zu Recht ruft der Papst zum Gebet um die Einheit auf, denn das Gebet sei Voraussetzung und Stärkung eines authentischen Dialogs: »Auch im Gebet können wir wie beim Gehen nicht alleine voranschreiten, weil die Gnade Gottes sich eher harmonisch unter den Glaubenden ausbreitet, die sich lieben, als dass sie sich auf Einzelmaß zuschneiden ließe. Wenn wir ›Vater unser‹ sagen, erklingt in uns unsere Kindschaft, aber auch unser Geschwistersein. Das Gebet ist der Sauerstoff der Ökumene. Ohne Gebet wird die Gemeinschaft leblos und sie schreitet nicht voran, weil wir dem Windhauch des Geistes verwehren, sie anzutreiben. Fragen wir uns: Wie viel beten wir füreinander? Der Herr hat gebetet, dass wir eins seien: Ahmen wir ihn darin nach?«406
404 Ebenda. 405 Ebenda. Vgl. EG Nr. 244–246. 406 Franziskus, Franziskus’ Besuch des Heiligen Vaters beim Weltkirchenrat in Genf zu dessen 70. Gründungstag. Ansprache des Heiligen Vaters (Genf, ökumenisches Zentrum ÖRK, 21. 01. 2018).
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3.
Eine dynamische Fortsetzung
Zusammenarbeit »über alle Gräben hinweg« aufnehmen
Ein wesentliches Novum der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus ist sein Hinweis auf die »Ökumene der Werke«, konkretisiert u. a. in der Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Lutheranern beim Eintreten für Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit. Zu einem solchen Dialog ruft Franziskus alle Christen auf.407 Ohne die Suche nach der Einheit im Glauben zu vergessen, appelliert der Papst unermüdlich an alle für die Einheit in sozialer Arbeit.408 In Bezug auf die Fragen der Umwelt und des Sozialen muss diese Zusammenarbeit nachhaltig und systematisch sein. Franziskus hebt besonders die Herausforderungen hervor, die vor der Evangelisation und der karitativen Arbeit stehen. Wichtig sind in seinen Augen die Zusammenarbeit bei der Verkündigung des Evangeliums sowie gemeinsame seelsorgerische Initiativen, mit deren Hilfe Missverständnisse ausgeräumt, Vorurteile überwunden und christliche Werte verbreitet werden (etwa die Würde der Person des Menschen, der Schutz des Lebens, die Ehe, die Familie, der Frieden und die Gerechtigkeit). In diesem Zusammenhang spricht Franziskus von einem systematischen Engagement zugunsten der Armen und der gemeinsamen Werke der Liebe.409 Weiter spricht er von der gemeinsamen Sorge um die Schöpfung und von ihrem Schutz sowie vom klugen Wirtschaften in der geschaffenen Welt.410 Nur so können Christen zu glaubwürdigen Zeugen Christi werden.411 Die heutigen sozialen, religiösen, kulturellen und politischen Probleme stellen gemäß Franziskus eine gemeinsame ökumenische Herausforderung für alle Christen dar, jenseits ihrer konfessionellen Zugehörigkeit.412 Damit bedeuten sie eine gemeinsame Aufgabe in der Verkündigung und Ausführung karitativer 407 Siehe Franziskus, Ansprache während der ökumenischen Veranstaltung im Malmö-Stadion (Malmö, 31. 10. 2016), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2016/october/ documents/papa-francesco_20161031_svezia-evento-ecumenico.html (19. 01. 2017). 408 Siehe Franziskus, Ansprache während der Begegnung mit den evangelischen Gemeinschaften (Zentralafrikanische Republik, Bangui, 29. 11. 2015), http://w2.vatican.va/content/francesco /de/speeches/2015/november/documents/papa-francesco_20151129_repubblica-centrafric ana-comunita-evangeliche.html (19. 12. 2016). 409 Siehe Franziskus, Ansprache während des Treffens mit Priestern, Ordensleuten, Personen des geweihten Lebens und dem ökumenischen Kirchenrat (Marokko, Rabat, 31. 03. 2019), http://w 2.vatica.va/content/francesco/de/speeches/2019/march/documents/papa-francesco_20190331 _sacerdoti-marocco.html (21.08. 2019). 410 Siehe Franziskus, Enzyklika Laudato si (24. 05. 2015), AAS 107 (2015), S. 847–945; http://www.va tican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laud ato-si.html (16. 08. 2019) [ferner = LS]. 411 Franziskus, Ansprache während des Treffens mit Priestern, Ordensleuten, Personen des geweihten Lebens und dem ökumenischen Kirchenrat (Marokko, Rabat, 31. 03. 2019). 412 Siehe Franziskus, Ansprache während der ökumenischen Veranstaltung im Malmö-Stadion (Malmö, 31. 10. 2016), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2016/october/ documents/papa-francesco_20161031_svezia-evento-ecumenico.html (26. 08. 2019).
Zusammenarbeit »über alle Gräben hinweg« aufnehmen
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Arbeit. Franziskus erinnert daran, dass die Anfänge der ökumenischen Zusammenarbeit im Zeichen der Missionsbewegung standen.413 Heute finden viele Katholiken, Lutheraner und auch Orthodoxe ihre Einheit in gemeinsamer missionarischer Arbeit und im Rahmen konkreter karitativer Initiativen.414 Voraussetzungen für eine ökumenische Kooperation als Zusammenarbeit »über alle Gräben hinweg« sind ein kritischer Umgang mit der Moderne und die Wahrnehmung der Welt im Lichte des Wortes Gottes. Viele Katholiken und Lutheraner vereint heute etwa der Schutz der Familie, der Widerstand gegen die Verdrängung der Religion aus vielen Bereichen des öffentlichen Lebens oder die Evangelisation unter Atheisten.415 Die sozialen (wie Armut) und ökologischen Probleme von heute können nach Franziskus zur Annäherung von Christen verschiedener Traditionen beitragen, indem sie gemeinsam nach Lösungen suchen und so ein glaubwürdiges Zeugnis über das Primat Gottes in einer säkularisierten Gesellschaft ablegen.416 Christen sind geradezu berufen, die Leiden und Nöte der Armen, Verfolgten und Bedürftigen zu lindern.417 Auf dem Weg zu einer vollständigen und sichtbaren Einheit sind Christen dazu eingeladen, nicht nur den ökumenischen Dialog zu führen, sondern einander im Alltag auch gegenseitig zu unterstützen. Franziskus betont zudem, dass Katholiken und Lutheraner keinen ökumenischen Dialog ohne ein gemeinsames Engagement für die Evangelisation und die sozialen Initiativen (beispielsweise in den Bereichen Menschenrechte, Frieden, Bildung oder Erziehung von Kindern und Jugendlichen) führen können.418 Neben den gemeinsamen Gebeten um die Einheit gilt für den Papst der Einsatz für die Bedürftigen, Leidenden, Armen und Verfolgten als besonders wichtig.419 Es ist notwendig, Geflüchteten und Asylsuchenden zu helfen, denn gemeinsame 413 Siehe Franziskus, Ansprache während des Besuchs beim Weltkirchenrat in Genf zu dessen 70. Gründungstag (21. 06. 2018), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/201 8/june/documents/papa-francesco_20180621_pellegrinaggio-ginevra.html (01. 02. 2020). 414 Siehe Franziskus, Ansprache während der ökumenischen Veranstaltung im Malmö-Stadion (Malmö, 31. 10. 2016). 415 Siehe ebenda; Franziskus, Ansprache an die Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirche Finnlands (19. 01. 2019). 416 Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer der Pilgerfahrt der Lutheraner (13. 10. 2016), http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2016/october/documents/papa-f rancesco_20161013_pellegrinaggio-luterani.html (24. 08. 2019). 417 Franziskus, Antwortschreiben an Kardinal Marx und Landesbischof Dr. Bedford-Strohm zum Reformationsgedenken 2017 (31. 01. 2018). 418 Ebenda. Siehe auch interessante Vorhaben angesichts der ökumenischen Herausforderungen im Bereich Religionspädagogik: U. Link-Wieczorek, Ökumenische Herausforderungen für die Religionspädagogik, https://www.theo-web.de/zeitschrift/ausgabe-2014-02a /14.pdf (02. 02. 2020). 419 Franziskus, Pressekonferenz auf dem Rückflug aus Armenien (26. 06. 2016), http://www.vati can.va/content/francesco/de/speeches/2016/june/documents/papa-francesco_20160626_ar menia-conferenza-stampa.html (19. 12. 2016).
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Unterstützung für diese Menschen ist eine Geste der Solidarität und der Anerkennung ihrer Würde.420 Franziskus dazu: »Für uns Christen ist es eine Priorität, den Ausgeschlossenen – weil sie aus ihrer Heimat ausgeschlossen sind – und an den Rand Gedrängten unserer Welt entgegenzugehen und die Zärtlichkeit und die barmherzige Liebe Gottes, der niemanden ausschließt, sondern alle aufnimmt, spürbar zu machen. Von uns Christen wird heute verlangt, die Revolution der Zärtlichkeit in Gang zu bringen.«421
In ihrer Zusammenarbeit für Geflüchtete und Ausgeschlossene sind Katholiken und Lutheraner ein leuchtendes Beispiel für Einheit im Handeln. Sie sind auch Zeugen der christlichen Hoffnung auf Frieden und Versöhnung in der Welt.422 Franziskus spricht häufig von der Diakonie. Sie entspricht dem Willen Christi, der »nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen«. (Mk 10,45) »Der vielfältige und intensive Dienst der Kirchen […] findet sinnbildlichen Ausdruck im Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens. Die Glaubwürdigkeit des Evangeliums wird durch die Art und Weise auf die Probe gestellt, in der die Christen auf den Ruf derer antworten, die in allen Winkeln der Erde durch Ungerechtigkeit, Opfer der tragischen Zunahme eines Ausschlusses sind, der Armut erzeugt und Konflikte nährt. Die Schwachen werden immer mehr ausgegrenzt, ohne Brot, Arbeit und Zukunft, während die Reichen immer weniger und immer reicher werden.«423
Er ruft dazu auf, »sehenden Herzens« zu sein und sich nicht vor dem Leiden der Schwestern und Brüder zu verschließen, die in so vielen Teilen der Welt, vor allem im Nahen Osten, leiden, nur weil sie Christen sind.424 Franziskus erinnert auch daran, dass »unserem ökumenischen Weg eine schon verwirklichte Ökumene vorausgeht und ihn begleitet, die Ökumene des Blutes, die uns auffordert, weiter zu gehen«.425 Dabei dürfen es Katholiken und Lutheraner aber nicht belassen. Sie sind nämlich, so der Papst, dazu angehalten, gemeinsam praktische Liebe an Armen, Alten, Behinderten, Schwachen und Bedürftigen zu üben.426 Sie sollen auch der menschlichen Familie dienen und die Schöpfung bewahren. Ökologi-
420 Gemeinsame Erklärung in Lund. 421 Franziskus, Ansprache während der ökumenischen Veranstaltung im Malmö-Stadion (Malmö, 31. 10. 2016). 422 Ebenda. 423 Franziskus, Ansprache während des Besuchs beim Weltkirchenrat in Genf (21. 06. 2016), http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2018/june/documents/papa-france sco_20180621_preghiera-ecumenica-ginevra.html (07. 08. 2019). 424 Ebenda. 425 Ebenda. 426 Ebenda.
Zusammenarbeit »über alle Gräben hinweg« aufnehmen
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sches Engagement, sagt der Papst, hat eine ökumenische Dimension.427 Dieser Dienst erfordert eine weise und verantwortungsbewusste Planung gemeinsamer Aktivitäten, in denen sich die Brüderlichkeit niederschlägt.428 Die Zusammenarbeit der Christen »über alle Gräben hinweg« ermöglicht es den anderen (z. B. den Geflüchteten), die in Jesus Christus offenbarte Liebe Gottes zu zeigen und zu bezeugen, dass »jede Person für Gott wertvoll ist und von ihm geliebt wird«.429 Da es immer noch Trennungen gibt, kann die Christenheit noch nicht uneingeschränkt als Zeichen der Liebe Gottes gelten. Zusammenarbeit, vor allem für diejenigen, deren Leben besonders schutzlos ist, macht alle Menschen – Protestanten, Katholiken, Orthodoxe – zu besseren Menschen bzw. besseren Jüngern Christi und bringt sie als Gottesvolk näher zueinander. Sie führt auch zu der von Gott gewollten Einheit.430 In seiner ökumenischen Lehre legt der Papst großen Wert auf die Zusammenarbeit »über alle Gräben hinweg« und kehrt dabei immer wieder zu dem Thema der Gastfreundschaft zurück.431 Diese hält er für eine wichtige ökumenische Tugend, die sich im Handeln konkretisiert: »[…] Gastfreundschaft ist wichtig und sie ist auch eine wichtige ökumenische Tugend. Vor allem bedeutet sie zu erkennen, dass die anderen Christen wirklich unsere Schwestern und Brüder in Christus sind. Wir sind Geschwister. […] Es ist kein Akt der Großherzigkeit, der nur in eine Richtung geht, denn wenn wir anderen Christen Gastfreundschaft erweisen, dann nehmen wir sie als Geschenk an, das uns gemacht wird. […] Christen einer anderen Tradition aufzunehmen bedeutet in erster Linie, ihnen die Liebe Gottes zu erweisen, weil sie Kinder Gottes – unsere Brüder und Schwestern – sind. Außerdem bedeute es, das anzunehmen, was Gott in ihrem Leben vollbracht hat.«432
Weiter führt der Papst aus: »Die ökumenische Gastfreundschaft verlangt die Bereitschaft, den anderen zuzuhören, ihren persönlichen Glaubensgeschichten und der Geschichte ihrer Gemeinschaft, einer Glaubensgemeinschaft mit einer anderen Tradition als der unseren, Aufmerksamkeit zu schenken. Die ökumenische Gastfreundschaft bringt den Wunsch mit sich, die Er427 Siehe LS. Vgl. B. Ferdek, Eko-dogmatyka encykliki Laudato si, »Studia Oecumenica« 15 (2015), S. 5–19; cf. G. Chojnacki, »Ein gutes Leben führen«. Die Rezeption der Enzyklika ›Laudato si‹ von Papst Franziskus im deutschen ökumenischen Dialog, »Studia Oecumenica« 15 (2015), S. 41–54. 428 Franziskus, Ansprache während des Besuchs beim Weltkirchenrat in Genf (21. 06. 2016). 429 Franziskus, Generalaudienz (22. 01. 2020), http://www.vatican.va/content/francesco/de/audi ences/2020/documents/papa-francesco_20200122_udienza-generale.html (02. 02. 2020). 430 Ebenda. 431 Siehe Franciszek, Gos´cinnos´´c to waz˙na cnota ekumeniczna, https://ekai.pl/franciszek-goscin nosc-to-wazna-cnota-ekumeniczna/ (02. 02. 2020); P. Pasierbek, Bycie chrzes´cijaninem oznacza bycie gos´cinnym, https://www.vaticannews.va/pl/kosciol/news/2020-01/wlochy-rumu nia-prawoslawni-ekumenizm-migranci.html (02. 02. 2020). 432 Franziskus, Generalaudienz (22. 01. 2020), http://www.vatican.va/content/francesco/de/audi ences/2020/documents/papa-francesco_20200122_udienza-generale.html (02. 02. 2020).
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Eine dynamische Fortsetzung
fahrung kennenzulernen, die andere Christen mit Gott machen, und die Erwartung, die geistlichen Gaben zu empfangen, die daraus entspringen. Und das ist eine Gnade, das zu entdecken ist eine Gnade.«433
Er ergänzt: »Wir sind Geschwister […] und wir müssen einander Gastfreundschaft erweisen.«434 Die Verwirklichung dieser Tugend in der Praxis schenkt Freude und weckt die Hoffnung auf Einheit im Werk der Evangelisierung und im gemeinsamen Dienst am Nächsten, insbesondere an den Armen und Bedürftigen. Sie zeugt von der Offenheit gegenüber dem Heiligen Geist und der Überwindung der Versuchung, die Zusammenarbeit und den Dialog nur vorzutäuschen, um in Wirklichkeit die eigenen Interessen wahren zu wollen. So wie auch andere Formen ökumenischen Engagements erfordert die Zusammenarbeit von Katholiken und Lutheranern »über alle Gräben hinweg« Optimismus als Folge der Einsicht, dass die Einheit der Christen ein Geschenk des Heiligen Geistes und keine Frucht menschlicher Logik und menschlichen Tuns ist.435 Allein der Heilige Geist kann die Einheit vollenden, obwohl nicht vorauszusagen ist, wann dieses Geschenk allen Christen zuteilwird. Der Heilige Geist begleitet Menschen, die sich gemeinsam für soziale Fragen und die Bewahrung der Schöpfung engagieren. Diese Zusammenarbeit zu wecken, ist ein wichtiger Bestandteil der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass sie auch einen neuen Impuls für die Schaffung der Einheit zwischen Katholiken und Lutheranern liefern kann.
433 Ebenda. 434 Ebenda. 435 Siehe P. Kantyka, Dialog ekumeniczny katolicko-protestancki – załoz˙enia, zakres, rezultaty, in: Ekumenizm w posoborowym półwieczu. Sukcesy i trudnos´ci katolickiego zaangaz˙owania na rzecz jednos´ci chrzes´cijan, Hg. M. Składanowski, T. Syczewski, Lublin 2013, S. 29–50.
Schlusswort
Die ökumenisch offene und sozial sensible Persönlichkeit von Papst Franziskus wurde durch die schweren Erfahrungen in seiner Heimat geprägt. Aufgewachsen in einer traditionell katholischen Familie, die gegenüber anderen christlichen und religiösen Traditionen verschlossen blieb, musste er allein damit zurechtkommen, in einem konfessionell gemischten Argentinien zu leben, wo das religiös und sozial »Andere« den Alltag prägte. In der Mehrheit der argentinischen Gesellschaft herrschten Armut und soziale Ungerechtigkeit. Somit ist Jorge Mario Bergoglio durch eine »harte Schule des Lebens« gegangen, die ihn als einen offenen Menschen prägte, der für die Würde des Menschen eintritt und der die Schwachen, Ausgeschlossenen und Bedürftigen im Geiste des Evangeliums begleiten will. Der Ökumenismus ist zu seiner Lebensnorm und gleichzeitig zur Herausforderung für ihn geworden. Es nimmt also nicht wunder, dass der, der in seinem Leben selbst sehr viel lernen musste und gesehen hat, nun seinen Dienst am Menschen in Kategorien einer besonderen Botschaft versteht, die auf einem tiefen Vertrauen in den Heiligen Geist beruht, das im Bezeugen Jesu Christi und seines Evangeliums Früchte tragen wird. In seiner ökumenischen Pädagogik legt Papst Franziskus großen Wert auf die Begegnung mit dem Mitmenschen. Sie hat dialogischen Charakter, so wie seine gesamte Lehre. Mit Respekt begegnet er allen kirchlichen und religiösen Traditionen. Sehr ergreifend ist das Zeugnis seiner ökumenischen Pädagogik, das er durch seine Teilnahme am Reformationsgedenken abgelegt hat. Seine Worte bestätigen nicht nur den Standpunkt des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner Vorgänger auf dem Stuhl Petri (vor allem Johannes XXIII., Johannes Paul II., Benedikt XVI.), sondern offenbaren auch eine noch größere Offenheit, die Sorge und das Engagement im Streben nach der vollständigen Einheit in der Kirche Christi, was von breiten ökumenischen Kreisen erkannt und positiv bewertet wird. Das persönliche Engagement von Papst Franziskus am ökumenischen Dialog bildet – ähnlich wie seine Worte und seine offene Haltung – ein wichtiges Element seiner ökumenischen Pädagogik. Sie spenden Mut zur aktiven Teilnahme an ökumenischen Initiativen und motivieren zum weiteren Dialog.
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Schlusswort
Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, die wesentlichen Aspekte der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus zusammenfassend darzustellen, die sich explizit auf die Person Martin Luthers und sein Erbe beziehen. Darin wurden der historische Kontext der schwierigen Debatten über den Wittenberger Reformator und den Protestantismus sowie alle Impulse berücksichtigt, die von Franziskus’ Vorgängern (etwa Johannes Paul II. und Benedikt XVI.) initiiert wurden und die zur Überwindung von Stereotypen bzw. Vorurteilen in der Luther- und Reformationsforschung beigetragen haben. Letztere soll auch einen Beitrag zur Ergründung wichtiger Felder leisten, auf denen heute die katholischlutherischen ökumenischen Beziehungen gestaltet werden. Die zurückliegende Analyse der wichtigsten Aussagen von Papst Franziskus zum theologischen und kirchlichen Erbe Martin Luthers hatte zum Ziel, die wesentlichen Aspekte seiner ökumenischen Pädagogik in diesem Zusammenhang darzustellen. Hier erscheint Franziskus nicht nur als Lehrer, sondern auch und vor allem als Erzieher. Mit gebührendem Respekt blickt er auf das beeindruckende Erbe Martin Luthers. Das bestätigen nicht nur seine Worte, sondern auch seine Kontakte mit Lutheranern. Franziskus weiß um die über Jahrhunderte angewachsenen Spaltungen, Vorurteile und Feindseligkeiten. Deswegen ruft er beide Seiten – Katholiken wie Lutheraner – zur Umkehr auf, zu einem neuen Denken übereinander und einer positiven Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen. Er unternimmt ganz konkrete Schritte in Richtung einer katholisch-protestantischen Annäherung auf vielerlei Ebenen, mit besonderem Nachdruck auf Theologie und Seelsorge. Davon zeugen seine zahlreichen Begegnungen mit Vertretern vieler evangelischer Kirchen und vor allem seine Teilnahme am Reformationsjubiläum. Daran erinnert der Papst immer wieder in seinen Ansprachen. Er ermutigt Katholiken und Lutheraner zum Dialog und zur Zusammenarbeit »über alle Gräben hinweg«. Zugleich erinnert er auch daran, dass der Weg zur Einheit ein langwieriger Prozess ist und dass sich alle Beteiligten dabei dem Heiligen Geist anvertrauen müssen. Franziskus ist immer gerne bereit, an ökumenischen Begegnungen mit Angehörigen der evangelischen Kirchen teilzunehmen. Aufmerksam verfolgt er deren theologische und soziale Botschaft. Zusammen mit ihnen bezeugt er seinen Glauben an Jesus Christus. Auf diese Weise legt er die Kriterien seiner ökumenischen Pädagogik fest. Dazu gehören vor allem seine Offenheit gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes, die Bekehrung, die Vergebung historischer Schuld, das gemeinsame Gebet, die Bereitschaft zum Martyrium, die Begegnung und der Dialog sowie die Beteiligung an gemeinsamen Vorhaben in den Bereichen Evangelisation, karitative Arbeit, Bewahrung der Schöpfung und Soziales. Bei dem gemeinsamen Streben nach Einheit in Vielfalt ist für Franziskus der gemeinsame Einsatz für die Würde eines jeden Menschen, besonders für Arme, Alte, Behinderte, Verfolgte und Schwache, von besonderer Bedeutung.
Schlusswort
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Weitere gemeinsame Betätigungsfelder sind Ehe, Familie, Bildung und Erziehung, Frieden, soziale Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Franziskus hebt hervor, dass sich Katholiken und Lutheraner in ihren ökumenischen Bemühungen nicht nur auf Fragen der Lehre beschränken sollten, denn die geistlichen und praktischen Aufgaben dürfen nicht vernachlässigt werden. Ihnen kommt in der ökumenischen Pädagogik von Papst Franziskus eine Schlüsselrolle zu. Wichtig ist zudem eine innere Erneuerung, die sich durch Bekehrung sowie private und öffentliche Gebete für die Einheit verwirklicht. Die Überwindung von Gräben, wie Franziskus mehrmals betonte, ist nur durch Buße, Bekehrung, innere Wandlung und Vergebung der Schuld möglich. Zum Wesen der ökumenischen Pädagogik von Franziskus gehört auch die Zusammenarbeit der Christen beim Werk der Evangelisation in der Welt und im gesellschaftlichen Leben – insbesondere dort, wo menschliche Würde geschützt werden muss und es um den Kampf gegen Ausgrenzung und Armut sowie um die Bewahrung der Schöpfung, praktizierte Gastfreundschaft und gegenseitige Achtung geht. Nur so können Katholiken und Lutheraner glaubwürdig ihre Zugehörigkeit zu Jesus Christus und ein Leben nach dem Evangelium bezeugen. Die ökumenische Pädagogik von Papst Franziskus setzt auch eine bewusste Erziehung junger Menschen im Respekt gegenüber anderen christlichen und religiösen Traditionen voraus. Er lehrt nicht nur, übereinander positiv zu denken und zu reden, sondern auch in wesentlichen Fragen der Kirche und der Welt miteinander zu kooperieren. Er weist darauf hin, dass man einander zuhören soll, denn das erst macht gegenseitiges Kennenlernen und partnerschaftliche Begegnung möglich. Die Glaubwürdigkeit von Papst Franziskus hat ihr Fundament in seinem Glauben an den dreieinigen Gott. Dieser Glaube ist die Quelle seiner Offenheit, Schlichtheit, Sensibilität, Bescheidenheit, Demut, Herzlichkeit und Unmittelbarkeit. Das alles – seine Verkündigung und schließlich auch seine Haltung gegenüber Martin Luther und dem Protestantismus – gibt Katholiken eine ökumenische Formierung. Es stellt eine Herausforderung dar, besonders an diejenigen, die sich der Erziehung von jungen Generationen bei Katholiken und Lutheranern verschrieben haben.
Literaturverzeichnis
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Kirchliche Dokumente
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Dokumente und Aussagen von Papst Franziskus
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Dokumente und Aussagen anderer Päpste
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III.
Ergänzende Veröffentlichungen
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Ergänzende Veröffentlichungen
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Personenregister
Bartholomäus I. (ökumenischer Patriarch) 55, 76–79 Benedikt XVI. (Papst) 7, 11, 13, 25, 37, 54– 63, 74f. 77, 79, 82, 84, 89, 105f. Bergoglio, Jorge Mario 11, 105, siehe Franziskus (Papst) Bossuet, Jacques-Bénigne 19 Bouyer, Louis 27 Boyer, Charles 27 Cassidy, Edward Idris (Kardinal) 24 Cochläus, Johannes 19f. Coggan, Donald (Erzbischof) 41 Congar, Yves (Kardinal) 27f. Craig, George 39 Cullmann, Oscar 25 Denifle, Heinrich
20, 23
Fisher, Geoffrey Francis (Erzbischof) 39 Franziskus (Papst) 7–9, 11–15, 17f., 25, 35, 37f., 54, 62–70, 72–87, 89–102, 104– 107 Frings, Joseph (Erzbischof) 54 Georg der Bärtige (Herzog von Sachsen) 19 Grisar, Hartmann 20 Haas, Christian Karl August von 20 Hanson, Mark (Bischof) 56 Heinrich, Heiliger (Bischof/Patron) 57, 74, 83
Heinrich VIII. (König) 19 Herte, Adolf 19 Hozjusz, Stanisław (Kardinal)
19
Jedin, Hubert 19, 22 Johannes Paul I. (Papst) 11, 37, 42 Johannes Paul II. (Papst) 7, 11, 13, 25, 37, 43–54, 56, 58, 62f., 68, 74f., 82, 84, 89, 105f. Johannes XXIII. (Papst) 7, 11, 22, 37–40, 42, 62, 105 Junge, Martin (Pfarrer) 74, 76 Karekin II. (Katholikos) 77 Kasper, Walter (Kardinal) 24f. Koch, Kurt (Kardinal) 9, 24–26 Kyrill I. (Patriarch von Moskau) 12 Lindbeck, George Arthur 30 Lortz, Joseph 21 Luciani, Albino (Kardinal) 42 Luther, Martin 8f., 13–15, 17–35, 37–39, 44, 46–51, 53–56, 58, 60–64, 70, 75, 82f., 85, 89, 106f. Martensen, Hans Lassen (Bischof) Merkle, Sebastian 21 Nossol, Alfons (Erzbischof) Ockham, Wilhelm Paul VI. (Papst)
30
28f.
26f. 7, 11, 37, 39f., 42, 58, 62
124 Pillay, Jerry
Personenregister
Theodor II. (Papst)
77
Ramsey, Michael (Erzbischof) 40 Ratzinger, Joseph (Kardinal) 54f., siehe Benedikt XVI. (Papst) Sartory, Thomas 26f. Schlink, Edmund 39 Sentamu, John (Bischof) Taizé, Johannes von
80
77
78
Weber, Friedrich (Bischof) 56 Welby, Justin (Erzbischof) 78 Willebrands, Johannes (Kardinal) 22–24, 26, 46, 69 Wolokolamsk, Hilarion von (Metropolit) 77 Woodruff, Mark 78f. Younan, Munib (Bischof)
8, 64, 66, 77